Hendrik Puls, Antikapitalismus von rechts?

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Hendrik Puls Antikapitalismus von rechts? Wirtschafts- und sozialpolitische Positionen der NPD Studien zur extremen Rechten, Band 1 Reihe Antifaschistische Politik [RAP], Band 3 farb. Broschur, 144 Seiten, 16.80 EUR [D] ISBN 978-3-942885-04-1, edition-assemblag.de

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Hendrik PulsAntikapitalismus von rechts?

Leseprobe(c) edition assemblage, 2012

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Die „soziale Frage “, glaubt ein „Vordenker“ der extrem rechten NPD, sei das „politi-sche Schlachtfeld“, auf dem sich die „Zukunft der nationalen Opposition und damit des deutschen Volkes“ entscheide. Folglich hat die Wirtschafts- und Sozialpolitik in der Agitation der Partei an Bedeutung gewonnen. Unter dem Motto „Sozial geht nur national“ verspricht die NPD, Wohlfahrtsleistungen an „völkische“ Zugehörigkeit zu binden und so den „Deutschen“ im Verteilungskampf um die knapper werdenden Ressourcen des Sozialstaates einen Vorteil zu verschaffen. Die NPD möchte sich nicht nur als „Anwalt der kleinen Leute“ profilieren, sondern auch als „Systemalternative“ wahrgenommen werden. Hat die Neonazi-Partei einen „Antikapitalismus von rechts“ entwickelt?Anhand einer umfangreichen Untersuchung der Parteizeitung ‚Deutsche Stimme‘ (1998-2010) werden die sozial- und wirtschaftspolitischen Positionen der NPD ana-lysiert. Neben ihrem Verständnis von Kapitalismus werden die von der NPD formu-lierten gesellschafts- und wirtschaftspolitischen „Alternativen“ untersucht.

Der Autor

Hendrik Puls, MA, ist Soziologe und arbeitet für die „Mobile Beratung gegen Rechts-extremismus im Regierungsbezirk Köln“. ([email protected])

Auswahl weiterer Veröffentlichungen: zusammen mit Patrick Fels und Hans-Peter Killguss (Hrsg.): Moscheebaukonflikte und ihre Instrumentalisierung durch die extreme Rechte, Beiträge und Materialien 5 der Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus, Köln 2012 „Der ganze Alltag, das ganze Leben bestand eigentlich nur aus Nazi sein, Naziwelt leben und Naziaktivismus.“ Zur Lebenswelt ‚Autonomer Nationalisten‘ zwischen politischen Aktionen und individuellem Alltag.In: Alexander Häusler/Jan Schedler (Hrsg.): Autonome Nationalisten. Neonazismus in Bewegung, VS-Verlag für Sozial-wissenschaften, Wiesbaden 2011.

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Hendrik Puls

Antikapitalismus von rechts?

Wirtschafts- und sozialpolitische Positionen der NPD

Studien zur extremen RechtenReihe Antifaschistische Politik [RAP]

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Hendrik Puls: Antikapitalismus von rechts?Wirtschafts- und sozialpolitische Positionen der NPDStudien zur extremen Rechten, Band 1Reihe Antifaschistische Politik [RAP], Band 3

1. Auflage, 2012ISBN 978-3-942885-04-1

© edition assemblage Postfach 27 46D-48014 MünsterTelefon: 0251 - 149 12 [email protected] | www.edition-assemblage.de

Mitglied der Kooperation book:fairMitglied der assoziation Linker Verlage (aLiVe)

Lektorat: edition assemblageUmschlag: Klaus Viehmann, BerlinSatz: bi, MünsterDruck: CPI Clausen & Bosse, LeckPrinted in Germany 2012

Bibliografische Information der Deutschen BibliothekDie Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.ddb.de abrufbar.

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Inhalt

Vorwort .................................................................................................................. 7

1. Einleitung .......................................................................................................... 91.1 Mit „Quittung für Hartz IV“ in den Landtag .......................................................91.2 Entwicklung der NPD unter dem Vorsitzenden Udo Voigt ......................... 121.3 Die Praxis der NPD vor veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ................................................................................................. 171.4 Fragestellung dieser Untersuchung ................................................................ 191.5. Quellen .................................................................................................................. 211.6 Untersuchungsaufbau und Methodik .............................................................. 23

2. Theoretische Überlegungen ........................................................................ 262.1 „Systemüberwindung“ als Ziel ......................................................................... 262.2 „Antikapitalismus“ als Teil der faschistischen Ideologie ............................ 292.3 Die NPD – eine Partei in der Tradition des Faschismus? ..........................34

3. Die Parteizeitung ‚Deutsche Stimme‘ ..................................................... 39

4. Frequenzanalyse ........................................................................................... 444.1 Kategorien .............................................................................................................444.2 Analyse der Rubrik ‚Wirtschaft und Soziales‘ ...............................................444.2 Analyse weiterer Rubriken ................................................................................. 47

5. Kritik des Kapitalismus ............................................................................... 495.1 Themen .................................................................................................................49 5.1.1 Arbeitslosigkeit und Einkommensunterschiede ................................49 5.1.2 „Ausverkauf“ und Privatisierung ...........................................................50 5.1.3 Abbau von Sozialleistungen .................................................................. 51 5.1.4 Staatsverschuldung und Steuerlast.....................................................545.2 Kapitalismus oder Soziale Marktwirtschaft? .................................................. 555.3 Kapitalismus als Geldwirtschaft: „Zinsknechtschaft“ und „raffendes Kapital“ .......................................................................................................................... 575.4 Globalisierung als Angriff auf die nationalstaatliche Souveränität ........... 625.5 Hintergrundmächte des Kapitalismus ............................................................. 675.6 Die Rolle des Unternehmertums ...................................................................... 715.7 Privateigentum ...................................................................................................... 745.8 Finanz- und Wirtschaftskrisen .......................................................................... 76

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6. NPD-„Alternativen“ zum Kapitalismus ................................................... 816.1 Volksgemeinschaft ............................................................................................... 816.2 Nationaler Sozialismus ......................................................................................846.3 Solidarismus ......................................................................................................... 916.4 Raumorientierte Volkswirtschaft ...................................................................... 926.5 Sozialstaatskonzeption .......................................................................................99

7. Theoretische Vorläufer ................................................................................103

8. Schlussbetrachtung .................................................................................... 111

Literaturverzeichnis ......................................................................................... 117Primärquellen .............................................................................................................117Sekundärquellen .......................................................................................................125Sonstige Dokumente: ..............................................................................................131Zeitschriften-Abkürzungen ......................................................................................131

Namensregister ...............................................................................................132

Anhang .............................................................................................................. 139

Danksagung ......................................................................................................142

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Vorwort

„Sozial geht nur national“ ist eine beliebte Parole, mit der die ‚Nationalde-mokratische Partei Deutschlands‘ (NPD) im Wahlkampf auf Stimmenfang geht und mit der sie ihr Profil als „Anwalt der kleinen Leute“ schärfen will. Ausgehend von der Beobachtung, dass Themen der Wirtschafts- und Sozial-politik in der Agitation der NPD einen bedeutenden Stellenwert einnehmen, untersucht Hendrik Puls in dieser Studie, welches Verständnis von Kapita-lismus diesen Äußerungen zu Grunde liegt. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob die NPD einen „Antikapitalismus von rechts“ entwickelt hat.

Puls untersucht die wirtschafts- und sozialpolitischen Positionen der NPD anhand einer zwölf Jahre umfassenden Inhaltsanalyse der Parteizeitung ‚Deut-sche Stimme‘ und gibt einen detaillierten Einblick in die NPD-Programmatik und die innerparteilichen Diskussionen. Mit dieser Untersuchung leistet er Pionierarbeit. Er hat über 750 Artikel der ‚Deutsche Stimme‘ herangezogen und ausgewertet. Anhand dieser umfassenden Datenbasis zeichnet Puls die Entwicklungen der NPD nach: von einer deutschnationalen, revisionistisch ausgerichteten Partei mit unzeitgemäßen Forderungen veränderte sich die NPD mit Beginn der Amtszeit des Bundesvorsitzenden Voigt zu einer Partei, die sich als radikale, nationalistische „Systemalternative“ präsentiert, einen unbürgerlichen Habitus pflegt und sich an das sprachliche Arsenal des Fa-schismus anlehnt.

Der große Umfang, den Themen wie Globalisierung, Arbeitslosigkeit und die Entwicklung des Sozialstaats in der ‚Deutschen Stimme‘ einnehmen, deutet Puls nicht als nur taktisch motivierte Besetzung von Themen oder als Ausdruck „sozialer Demagogie“. Sein an den Diskussionen der neueren Faschismusforschung geschulter Blick ermöglicht es ihm, die Positionen der NPD in den Kontext zu der Programmatik faschistischer Parteien zu stellen und so Ähnlichkeiten ebenso zu betonen wie Unterschiede und Anpassungs-leistungen an heutige gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Mit ihren Positi-onen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik vertritt die NPD eine Ideologie, die für sich in Anspruch nimmt, einen radikalen Systemwandel herbeizuführen und eine neue Ordnung zu errichten. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft bei der NPD allerdings eine große Lücke. Die Proklamation eines „Antikapitalismus“ bleibt eng an die Voraussetzungen und Sachzwänge der kapitalistischen Produktionsweise gebunden. Dies wird besonders deutlich bei den Konzeptionen zu einer „raumorientierten Volkswirtschaft“ oder einem „nationalen Sozialismus“, die die NPD als Alternative zum bestehen-den ökonomischen und politischen System vertritt. Der Autor ordnet diese Konzepte in einen ideengeschichtlichen Kontext ein. Deutlich wird dabei,

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wie sehr sich die NPD auf Konzepte des Nationalsozialismus oder auf The-oretiker der nationalistischen Rechten der Weimarer Republik bezieht, die unter dem Sammelbegriff „Konservative Revolution“ zusammengefasst wor-den sind. Gleichzeitig zeigt sich der zutiefst rassistische, auf Ausschluss und Ausgrenzung abzielende, Charakter der rechtsextremen Vorstellungen dieser Partei.. Soziale Sicherheit und Unterstützung soll untrennbar an „Volkszuge-hörigkeit“ und Leistungsbereitschaft gebunden werden. Für jene Menschen, die im völkisch-nationalistischen Weltbild der NPD keine Deutschen sind, ist kein Platz in der „Volksgemeinschaft“: vielmehr soll ihre Diskriminierung die Grundlage für die Sozialpolitik der NPD schaffen.

Prof. Dr. Karin PriesterMünster, im Sommer 2011

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1. Einleitung

1.1 Mit „Quittung für Hartz IV“ in den LandtagMit einem Ergebnis von 9,2 Prozent zog die älteste Partei der extremen Rech-ten1 in der Bundesrepublik Deutschland am 19. September 2004 erstmals seit den 1960er Jahren wieder in ein deutsches Landesparlament ein. Nach über 30 erfolglosen Jahren stellte die ‚Nationaldemokratische Partei Deutschlands‘ (NPD) erneut eine Landtagsfraktion. 12 Mandatsträger*innen2 saßen fortan für die Partei im sächsischen Landtag.

Das relativ hohe Wahlergebnis der sächsischen NPD erklärten sich Beobachter*innen nicht nur mit einer Konzentration von finanziellen und personellen Ressourcen auf das ostdeutsche Bundesland und einer dort über die Jahre ausgebauten kommunalen Verankerung, sondern auch mit einer spe-zifischen gesellschaftlichen Auseinandersetzung, welche die NPD aufgreifen konnte: Die rot-grüne Bundesregierung hatte 2004 die umstrittene ‘Agenda 2010’ forciert, die als ein Programm des massiven Sozialabbaus bezeichnet werden kann. Vor allem an der Arbeitsmarktreform entzündete sich eine große Protestbewegung, die breite gesellschaftliche Schichten erfasste und zu deren Höhepunkt mehrere Zehntausend Menschen gegen die Reformpläne auf die Straße gingen.

1 Im Folgenden benutze ich den Begriff „extreme Rechte“ als Sammelbezeichnung für verschiedene nationalistische Organisationen, seien es Parteien, Vereine, Medien-projekte oder formal eher lose strukturierte Netzwerke, Aktionsgruppen und Kame-radschaften, die sich trotz Differenzen in Fragen des politischen Stils und der Strate-gie, der Aktionsformen und inhaltlichen Positionierungen doch zumindest in ihrer antidemokratisch-autoritären, rassistischen und sozialdarwinistischen Grundausrich-tung ähnlich sind. Extrem rechte Organisationen negieren die universellen Freiheits- und Gleichheitsrechte des Menschen und vertreten Ideologien der Ungleichheit. Sie sind tendenziell gegen die parlamentarisch-demokratische Verfasstheit der Bundesre-publik gerichtet. 2 Im Folgenden nutze ich eine Schreibweise, die sowohl Frauen und Männer, als auch diejenigen, die sich jenseits einer binären Geschlechterordnung positionieren, sprach-lich repräsentieren soll. Wenn nur die männliche Form benutzt wird, sind ausschließ-lich Männer gemeint. Die Mehrzahl der zitierten DS-Artikel ist von Männern verfasst worden, welche nicht nur die sozial- und wirtschaftspolitische Diskussion, sondern auch die Führungspositionen innerhalb der NPD dominieren. Queere oder transse-xuelle Genderidentitäten sind mit dem Weltbild der NPD, die von einer vermeintlich „natürlichen“ Geschlechterordnung mit eindeutig bestimmten Rollenverteilungen und Identitäten ausgeht, nicht kompatibel. Zur Rolle der Frauen in der NPD vgl. Kenzo 2008 sowie Röpke 2005

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NPD und Freie Kameradschaften3 agitierten schon frühzeitig gegen die ‘Agenda 2010’ und deren unter dem Begriff ‘Hartz IV’ bekannt gewordenen Programmpunkt, der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum so genannten Arbeitslosengeld II (ALG II). Bereits im April 2004 ini-tiierten parteilose aber NPD-nahe Neonazis die Kampagne „Keine Agenda 2010“, die schließlich über 60 kleinere und größere Protestaktionen umfasste (vgl. Grumke 2009: 154). Zugleich versuchten bundesweit Neonazis und NPD-Verbände sich an Protestaktionen von Gewerkschaften und Erwerbs-losen-Initiativen zu beteiligen. Der NPD gelang es zumindest teilweise, die sich ihnen mit dem Aufkommen der „Montagsdemos“ bietenden Agitations-möglichkeiten zu nutzen. Die Reformen der ‘Agenda 2010’ wurden zu einem der wichtigsten Themen des Wahlkampfes. Die NPD setzte unter der Parole „Quittung für Hartz IV“ stark auf die Unzufriedenheit in der Bevölkerung und die als „Krise der Repräsentation“ (Kaindl 2007: 61) bezeichnete Ent-fremdung und Loslösung der Wähler*innen von ihren traditionellen Parteien, die durch die Arbeitsmarktreform weiter verstärkt wurden:

„Alle Parteien des Bundestages – mit Ausnahme der PDS – befürworteten die Agenda 2010. Die fehlende Unterscheidbarkeit schafft Freiräume für all jene politischen Kräfte, die sich explizit gegen die ‚Alternativlosigkeit zu Hartz IV‘ aussprechen und eigene Antworten geben. Den Erfolg heimst die NPD durch ihre klare Absage an die Bundespolitik ein.“ (AIB 2004: 15)

Die Autor*innen des ‚Antifaschistischen Infoblattes‘ betonten in dieser ersten Wahlanalyse die Bedeutung des zentralen sozialpolitischen Wahlkampfthemas für den NPD-Erfolg, machten aber zugleich deutlich, dass deren Wahler-gebnis nicht ausschließlich mit dem Stimmverhalten einer großen Gruppe vermeintlich unpolitischer Protestwähler*innen, welche die großen Parteien für deren unsoziale Reformpläne abstrafen wollten, begründet werden kann. Denn das Spezifische der NPD-Agitation gegen die ‚Agenda 2010‘ war nicht die konsequente Absage an diese Reform, sondern Lösungsvorschläge, die auf

3 Als Freie Kameradschaften bezeichne ich formal nicht als Verein oder Partei organi-sierte, aktivistische neonazistische Gruppen, die sich selbst beispielsweise Freie Kräfte, Nationaler Widerstand oder Kameradschaft nennen und meist in einem lokalen Bezugs-rahmen politisch tätig werden. Mit anderen Freien Kameradschaften sind sie meist infor-mell vernetzt. Das Verhältnis der Freien Kameradschaften zur NPD ist ambivalent. Ein Teil der Freien Kameradschaften arbeitet eng mit der NPD zusammen, zumal führende Vertreter dieser Fraktion im September 2004 in die NPD eingetreten sind. Ein anderer Teil hält eher Distanz zur Partei, ihnen gilt das Auftreten der NPD als zu moderat, teil-weise wird sogar die Parteiform als unzeitgemäß und reformistisch abgelehnt. Von Seiten der NPD wird oftmals betont, dass man die eigene Partei und die Freien Kameradschaf-ten im „Nationalen Widerstand“ vereint sehe. Zu den Freien Kameradschaften und ih-rem Verhältnis zur NPD vgl. Röpke/Speit 2005 sowie Röpke/Speit 2008 und Sager 2012

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eine rassistisch legitimierte Privilegierung der „Deutschen“4 gegenüber „Frem-den“ basierten. Die Thematisierung der „sozialen Frage“ verknüpfte die NPD unmittelbar mit einem Kernthema der extremen Rechten: der Ablehnung von Migration und Migrant*innen.

Die große Bedeutung der mit rassistischen Diskriminierungen verknüpf-ten sozialpolitischen Forderungen der NPD für das Stimmverhalten der Wähler*innen wird durch die Ergebnisse von Wahlanalysen bestätigt: „60 % der befragten NPD-Wähler gaben an, die Partei aus Protest gegen ‘Hartz IV’, und 36 % wegen der Ausländerthematik gewählt zu haben.“ (Grumke/Klärner 2006: 98) Zugleich konnte die NPD von der Mobilisierung von vormaligen Nicht-Wähler*innen, profitieren, die einen Anteil von 55 % der Stimmen ausgemachten (vgl. ebd.).

Zwei Jahre später, im Herbst 2006, folgte nach einem mit ähnlichem sozialpolitischen Themenschwerpunkt geführten Wahlkampf der Einzug einer NPD-Fraktion in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Bei ihrem zweiten elektoralen Teilerfolg auf Landesebene erzielte die NPD ein Wahlergebnis von 7,3 Prozent.

Die Wahlergebnisse von 2004 und 2006 waren keine einmaligen Erschei-nungen. Dass sich die NPD in den folgenden Wahlen 2009 und 2011 sowohl in Sachsen als auch in Mecklenburg-Vorpommern, trotz etwas schlechterer Wahlergebnisse, in den Landtagen festsetzen konnte, verdeutlicht, dass die extreme Rechte in diesen beiden Bundesländern mittlerweile über eine Stammwähler*innenschaft verfügt. Zudem gelang der Partei über die Arbeit ihrer Landtagsfraktionen eine Stabilisierung ihrer Organisationsstrukturen.

Dass sie nun zur aktuell erfolgreichsten extrem rechten Wahlpartei in Deutschland wurde, ist aber auch ein Ergebnis des inhaltlichen und strate-gischen Wandels der Partei, der Mitte der 1990er Jahre einsetzte und unter anderem durch eine verstärkte Thematisierung von wirtschafts- und sozial-politischen Forderungen gekennzeichnet ist.

4 Ich setzte die Begriff e Deutsche ebenso wie Fremde und Ausländer*innen in An-Ich setzte die Begriffe Deutsche ebenso wie Fremde und Ausländer*innen in An-führungszeichen, wenn deutlich gemacht werden soll, dass ich die Begriffe im Sinne der NPD verwende, mich also weder auf eine staatsbürgerschaftsrechtliche Definition beziehe noch selbst einen essentialistischen Begriff von deutsch benutze. Die NPD hängt einer völkisch-rassistischen Definition des „Deutschseins“ an. „Deutsch“ ist man nach Kriterien der Abstammung. So schreibt die NPD: „Deutscher ist, wer deutscher Herkunft ist und damit in die ethnisch-kulturelle Gemeinschaft des deutschen Volkes hineingeboren wurde. [...] In ein Volk wird man schicksalshaft hineingepflanzt. [...] Ein Afrikaner, Asiate oder Orientale wird nie Deutscher werden können, weil die Verleihung bedruckten Papiers (des BRD-Passes) ja nicht die biologischen Erbanlagen verändert, die für die Ausprägung körperlicher, geistiger und seelischer Merkmale von Einzelmenschen und Völkern verantwortlich ist.“ (NPD-Parteivorstand 2006a: 12)

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1.2 Entwicklung der NPD unter dem Vorsitzenden Udo VoigtLange Jahre war es für politische Beobachter*innen unvorstellbar, dass der NPD erneut ein relativer Wahlerfolg wie jener im Jahr 2004 gelingen sollte. Die 1964 gegründete und nach anfänglich guten Wahlergebnissen bei Landtags- und Kommunalwahlen5 schon fast im Parteiensystem der Bundesrepublik etablierte NPD geriet Ende der 1960er Jahre in eine Phase fortschreitenden organisatorischen und elektoralen Niedergangs. Nach dem knapp verfehlten Einzug in den Bundestag 1969 verlor die NPD in den Folgejahren sämtliche Sitze in den Landesparlamenten. Immer mehr Mitglie-der verließen die als Sammlungspartei gegründete NPD, so dass diese sich schließlich in den 1980er Jahren nach ausbleibenden Wahlerfolgen und mit kleiner Mitgliederschaft in der politischen Bedeutungslosigkeit wiederfand. Auch im Spektrum der extremen Rechten fristete die NPD in den 1980er Jahren ein Schattendasein; anders als heute fanden die strategischen und inhaltlichen Modernisierungen extrem rechter Politik in Gruppierungen fern der NPD statt und blieben lange Zeit ohne Einfluss auf die Politik der Partei. Zu den entstehenden extrem rechten Jugendkulturen bestanden wenig Berührungspunkte. Auch die sich offen als neonazistisch bekennende Fraktion der extremen Rechten organisierte sich in der Mehrheit außerhalb von NPD-Strukturen. Ein zwar in der Praxis nur halbherzig praktizierter, aber formal gültiger Abgrenzungsbeschluss der NPD gegenüber neonazistischen Gruppen wurde erst Anfang der 1990er Jahre durch den NPD-Vorsitzenden Günther Deckert aufgehoben (vgl. Hafeneger 1998: 52f ).

Der Abwärtstrend der NPD stoppte Mitte der 1990er Jahre, als es der Partei gelang, sich unter dem neu gewählten Vorsitzenden Udo Voigt inhalt-lich wie organisatorisch neu auszurichten. Die Partei öffnete sich den meist jugendlich geprägten, extrem rechten Subkulturen, vor allem der RechtsRock-Szene, in der damals neonazistische Skinheads dominierten, sowie den Mit-gliedern der verbotenen oder aufgelösten Kleinstparteien und Vereine des organisierten Neonazismus wie FAP6, NF7 oder ‘Die Nationalen e.V.’8. Die NPD wurde so zu einer aktionsfähigen Kaderpartei.

Inhaltlich stand Voigt für eine Abkehr von der „Revisionismuskampagne“ seines Vorgängers Günther Deckert und einer stärkeren Hinwendung zur Thematisierung von sozialen Problemen:

5 Zwischen 1966 und 1968 gelang es der NPD mit 61 Abgeordneten in sieben west-Zwischen 1966 und 1968 gelang es der NPD mit 61 Abgeordneten in sieben west-deutsche Landtage einzuziehen (vgl. Schmollinger 1986a: 1955).6 ‚Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei‘ (1995 verboten)7 ‚Nationalistische Front‘ (1992 verboten)8 Selbstaufl ösung 1997, um einem Verbot zu entgehen. Einer der führenden Vereins-Selbstauflösung 1997, um einem Verbot zu entgehen. Einer der führenden Vereins-mitglieder, Frank Schwerdt, ist zurzeit stellvertretender Bundesvorsitzender der NPD.

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„Unter der Leitung von Udo Voigt wandelte sich die NPD von einer überwiegend deutschnationalen, eher systemkonform agierenden zu einer überwiegend neonazistischen, systemfeindlichen Partei.“ (Stöss 2007: 133)

Die unter Voigt initiierte inhaltliche Schwerpunktsetzung auf sozialpolitische Themen, die auch als „Ethnisierung der sozialen Probleme“ (Hafeneger 1998: 55) bezeichnet werden kann, ging mit einer strategischen Neuausrichtung der Parteipolitik einher. Als Verlassen der Hinterzimmer und Gang hinaus auf die Straße könnte diese NPD-Politik, die innerhalb der Partei unter der Parole „Kampf um die Straße“ firmierte, charakterisiert werden.9 Der von der Parteispitze ausgerufene „Kampf um die Straße“ war ein Bestandteil der von der ‘Strategiekommission der NPD’ in den Jahren 1996 und 1997 erarbeiteten so genannten 3-Säulen-Strategie, deren weitere Bestandteile die Säulen „Kampf um die Köpfe“ und „Kampf um die Parlamente“ waren (vgl. Schulze 2009: 94f ). 2005 wurde das Säulenkonzept um den „Kampf um den organisierten Willen“ ergänzt, der die Bündnispolitik der Partei und ihren An-spruch, die führende und impulsgebende Kraft an der Spitze einer vereinten rechten „Volksfront“ aus NPD, DVU und Freien Kameradschaften zu sein, kennzeichnen sollte. Ergebnis dieser Bündnispolitik war die 2005 erfolgte Unterzeichnung eines „Deutschlandpakt“ genannten Wahlkampfabkommens mit der ‘Deutschen Volks-Union’ (DVU), das konkurrierende Kandidaturen der beiden Rechtsaußen-Parteien ausschließen sollte (vgl. ebd.: 103).10 Das Abkommen wurde im Juni 2009 einseitig von der NPD aufgekündigt. Trotz-

9 Befriedigt stellte im Februar 1998 der damalige „Leiter Neue Medien“ der NPD, der vom Verein ‚Die Nationalen e.V.‘ zur NPD gewechselte Christian Wendt, in einem Beitrag fest: „Noch vor ein paar Jahren galt die NPD als verstaubter Hinterzimmerver-ein, der in seinem gesamten Erscheinungsbild ebensowenig anziehend auf die nationale Jugend wirkte, wie in seiner Programmatik. ...Doch mit der massiven Eintrittswelle vor allem Jugendlicher Nationalisten, die Öffnung der Partei für neue Konzepte und die enge Zusammenarbeit mit den Strukturen der freien Kameradschaften hat sich das Bild der NPD in den zurückliegenden Monaten radikal verändert. An die Stelle unattraktiver Hinterzimmer-Versammlungen sind massive und eindrucksvolle Kund-gebungen getreten, die jeweils mehrere tausend Nationale auf die Straße brachten.“ [Grammatik wie im Original] (Wendt 1998 zitiert nach Jacoby 2000) 10 Die gestiegene Bedeutung der NPD im Spektrum der extremen Rechten lässt sich Die gestiegene Bedeutung der NPD im Spektrum der extremen Rechten lässt sich an ihrer Mitgliederentwicklung ablesen. Nach Angaben des Inlandsgeheimdienstes ist die NPD seit 2007 die mitgliederstärkste Partei der extremen Rechten. Erstmals gelang es ihr, die DVU zu überholen. Ungefähr 7200 Personen sollen 2007 ein NPD-Parteibuch besessen haben (vgl. Jansen 2008). Der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2008 bezifferte die Mitgliedschaft der NPD auf 7000 Personen. Die DVU sollte damals nur noch über 6000 Mitglieder verfügen und damit gegenüber dem Vorjahr weitere 1000 Mitglieder verloren haben (vgl. Bundesministerium des Inneren 2009: 56). In den Folgejahren gingen die Mitgliederzahlen der NPD nach Angaben des In-

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dem beschlossen im Herbst 2010 die Delegierten der Bundesparteitage von NPD und DVU die Fusion der beiden Parteien, die de facto einer Auflösung der DVU in der NPD gleichkommt. Die Rechtsgültigkeit des unterzeichne-ten „Verschmelzungsvertrags“ wird zurzeit von Fusionsgegner*innen aus den Reihen der DVU juristisch angefochten (vgl. Sager 2010).

Die strategische Säule des „Kampfes um die Straße“ umfasste seit jeher Versuche, Demonstrationen zu wirtschafts- und sozialpolitischen Themen durchzuführen. Seit 1996 veranstaltete beispielsweise die NPD-Jugendorga-nisation ‚Junge Nationaldemokraten‘ (JN) zentrale Aufmärsche am 1. Mai, der als „Tag der nationalen Arbeit“ gedeutet wurde. Schon 1998 schaffte sie es, fast 4000 Teilnehmer*innen zu einer zentralen Demonstration in Leipzig zu versammeln.11 Die NPD stellte bis zum Beginn des neuen Jahrtausends das organisatorische Zentrum der extrem rechten „Demonstrationspolitik“ (Virchow 2006) dar, bis schließlich die ‘Freien Kameradschaften’ ab dem Jahr 2000 eine eigene und von der NPD unabhängige „Demonstrationspolitik“ entwickelten. Überhaupt hat die Anzahl an Demonstrationen, bei denen seitens der NPD und der ‘Freien Kameradschaften’ soziale Themen in den Vordergrund gestellt wurden, stark zugenommen. In den Jahren 1998 bis 2004 zählte Fabian Virchow bundesweit 101 Demonstrationen des Themen-komplexes „Antikapitalistische Demagogie/Soziale Frage/Globalisierung“ (vgl. Virchow 2006: 79).12 In den Jahren 2005 bis 2009 stieg diese Zahl um weitere 104 Aufmärsche auf nun insgesamt 205 von 1998 bis 2009 (vgl. Virchow 2011a: 18). Lediglich Demonstrationen, die Protest gegen staatli-che Maßnahmen artikulierten bzw. „gleiche Rechte“ für die extrem rechten Organisationen einforderten, fanden in den Jahren 1998 bis 2009 mit 214 Aufmärschen häufiger statt (vgl. ebd.).

landsgeheimdienstes allerdings auf 6800 im Jahr 2009 und 6000 im Jahr 2010 zurück (vgl. Bundesministerium des Inneren 2011: 58).11 Ihr erster Mobilisierungserfolg sollte der NPD 1997 dennoch mit einem ge-Ihr erster Mobilisierungserfolg sollte der NPD 1997 dennoch mit einem ge-schichtspolitischen Thema, der Beschönigung des Nationalsozialismus und der Ver-herrlichung der deutschen Wehrmacht gelingen, das große Teile des extrem rechten Spektrums einte. Die NPD-Kampagne gegen die Ausstellung ‚Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944‘ des ‚Hamburger Instituts für Sozialforschung‘ brachte 4300 TeilnehmerInnen in München auf die Straße. Vergangenheitsfixierte De-monstrationen, die die Verherrlichung des Nationalsozialismus und dessen Funktions-träger sowie die angeblichen „deutschen Opfer“ des Weltkriegs thematisieren, haben weiterhin eine große Mobilisierungskraft. Sie stellen die in Teilnehmer*innenzahlen gemessen größten Aufmärsche dar. (vgl. Virchow 2011a: 16). 12 In die Statistik wurden Demonstrationen mit einer Mindestzahl von 50 Teilneh-In die Statistik wurden Demonstrationen mit einer Mindestzahl von 50 Teilneh-menden aufgenommen.

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Neben der aktionistischen Straßenpolitik kennzeichnete die NPD-Strategie unter Voigt eine Konzentration auf eine lokale Verankerung in den Kommu-nen und die Bemühung, auch in Kommunalvertretungen (Stadträte, Kreis-tage) Mandate zu erzielen. Aufgrund des Fehlens einer Sperrklausel gelangen der NPD im „Kampf um die Parlamente“ bei Kommunalwahlen nicht nur im Osten der Republik Achtungserfolge, aus denen ein stetiger Anstieg der Mandate resultierte. Waren es 2003 nur einige Dutzend, verfügt die Partei nach den Wahlen 2009 über bundesweit mehr als 300 Lokalmandate. In Sachsen ist sie sogar flächendeckend in den Kreistagen vertreten (vgl. Metzger/Hansen 2009: 1). Zumindest für die ostdeutschen Länder ist zu konstatieren, dass dort, wo es der NPD gelang bei Kommunalwahlen anzutreten, auch Mandate gewonnen werden konnten (vgl. Botsch/Kopke 2009a: 76f ). Die von der NPD angestrebte kommunale Verankerung setzt nicht nur arbeitsfä-hige Parteistrukturen und fähige Funktionsträger*innen voraus, sondern auch die Entwicklung einer von den Wähler*innen wahrnehmbaren Sach- und Lokalpolitik. Sozial- und wirtschaftspolitische Themen nutzt die NPD hier, um ihr erwünschtes Profil als „Schutzmacht der kleinen Leute“, so der NPD-Vordenker Jürgen Gansel (2008a), zu schärfen.

Die Landtagswahlen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sowie die „Demonstrationspolitik“ lieferten bereits Beispiele für die gestiegene Bedeutung, die der Wirtschafts- und Sozialpolitik in der Praxis der NPD zu kommt. Einige weitere Beispiele sollen diesen Befund bestärken.

2006 stellte die NPD-Jugendorganisation ‚Junge Nationaldemokraten‘ (JN) zusammen mit Freien Kameradschaften die Kampagne „Antikapitalis-mus von Rechts“ vor, in der die „vorherrschende Zinswirtschaft des Kapita-lismus“ als „Grundübel“ ausgemacht wurde, wohingegen Hartz IV nur ein Auswuchs des Systems sei (vgl. AG Zukunft statt Globalisierung Sachsen 2006: 5). Die Kampagne war der Versuch, einen extrem rechten „Antikapi-talismus“ zu theoretisieren und in der Szene stärker zu verankern.

Anlässlich des Gipfeltreffens der G8-Regierungschefs in Heiligendamm kündigte der NPD-Generalsektretär Peter Marx an, der G8-Gipfel werde der „Kristallisationspunkt nationaler Oppositionspolitik“ und 2007 das Jahr des „volkstreuen Globalisierungswiderstands“ (zitiert nach Molau 2007a: 1) sein. Die NPD startete eine Kampagne unter dem Motto „Gib 8 – G8. Sozial statt global“.

Die Landtagswahlkämpfe in den Jahren 2008 und 2009 stellte die NPD unter das Leitmotto „Sozial geht nur national“. Damit war sie aber weder in Hessen, Niedersachsen, Thüringen, Bayern noch im Saarland sonderlich erfolgreich. Eine Ausnahme bildete hier das Bundesland Sachsen. Der erstmalige Wiedereinzug einer NPD-Fraktion in einen deutschen Landtag im August 2009 in Sachsen

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verdeutlichte zudem, dass die NPD über ein festes Stammwähler*innenpotential verfügte, das ihr 5,6 Prozent der Stimmen einbrachte.

Auch der Landtagswahlkampf der NPD in Sachsen-Anhalt im Jahr 2011 war geprägt von sozial- und wirtschaftspolitischen Forderungen. Mit einem Umfang von sechs Seiten nahm der Punkt „1. Wirtschaft“ eine zentrale Stellung im NPD-Wahlprogramm ein (vgl. NPD-LV Sachsen-Anhalt 2011: 6-11). Wider Erwarten scheiterte die NPD mit einem Wahlergebnis von 4,6 Prozent knapp an der 5-Prozent-Klausel, der Einzug in den Landtag blieb ihr so verwehrt. Dieser Stimmenanteil lässt sich vor allem mit einer gestiegenen Wahlbeteiligung erklären (vgl. Speit/Heinrich 2011). Zugleich geben aber die Ergebnisse einer Juniorwahl, an der sich über 10.000 noch nicht wahl-berechtigte Schüler*innen aus Sachsen-Anhalt beteiligten, Hinweise auf das potentielle Wähler*innenreservoir der NPD: Mit 11,4 % wurde die NPD von den Jugendlichen zur viertstärksten Partei gewählt (vgl. juniorwahl.de 2011).

Woran die Partei in Sachsen-Anhalt scheiterte, gelang ihr in Mecklenburg-Vorpommern. Mit einem Wahlergebnis von 6,0 Prozent behauptete die von Udo Pastörs geführte Fraktion dort trotz Stimmverlusten ihren Platz im Par-lament. Neben einem Image als „Kümmerer-Partei“ und einer Abgrenzung zu den als „Bonzen“ bezeichneten demokratischen Politiker*innen setzte die NPD wieder auf die Thematisierung sozialer Probleme, die mit aggressiver Rhetorik gegen „Ausländer“ im Allgemeinen und „Polen“ im Speziellen sowie Anti-EU-Parolen verbunden wurde (vgl. Niebuhr/Gantlik 2011).

Alljährlich mobilisiert die NPD für den zum „Tag der nationalen Arbeit“ verklärten 1. Mai. 2011 marschierte die Partei, gemeinsam mit Freien Ka-meradschaften, in Heilbronn, Greifswald und Bremen. Thematisch richteten sich diese Demonstrationen vor allem gegen den Wegfall der Freizügig-keitsbeschränkung für Arbeitnehmer*innen aus den mittelosteuropäischen EU-Staaten. In Bremen wollte die NPD im Rahmen ihres Wahlkampfes zur Bürgerschaftswahl einen „Sozialkongress der NPD: Soziale Sicherheit statt Raubtierkapitalismus“ veranstalten. Statt eines Kongresse fand allerdings am 30. April 2011 lediglich eine Kundgebung mit anschließender Demonstration statt, an der sich nur rund 180 Personen beteiligten, unter ihnen auch der Bundesvorsitzende (vgl. Speit 2011: 3).

Die inhaltliche Schwerpunktsetzung in der Wahlwerbung sowie in der po-litischen Praxis auf der Straße und in den Parlamenten ist von der Überlegung geprägt, dass die Wirtschafts- und Sozialpolitik ein erfolgversprechendes Po-litikfeld sei, das über die weitere Stärkung der NPD bestimme. Die Aussagen des NPD-Funktionärs Jürgen Gansel stehen stellvertretend für große Teile der Führungsriege der Partei: „Die soziale Frage ist das politische Schlachtfeld, auf dem sich die Zukunft der nationalen Opposition und damit des deutschen Volkes entscheidet.“ (Gansel 2008a: 13)

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1.3 Die Praxis der NPD vor veränderten gesellschaftlichen RahmenbedingungenDie beschriebene Praxis der NPD findet innerhalb veränderter gesellschaft-licher Verhältnisse statt, so dass die Schwerpunktsetzung auf soziale Themen und Problemlagen als eine Reaktion auf den sich in den letzten 20 Jahren vollzogenen sozialen Wandel gedeutet werden kann. Für die extreme Rechte haben zwei Aspekte dieses Wandels besondere Bedeutung: Erstens verlor die NPD mit der „Wiedervereinigung“ eines ihrer zentralen Themen, obwohl sich ihre revanchistischen Forderungen nach einem „Großdeutschland“ in den Grenzen von 1937 nicht erfüllten. Zweitens geriet in den 1990er Jahren das wohlfahrtsstaatliche Modell der Bundesrepublik sowohl von wirtschaftlicher als auch von politischer Seite unter Druck. Damit verschlechterte sich nicht nur die soziale und finanzielle Lage vieler Bürger*innen, sondern existenzielle Unsicherheiten wurden spürbar. Viele von dem Sozialabbau Betroffene und Verängstigte empfanden die Entwicklung als eine einseitige Aufkündigung des Gesellschaftsvertrags von „oben“.

Der soziale Wandel nach der Wiedervereinigung lässt sich als Krise der Arbeitsgesellschaft beschreiben: Immer weniger Menschen waren fortan in der industriellen Produktion beschäftigt. Durch Rationalisierungsmaßnahmen, Produktionsverlagerungen und Konkurse wurden immer mehr Lohnabhän-gige entlassen. Trotz des Ausbaus des Dienstleistungssektors, in dem neue Arbeitsplätze geschaffen wurden, entstand eine Sockelarbeitslosigkeit. In der gesellschaftlichen Debatte wurde die Angst vor einer Massenarbeitslosigkeit artikuliert. Die Arbeitslosigkeit beeinträchtigte auch die finanziellen Res-sourcen des Sozialstaates, indem auf der Einnahmeseite weniger Gelder zur Verfügung standen, während die Ausgaben für wohlfahrtsstaatliche Unter-stützung anstiegen. Zudem setzte sich ein wirtschaftspolitisches Paradigma durch, das „den Wohlfahrtsstaat als finanzielle Belastung und als tendenzielle Bedrohung für die Wettbewerbsfähigkeit des ‚eigenen‘ Wirtschaftsstandortes“ (Butterwegge 2005: 83) begriff. Der auf diese Entwicklung folgende Umbau des Sozialstaates wurde von dem Leitgedanken getragen, dass „sozialpolitische Aufgaben sukzessive wieder dem Markt und dem Individuum zu überant-worten“ (Frevel/Dietz 2004: 43) sind. Die Re-Privatisierung sozialer Risiken war umfassend und betraf sowohl Alterssicherung, Gesundheitsvorsorge als auch den Schutz vor Arbeitslosigkeit. Der Sozialstaat entwickelte sich von einem „welfare“- zu einem „workfare“-Staat, weil sozialstaatliche Transferlei-stungen stärker als zuvor mit Formen der Disziplinierung und Aktivierung der Empfänger*innen gekoppelt wurden: Der so genannte „passive Leistungs-bezug“ von arbeitsfähigen Leistungsempfänger*innen sollte beendet und die Arbeitslosen „durch scharfe Sanktionen und umfassende Kontrolle auf der einen und rechtlich eingeschränkte Beschäftigungsverhältnisse und öffentliche

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Pflichtarbeit auf der anderen Seite diszipliniert und aktiv in den Arbeitsmarkt integriert werden“ (Wölfle/Schöller 2004: 339).

Zwar wurden die disziplinierenden Elemente der Sozialhilfe schon in den 1980er und 1990er Jahren ausgebaut, die größten Änderungen brachte aber die von der rot-grünen Bundesregierung durchgesetzte Zusammen-legung der Arbeitslosen- und der Sozialhilfe. Unter dem Motto „Fördern und Fordern“ erhöhten die so genannten Hartz-Gesetze den Druck auf die Leistungsempfänger*innen, indem Bedürftigkeitsprüfungen ausgeweitet, Zumutbarkeitskriterien aufgeweicht, Sanktionsmittel und Kontrollmecha-nismen ausgebaut wurden. Die finanzielle Situation verschlechterte sich vor allem für Langzeitarbeitslose, die nun als ALG II-Empfänger*innen weniger Unterstützung erhielten und zudem disziplinierenden Maßnahmen unterwor-fen waren. Flankiert wurde der Umbau des Sozialstaats mit Angriffen auf die Leistungsbezieher*innen, denen „Faulenzertum“, „Leistungsmissbrauch“ und „Arbeitsunwilligkeit“ vorgeworfen wurde. Zugleich wurden mit dieser Ar-beitsmarktreform die Beschäftigungsverhältnisse in Form von Leiharbeit, Ich-AG, Mini- und Midijobs weiter dereguliert. Der Niedriglohnsektor wurde so erheblich ausgeweitet (vgl. ebd: 353). Die Arbeitsmarktreform der rot-grünen Bundesregierung kann deshalb als tiefer Einschnitt in das Sozialstaatsgefüge und als Kündigung des wohlfahrtsstaatlichen Versprechens bezeichnet werden.

Als Ursache dieser gesellschaftlichen Umbrüche wurde seit den 1990er Jahren immer wieder das Schlagwort der Globalisierung bemüht. Eine allge-mein gültige Definition von Globalisierung hat sich weder in der Wissenschaft noch in der öffentlichen Diskussion durchgesetzt. Der „Reiz des Begriffs“ besteht vielmehr darin, „dass er theoretisch unscharf, unterbestimmt und ideologisch vielfältig aufladbar ist, so dass nahezu keine Beschränkungen hinsichtlich seiner Verwendung zu erkennen sind“ (Bemerburg/Niederba-cher 2007: 7). Von unterschiedlichen Akteur*innen mit unterschiedlichen Interessen benutzt, diente das Schlagwort Globalisierung der Beschreibung von (welt-)gesellschaftlichen Veränderungen auf ökonomischer, technischer und kultureller Ebene. Auf der ökonomischen Ebene wurden damit vor allem die gestiegene Kapitalmobilität und die Deregulierung der internationalen Finanzmärkte, die gestiegene Weltmarkt-Integration zuvor aus diesem Prozess ausgeschlossener Regionen sowie die erhöhte globale Arbeitsteilung und die damit verbundene wechselseitige Abhängigkeit bezeichnet. Zudem wurde als Folge dieser Entwicklung ein Bedeutungsverlust des Nationalstaates konsta-tiert. Auf technischer Ebene wurden mit Globalisierung vor allem die neuen Informationstechnologien in Verbindung gebracht. Unter kultureller Glo-balisierung verstand man nicht nur die globale Vermarktung und Rezeption von kulturellen Waren. In der in Teilen des Diskurses über Globalisierung geäußerten Sorge vor „Amerikanisierung“ und der Entstehung einer „Welt-

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einheitskultur“ wurde zudem eine Bedrohung „gewachsener Kulturen“ durch einen „kulturellen Imperialismus“ befürchtet. Mit dieser Feindbestimmung boten sich neue Anknüpfungspunkte für extrem rechte Ideolog*innen.

Die sich ab dem Jahr 2008 zuspitzende weltweite Finanz- und Wirtschafts-krise hat die wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich extrem rechte Politik artikuliert, nochmals erheblich gewandelt. Die Ausgaben für die staatlichen Finanzhilfen zu Gunsten des Bankensektors und die Konjunkturprogramme haben die Staatsverschuldung stark ansteigen lassen, so dass zur Konsolidierung des Staatshaushalts die wohlfahrtsstaatli-chen Leistungen gekürzt und die direkten wie indirekten Steuern zu Lasten kleiner Einkommen erhöht wurden. Damit wurden die Einkommen abhän-gig Beschäftigter und Erwerbsloser weiter reduziert. Die hochverschuldeten öffentlichen Haushalte haben in mehreren EU-Ländern zu einer Staatsschul-denkrise geführt, die sich zu einer Krise der Gemeinschaftswährung Euro und der europäischen Integration ausweitet. Die Europäische Union verliert damit an Legitimation und wird so verstärkt zum Thema nationalistischer Agitation von Seiten der extremen Rechten, welche die EU seit jeher als Institution der „Fremdbestimmung“ deutete.

Neben den realen Folgen der Verarmung ist eine Ausbreitung von Ab-stiegsängsten und Unsicherheiten bei denjenigen zu befürchten, die noch in Arbeit sind. Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass weniger die objektive Krisenbetroffenheit, als vielmehr das individuelle Gefühl, durch die Krise bedroht zu sein und durch diese an Einkommen oder Status zu verlieren, zu einer Aufkündigung von Gleichwertigkeitsgrundsätzen bei den sich bedroht Fühlenden führt (vgl. Zick/Lobitz/Gross 2010). In der Krise verstärkt sich die soziale Entsolidarisierung mit als „nutzlos“ und „fremd“ wahrgenommen Gruppen (vgl. Zick/Hövermann 2011; Heitmeyer 2011). Die entstandenen Ängste und verstärkten Ressentiments versuchen extrem rechte Parteien wie die NPD für sich zu nutzen: „Mit der Orientierung auf Antikapitalismus und Globalisierungskritik ist eine strategische Orientierung mit Inhalten untersetzt, mit denen ein Anknüpfen an alltäglichen Problem-lagen und Erfahrungen möglich wird.“ (Kaindl 2006: 65) In der Krise, so ist zu befürchten, können die sozial- und wirtschaftspolitischen Forderungen der NPD an Attraktivität gewinnen.

1.4 Fragestellung dieser UntersuchungAus dem Vorangegangenen folgend kommt der Frage nach einem von der NPD vertretenen „Antikapitalismus“ eine große Bedeutung zu. Diese Untersuchung der wirtschafts- und sozialpolitischen Positionen der NPD

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konzentriert sich daher auf die Fragestellung, ob es der Partei gelungen ist, einen spezifisch rechten Antikapitalismus zu begründen und zu verbreiten.

Wolfgang Fritz Haug konstatiert eine „Dialektik des Antikapitalismus“ (Haug 2007), die unter anderem darin bestehe, dass „antikapitalistische Motivationen von der rechtspopulistischen, autoritären, ja faschistischen und rassistischen Agitation eingefangen“ und für „reaktionäre Mobilisierungen“ (ebd.: 14) eingespannt werden können: „Antikapitalismen (...) gibt es viele, grob lassen sich regressive von progressiven unterscheiden.“ (ebd.: 11) An-tikapitalismus ist also kein Alleinstellungsmerkmal der Linken. All diese verschiedenen Antikapitalismen unterscheiden sich nach Haug von bloßer Kapitalismuskritik, da sie nicht nur benennen, was am Kapitalismus schlecht ist, sondern ihn aufheben wollen (vgl. ebd.). Folglich muss einerseits analysiert werden, wie der Kapitalismus von der NPD gedeutet wird: Was versteht die NPD unter Kapitalismus? Für welche Problemlagen – sozialer, wirtschaftlicher und auch kultureller Ausprägung – wird der Kapitalismus verantwortlich gemacht? Was wird am Kapitalismus kritisiert und was wird affirmiert?

Wenn es einen spezifisch rechten Antikapitalismus gibt, dann stellt sich auch die Frage, in welchen Punkten er sich auf der Ebene der Kapitalis-musanalyse von anderen, linken Antikapitalismen unterscheidet. Da der Antikapitalismus vorgibt, die kapitalistische Produktionsweise abschaffen zu wollen und so die durch diese geprägte Gesellschaft radikal verändern will, ist zugleich nach den Perspektiven auf eine nicht-kapitalistische Gesellschaft zu fragen. Welche Gegenmodelle werden entwickelt? Welche gesellschaftliche „Utopie“ vertritt die NPD in ihrem Antikapitalismus?

Diese zweigeteilte Fragestellung – Was wird unter Kapitalismus verstanden und wie sehen antikapitalistische „Alternativen“ aus? – spiegelt sich im Auf-bau der Untersuchung wider. Zuerst wird die Kapitalismuskritik der NPD analysiert (Kapitel 5), im Anschluss daran folgt eine Darstellung der NPD-Konzeptionen von „Volksgemeinschaft“, „raumorientierter Volkswirtschaft“, „nationalem Sozialismus“ und „Solidarismus“ sowie der NPD-Vorstellungen eines neu-geordneten Sozialstaats (Kapitel 6).

Aufgrund der besonderen Bedeutung des Vorsitzenden Udo Voigt für die Entwicklung der NPD seit den 1990er Jahren, konzentriert sich die Analyse auf Quellen aus seiner seit 1996 andauernden Amtszeit. Voigt ist im Novem-ber 2011 als Bundesvorsitzender abgewählt worden und wurde durch Holger Apfel, NPD-Fraktionsvorsitzender im sächsischen Landtag, ersetzt.

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1.5. QuellenEs stellt sich nun die Frage, welche Quellen für die Beantwortung der Leitfra-gen dieser Untersuchung verfügbar sind und welche sich für diese Zwecke am besten eignen. Um den politischen Standpunkt einer Partei wie der NPD zu aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen und Problemlagen herauszufinden, reicht es nicht aus, Parteiprogramme zu untersuchen. Wie bei anderen Partei-en auch, werden Programme nur in längeren Zeitabständen fortgeschrieben. Sie können politische Positionen nicht zeitnah abbilden (vgl. Virchow 2007: 352). Das bis Juni 2010 gültige NPD-Parteiprogramm stammte aus dem Jahr 1996 und wurde damit zwar in der Ära des Vorsitzenden Voigt verabschiedet, allerdings zu Beginn seiner Amtszeit. Es war somit, vergegenwärtigt man sich die Entwicklung der Partei in den letzten Jahren, nicht sonderlich aktuell. Der Vorsitzende der 2007 gegründeten NPD-Programmkommission, Sascha Roßmüller, bezeichnete das Programm „trotz seines Grundsatzcharakters, in Bezug auf die zunehmende Komplexität der Politik“ als „oberflächlich“ (vgl. Roßmüller 2007: 3). Ein neues Programm solle vor allem das „sozialpolitische Wollen“ der Partei stärker betonen (vgl. ebd.). Dieses neue Parteiprogramm sollte im Oktober 2008 auf einem „Programmparteitag“ verabschiedet werden. Die im Herbst 2008 durch die Untreue des NPD-Bundesschatzmeisters Erwin Kemna ausgelöste Finanz- und Führungskrise der Partei (vgl. Sager/Schmitt 2008) führte allerdings dazu, dass die NPD-Führung den Sonderparteitag absagte. Der folgende Bundesparteitag in 2009 war dann maßgeblich von einem Führungsstreit um das Amt des Bundesvorsitzenden geprägt, den Udo Voigt gegen seinen Herausforderer Udo Pastörs für sich beschied (vgl. Speit 2009). Erst auf dem Bundesparteitag am 4. und 5. Juni 2010 in Bamberg beschloss die NPD ihr neues Programm, das den Titel „Arbeit. Familie. Vaterland.“ trägt und in dem der Wirtschafts- und Sozialpolitik ein größerer Stellenwert eingeräumt wird (vgl. NPD 2010). Neben dem Parteiprogramm existiert seit 2002 zudem ein “Aktionsprogramm für ein besseres Deutschland“ (NPD-Parteivorstand 2002), das aufbauend auf dem alten Parteiprogramm einen aktualisierten Einblick in die NPD-Programmatik bietet. So nimmt im Aktionsprogramm das Phänomen der Globalisierung in verschiedenen Unterpunkten großen Raum ein, während es im Parteiprogramm von 1996 in nur einem Absatz behandelt wird.

Gegen die Beschränkung der Untersuchung auf Parteiprogramme als Quelle spricht zudem, dass programmatische Veröffentlichungen nicht immer handlungsleitend für die Praxis einer Partei sind. In der politischen Ausei-nandersetzung werden programmatische Aussagen oftmals für das Erreichen von Nahzielen und Kompromissen geopfert. Für eine Partei wie die NPD, die sich in Abgrenzung zu ihrer rechten Konkurrenz zwar als „nationale Welt-

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anschauungspartei“ (Distler 1998a: 2) begreift, in der aber, trotz allgemeiner ideologischer Konstanten wie völkischem Nationalismus und Rassismus, zu vielen politischen Problemlagen kaum ausgearbeitete Positionen vorliegen, kann eine „relative Flexibilität“ (Paxton 2007: 61) im Umgang mit dem Parteiprogramm erwartet werden.

Im Gegensatz zu demokratischen Parteien ist wenig über das Innenleben der NPD bekannt. In der Partei herrschen große Vorbehalte bis Feindschaft gegenüber den Medien vor. Generell wird Öffentlichkeit als störend emp-funden (vgl. Dornbusch 2008). Selbst zu den NPD-Bundesparteitagen sind Medienvertreter*innen nur eingeschränkt zugelassen. Bei Landesparteitagen, Kreisverbandsversammlungen oder Schulungs- und Informationsveran-staltungen ist die Öffentlichkeit fast immer ausgeschlossen. So liegen als Quellen über solche Veranstaltungen nur von der Partei verfasste Pressemit-teilungen und Berichte im Internet vor. Selten kann ergänzend dazu auf die Informationen von externen Beobachter*innen, meist Journalist*innen oder Antifaschist*innen, zurückgegriffen werden. Meinungsbildungsprozesse in der Partei lassen sich so nur sehr schwer nachvollziehen.

Eine weitere Herangehensweise könnte die Untersuchung politischer Schrif-ten wie Flugblätter, Demonstrationsaufrufe und Wahlwerbung sein. Allerdings sind diese Publikationen schon das Ergebnis von zuvor getroffenen politisch-strategischen Entscheidungen und theoretischen Diskussionen. Eine Partei entschied sich, zu einem bestimmten Thema oder Anlass eine Schrift zu ver-fassen, weil angenommen wurde, damit ließen sich bestimmte politische Ziele, beispielsweise Wahlentscheidungen, erreichen. Die Aussagen sind zwangsläufig zielgruppenorientiert und verkürzt, die theoretischen Überlegungen, die in die Veröffentlichung eingeflossen sind, müssen nicht offengelegt werden. Diese Publikationen eignen sich also nur bedingt, um Prozesse der Theoriebildung und Ideologieproduktion nachzuvollziehen. Ihre Untersuchung bleibt aber dennoch bedeutsam: Diese Publikationen sind wichtiger Bestandteil der politischen Praxis. Sie können als Quellen dienen, um nachzuzeichnen, wie politisch-programmatische Positionen in politische Praxis übersetzt werden. Sie sind auch für das Themenfeld der Wirtschafts- und Sozialpolitik inte-ressant. Allerdings können sie im Rahmen dieser Studie nicht systematisch in die Untersuchung einbezogen werden, da dies den Umfang dieser Arbeit überschreiten würde. Dies gilt gleichfalls für die Praxis der Landtags- und Kommunalabgeordneten der NPD, deren parlamentarische Tätigkeit in un-terschiedlichem Maße von politisch-programmatischen Positionen ihrer Partei geprägt ist. Eine Weiterentwicklung dieser Positionen vor dem Hintergrund der parlamentarischen Erfahrungen ist ebenso denkbar wie die Entwicklung einer von der Parteiprogrammatik weitestgehend gelösten „Sachpolitik“.

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Als für die Fragestellung dieser Untersuchung geeignet erscheinende Quelle verbleibt die Monatszeitung ‚Deutsche Stimme‘ (DS), das offizielle Parteiblatt der NPD. In die Analyse fließen Artikel aus den Jahren 1998 bis 2010 ein. Dass die Jahrgänge 1996 und 1997 nicht berücksichtigt wurden, obwohl sich der Zeitraum dieser Untersuchung an der Amtszeit des NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt orientiert, ist der unregelmäßigen Erscheinungsweise und dem ge-ringen Umfang der ‚Deutschen Stimme‘ in diesen Jahren geschuldet. Erst seit 1997 erscheint die ‚Deutsche Stimme‘ wieder regelmäßig und in einem stetig wachsenden Umfang. Wo es für das Verständnis hilfreich ist, wird in dieser Untersuchung ergänzend auf Parteiprogramme, Flugblätter oder Pressemit-teilungen der NPD verwiesen. Außerdem finden sich im Namensregister im Anhang kurze biografische Angaben zu einigen der zitierten DS-Autor*innen. So soll eine politische Einordnung dieser Autor*innen erleichtert werden.

1.6 Untersuchungsaufbau und MethodikNach der Darlegung theoretischer Überlegungen zum Charakter faschistischer Kapitalismuskritik (Kapitel 2), folgt die Untersuchung der NPD-Positionie-rungen anhand der Artikel aus der ‚Deutschen Stimme‘. Das NPD-Organ wird in Kapitel 3 ausführlich vorgestellt. Um die zu erwartende große Zahl an Artikeln, schließlich umfasst der Untersuchungszeitraum von 1998 bis 2010 zwölf Jahre, in denen 141 DS-Ausgaben erschienen, untersuchen zu können, ist auf die Methode der Inhaltsanalyse zurückgegriffen worden. Die Inhaltsanalyse wurde zuerst in der Publizistik entwickelt, um Inhalte von Zeitungen auszuwerten. Allerdings ist eine quantitative Inhaltsanalyse, wie sie in der Kommunikationswissenschaft üblicherweise verwendet wird (vgl. Merten 1995), dem Forschungsinteresse nur bedingt dienlich. Einerseits ist dieser quantitative Ansatz zu detailliert: Weder ist es für diese Studie von In-teresse, wie oft bestimmte Begriffe in einem Artikel verwendet werden noch ist es notwendig zu wissen, wie viele Zentimeter ein Artikel auf einer Zei-tungsseite einnimmt. Andererseits ist die quantitative Herangehensweise nicht tiefgehend genug, da sie die manifesten Inhalte der Artikel nur oberflächlich wiedergeben kann und die latenten Inhalte unberücksichtigt bleiben. Diese Untersuchung versteht sich als ideologiekritisch, das heißt, die Wirklichkeits-konstruktionen, Theorien, Begründungszusammenhänge und Argumentatio-nen der DS-Autor*innen stehen im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Die von ihnen formulierten Positionen zur Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie die diesen zugrundeliegende Analyse des Kapitalismus sollen nachgezeichnet werden. Weiter wird gefragt, welche „Alternativen“ zum bestehenden Kapi-talismus formuliert werden. Deswegen wurde die Methode der qualitativen Inhaltsanalyse, angelehnt an Mayring (2008), gewählt.

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Aus den 141 DS-Ausgaben wurden zunächst sämtliche Artikel der Rubrik ‚Wirtschaft und Soziales‘13 erfasst. Diese Rubrik war in jeder Ausgabe vor-handen. Wie der Rubrikname bereits andeutet, beschäftigen sich die Artikel dieser Rubrik vornehmlich mit Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik. In der ‘Deutschen Stimme’, die über eine mehr oder weniger klassische Rubri-keinteilung einer Tageszeitung verfügt, sind das die Wirtschaftsseiten. Nicht in die Analyse einbezogen wurden einige nur wenige Zeilen kurze „Notizen“, die im Wesentlichen Agenturmeldungen wiedergaben und vor allem in den ersten Jahren des Untersuchungszeitraums erschienen sind.

Bei der Durchsicht der DS-Ausgaben wurde festgestellt, dass sich Artikel zu sozial- und wirtschaftspolitischen Themen auch in anderen Rubriken finden. Dies gilt vor allem für die Rubriken ‘Deutschland/Politik’ und ‘Innenpoli-tik’. Beiträge, die eher programmatischen oder Debatten-Charakter besitzen, werden zudem in den Rubriken ‘Thema’, ‘Zur Diskussion’ oder ‘Forum’ behandelt. Artikel aus diesen Rubriken werden deshalb ebenfalls in die Un-tersuchung einbezogen. Diese Artikel zu ignorieren hätte zur Folge gehabt, als bedeutsam erachtete Texte nicht oder nur unzureichend zu berücksichtigen. Beispielsweise lässt sich die Frage nach den historischen und theoretischen Bezügen der NPD-Kapitalismuskritik oder nach den „antikapitalistischen“ Alternativen auf Basis der Artikel der Rubrik ‘Wirtschaft und Soziales’ nicht befriedigend beantworten. Artikel, die sich nicht zur Wirtschafts- und Sozi-alpolitik äußern, werden nicht in der Untersuchung berücksichtigt. Aussagen über das Verhältnis von diesen Artikeln zu Artikeln, die andere Themen schwerpunktmäßig behandeln, wurden als nachrangig eingestuft. Sie werden im gesetzten Rahmen dieser Untersuchung keine weitere Beachtung finden.

Alle bei einer ersten Durchsicht ermittelten Artikel wurden in einem ersten Analyseschritt kategorisiert. Auch in einer qualitativen Inhaltsanalyse stellt das Kategoriensystem das „zentrale Instrument der Analyse dar“ (Mayring 2008: 43). Die Kategorien wurden auf Basis der Artikel in der Rubrik ‘Wirtschaft und Soziales’ gebildet. Dabei wurden Kategorien gewählt, die das Haupt-thema des Artikels sinnvoll erfassen können und die Themenvielfalt und Unterschiedlichkeit der Artikel deutlich machen. Gleichzeitig wurde versucht, die Zahl der Kategorien gering zu halten, um Lesbarkeit und Signifikanz der Resultate zu erhöhen. Jedem Artikel wurde nur eine Kategorie zugewiesen.

Anhand dieser Kategorisierung wurde eine Frequenzanalyse (vgl. ebd.: 13f ) durchgeführt (Kapitel 4). Dieser Teil der Untersuchung liefert eine Aufstellung der Häufigkeit bestimmter Themenkomplexe und lässt so einige thematische Schwerpunktsetzungen in der DS erkennen. Mit Hilfe dieser Frequenzanalyse sind aber keine Aussagen über den in den Artikeln verbrei-

13 In einigen DS-Ausgaben fi rmiert die Rubrik auch nur unter dem Namen ‚Wirtschaft‘. In einigen DS-Ausgaben firmiert die Rubrik auch nur unter dem Namen ‚Wirtschaft‘.

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teten ideologischen Gehalt möglich. Deswegen folgt der Frequenzanalyse eine ideologiekritische, qualitative Inhaltsanalyse ausgewählter Beiträge, bei der allerdings von dem starren methodischen Gerüst nach Mayring 2008 abge-wichen wurde, denn „letztlich muß die Gegenstandsangemessenheit wichtiger genommen werden als die Systematik, um nicht genau in die Probleme zu geraten, in die uns einseitig quantitative Forschung geführt hat“ (Mayring 2008: 117). Die Kategorisierung und Quantifizierung der Artikel diente als notwendige Grundlage für diese weitergehende Analyse, da es so gelang, sämtliche Artikel zur Wirtschafts- und Sozialpolitik zu erfassen.

Die Untersuchung kann sich auf eine Basis von 754 Artikeln stützen, von denen im gesetzten Rahmen nicht jeder Einzelne analysiert werden konnte. Alle relevanten Artikel wurden aber in die Analyse einbezogen. Die zweige-teilte Fragestellung der Untersuchung, die sowohl nach der Kapitalismusa-nalyse und -kritik als auch nach den antikapitalistischen „Alternativen“ der NPD fragt, spiegelt sich im Aufbau des folgenden Untersuchungsteils wieder. Kapitel 5 zeichnet die Kapitalismusanalyse der NPD nach, während in Kapitel 6 die in der ‚Deutschen Stimme‘ formulierten Alternativen dargelegt werden. Das anschließende Kapitel 7 behandelt die theoretischen Vorläufer der NPD-Kapitalismuskritik, die von den DS-Autor*innen vorgestellt wurden.

Der Aufbau der Kapitel orientiert sich sowohl an den in Kapitel 2 for-mulierten theoretischen Annahmen zur Charakteristik extrem rechter bzw. faschistischer Kapitalismuskritik, als auch am entwickelten Kategoriensystem, das in im Anhang (S. 139-140) dokumentiert ist. Weitere Unterpunkte der Analyse wurden direkt aus der Beschäftigung mit dem Material gewonnen. Ziel ist es, die verschiedenen wirtschafts- und sozialpolitischen Positionen der NPD zu interpretieren. Die Interpretation stützt sich zuallererst auf das erhobene Textmaterial. Diese textimmanente Interpretation wird durch eine koordinierende Interpretation ergänzt (vgl. Lamnek 2005: 516). Wo es für das Verständnis zuträglich war, wurden weitere Primärtexte der NPD, wie Parteiprogramme, Flugblätter oder Pressemitteilungen ergänzt.

Aus den DS-Artikeln wird im Folgenden umfangreich zitiert, um ein mög-lichst genaues Bild der verwendeten Motive und Argumentationen sowie der Wortwahl zu ermöglichen. Dies geschieht in dem Bewusstsein, dass dadurch diskriminierende Inhalte, zum Beispiel in Form von rassistischen Begriffen, reproduziert werden, jedoch wird sich davon erhofft, dass die Untersuchung zur Erhellung der durch die NPD vertretenen Ideologie beiträgt.

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2. Theoretische Überlegungen

2.1 „Systemüberwindung“ als Ziel Es ist unbestritten, dass die Thematisierung sozialer Problemlagen in der NPD-Politik an Bedeutung gewonnen hat. Fraglich ist allerdings, wie diese Politik begründet wird. Dabei stellt sich vor allem die Frage, ob die NPD einen spezifisch rechten Antikapitalismus entwickelt hat und eine Form des völkischen Sozialismus propagiert. Stimmt also die Aussage des Journalisten Toralf Staud, die NPD sei „eine revolutionäre Kaderpartei, sie propagiert einen grundlegenden Umsturz, sie will in Deutschland einen nationalen Sozialismus errichten“ (Staud 2005: 68)?

Schenkt man den Aussagen der Parteifunktionär*innen Glauben, dann will die NPD eine „Anti-System-Partei“ sein. Schon wenige Monate nach seiner Wahl zum Bundesvorsitzenden erklärte Udo Voigt auf dem 27. ordentlichen Bundesparteitag 1998, die NPD sehe sich „als grundsätzliche Alternative zum gegenwärtigen Parteienspektrum“ und sei „schon aus ihrem Selbstverständnis heraus keine ‚Rechtspartei‘ im klassischen Sinne wie etwa REP und DVU“ (Voigt 1998a: 8). Zwei Monate später versprach Voigt in seiner monatlichen Kolumne in der ‚Deutschen Stimme‘, dass nur die NPD „für eine totale Um-strukturierung der deutschen Wirtschaft zu einer an Volk und Raum, sowie am tatsächlichen Bedarf der arbeitenden Menschen, orientierten nationalen Volkswirtschaft“ (Voigt 1998b: 2) stehe. Auch 2009, nach innerparteilichen Konflikten um die Parteiführung und vor den wichtigen Wahlen in Sachsen und im Bund, hielt die NPD an dieser Orientierung fest, da sie die Grund-lage ihrer bisherigen Erfolge in der öffentlichen Wahrnehmung der Partei „als einzige echte Systemalternative“ (NPD-Parteivorstand 2009: 15) sah. Im „Grundsatzpapier“ des Parteivorstands hieß es:

„Das Rezept dieser zwischenzeitlichen Erfolge [...] war eine ganz kla-re und vor allem kompromißlose Ausrichtung auf Überwindung des liberalkapitalistischen Systems und des bestehenden volksfeindlichen Parteienstaates.“ (ebd.)

Folglich formulierte die NPD die „Systemüberwindung“ als Ziel und warnte ihre Mitglieder, es sei das „falsche Signal, gerade jetzt den radikalen Weg einer nationalen und sozialen Erneuerung zu verlassen.“ (ebd.)14

14 Diese off ene Inszenierung der NPD als „Anti-System-Partei“, die vorgibt, das vor-Diese offene Inszenierung der NPD als „Anti-System-Partei“, die vorgibt, das vor-herrschende politische und wirtschaftliche System überwinden zu wollen, unterschei-det die NPD unter Voigt deutlich von der NPD in den 1960er Jahren. Ein Blick in die frühen Veröffentlichungen der NPD zeigt, wie sehr diese darum bemüht war als le-gitimer Bestandteil des bundesrepublikanischen Parteiensystems anerkannt zu werden.

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Namensregister

Stand der Informationen: Januar 2012

Aae, Per Lennart, Jahrgang 1940, arbeitet seit 2004 als parlamentarischer Berater für die NPD-Fraktion im sächsischen Landtag. Der in Schweden geborene Aae trat nach eigenen Angaben 1979 in die NPD ein. Gemeinsam mit Arne Schimmer verfasste er die Schrift „Grundlagen einer nationalde-mokratischen Volkswirtschaftslehre – Raumorientierte Volkswirtschaft statt ‚Basar-Ökonomie“, die in der ‚Nationaldemokratischen Schriftenreihe Profil’ erschienen ist. 2006 wurde Aae wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Er hatte in einer an verschiedene Medien versandten Email den Holocaust geleugnet.

Babic, Safet, Jahrgang 1981, ist stellvertretender Vorsitzender des NPD Landesverbands Rheinland-Pfalz. Im Juni 2009 wurde er für die NPD in den Rat der Stadt Trier gewählt. Im September 2011 wurde er aus dem Stadtrat ausgeschlossen, da er im Dezember 2010 zu einer Haftstrafe von sieben Monaten auf Bewährung verurteilt worden war. Babic hatte gemeinsam mit anderen NPDlern einen Studenten krankenhausreif geschlagen, der NPD-Wahlplakate abgerissen hatte. Babic ist seit 1998 in JN und NPD aktiv, zeitweise betätigte er sich auch im ‚Nationaldemokratischen Hochschulbund‘ (NHB). Babic, der sich selbst als „europäischen Befreiungsnationalisten bos-nischer Herkunft“ bezeichnet und den deutschen Pass besitzt, war innerhalb der NPD umstritten. Seine Mitgliedschaft galt einigen als Verstoß gegen den Grundsatz „des deutschen Blutes“. Mit dieser Begründung trat der NPD Kreisverband Prignitz-Ruppin aus Protest gegen eine Kandidatur von Babic 2004 aus der Partei aus.

Dessau, Lutz, Jahrgang 1966, schreibt seit 2001 regelmäßig für die ‚Deut-sche Stimme‘. Der Historiker wurde zeitweilig auch als Direktoriumsmitglied der ‚Kontinent Europa Stiftung‘ des Schweden Patrik Brinkmann geführt, für die er 2006 eine Studie zur „Bedeutung des Ostseeraumes für die kulturelle Entwicklung des Nordens“ erarbeiten sollte. Dessau arbeitete auch für die NPD-Fraktion Mecklenburg-Vorpommern.

Distler, Jürgen, Jahrgang 1971, war von 1999 bis 2001 Chefredakteur der ‚Deutschen Stimme‘. Zeitweilig war er auch Mitglied im bayrischen Landesvorstand sowie im Bundesvorstand der NPD. Seit 2002 hat Distler keine Parteifunktionen mehr inne.

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Ehrlichmann, Lothar aus Dortmund war lange Jahre im Vorstand des ‚Deutschen Arbeitnehmer-Verbandes‘ (DAV) tätig, einer extrem rechten Gewerkschaft, die sich als Alternative zu den DGB-Gewerkschaften verstand und deren Funktionärsebene von NPD-Mitgliedern durchsetzt war. Mittels der DAV versuchte die NPD Fuß in der Arbeitnehmer*innenschaft zu fassen.

Gansel, Jürgen Werner, Jahrgang 1974, ist seit 2004 Mitglied der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag. Gansels politischer Werdegang führte von der ‚Jungen Union‘ über die ‚Junge Landsmannschaft Ostpreußen‘ zur JN und NPD: Der Burschenschaftler wurde 1999 Schulungsleiter der JN und arbeitete von 2001 bis 2004 als hauptamtlicher Redakteur der ‚Deutschen Stimme‘. Von 2002 bis 2009 war er Mitglied des NPD-Bundesvorstandes. Der Historiker Gansel gilt als einer der einflussreichsten NPD-Theoretiker, so entwickelte er unter anderem die zu Schulungszwecken verfasste Handrei-chung „Argumente für Kandidaten und Funktionsträger“.

Keck, Alfred, Prof. Dr., lehrte bis 1989 an der Humboldt-Universität von Ost-Berlin. Keck publizierte nach der Wiedervereinigung vermehrt in extrem rechten Verlagen. In den Jahren 2000 und 2001 schrieb er regelmäßig in der ‚Deutschen Stimme‘ zu wirtschaftspolitischen Themen.

Köster, Stefan, Jahrgang 1973, ist Landesvorsitzender der NPD in Mecklenburg-Vorpommern sowie Stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Parlamentarischer Geschäftsführer der NPD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern.

Laus, Martin, Jahrgang 1968, war seit 2000 Landesvorsitzender der NPD Rheinland-Pfalz und von 2002 bis 2004 Leiter des Amts Politik im NPD-Parteivorstand. Laus ist, wie der aus der Partei ausgetretene Jürgen Schwab, Mitglied des Sprecherrats der ‚Deutschen Akademie‘, eines rechten Theorie-zirkels, der jährlich die Tagung „nationalrevolutionär heute“ organisiert. Ein parteiinterner Konflikt, vor allem mit Holger Apfel und Peter Marx, führte dazu, dass Laus 2004 als Landesvorsitzender abdanken musste, nach NRW zog und sich dort als Kreisverbandsvorsitzender betätigte. Zurzeit bekleidet Laus keine Funktionen innerhalb der Partei, sondern betätigt sich wie Schwab vor allem für die Gruppe ‚Sache des Volkes. Plattform für sozial- und natio-nalrevolutionäre Politik‘.

Maier, Waldemar, Jahrgang 1963, war parlamentarischer Berater der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag. Im Dezember 2006 wurde Maier

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aus dem Beraterstab der Fraktion entlassen. Er arbeitete dann für den aus der NPD ausgetretenen, fraktionslosen Abgeordneten Klaus Jürgen Menzel.

Molau, Andreas, Jahrgang 1968, war bis 2009 Funktionär der NPD, unter anderem war er zeitweise als stellvertretender Chefredakteur der ‚Deutschen Stimme’. Während seiner Studentenzeit wurde er Mitglied der ‚Deutschen Hochschulgilde Trutzburg-Jena zu Göttingen‘, einer elitären Studentenver-bindung. Molau war für verschiedene extrem rechte Zeitungen und Verlage publizistisch tätig. Von 1989 bis 1994 arbeitete er im Kulturressort der rechten Wochenzeitung ‚Junge Freiheit‘, er verließ die Zeitung im Streit, da seine revisionistischen Positionen in der Redaktion nicht von allen geteilt wurden. Molau wurde dann Chefredakteur der Zeitschrift ‚Deutsche Geschichte‘. Von 2005 bis 2010 amtierte er als Vorsitzender der extrem rechten Kulturverei-nigung ‚Gesellschaft für Freie Publizistik‘. 2008 war Molau Spitzenkandidat der NPD zu den niedersächsischen Landtagswahlen. Nach dem erfolglosen Wahlantritt und einem missglückten Versuch, sich als Gegenkandidat zu Udo Voigt aufstellen zu lassen und NPD-Bundesvorsitzender zu werden, verließ er im März 2009 die NPD in Richtung ‚Deutsche Volksunion‘ (DVU). In der Gefolgschaft von Patrik Brinkmann, eines schwedischen Millionärs, der zuerst die NPD und später die DVU unterstützen wollte, wechselte Molau zur ‚Bürgervereinigung Pro NRW‘, in deren Vorstand er seit 2011 sitzt.

Nier, Michael, Dr., Jahrgang 1943, war in der DDR ordentlicher Professor für dialektischen und historischen Materialismus. Nach der Wiedervereini-gung verlor er seine Stelle und schrieb ab 1998 als Autor in extrem rechten Zeitschriften wie ‚Nation & Europa‘. Er verknüpfte marxistische Termini mit nationalistischen Positionen, wodurch er für die NPD interessant wurde. 1998 wurde er als Mitglied des ‚Arbeitskreis Wirtschaftspolitik beim NPD-Parteivorstand‘ aufgenommen und trat in die NPD ein. Zwei Jahre später verließ Nier, der auch für die NPD kandierte, die Partei wieder, weil er seine Positionen dort nicht durchsetzen konnte.

Oberlercher, Reinhold, Dr., Jahrgang 1943, war im ‚Sozialistischen Deutschen Studentenbund‘ (SDS) aktiv. Er gehört neben Horst Mahler und Bernd Rabehl zu denjenigen Protagonist*innen der linksgerichteten Studierendenbewegung, die sich Jahre später Organisationen der extremen Rechten zu wandten und nun eine Interpretation der 1968er Bewegung als „nationalrevolutionär“ vertreten. Der Soziologe Oberlercher kandidierte 2005 als parteiloser Direktkandidat für die NPD zur Bundestagswahl im Wahlkreis Main Spressart. Oberlercher wird von der NPD als Vordenker des NPD-Konzeptes der „raumorientierten Volkswirtschaft“ bezeichnet.

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Radunski, Helmut, Jahrgang 1943, ist Mitglied des Bezirksvorstands Westküste des NPD Landesverbands Schleswig-Holstein. Er trat nach eigenen Angaben 2005 in die NPD ein.

Reitz, Axel, Jahrgang 1983, ist einer der führenden Kader der nordrhein-westfälischen Neonazi-Szene. Das langjährige Mitglied des mittlerweile aufgelösten ‚Kampfbundes Deutscher Sozialisten‘ (KDS) ist in der NPD um-stritten. Reitz pflegt enge politische Beziehungen zu einzelnen Kreisverbänden der NPD. So kandidierte er zur Bundestagswahl 2009 als Parteiloser auf der NPD-Liste im Wahlkreis Erftkreis I. Ein NPD-Beitritt von Reitz wurde 2010 allerdings durch den NRW-Landesvorstand verhindert, was erheblichen Streit zwischen verschiedenen Fraktionen innerhalb der NPD auslöste. Auch zwischen Reitz und dem neuen NPD-Chef Holger Apfel besteht Dissens.

Richter, Karl, Jahrgang 1962, ist seit 2009 stellvertretender Bundesvorsit-zender der NPD. Zudem ist der studierte Historiker seit 2009 Chefredakteur der ‚Deutschen Stimme‘. Für die sächsische NPD-Fraktion war er zwischen 2004 und 2008 als Leiter des parlamentarischen Beratungsdienstes tätig. 2008 wurde er dann für die NPD-Liste ‚Bürgerinitiative Ausländerstopp‘ in den Stadtrat von München gewählt. Er firmiert außerdem als Leiter des ‚Bildungswerks für Heimat und nationale Identität e.V.‘. Richter ist seit vielen Jahren in Organisationen der extremen Rechten tätig. Von 1989 bis 1994 war Richter parlamentarischer Referent für die Republikaner (REP) im Europäischen Parlament. Zudem wirkte er publizistisch unter anderem als Chefredakteur der mittlerweile eingestellten extrem rechten Zeitschriften ‚Nation & Europa‘ und ‚Opposition‘, sowie als Redakteur der ‚Deutschen Geschichte‘, eines revisionistischen Hochglanzmagazins.

Rieger, Jürgen, Jahrgang 1946, war Rechtsanwalt und einer der einfluss-reichsten Neonazis der Bundesrepublik. Er betätigte sich für verschiedene neonazistische Gruppen, zudem fungierte er als Anmelder und Organisator der „Rudolf-Heß-Märsche“ in Wunsiedel. In den 1990er Jahren betrieb er in Hetendorf ein wichtiges Zentrum des Neonazismus, auf dem Schulungen, Brauchtumsfeiern und Wehrsportübungen stattfanden. Rieger galt als sehr vermögend und besaß verschiedene Immobilien im In- und Ausland. Er war lange Jahre Vorsitzender des Vereins ‚Die Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung‘. 2006 trat Rieger in die NPD ein und wurde noch im selben Jahr in den Bundesvorstand gewählt. Von 2008 bis zu seinem Tod im November 2009 war er stellvertre-tender Bundesvorsitzender. Er war in der Partei, die er auch durch Spenden

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und Darlehen unterstützte, ein einflussreicher Vertreter des radikalen NS-apologetischen Flügels.

Rochow, Stefan, Jahrgang 1976, stand den ‚Jungen Nationaldemokraten‘ (JN) von 2002 bis 2007 vor. Er war der Nachfolger von Sascha Roßmüller im Amt des Bundesvorsitzenden. Seit 2007 führt Michael Schäfer die JN. Rochow ist mittlerweile aus der NPD ausgetreten. Er präsentiert sich im Internet nun als katholischer Konvertit und „ehemaliger Rechtsextremist“.

Roßmüller, Sascha, Jahrgang 1972, war bis 2002 Bundesvorsitzender der JN und von 1999 bis 2009 Mitglied des NPD-Bundesvorstands, zuletzt sogar als stellvertretender Vorsitzender. Roßmüller ist stellvertretender Vorsitzender des NPD Landesverbands Bayern. In die medialen Schlagzeilen und in die Szene-interne Kritik geriet Roßmüller im Frühjahr 2010 als bekannt wurde, dass er Mitglied des Rockerclubs ‚Banditos MC‘ ist. Roßmüller arbeitet zudem als Parlamentarischer Berater der NPD Fraktion im sächsischen Landtag.

Schimmer, Arne, Jahrgang 1973, ist seit 2009 Mitglied der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag. Zuvor war er dort als parlamentarischer Berater und Pressesprecher tätig gewesen. Wie Jürgen Gansel ist Schimmer Mitglied der Burschenschaft Dresdensia-Rugia zu Gießen. Von 1998 bis 2000 war er Mitglied im Bundesvorstand des ‚Nationaldemokratischen Hochschulbundes‘ (NHB). Der studierte Diplomökonom verfasste gemeinsam mit Per Lennart Aae die Schrift „Grundlagen einer nationaldemokratischen Volkswirtschafts-lehre – Raumorientierte Volkswirtschaft statt Basar-Ökonomie“, die in der ‚Nationaldemokratischen Schriftenreihe Profil‘ erschienen ist. Schimmer arbeitete auch in der Redaktion der ‚Deutschen Stimme‘. Seit 2009 ist er zudem Schriftleiter von ‚hier & jetzt‘. Die NPD-nahe Zeitschrift wird vom ‚Bildungswerkes für Heimat und nationale Identität e. V.‘ herausgegeben, in dessen Vorstand Schimmer ebenfalls sitzt.

Schwab, Jürgen, Jahrgang 1967, ist ein nationalrevolutionärer Theoretiker, der sich in der ‚Deutschen Akadamie‘ und der Gruppe ‚Sache des Volkes‘ betätigt. Der Burschenschaftler Schwab war von 1999 bis 2001 Redakteur der ‚Deutschen Stimme‘ und wurde 2001 zum Leiter des ‚Arbeitskreises Volk und Staat‘ im NPD-Bundesvorstand gewählt. In der ‚Nationaldemokra-tischen Schriftenreihe Profil‘ erschien 2001 ein von Schwab verfasstes und vom NPD-Bundesvorstand freigegebenes „Staatspolitisches Positionspapier“. Schwab forderte stets eine „Intellektualisierung“ der NPD ein. 1999 erschien sein programmatisches Buch „Deutsche Bausteine. Grundlagen nationaler

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Politik“ im ‚DS-Verlag‘. 2004 trat Schwab aus der NPD aus, er veröffentlicht weiterhin für NPD-Publikationen wie ‚hier & jetzt‘.

Schweiger, Herbert, Jahrgang 1924, war ein extrem rechter Buchautor, der von der NPD als „Kriegsfreiwilliger der Waffen-SS“ verehrt wird. Der Öster-reicher Schweiger bekleidete während des Nationalsozialismus den Rang eines SS-Untersturmführer der Division Leibstandarte Adolf Hitler. Wegen seiner neonazistischen Tätigkeiten stand Schweiger mehrfach vor Gericht, so wurde er im April 2010 vom Oberlandesgericht Graz wegen „nationalsozialistischer Wiederbetätigung“ verurteilt. Schweiger trat auch auf Veranstaltungen von NPD und Freien Kameradschaften auf. So sprach er 2008 beim „nationalen Antikriegstag“ der „Autonomen Nationalisten“ in Dortmund. Er starb im Jahr 2011.

Schwemmer, Günther, Jahrgang 1965, war lokaler Mandatsträger der DVU in Potsdam und parlamentarischer Berater der DVU-Fraktion in Brandenburg. Er starb im Juni 2009 bei einem Autounfall. In einem Nachruf wird er als „langjähriger freier Redakteur“ der DS bezeichnet, der trotz seiner Funktionen für die DVU nie den Kontakt zur NPD verloren habe.

Voigt, Udo, Jahrgang 1952, war von 1996 bis 2011 Bundesvorsitzender der NPD. Nach eigenen Angaben trat er 1968 im Alter von 16 Jahren der NPD bei. 1972 begann er eine Laufbahn bei der Bundeswehr, die er 1984 im Rang eines Hauptmanns beenden musste, da er die NPD nicht verlassen wollte. Nach seiner Bundeswehrzeit studierte er Politikwissenschaften und machte in der NPD Karriere. Seit 1984 saß er im Bundesvorstand der Partei. Voigt setzte als Bundesvorsitzender auf eine Öffnung der Partei zu militanten Neonazis und auf die Kooperation mit den ‚Freien Kameradschaften‘.

Wuttke, Roland, Jahrgang 1954, ist ein bayerischer NPD-Funktionär. In der DS 5/2010 wird er als „Leiter des NPD-Arbeitskreises Wirtschaft und Mitglied im bayrischen Landesvorstand“ bezeichnet. Seit 2011 ist Wuttke „verantwortlicher Schriftleiter“ des Neonazi-Magazins ‚Volk in Bewegung & Der Reichsbote‘. Im Januar 2012 kündigte die NPD Rheinland-Pfalz eine Veranstaltung mit Wuttke an, in dem sie diesen als „Sprecher von der neuge-gründeten Plattform ‚Systemalternativen‘ in der NPD“ bezeichnete.

Willig, Angelika, Dr., Jahrgang 1963, war bis 2004 Redakteurin im Kulturressort der rechten Wochenzeitung ‚Jungen Freiheit‘. Für die NPD schreibt die Philosophin seit 2004 und war seit 2008 als Schriftleiterin des Partei-nahen Theorieorgans ‚hier & jetzt‘ tätig. Nach nur einem Jahr gab sie

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den Posten an Arne Schimmer weiter. Als Grund gab sie Differenzen innerhalb der Redaktion an. Willig schreibt seit einigen Jahren auch für die rechtska-tholische Zeitschrift ‚Neue Ordnung‘ aus Österreich.

Zaswok, Ronny, Jahrgang 1986, ist seit 2010 Beisitzer im NPD-Bundes-vorstand. Zudem ist er stellvertretender Vorsitzender der NPD Brandenburg.

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Anhang

Kategorie Erläuterung

Alternativen alternative Wirtschafts-, Staats- und Gesellschaftskon-zepte sowie Diskussion zu Begriffen wie Sozialismus oder Solidarismus

Wirtschaftspolitik allgemeine Abhandlungen zur Wirtschaftspolitik sowie Diskussion volkswirtschaftlicher Grundbegriffe

Wirtschaftswachstum konjunkturelle Entwicklung in Deutschland und der Welt

Arbeitslosigkeit Erwerbslosigkeit in Deutschland, Entlassungen, Erwerbs-losenstatistiken

Konkurse/Fusionen Konkurse, Standortschließungen und Fusionen von Un-ternehmen

Unternehmen wirtschaftliche Lage von Branchen und Unternehmen, wirtschaftliches und politisches Handeln von Unterneh-men

Finanzkapital wirtschaftliches und politisches Handeln von Banken, Versicherungen und Aktien-Fonds sowie die Entwicklung an den Börsen

Zins/Geld allgemeine theoretische Ausführungen zu Geld und Zins sowie zu Währungen und Währungssystem

Krise Finanz- und Wirtschaftskrisen und ihre Auswirkungen auf Staat, Wirtschaft und Gesellschaft

Steuern Steuer- und AbgabepolitikVerschuldung Verschuldung der öffentlichen Haushalte und private

Verschuldung von Bürger*innenEnergie Energiepolitik und -produktion einschließlich Preisent-

wicklung (Strom, Öl, Benzin) Ökologie Umweltbelastung sowie UmweltschutzmaßnahmenLandwirtschaft wirtschaftliche und soziale Lage der deutschen Landwirt-

schaft EU/Euro Wirtschafts-, Währungs- und Sozialpolitik der Europä-

ischen Union einschließlich Abhandlungen zur gemein-samen Währung Euro

Sozialstaat Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, wohlfahrtsstaatliche Transferleistungen sowie Zustand und Reform des Sozi-alstaats

Vermögen Armut und Reichtum in Deutschland sowie Einkom-mens- und Vermögensverteilung

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Rente soziale Sicherung im Alter, RentensystemGesundheitswesen Gesundheitsversorgung, Krankenkassen und Versiche-

rungssystem, GesundheitspolitikAusbildung Berufliche Ausbildung und Bildungspolitik Wohnen Wohnsituation, Mieten, Immobilienmarkt Privatisierung Verkauf von kommunalen, staatlichen oder genossen-

schaftlichen Eigentums, Vergabe öffentlicher Dienstlei-stungen an private Unternehmen sowie Public Private Partnership

Globalisierung Ursachen, Merkmale und Auswirkungen der Globalisie-rung, Deutung des Phänomens, Abhandlungen über In-stitutionen der Weltwirtschaft wie WTO oder G8

Eliten Handeln wirtschaftlicher und politischer Eliten Bevölkerungspolitik demografische Entwicklung und ihre Bedeutung für die

wirtschaftliche Entwicklung und den Sozialstaat, Ab-handlungen zur Bevölkerungspolitik

Migration Zuwanderungs- und Integrationspolitik, Fragen der multikulturellen Gesellschaft sowie Verhalten von „Ausländer*innen“

Ausland Zustand der Wirtschaft von ausländischen Staaten, impe-rialistische Politik des Auslands

Gewerkschaften Handeln von Gewerkschaften sowie Abhandlungen zur betrieblichen Mitbestimmung

Linke/Rechte Auseinandersetzung mit wirtschafts-, sozial- und gesell-schaftspolitischen Positionen des politischen Gegners, sowohl der Linken als auch der Rechten

Theoretische Vorläufer Theoretiker, deren Werk einen Bezug zur Ökonomie und Sozialpolitik aufweist

NS-Entschädigung Entschädigungszahlungen der deutschen Wirt-schaft und des deutschen Staates an ehemalige NS-Zwangsarbeiter*innen

Partei Positions- und Strategiepapiere der NPD sowie Berichte über Partei-Aktionen und -Veranstaltungen; ein Bezug zur Wirtschafts- und Sozialpolitik ist gegeben

Political Correctness angebliche Einschränkung der Meinungsfreiheit für Rechte

Systemkritik allgemeine Kritik am politischen und wirtschaftlichen System, ohne dass ein spezifischer Themenkomplex im Vordergrund steht, der durch eine andere Kategorie ab-gedeckt ist

Abb.1: Kategoriensystem

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Ausgaben Chefredakteur Chef vom Dienst/ Stellvertreter

bis 01/1999 Udo Holtmann /02/1999 - 01/2001

Jürgen Diestler Chef vom Dienst:02/1999 – 08/1999: Udo Holt-mann

02/2001 - 04/2009

Holger Apfel Stellvertreter:11/2004 - 04/2007: Andreas Mo-lau 07/2007 – 06/2008: Holger Sys-manski10/2008 – 04/2009: Karl Richter

ab 05/2009 Karl Richter Jürgen W. Gansel

Abb. 2: Chefredakteure der ‚Deutschen Stimme‘

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Christian Baron / Britta Steinwachs

Faul, Frech, Dreist

Die Diskriminierung von Erwerbslosigkeit durch BILD-Leser*innen

Reihe: Kritische Wissenschaften – Klassismus, Bd. 1

farbige Broschur, 128 Seiten, 14.80 EuroISBN 978-3-942885-18-8edition-assemblage.de

Arno Dübel hat es in den vergangenen Jahren zu einer auffälligen medialen Berühmtheit gebracht, indem sein Erwerbslosenschicksal durch BILD in einer groß angelegten Kampagne aufgegriffen wurde. Die Strategie des Boulevardblattes besteht dabei in der Überzeichnung von klassistischen Grundhaltungen, die bestehende Vorurteile über Erwerbslose bedient. In diesem Zusammenhang untersuchen Christian Baron und Britta Steinwachs zahlreiche Online-Kommentare zur Berichterstattung über »Deutschlands frechsten Arbeitslosen« (BILD).

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Sebastian Friedrich (Hg.)

Rassismus in der Leistungsgesellschaft

Analysen und kritische Perspektiven zu den rassistischen Normalisierungsprozessen der „Sarrazindebatte“farb. Broschur, 264 Seiten, 19.80 EuroISBN 978-3-942885-01-0Mit Beiträgen von Moritz Altenried, Christoph Butterwegge, Sebastian Friedrich, Sabine Hess, Juliane Karakayali, Serhat Karakayali, Elke Kohlmann, Jörg Kronauer, Gabriel Kuhn, Jürgen Link, Charlotte Misselwitz, Marianne Pieper, Nora Räthzel, Hannah Schultes, Yasemin Shooman, Vassilis Tsianos und Regina Wamper.

Wolf Wetzel

Krise des Kapitalismus und krisenhafte ProtesteSystemfehler, Band 1Taschenbuch, farb., 96 Seiten, 9.80 Euro ISBN 978-3-942885-15-7Wolf Wetzel beschäftigt sich mit den Fragen, die in verschiedenen Protestbewegungen aufgeworfen wurden, liegen geblieben sind und beantwortet werden müssen.

Moritz Altenried_________

Aufstände, Rassismus und die Krise des Kapitalismus

England im AusnahmezustandSystemfehler, Band 2Taschenbuch, farb., 80 Seiten, 9.80 Euro ISBN 978-3-942885-10-2Die schwersten sozialen Unruhen seit 20 Jahren wurden als „kriminell“ depolitisiert. Das Buch arbeitet den politischen Charakter der Geschehnisse heraus.

Alle Titel sind in ihrer Buchhandlung erhältlich oder können direkt beim Verlag bestellt erden: edition-assemblage.de, Postfach 27 46, D-48014 Münster

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