Herbert Blumer und die Chicagoer Schule

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ErnstMoritzArndt Universität Greifswald Institut für Deutsche Philologie Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft Sommersemester 2007 Seminar: Theorien der Interpersonalen Kommunikation Dörthe Hein Herbert Blumer als Schüler und Nachfolger von George Herbert Mead Die Formulierung des Symbolischen Interaktionismus Sebastian Thielke 334900 Wolgaster Straße 8, 17489 Greifswald [email protected] Kommunikationswissenschaft/ Anglistik/ Amerikanistik 2. Semester 31.08.2007

Transcript of Herbert Blumer und die Chicagoer Schule

Ernst‐Moritz‐Arndt Universität Greifswald Institut für Deutsche Philologie Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft Sommersemester 2007 Seminar: Theorien der Interpersonalen Kommunikation Dörthe Hein 

 

 

 

 

 

 

 

Herbert Blumer als Schüler und Nachfolger von George Herbert Mead ‐ 

Die Formulierung des Symbolischen Interaktionismus 

  

 

 

 

 

 

Sebastian Thielke 

334900 

Wolgaster Straße 8, 17489 Greifswald 

[email protected] 

Kommunikationswissenschaft/ Anglistik/ Amerikanistik 

2. Semester 

31.08.2007 

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Inhaltsangabe 

 

1. Einleitung                  2  

2. Herbert Blumer als Student von Mead          3  2.1. Meads Grundlage der symbolischen Interaktion      3 

 2.2. Die Essenz für Blumer              4 

 

3. Der Symbolische Interaktionismus nach Herbert Blumer    5  3.1. Die drei Kernprämissen              7 

 3.2. Die Kernvorstellungen des Symbolischen Interaktionismus   8 

 

3.2.1. Beschaffenheit der Menschlichen Gesellschaft      9 

 

3.2.2. Beschaffenheit der sozialen Interaktion        10 

 

3.2.3. Beschaffenheit von Objekten           11 

 

3.2.4. Der Mensch als handelnder Organismus        12 

 

3.2.5. Beschaffenheit des menschlichen Handelns       13 

 

3.2.6. Verkettung von Handlungen            14 

 

4. Die Bedeutung von Meads und Blumers Thesen für die Kommunikationswissenschaften – Ein Fazit        16  Literaturverzeichnis                17 

   

2  

1.  Einleitung 

„Die symbolische Welt (wird) durch permanente Revisionen und Neudefinitionen und 

wechselseitige Aushandlungen (negotiations) kommunikativ geschaffen …“1. In diesem 

Punkt ragt die Arbeit des symbolischen  Interaktionismus über den Pragmatismus von 

George Herbert Mead heraus. Sein Schüler und Nachfolger Herbert Blumer befasste 

sich ausführlich mit dem Phänomen der symbolischen Interaktion, wie sie einst Mead 

erklärte  und  definierte.  Er  entwickelte  die  Theorie weiter  und  gab  ihr  einen  neuen 

Namen  –  der  symbolische  Interaktionismus.  Dennoch  kann man  die  Verbindung  zu 

diesem Werk auch immer zu Mead ziehen, ja meistens ist es sogar sein Ansatz, der in 

diesem Zusammenhang genannt wird. Doch wo  liegen nun die Grenzen, die Einflüsse 

und Besonderheiten zwischen George Herbert Meads und Herbert Blumers Arbeiten? 

Hat Blumer sich nur bei Mead bedient und dann seinen Stempel drunter gesetzt oder 

ist sein Werk eine Weiterführung der Gedanken und Arbeit Meads? 

Diese  Arbeit  soll  einen  kleinen  Einblick  geben,  welche  Grundüberlegungen  beide 

Wissenschaftler  verfolgen  und  sie  soll  zeigen,  dass  Meads  Werk  durch  Blumer 

fortgesetzt wurde.  

Der  erste  Teil  dieser  Arbeit  beschäftigt  sich  mit  dem  wissenschaftlichen  und 

universitären  Zusammenhang  zwischen Mead  und  Blumer.  Außerdem  gibt  er  einen 

kurzen  und  groben  Abriss  der  Arbeit Meads  und welche  Essenz  Blumer  aus Meads 

Arbeit gezogen hat. 

Im  zweiten  Teil  dieser  Arbeit  wird  ein  genaues  Licht  auf  die  Entwicklung  und 

Formulierung  des  Symbolischen  Interaktionismus  selbst  geworfen.  Es  werden  die 

Zusammenhänge zu Meads Arbeit beleuchtet und kurz zu den einzelnen Bedeutungen 

etwas  gesagt.  So  werden  die  drei  Prämissen  erklärt  und  die  Kernvorstellungen 

erläutert, die die Prämissen untermauern. 

Der  letzte Teil der Arbeit bringt die beiden Theorien  in den Zusammenhang mit der 

Kommunikationswissenschaft und zeigt kurz, wie bedeutungsvoll die Theorien für das 

Verständnis von Kommunikation sind. 

 

                                                            1 Schützeichel, Rainer: Soziologische Kommunikationstheorien. 1. Auflage Konstanz 2004. S. 106 

3  

 

2.   Herbert Blumer als Student von Mead 

Herbert Mead  klingt  in  allen Ohren  als Urvater  des  symbolischen  Interaktionismus. 

Man  bringt  ihn  im  Zusammenhang mit  „symbolischer  Interaktion“.  Doch wo  genau 

liegt sein Anteil an dem Ganzen? Mead selbst hat während seines ganzen Lebens nie 

selbst ein Werk verfasst oder eine  zusammenhängende Arbeit über  seine Forschung 

und Vorlesungen geschrieben. Das einzige was der Nachwelt erhalten blieb,  sind die 

Aufzeichnungen  und  Skripte  seiner  Studenten. Auch  ihn  in  direkten  Zusammenhang 

mit dem Begriff des symbolischen Interaktionismus zu bringen, ja ihn als „Erfinder“ des 

selbigen darzustellen, wäre nicht richtig. Grundsätzlich kann man sagen, dass George 

Herbert  Mead  der  Begründer  der  symbolischen  Interaktion  ist.  Der  symbolische 

Interaktionismus  hingegen  ist  eine  „Fortsetzung  jenes  lockeren  interdisziplinären 

Geflechts von Theoretikern, Sozialforschern und Sozialreformern an der University of 

Chicago, welches  in  der  eigentlichen  Institutionalisierungsphase  der  amerikanischen 

Soziologie zwischen 1890 und 1940 bestimmend für das Fach war“. 2   

Doch woher kommt der Begriff des  symbolischen  Interaktionsmus? Hier nun kommt 

ein Student und späterer Nachfolger Meads zum Zuge. „Namentlich  ist dieser Ansatz 

auf Herbert Blumer zurückzuführen, der als Schüler und Lehrstuhlnachfolger Meads in 

Chicago gewirkt hat.“  3 So  ist es also kein Wunder, dass dieser Begriff  immer wieder 

mit Mead  in Verbindung  gebracht wird. Blumer  ist  somit  Schöpfer des Wortes  aber 

Mead ist anscheinend immer noch grundlegend der Vater des Gedankens.  

 

2.1.  Meads Grundlage der symbolischen Interaktion 

Im  Gegensatz  zu  gängigen  Sozial‐  und  Kommunikationstheorien  bringt  Mead  die 

Anfänge  der  Kommunikation  und  somit  auch  den  symbolischen  Interaktion  in 

Verbindung  mit  naturgeschichtlichen  Grundlagen.  Er  macht  keinen  Unterschied 

zwischen „…subhumanen und humanen Gemeinschaftsformen…“.4  

                                                            2 Joas, Hans: Symbolischer  Interaktionismus‐ Von der Philosophie des Pragmatismus zu einer soziologischen Forschungstradition. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (1988), S.419 3 Krallmann, Dieter; Ziemann, Andreas: Grundkurs Kommunikationswissenschaft. München 2001. S. 209 4 Krallmann, Dieter; Ziemann, Andreas: Grundkurs Kommunikationswissenschaft. München 2001. S. 211 

4  

Für den Beginn einer Gesellschaft oder eines sozialen Geflechts und der Probleme, mit 

denen  sich  eine  solche Gemeinschaft  auseinandersetzen muss,  führt  Herbert Mead 

den Begriff der  „Geste“  ein. Die  auftretenden  Störungen und Probleme müssen mit 

Hilfe  der  Anderen  bewältigt  werden.  Um  die  Kooperation  für  die  Bewältigung  zu 

schaffen,  müssen  die  Anderen  „informiert“  werden.  „Der  Begriff  ‚Geste‘  kann  mit 

jenen Anfängen gesellschaftlicher Handlungen gleichgesetzt werden, die als Reize  für 

die Reaktionen anderen Wesen dienen." 5 Doch genau hier findet dann die Aufteilung 

der  Überlegungen Meads  in  humane  und  subhumane  Gemeinschaften  statt. Mead 

sieht  diesen  Teil  der  Kommunikation  nämlich  als  nicht‐signifikant  an,  was  nichts 

anderes bedeutet als unbewusste Kommunikation und somit wie bereits erwähnt nur 

der subhumanen Gemeinschaftsform zuzuschreiben. Doch was unterscheidet nun den 

Menschen vom Tier? 

Hierfür führt Mead das signifikante Symbol ein. „Von einem signifikantem Symbol kann 

man  sprechen,  wenn  ein  Zeichen  oder  eine  symbolische  Geste  beim  anderen 

Individuum die  gleiche Vorstellung   über die dahinterliegende Bedeutung hervorruft 

wie  im Erzeuger und somit die gleiche Reaktion auslöst.“6 Der Unterschied zur nicht‐

signifikanten Geste  ist  eindeutig. Die  signifikante Geste  oder  besser  das  signifikante 

Symbol unterliegen der  Interpretation. Es  findet eine Generalisierung einer Situation 

auf einen bestimmt Sinn statt. Mead stellt in seinen Überlegungen weiterhin fest, dass 

die  Kommunikation  der  Faktor  ist,  welcher  zur  Entwicklung  des  Menschen  zum 

sozialen  Wesen  geführt  hat,  weil  die  typische  menschliche  Kommunikation  und 

Interaktion über signifikante Symbole stattfindet.  

 

2.2.  Die Essenz für Blumer 

Als  Schüler  von  Mead  war  Blumer  bestens  vertraut  mit  seinen  Vorlesungen  und 

Forschungen. Doch grundlegend muss man sagen, dass Blumer nicht wirklich das Werk 

von  Mead  weitergeführt  hat,  nein  er  hat  sich  einen  Teil  aus  der  Arbeit  Meads 

herausgenommen und diesen genauer betrachtet und weiter bearbeitet.  

                                                            5 Krallmann, Dieter; Ziemann, Andreas: Grundkurs Kommunikationswissenschaft. München 2001. S. 212 6 Ables, Hans: Interaktion, Identität, Präsentation. In: Studientexte zur Soziologie. Band 1. Opladen/ Wiesbaden 1998. S. 19 

5  

Den Ansatz, dem sich Blumer verschrieben hat, nannte er ganz einfach symbolischer 

Interaktionismus. 

So kann man also auch  sagen, dass der  symbolische  Interaktionismus eine der  sechs 

Hauptrichtungen  der  Arbeit  von  Mead  darstellt  aber  grundlegend  eine  „…  klare 

Verkürzung seines Gesamtwerkes…“7 ist.  

Doch was genau hat Blumer in seine Arbeit bzw. in seinen Ansatz einfließen lassen? Es 

ist der Ansatz für die Bedingungen des Handelns, welchen er mit Mead teilt und den er 

weiter  ausgearbeitet  hat.  „Menschen  handeln  nicht,  weil  sie  sich  funktional  zur 

Strukturbedingungen  verhalten,  sondern weil  sie  den  Bedingungen  eine  Bedeutung 

geben und damit die Bedingungen selbst schaffen.“8 Dieser Prozess wird  ins Zentrum 

der  Theorie  von  Blumer  gestellt. Weiterhin  sehen  beide  Arbeiten,  sowohl  die  von 

Mead als auch die von Blumer, Bedeutungen als Produkt von  sozialen Prozessen an. 

Außerdem behandelt Blumer in seiner Arbeit die gleiche oder zumindest eine ähnliche 

Fragestellung, wie  sie Mead  vor  ihm  formulierte,  „… wie  es Menschen  gelingt,  ihre 

Handlungen  aufeinander  anzupassen.“9  Mead  erklärte  damals,  dass  sich  die 

Handelnden den Sinn durch Handlungen gegenseitig anzeigen. Hier geht Blumer nun 

einen  Schritt  weiter  und  sagt,  dass  die  Individuen  in  der  Interaktion  gemeinsame 

Symbole  erschaffen,  an  denen  sie  sich  orientieren,  woran  sich  ihre  Handlungen 

bestätigen,  die  revidiert  werden  können  und  auch  wieder  neue  Bedeutungen 

zugewiesen bekommen können. Grundlegend nimmt Herbert Blumer also den Zweig 

von  Meads  Forschung,  welcher  sich  mit  der  symbolvermittelten  Interaktion 

beschäftigte. 

 

3.  Der Symbolische Interaktionismus nach Herbert Blumer 

Die  vorrangegangenen  Beschreibungen  haben  gezeigt,  dass  die  Grundlage  des 

symbolischen Interaktionismus eindeutig bei Mead liegt.  

   

                                                            7 Krallmann, Dieter; Ziemann, Andreas: Grundkurs Kommunikationswissenschaft. München 2001. S. 209 8 Ables, Hans: Interaktion, Identität, Präsentation. In: Studientexte zur Soziologie. Band 1. Opladen/ Wiesbaden 1998. S. 46 9 Ables, Hans: Interaktion, Identität, Präsentation. In: Studientexte zur Soziologie. Band 1. Opladen/ Wiesbaden 1998. S. 44 

6  

Herbert  Blumer  hat  sich  die  Idee  von Mead  zu  Basis  genommen  und  daraus  einen 

Begriff  formuliert, der  in der heutigen Zeit allgemeinen Anklang gefunden hat. Zwar 

bezeichnet Blumer seine Formulierung als „… barbarische Wortschöpfung…“10, aber er 

schaffte  trotzdem  einen  allgemeingültigen  Begriff,  der  sowohl  als  Fachterminus  für 

sein  Werk  gilt,  als  auch  in  vielen  Mead‐Rezeptionen  und  anderen  fachbezogenen 

Werken Anklang  findet. So  finden wir zum Beispiel auch bei Habermas eine Variante 

als „…symbolvermittelte Interaktion…“11.  

Doch Herbert Blumer  formulierte nicht nur einen Begriff, der das Werk, oder besser 

einen  Teil  des Werkes  von  Herbert Mead  bezeichnet.  Nein,  Blumer  verfeinert  die 

Theorien Meads  in  der  Richtung  der  „sybolic  interaction“.  Im  Gegensatz  zu Mead 

schaffte  Blumer  es  eine  wissenschaftliche  Arbeit  zum  Thema  herauszugeben.  Die 

Theorie  des  symbolischen  Interaktionismus wurde  unter  dem  Deutschen  Titel  „Der 

methodologische Standort des Symbolischen Interaktionismus“ 1973 veröffentlich und 

gilt seit dem als Gründungsdokument für diese Theorie.  

Die genaue Formulierung der Theorie des symbolischen Interaktionismus basiert nach 

Blumer auf drei einfachen Prämissen. 

1. Prämisse:   

Menschen behandeln Dinge und Andere aufgrund der Bedeutung, die diese 

für sie haben. 

2. Prämisse:   

Diese Bedeutungen entstehen in der Interaktion. 

3. Prämisse:   

Sie werden in der Auseinandersetzung mit der Welt benutzt und geändert. 

Man  kann  diese  3  Prämissen  auch  als  die  philosophischen  Kernprämissen  des 

symbolischen  Interaktionismus  betrachten.  Auf  diesen  Prämissen  ruht  das  gesamte 

Werk Blumers. 

 

   

                                                            10 Krallmann, Dieter; Ziemann, Andreas: Grundkurs Kommunikationswissenschaft. München 2001. S. 209 11 Krallmann, Dieter; Ziemann, Andreas: Grundkurs Kommunikationswissenschaft. München 2001. S. 209 

7  

3.1.  Die drei Kernprämissen 

Diese Prämissen sind die Grundlage des symbolischen  Interaktionismus nach Blumer. 

„Die erste Prämisse besagt, dass Menschen ‚Dingen‘ gegenüber auf der Grundlage der 

Bedeutungen handeln, die diese Dinge für sie besitzen. Unter  ‚Dingen‘ wird hier alles 

gefasst,  was  der  Mensch  in  seiner  Welt  wahrzunehmen  vermag  –  physische 

Gegenstände, wie Bäume oder Stühle; andere Menschen, wie eine Mutter oder einen 

Verkäufer; Kategorien von Menschen, wie Freunde oder Feinde; Institutionen, wie eine 

Schule  oder  eine  Regierung;  Leitideale  wie  individuelle  Unabhängigkeit  oder 

Ehrlichkeit; Handlungen anderer Personen, wie ihre Befehle oder Wünsche; und solche 

Situationen, wie sie dem Individuum in seinem täglichen Leben begegnen.“12 Hier liegt 

ein  großer  Unterschied  zu  üblichen  Auffassungen  soziologischer  Theorien.  Viele 

Theorien  nehmen  Bedeutungen  und  im  speziellen  die  Bedeutungen  von  Dingen  als 

gegeben hin. Sie gehen nicht näher auf diese ein. Hier bricht Blumer mit der üblichen 

Konvention und  stellt diesen Prozess der Bedeutung als Zentrum  seiner Theorie hin. 

Somit  ergibt  sich  für  Blumer  eine  Aufteilung  in  drei  Bereiche,  in  denen  sich  Dinge 

definieren  und  Bedeutungen  für  das  einzelne  Individuum  haben.  Der  erste  Bereich 

wäre  somit  die  physische  Umwelt  bzw.  physikalische  Objekte.  Alle  Dinge  die  wir 

wahrhaftig greifen,  fühlen und berühren können, zählen  in diesen Bereich. Dann gibt 

es  für  Blumer  den  Bereich  der  sozialen  Umwelt  bzw.  der  sozialen  Objekte.  Hierzu 

zählen  die  Personen  die  uns  umgeben,  die Gesellschaft  die  sie  bilden  und  anderen 

personengebundenen Vorstellungen. Der  letzte Bereich  in der Definition von Dingen 

umfasst  die  sogenannte  abstrakte  Umwelt  bzw.  abstrakte  Objekte.  Hierin  sind  alle 

Objekte eingefasst, die Prinzipien, Ideologien und ähnliches darstellen.  

„Die  zweite  Prämisse  besagt,  dass  die  Bedeutung  solcher  Dinge  aus  der  sozialen 

Interaktion,  die  man  mit  seinen Mitmenschen  eingeht,  abgeleitet  ist  oder  aus  ihr 

entsteht.“  13  Hier  wird  nichts  anderes  beschrieben,  als  dass  Bedeutungen  soziale 

Produkte von Interaktionen sind, die im ständigen Wechsel von Handeln und Definition 

erschaffen werden.    

                                                            12 Blumer, Herbert: Der methodologische Standort des Symbolischen Interaktionismus. In: Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.) Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit, Bd. 1, Reinbek bei Hamburg 1973. S. 81 13 Blumer, Herbert: Der methodologische Standort des Symbolischen Interaktionismus. In: Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.) Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit, Bd. 1, Reinbek bei Hamburg 1973. S. 81 

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Bedeutungen entstehen, weil wir sie im stetigen Wechsel und durch den andauernden 

Einfluss von Interkation  immer wieder erschaffen und neu definieren. Es  ist eindeutig 

festzuhalten, dass hier wieder die Bedeutung von Objekten, Dingen und Handlungen 

im Mittelpunkt stehen. 

„Die dritte Prämisse besagt, dass die Bedeutungen  in einem  interpretativen Prozess, 

den die Person in ihrer Auseinandersetzung mit den ihr begegnenden Dingen benutzt, 

gehandhabt und abgeändert werden.“14  In dieser Prämisse spiegelt sich wieder, dass 

Bedeutungen  durch  den  Handelnden  in  einem  sogenannten  Interpretationsprozess 

gebraucht werden. Bei dieser Prämisse ist dann auch eindeutig die Vorarbeit Meads zu 

dieser Thematik zu erkennen. Blumer erklärt den Prozess ähnlich wie es Mead vor ihm 

mit der Symbolbildung getan hat „… der Handelnde zeigt sich selbst die Gegenstände 

an, auf die er sein Handeln richtet. Er wählt also aus, ordnet und strukturiert die Dinge, 

indem  er  ihnen  eine  bestimmte  Bedeutung  verleiht.“15  Zu  den  drei  Prämissen  kann 

zusammenfassend  gesagt werden,  dass  es  die  sogenannte  Handlungsvoraussetzung 

geben muss. Alle die miteinander interagieren sind an diese Voraussetzung gebunden. 

Hier nun findet wieder ein Konsens zwischen Mead und Blumer statt. Betrachtet man 

die drei Prämissen im Zusammenhang mit der These der Rollenübernahme nach Mead, 

dann kann man folgende Aussage zum gesamten Sachverhalt aufstellen: „…: die innere 

Kommunikation eines  jeden Beteiligten an der  Interaktion  ist Reaktion auf die  innere 

Kommunikation  jedes  anderen  Beteiligten.  Das  Ergebnis  dieser  wechselseitigen 

Berücksichtigung der Bedeutung der Dinge, die die Handelnden sich anzeigen, ist eine 

gemeinsame  symbolische  Definition  der  Situation“.16  Diese  Betrachtung  veranlasst 

Blumer,  die  sogenannten  Kernvorstellungen  des  symbolischen  Interaktionismus  zu 

formulieren. 

 

3.2.  Die Kernvorstellungen des Symbolischen Interaktionismus 

Herbert Blumer entwickelte die Kernvorstellungen als Grundlage und zur Erklärung der 

drei Prämissen, welche er für den symbolischen Interaktionismus erstellt hat.                                                              14 Blumer, Herbert: Der methodologische Standort des Symbolischen Interaktionismus. In: Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.) Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit, Bd. 1, Reinbek bei Hamburg 1973. S. 81 15 Ables, Hans: Interaktion, Identität, Präsentation. In: Studientexte zur Soziologie. Band 1. Opladen/ Wiesbaden 1998. S. 47 16 Ables, Hans: Interaktion, Identität, Präsentation. In: Studientexte zur Soziologie. Band 1. Opladen/ Wiesbaden 1998. S. 47 

9  

Die  Kernvorstellungen  geben  Auskunft  und  Definition  von  sechs  Sachverhalten.  Die 

erste Kernvorstellung beschäftigt sich mit der Beschaffenheit von Gesellschaft bzw. mit 

der  Beschaffenheit  vom menschlichen  Zusammenleben.  Die  zweite  Kernvorstellung 

gibt  genauere  Angaben  zu  der  sozialen  Interaktion  und  welche  Bedingungen  und 

Voraussetzungen diese hat. Die dritte Kernvorstellung befasst  sich ausschließlich mit 

der Definition des Objekts bzw. des ‚Dinges‘, welches in der ersten Prämisse auftaucht. 

Die  vierte  Kernvorstellung  betrachtet  den  Menschen  unter  dem  Aspekt  des 

handelnden  Individuums. Die  fünfte Kernvorstellung hat den Fokus auf die Handlung 

selbst  gelegt.  Hier  geht  es  hauptsächlich  um  die  Beschaffenheit  des menschlichen 

Handelns.  Die  sechste  und  letzte  Kernvorstellung  befasst  sich  dann  mit  der 

sogenannten Verkettung von Handlungen. 

 

3.2.1.  Beschaffenheit der menschlichen Gesellschaft  

Die  Aussage  der  ersten  Kernvorstellung  lautet  ganz  einfach:  „…dass  menschliche 

Gruppen  und  Gesellschaften  im  Grunde  nur  in  der  Handlung  bestehen.“17  Die 

Aussagen, die in diesem einfachen Satz zu finden sind, kann man wie folgt formulieren. 

Gruppen  bestehen  immer  aus  handelnden  Personen.  Die  Handlungen,  die  diese 

Personen  ausführen,  bestehen  immer  aus  Aktivitäten  von  Individuen,  die  sich mit 

ablaufenden Situationen auseinander  setzen. Entweder können Personen allein oder 

gemeinsam Handeln. Das Handeln wird immer zugunsten oder als Repräsentation von 

Organisationen oder Gruppen anderer  Individuen vollführt. Dies erfolgt  immer unter 

der  Berücksichtigung  der  gegebenen  Situation.  Die  formulierte  These  hierfür  lautet 

schlicht,  dass  Gesellschaften  in  einem  fortlaufenden  und  andauernden  Prozess  der 

wechselseitigen  Abstimmung  der  Aktivitäten  ihrer  Mitglieder  bestehen.  Mit  dieser 

These  wendet  sich  Blumer  eindeutig  gegen  zwei  vorherrschende  Konzepte  der 

Auffassung  von Gesellschaft. Das erste Konzept  sieht Gesellschaft  als Kultur  an. Der 

führende Vertreter hierfür war William Graham Sumner und seine funktionalistischen 

Theorien  der  Kulturanthropologie.  Das  zweite  Konzept  stammt  hauptsächlich  von 

Talcott Parsons und seiner strukturfunktionalistischen Theorie.  

                                                            17 Blumer, Herbert: Der methodologische Standort des Symbolischen Interaktionismus. In: Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.) Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit, Bd. 1, Reinbek bei Hamburg 1973. S. 85 

10  

Gegen beide Richtungen machte Blumer dann die einfache Aussage: „Gleichgültig, ob 

man Kultur als Konzept nun als Brauch, Tradition, Norm, Wert, Regel oder ähnliches 

definiert, sie ist eindeutig abgeleitet von dem, was die Menschen tun. Ähnlich bezieht 

sich soziale Struktur in jedem ihrer Aspekte, wie sie durch folgende Begriffe wie soziale 

Position,  Status,  Rolle,  Autorität  und  Ansehen  wiedergegeben  werden,  auf 

Beziehungen,  die  aus  der  Interaktion  zwischen  verschiedenen  Personen  abgeleitet 

sind.“18  Diese  Aussage  bezieht  sich  nicht  nur  allein  auf  die  zwei  Konzepte  der 

Gesellschaft, sondern macht noch einen wichtigeren Faktor in Blumers Arbeit deutlich. 

Blumer hat mit dieser Aussage auch gleichzeitig seine Auffassung von Normen, Regeln 

und Gesetzen dargestellt. Blumers These  zufolge,  sind Normen, Regeln, Gesetze und 

Ideologie nicht die Grenzen, die eine Gesellschaft definieren, sondern entstehen erst 

aus der  Interaktion und Kommunikation  innerhalb dieser Gesellschaft. Damit steht er 

natürlich  im  Gegenspruch  zu  den  gängigen  Annahmen,  dass  die  Normen,  Regeln, 

Werte und Ideologie die Gesellschaft formen und schaffen.  

 

3.2.2.  Beschaffenheit der sozialer Interaktion 

„Das  Zusammenleben  in Gruppen  setzt  notwendigerweise  Interaktion  zwischen  den 

Gruppenmitgliedern voraus; oder, anders ausgedrückt: eine Gesellschaft besteht aus 

Individuen,  die  miteinander  interagieren.“19  Nun  diese  Aussage  über  die  zweite 

Kernvorstellung mag  recht einfach erscheinen, beinhaltet aber einen großen Teil der 

Gesamtarbeit  Blumers.  Dieser  Teil  definiert  nun  genau  die  Interaktion  und  im 

speziellen die soziale Interaktion. Eine genauere Beleuchtung dieser Aussage zeigt nun 

folgenden Sachverhalte und somit Inhalte der zweiten Kernvorstellung auf. 

Das  Zusammenleben  in  Gruppen  setzt  Interaktion  voraus.  Die  Aktivitäten  von 

Mitgliedern  einer  Gruppe  erfolgt  vorwiegen  in  Bezug  aufeinander.  Die  soziale 

Interaktion formt menschliches Verhalten und hat somit eine zentrale Bedeutung. Der 

Einzelne  muss  seine  Handlungsabsicht  in  gewisser  Hinsicht  mit  den  Handlungen 

anderen in Einklang bringen.  

                                                            18 Blumer, Herbert: Der methodologische Standort des Symbolischen Interaktionismus. In: Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.) Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit, Bd. 1, Reinbek bei Hamburg 1973. S. 86 19 Blumer, Herbert: Der methodologische Standort des Symbolischen Interaktionismus. In: Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.) Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit, Bd. 1, Reinbek bei Hamburg 1973. S. 86 

11  

Auf  der  Grundlage  von  Handlungen  anderer  kann  das  handelnde  Individuum  seine 

Absichten  fallen  lassen,  abändern,  prüfen,  aussetzen,  verstärken  oder  durch  andere 

ersetzen.  

Die soziale Interaktion wird in einem zweifachen Prozess vollführt: 

1. Anderen anzeigen, wie sie handeln sollen. 

2. Selbstinterpretation der Anzeigen, die von anderen gegeben wurden 

Bei dieser Aufteilung des Prozesses beeinflusst nun wieder der Ansatz Meads die These 

Blumers.  Mead  beschreibt  in  seiner  Arbeit  bzw.  in  seiner  Auffassung,  dass  die 

Teilnehmer  einer  Interaktion  in  der  Lage  seien müssen,  die  Rolle  des  Gegenübers 

einzunehmen.  

 

3.2.3.  Beschaffenheit von Objekten 

Die dritte Kernvorstellung befasst sich nun direkt mit dem Objekt oder wie Blumer es 

in  seiner  ersten  Prämisse  formulierte  mit  dem  ‚Ding‘.  Beim  symbolischen 

Interaktionismus  selbst  gibt es  keine eine Welt,  sondern nur Welten, die  Individuen 

sich  selbst  und  füreinander  konstruieren. Diese Welten  bestehen  aus Objekten.  „Zu 

den  Objekten  ist  alles  zu  zählen,  was  angezeigt  werden  kann,  alles,  auf  das  man 

hinweisen oder auf das man sich beziehen kann ‐ …“20.  „Die Bedeutung von Objekten 

für  eine  Person  entsteht  im wesentlichen  aus  der  Art  und Weise,  in  der  diese  ihr 

gegenüber von anderen Personen, mit denen sie interagiert, definiert worden sind“21. 

Aus diesen beiden Aussagen Blumer  lässt  sich der Konsens entwickeln, dass Objekte 

immer  Produkte  von  symbolischer  Interaktion  sind.  Außerdem  nimmt,  wie  bereits 

weiter  oben  unter  den  drei  Prämissen  erwähnt,  Blumer  eine  Einteilung  der 

sogenannten Dinge bzw. Objekte vor. So erstellt er die Kategorie des physikalischen 

Objekts, die Kategorie des sozialen Objekts und die Kategorie des abstrakten Objekts. 

Die  Schlussfolgerungen  aus  dieser  Kernvorstellung  kann  man  dann  wie  folgt 

formulieren.  

                                                            20 Blumer, Herbert: Der methodologische Standort des Symbolischen Interaktionismus. In: Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.) Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit, Bd. 1, Reinbek bei Hamburg 1973. S. 90 21 Blumer, Herbert: Der methodologische Standort des Symbolischen Interaktionismus. In: Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.) Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit, Bd. 1, Reinbek bei Hamburg 1973. S. 90 

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Will man das Handeln  von Menschen  verstehen, muss man  ihre Welt  von Objekten 

bestimmen.  Objekte müssen  in  Bezug  auf  ihre  Bedeutung  als  soziale  Schöpfungen 

betrachtet werden.  

Somit  ist  dann  auch  die  Grundaussage  für  diese  Kernaussage  eindeutig.  „Das 

Menschliche  Zusammenleben  ist  ein  Prozess,  in  dem Objekte  geschaffen,  bestätigt, 

umgeformt und verworfen werden.“22 

 

3.2.4. Der Mensch als handelnder Organismus 

Für diese Kernvorstellung nimmt Blumer nun direkten Bezug zu seinem Lehrer Mead. 

Er verbindet hier dessen Arbeit mit seiner. Blumer definiert den Menschen als einen 

Organismus, der nicht wie Tiere in einer festgelegten Reiz‐Reaktion‐Kette funktioniert: 

„…sondern der anderen etwas anzeigt und deren Anzeigen interpretiert. Er kann dies, 

wie Mead eindringlich gezeigt hat, nur aufgrund der Tatsache tun, daß er ein `Selbst` 

besitzt.“23 Blumer geht in diesem Gedanken noch weiter und sagt: „…, daß ein Mensch 

Gegenstand  seiner  eigenen Handlung  sein  kann“24. Hier  fließt  die  Formulierung  des 

Selbst nach Mead vollständig in die Arbeit von Blumer mit ein. Grundlegend kann man 

also zur vierten Kernvorstellung sagen, dass nach Blumer der Mensch einen Charakter 

hat,  der  der  symbolischen  Interaktion  nach Mead  entspricht. Der Mensch  ist  in  der 

Lage,  sowohl  auf  nicht‐symbolischer  als  auch  auf  symbolischer  Ebene  zu  reagieren 

bzw. zu interagieren. Dies kann er nur, weil er laut Mead‘ scher Auffassung ein ‚Selbst‘ 

hat. Das bedeutet, dass er Gegenstand seiner eigenen Handlungen sein kann und dass 

er sich selbst zum Objekt bzw. Ding machen kann. Er handelt sich selbst und steuert 

sein Handeln anderen gegenüber auf Grundlage dessen, wie er sich selbst sieht. Dabei 

entwickelt sich das Selbst‐Objekt aufgrund von sozialer Interaktion. Diese Entwicklung 

setzt voraus, dass die Person bzw. das handelnde Individuum  in der Lage  ist, sich von 

außerhalb  selbst  zu  betrachten.  Die  Grundidee  hier  ist  die  Fähigkeit  zur 

                                                            22 Blumer, Herbert: Der methodologische Standort des Symbolischen Interaktionismus. In: Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.) Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit, Bd. 1, Reinbek bei Hamburg 1973. S. 91 23 Blumer, Herbert: Der methodologische Standort des Symbolischen Interaktionismus. In: Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.) Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit, Bd. 1, Reinbek bei Hamburg 1973. S. 92 24 Blumer, Herbert: Der methodologische Standort des Symbolischen Interaktionismus. In: Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.) Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit, Bd. 1, Reinbek bei Hamburg 1973. S. 92 

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Rollenübernahme, wie Mead  sie  formulierte.  Es  können  die  verschiedensten  Rollen 

eingenommen werden.  So  kann  die  Person  als  bestimmtes  Individuum  handeln,  als 

organisierte Gruppe oder als abstrakte Gemeinschaft bzw. als generalisierter Andere. 

Durch das Selbst  ist der Mensch  in der Lage mit sich selbst zu  interagieren und er  ist 

fähig zum Prozess des Selbst‐Anzeigens. 

Diese Aussagen führen zu dem Konsens von Mead und Blumer, dass der Mensch kein 

einfacher  reagierender  Organismus  ist,  sondern  als  handelnder  Organismus  zu 

betrachten  ist, der seine Handlungslinien basierend auf der Grundlage dessen  formt, 

was er in Betracht zieht, anstatt nur eine Reaktion auf das Einwirken einiger Faktoren 

auf seine Organisation freizusetzen. 

 

3.2.5  Beschaffenheit des menschlichen Handelns 

„Im wesentlichen  besteht  das Handeln  einen Menschen  darin,  daß  er  verschiedene 

Dinge,  die  er  wahrnimmt,  in  Betrachtung  zieht  und  auf  der  Grundlage  der 

Interpretation dieser Dinge eine Handlungslinie entwickelt. Die berücksichtigten Dinge 

erstrecken sich auf solche Sachen wie seine Wünsche und Bedürfnisse, seine Ziele, die 

verfügbaren  Mittel  zu  ihrer  Erreichung,  die  Handlungen  und  die  antizipierten 

Handlungen  anderer,  sein  Selbstbild  und  das  wahrscheinliche  Ergebnis  einer 

bestimmten Handlungslinie.“25 Hier nun verfolgt Blumer eine Vertiefung der Thematik 

des Prozesses der Selbst‐Anzeige und der Schaffung von Welten durch Objekte und die 

Bedeutung der Objekte in diesen geschaffenen Welten.  

Der Mensch  steht  einer Welt  gegenüber,  die  er  interpretiert.  Er muss  sein Handeln 

aufbauen  und  steuern,  anstatt  sie  nur  in  Reaktionen  auf  Faktoren,  die  auf  ihn 

einwirken,  freizusetzen. Das Wesen des Handelns beruht also auf der Wahrnehmung 

und  Interpretation  von  Dingen  aus  der  Umwelt  des  Menschen.  Dabei  wird  sein 

Verhalten  durch  den  Prozess  des  Anzeigens  und  Interpretierens  geformt  und 

gesteuert. Die Charakteristika menschlichen Handelns kann man wie folgt beschreiben: 

Menschen  begegnen  einem  ständigen  Fluss  von  Situationen,  das  Handeln  des 

Menschen ist auf der Grundlage ihrer Wahrnehmung aufgebaut, die Einschätzung und 

                                                            25 Blumer, Herbert: Der methodologische Standort des Symbolischen Interaktionismus. In: Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.) Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit, Bd. 1, Reinbek bei Hamburg 1973. S. 95 

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Interpretation  des  Wahrgenommenen  führt  zu  Handlungslinien  und  der 

Handlungsprozess muss erschlossen werden, um das Handeln zu verstehen. 

Ein besonderer Aspekt in der fünften Kernvorstellung ist die Verbindung von Objekten 

bzw. Dingen mit Umwelt und Welt. „Nur unter der Bedeutung, die die Individuen den 

Objekten  beimessen, werden  diese  Teil  ihrer Umwelt. Dadurch wird  eine  abstrakte 

Welt  zu  einer  konkreten  Welt,  von  der  aus  allein  das  Handeln  des  Menschen  zu 

verstehen  ist.“26 Der Mensch  ist also nicht einer Umwelt ausgesetzt und reagiert und 

agiert  in  ihr, wie  sie es  ihm auferlegt, nein die Welt wird durch  seine  Interpretation 

erschaffen  und  geformt.  Das  Handeln  des  einzelnen  Individuums  schafft  die  Welt 

dieses  Individuums.  „Interaktion  ist  Interpretation.“27  Um  das  Individuum  zu 

verstehen, muss man also  seine Welt kennen. Die Erschaffung von Welten gilt nicht 

nur  für den einzelnen Menschen, sie gilt auch  für Kollektive und Gemeinschaften. So 

kann man zum Beispiel sagen, dass das Kollektiv einer Fußballmannschaft sich als mit 

seinen speziellen Begriffen, Zielen und Handlungen eine eigene Welt erschaffen hat.  

Die Schlussfolgerung aus der Beziehung Objekt, Handelnder und Welt ergibt sich nun 

fasst von selbst. Die Welt in der wir leben, ist eine Schnittmenge von Individualwelten 

und somit nicht nur eine Welt sondern mehrere Welten. 

 

3.2.6  Verkettung von Handlungen 

Diese  Kernvorstellung  erscheint  nun  mehr  als  eine  Art  „Verkettung“  von  allen 

vorrangegangenen  Kernvorstellungen  und  zielt  im  speziellen  auf  das  gemeinsame 

Handeln  in  einer  Gesellschaft  ab.  „Der  überwiegende  Teil  sozialen  Handelns  in  einer 

menschlichen Gesellschaft, besteht in der Form sich wiederholender Muster gemeinsamen Handelns. In 

den meisten Situationen,  in denen Menschen  in bezug aufeinander handeln, haben sie  im voraus ein 

festes  Verständnis,  wie  sie  selbst  handeln  wollen  und  wie  andere  handeln  werden.  Sie  haben 

gemeinsame  und  vorgefertigte Deutungen  dessen, was  von  der Handlung  des  Teilnehmers  erwartet 

wird,  und  dementsprechend  ist  jeder  Teilnehmer  in  der  Lage,  sein  eigenes  Verhalten  durch  solche 

Deutungen zu steuern.“28 

                                                            26 Ables, Hans: Interaktion, Identität, Präsentation. In: Studientexte zur Soziologie. Band 1. Opladen/ Wiesbaden 1998. S. 52 27 Ables, Hans: Interaktion, Identität, Präsentation. In: Studientexte zur Soziologie. Band 1. Opladen/ Wiesbaden 1998. S. 53 28 Blumer, Herbert: Der methodologische Standort des Symbolischen Interaktionismus. In: Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.) Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit, Bd. 1, Reinbek bei Hamburg 1973. S. 97f 

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Gemeinsames Handeln entsteht also durch gegenseitiges Aufeinander‐Abstimmen der 

Handlungslinien  der  Beteiligten. Man  darf  dabei  das  gemeinsame  Handeln  auf  gar 

keinen Fall als eine Summe von Teilhandlungen betrachten. Vielmehr muss man sagen, 

dass  gemeinsames  Handeln  immer  einen  spezifischen  Charakter  hat  und  dass 

gemeinsames Handeln immer einen Entwicklungsprozess durchläuft. Dieser Prozess ist 

dadurch  gekennzeichnet,  dass  eine  Verdopplung  des  Benennens  und  der 

Interpretation erfolgt. Außerdem müssen die Teilnehmer des gemeinsamen Handelns 

ihre  jeweiligen Handlungen auch hier  steuern,  indem  sie die Bedeutungen ausbilden 

und  benutzen.  Kurz  gesagt,  sie  müssen  innerhalb  des  gemeinsamen  Handelns 

interpretieren und interagieren. Ein bedeutendes Charakteristikum für die Verkettung 

von  Handlungen  bzw.  für  das  gemeinsame  Handeln  ist,  dass  in  Fällen  des 

gemeinsamen Handelns man immer sagen kann, dass dieses wiederkehrend und stabil 

ist.  Man  kann  von  einem  wiederkehrenden  Muster  des  gemeinsamen  Handelns 

sprechen und der Tatsache, dass gemeinsames Handel eine natürliche und wesentliche 

Form des menschlichen  Zusammenlebens darstellt.  Jedoch  ist  zu beachten, dass die 

volle  Breite  der  menschlichen  Gesellschaft  nicht  nur  Ausdruck  der  vorgefertigten 

Formen  gemeinsamen  Handelns  ist.  Vielmehr  gilt  „Es  ist  der  soziale  Prozess  des 

Zusammenlebens,  der  die  Regeln  schafft  und  aufrechterhält,  und  es  sind  nicht  die 

Regeln, die das Zusammenleben schaffen und erhalten.“29 

Ein  weiteres  Charakteristikum  ist  die  Tatsache,  dass  eine  mannigfaltig 

zusammengesetzte  Gruppe  von  Teilnehmern,  die  in  einem  Netzwerk  verschiedene 

Positionen  innehaben,  ihr Handeln auf der Grundlage der Benutzung gegebener Sets 

von  Bedeutungen  eingeht.  Somit  ist  klar,  dass  Netzwerke  und  Institutionen  nicht 

aufgrund  innerer  Dynamik  funktionieren.  Sie  funktionieren,  weil  Personen  auf 

verschiedenen  Positionen  handeln.  Das  Funktionieren  und  die  Entwicklung  von 

Institutionen werden durch den Interpretationsprozess bestimmt. 

Als  letzter  anzumerkender  Punkt  für  die  Verkettung  von  Handlungen  und  dessen 

Eigenheiten,  bleibt  der  Punkt,  dass  jeder  Fall  gemeinsamen  Handelns  aus  dem 

Hintergrund  früherer Handlungen hervorgeht. Menschen die eine neue gemeinsame 

Handlung bilden wollen, greifen  immer auf schon bestehende Sets von Bedeutungen 

                                                            29 Blumer, Herbert: Der methodologische Standort des Symbolischen Interaktionismus. In: Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.) Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit, Bd. 1, Reinbek bei Hamburg 1973. S. 99 

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und  Interpretationsentwürfen  zurück.  Nur  radikal  unterschiedliche  und  belastende 

Situationen führen zur Neubildung von Handlungsformen. 

 

4.  Die  Bedeutung  von  Meads  und  Blumers  Thesen  für  die 

Kommunikationswissenschaft – Ein Fazit 

Die  vorangegangenen  Teile  dieser  Arbeit  beschäftigten  sich  nun  mit  Blumers 

Entwicklung  des  symbolischen  Interaktionismus  und  den  Einfluss  Meads  auf  diese 

Ausarbeitung.  Das  die  Grundidee Meads maßgeblich  die  Arbeit  und  Überlegungen 

Blumers beeinflusst,  ja sogar unterstützt hat,  ist nicht von der Hand zu weisen. Mead 

legte den Grundstein für einen wichtigen Aspekt der heutigen Kommunikation, indem 

er die symbolische Interaktion beschrieb. Er schuf ebenfalls eine hervorragende Basis, 

durch  seine  Definition  von  Zeichen,  Geste  und  Symbol,  welche  in  der  heutigen 

Kommunikationswissenschaft  immer  noch  breiten  Anklang  finden  und  eine 

Grundvoraussetzung  für  das  Verständnis  von  Kommunikation  darstellt.  Doch  muss 

erwähnt werden, dass Mead genauso wenig wie Blumer versucht hat die eigentliche 

Kommunikation, ihre Ursprünge und Funktion zu beschreiben. 

Bei  Mead  ist  die  symbolische  Interaktion  ein  kleiner  Teil  seiner  These  des 

Sozialbehaviorismus.  Er  sieht  die  Kommunikation  als  spezialisierte  Form  der 

Interaktion an und verweist  in diesem Fall natürlich darauf, dass ohne die Interaktion 

und  somit  ohne  Kommunikation  keine  Gesellschaft    bzw.  Gemeinschaft  existieren 

kann.  „Fundamental  ist  zweitens,  dass  aller  Kommunikation  ein 

Kooperationsmechanismus  zu  Grunde  liegt.“30  Die  Definition  die  Mead  hier  gibt, 

basiert auf seiner soziologischen Ansicht. Dennoch  ist nicht von der Hand zu weisen, 

dass  sowohl  die  symbolische  Interaktion  und  die  Verfeinerung  der  selbigen,  der 

symbolischen  Interaktionismus  grundlegende  Thesen  und  Aussagen  liefern,  die 

Kommunikation  beschreiben  und  darstellen,  einerseits  die  Ausarbeitung  der 

Interaktion  und  ihre  Spezialisierung  als  Kommunikation  und  andererseits  die 

Einbettung des Symbols, dessen Bedeutung und Zuweisung und tragende Rolle  in der 

Interaktion bzw. Kommunikation. Beide Arbeiten und Thesen sowohl die von Mead als 

auch die von Blumer sind wegweisend für das Verständnis von Kommunikation. 

                                                             30 Krallmann, Dieter; Ziemann, Andreas: Grundkurs Kommunikationswissenschaft. München 2001. S. 211 

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Literaturverzeichnis 

 

Abels,  Heinz  (1998):  Interaktion,  Identität,  Präsentation.  Kleine  Einführung  in  die 

interpretativen Theorien der Soziologie In: Abels, Heinz/ Fuchs‐Heinritz, Werner/ Jäger, 

Wieland/  Schimank,  Uwe  (Hrsg.):  Hagener  Studientexte  zur  Soziologie  Band  1. 

Opladen/ Wiesbanden: Westdeutscher Verlag 

 

Blumer,  Herbert,  1973:  Der  methodologische  Standort  des  symbolischen 

Interaktionismus.  In: Arbeitsgruppe Bielefelder  Soziologen  (Hrsg.): Alltagswissen  und 

gesellschaftliche Wirk‐lichkeit, Band 1. Reinbek: Rowohlt 

 

Burkart, Roland (April 2002): Kommunikationswissenschaft. Grundlagen und 

Problemfelder. 4. Auflage Wien/ Köln/ Weimar: UTB Böhlau 

 

Krallmann, Dieter/ Ziemann, Andreas (2001) : Grundkurs 

Kommunikationswissenschaft: mit einem Hypertext‐Vertiefungsprogramm im Internet. 

München: UTB Fink 

 

Schützeichel, Rainer (2004) : Soziologische Kommunikationstheorien. 1.Auflage. 

Konstanz: UTB UVK 

 

Wenzel, Harald (1990) : George Herbert Mead zur Einführung. 1. Auflage Hamburg: Ed. 

SOAK im Junius Verlag 

 

Oppenhäuser, Holger: WorldWideWeb: Vernetzte Identitäten. Eine Debatte um 

virtuelle Identitäten. http://www.uni‐

mainz.de/FB/Sozialwissenschaften/Soziologie/Heintz/lehre/internet/oppbody.htm 

(23.08.2007) 

 

Wingenbach, Carmen (2000): WorldWideWeb: Die wissenschaftlich‐soziologische Basis. http://www.carelounge.de/sozialberufe/wissen/qf_4.php (23.08.2007)