Herman Wirth: Leben und Werk - Die Schaffung Neuer Arbeitsgrundlagen 1945-1960

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I I I . 6) Die Schaffung neuer Arbeitsgrundlagen 1945 - 1960 Herman Wirth wurden im Rahmen der ublichen Entnazi- Untersuchungen eingeleitet, die seine Rolle J ahrend der NS-Zeit erhellen sollten. Besonderen Verdac t erregte seine ehemalige Mitgliedschaft in der SS und de ihm in diesem Zusammenhang verliehene "Ehrenfuh- rer-Ti Herman Wirth Roeper Hosch - er -- fiil!rte sei t Kriegsende zu- satzlich den Namen seiner niederlandischen Mutter 2 - war ' der Ansicht, - die Vorwurfe gegen ihn vollig zu Unrecht erhoben wurden und bemuhte sich darum, unter Mithilfe seiner Frau, Belege herbeizuschaffen, die seine opposi- tionelle Haltung gegenuber · den nationalsozialistischen Machthabern unter Beweis stellen sollten. Was den "Ehren- fuhrer-Titel" anbelangte, behauptete · er, ihm die Aus- zeichnung ohne seine Zustimmung verliehen worden sei. 3 Daruber hinaus habe _er seine SS-Mitgliedschaft sowie den Titel sogar widerrufen, als er erkannt hatte, daB der Konflikt mit dem "Ahnenerbe" nicht zu uberwinden sei. 4 Wirth konnte eine ganze Reihe von Personen benennen, die Siehe: NW: 1948l2a-f (D) , 3 Wirth schreibt, er habe breits im Marz 1945 den Namen seiner Mutter an den seinen angehangt und auch die deutschen Behorden davon in Kenntnis gesetzt, urn eine Verwechslung mit einem mit ihm nicht verwandten Na- mensvetter, der ein Mitarbeiter A.Rosenbergs gewesen sei, zu vermeiden. wollte er, und dies klingt glaubwurdiger, seine niederlandische Herkunft betonen, urn damit eine Distanz zu seiner (moglicherweise hin- derlichen) "deutschen" Vergangenheit zu schaffen. Siehe: Brief Wirths an Konigin Juliana von Niederlande vom 1.6.1950, NW: 195011a-c {D) . 3 Brief Wirths an R.Adriaansen vom 26.3.1949 ', NW : 19 4 9 I 1 a- c (D) ; V g 1 . NW: 19 4 8 I 2 a -- f (D) . 4 Betraff der Zurucksendung seines SS - Titels fuhrt Wirth eine eidesstattliche Erklarung des ehemaligen Abtei- lungsleiters im Personalhauptamt des RFSS, Knuth Petri vom 30.9.1946 an. AuBerdem behauptet Wirth sogar "Ik ben nooit Lid der SS geweest" (d.h.: "Ich bin niemals Mitglied der SS gewesen."), NW: 194812a-f {D).

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Wiwjorra, I. (1988). Herman Wirth: Leben und Werk. Berlin: Freien Universität Berlin, p. 90-99.

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I I .6) Die Schaffung neuer Arbeitsgrundlagen 1945 - 1960

Gege~ Herman Wirth wurden im Rahmen der ublichen Entnazi­

fizier~ng~ma~nahmen Untersuchungen eingeleitet, die seine

Rolle J ahrend der NS-Zeit erhellen sollten. Besonderen

Verdac t erregte seine ehemalige Mitgliedschaft in der SS

und de ihm in diesem Zusammenhang verliehene "Ehrenfuh-

rer-Ti

Herman Wirth Roeper Hosch - er--fiil!rte sei t Kriegsende zu­

satzlich den Namen seiner niederlandischen Mutter 2 - war '

der Ansicht, da~ -die Vorwurfe gegen ihn vollig zu Unrecht

erhoben wurden und bemuhte sich darum, unter Mithilfe

seiner Frau, Belege herbeizuschaffen, die seine opposi-

tionelle Haltung gegenuber · den nationalsozialistischen

Machthabern unter Beweis stellen sollten. Was den "Ehren­

fuhrer-Titel" anbelangte, behauptete · er, da~ ihm die Aus­

zeichnung ohne seine Zustimmung verliehen worden sei. 3

Daruber hinaus habe _er seine SS-Mitgliedschaft sowie den

Titel sogar widerrufen, als er erkannt hatte, daB der

Konflikt mit dem "Ahnenerbe" nicht zu uberwinden sei. 4

Wirth konnte eine ganze Reihe von Personen benennen, die

~ Siehe: NW: 1948l2a-f (D) , 3 Wirth schreibt, er habe breits im Marz 1945 den Namen

seiner Mutter an den seinen angehangt und auch die deutschen Behorden davon in Kenntnis gesetzt, urn eine Verwechslung mit einem mit ihm nicht verwandten Na­mensvetter, der ein Mitarbeiter A.Rosenbergs gewesen sei, zu vermeiden. Au~erdem wollte er, und dies klingt glaubwurdiger, seine niederlandische Herkunft betonen, urn damit eine Distanz zu seiner (moglicherweise hin­derlichen) "deutschen" Vergangenheit zu schaffen. Siehe: Brief Wirths an Konigin Juliana von Niederlande vom 1.6.1950, NW: 195011a-c {D) .

3 Brief Wirths an R.Adriaansen vom 26.3.1949 ', NW : 19 4 9 I 1 a- c (D) ; V g 1 . NW: 19 4 8 I 2 a -- f (D) .

4 Betraff der Zurucksendung seines SS - Titels fuhrt Wirth eine eidesstattliche Erklarung des ehemaligen Abtei­lungsleiters im Personalhauptamt des RFSS, Knuth Petri vom 30.9.1946 an. AuBerdem behauptet Wirth sogar "Ik ben nooit Lid der SS geweest" (d.h.: "Ich bin niemals Mitglied der SS gewesen."), NW: 194812a-f {D).

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bereit waren, fUr ihn zu sprechen. 6 ZusAtzliche Unter-

stlitzu g erhiel t er von der 1"Netherland war crimes comis-

sion". f · ·

Das Apl ellationsgericht Marburg fa~te auf Grund des vor­

gelegtin ''Entlastungsmaterials" im Februar 1946 einstim­

mig de BeschluB. Wirth freizusprechen. 7 Ihm wurde an­

geblic~ sogar der Status eines "political victim of the

Third f eich -and displaced person" zuerkannt. • Jedoch zog

sich seine Freilassung, angeblich wegen verwaltungstech-

. h I M'A t"" d . h '"b . J h h' s n1sc er 1~vers an n1sse, noc u er e1n a r 1n. o wur-.,

de Herman . Wirth aufgrund seines erneuten Ersuches vom

21.3.1947 erst am 17.4 . 1947 aus seiner Haft, zuletzt in

Dachau, entlassen. 8

Bei seiner RUckkehr in sein Marburger Haus fand er zu­

nAchst chaotische Zustande vor. In das Gebaude, das sein

gesamtes Arbeitsmaterial, bes~ehend aus einer umfangrei-

chen Bibliothek, einem Fotoarchiv und diversen Kartothe-

ken und Registern sowie einigen Kunstgegenstanden, aufge­

nommen hatte, waren vom 14.11.1945 bis zum 7.3.1946 Teile

··-- ·------------- ---·------6 Wirth spricht von "antifaschistischen K1·eisen" aus

"Kirche, Universitiit und offentlichem Leben", darunter Personen wie: Prof.Heinrich Frick, Dekan der Theologi­schen Fakultat und Prof.Friedrich Heiler, Dekan der Philosophischen Fakultat, beide UniversitAt Marburg . Siebe: Brief Wirths vom 24.4.1948 an Mr.J.Zaayer, "De­partement Buitenlandse Zaken" in Den Haag, NW: 1948/ la,b (D); vgl., NW: 1948/2a-f (D); Noch 1954 bestatig­te Friedrich Heiler: "I ch .sel bs t babe sei t 1945 sowohl bei amerikanischen wie auch bei deutschen Dienststel­len immer wieder darauf hingewiesen, daD Prof.Wirth zu denen gehort, die gegen den Nationalsozialismus Wider­stand geleistet und aus diesem Grunde zu leiden gehabt haben." Siehe: Hake, R., S.92.

0 . Uber die Tatigkeit dieser Orga~isation habe ich nichts Naheres in Erfahrung bringen konnen. Moglicherweise war die "Netherlands War Crimes Comission" eine Unter­abteilung der "United Nations War Crim,es Comission", die die Fahndung nach Kriegsverbrechern sowie ihre Verurteilu~g auf internationaler Ebene koordinieren sollte. Siehe: De Jong, L., Het Koninkrijk der Xeder­lanqen in de Tweede Wereldoorlog 1939-1945, D~el 12 , eerste helf. 's-Gravenhage, 1988, S.549 f ..

7 NW : 1948/2a-f (D); vgl., NW : 1948/la.b (D) . 8 Brief Wirths vom 19.5.1947 an den Oberblirgermeister

der Stadt Marburg/Lahn, NW: 1947/3a,b (D); vgl.: Hake, R . , S.41 und Drees, W. , S.4.

8 NW: 1948/2a-f (D) : · vgl .. NW: 1948/1a. b (D) .

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der amerikanischen Besatzungsmacht einquartiert worden.

Dabei 6uP es wahl zu argen V~rwilstungen gekommen sein. 10

November 1946 filr mehrere Monate erfolgte Ein-

weisung von Zwangsmietern in seine Arbeitsriiume trug

ebenfa ls dazu bei, claP sein Arbeitsmaterial zu einem be-

triichtlichen Teil zerst8rt wurde bzw. verlorenging. 1 1

Unter nderem vermi~-te er .,.. .vier "gro/3ere, druckfertige

ipte", die er filr die "Publikation nach dem Welt-,,

krieg" vorgesehen haben woll t-e~ Trotz dieser erhebli-

chen . V~rluste, bemilhte er sich sofort daru~. Vorausset-

zungen 1 filr eine Wiederaufnahme seiner Forschungen zu

schaffen.

Im Juni 1947 richtete der "niederlandische S!aatsangeho­

rige und (das) politische Opfer des Dritten Reiches" an

das zustiindige ·"Claims Office Team 7722" seinen erste:h

Antrag auf Schadensersatz. 13 In diesem Antrag wiihlte er

zum Teil Formulierungen, die ihm geeignet erschienen, di-

versen antinazistischen Erwartungen zu entsprechen: So

war er jetzt darum bemilht, die "humanitare T~ndenz" sei-

ner Arbeit zu betonen, "die keine Konzessionen an das

Dritte Reich gemacht" habe, und "sich gegen die national-

10 Z.B. sollen Teile seines wissenschaftlichen Arcbivs zum "Ofenanmachen" benutzt und Bilcherregale ''ver­heizt" worden sein. Au~erdem seien betriichtliche Tei­le seiner Musikbibliothek gestohlen sowie Bilcher sei­ner Bibliothek verkauft worden. Sfehe: Antrag Wirths auf Schadensersatz vom Juni 1947, NW: 1947/6a-f (D); vgl.: Erkliirungen verschiedener Zeugen, NW: 1947/7a-c (D) . .

11 Brief Wirths vom 19.5.1947 an den Oberbilrgermeister der Stadt Marburg/Lahn, als "Anlage II", NW: 1947/ 2 a , b ( D ) ; v g 1 . : NW : 1 9 4 7 I 6 a- f ( D ) .

tz Wirth nennt folgende Werke (NW: 1947/1a-f (D)): "Die Kalenderscheibe von Fossum" und "Prolegomena zur Ge­schichte der indoeupaischen Urreligion" (drei Teile). Dublikate der Arbeiten sollen sich schon im Besitz der Verleger Hase & Koehler befunden haben, die Wirth aber verschollen glaubte. Spiiter hat Wirth die Manuskripte wiedergefunden und sie nach ihrer Uberarbeitung dem Niederliindischen Verlag E.J.Brill in Leiden zur Verfil­gung gestellt. Dort sind sie jedoch nie erschienen. Siehe: Wirth, H., Ursinn, S.8.

13 NW 1947/6a-f (D) . .

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sozialistische Ideologie gekehrt" habe. 14 Er behauptete

weiter :

"Die sinnlose Zerstorung und Vernichtung einer Lebensar­beit vori dreiPig Jahren ist um so tragischer, als diese Arbei r nur dem Menschheitsgedanken diente, der menschli­chen geistigen Gemeinschaft galt, im besonderen aber der Ersch ~ iej3ung der Urgeschichte des Geistes in Nordamerika als Gkmeinschaftsgrundlage der Al ten und Neuen Welt. " 1 6

Wirth ~ eabsichtigte nun, wieder in die Niederlande zu­

ruckzuf ehren, um dart seine Forschungen wieder aufzuneh-1'_

men . 10 GewissermaBen als Star~ilfe hoffte er auf eine

Entschadigungszahlung von nicht . weniger als ,~ 5348 Gulden

(umgerechnet 126587 RM nach Vorkriegskurs !) und, was ihm

besonders am Herzen lag, einen Ersatz fur die ihm gestoh-

lene Leica-Fotoausrustung. 17 Nichts konnte _seine Welt-

fremdheit besser dokumentieren als der Plan, ausgestattet

mit oben genannten Geldmitteln, bereits am l.Juli 1947,

d.h . wenige Wochen nach Haftentlassung, eine Felsbilder­

exkursion in die West- und Sildalpen zu beginnen, die er

ursprunglich fur den Sommer 1939 geplant hatte. 18 Natur~

lich erwies sich der Plan als vollig undurchfilhrbar.

Trotzdem zog Wirth im Frilhjahr 1948 nach Dieren (NL), ei­

nem kleinen Ort in der Nahe von Arnheim. Er nahm sofort

Kontakt mit den niederlandischen Behorden auf, urn seine

"Repatriierung" zu erwirken . 18 Bei nie fehlendem Hinweis

auf seine oppositionelle Haltung gegenilber den NS ~Macht~

habern und auf seinen anerkannten Status als "political

victim" beantragte er auBerdem die tatkraftige Unterstut-

zung sowohl seines Entschadigungsantrages bei den ameri-

kanischen Stellen als auch fur seine "wissenschaftlichen"

Vorhaben.

14 NW: 1947/6a- f (D) . 16 Ebd. 16 Brief Wirths vom 19.5.1947 an denOberbilrgcrmeister der

Stadt Marburg/Lahn, NW : 1947/3a,b (D). 17 Ebd. 18 Ebd . , Wirth spricht davon , da~ er die Exkursion damals

nicht durchfilhren konnte, weil ilber ihn eine ''Grenz­sperre" verhangt worden sei .

18 Wirth schreibt in seinem Brief vom 1 . 6.1950 an Konigin Juliana von einem am 13.2 . 1948 gestellten Antrag , NW : 1950/1a - c (D) .

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Im Mai 1948 erfuhr Wirth, da~ die Felsbildersammlung, die

er fur das "Ahnenerbe" angelegt hatte, in Berlin aufge--

funden 1 worden sei. 20 Diese Nachricht ermunterte ihn da-

zu, so I schnell wie mogl i ch wieder e ine wi ssenschaf t l iche

Arbeitsstitte aufzubauen. Er plante, die Felsbilder in

die Ni [J derlande schaffen zu lassen, um, aufbauend auf

dies em "Fundament", e ine "Europese Versaml ing voor Oer­

godsgeschiedenis" (d.h.: "Eurpaische Sammlung fUr Urreli-

. I h. h' t ) . L b - .f', z 1 g1onsgesc 1c e 1ns e en zu ru~n.

Die niederlindischen Beh5rden, namentlich da~ "Ministeri­

um fUr ~Unterricht, Kunst und Wissenschaft", waren aber

nicht dazu bereit, auf Wirths vollig Uberzogene Anspruche

einzugehen. 22 So entschlo~ sich Wirth dazu, ohne die

Plane fUr ein eigenes Museum in den Niederlanden vollig

aufzugeben, zum Oktober 1948 nach Schweden uberzusiedeln,

wohl in der Hoffnung, dort bes~ere Voraussetzungen fUr

seine Arbeit zu finden. 23 Sein neuer Plan sah jetzt vor,

in den Jahren 1949 - 1951 weitere AbgUsse von skandinavi-

schen Felsbildern anzuferti~en, um diese spiter zusammen

mit den Felsbildermodellen seiner "Ahnenerbe"-Expeditio-

nen in den Niede~landen in einem eigenen Museum auszu-

stellen. 34 · Jedoch mu~te auch dieses Vbrhaben s~heitern,

weil es nicht fin~nzierbar war . .

Wirth muBte es deshalb als einen graBen Erfolg werten,

daP er 1951 an der Universitit Lund eine Anstellung am

geographischen Institut erhielt und ein Jahr spater damit

betraut wurde, das Institut fur Farbfotographie (Institu­

tet for Fargfoto) aufzubauen. 36

Nachdem er zu der Einsicht gelangt war, daP seine Muse­

umsplane in den Niederlanden nicht durchflihrbar sein wur ­

den, faPte er den EntschluP, nach Marburg zuruckzukeh-

z o NW: 19 4 8 I 2 a- f (D) . Zl Ebd. 32 Brief Wirths vom 25.9.1948 ~n C.Adriaansen. Ministcrie

van ' Buitenlandse Zaken, NW: 1948/4 (D). 23 Ebd. 2 4 NW : 1949/1a-c (D). 26 Brief Margarethe Wirths vom 7.11.1952 an den Gesandten

der Bundesrepublik Deutschland in Stockholm. NW: 1952/4 (D), vgl . : Wer ist wer ?, Berlin, 1955, ~.1276.

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Im Mai l 1948 erfuhr Wirth, da~ die Felsbildersammlung, die

er fur l das "Ahnenerbe" angelegt hatte. in Berlin aufge­

funden worden sei. 20 Diese Nachricht ermunterte ihn da­

zu, so schnell wie m6glich wieder eine wissenschaftliche

Arbeitsstat~e aufzubauen. Er plante, die Felsbilder in

die Niederlande schaffen zu lassen, um, aufbauend auf

diesem "Fundament", eine "Europese Versamling voor Oer-

godsgeschiedenis" {d.h.: "Eurpaische Sammlung fUr Urreli-1'

gionsg1

eschichte) ins Leben zu -ru-:f_~n. 21

Die ni~derlandischen Beh5rden, namentlich da~ "Ministeri­

um fur -Unterricht, Kunst und Wissenschaft", waren aber

nicht dazu bereit, auf Wirths v5llig Uberzogen~ Anspruche

einzugehen. 32 So entschlo~ sich Wirth dazu, ohne die

Plane fUr ein eigenes Museum in den Niederlanden v51lig

aufzugeben, zum Oktober 1948 nach Schweden Uberzusiedeln,

wohl in der Hoffnung, dort bessere Voraussetzungen fUr

seine Arbeit zu finden. 23 Sein neuer Plan sah jetzt vor,

in den Jahren 1949 - 1951 weitere AbgUsse von skandinavi-

schen Felsbildern anzufertigen, um diese spater zusammen

mit den Felsbildermodellen seiner "Ahnenerbe''-Expeditio-

nen in den Niede~landen in einem eigenen Muse~m auszu-

stellen. 34 Jedoch mu~te auch dieses Vorhaben scheitern,

weil es nicht finanzierbar war.

Wirth mu~te es deshalb als einen gro~en Erfolg werten,

da~ er 1951 an der Universitat Lund eine Anstellung am

geographischen Institut erhielt und ein Jahr spater damit

betraut wurde, das Institut fur Farbfotographie (Institu­

tet f5r Fargfoto) au£zubauen. 35

Nachdem er zu der Einsicht gelangt war, da~ seine Muse­

umsplane in den Niederlanden nicht durchfUhrbar sein wilr­

den, fa~te er den Entschlu~. nach Marburg zuruckzukeh-

2-o·-·-Nw ·;··r·i"9·4··a··7·2~·-:·r-·····ri)··;- . 21 Ebd. 32 Brief Wirths vom 25.9.1948 ~n C.Adriaansen, Ministcrie

van Buitenlandse Zaken, NW: 1948/4 (D). 28 Ebd. Z4 NW: 1949/la-c (D). 26 Brief Margarethe Wirths vom 7.11.1952 an den Gesandten

der Bundesrepublik' Deutschland in Stockholm. NW: 1952/4 (cD), vgl.: Wer ist wer ?, Berlin, 1955, 8.1276.

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ren . a 0

1954.ll7

Er wohnte dort wieder seit Beginn des Jahres

Inzwischen hatte Wirth, der seinen Lebensunter-

halt mit Hilfe einer Rente bestritt, die ihm fur seine

nie tatsachlich angetretene Kustodenstelle an der Univer­

sitat ottingen zugesprochen worden war 38 , neben dem seit

1947 gestellten Entschadigungsantrag einen Antrag auf

Wiedergtutmachung fur ~seine ihm 1938 aberkannte ao. Pro­

fessur zu laufen. 28 Die standige Erwartung auf Auszah­

lung ei er gro~eren Geldsumme ve~~nla~te ihn immer wieder

dazu, Plane auszuarbeiten, die so umfassend \ waren, da~ . '

sie wahrscheinlich nur von einem mit ausreichenden Geld-

mitteln ausgestatteten staatlich geforderten Institut in

die Tat batten umgesetzt werden konnen. So behelligte er

das Bundesinnenministerium mit seinem Vorhaben, im Juli

1954 ein "Dreimonatsprogramm" in Angriff zu nehmen, in

dessen Rahmen er Abgu~arbeiten von Felsbildern in Skandi-

navien, England, Frankreich, der Schweiz, Italien und auf

der Pyrenaenhalbinsel durchfuhren wollte. 30 Bereits im

Januar 1955 sollte dann die "erst im Aufbau befindliche

"Europ~ische Sammlung fiir UrreliKionsgeschicbte"

(E.S.U.) ihre offentliche Tatigkeit aufnehmen, in dar das

zusammengetragene Material unter dem Titel "Di~ Mutter­

nacht" in Marburg ausgestellt werden sollte. Anschlie~end

sollte die Ausstellung in Stockholm, Rom und weiteren

"Hauptst~dten des Abendlandes" fur die "E.S.U." und die

"europ~ische Idee in ihren .geistesgeschichtlichen Grund-

ao Brief Wirths vom 20 . 6.1952 an die Zentral - Spruch- und Berufungskammer Frankfurt/M., NW: 1952/2a,b (D).

27 Ebd. ze Laut R. Hake wurde He rman Wirth . am 6.5 . 1950 offiziell

in den Ruhestand versetzt . Siehe: Hake. R., S.41. zo Brief Wirths vom 20.2.1954 an Oberregierungsrat

Frohlich, Hessisches Ministerium fur Erziehung und Volksbildung (D), NW : 1954/1 (D) .

30 Brief Wirths vom 4 . . 6.1954 an Ministerialrat Dr.Schaar, Bundesministerium des Innern, NW: 1954/Sa,b (D),

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lagen" \ werben. 31 Wirth gestand ein, da~ er ' fur "die Vor­

b~reit~ng und Durchfuhrung der Arbeit zum Teil auf eigenc

Mi~tel j a~gewiesen" sei, was in Wahrheit sicherlich weit

untert·ieben war. Anscheinend wollte er das Bundesinnen-. .

minist j rium fur seine Plane gewinnen, urn damit die Bear-

beitung seiner laufenden Antrage zu beschleunigen. Uber­

haupt ~ehSrte es zu den Angewohnheiten Wirths, in seinen

At .. i d G h f n ragen un esuc en au Entschadigung bzw. Unterstut-' . I zung ~n

I zum Teil penetranter ·we-~. e auf die Dringlichkei t

und Tragik gerade seines Falles aufmerksam zu machen.az

Seine Formulierungen verrieten nicht selten eine gewisse

Verbitterung daruber, da~ den in seinen Augen legitimen

Anspruchen nicht stattgegeben wurde und er deshalb seine

Arbeitsplane nicht verwirklichen konnte. Seine Versuche,

auf diese Weise einen gewissen moralischen Druck auf die

BehSrden auszuuben, hatten aber keinen Erfolg.

Am 18.10.1954 · erhielt Wirth vom Bundesinnenministeiium

den Bescheid, da~ seinem Antrag auf Wiedergutmachung be-

zuglich seiner ao. Professur nicht stattgegeben werden

k5nne. 83 Da~ Herman Wirth unter dem NS-Regime wirklich

gelitten hatte, konnte das Bundesinnenministerium offen-

bar nicht bestatigen. 34 Wirth nahm den Bescheid mit

"tiefstem Befremden" entgegen und strengte eine Anfech-

tungsklage an. In der 1956 vor .dem Landesverwaltungsge-

31 Wirth teilte mit, da~ ihm fur den Februar 1955 bereits ein Ausstellungssaal des Stockholmer "Statens Histori­ska museum" zur Verfugung gestellt worden sci. In Rom hoffte er seine Ausstellung in Verbindung mit dem 8. Religionswissenschaftlichen Kongress, wo er auch ein Referat ubernommen habe, prasentieren zu kSnnen. Sie­he: NW: 1954/5a,b (D).

32 Besonders: Brief Wirths vom 21.6.1954 an Ministerrat Dr.Schaar (D), NW: 1954/6a,b (D): Brief Wirths vom 21 . 6.1954 an das Hcssische Ministerium des Innern, Abt. Wiedergutmachung, NW: 1954/7a , b (D): Brief Wirths vom 13.7.1954 an das Hessische Ministerium des Innern, Abt . Wiedergutmachung, NW: 1954/10a,b (D).

33 Brief Wirths vom 27 . 10 . 1954 an das Bundesministerium des Innern, NW: 1954/13 (D).

84 Ebd. Der genannte Brief Wirths war eine Antwort nuf den ablehnenden Bescheid vom 18.10.1954. Angeblich erinnerte man ihn darin auch an seine nationalis t i­schen Aktivi Uiten im "Landsbond der Dietsche Trehvo­ge1s".

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I I

I I I

richt in KBln geflihrten Verhandlung konnte er sich dann

offenbl r nicht zurlickhalten, seine Sympathien, die er flir

den Na l ionalsozialismus immer noch versplirte, auszudrlick-

en. 36 Die Fo~ge war, da~ er nicht nur seine Wiedergutma­

chungs lage, sondern auch seine staatliche Pension ver-

lor. 30

Durch iesen Gerichtsentscheid flihlte er sich . in seiner

negati 1·en Einstellung , zur Bundesrepublik bestiitigt, FUr

ihn wal klargeworden, da~ eirie _-W-.!_ederholung eines "deut­

schen inneren Aufbruches" verhindert worden sei. Dem sich

anbahnenden "Wirtschaftswunder" konnte Wirth keine Bewun-

derung abgewinnnen dnd beklagte sich liber das ''erbirmli­

che Behagen" nach der "Dollarhilfe" des amerikanischen

Marshallplanes. 87 Da Wirth nur einer Kultur eine Berech­

tigung zugestehen wollte, die sich auf einer ''arteigenen,

bodenstindigen Daueriiberlieferung" stlitzt, brachte er li­

beraleren Auffassungen von Kultur nur tiefste Abscheu

entgegen. Seine Abneigung richtete sich gegen den

"Auflosungs- und Zersetzungsvorgang, der von selbst- und sonstbetriigerischen bis vollig krankhaften, pathologi­schen Elementen erzeugt und propagiert wird, in ursach­lichem Zusammenhang mit Begleiterscheinungnen wie Jazz, Rock'n roll, Gangster- und Sexfilm und -lite~atur, als westliche cloaca maxima, die nach 1945 bei vollig aufge­drehten Schleusen ihre Schlammfluten iiber das deutsche Volk und seine Jugend ungehemmt ergi e/3en konn te". 3 8

Unt~rdessen arbeitete Wirth ~eiter am Aufba~ der E.S.U ..

Grundlage hierzu bildeten die Ende 1953 mit Untersilitzung

des Hessischen Ministeriums flir Erziehung unci Volksbil-

36 Wirth, H., Ursinn, S.50. 30 Ebd.: Unterdessen schien sein Entschadigungsantrag

endlich Erfolg zu haben. Der Fall wurde im Juli 1956 abgeschlossen. Insgesamt scheint Wirth einen Betrag von 17310 DM erhalten zu haben. In welchem Umfang er das Geld flir die Verwirklichung seiner Forschungspl~ne einsetzen konnte - er sprach des ofteren von notigen Instandsetzungsarbeiten an seinem Marburger Haus - war nicht zu kliren. Siehe: Brief des Reg.Rat MUller, Amt flir Verteidigungslasten, Gie~en an Wirth, 12.7.1956, NW : 1 9 56 I 9 ( D ) .

3 7 W i r t h , H . , U r s i nn , S . 2 9 . a 8 Ebd. , S 0 3 9 o

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dung von Berlin nach Marburg OberfOhrten "Ahnenerbe"­

Felsbilder.39

Seine offnungen auf eine universitare Laufbahn wurden

trotz einiger zunachst erfolgvcrsprechender Entwicklungen

zerstreut. Anfang ' der fOnfziger Jahre war es nam­

Kontakten mit der katholischen theologischen Fa­

kultat der Universitat MOnster gekommen. 40 Verhandlungen

Qber eine m8gliche Erteilung einer "venia legendi" sollen I'

aber abgebrochen worden sein; a-ngeblich weil sich Herman

Wirth nicht entschlie~en konnte, in die katnolische Kir-

che einzutreten. 41 Immerhin gelangte {m April 1955 ein

dreizehnseitiger Aufsatz Ober "Die symbolhistorische Me­

thode" in der "Zeitschrift fOr Missioris- und Religions­

wissenschaft" zur Ver8ffentlichung.

Im Juni 1957 grQndete ~irth eine neue "Herman-Wirth-Ge-

sellschaft". 42 Der eingetragene Verein sollte durchaus

in der Kontinuitat der alten Gesellschaft von 1929 ste-

hen, die 1933 "wegen Einschr~nkung ihrer Wirkungsm8glich­

keit" ihre Arbeit eingestellt hatte. Mit der neuen Ge­

sellschaft beabsichtigte er, "der heutigen Zerissenheit

des deutschen Volkes und Landes. wi e de1• abendl Ei.ndi schen . Menschheit" entgegenzuwirken und Voraussetzungen fOr eine

"Erneuerung der europ~ischen Humanitat" zu schaffen. Si­

eber war ihm mit der NeugrGndung der Gesellschaft auch

daran gelegen, an diverse Geldspenden und Mitgliedsbei-

trage zu gelangen, urn wenigstens auf diese Wei~e seine

finanziellen M8glichkeiten aufzubessern.

Von der Herausgabe einer "urreligionsgeschichtlichen

Volksbiicherei", die er zusammen mit dem in Wien ansassi-

30 Werbeblatt der Ausstellung "Die MOtter von Ost und West", S.4: IfZ: ZS/A-25/5, S.107 f ..

40 Wirth nennt K~men wic Prof.Steffcs und Pralat Schrei­bel· . Beide sollen dem ''vorbercitenden AusschuP dcr E.S.U. angegehort haben. Siehe: NW: 1954/6a,b (D); vgl.: Wirth, H .. Ursinn, S.14. Hier spricht er auBer ­dem von diversen Kontakten zur Universitat Nymcgen

I

( NL) . 41 Brief von J.Weitzsacker (ehemals zweiter Vorsitzender

der E.S.U.) an die Rheinland-pfalzische Kultusmini­sterin H.R.Laurien vom 19.10.1980. Abgedruckt bei: Hake . R. . s . 16 9 .

42 Informationsblatt der GerschaftsfOhrung, NW: 1957/1

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Page 11: Herman Wirth: Leben und Werk - Die Schaffung Neuer Arbeitsgrundlagen 1945-1960

gen. d b r rechtsextremen Szene zuzurechnenden, "Volkstum-

Verlag' plante, versprach er sich flir die Zukunft eine

gewisse positive Wirkung in der Offentlichkeit. 43

•'

43 Bereits 1956 hatte der Verlag Wirths Buch "Was ist deutsch ?'', offenbar eine Neuauflage seines "Was heiBt deutsch ?", herausgegeben. Siehe: Poliakov, L./Wulf, J . . 5 . 244.

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