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FACHWEITERBILDUNG FÜR ANÄSTHESIE UND INTENSIVPFLEGE AM UNIVERSITÄTSKLINIKUM HEIDELBERG Kurs 2001/03 Referat zum Thema Herztransplantation Razvan Beaca Krankenpfleger in Weiterbildung Heidelberg, 14.07.2003

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FACHWEITERBILDUNG FÜR ANÄSTHESIE UND INTENSIVPFLEGE AM UNIVERSITÄTSKLINIKUM HEIDELBERG

Kurs 2001/03

Referat zum Thema

Herztransplantation

Razvan Beaca Krankenpfleger in Weiterbildung

Heidelberg, 14.07.2003

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Inhaltsverzeichnis

1. Historisches und Bürokratisches...................................................................................................................3

2. Indikationen für eine Herztransplantation...............................................................................................4

3. Der Patient auf der Warteliste.........................................................................................................................5

4. Die Operation.........................................................................................................................................................8

4.1 Operationsvorbereitung....................................................................................................................................8

4.2 Narkose...................................................................................................................................................................10

4.3 Chirurgische Technik.........................................................................................................................................11

5. Der transplantierte Patient.............................................................................................................................16

5.1 Postoperative Phase auf der Intensivstation...........................................................................................16

5.1.1 Immunsuppression..........................................................................................................................................16

5.1.2 Infektprophylaxe.................................................................................................................................................18

5.1.3 Monitoring der Abstoßungsreaktion........................................................................................................20

5.1.4 Weitere Frühkomplikationen.......................................................................................................................21

5.2 Postoperative Phase auf der Allgemeinstation.....................................................................................23

5.3 Rehabilitation/Nachsorge/Prognose......................................................................................................24

6. Psychosoziale Betreuung................................................................................................................................26

7. Zukünftige Bedeutung der Herztransplantation.................................................................................27

Literaturverzeichnis..............................................................................................................................................................31

Anhang: Internetquellen...................................................................................................................................................33

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1. Historisches und Bürokratisches

Als dem südafrikanischen Arzt Christiaan Barnard am 3.12.1967 die erste

Herztransplantation gelang, erregte dies nicht nur in der medizinischen

Fachwelt Aufsehen, sondern beschäftigte als Sensationsmeldung die

Weltöffentlichkeit. In den folgenden Jahren wurden überall auf der Welt

Herztransplantationen durchgeführt (1969 erste deutsche

Herztransplantation), doch der therapeutische Nutzen für die Patienten

war bis in die 80er Jahre hinein gering. Dafür war nicht die chirurgische

Technik verantwortlich, die sich bis heute nur wenig verändert hat. Die

Einjahresüberlebensrate lag 1970 bei nur 7%, weil es noch nicht möglich

war, eine Organabstoßung durch gezielte Immunsuppression zu

verhindern. Es standen nur Kortikosteroide als Immunsuppressiva zur

Verfügung, die das Immunsystem des Patienten so stark unterdrückten,

dass harmlose Keime zu schweren, oft tödlichen Erkrankungen führten.[1]

Den entscheidenden Aufschwung erfuhren die Herztransplantationen

Anfang der 80er Jahre durch die Einführung von Cyclosporin A als

Immunsuppressivum. Bis Ende 1999 wurden weltweit 55.359

Herztransplantationen in 301 Zentren durchgeführt.[2] In Deutschland gibt

es 31 Transplantationszentren, an denen bis zum Jahr 2001 insgesamt

7076 Herzen transplantiert wurden.[3]

Ein Transplantationsgesetz trat in Deutschland am 1.12.1997 in Kraft; es

regelt die Spende, Entnahme, Vermittlung und Übertragung von Organen,

die nach dem Tod oder zu Lebzeiten gespendet werden. Für die

Entscheidung über die Entnahme von Organen gilt eine „erweiterte

Zustimmungslösung“, d.h. wenn der Wille des Verstorbenen nicht

dokumentiert oder bekannt ist, entscheiden die nächsten Angehörigen auf

der Grundlage des mutmaßlichen Willen des Verstorbenen.[4] Für die

[1] Vgl. Hoffmann, Falk, S. 31 und 38 [2] Vgl. Tenderich, Gero: Aktueller Stellenwert der Herztransplantation.

http://www.vod-ev.de/download/aps2001/APS2001_T1.pdf (siehe Anhang) [3] Vgl. Hoffmann, Falk, S. 32 [4] Vgl. Deutsche Stiftung Organtransplantation – Transplantationsgesetz – Einführung http://www.dso.de/

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bundesweite Organisation und Koordination der Organspende ist die

Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) in Neu-Isenburg

zuständig. Dabei muss die Zusammenarbeit zwischen etwa

1.400 Krankenhäusern und rund 50 Transplantationszentren abgestimmt

werden.[4]

Die Stiftung Eurotransplant in Leiden (Niederlande) ist die

Vermittlungsstelle für Organe in Österreich, Belgien, Deutschland,

Luxemburg, den Niederlanden und Slowenien. Patienten, die auf eine

Organtransplantation warten, werden bei Eurotransplant angemeldet und

mit ihren medizinischen Daten (z.B. Blutgruppe, Gewebeeigenschaften,

Erkrankungsursache, Größe/Gewicht, Dringlichkeit) auf einer Warteliste

erfasst.[5] Sobald ein Organspender bei Eurotransplant gemeldet wird,

ermittelt ein Computerprogramm nach Dringlichkeit und

Erfolgsaussichten den am besten passenden Empfänger. Das

Computerauswahlverfahren erfolgt nach einem komplexen Verteilungs-

schlüssel, der durch ein Punktesystem möglichst viele Faktoren erfasst, die

eine erfolgreiche Transplantation versprechen. Die Mitglieder von

Eurotransplant diskutieren dieses Verfahren in regelmäßigen Konferenzen

und passen die Kriterien ggf. an, um die Verteilung so gerecht wie möglich

zu machen. Weil es jedoch weit weniger Organe gibt als Patienten auf der

Warteliste, sterben etwa 30 Prozent während der Wartephase.[6]

2. Indikationen für eine Herztransplantation

Eine Herztransplantation wird erst erwogen bei terminaler

Herzinsuffizienz von Grad IV, d.h. wenn das Ruhe-Herzzeitvolumen so

stark erniedrigt ist, dass in Ruhe Beschwerden auftreten und selbst geringe

körperliche Anstrengungen nicht mehr möglich sind. Koronare

[5] Vgl. Eurotransplant: Arbeitsverfahren.

http://www.eurotransplant.nl/index.php?id=arbeitsverfahren, 22.07.2003 (siehe Anhang)

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Herzkrankheit, Herzmuskelschäden durch Infarkt, Klappenfehler und

angeborene Herzfehler sind die häufigsten Diagnosen, die zur

Herztransplantation führen. Zuvor müssen jedoch alle medikamentösen

Therapiemöglichkeiten und organerhaltenden herzchirurgischen

Methoden ausgeschöpft werden. Das Risiko des Eingriffs sowie der zu

erwartenden postoperativen Komplikationen muss geringer sein als das

Risiko der bestehenden Herzerkrankung. Als Indikation wird ein

voraussichtliches Einjahresüberleben unter 75% angegeben[7], z.T. wird in

Anbetracht der Knappheit von Spenderorganen sogar noch strenger

entschieden und erst bei einer Überlebenschance von 50%

transplantiert.[8] Die Patienten werden medikamentös optimal eingestellt

mit ACE-Hemmern, AT1-Rezeptor-Antagonisten, Beta-Blockern,

Aldosteron-Antagonisten, Digitalispräparaten und Diuretika, ggf. auch

Antikoagulantien.[9] Ebenso wichtig ist ein vernünftiger Lebensstil

(körperliche Schonung, Salz- und Flüssigkeitsreduktion, nicht Rauchen,

kein Alkohol, ausgewogene Ernährung).

3. Der Patient auf der Warteliste

Bevor ein Patient auf der Warteliste für ein Spenderherz akzeptiert wird,

sind umfangreiche Untersuchungen erforderlich, die feststellen sollen, ob

der allgemeine Gesundheitszustand und die Lebensumstände eine

Transplantation zulassen und ob mit einer deutlichen Verbesserung der

Lebensqualität und Lebenserwartung zu rechnen ist. Der Patient sollte der

Operation motiviert gegenüberstehen und sich auf die feste Unterstützung

seiner Familie verlassen können.[10]

[6] Vgl. Tenderich, Gero: Aktueller Stellenwert der Herztransplantation. http://www.vod-

ev.de/download/aps2001/APS2001_T1.pdf (siehe Anhang) [7] Vgl. Czerny, Martin: Herztransplantation.

http://beginn.at/pflegeserver/gesamt/htx.htm, 20.07.2003 (siehe Anhang) [8] Vgl. Koch, Achim; et al., S. 2 [9] Vgl. Tenderich, Gero: Aktueller Stellenwert der Herztransplantation.

http://www.vod-ev.de/download/aps2001/APS2001_T1.pdf (siehe Anhang) [10] Vgl. o.V.: Herztransplantation – was ist das? Herztransplantation Südwest e.V.

http://www.organspende.solution.de/herz/htx.htm, 24.07.2003 (siehe Anhang)

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Bei der Erstbegutachtung finden ausführliche Labortests und

apparative Untersuchungen statt:[11]

Routinehämatologie und Biochemie

Bestimmung von Virus- und Pilztitern im Serum

Kultur von Rachenabstrich, Sputum, Urin

Bestimmung von HLA-Antikörpern

(HLA=Histokompatibilitätsantigene: individuelle Proteinstrukturen in

Zellmembranen. Wenn Antikörper dagegen vorliegen, besteht ein

erhöhtes Abstoßungsrisiko.)

Schilddrüsenfunktion

Kreatininclearance

Röntgendiagnostik: Thorax, Nasennebenhöhlen (Infekte?),

Kiefer-Panorama (Entzündungen?)

Herzecho, Rechtsherzkatheter, Holter-EKG,

Koronarangiogramm, Ultraschall der Halsschlagadern

Lungenfunktion (Spirometer, arterielle Blutgase)

Oberbauch-Sonogramm (Leber/Nieren)

Belastungstests

Diese Diagnostik kann zum Teil ambulant erfolgen, einige

Untersuchungen bedingen aber einen meist kurzen stationären Aufenthalt.

Die Werte werden während der Wartezeit in regelmäßigen Abständen

überprüft. Besonders wichtig ist der Immunstatus, der bei jedem

ambulanten Vorstellungstermin getestet wird.

Kontraindikationen gegen eine Herztransplantation sind:[12]

Erhöhter pulmonaler Gefäßwiderstand (PVR):

Wenn trotz optimaler medikamentöser Therapie (Nitroglycerin,

Dobutamin, Amrinon oder Prostaglandin E1) der PVR über 6 Wood-

Einheiten liegt, ist keine Herztransplantation möglich: Da das

Spenderherz nicht an den erhöhten Widerstand angepasst ist, würde es

während oder kurz nach der Operation zum Rechtsherzversagen

[11] Vgl. Scheld, H.H.; et al., S. 36-38

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kommen. Bei mäßig erhöhtem PVR besteht die Möglichkeit, ein etwas

größeres Spenderherz zu transplantieren, das die erhöhte Belastung

bewältigen kann.[13]

Infekte: Unter Immunsuppression schwer kontrollierbar

Irreversible Schädigung von Nieren, Leber und/oder Lunge:

Organversagen unter der Belastung der Operation bzw. der

Immunsuppressionstherapie ist zu erwarten. Evtl. kann eine

kombinierte Transplantation mehrerer Organe erfolgen.

Drogen/Alkohol/Rauchen

Diabetes ist heute nur noch dann eine Kontraindikation, wenn schwere

Organschädigungen (v.a. Niere) bestehen.[14] Auch das Alter des Patienten

allein wird nicht mehr als alleiniges Ausschlusskriterium angewendet.

Entscheidend ist nicht das Lebensalter, sondern das „biologische Alter“:

Ein 70jähriger mit gutem Organstatus, angemessener Lebensführung und

positiver Einstellung zu Operation und Klinik kann durchaus bessere

Langzeitergebnisse erwarten als ein 50jähriger, bei dem diese Kriterien

nicht zutreffen. Die Kontraindikationen sind sehr sorgfältig abzuwägen,

die Entscheidung sollte möglichst im Team erfolgen.[15]

Wenn der Patient nach allen Untersuchungen zur Transplantation

zugelassen wurde, liegt eine schwierige Zeit vor ihm: Der Begriff

„terminale“ Herzinsuffizienz umschreibt, in welchem körperlichen und

seelischen Zustand er sich befindet: Er weiß und fühlt genau, dass er „am

Ende“ ist, dass das Warten auf ein passendes Spenderherz ein Wettlauf auf

Leben und Tod ist. Eine intensive Betreuung und Beratung ist in dieser

Zeit unbedingt notwendig. Oft kann die Wartezeit zu Hause verbracht

werden, wobei regelmäßige Kontrollen in der Transplantationsklinik

stattfinden. Bei akuter Verschlechterung der Verfassung kann eine

längerfristige stationäre Betreuung erforderlich werden, ggf. auch auf der

[12] Vgl. Scheld, H.H.; et al., S. 34 [13] Vgl. Czerny, Martin: Herztransplantation.

http://beginn.at/pflegeserver/gesamt/htx.htm, 20.07.2003 (siehe Anhang) [14] Vgl. Tenderich, Gero: Aktueller Stellenwert der Herztransplantation.

http://www.vod-ev.de/download/aps2001/APS2001_T1.pdf (siehe Anhang)

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Intensivstation, z.B. für die perfusorgesteuerte Versorgung mit Medika-

menten, die Stabilisierung von Organfunktionen (Dialyse) oder die

Versorgung mit einem Kunstherz. Durch die ständige Verbesserung dieser

präoperativen Therapien und den Mangel an Spenderorganen hat die

Wartezeit stark zugenommen (1989: 37,6 Tage / 1999: 487 Tage).[16]

Neben einer speziellen psychologischen Betreuung ist die positive und

vertrauensvolle Beziehung zu den Schwestern/Pflegern von großer

Bedeutung. Dies gilt ganz besonders für den stationären Patienten, denn

sie sind die Personen, zu denen er den meisten Kontakt hat. Der

ambulante Patient sollte ebenfalls die Klinik als einen Ort der Sicherheit

und Geborgenheit erleben können, an dem er stets Gesprächsbereitschaft,

Ermutigung und Antwort auf seine vielen Fragen erhält. Wenn sich in

dieser Phase eine positive Zusammenarbeit zwischen Patient und

Pflegepersonal entwickeln kann, bildet das eine gute Grundlage für die

Bewältigung aller Probleme in der postoperativen Phase.

4. Die Operation

4.1 Operationsvorbereitung

Kurz vor der Operation sind Transplantationspatienten oft erstaunlich

ruhig und gefasst: Nach der zermürbenden Wartezeit auf das

Spenderorgan sind sie erleichtert, rechtzeitig ein Herz erhalten zu haben,

und hoffen darauf, sich nun bald besser zu fühlen. Trotzdem bereitet der

Eingriff Unsicherheit und Angst. Das Transplantationsteam sollte also im

Umgang mit dem Patienten einfühlsam, beruhigend und geduldig sein, ein

Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit vermitteln und alle Fragen

verständlich beantworten, auch wenn es bei den technischen

Vorbereitungen auf genaues Einhalten des Zeitplans ankommt.

[15] Vgl. Scheld, H.H.; et al., S. 35 [16] Vgl. Tenderich, Gero: Aktueller Stellenwert der Herztransplantation. http://www.vod-

ev.de/download/aps2001/APS2001_T1.pdf (siehe Anhang)

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Der Patient muss u.U. innerhalb einer Stunde nach der stationären

Aufnahme an den OP übergeben werden können: Kardial voroperierte

Patienten sollten zwei Stunden vor Eintreffen des Spenderherzens im OP

sein, bei nicht voroperierten Patienten genügen 90 Minuten.[17] Die

Operationsvorbereitung erfolgt in enger Absprache mit dem

Explantationsteam, da die Ischämiezeit des Spenderorgans vier Stunden

nicht überschreiten darf (bei optimalen Transportbedingungen sind bis zu

fünf Stunden möglich[18]). Alle an der Transplantation beteiligten Personen

müssen frühzeitig informiert werden, wobei Ablauf und Zeitplan festgelegt

werden: Anästhesist, OP-Schwestern/Pfleger, Kardiotechniker, Herz-MTA,

Leitung der postoperativen Intensivstation. Sobald das Explantationsteam

meldet, dass das Spenderherz geprüft und akzeptiert ist, wird mit der

Operation begonnen, damit bei Eintreffen des Transplantats der Patient

sofort an die Herz-Lungen-Maschine genommen werden kann.

Die ärztliche und pflegerische Vorbereitung des

Transplantationspatienten umfasst die folgenden

Maßnahmen[19]:

Prüfen, ob ein postoperativer Intensivplatz zur Verfügung

steht und ggf. Verlegungen planen

Transplantationsakte und Röntgentüte bereitlegen. Falls

Röntgenbilder älter als 4 Wochen, Rö-Thorax.

Aufklärung des Patienten über den Eingriff,

Operationseinwilligung und Narkoseeinwilligung. Der Patient

muss auf die mögliche Enttäuschung vorbereitet sein, dass die

Transplantation noch kurzfristig abgesagt wird, wenn sich das

Spenderorgan als ungeeignet erweist. Wichtig ist, den Patienten über

die Situation beim Aufwachen aus der Narkose aufzuklären: Pat. ist

intubiert, kann nicht sprechen, Fremdkörpergefühl, Beatmung durch

Respirator, Pat. soll möglichst nicht gegenatmen, pressen.

[17] Vgl. Scheld, H.H.; et al., S. 72 [18] Vgl. Koch, Achim; et al., S. 8 [19] Vgl. Scheld, H.H.; et al., S. 70-81

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Zentralvenöse Katheter am Hals mit Leitungen zu Infusionspumpen

und Perfusoren. Blasenkatheter.

Präoperative Immunsuppression mit 1g Methyl-Prednisolon

i.v.

EKG

Blutabnahme (Verweilkanüle für Narkoseeinleitung):

Notfall-Labor, Kreuzblut (s.u.), 40 ml Heparinblut + 10 ml

EDTA-Blut für Crossmatch

Blutkonserven (CMV-negativ!) anfordern:

10 Erythrozytenkonzentrate, 6 geforene Frischplasmen,

4 Thrombozytenkonzentrate

Rasur (einschließlich Leisten wegen evtl. nötiger

Kanülierung)

Prämedikationsvisite des Anästhesie-Teams

Nach Narkoseeinleitung:

Multilumenkatheter legen. Beim Legen aller Zugänge ist

sorgfältigst auf steriles Arbeiten zu achten, da katheterassoziierte

Infektionen für Immunsupprimierte eine ernsthafte Komplikation

darstellen.

Schleuse für Pulmonaliskatheter einführen

Überwachung: arterielle Druckmessung (A. radialis),

Pulsoxymeter, endexspiratorischer CO2-Monitor, EKG-

Monitoring (Abl. II und V5), Temperatursonde

Präoperative Antibiotikaprophylaxe z.B. mit 500mg Zienam®

(Infektionsgefahr durch arterielle und venöse Zugänge, Katheter und

Thoraxdrainagen)

Blasenkatheter

4.2 Narkose

Bei herzinsuffizienten Patienten sind Narkosemittel anzuwenden, die

keine starken Blutdruckschwankungen bewirken. Außerdem muss

beachtet werden, dass wegen des niedrigen Herzzeitvolumens die

Medikamente langsamer im Kreislauf verteilt werden und die

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Narkoseeinleitung darum länger dauert. Die Anästhetika werden langsam

injiziert und unter ständiger Beobachtung der Herz-Kreislauffunktion

dosiert.

Eine bewährte Kombination für die Narkoseeinleitung bei stark

eingeschränkter Herzfunktion ist Dormicum®, Sufenta®, Etomidat® und

Pancuronium Organon®.[20] Unterhalten wird die Narkose durch

Narkosegase. Trasylol® wird zur Reduktion des Blutverlustes eingesetzt:

Mit Beginn des Hautschnitts 2.000.000 IE über 20 Minuten, dann

kontinuierlich 10.000 IE/kg/h bis Abgang von der Herz-Lungen-

Maschine.[21]

4.3 Chirurgische Technik

Nach großem medianem Brustkorbschnitt und Durchtrennung des

Brustbeins wird das Perikard geöffnet und die Herz-Lungen-Maschine

über die Aorta (bei kardial voroperierten Patienten evtl.

Leistenkanülierung) und die beiden Hohlvenen angeschlossen. Zuvor

erfolgt Heparinisierung über den zentralen Venenkatheter (üblicherweise

mit 400 IE/kg im Bolus) um die Blutgerinnung vollständig aufzuheben,

damit das Blut nicht in der Maschine gerinnt.[22] Während der

extrakorporalen Zirkulation ist keine Beatmung notwendig. Nachdem über

die Herz-Lungen-Maschine die Körpertemperatur leicht gesenkt

(34,5°C)[23] wurde, wird Kammerflimmern elektrisch induziert, das Herz

ausgeklemmt und entfernt. Das Spenderherz wird eingepasst und die

Verbindungsnähte erfolgen in der Reihenfolge: Linker Vorhof – Rechter

Vorhof – Pulmonalarterie – Aorta.

[20] Vgl. Scheld, H.H.; et al., S. 80 [21] Vgl. Scheld, H.H.; et al., S. 81 [22] Vgl. Scheld, H.H.; et al., S. 82 [23] Vgl. Scheld, H.H.; et al., S. 82

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Bei der klassischen biatrialen Methode nach Lower und Shumway

(siehe Abb. 1) erfolgt die Verbindung zunächst links, dann rechts an den

Vorhofresten, die vom Empfängerherzen zurückgelassen wurden.[24]

[24] Vgl. o.V.: Herztransplantation – was ist das? Herztransplantation Südwest e.V.

http://www.organspende.solution.de/herz/htx.htm, 24.07.2003 (siehe Anhang)

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Abb. 1: Biatriale Transplantationstechnik. Links: Bei der Entfernung des Empfängerherzens wurden Reste beider Vorhöfe belassen (RA=Rechter Vorhof, LA=Linker Vorhof, PA= Pulmonalarterie). Die quergeklemmte Aorta (Ao) und die beiden gedrosselten Hohlvenen sind kanüliert für den Anschluss an die Herz-Lungen-Maschine. Rechts: Die fertiggestellten Nähte am implantierten Spenderherzen. (Quelle: The Child’s Doctor. Journal of Children’s Memorial Hospital Chicago. Vol. 16, Nr. 4., Illustration by R. Idriss, http://www.childsdoc.org/Fall99/hearttransplt.asp)

Abb. 2: Bicavale Transplantationstechnik. Links: Bei der Entfernung des Empfängerherzens wurde der rechte Vorhof vollständig an den beiden Hohlvenen abgetrennt (SVC=Obere Hohlvene, IVC=Untere Hohlvene, LA=Linker Vorhof, PA=Pulmonalarterie). An der quergeklemmten Aorta (Ao) und den gedrosselten Hohlvenen ist die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen. Rechts: Die fertiggestellten Nähte am implantierten Spenderherzen. (Quelle: The Child’s Doctor. Journal of Children’s Memorial Hospital Chicago. Vol. 16, Nr. 4. Illustration by R. Idriss, http://www.childsdoc.org/Fall99/hearttransplt.asp)

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Seit den 90er Jahren findet zunehmend die bicavale Methode (siehe

Abb. 2) Anwendung: Links erfolgt die Verbindung im Bereich des

Vorhofes, der rechte Vorhof des Spenderherzens hingegen bleibt intakt

und wird mit den Hohlvenen anastomiert. Bei dieser Technik dauert die

Operation etwas länger (Ischämiezeit!), es ist jedoch eine bessere

Rechtsherzfunktion gewährleistet:[25] Weil die Größenverhältnisse von

Spenderorgan und Empfängerorgan nie exakt übereinstimmen, kann eine

Naht innerhalb des Vorhofes anatomische Verziehungen bewirken, die zu

einer Trikuspidalisinsuffizienz führen.[26]

Die anatomisch und funktionell beste Möglichkeit ist die von Dreyfuss

1991 eingeführte bicaval-bipulmonalvenöse Implantationstechnik

(siehe Abb. 3), bei der auch der linke Vorhof des Spenderherzens

weitgehend erhalten bleibt, indem die beiden Einmündungsstellen der

Pulmonalvenenpaare fächerförmig ausgeschnitten werden.[27] Die

Pulmonalvenen des Empfängers werden hier eingepasst und anastomiert.

Abb. 3: Bicaval-bipulmonalvenöse Transplantationstechnik. Die pulmonalvenösen Einmündungsstellen (Pv) werden mit dem linken Spendervorhof verbunden (Ao=Aorta, Pa=Pulmonalarterie, Vcs=Obere Hohlvene, VCI=Untere Hohlvene). An der quergeklemmten Aorta und den gedrosselten Hohlvenen ist die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen. (Quelle: Scheld, H.H.; Deng, M.C.; Hammel, D.: Leitfaden Herztransplantation. S. 85)

[25] Vgl. Koch, Achim; et al., S. 9 [26] Vgl. Scheld, H.H.; et al., S. 86 [27] Vgl. Koch, Achim; et al., S. 9

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Sobald die Implantation vollendet ist, werden die vier Herzhöhlen

entlüftet, die Kardioplegielösung abgesaugt und die Aortenabklemmung

freigegeben. Wenn der Herzschlag nicht spontan einsetzt, wird elektrisch

defibrilliert. Das Herz wird mindestens 1/3 so lange reperfundiert wie

seine Ischämie gedauert hat.[28] Dabei erfolgt die Wiedererwärmung auf

normale Körpertemperatur. Während dessen werden

Schrittmacherelektroden am Herzen befestigt, um über einen externen

Schrittmacher (AV-sequentiell) die Herzfrequenz steuern zu können

(optimal: 100-130/min).[29] Anschließend wird die Durchflussrate der

Herz-Lungen-Maschine nach und nach reduziert, so dass das Herz

zunehmend selbst mehr Blut pumpen muss. Zur Unterstützung werden

positiv inotrop wirkende Medikamente gegeben, z.B. Dobutamin

(6-12 µg/kg/min) oder/und Adrenalin (0,2-1 µg/kg/min).[30]

Es kann zu Rechtsherzversagen kommen, weil das Spenderherz nicht an

einen erhöhten Pulmonalarteriendruck angepasst ist; deshalb wird

spätestens in der Reperfusionsphase der Pulmonaliskatheter

eingeschwemmt, damit die Rechtsherzbelastung überwacht werden kann.

Bei zu hohen Werten kann zunächst Beatmung mit Stickstoffmonoxid (5-

50 ppm), versucht werden; wenn das keinen Erfolg hat, wird Nitroglycerin

(0,5-0,3 µg/kg/min) gegeben oder ein Prostaglandinderivat (z.B. Minprog

5-80 ng/kg/min).[31]

Nach Abgang von der Herz-Lungen-Maschine wird die Blutgerinnung mit

Protamin (2mg/kg in 200ml Glukose[32]) wiederhergestellt. Wenn die

Retransfusion des aufbereiteten Blutes aus der Herz-Lungen-Maschine

abgeschlossen ist, wird die Blutgerinnung überprüft und falls nötig noch

einmal Protamin gegeben (50-100mg[33]). Erst bei hämodynamischer

Stabilität werden die Wunddrainagen eingelegt, das Perikard verschlossen,

[28] Vgl. Scheld, H.H.; et al., S. 87 [29] Vgl. Scheld, H.H.; et al., S. 91 [30] Vgl. Koch, Achim; et al., S. 10 [31] Vgl. Koch, Achim; et al., S. 10 [32] Vgl. Scheld, H.H.; et al., S. 91

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das Sternum verdrahtet und die Operationswunde schichtweise

geschlossen.

5. Der transplantierte Patient

5.1 Postoperative Phase auf der

Intensivstation

Besonderheiten bei der intensivmedizinischen Betreuung von

transplantierten Patienten im Vergleich zu anderen Herzoperierten sind

die immunsuppressive Therapie, die strengeren Hygienemaßnahmen und

die engmaschige Kontrolle auf Abstoßungsreaktionen. Gefährliche

Komplikationen sind Infektionen, hyperakute Abstoßung,

Multiorganversagen und Rechtsherzversagen.[34]

5.1.1 Immunsuppression

Transplantierte Patienten müssen lebenslang immunsuppressive

Medikamente einnehmen, die verhindern, dass ihr Immunsystem das

fremde Gewebe des transplantierten Organs angreift und zerstört. Die

Entwicklung besserer, spezifischerer Medikamente mit geringeren

Nebenwirkungen hatte einen wesentlichen Anteil am wachsenden Erfolg

der Herztransplantation in den letzten zwanzig Jahren. In den siebziger

Jahren war es ein unlösbares Dilemma, einerseits eine Organabstoßung zu

verhindern (es standen nur Kortikosteroide für die Immunsuppression zur

Verfügung), andererseits aber das Immunsystem des Patienten nicht so

stark zu unterdrücken, dass harmlose Keime zu schweren, evtl. tödlichen

Erkrankungen führten.[35] Eine entscheidende Verbesserung brachte

1982[36] die Einführung von Cyclosporin A – bis heute das wichtigste

Immunsuppressivum für Transplantationspatienten. Es hemmt spezifisch

die T-Zellen ohne andere Zellen des Immunsystems beeinträchtigen. Jean

[33] Vgl. Scheld, H.H.; et al., S. 92 [34] Vgl. Tenderich, Gero: Aktueller Stellenwert der Herztransplantation.

http://www.vod-ev.de/download/aps2001/APS2001_T1.pdf (siehe Anhang) [35] Vgl. Hoffmann, Falk, S. 31 [36] Vgl. o.V.: Novartis Transplant. Die Geschichte von Cyclosporin. http://www.pharma.at.novartis.com/tx/simhist5.asp, 24.07.2003 (siehe Anhang)

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Borel, einer der Entdecker von Cyclosporin A, veranschaulichte seine

Wirkungsweise so: „Vergleicht man die Immunantwort mit beißenden

Hunden, dann ist Cyclosporin A ein Maulkorb, der bestimmte Zellen des

Immunsystems am Beißen hindert, ohne sie umzubringen.“ [37]

Die übliche immunsuppressive Medikation besteht aus Cyclosporin A

(Sandimmun®), Azathioprin (Imurek®, wirkt ebenfalls auf die T-Zellen)

und Prednisolon (Urbason®, Decortin®).[38]

Die Behandlung mit Prednisolon beginnt bereits vor der Operation in

hoher Dosierung und wird dann schrittweise reduziert auf eine möglichst

geringe Langzeitdosis (Nebenwirkungen: Diabetes mellitus, Osteoporose,

Hypertonie, Gewichtszunahme).

Azathioprin wird ab dem zweiten postoperativen Tag in stufenweise

steigender Dosis gegeben, bis die Zahl der peripheren Leukozyten

genügend gesenkt ist. Die langfristige Erhaltungsdosis wird an den

individuellen Bedarf des Patienten angepasst, so dass die Leukozytenzahl

zwischen 4.000 und 8.000/mm3 liegt.[39]

Cyclosporin A ist nephrotoxisch und sollte daher in der postoperativen

Phase vorsichtig und unter Berücksichtigung von Kreislaufsituation und

Nierenfunktion des Patienten dosiert werden. Die Dosis wird innerhalb

einer Woche langsam gesteigert. Weil die Aufnahme des Wirkstoffes aus

dem Gastrointestinaltrakt zahlreichen Wechselwirkungen unterliegt, muss

der Blutspiegel kontrolliert werden – zunächst täglich, später wöchentlich

– und die orale Dosis entsprechend angepasst werden.[40] In den ersten

drei Monaten sollte der Cyclosporinspiegel bei 200-300ng/ml liegen,

später bei 150-250ng/ml.

In der Abteilung für Herzchirurgie der Chirurgischen Universitätsklinik

Heidelberg wird mit der Cyclosporintherapie möglichst spät begonnen

(zwischen dem dritten und fünften postoperativen Tag[41]), um zu

vermeiden, dass es aufgrund der eingeschränkten Nierenfunktion des

[37] o.V.: Novartis Transplant. Das Besondere an Cyclosporin A.

http://www.pharma.at.novartis.com/tx/simhist3.asp, 24.07.2003 (siehe Anhang) [38] Vgl. Koch, Achim; et al., S. 13 [39] Vgl. Scheld, H.H.; et al., S. 118 [40] Vgl. Scheld, H.H.; et al., S. 116-117

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Patienten (Herzinsuffizienz, Herz-Lungen-Maschine) zu Nierenversagen

kommt. Statt dessen wird die Abstoßungsprophylaxe in der perioperativen

Phase durch eine Induktionstherapie mit T-

Lymphozytenantikörpern ergänzt: Dabei werden gegen T-Zellen

gerichtete Antikörper, die durch Immunisierung von Tieren (Kaninchen,

Maus, Pferd) gewonnen wurden, als Dauerinfusion gegeben (sehr langsam

über Zentralvenenkatheter: Venenentzündung!). Die Antikörper

inaktivieren und zerstören die T-Zellen. Die tierischen Antikörper stellen

allerdings selbst ein Fremdeiweiß dar und verursachen allergische

Reaktionen mit Fieber bis hin zum anaphylaktischen Schock

(prophylaktisch ben-u-ron® und Tavegil®). Bei Patienten mit stark

geschädigten Nieren ist diese Methode dennoch eine sinnvolle Alternative

zur hochdosierten Cyclosporintherapie.

Alle Immunsuppressiva bewirken nicht nur eine Abwehrschwäche,

sondern haben weitere schädliche Nebenwirkungen. Die Schädigung von

Nieren und Leber durch Cyclosporin A und Azathioprin ist besonders

problematisch: Nach jahrelanger Einnahme entwickeln viele

Transplantationspatienten eine Niereninsuffizienz. Die Forschung arbeitet

intensiv daran, neue Medikamente mit geringeren Nebenwirkungen zu

entwickeln. Die wichtigsten Neuentwicklungen sind Tacrolimus (FK 506),

Mycophenolat Mofetil (MMF) und Sirolimus. Tacrolimus wirkt ähnlich wie

Cyclosporin, kann aber Abstoßungsreaktionen effektiver verhindern und

wird darum vor allem bei der Behandlung akuter Abstoßungskrisen

verwendet. MMF und Sirolimus haben den Vorteil, dass sie nicht

nephrotoxisch sind.

5.1.2 Infektprophylaxe

In den ersten Tagen nach der Operation besteht ein erhöhtes

Infektionsrisiko durch die große Operationswunde und die zahlreichen

invasiven Zugänge. Gleichzeitig sind die Abwehrkräfte des Patienten durch

die hochdosierte Immunsuppression stark geschwächt. Folglich müssen in

[41] Vgl. Koch, Achim; et al., S. 14

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den ersten 1-2 Wochen[42] in der Umgebung des Patienten und bei der

Pflege spezifische hygienische Maßregeln beachtet werden, die nach und

nach gelockert werden. Die Extubation sollte möglichst bald erfolgen

(innerhalb 6-12 Stunden[42]) und die Entfernung aller anderen Zugänge

ebenfalls zügig angestrebt werden, um katheterassoziierte Infektionen zu

vermeiden. Die Pflege zielt darauf ab, den Patienten rasch seine

Selbständigkeit wiedererlangen zu lassen, was zu einer guten Prognose

beiträgt.

Empfehlungen zur Infektprophylaxe:[43] [44]

Wünschenswert: Einzelzimmer/ Doppelzimmer (in der Praxis nicht

immer machbar)

Prophylaktische Antibiotikatherapie z.B. mit Imipenem (Zienam®),

3x500mg/Tag bis alle Zugänge entfernt sind

Antivirale Prophylaxe mit Aciclovir (Zovirax®) und Gancyclovir

(Cymeven®)

Am Bett Mundschutz

Kathetereinstichstellen, Wunddrainagen und Wunden täglich steril

verbinden

Patienten in hygienischen Maßnahmen schulen: regelmäßige

Händedesinfektion, 4x täglich Mundspülung mit Hexoral und

Amphomoronal

Nur desinfizierte bzw. gereinigte Gegenstände ins Patientenzimmer

bringen, Einwegartikel verwenden

Besucher nur nach Rücksprache mit dem zuständigen Arzt (keinerlei

Infekt!) mit Überkittel und Mundschutz

Nach Anordnung Entzündungsdiagnostik und mikrobiologische

Abstriche (Wunden, Drainageausleitung), täglich Röntgenthorax

Wöchentlich mikrobiologische Diagnostik mit Titern von CMV,

Toxoplasmose, Aspergillus, Candida, Herpes. Die intensive Diagnostik

[42] Vgl. o.V.: Herztransplantation – was ist das? Herztransplantation Südwest e.V.

http://www.organspende.solution.de/herz/htx.htm, 24.07.2003 (siehe Anhang) [43] Vgl. Koch, Achim; et al., S. 12 und 19 [44] Vgl. Scheld, H.H.; et al., S. 129-130

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ist wichtig, weil unter der Immunsuppression die klinischen Zeichen

einer Infektion (z.B. Fieber) unterdrückt werden.

5.1.3 Monitoring der Abstoßungsreaktion

Die immunsuppressive Basisbehandlung kann akute

Abstoßungsreaktionen nicht vollständig verhindern. Bei 35% aller

Herztransplantierten kommt es im ersten Jahr zu einer

Abstoßungskrise.[45] Das Risiko ist kurz nach der Operation am höchsten

und nimmt dann kontinuierlich ab. Bei der Pflege ist auf klinische

Symptome einer Abstoßung (Unruhe, Dyspnoe, Blutdruck und

Herzfrequenz erhöht, Körpergewicht nimmt zu, Fieber) zu achten. Weil

diese jedoch wegen der Medikamente schwach ausgeprägt sein können,[46]

ist eine regelmäßige vorsorgliche Diagnostik erforderlich.

Abstoßungsdiagnostik:

Endomyokardbiopsie

Intramyokardiales EKG (über den Schrittmacher, der bei der

Transplantation eingesetzt wurde)

Immunzytochemische Diagnostik (Anzahl der verschiedenen

Lymphozytentypen, Nachweis von Antikörpern gegen Myosin und

von kardialem Troponin im Blut)

Radiologische Diagnostik

In vielen Kliniken ist es noch üblich, häufige Endomyokardbiopsien durch-

zuführen (anfangs wöchentlich, später in größeren Abständen). Die

gewonnenen Präparate ermöglichen eine genaue Aussage über den

Zustand des Transplantats. Die Untersuchung ist jedoch belastend für den

Patienten und nicht ohne Risiko (Infektion, Pneumothorax,

Ventrikelperforation, Hohlvenenthrombose). Die Entwicklung geht darum

in Richtung nichtinvasiver Verfahren.[47] Vergleichende Studien haben

gezeigt, dass computerunterstütztes intramyokardiales EKG-Monitoring

[45] Vgl. Koch, Achim; et al., S. 17 [46] Vgl. Scheld, H.H.; et al., S. 119

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(CHARM) eine sehr gute Möglichkeit ist, Abstoßungskrisen

vorherzusagen, Infekte frühzeitig festzustellen und die Wirkung von

immunsuppressiven Maßnahmen zu verfolgen.[48] Der wesentliche Vorteil

ist, dass diese Untersuchung im Gegensatz zur Biopsie beliebig wieder-

holbar ist und somit täglich aktuelle Informationen über den Immunstatus

des Patienten liefern kann. In diese Methode werden große Hoffnungen

auf eine bessere Lebensqualität für Herztransplantierte gesetzt, denn sie

ermöglicht eine maßgeschneiderte Immunsuppression, und das bedeutet

weniger Nebenwirkungen, weniger Infekte, weniger Abstoßungsreaktionen

und ein langsameres Fortschreiten der Transplantatvaskulopathie.[49]

Die Therapie der Abstoßung erfolgt je nach Schweregrad:[50] [51]

Erhöhung der Basisimmunsuppression

Kortison-Stoßtherapie (3 Tage je 1g Methylprednisolon i.v.)

wenn nicht erfolgreich:

Tacrolimus (FK506) statt Cyclosporin A

oder:

Therapie mit T-Lymphozytenantikörpern

5.1.4 Weitere Frühkomplikationen

Aufgrund der Herzinsuffizienz und durch die extrakorporale Zirkulation

während der Operation sind sämtliche Organe des

Transplantationspatienten in Mitleidenschaft gezogen. Die

Organfunktionen müssen sorgfältig überwacht und ggf. durch

Medikamente, apparative Unterstützung (z.B. Dialyse) und pflegerische

Maßnahmen (z.B. Lagerung und Vibrationsmassagen bei

Atmungskomplikationen, Ileusprophylaxe) stabilisiert werden.

[47] Vgl. Hoffmann, Falk, S. 33 [48] Vgl. Iberer, Florian; et al., S. 553 [49] Vgl. Iberer, Florian; et al., S. 557 [50] Vgl. Koch, Achim; et al., S. 18 [51] Vgl. Tenderich, Gero: Aktueller Stellenwert der Herztransplantation.

http://www.vod-ev.de/download/aps2001/APS2001_T1.pdf (siehe Anhang)

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Es ist wichtig, auf die Thoraxdrainagen zu achten, denn ein plötzlicher

Stillstand nach vorher deutlich gesteigerter Nachblutung kann Anzeichen

einer Herzbeuteltamponade sein.[52]

Weil Rechtsherzversagen eine der häufigsten Todesursachen in den ersten

Tagen nach einer Herztransplantation ist, wird der pulmonale

Gefäßwiderstand über den Pulmonaliskatheter kontinuierlich überwacht.

Bei zu hohen Werten muss die Beatmung mit Stickstoffmonoxid länger

fortgesetzt werden oder es erfolgt eine Therapie mit

Prostaglandinderivaten (Flolan®) oder mit Nipruss®.[53]

Oft ist schon vor der Operation eine langfristige Diuretikatherapie

aufgrund der Herzinsuffizienz erforderlich. Die Herz-Lungen-Maschine

verursacht eine zusätzliche Flüssigkeitsüberladung des Körpergewebes von

1-3 Litern. Diuresestimulation, engmaschige Elektrolytkontrollen, genaue

Flüssigkeitsbilanzen und tägliche Gewichtskontrolle sind deswegen

empfehlenswert.[54] [55]

Das transplantierte Organ ist nicht mit dem Nervensystem seines neuen

„Besitzers“ verbunden („denerviertes Herz“), Herzfrequenz und

Schlagvolumen können also nicht über direkte Impulse des autonomen

Nervensystems gesteuert werden, sondern nur über die Katecholamine,

die aus dem Nebennierenmark ins Blut abgegeben werden.[56] Körperliche

Belastung, Stress und Schreck wirken sich dadurch verzögert auf die

Herzfrequenz aus. Ebenso fehlt das Schmerzempfinden (z.B. Angina-

Pectoris-Schmerz). Hämodynamik und Herzrhythmus müssen

kontinuierlich überwacht werden und eine passende

Katecholamintherapie ist erforderlich.[57]

[52] Vgl. Scheld, H.H.; et al., S. 99 [53] Vgl. Czerny, Martin: Herztransplantation.

http://beginn.at/pflegeserver/gesamt/htx.htm, 20.07.2003 (siehe Anhang) [54] Vgl. Scheld, H.H.; et al., S. 134 [55] Vgl. Koch, Achim; et al., S. 12 [56] Vgl. Scheld, H.H.; et al., S. 131-133 [57] Vgl. Koch, Achim; et al., S. 12

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5.2 Postoperative Phase auf der

Allgemeinstation

Nach Entfernen aller invasiven Zugänge kann der Transplantationspatient

auf die Allgemeinstation verlegt werden, jedoch möglichst in ein

Einzelzimmer. Die hygienischen Maßnahmen werden Schritt für Schritt

gelockert. Dazu gehören auch bald Ausflüge aus dem Zimmer in

Begleitung von Schwester/Pfleger, wobei im Krankenhausbereich

Mundschutz und Handschuhe getragen werden sollten. Während des

4-6 Wochen dauernden Aufenthaltes stehen die Abstoßungsdiagnostik und

die Anpassung der immunsuppressiven Therapie weiterhin im

Vordergrund. Die Antibiotika-Therapie wird beendet, Zovirax® und

Amphomoronal jedoch weiterhin gegeben. Die Herz-Kreislauffunktion

wird durch optimale Einstellung der Medikamente stabilisiert.

Der Patient sollte möglichst bald selbständig und selbstverantwortlich

handeln, z.B. selbst auf die korrekte Einnahme seiner Medikamente

achten. Zur Anleitung für eine herzschonende Lebensweise erfolgt

physiotherapeutische und psychologische Betreuung (Atemtraining,

leichtes Ausdauertraining, Stressbewältigung) sowie eine

Ernährungsberatung.

Jetzt beginnt auch die seelische Verarbeitung der Transplantation, wofür

die Patienten auf der Intensivstation meistens noch zu erschöpft/sediert

sind. Unter den Organstransplantationen nimmt die Herztransplantation

insofern eine Sonderstellung ein, als das Herz eine starke symbolische

Bedeutung in Mythologie, Religion und soziokulturellem Gedankengut

hat.[58] Es wird als Sitz der Seele und der Persönlichkeit angesehen. Je

nach intellektueller Differenziertheit bereitet den Patienten und ihren

Angehörigen der Gedanke an das „Herz eines Toten“ mehr oder weniger

großes Unbehagen, fragen sie sich, ob es dadurch zu

[58] Vgl. Hoffmann, Falk, S. 36

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Persönlichkeitsveränderungen kommen wird. Auch übersteigertes

Misstrauen in Ärzte und Behandlung kann vorkommen. Wenn in der

präoperativen Phase bereits ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen

Patient und Klinikteam aufgebaut werden konnte, gelingt die Bewältigung

dieser Probleme normalerweise gut.

5.3 Rehabilitation/Nachsorge/Prognose

Im Anschluss an den Klinikaufenthalt folgt eine Kur in einer

kardiologischen Rehabilitationsklinik, wo sich die Patienten unter

optimaler therapeutischer und medizinischer Betreuung an das Leben mit

dem neuen Herzen gewöhnen und eine gesundheitsbewusste Lebensweise

einüben können. Anschließend sind neben wöchentlichen Kontrollen beim

Hausarzt auch regelmäßige Untersuchungen in der Transplantationsklinik

(z.B. Myokardbiopsie, Thoraxröntgen, Koronarangiografie )

einzuhalten.[59]

Die meisten Herztransplantierten empfinden ihren Gesundheitszustand

und ihre Lebensqualität als sehr gut, obwohl sie lebenslang Medikamente

einnehmen und sich häufig untersuchen lassen müssen. Die körperliche

Leistungsfähigkeit ist zwar nicht so hoch wie die eines Gesunden im

gleichen Alter (z.B. wegen der verzögerten Belastungsanpassung des

denervierten Herzens), doch im Vergleich zum Zustand vor der Operation

stehen wieder zahlreiche Lebensperspektiven offen. Auch eine

Berufstätigkeit kann u.U. wieder ausgeübt werden.

Die Lebenserwartung nach Herztransplantation hat sich ständig erhöht

dank laufend verbesserter Therapieschemata. 5-10% der

Herztransplantierten sterben in den ersten 30 Tagen nach der Operation,

[59] Vgl. o.V.: Herztransplantation – was ist das? Herztransplantation Südwest e.V.

http://www.organspende.solution.de/herz/htx.htm, 24.07.2003 (siehe Anhang)

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meistens an Rechtsherzversagen; die Einjahresüberlebensrate beträgt 80-

90%, die Fünfjahresüberlebensrate 75%.[60]

Langfristig wird die Lebenserwartung vor allem durch eine Sklerose der

Herzkranzgefäße (Graftsklerose, Transplantatvaskulopathie)

eingeschränkt. Bei etwa 40% aller Patienten ist nach 5 Jahren eine solche

Verengung der Koronargefäße nachweisbar.[60] Im Gegensatz zur

normalen koronaren Herzkrankheit sind dabei nicht nur die zuführenden

Hauptarterien betroffen, sondern das gesamte koronare Gefäßsystem. Die

sonst üblichen Therapien (Bypass, Ballondilatation/Stenteinlage) sind

deswegen nur eingeschränkt erfolgreich. Im fortgeschrittenen Stadium ist

eine erneute Transplantation die einzige Behandlungsmöglichkeit.

Retransplantationen haben jedoch weit schlechtere Langzeiterfolge und

werden deshalb mit Rücksicht auf die knappen Spenderorgane nur

ausnahmsweise (junge Patienten, guter Allgemeinzustand)

durchgeführt.[61] Als Ursache der Graftsklerose werden in erster Linie

gegen das Endothelgewebe gerichtete Immunprozesse angenommen

(chronische Abstoßung), aber auch die üblichen Risikofaktoren spielen

eine Rolle (Bluthochdruck, fettreiche Ernährung, Übergewicht) und sind

bei der Lebensführung unbedingt zu beachten. Weiterhin wird vermutet,

dass Cytomegalie-Virus-Infektionen (CMV) das Fortschreiten einer

Graftsklerose fördern; regelmäßige Diagnostik und ggf. Behandlung mit

Gancyclovir (Cymeven®) sind also wichtig. [60]

Eine häufige Spätkomplikation sind auch Malignome aufgrund der

immunsuppressiven Behandlung: Nach Transplantation ist das Risko v.a.

für Tumore der Haut und Kaposi-Sarkome 10-100fach erhöht, weshalb

regelmäßig Vorsorgeuntersuchungen wahrgenommen werden sollten.[62]

[60] Vgl. Czerny, Martin: Herztransplantation.

http://beginn.at/pflegeserver/gesamt/htx.htm, 20.07.2003 (siehe Anhang) [61] Vgl. Tenderich, Gero: Aktueller Stellenwert der Herztransplantation.

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Problematisch im Langzeitverlauf sind außerdem die Nebenwirkungen der

Immunsuppression: Kortikosteroide führen zu Bluthochdruck und Über-

gewicht, was wiederum zur Schädigung der Koronargefäße beiträgt. Cyclo-

sporin A kann Nierenschäden bis hin zur terminalen Niereninsuffizienz

verursachen, so dass Dialyse oder Nierentransplantation notwendig

werden.

6. Psychosoziale Betreuung

Die praktische Pflege eines Patienten vor und nach Herztransplantation

unterscheidet sich nur wenig von der Pflege anderer Herzoperierter. Bei

der psychosozialen Betreuung hingegen ist besonderes Engagement

gefragt. Die Transplantation ist eine enorme körperliche und seelische

Belastung, und in allen Phasen benötigt der Patient neben der

medizinischen Versorgung einfühlsame Unterstützung bei der

Bewältigung dieser außergewöhnlichen Lebenssituation. Es ist sinnvoll,

von Anfang an einen mit Herztransplantation erfahrenen Psychologen

hinzuzuziehen. Die Schwestern und Pfleger als wichtigste Bezugspersonen

in der Klinik tragen jedoch ebenfalls viel zur seelischen Stabilität des

Patienten bei.

Patienten, die stationär auf ein Spenderherz warten, benötigten

Ermutigung und emotionale Bestätigung. Neben der Angst, nicht

rechtzeitig ein passendes Herz zu erhalten, haben viele Patienten damit zu

kämpfen, dass sie sich schuldig fühlen, weil sie „auf den Tod eines anderen

Menschen warten“.

Nach der Operation kann ein Durchgangssyndrom auftreten. Bei der Ver-

legung auf die Allgemeinstation werden viele Patienten euphorisch („jetzt

kann ich wieder alles“); um zu verhindern, dass sie sich überfordern,

müssen sie behutsam zu einer realistischeren Selbstwahrnehmung geführt

werden. Von großer Bedeutung für den langfristigen Behandlungserfolg ist

auch, ein Verantwortungsbewusstsein zu entwickeln für disziplinierte

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Einhaltung der immunsuppressiven Therapie, der regelmäßigen

Kontrolluntersuchungen, einer vernünftigen Lebensweise (Ernährung,

Bewegung, kein Stress) und Infektprophylaxe.

7. Zukünftige Bedeutung der

Herztransplantation

Die Fortschritte der letzten zwanzig Jahre im Bereich der

Immunsuppression sowie bessere und schnellere Transportmöglichkeiten

für die Spenderorgane haben dazu geführt, dass die Herztransplantation

heute eine erfolgreiche Behandlung mit deutlicher Verbesserung der

Lebensqualität ist, die an vielen Kliniken durchgeführt werden kann.

Die wichtigsten Ziele der medizinischen Forschung zur Verbesserung des

Behandlungserfolges von Herztransplantation sind:

Weitere Verbesserung der immunsuppressiven Therapie (weniger

Nebenwirkungen)

Weiterentwicklung der nichtinvasiven Abstoßungsdiagnostik

Prophylaxe und Behandlung der Graftsklerose

Die Abstoßungsproblematik wird jedoch Ergebnisse und Langzeiterfolge

von Herztransplantationen immer einschränken. Aus diesem Grund – und

auch wegen der viel zu geringen Zahl der Spenderorgane – müssen die

konservativen Therapiemöglichkeiten für Herzinsuffizienz (Medikamente,

korrigierende Operationen) ebenfalls intensiv weiterentwickelt und

verbessert werden. Beispiele für vielversprechende neue Methoden sind

die Batista-Operation und die passive Kardiomyoplastie.

Bei der Batista-Operation – entwickelt vom brasilianischen Arzt Randas

Batista – „...schneidet der Chirurg im Bereich der linken Herzkammer aus

dem vergrößerten, gewissermaßen ausgeleierten und geschwächten

Herzen ein etwa zehn Zentimeter langes dreieckiges Herzstück heraus,

ähnlich wie man ein Dreiecksstück aus einer Melone herausschneidet. Das

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deutlich verkleinerte Organ wird daraufhin gerafft und wieder

zusammengenäht.“[63] „In der Berliner Charité wird dazu seit einigen

Jahren eine Langzeitstudie durchgeführt. (...) Nach den vorläufigen

Ergebnissen sind die Heilungschancen gleich groß wie bei einer

Transplantation. Bei jungen Patienten und bei Patienten, die keine

weiteren Krankheiten haben, liegen sie sogar höher als bei Transplan-

tationen.“[64]

Die passive Kardiomyoplastie wird seit Ende der 90er Jahre am

Herzzentrum der Charité in Berlin eingesetzt. Dabei wird ein elastisches

Polyesternetz um Herz und Perikard gelegt. „Das Verfahren wurde von

Hanni Sabbah aus Detroit entwickelt und an Hunden und Schafen erprobt.

Bei den Tieren hat sich der vergrößerte Herzmuskel innerhalb von drei

Monaten stark zurückgebildet, die Pumpleistung konnte gesteigert

werden.“[65] An der Charité wurde die Methode weltweit erstmals beim

Menschen versucht und soll in einer Studie als Alternative zur

Transplantation geprüft werden.

Die Transplantation kann allein schon wegen der zu geringen Zahl von

Spenderorganen nicht zur Standardbehandlung für die ständig wachsende

Zahl herzinsuffizienter Patienten (6 Millionen in Europa![66]) werden. „In

Deutschland liegt die Organspenderate – bezogen auf das Jahr 1999 – bei

12,7 Spenden pro Million Einwohner und Jahr, was im Vergleich zu

führenden Ländern wie Spanien mit 33,6 solcher Spenden eine

verhältnismäßig niedrige Zahl darstellt.“[67] Baden-Württemberg steht mit

nur 9,8 Organspendern pro Million Einwohner im Bundesvergleich an

[63] o.V.: Das Herz: Erkrankungen und Behandlung; Herzinfarkt, Herzschwäche,

Herzrhythmusstörung. Deutsches Medizin-Netz. http://www.medizin-netz.de/koerper/erkrank2.htm, 21.06.2003 (siehe Anhang)

[64] ARD-Ratgeber: Gesundheit. Batista-Operation. http://www.sfb.de/fernsehen/ratgebergesundheit/rgesundheit_arc.php3?idx=69, 21.06.2003 (siehe Anhang)

[65] Berliner Morgenpost vom 8.5.1999 [66] Berliner Morgenpost vom 5.5.1999 [67] Hoffmann, Falk, S. 37

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vorletzter Stelle.[68] Dies liegt zum Teil daran, dass viele Krankenhäuser

Ihrer Pflicht zur Meldung potentieller Organspender nicht nachkommen.

Die Landesregierung arbeitet daher am Entwurf eines Gesetzes, das

Krankenhäuser mit Intensivbetten verpflichten soll, einen Arzt als

Transplantationsbeauftragten zu benennen. Dieser soll auf die Erfüllung

der Meldepflicht achten und für die effiziente organisatorische Abwicklung

von Organspenden sorgen.

Kunstherzen könnten in Zukunft eine Alternative zur Transplantation

werden. Zur Zeit sind Kunstherzen nur als Übergangslösung bis zu einer

Transplantation geeignet: Durch den Kontakt des Blutes mit relativ großen

Kunststoffflächen besteht ein hohes Risiko für thromboembolische

Komplikationen; die meisten Systeme sind nicht voll implantierbar, und

über die Hautdurchgänge können Infektionen aufsteigen.[69]

Intensiv geforscht wird auch an der Xenotransplantation, d.h. der

Transplantation tierischer Organe. Hier ist die Abstoßungsproblematik

jedoch noch extrem schwieriger zu kontrollieren, auch wenn man sich von

transgenen Tieren Lösungen erhofft. Ein zusätzlicher Risikofaktor besteht

darin, dass durch Transplantation Retroviren auf den Menschen

übertragen werden können, wodurch es zur Entstehung neuer Krankheiten

kommen kann, die möglicherweise schwer beherrschbar sind (vgl. AIDS!)

Nicht zuletzt sind tierethische Aspekte zu berücksichtigen, die eine

Instrumentalisierung von Tieren als „Organlieferanten“ beanstanden.

Schließlich muss bedacht werden, dass eine Herztransplantation – egal ob

ein menschliches, tierisches oder künstliches Organ eingesetzt wird – eine

extrem teure Behandlung ist. Wenn Spenderorgane unbegrenzt zur

Verfügung stünden, würde die Zahl der Transplantationen auf das 20- bis

[68] Sozialministerium Baden-Württemberg: Transplantationsbeauftragte sollen

Motivation und Engagement der Krankenhäuser für die Organspende fördern. Pressemitteilung vom 28.03.2003. http://www.baden-

wuerttemberg.de/sixcms/detail.php?id=29261&template=bwd_det1_zum_drucken (siehe Anhang)

[69] Czerny, Martin: Mechanische Herzunterstützungssysteme. Klinische Abteilung für Herz-Thorax-Chirurgie, Universität Wien-AKH. http://beginn.at/pflegeserver/gesamt/vad.htm, 21.06.2003 (siehe Anhang)

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30fache ansteigen und Kosten in Höhe von 3,5 bis 6 Mrd. Euro

verursachen.[70] Solche Summen kann ein auf Solidargemeinschaft

beruhendes Gesundheitssystem nicht aufbringen. Würden dann nur noch

die Patienten transplantiert werden, die es sich leisten können? Oder

müssten die Kosten in anderen Bereichen der medizinischen Versorgung

eingespart werden? Es darf auch gefragt werden, ob die

Solidargemeinschaft in diesem Umfang für Gesundheitsschäden

aufkommen sollte, die durch eine verantwortungslose Lebensweise

(Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel) verursacht wurden.

[70] de Wit, Christina, S. 265

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Literaturverzeichnis

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Anhang: Internetquellen