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z 05 x 2011 Hindi Zahra: Mäandern zwischen den Welten +++Bodi Bill+++Gustav Peter Wöhler+++17 Hippies+++Superpunk+++Jarabe De Schlachthof, 10. Mai 2011 Schlachthof x Lagerhaus x Kulturbüro Nord x Spedition Stadtkultur

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z

05 x 2011

Hindi Zahra: Mäandernzwischen den Welten

+ + + B o d i B i l l + + + G u s t a v P e t e r W ö h l e r + + + 1 7 H i p p i e s + + + S u p e r p u n k + + + J a r a b e D e

Schlachthof, 10. Mai 2011

S c h l a c h t h o f x L a g e r h a u s x K u l t u r b ü r o N o r d x S p e d i t i o n

Stadtkultur

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Was die Wehrmachtsausstellung für die Aufklärung der

Rolle der Wehrmacht geleistet hat, darum geht es die-

ser Ausstellung in Bezug auf die Polizei: ›Alle Sparten

der Polizei Bremens arbeiteten mit an der Durchsetzung

der Ziele des NS-Staates. Und nichts deutet darauf hin,

dass sie das nur widerstrebend oder unter Zwang getan

hätten‹, heißt es in der Ankündigung.

Noch bis zum 27. Mai ist die Ausstellung ›Polizei.Gewalt.

Bremens Polizei im Nationalsozialismus‹ in der

Zentralbibliothek am Wall zu sehen. Begleitet wird sie

von zahlreichen Lesungen und Diskussionen.Musik aus der Wäscherei-Konserve

Forgetters sind die neue Band um

Gitarrist Blake Schwarzenbach (Jets To

Brazil, Jawbreaker), Bassistin Caroline

Paquita (Bitchin) und Drummer Kevin

Mahon (Against Me!). Mit emotionalem

Punkrock im Sinne alter Helden wie

Hüsker Dü und Jawbreaker geht es

bei ihnen eindeutig rauer zu als zuletzt

bei Jets To Brazil. Sie kommen aus

Brooklyn/ New York. ›Expect Comedy,

Tragedy, Tea And Sympathy.‹

DI 03/05, 21 Uhr, Friese

Der Bahnhofs-

vorplatz – da

wo jetzt die

Skater skaten

und andere

nützliche

Dinge statt-

finden – soll

komplett

mit einem

sechs-

stöckigen Hoch-

haus zugebaut werden. Wer das auch unsinnig

findet, kann die entsprechende E-Petition ›Bahnhofsvorplatz

als öffentlichen Platz erhalten‹ unterzeichnen:

https://petition.bremische-buergerschaft.de/

F u n d s t ü c k e a u s L e b e n u n d K u l t u r

Anpfi f f .

Kolumbianische Fußball-

fans haben einem ermor-

deten Kameraden einen

›letzten Wunsch‹ erfüllen

wollen und den Leichnam

samt Sarg mit ins Stadion

geschleppt. Unter den

entsetzten Blicken tausen-

der Zuschauer hoben die Mitglieder der Fangruppe ›Barra

del Indi‹ beim Heimspiel ihres Clubs Cúcuta gegen Envigado

am Sonntag den braunen Sarg über ihre Köpfe. Die Jugend-

lichen hätten die Leiche bei einem Bestattungsunternehmen

gestohlen, berichtete die Zeitung ›La Opinión‹. Wie es ihnen

gelang, den Sarg durch die angeblich strengen Sicherheits-

kontrollen in das Stadion ›General Santander‹ in Cúcuta

zu schmuggeln, war zunächst unklar. Der örtliche Polizeichef,

Oberst Álvaro Pico, sprach von einem ›unglücklichen Vorfall‹.

Dem Club des Toten brachte der makabere Stadionbesuch

aber offenbar Glück: Kaum war der Sarg aufgetaucht, erzielte

Cúcuta den Ausgleichstreffer zum 1:1 Endstand.

Kolumbien perplex: Leiche ›guckt‹ Fußball

Forgetters

Bremens Polizeiim Nationalsozial ismus Kein Hochhaus auf’m

Bahnhofsvorplatz

Die Möglichkeit, Schallarchive auszulüften

respektive aufzustocken geht am 4. Juni von

11 bis 16 Uhr in eine neue Runde. Wer die-

se Gelegenheit weiterhin, wieder mal oder

neuerdings wahrnehmen möchte, sichere

sich unter 77020 (oder mail@mediencoop-

bremen.de) zu den stadtweit günstigsten

laufenden-Meter-Konditionen einen Stand-

platz inmitten zahlreicher liebreizender

alter Schätzchen. Dieser Flohmarkt ist nur

für private Anbieter vorgesehen.

Vinyl- und CD-Flohmarkt # 2

POLIZEI. GEWALT.

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ticker: aufregende konzerte ß tolle gruppen ß richtig theater ß wortgewandte lesungen ß super gewinne ß prima filme

Der Schnappschussdes Monats

G e s c h o s s e n v o n K a i - E r i k v o n A h n

verschossen

I mpr ess um

Herausgeber : Kulturzentrum Schlachthof, Findorffstraße 51, 28215 Bremen, Büro: Mo–Fr: 9–20 Uhr, Telefon: 0421/37 7750, Fax: 3777511, E-Mail: [email protected], Kulturzentrum Lagerhaus, Schildstraße 12–19, 28203 Bremen, Telefon: 0421/701461, -fax: 701306, zett im Internet: www.schlachthof-bremen.de Redaktion: Gudrun Goldmann (V. i.S.d.P.),Sean-Patric Braun, Jörg Möhlenkamp, Sophie Hellgardt, Marlis Schuldt Ausland: Robert Best (Zürich), Anatol Karminsky (Ulan Bator) Graf ische Gestaltung: Jörg Möhlenkamp, Marlis SchuldtBeiträge: Anne Beel, Leonie Feiber, Ekatarina Feldmann, Martha Graf, Christiane Gartner, Barbara Hirsch, Jens Laloire, Stefanie Möller, Andreas Schnell, Jörg Windszus Fotos/Il lustrationen :Kai-Erik von Ahn, Andrea Dilzer (Kulturgut), Daniel Schnier Auf lage: 7000 Exemplare · Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Schlachthof NordKulturbüro

D i e Z e i t u n g x f ü r S t a d t k u l t u r

Diese Ausgabe der zett ist eine besondere, denn wir schreiben ausnahmsweise mal über uns selbst.

Die Landesarbeitsgemeinschaft soziokultureller Einrichtungen Bremen (LAG) mit ihren 19 Mitgliedern in beiden

Weserstädten – darunter die Herausgeber der zett: Lagerhaus, Schlachthof und Kulturbüro Bremen-Nord –

stellen sich und ihre vielfältige Arbeit vor. Und sozusagen passend zum Programm ist die Ausgabe deshalb auch

bunt und ein bisschen dicker. Trotzdem hat nicht alles hineingepasst, wir hätten noch mehr Seiten füllen können,

aber das hätte den finanziellen Rahmen gesprengt und der ist in der Soziokultur leider sehr eng. Anlass für

diese Kooperation ist die Umbenennung der LAG, die jetzt Stadtkultur Bremen e. V. heißt. Ein Begriff, der viel

besser zur Vielfalt einer Stadt passt, als die doch eher sperrige Soziokultur. Inhaltlich geht es um Interkultur,

Stadtteilgeschichte, Open-Air- und Festivaltraditionen, Kulturelle Bildung, Geschlechtergerechtigkeit, Konzerte und

andere Veranstaltungsformate. Und der Programmteil ist diesmal erweitert um Veranstaltungen in anderen als

den sonst hier vertretenen Häusern. Dazu gibt es einen Serviceteil, damit alle, die jetzt neugierig geworden sind,

die Einrichtung ihrer Wahl ansteuern können.

G u d r u n G o l d m a n n ( C h e f r e d a k t e u r i n )

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Aus den Initiativen und Projekten wurden kontinuierlicharbeitende Kultureinrichtungen, die nach den Jahren des ›alle machen Alles‹ festumrissene Arbeitsfelder und eigene Profile entwickelten.

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Stadtkultur Bremen e.V. – Kultur für die ganze Stadt

Um Forderungen gegenüber der Politik mehr Nachdruck zu ver-leihen, gründete sich 1994 die Landesarbeitsgemeinschaft soziokul-tureller Einrichtungen Bremen e. V. nach dem Vorbild anderer Bun-desländer. Auf Bundesebene existierte zu dieser Zeit bereits seitlangem ein Verband, der sich als Interessenvertretung aller Landes-verbände verstand. Heute sind 460 Kultureinrichtungen in ganzDeutschland Mitglied in diesem Netzwerk.

Was hat s ich verändert?In den 70ger Jahren entstanden überall in den alten Bundes-

ländern Initiativen und Projekte, die sich unter dem Motto ›Kulturfür alle‹ die Demokratisierung der Kultur auf die Fahnen geschriebenhatten. Selbsterfahrung und Selbstfindung waren die Schlagwortedieser Bewegung, die den Begriff der ›Soziokultur‹ prägte. Kunstund Kultur sollten aus ihrem Elfenbeinturm kommen und sich dergesellschaftlichen Realität jenseits des Bildungsbürgertums stellen.Die meisten soziokulturellen Zentren entstanden in den großenStädten. Ihre Entwicklung stand in engem Zusammenhang mit demgesellschaftlichen Modernisierungsprozess der damaligen Zeit. Kritik an den bürgerlichen Strukturen der Kleinfamilie führte zu neuen Modellen des Zusammenlebens. ›Die sich entleerenden Alt-baugebiete der Städte sind zu prädestinierten Orten für diese neuenLebensformen geworden (…). Selbst für alte Fabrikgebäude undLagerschuppen haben die Alternativen noch Nutzungsideen – alsWohngelegenheit, Kommunikationszentrum oder Kulturraum.‹1

In Bremen waren es die Kulturzentren Lagerhaus und Schlacht-hof, die Ende der 70er Jahre auf diesem Wege entstanden. Weiteresoziokulturelle Initiativen wie z. B. Brodelpott, belladonna oder Kul-turladen Pusdorf gründeten sich in den 80er Jahren. Zehn Jahre spä-ter kamen dann Einrichtungen wie westend, Kultur vor Ort oder Quartier hinzu, die zwar unter anderen Voraussetzungen entstanden,sich in ihren Zielsetzungen aber nicht wesentlich unterschieden.

Die ›alten Einrichtungen‹ hatten sich über die Jahre bereits wei-terentwickelt: Nach anfänglichem unentgeltlichem Engagement unddrittmittelfinanzierten Arbeitsplätzen konnten dann 1994 mit derAufnahme in den Kulturhaushalt die Beschäftigungsverhältnisse infeste Stellen überführt werden. Das ermöglichte eine kontinuierlicheArbeit und war Voraussetzung für inhaltliche Schwerpunktsetzungenund Weiterentwickelung. Aus den Initiativen und Projekten wurdenkontinuierlich arbeitende Kultureinrichtungen, die nach den Jahrendes ›alle machen alles‹ fest umrissene Arbeitsfelder und eigene Pro-file entwickelten. Von einer gewissen Zufälligkeit führte dieses zueiner Zielorientierung auch vor dem Hintergrund, die Arbeit zu legi-timieren und zu begründen.

Stadtkultur x Bremen 05

Was ist gebl ieben?Konstanten in den Zielen unserer Einrichtungen sind nach wie vor:

n beteiligungsorientierte, spartenübergreifende Kulturpraxis, Förderung kreativer Eigentätigkeit

n Vermittlung zwischen professioneller Kunstproduktion und eigener künstlerischer Praxis

n niedrigschwellige Angebote, die vielen Bevölkerungsgruppen denZugang zu Veranstaltungs- und Kulturangeboten ermöglicht

n Schwerpunktbildung in Bezug auf kulturelle Bildung und demokratische Praxis

n nichtkommerzielle Ausrichtung der Angeboten Engagement für das Gemeinwesenn Nachwuchsförderungn Entwicklung innovativer Kulturprojekte

Was heißt das für d ie Mitg l iedseinr ichtungen vonSTADTKULTUR BREMEN?

Unsere Einrichtungen geben Raum für eine vielfältige alltäglichekulturelle Praxis im Stadtraum, die nach wie vor den Anspruch hat,für viele Menschen leicht zugänglich zu sein. Eine kulturelle Öffent-lichkeit mit einer Vielzahl von Veranstaltungen, Festivals und tem-porären Projekten prägt inzwischen ›fast wie selbstverständlich‹ dasStadtbild Bremens. Öffentliche Räume, in denen sich Menschenungezwungen zusammenfinden, ohne gleich in Aktion zu treten, wieCafés, Kneipen und Restaurants gehören ebenfalls bei etlichen Häu-sern zum Konzept. Wir kooperieren mit vielen Kultur- und Bildungs-einrichtungen sowohl auf regionaler als auch auf nationaler undinternationaler Ebene. Wir stellen Know-How, Equipment und Treff-punkte zur Verfügung und wir bieten Arbeits- und Ausbildungsplätze.Wir mischen uns ein in die Stadt- und Kulturentwicklung. Denn hierentstehen neue Kunstrichtungen, Crossover-Formate und neue For-men des Lernens werden erprobt. Als Labore der Zukunft verlaufenviele kulturelle Projekte entlang der Spannungslinien und Brüche derStadt. Sie widmen sich mit künstlerischen und kulturellen Mittelngesellschaftlichen Themen, wie dem demografischen Wandel, derMigration und Fragen von Interkultur und der sozialen Spaltung derStadt – die sich gerade in Zeiten der Ökonomisierung und Privatisie-rung beschleunigt und verschärft.

Ausbl ick :Die Kulturpolitik erkennt zwar die Arbeit unserer Einrichtungen

an, aber in der finanziellen Ausstattung wird das nicht unbedingtsichtbar. Die Förderung aus dem Kulturhaushalt ist seit Jahren ein-gefroren, wenn nicht gar reduziert worden, trotz ständiger Kosten-steigerungen. Außerdem wurden die Mittel für Projekte gekürzt.

Instrumente der Arbeitsförderung, die uns über Jahre geholfenhaben, die dünne Personaldecke zu strecken, sind mittlerweile fastalle verschwunden, neue sind nicht in Sicht. Die Kompensationsmit-tel für diese Stellen sind in diesem Jahr noch einmal gekürzt worden.

STADTKULTUR BREMEN wird sich auch in Zukunft engagieren – füreine Kultur für die ganze Stadt!

B a r b a r a H i r s c h , K u l t u r z e n t r u m S c h l a c h t h o f

Die Landesarbeitsgemeinschaft soziokultureller Einrich-

tungen Bremen, Interessenvertretung und Netzwerk von

inzwischen 19 Kultureinrichtungen in Bremen und Bre-

merhaven, hat nach vielen Jahren ihren Namen in STADT-

KULTUR BREMEN geändert. Professionalisierung und

Institutionalisierung, neue Arbeitsfelder und veränderte

gesellschaftliche Herausforderungen sind der Hinter-

grund dieser Namensänderung.

1 A. Flohé/R. Knopp (Hrsg.): Drehpunkte, Kontexte und

Perspektiven soziokultureller Praxis

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extrem vielfält ig

extrem polit isch

extrem künstlerisch

Es gibt Menschen, die sind in so vielen Spra-

chen zuhause, dass sie es manchmal gar

nicht merken, wenn sie die Sprache wech-

seln. Etwa weil sie während des Redens eine

andere Person anschauen – mitten im Satz

wird in die Muttersprache dieser Person

gewechselt. Dann gibt es Orte und Länder, in

denen Mehrsprachigkeit quasi geatmet wird.

Malta ist ein Beispiel dafür. Maltesisch und

Englisch sind die offiziellen Sprachen, da

aber fast das gesamte Fernsehprogramm aus

›Armageddon won’t be brought by gods‹

lautet der Titel eines der bekanntesten

Songs der Crustcorepunkband Appalachian

Terror Unit. Ganz unrecht haben sie nicht,

denn tatsächlich haben die Götter mit den

Geschehnissen in Fukushima 1, 2 und 3

nichts zu tun. Die aus West Virgina, USA,

stammenden Appalachian Terror Unit

gehören zwar zu den jüngeren Bands des

Genres, erinnern jedoch stark an frühe

Crustcorebands wie die aus Los Angeles

stammenden Nausea. Crustcore entstand zu

Beginn der 80er Jahre vor allem im linksra-

dikalen Hausbesetzermilieu Großbritanni-

ens. Prägend für Crustcorebands bis heute

ist das Bekenntnis zu DIY (Do It Yourself):

Alles wird, soweit es geht, selbst gemacht,

gleich, ob es das selbst bedruckte Band-T-

Shirt, das fotokopierte CD-Booklet oder das

selbst betriebene winzige Plattenlabel ist.

Entsprechend treten die Bands meist in

selbst organisierten linken Jugendzentren

oder besetzten Häusern auf. Auf dem Tour-

plan der Appalachian Terror Unit steht

neben der Friese auch das bis vor kurzem

noch durch Räumung bedrohte Autonome

Zentrum Köln. Weitere Auftritte sind auf

dem Hannoveraner Alerta Antifascista Festi-

val und dem Anarchist Black Cross Festival

im Belgischen Liège angekündigt. Charakte-

ristisch für Appalachian Terror Unit ist wohl

vor allem der infernale Gesang der Doppel-

spitze Chris und Sarah sowie ihre starke Ten-

denz zu trashigem Metal. So melodiös und

sanft ihre Stücke auch oft beginnen, schon

bald gehen sie in lauten Lärm und Geschrei

über. Veranstaltet wird das Konzert am

19. Mai um 21 Uhr im übrigen von der Frie-

sencrew, die seit inzwischen fast 16 Jahren

vollkommen DIY für Punkkonzerte im

Jugendfreizeitheim Friesenstraße verant-

wortlich ist. Rad e k K r o l c z y k

Italien kommt, ist Italienisch die dritte

Sprache und dazu kommen die Fremdspra-

chen, die die Kinder in der Schule lernen,

Französisch und Arabisch – wer will. Da kann

man sich mit einem passablen Englisch

schon etwas mickrig vorkommen.

Doch statt sich jetzt noch über schlechte

Französisch-, Spanisch- oder Russischlehrer

im letzten Leben zu ärgern, sollte man lieber

etwas ändern. Am 7. Mai kann man den

Anfang machen, dann findet auf dem Ans-

garikirchhof das Sprachenfest statt. Das

Fest wird unter dem Motto ›Sprache, Ver-

ständigung und Identität in Europa‹ veran-

staltet. Ziel ist es, europäische Projekte zu

präsentieren und die Bremer auf die kultu-

relle und sprachliche Vielfalt ihrer Stadt auf-

merksam zu machen. Wie man selbst Teil

dieser Vielfalt werden kann, wird dort sicher

auch gezeigt und last but not least geht es

darum, dass Sprachen Spaß machen.

Gud r u n G o l dmann

Es wird Kunst geben zum sich drin verlaufen.

Schlanke 14.000 m² Ausstellungsfläche,

dazu Licht von oben, ein bisschen gedämpft,

Atelieratmosphäre also. Wenn es nicht so

groß wäre. Nach 2009 ist auch in diesem

Jahr die Gleishalle am Güterbahnhof wieder

der Ort, an dem der Bremer Verband Bil -

dender Künstlerinnen und Künstler den

7. Kunstfrühling ausrichtet. Man kann sich in

Bremen kaum einen Raum vorstellen, der

passender wäre.

Die Dimensionen und die Architektur der

Halle plus deren Patina wirken auch leer auf

jeden Besucher, ziehen ihn in ihren Bann.

Sie ist ein Kunstwerk für sich selbst und bie-

tet doch gleichzeitig genau den Platz, den

Kunst braucht um zu wirken. Und das Abge-

halfterte, das Ausrangierte dieses Ortes läs-

st gleichzeitig eine Atmosphäre entstehen,

die so unprätentiös ist, dass keiner Angst vor

der Kunst bekommt. Es ist ein Kunsttempel,

doch keiner merkt es.

Die 180 Meter langen Bahnsteige verhin-

dern, dass man überall abkürzt. Man muss

schon an der Kunst lang. Und das macht

Spaß.

Neben Kunstvereinen, Museen und Galerien,

die sich dort präsentieren, konnten sich

auch Künstlerinnen und Künstler für die

Künstlerplattform bewerben, die als Ausstel-

lung in der Ausstellung kuratiert wird. Auch

dieses Mal wurde beim Thema der Bezug zum

Ort gesucht: ›T(raum)a – Die Phobie als

Muse‹. Es gingen über 270 Bewerbungen

ein, 58 sind in der Gleishalle zu sehen. Wer

sich in dieses Kunst-Labyrinth begeben

möchte, kann dies ab dem 5. Mai tun.

Gud r u n G o l dmann

Seit einiger Zeit wieder grassieren die Versu-

che, links und rechts unter dem Begriff des

Extremismus zu einer einzigen verdam-

mungswürdigen Soße zu kondensieren. Wo

aus ideologischen Gründen zusammenge-

zwängt wird, was kategorial nicht zusam-

mengehört, wird in der Regel auch schlecht

gedacht. Auch wenn die Idee zumindest eine

immanente Logik hat: Links wie rechts, alle

beide haben sie etwas gegen den Staat und

fungieren also prima als das böse Andere

einer wohligwarmen Mitte; die allerdings

wiederum dem, der einen mutigen Blick auf

die Spiegel-Bestsellerliste wagt, mitunter

selbst wieder punktuell extremistisch vor-

kommen kann.

Wer sein Unterscheidungsvermögen

schulen wollte, hatte am 9. April auf dem

Marktplatz Gelegenheit dazu. Ein kleine

Gruppe NPDler demonstrierte vor der Bre-

mer Landesbank, die sich geweigert hatte,

der Partei ein Konto zu eröffnen. Das Ganze

ging kapital nach hinten los: Zwölf eher ver-

sprengt wirkende Figuren hielten Plakate

hoch, auf denen Die Linke in einer Erklärung

ganz richtig ›neonazistische Idiotenprosa‹

ausmachte. Dann aber zeigte der Linksex-

tremismus sein mörderisches Gesicht: ›Etwa

06 Stadtkultur x Bremen

300 Menschen umzingelten die NPD und

bewarfen die Nazis mit Wasserbomben,

Eiern und Gemüse.‹ So fassten die Initiato-

ren des ›Keinen Meter‹-Bündnisses die

Gewaltexzesse ihrer Leute zusammen, und

wer dort war, weiß: Genau so ist es auch

gewesen. Was die linksextremen Mordbrü-

der zwecks Verhinderung des NPD-Aufmar-

sches am 1. Mai planen, wir können es nur

ahnen. Am besten überzeugen Sie sich

selbst, alle Infos sind zu finden unter

www.keinen-meter.org. Gemüse nicht ver-

gessen. Ma r t i n S t e i n e r t

extrem laut

Extrem viel Kultur

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Stadtkultur x Bremen 07

Übersetzen, es geht um einZusammenspiel der Spra-chen. Das Spielen, Forschen,Ausprobieren mit Worten ineinem interkulturellen Kon-text ist wichtig‹, so die Pro-jektleiterin Julia Klein, dievor dem Festival Erzähl-workshops für die Teilnehmeranbietet. Auch die Erzählortestellen eine außergewöhnliche Kombination dar. Sokann man den Worten in einer Moschee, einem Friseursalon, einer Teestube oder in einer Kirchelauschen. Die Feuerspuren sind inzwischen nichtmehr aus Gröpelingen wegzudenken und längstüber die Stadtteilgrenzen hinaus bekannt. Im letz-ten Jahr kamen mehr als 6000 Besucher.

Quartier Bremen setzt schon seit vielen JahrenKulturprojekte mit gesellschaftspolitischer Rele-vanz um. Das letzte große Projekt, das ›EinWander-Haus‹, nahm sich der Integration an. Dabei standenFragen wie ›Welche Perspektiven und Zukunftsvor-stellungen haben – vor allem junge – Immigran-ten?‹ oder ›Wie gelingt es, dass Bremen für Zuwan-derer zum Zuhause wird?‹ im Vordergrund. Werbeim EinWanderHaus jedoch an ein Gebäude denkt,in dem man umherwandern kann, der irrt sich. Viel-mehr ist es ein Oberbegriff für mehrere von Quar-tier Bremen und seinen Kooperationspartnern initi-ierte und umgesetzte Projekte. Im Rahmen vonsogenannten Kulturpartnerschaften mit Schulenaus Obervieland, Vegesack, Tenever oder Hemelin-gen haben sich etwa 2500 Bremer Kinder undJugendliche im Laufe von eineinhalb Jahren aufkünstlerischer, theatralischer oder musikalischerEbene mit Multikulturalität beschäftigt. ›Die Arbeitder Schülerinnen und Schüler mit professionellen

Künstlern war zentral für dasEinWanderHaus. Denn Künst-ler schaffen Räume, in denendie jungen Menschen einenganz neuen Blick auf daseigene Leben werfen undneue Perspektiven für sichentwickeln können‹, sobeschreibt Quartier Bremenden Kern des Projekts. Da-

von, dass die Projektarbeit für die jungen Teilneh-merinnen und Teilnehmer von einer herausragen-den Bedeutung war, ist Projektleiter und Ge-schäftsführer Marcel Pouplier überzeugt: ›Die Kin-der und Jugendlichen haben ihren Eltern und derÖffentlichkeit am Ende ganz stolz ihre Ergebnissepräsentiert.‹

Ein interkulturelles Begegnungsangebot speziellfür Frauen bietet das Kultur-, Kommunikations- undBildungszentrum ›belladonna‹. Vor acht Jahrentauchte die Idee, ein Treffen zwischen Bremer Mus-lima und interessierten Bremerinnen zu initiierenerstmals auf, seit vier Jahren ist der interkulturelleAustausch fest im Programm von belladonna veran-kert. ›Einige Teilnehmerinnen sind wirklich schonvon Beginn an dabei, aber es kommen auch immerneue Frauen zu den Treffen. Das sorgt für eine guteMischung‹, sagt die Mitarbeiterin Anne Beel. Beiden Treffen, die abwechselnd in der MevlanaMoschee in Gröpelingen und bei belladonna imViertel stattfinden, geht es darum, sich gegenseitigfür die Religion, die Lebensweise, die Ansichtenund Ideen der anderen Frauen zu öffnen, miteinan-der zu diskutieren und voneinander zu lernen. Aberauch über sehr persönliche Themen wird gespro-chen, um aus dem Erfahrungsschatz der anderen zuschöpfen.

In regelmäßigen Abständen entflammt in der

Bundesrepublik die Integrationsdebatte: Wie

soll Integration gestaltet werden? In welchen

Fällen kann man von einer gelungenen Integra-

tion sprechen und wann ist sie als nicht gelun-

gen zu bezeichnen? Und während sich Politiker

oftmals in hitzigen Diskussionen verrennen

und eine endlos scheinende Rhetorik-Jonglage

betreiben, zeigen interkulturelle Projekte in

Bremen schon jahrelang vorbildhaft, wie man

sich produktiv mit dem Thema auseinanderset-

zen kann. Dabei haben die Bremer Ansätze

eines gemeinsam: Es geht darum, Schätze ans

Tageslicht zu bringen – seien es musikalische,

sprachliche, künstlerische oder Erfahrungs-

schätze – und den Menschen an sich und nicht

seine Herkunft in den Vordergrund zu rücken.

E inen mus ika l i s chen Ansa tz verfolgt dasinterkulturelle Stadtteilorchester ›insan...popular‹des Kulturladens Huchting. ›Wir haben uns nichthingesetzt und uns überlegt, ein schickes Projektzu initiieren. Wir haben es im Dialog mit den Men-schen in Huchting erarbeitet‹, so die ProjektleiterinVera Zimmermann. Unter der musikalischen Leitungvon Norbert Ellrich studieren die elf Ensemblemit-glieder aus sieben verschiedenen Ländern – darun-ter Russland, Iran, Bulgarien, Ukraine und auchDeutschland – Lieder in unterschiedlichen Spra-chen ein. Das zentrale Prinzip bei der Auswahl derStücke ist, dass die Musiker Lieder aus ihren Her-kunftskulturen einbringen. ›Aber auch Stücke, diedie Orchestermitglieder in irgendeiner Weise beein-druckt haben, sind willkommen‹, betont Zimmer-mann. Inzwischen besteht das Repertoire aus russi-schen, bulgarischen, japanischen, kurdischen undhebräischen Liedern. Eine weitere Besonderheit desOrchesters ist die generationsübergreifende Arbeit.Bei ›insan...popular‹ musizieren Menschen im Alterzwischen 16 und 58 Jahren miteinander. Die beidenjüngsten Musikerinnen Valeria Orlova und VeronikaDychek sind sich einig: ›Wir alle haben großenSpaß an Musik und fühlen uns durch den interkul-turellen Austausch sehr bereichert – das verbindetuns.‹

Beim Erzählfestival ›Feuerspuren‹ von Kultur vorOrt e. V. in Gröpelingen setzt man auf den Schatzder Mehrsprachigkeit. Seit nunmehr fünf Jahrenwird an zwei Novembertagen die zentral gelegeneLindenhofstraße für mehrere Stunden vonGeschichtenerzählern, Tänzern, Akrobaten, Musi-kern und Feuerkünstlern okkupiert. Das Besonderean den Erzählern: Sie präsentieren eine Geschichtein ihrer Muttersprache und kombinieren diese mitdeutschen Einwürfen. ›Dabei geht es nicht ums

Geborgene SchätzeE k a t e r i n a F e l d m a n n

Foto

:Kai-

Erik

von A

hn

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KU L T U R E L L E B I L D UN GTanz J e n s L a l o i r e

08 Stadtkultur x Bremen

In den Kulturzentren findet der Tanz ebensoBeachtung: Ob in Form einer Seniorentanzgruppeim Kulturladen Huchting oder in den Jugendtanz-theaterprojekten von Quartier Bremen: Ganz aufTanz konzentriert sich das tanzwerk als Zentrum fürZeitgenössischen Tanz im Kulturzentrum Lagerhaus.Ziel sei es ›Tanz allen zugänglich zu machen‹, sagtChristina Holte vom tanzwerk. Deutlich wird derAnspruch in den verschiedenen Projekten mit Kin-dern und Jugendlichen, wie der letzten Produktion›Lucio & Ludicia‹, einem integrativen Tanztheater-märchen. Das nächste Projekt für Jugendliche mitund ohne Beeinträchtigung im Alter von 12 bis 20Jahren beginnt Ende Mai. Im April hingegen starte-te das Performanceprojekt ›Einfach grün‹, daserwachsene Amateure mit Tanzerfahrung gestalten.Neben verschiedenen Workshops veranstaltet dastanzwerk außerdem das Kooperationsprojekt ›Frei-stil‹, bei dem Performer diverser Kunstsparten imConcordia zusammenkommen, um gemeinsam zuimprovisieren – das nächste Mal am 15. Mai. Danngibt es neben Theater und Musik natürlich auch wieder Tanz.

1983 sang David Bowie ›Let’s Dance‹

und auch in Bremen scheint man

28 Jahre später zum Tanzen aufgelegt:

Ob HipHop an Schulen oder Tangoabende

in Diskotheken, Tanz als Ausdrucks- und

Bewegungsform ist sowohl bei Jugendli-

chen als auch bei Erwachsenen beliebt.

MedienS t e f a n i e M ö l l e r

Bei den medienpädagog ischen Angebo-ten der Stadtkultur geht es weniger um den rei-nen Wissenserwerb, sondern vor allem um dengemeinsam erlebten künstlerisch-kreativen Pro-zess und das Ausprobieren der verschiedenenmedialen Ausdrucksformen.

Möglich ist dies beispielsweise bei den in derRegel jährlich stattfindenden themenbezogenenKurzfilmwettbewerben der Medienwerkstatt imSchlachthof. Ihnen gehen Qualifizierungsphasenund Workshops für die verschiedenen Bereiche wieMusik, Ton, Bildschnitt etc. voraus, in denen dieArbeiten entwickelt werden. Durch die generatio-nenübergreifende Zusammenarbeit profitierenhier die jüngeren und älteren Teilnehmer von denKompetenzen der jeweils anderen Gruppe. DenAbschluss bildet eine öffentliche Präsentation derArbeitsergebnisse in einem Wettbewerb, der fürdie Teilnehmer eine besondere Motivation dar-stellt und eine Aufmerksamkeit erzeugt, die fürden späteren Berufseinstieg in die Filmarbeit vonNutzen sein kann.

Bei der medienkulturellen Arbeit der stadtkul-turellen Zentren steht die selbstbestimmteMediennutzung im Vordergrund, daher setzt manvor allem auf niedrigschwellige Einstiegsmöglich-keiten, die auf die Umsetzung selbst entwickelter

Der Umgang und die Arbeit mit Medien ist ein

wichtiger Schwerpunkt der Stadtkultur, nicht erst

seit den aktuellen Debatten um die Förderung von

Medienkompetenz. Neben den so genann-

ten Neuen Medien, wie z. B. den viel-

fältigen Möglichkeiten des Internets,

stehen auch immer wieder ältere Formate

wie Super-8-Filme oder klassische

Printmedien auf dem Programm.

Ideen abzielen und dafür die technische Infra-struktur und Unterstützung durch Know-How zurVerfügung stellen.

Die Medienwerkstatt des KulturladensHuchting legt dabei einen besonderen Schwer-punkt auf die interkulturelle Medienarbeit imStadtteil. So sind im aktuellen Projekt›insan…mensch – Komm mit nach Morgen‹, dasBezug nimmt auf die aktuelle StadtleitbilddebatteBremens, MigrantInnen eingeladen, ihre individu-ellen Erfahrungen mit den Themen Herkunft,Ankunft und Zukunft im Bürgerrundfunk ›RadioWeser.TV‹ hörbar zu machen. Auch in verschiedeneandere Einrichtungen der Stadtkultur haben Bür-gerrundfunk und -fernsehen Einzug gehalten,nachdem der ursprüngliche Standort in Findorffaufgegeben wurde. Gerade erst wurde im Turm desSchlachthofs – toller Ausblick auf Bremen inklusi-ve – ein solches Fernsehstudio eingeweiht, daserstmals im Rahmen des aktuellen Projekts derMedienwerkstatt ›Frei Raus – Kinder machen Kurz-film‹ zum Einsatz kommen wird. Weitere Koopera-tionspartner, die für Produktionen des Bürger-rundfunks Räume und Technik zur Verfügungstellen, sind das Westend und die Mediencoop imLagerhaus.

Foto

:Kai-

Erik

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vielfältig strukturell benachteiligtsind. So eröffnen sie direkte Zugän-ge zu modernen Kunst- und Kultur-formaten.

Kunst mit Kindern und Jugendlichen –eine Bildungsoffensive für die zukünftige Stadtgesellschaft

Mit der konzeptionellen Entwicklung von Kinder-und Jugendkunstprojekten sind die Angebote derStadtkultur weit mehr als eine bloße Versorgungvon Stadtteilen mit Kunst und Kultur. Die erstenBesuche von Kindergartenkindern im Atelier, bei-spielsweise des Kubo Kunsthaus im Ostertor, ver-mitteln basale Techniken, die den kreativen, künst-lerischen Ausdruck fördern. Wie halte ich einenPinsel? Warum wird aus gelb grün, wenn das Blaudazukommt? Warum fällt die Tonfigur auf dem dün-nem Bein um, wenn sie einen dicken Bauchbekommt? Die jungen Ateliers sind Lernlabore fürFeinmotorik und Materialerforschung, Produktde-sign und Ästhetik.

In den Werkstätten der Grundschüler arbeiten Thea-terregisseure, Kunstpädagogen und freie Künstlerin spartenübergreifenden Projekten. Die Tanz- undTheaterproduktionen ›Das Wunder aus Pusdorf‹oder stadtweite Projekte wie das ›Ich & Du Buch‹von Quartier erreichen hunderte von Kindern, diesich über Wochen intensiv mit einem gesellschaft-lich relevanten Thema auseinandersetzen. So insze-niert etwa das ›Ich & Du Buch‹ eine faszinierendeKorrespondenz zwischen jeweils zwei SchülerInnenüber Lebensbilder in der Biographie multinationalerFamilien.

Mit dem ›Palast der Vorstadt‹, einem Jugend-kunstprojekt von Kultur Vor Ort, thematisierenJugendliche in überdimensionalen Kopf-KistenOber- und Unterwelten, Traum- und Wirklichkeits-szenarien und gehen Fragen nach Machtverhältnis-

sen und eigenen Gestaltungsmöglich-keiten in einer sozial gespaltenenStadt nach. Nicht ohne Grund standder ›Palast der Vorstadt‹ in Schwach-hausen und inszenierte dort für fast500 Schülerinnen und Schüler eineeindrucksvolle Begegnung.

Kunst mit und für Kinder undJugendliche setzt auf Beteiligung undauf Stärkung der Ausdrucksfähigkeit.Sie begleitet Entwicklungen in sozia-len und künstlerischen Bereichen underöffnet Kindern und Jugendlichenden Zugang zu künstlerischer Produk-tion, kultureller Praxis und gesell-schaftlicher Teilhabe – und ist damitein aktiver Beitrag der StadtkulturBremen zu mehr sozialer Gerechtigkeitin der Stadt.

Mehrere tausend Kinder und Jugendliche arbeiten in den

Kunstwerkstätten der Stadtkultur. Sie malen, tanzen, gehen

ins Theater, bauen Skulpturen und erforschen mit künst-

lerischer Recherche die Geschichte von Einwanderung und

Heimat. Und zeigen, welche Potentiale und kreativen Ideen

in ihren Köpfen stecken.

KU L T U R E L L E B I L D UN GStadtkultur x Bremen 09

Kunst und Kinder

In den Werkstätten und Ateliers von Kubo, Quartier,Kultur Vor Ort, Schlachthof und Kulturhaus Pusdorfbieten die Mitgliedseinrichtungen von StadtkulturBremen eine vielseitige Struktur von künstlerischenund kulturellen Produktionsstätten in der ganzenStadt.

Wohnortnahe Strukturen für Kunst und Kultur

Bei vielen Kooperationen mit Kindergärten und Schulen liegt der Vorteil auf der Hand: Wohn-ort- und schulnah bieten die Einrichtungen derStadtkultur Produktionsstätten, die weder Schulenoch Kita vorhalten können. Lichtdurchflutete Ateliers, Theaterbühnen und Proberäume, die aucham Wochenende und in den Ferien offenstehen –diese Orte der Kinder- und Jugendkunst sind fester Bestandteil des kulturellen Lebens in denStadtteilen.

Sie versorgen insbesondere Quartiere, die durchstrukturelle Problemlagen und größere Entfernun-gen zu den zentralen Kunsttempeln der Stadt eine

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Ein Arbe i ts fe ld , das bei der Entstehung derNeuen Sozialen Bewegungen in den 80er Jahrenquasi in der Luft lag, war die theoretische Fundie-rung und die konkrete Ausformulierung der stadt-teilbezogenen Alltags- und Sozialgeschichte, dievon der akademischen Geschichtswissenschaft oftausgespart oder allenfalls am Rande mitbearbeitetwurde. An der Bremer Universität war diese Formder ›Geschichtsschreibung von unten‹ vielleichtnoch eher als in anderen Städten en vogue, wobeidas Institut für Regionalgeschichte unter der Lei-tung von Inge Marßolek und das Focke-Museumeine positive Rolle spielten.

Zentren dieses neuen Geschichtsbewusstseinswaren die traditionellen Arbeiterviertel Walle, Gröpelingen, Woltmershausen und die Neustadt,beziehungsweise kleinräumiger ausgedrückt dieentsprechenden Quartiere Pusdorf, Buntentor, Lin-denhof und Westend. Das zugrunde liegende Quel-lenmaterial sind überwiegend Fotografien undDokumente aus Privatbesitz nebst den zugehörigenErzählern, die zu den in Dachböden und Kellerngefundenen Schätzen gleich mitgeliefert wurden.

In Historikerdeutsch istdies die ›oral history‹ zuden jeweiligen Fund-stücken. Unzählige Inter-views und Gespräche mitZeitzeugen wurden in denGeschichtswerkstättengeführt, dokumentiertund ausgewertet. GanzeAktenordner zu einzelnenStraßenzügen angelegtund archiviert, wobei diejeweilige Dorfgeschichterekonstruiert wurde.

Diese Archive für eine interessierte Öffentlich-keit zugänglich und nutzbar zu machen, bereiteteallerdings zusätzliche Schwierigkeiten, da jederErinnerungsschnipsel zwar für verschiedene Inhaltebedeutsam war, in seiner materiellen Form abernur einem Thema zugeordnet werden konnte. BeiFotografien bot sich die geographische Zuordnungan, bei den Interviews war der Verweis auf einenOrt nicht mehr gar so eindeutig. Umfangreiche Ton-

mitschnitte von Zeitzeugenge-sprächen mussten hierfür trans-kribiert, ausgewertet und miteinem Index versehen werden.So konnten die Geschichtswerk-stätten ihr Material gezielt bei-steuern, wenn beispielsweise einQuartier einen Jahrestag bege-hen, eine Standortgemeinschaftdie Historie ihrer Geschäftszeiledarstellen wollte oder ein ge- schichtsträchtiger Bau einerneuen Funktion zugeführt wurde.

Wie wichtig diese 30 JahreArbeit waren, zeigt sich heuteunter anderem, wenn von einemneuen Geschichtsbewusstsein inder Bremer Baukultur gespro-chen wird. Die Neueröffnung desBamberger-Kaufhauses als Sitzder Volkshochschule wurde voneiner umfangreichen Ausstel-lung über die Geschichte desGebäudes und des umliegendenStephani-Quartiers begleitet,die ohne die Vorarbeit der Werk-stätten nur schwer zu realisierengewesen wäre. Auch das Hafen-museum im Speicher XI, das dieVorgeschichte der gerade imEntstehen begriffenen Übersee-stadt ausstellt, bedient sich desvielfach ehrenamtlich und in

besseren Zeiten durch ABM-Maßnahmenteilnehmerzusammengestellten Quellenmaterials. Hinter bei-den Projekten steht der Bauunternehmer und Bre-mer Ehrenbürger Klaus Hübotter, der für sein bau-und kulturgeschichtliches Engagement bekannt ist.

Wie Achim Saur vom Geschichtskontor im WallerBrodelpott begeistert feststellt, kommt denGeschichtswerkstätten dabei die digitale Revolu-tion des letzten Jahrzehnts durchaus zupass.Während in den Anfängen Ton-Dia-Shows und Ton-bandcollagen die gängige Form der Veröffentli-chung ihres Materials waren, werden in Kürze mitder Onlinestellung eines Digitalen Heimatmuseumsneue Wege beschritten.

Der weitaus größte Vorteil der Digitalisierungliegt darin, dass der Nutzer oder die Nutzerin in derenormen Menge von Tonbanddokumenten gezieltnach Schlagwörtern suchen kann. Im Zuge diesesProjektes kam es zu einer ersten Zusammenarbeitmit dem Projekt ›Spurensuche – Erinnern für dieZukunft‹, das sich in ähnlicher Form, allerdings lan-desweit, mit der Zeit der nationalsozialistischenHerrschaft und der Judenverfolgung in Bremenbeschäftigt. Wie das Geschichtskontor einräumt,bezeichnet dieser Zeitraum einen methodischbegründeten blinden Fleck in der ›oral history‹, dadiese nur aufnehmen kann, was die Bevölkerung zuerinnern bereit ist: Die Schrecken des Krieges unddie tabuisierte eigene Täterrolle zählen bislangnicht dazu.

Von Seiten linker Historiker ist ihr darum vorge-worfen worden, leichtfertig eine deutsche Wider-standsgeschichte zu zeichnen, die nicht dem Alltagsbewusstsein jener Zeit entspricht. Eine dezi-dierte Beschäftigung mit dieser Epoche und einekritische Auseinandersetzung mit der Erinnerungs-kultur der 50er und 60er Jahre macht die Arbeit der Geschichtswerkstätten auch in der Zukunftspannend.

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Alte Erinnerungen und Neue Medien –Geschichtswerkstätten in Bremen

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Stadtkultur x Bremen 11

Barcelona an der Waterkant

Die , so Züghart, ist das urbane Zentrum dieserStadt und dieses Landes. Diesen öffentlichen Raumgilt es zu bespielen, zentral und dezentral. Hier ent-stehen neben den etablierten immer wieder neueProjekte, die zu einer eigenständigen Kulturformwerden, entwickelt von und mit der Bevölkerung: Eswächst eine vielfältige subkulturelle Identität inBremen, in der Mitte der Stadt, aus den Stadtteilenund Wohnquartieren, aus bestehenden lebendigenStrukturen heraus. Und die sind der Nährboden derStadtkultur, hier liegen ihre Wurzeln und ihrePotentiale.

Historisch betrachtet erzählt sich das dann so:Die Mutter aller Umsonst-und-Draußen-Traditionenist die vor 26 Jahren ins Leben gerufene Breminale(mit ihrem Vorläufer Weserlust). Es folgten so bun-te und stimulierende Feste wie der Samba-Karneval,das Zirkusfestival LaStrada und natürlich dasViertelfest, das von der bierbegleitendenUnterhaltungsmusik erfolgreich umgestaltetwurde zu einem kulturell und musikalischanregenden Eckpfeiler des Bremer Sommer-Erlebens. In jüngerer Zeit kamen Projekte wieBlaumeiers Maskennächte und die neueStrandbühne LichtLuftBad mit dem ZirkusQuantenschaum und dem Kulturfest Stadt-werder dazu, sowie die Gröpelinger Feuer-spuren und das Projekt ›Weserwege – BremerFährtag‹ entlang besagter Uferkante. Ummal eines herauszugreifen:

An diesem Tag ist die gesamte Bremer Fähren- undFahrgastflotte im Einsatz. Unterwegs zwischenWoltmershauser Strand, Martinianleger, Pier2/Waterfront, Europahafen, Holz- und Fabrikenhafenund Lankenauer Höft steuert sie die Weser auf undab – die derweil kräftig bespielt wird. So werden Altund Jung vom Woltmershauser Spiel- und Wasser-garten zum Shantychor an der Schlachte transpor-tiert, zur Radtour durch die Überseestadt, zum Lab-skaus-Essen im Hafenkasino, zur Führung durch dieKaffeerösterei am Holzhafen und zur Modenschauam Europahafen, unter anderem. Und als Botschaftbegleiten Eselreiten, Beach-Tennis, Flohmarkt,Schatzsuche und Sandskulpturenbauen die Visiondavon, wie wichtig und bereichernd eine lebendigpulsierende Verbindung beider Weserufer für dieganze Stadt ist. Initiiert wurde der Bremer Fährtag,

Um es vorneweg zu sagen: Bremen ist kulturell schon jetzt ganz groß. Und auf

dem Weg zu einer Kulturstadt des 21. Jahrhunderts von europäischem Format.

Ihr Herz, so Anselm Züghart vom Kulturzentrum Lagerhaus, und gleichzeitig

der Indikator, an dem sie sich wird messen lassen müssen, sind dabei die

Openair- und Festivaltraditionen. In dieser Liga der urbanen Lebensqualität

trifft die Speckflagge dann auf Städte wie Avignon oder Barcelona und hat –

infrastrukturell betrachtet – dabei vor allem eines zu bieten: Eine Uferkante

von 70 Kilometern.

S o p h i e H e l l g a r d t

der erstmalig 2007 stattfand, von Kultur vor Ort.Die Bespielung des linken Weserufers veranstaltendas Kulturhaus Pusdorf und der Verein Pusdorf amFluss.

Oder ein Beispiel aus Bremerhaven: Hier insze-niert der Kulturladen Wulsdorf alljährlich das›Theatrale Lichterspektakel im SpeckenbüttelerPark‹, ein sinnliches Lichterlebnis, bei dem nebenFeen, Elfen und Irrlichtern auch Lichtinszenier-ungen und -skulpturen sowie Objekte lokaler Künst-lerInnen das Publikum in ihren Bann ziehen.Außerdem beleben diverse Theatergruppen denPark und auch Zirkus- und Tanzgruppen, die mitTon- und Lichteffekten spielen, sind zugegen. Ähn-lich, wenn auch intensiver und kleinräumiger auflebende Figuren ausgelegt, ist die in unregelmäßi-gen Abständen stattfindende Maskennacht, bei derMaskenwesen verschiedenster Altersgruppen denPark bevölkern.

Das Bremer Triple komplettiert die eindrucksvol-le Inszenierung von Moby Dick, die den Alten Fähr-speicher in Vegesack 2008 und 2009 in eine hoch-ozeanische Kulisse verwandelte – mit sprühendenWalfontänen, ohrenbetäubendem Donner undimmer mal wieder auch waschechten Regengüssen.Vom Kuba organisiert war die Veranstaltungwochenlang besetzt bis auf den letzten Platz undzwar – Regen hin oder her – bis zur letzten Minute.

Die bestehenden Festivals – von Breminale undViertelfest bis zu den zahlreichen kleineren unddezentralen Aktionen und Festivitäten – binden inBremen bereits jetzt jährlich so viele Besucher, wiedie Stadt Einwohner hat. Lebensfreude und Flairder Mittelmeerländer wehen einem in den Sommer-monaten auch hier häufig um die Nase. Und um dasauszubauen und voranzutreiben und sich tatsäch-lich zu einer europäischen Kulturstadt zu ent-wickeln, braucht die Stadtkultur neben einer soli-den Ausfinanzierung ihres Grundbedarfs von derPolitik vor allem eines: Einen großzügigen Umgangmit den Regeln und Vorschriften, die einer solchenUrbanität im Weg stehen. Prominentes Stichwort indiesem Zusammenhang: die Sperrstunde. WenigeStunden an einigen Tagen im Jahr wären dochschon mal ein Anfang. Eine Breminale etwa, dienicht nachts um eins die Bürgersteige hochklappt,bringt nämlich nebenbei auch Geld in die Kassender Stadtkultur, das in die Urbanität der Stadtzurückfließt und ein Klima der Kreativität befördert.

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A n d r e a s S c h n e l lDer tägliche Spagat

Viel fa l tDer zentrale Unterschied zur kommerziellen Ver-

anstalterszene einerseits und zur selbstorganisier-ten Jugendzentrumsszene andererseits ist, das istkein Geheimnis, die öffentliche Förderung. Dieermöglicht Veranstaltern wie dem Schlachthof einProgramm, das nicht ständig im Auge haben muss,was sich rentiert und deshalb stets auf Bewährteszurückgreift.

Gewiss: In Zeiten knapper Kassen ist auch hierder Spielraum begrenzt. ›Wenn wir zum Sommerfeststellen, dass wir zu hohe Ausgaben haben, dannversuchen wir, dem beim Booking für die zweiteJahreshälfte entgegenzusteuern‹, erklärt BettinaGeile. Aber grundsätzlich gilt: Kulturzentren gebender Bremer Szene unverzichtbare Impulse. Dazugehören im Falle des Schlachthofs nicht nur Kon-zertreihen wie die ›Roots Nights‹ oder die A-cappel-la-Konzertreihe ›Vocal Heroes‹, sondern auch inter-disziplinäre Veranstaltungen wie das alle zwei Jahrestattfindende Freiland-Festival oder die Old-School-Skate-Session ›Endless Grind‹.

Sozia l verträgl ichZur Arbeit der Kulturzentren gehört aber durch-

aus auch, dem Publikum das Gleiche zu anderenBedigungen anzubieten, was nicht zuletzt heißt:günstiger – auch wenn das Publikum sich dessen oftnicht bewusst ist. ›Wir sehen uns auch ein bisschenals Durchlauferhitzer‹, erklärt Bettina Geile. ›DieBeatsteaks sind ein gutes Beispiel: Die haben erst

in der ausverkauften Kesselhalle gespielt und später dann im Pier 2 und zuletzt in Halle 7.‹ Dieportugiesische Fado-Diva Mariza wäre ein anderesBeispiel: Zweimal sang sie im ausverkauftenSchlachthof, auf ihrer nächsten Tournee füllte siedie Glocke.

Aber ist das nicht frustrierend, wenn man Bandsmit großzieht und die sich ›bedanken‹, indem siebei nächster Gelegenheit zu anderen Veranstalterngehen? ›Nein, das macht eher Spaß, Künstler auf-zubauen. Das ist total spannend‹, findet die Booke-rin. Und ergänzt: ›Es gehört auch zu unserem Auftrag, nicht nach Gruppen zu schauen, die kom-merziell erfolgreich sind, sondern nach Nischen zuschauen, nach Musik, die es unserer Meinung nachwert ist, hier vorgestellt zu werden. Und wir wollendem Publikum Anreize bieten, Neues zu entdecken.‹

Weshalb es auch zum Aufgabenbereich der Boo-ker gehört, sich ständig auf dem Laufenden zu hal-ten, auf Fachmessen, durch Fachmedien und durchzahlreiche Kontakte. Bettina Geile fährt zum Bei-spiel regelmäßig auf die Weltmusikmesse ›Womex‹,Jörg Lochmon pflegt enge Kontakte zur BremerChorszene. Und: ›Wir schauen natürlich auch, wasin anderen Häusern passiert – der Austausch istalso äußerst vielschichtig‹, erklären beide.

Unerlässlich bei der täglichen Arbeit sind auchunterschiedlichste Kooperationen. So veranstaltetRadio Bremen im Schlachthof regelmäßig Konzerte,die mitgeschnitten werden. Je nach Veranstaltung

Was Friseure können, können nur Friseure, hieß einmal ein Slogan der ein-

schlägigen Innung. Und was Kulturzentren können, können eben nur Kulturzen-

tren. Konzerte veranstalten, zum Beispiel. Aber es gibt da ein paar feine und

gar nicht mal so kleine Unterschiede. Etwa, ob eine Band im Lagerhaus, im

Schlachthof oder im Kulturbahnhof spielt oder in Halle 7, Pier 2 oder Aladin.

Im Gespräch mit Bettina Geile und Jörg Lochmon vom Schlachthof wollten

wir herausfinden, welche das sind.

arbeitet das Zentrum auch mit dem Institut Françaisoder dem Instituto Cervantes, Funkhaus Europa undder Jazzmesse ›Jazzahead‹ zusammen.

Zum MitmachenUnd schließlich stehen die Kulturzentren auch

Menschen offen, die selbst etwas tun wollen. Dafürstellt das Veranstaltungsbüro des Schlachthofs einprofessionelles Umfeld zur Verfügung und steht mitRat und Tat zur Seite. ›Das heißt, wenn Schüler beiuns ein Stück auf die Bühne bringen wollen, unter-stützen wir sie bei der Produktion‹, sagt JörgLochmon. ›Sie werden von unseren Technikernunterstützt, wir helfen ihnen bei Pressearbeit undWerbung. Und es gibt im Schlachthof auch Nach-wuchswettbewerbe.‹ Natürlich wird auch bei Nut-zern von draußen immer das Profil des Hauses imAuge behalten: ›Erstmal überlegen wir, was hierreinpasst und was nicht. Wir haben bestimmteSchwerpunkte‹, erläutert Geile. ›Wir bieten Konzer-te an, aber auch Jugend- und Kindertheater, Lesun-gen, es findet Tanztheater statt und es gibt Comedy-Abende.‹

Auch bei Fremdveranstaltungen ist wichtig, dassdie Künstler zum Hause passen. DSDS-Superstarsgehören da eher nicht dazu, politisch Dubiosesnatürlich auch nicht. Rock, Alternative, Punk, Hardcore, Weltmusik (›Roots Nights‹), die A-cappel-la-Reihe ›Vocal Heroes‹, gelegentlich auch maletwas Kammermusikalisches, das sind die Schwer-punkte des Veranstaltungsbereichs im Schlachthof.Und schließlich werden im Zentrum auch noch Ver-anstaltungskaufleute und -techniker ausgebildet.

In anderen Worten: Bremens Kulturlandschaftwäre ohne seine Kulturzentren nicht so vielfältigwie sie ist. Denn natürlich bietet nicht nur derSchlachthof eine große Bandbreite von Veranstal-tungen: Auch im Kito und im Kulturbahnhof, imLagerhaus und an vielen anderen Orten findenMusik, Kabarett, Lesungen und was es noch so allesgibt eine Bühne.

Immer auch e in SpagatAlso alles in Butter? Nun ja. Der Anspruch, auch

für ein Nischenpublikum Programm zu machen undunbekanntere Künstler zu fördern, steht im Wider-spruch zu der Notwendigkeit, Einnahmen zu erwirt-schaften. ›Diesen Spagat machen wir tagtäglich‹,gibt Geile zu. ›Und er wird insofern immer heftiger,als dass die Gelder nicht mehr werden. Im Grundewerden sie weniger, weil die Förderung gleich bleibt,aber die Kosten steigen.‹

12 Stadtkultur x Bremen

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Stadtkultur x Bremen 13

Jetzt hat’s alle erwischt … geschlechtergerecht ins 21. Jahrhundert?

Die Verwandlungskünst ler in theal i tJährlich schreibt thealit thematisch konzi-

pierte Projekte aus, denen ein sogenannter›Call for Papers‹ vorausgeht. Künstlerinnenund Wissenschaftlerinnen reichen Konzepte,Buchprojekte und Kunstwerke zu einer The-matik wie z. B. ›Was ist Verrat?‹ ein. Die Kuratorin-nen des jeweiligen Laboratoriums, wie thealit dieseProjekte nennt, wählen aus, konzipieren und orga-nisieren zusammen mit dem Projektteam. Zudemwerden Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnenangefragt, deren Positionen für die Thematikbedeutend sind.

Es gibt keinen festen Veranstaltungsort für die thealit-Projekte. Das Prinzip Zwischennutzungkommt hier ständig zur Anwendung, ob ein ehema-liger Werderfanshop zur Galerie wird oder ein leer-stehendes Kaufhaus zur Partylocation avanciert.Durch ein eigenes Design, einen eigenen Webauf-tritt und eine abschließende Dokumentationerfährt jedes Projekt auch formal eine individuelleGestaltung. thealit wendet sich nicht nur an dasklassische Kunst- und Wissenschaftspublikum, son-dern einfach auch an Neugierige, an Theorie- undThemenbegeisterte über Bremens Grenzen hinaus.

Der thealit Verlag ist das zweite Standbein der Einrichtung, er gibt die Dokumentation der Pro-

jekte sowie zwei eigene Schriftenreihen, die Labor-theorie und das queerlab, heraus. Im queerlab wer-den experimentelle, literarische und bildnerischeArbeiten präsentiert, die Geschlechter_un_ordnun-gen thematisieren.

Im Oktober 2011 feiert thealit sein 20-jährigesJubiläum mit einer Party im Rahmen des neuen Pro-jekts: ›Quite Queer Festival‹. Eine große internatio-nale Konferenz mit einem Film-, Kunst- und Perfor-mance-Festival findet im November 2012 statt.Freundschaft und Queerness sind die Themenkreise,die hier miteinander verbunden werden.

Engagement, Innovat ion und Kont inuität :bel ladonna

Seit über 20 Jahren befindet sich belladonna in der Sonnenstraße im Viertel und setzt Schwer-punkte in den Bereichen: Kultur, Bildung, Wirt-schaft und Archiv. Die verschiedenen Lebenszusam-menhänge und Sichtweisen von Frauen stehen hierim Mittelpunkt, anders als bei den meisten Bil-

dungs- und Kulturein-richtungen. Für dieKreativwirtschaft be-deutet dies, dass bella-donna kreative Frauenauf ihrem indi-viduellen Weg zur Geschäf tsgründungbegleitet. Dieses Coa-ching bringt Frauenunternehmer i schesHandeln näher. DieKombination von Kulturund Wirtschaft speziellfür Frauen ist einAlleinstellungsmerkmalin Bremen. Auch für die

kulturelle Bildung von Frauen setzt belladonna Zei-chen. Frauen, die in der Geschichte wenig Erwäh-nung finden wie Ida Kerkovius oder Elizabeth Gur-ley Flynn, werden in Ausstellungen, Vorträgen undKunstgesprächen gewürdigt. Dem Frauenarchiv undDokumentationszentrum im belladonna kommtdabei eine entscheidende Rolle zu. Mit über750.000 systematisierten Presseartikeln – eine Ein-maligkeit in Nordeuropa – stellt es eine wertvolleQuelle an Wissen von und über Frauen dar. DasArchiv ist seit April 2011 online zugänglich – einzukunftsweisender Schritt. Seitdem können dieNutzerinnen und Nutzer problemlos auch von zuHause aus vor allem Fachliteratur sowie Diplom-und Examensarbeiten recherchieren. Ebenso prä-sentiert belladonna aktuelle weibliche Vorbilder aufseinen Podien. Im Mai diskutieren beispielsweiseregionale und internationale Gäste vor dem Hinter-grund der Fußball-WM der Frauen die gesellschaft-liche Dimension von Frauenfußball. Bald kann bel-ladonna auf ein Vierteljahrhundert zurückblicken,denn 2013 wird Jubiläum gefeiert.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede belladonna und thealit verbindet die Tatsache,

dass sie explizit Frauen in den Vordergrund stellen.Auf ihren Podien, in den jeweiligen Seminaren undKursen oder in den Ausstellungen steht der weibli-che Blickwinkel im Mittelpunkt und fast ausschließ-lich Frauen haben hier das Wort: bei thealit in denBereichen Kunst, Medien und Wissenschaft, bei bel-ladonna in den Bereichen Kultur, Archiv, Bildung,Existenzgründung und Kreativwirtschaft.

Gerade in Zeiten von Quotendiskussionen sind und bleiben Geschlechterverhältnisse ein gesellschaftlich

relevantes Thema. Seit vielen Jahren stellen belladonna, Kultur-, Kommunikations- und Bildungszentrum

für Frauen, und thealit frauen.kultur.labor öffentlich Fragen zur Geschlechterdifferenz und machen Frauen-

standpunkte in Bremen und darüber hinaus sichtbar. Beide Einrichtungen sind wichtiger Bestandteil von

Stadtkultur Bremen. Allerdings setzen sie an unterschiedlichen Punkten an, um Geschlechterverhältnisse in

den jeweiligen gesellschaftlichen

Diskussionen bewusst zu machen.

Was macht das Angebot dieser

beiden Einrichtungen aus, was ver-

bindet und was unterscheidet sie?

A n n e B e e l

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1 belladonnaKultur-, Kommunikations- und Bildungszentrum für FrauenSonnenstraße 828203 Bremenwww.belladonna-bremen.de

2 Bürgerhaus Oslebshausen Am Nonnenberg 4028239 Bremenwww.buergerhaus-oslebshausen.bre-mer-buergerhaeuser.de

3 Bürgerhaus WeserterrassenOsterdeich 70b28205 Bremenwww.weserterrassen.com

4 Haus im Parkam Klinikum Bremen-Ost gGmbHZüricher Straße 4028325 Bremenwww.kulturensemble-bremen.de

5 DOKU BlumenthalHeidbleek 1028779 Bremenwww.doku-blumenthal.de

6 KUBO Kunsthaus in BremenBeim Paulskloster 1228203 Bremenwww.kubo.de

7 Kultur Büro Bremen Nord gGmbHHermann-Fortmann-Straße 3228759 Bremenwww.kulturbuero-bremen-nord.de

8 Kulturhaus PusdorfWoltmershauser Straße 44428197 Bremenwww.kulturhaus-pusdorf.de

9 Kulturhaus Walle e.V.Schleswiger Straße 428219 Bremenwww.kulturhauswalle.de

10 Kulturladen GrünhöfeAuf der Bult 527574 Bremerhavenwww.dlz-gruenhoefe.de

11 Kulturladen HuchtingHaus G, 1. Stock, Amersfoorter Straße 828259 Bremenwww.kulturladen-huchting.de

12 Kulturladen Wulsdorf/LeheHeidacker 1327572 Bremerhavenkwww.kulturladen-wulsdorf.de

13 Kultur Vor 0rt e.V. im Torhaus Nord LiegnitzStraße 63 28237 Bremenwww.kultur-vor-ort.com

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14 Kulturwerkstatt westendWaller HeerStraße 294 28219 Bremenwww.westend-bremen.de

15 Kulturzentrum LagerhausSchildstraße 12–19 28203 Bremen www.kulturzentrum-lagerhaus.de

16 Kulturzentrum Schlachthof e.V.Findorffstraße 51 28215 Bremenwww.schlachthof-bremen.de

17 Künstlerhaus BremenAm Deich 68/6928199 Bremenwww.kuenstlerhausbremen.de

18 thealitFRAUEN.KULTUR.LABOR

Im Krummen Arm 128203 Bremenwww.thealit.de

Stadtkultur Bremen e.V. interkulturbelladonnakultur vor ortquartier lagerhauskulturladen huchting

festivals | ortsbespielungenkulturhaus pusdorfkultur vor ortkulturbüro bremen nordlagerhausschlachthofkulturladen wulsdorf

stadtteil : geschichte doku blumenthalkultur vor ortkulturhaus walle

kultur für kids (junge kultur?)bgh oslebshausenquartier kultur grünhöfekultur vor ortkubobgh weserterrassenschlachthof

Quartier gemeinnützige GmbH:

19 Quartier in Findorffact – onstage – backstageBayreuther Straße 14 28215 Bremen

20 Quartier in TeneverOtto-Brenner-Allee 46 28325 Bremen

21 Quartier in KattenturmTheodor-Billroth-Straße 5 28277 Bremenwww.quartier-bremen.de

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theaterschlachthofkulturladen wulsdorf

medien schlachthoflagerhauswestendkulturladen grünhöfe

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