Hinduismus - Werkstatt der Kulturen · „Wie also soll die geistige Bildung gegeben wer-den? Ich...

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„Wie also soll die geistige Bildung gegeben wer- den? Ich ließ die Kinder Hymnen auswendig lernen und rezitieren und las ihnen aus Büchern über moralische Erziehung vor. Doch das genügte mir bei weitem nicht. Als ich mit ihnen in engere Berührung kam, merkte ich, dass man die Bildung des Geistes nicht durch Bücher vermitteln kann. Ebenso wie körperliche Ausbildung durch Leibes- übung erfolgen muss, konnte die Übung des Geistes nur durch die Übung des Geistes geschehen. Und die Übung des Geistes hing ab vom Leben und Charakter des Lehrers... Ich erkannte also, dass ich ständig für die Jungen und Mädchen, die bei mir lebten, ein Musterbeispiel sein musste. So wurden sie meine Lehrmeister, und ich lernte, dass ich gut und streng leben müsse, sei es auch nur ihretwegen.“ Mahatma Gandhi, 1896-1948, Führer der indischen Unabhängigkeitsbewegung. Die Idee des gewaltlosen Widerstands ist über Indien hinaus mit dem Wirken Gandhis verbunden. Seine Lebenshaltung und seine politischen Aktivitäten waren tief verwur- zelt in seinem religiösen Glauben. ? Gibt es im Hinduismus Rituale, die das Erwachsenwerden begleiten? Es gibt Zeremonien nach der Geburt, für die erste feste Mahlzeit und den Schulanfang. Konfirmation oder Taufe, so etwas gibt es im Hinduismus nicht. Die Erwachsenen sind für uns selbst wie ein Gott. Erst wenn wir heiraten, können wir uns selbstständig machen. Bis dahin sind wir abhängig von unseren Eltern, vor allem in Bezug auf die wirtschaftliche Situation. (...) ? Sind nicht ganz bestimmte Rituale aus der Religion heraus nur für die Mädchen bestimmt? Die werden von Frauen durchgeführt. Für die Mädchen wird ein großes Fest veranstaltet: das Pubertätsfest, das machen wir hier in Deutschland auch. Es findet zu Hause statt, nicht im Tempel. Während der Regelblutung gilt sie als unrein und darf deshalb nicht in den Tempel. Man kann auch einen größeren Saal mieten und da feiern. Ein Priester vollzieht das Ritual, danach gibt es das Fest. Das ist so wie eine Hochzeit ohne Bräutigam. (...) ? Das ist für die Tochter.Was gibt es für den Sohn? Den Sohn? Für ihn gibt es kein Fest, wenn er in die Pubertät kommt. In bestimmten Kasten gibt es jedoch eine Art Initiation für Jungen. Sie ist ver- bunden mit der ersten Unterrichtsstunde im Studium der Veden. Hier lernt er die Verse des Gayatri Mantra auswendig, die er sein Leben lang rezitieren sollte. Hierfür wird den Jungen eine Baumwollschnur überreicht, die schräg über der Schulter getragen wird. ,Ich erkannte also, dass ich ständig für die Jungen und Mädchen, die bei mir lebten, ein Musterbeispiel sein musste. So wurden sie meine Lehr- meister, und ich lernte, dass ich gut und streng leben müsse, sei es auch nur ihretwegen.‘ Hinduismus Darstellung beider Geschlechter in einer Gottheit Die Gottheiten Lakshmi (Reichtum), Saraswati (Wissen), Ganesha (Glück), Durga (Kraft) und Vishnu (Erhaltung), sowie rechts Brahma (Schöpfung) Respekt Wer oder was genießt aus Ihrer Sicht den höchsten Respekt? Die Güte, dass man ein guter Mensch ist. Einige würden sagen, ein gläubiger Mensch, der nach den vorgeschriebenen Regeln lebt. Egal wer es ist, ältere Leute müssen wir respektieren.

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„Wie also soll die geistige Bildung gegeben wer-den? Ich ließ die Kinder Hymnen auswendig lernenund rezitieren und las ihnen aus Büchern übermoralische Erziehung vor. Doch das genügte mirbei weitem nicht. Als ich mit ihnen in engereBerührung kam, merkte ich, dass man die Bildungdes Geistes nicht durch Bücher vermitteln kann.Ebenso wie körperliche Ausbildung durch Leibes-übung erfolgen muss, konnte die Übung des Geistesnur durch die Übung des Geistes geschehen. Unddie Übung des Geistes hing ab vom Leben undCharakter des Lehrers... Ich erkannte also, dass ichständig für die Jungen und Mädchen, die bei mirlebten, ein Musterbeispiel sein musste. So wurdensie meine Lehrmeister, und ich lernte, dass ich gutund streng leben müsse, sei es auch nur ihretwegen.“Mahatma Gandhi, 1896-1948, Führer der indischen Unabhängigkeitsbewegung.Die Idee des gewaltlosen Widerstands ist über Indien hinaus mit dem Wirken Gandhisverbunden. Seine Lebenshaltung und seine politischen Aktivitäten waren tief verwur-zelt in seinem religiösen Glauben.

? Gibt es im Hinduismus Rituale, die dasErwachsenwerden begleiten?

Es gibt Zeremonien nach der Geburt, für die erste feste Mahlzeit und den Schulanfang.Konfirmation oder Taufe, so etwas gibt es imHinduismus nicht. Die Erwachsenen sind für unsselbst wie ein Gott. Erst wenn wir heiraten, könnenwir uns selbstständig machen. Bis dahin sind wirabhängig von unseren Eltern, vor allem in Bezugauf die wirtschaftliche Situation. (...)

? Sind nicht ganz bestimmte Rituale aus derReligion heraus nur für die Mädchen bestimmt?

Die werden von Frauen durchgeführt. Für dieMädchen wird ein großes Fest veranstaltet: dasPubertätsfest, das machen wir hier in Deutschlandauch. Es findet zu Hause statt, nicht im Tempel.Während der Regelblutung gilt sie als unrein unddarf deshalb nicht in den Tempel. Man kann aucheinen größeren Saal mieten und da feiern. EinPriester vollzieht das Ritual, danach gibt es das Fest.Das ist so wie eine Hochzeit ohne Bräutigam. (...)

? Das ist für die Tochter. Was gibt es für den Sohn?

Den Sohn? Für ihn gibt es kein Fest, wenn erin die Pubertät kommt. In bestimmten Kasten gibtes jedoch eine Art Initiation für Jungen. Sie ist ver-bunden mit der ersten Unterrichtsstunde imStudium der Veden. Hier lernt er die Verse desGayatri Mantra auswendig, die er sein Leben langrezitieren sollte. Hierfür wird den Jungen eineBaumwollschnur überreicht, die schräg über derSchulter getragen wird.

,Ich erkannte also,dass ich ständig für

die Jungen undMädchen, die bei

mir lebten, einMusterbeispiel seinmusste. So wurden

sie meine Lehr-meister, und ich

lernte, dass ich gutund streng leben

müsse, sei es auchnur ihretwegen.‘

Hinduismus

Darstellung beiderGeschlechter in einer

Gottheit

Die GottheitenLakshmi (Reichtum),Saraswati (Wissen),Ganesha (Glück),Durga (Kraft) undVishnu (Erhaltung),sowie rechts Brahma(Schöpfung)

RespektWer oder was genießt aus IhrerSicht den höchsten Respekt?

Die Güte, dass man ein guterMensch ist. Einige würden sagen,ein gläubiger Mensch, der nachden vorgeschriebenen Regeln lebt.

Egal wer es ist, ältere Leute müssen wir respektieren.