Hinter den Worten steht eine ganze Welt - dialektverein.de · ter Dialekt als Forschungsge-genstand...

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In meiner Kindheit galt Platt als „unfein“, wir durften es nicht sprechen. Zum Glück – hoffentlich nicht zu spät – ist das heute anders. Aber ohne die Mühe vieler Enga- gierter wie dem Dialektver- ein Hinterland ist der Dialekt nicht zu retten. Sprechen Sie Platt, damit es überlebt. Schwätz mol Von Martina Koelschtzky (0 64 21) 1 69 99 11 [email protected] „Aich schwätze platt, weil aich dos vo klee off gelernt hu. En Platt kann mer vieles genauer beschreiwe. Mees- dens denge aich each en Platt.“ Wolfgang Eckel, Schulleiter der Grundschule Holzhausen Von Paul Christ, Hartenrod Willem: Etz erzehl mir doch emol, Heinrich, wu du dich en de letzte Zeit oweds immer rim treibst. Ich sehe dich kirz vier 10 med deim Auto fortfohrn en da kirz no 10 werre komme … Heinrich: Doas es ganz eefach: ich fohrn da noch emol zoum naue Einkaufszentrum; dej hu doch etz bes 10 oweds off. Willem: Kannst du nit doagsewwer dro denke, woas du ennkääfe misst? Heinrich: Dodrim gitt´s doch nit, Willem. Ich will doch nur sehe, ob dej wirklich wej en dene gruße amerikanische Städte so lang off hu. Willem: Na ja, ich wääß jo nit … Heinrich: Doas es doch e prima Sache. Ich hu gehirrt, die Planunge gieh sogoar dohie, doass vier Chresdoag die Geschäfte 24 Stonn off sei senn. Willem: Ei, da kennt mer doch gleich en Doag off 25 Stonn verlängern .. Heinrich: Etz ewwertreibst du owwer, Willem. 24 Stonn sei zoum Ennkääfe doch wirklich genung. Willem: Dej zusätzliche Stonn es nierich, weil mer no rond em die Auer ennkääfe, mindestens e Stonn braucht, im werre zou Verstaand ze komme. Offgewosse offm Därf Ach du läiwe Zaat De Ewwerschrift elleh died schu schegge, weil eigentlich jeder wäes woes domet ge- mend äes. Ach du läiwe Zaat, wej hod sich de Welt gewanelt. Entweder mer schwimmt me- rem Strom ewwer nid. Doud mer does nid, blad mer off der Strecke. De ganze Welt äes ver- netzt; en eh poor Minute äes mer med de Verwandte en Amerika verbonne. Mer kann segor en Bilder me- rem Handy meneh schwetze. Des Brejweschrawe woerd baa- le umodern, weil jeder eh Tele- fon hod on en der ganze Welt telefoniern kann. Schallblatte, Kassette, alles äes umodern, selbst aich kom- me do naud mie med. Des Ässe kann mer med Funk koche on wann mer da de Owed vo der Ärwed kimmt, brouch mer nur noch der Desch ze daigge. Der Wosch woerd gedreggelt, nur des Bijen macht noch Proble- me. Bam Enkäfe nur noch der Code engewwe, kenn Mensch wäes noch woes der enzene Poste kost. De Kassiererin häd oecht Stonn nur noch der Sommton vom Skenner. Lär- che Flasche wenn en Sekunde kleegeschnippelt. Zigarette gids nur noch off Personalaus- weis. Bam Tanke der Schlouch nen on läfe lässe, musst nur im- mer genung Geld ewwer daj Korte debaj hu. Alles kann mer med der Korte käfe, nur wann der Monat rim äes, da herrscht Ebbe offm Konto. Frejer mochste mol der Radio oh Frejer mochste mol der Ra- dio oh on diesd der Hessische Rundfunk hern, haure fährt kee Auto mie uhne Radio. Mu- sik bam Enkäfe, en der Fußgän- gerzone, bam Boxe on offm Sportplatz sej de Trommler. En de Werbung eh Glitzerwelt, gruße Autos, Orläb inner Pal- me; alles woerd em do schmackhaft gemoecht. Ewwer does Liewe äes anischder on do kimmt manch enner nid med. Wej sinn do de jonge Leure en der Welt zera- icht komme. Offm Därf gid does noch, ewwer fier de jonge Leure äes hej su ze saa „tote Ho- se“. Dej zigts da en dej Schein- welt en de Stoadt on da seh se äech en, des does doch alles anischder äes, wej se sich doas virgestahlt hu. Von Margret Pfeifer, Mornshausen/D. Magólwes m., der Name Markolfus für die Gestalt des Spötters in der deutschen mit- telalterlichen Literatur ist übertragen auf den „Eichelhä- her“, der die Stimmen anderer Vögel spottend nachahmt und ist als volkstümliche Bezeich- nung dafür in Hessen weit ver- breitet. Matérje w. (mhd matërje, lat. mÿteria), ist die heute ver- altete Bezeichnung für „Eiter“. Der einstige Fachausdruck der Ärzte früherer Zeiten hat als „gesunkenes Sprachgut“ in den Mundarten überlebt. Schon mhd. hat Materie auch die Be- deutung „Flüssigkeit im Kör- per, besonders Eiter“. Matte w. (mhd. matte „Käse- matte“), ist der entmolkte Rückstand der entrahmten sauren Milch nach dem Gerin- nen. Nach dem Ablaufen der Molke aus einem feinmaschi- gen Sieb oder Leinentuch, diente die Matte als Belag auf dem Mattekuche oder wurde zu Handkäse oder Schmierkäse hergerichtet und überall gerne gegessen. Wörter, die nicht im Duden stehen 15. Folge der Begriffssammlung: „Magolwes“ bis „Mutzen“ Meckes m., gilt als grobes Schimpfwort für eine „durch- triebene, hinterlistige, bösarti- ge männliche Person“. Dazu das weibliche Pendant Me- ckesmensch s., meckesig „hin- terhältig, bösartig, garstig“. „Meckes“ ist auch ein wildes Kind Meckesigkeit, „hinterhälti- ges,bösartiges Tun“. Weniger abwertend ist Meckes für ein „raffiniertes, zu Streichen auf- gelegtes Kind“. Ursprünglich bezeichnete man als Meckeser das fahrende Volk unterster so- zialer Abstufung, das auch mit Töpferwaren handelte. Geblie- ben ist der Name Meckes für den Siegerländer Kaffekessel. Meste w. (mhd. meste w.) 1. „Hohlmaß für Getreide“; 2. „Holzgefäß als Fruchtmaß“, in der Form einem Getreidesieb ähnlich. Nach der Neuordnung der Maße im Jahre 1817 beträgt 1 Simmer = 1 Meste = 32 Liter, was etwa 22 kg Korn, 19 kg Gerste und 15 kg. Hafer ent- spricht. Metzelsuppe w. (mhd. met- zeln „schlachten“) Gastmahl, Schlachtfest nach dem Schwei- neschlachten, bei dem Würste- suppe zum Verzehr angeboten wird. So hieß es z.B. „ich war auf der Metzelsuppe“ oder „ich komme/gehe auf die Metzel- suppe“. Metzgersgang m. vergebli- cher, zweckloser Geschäfts- gang, wie er bei Metzgern, die Schlachtvieh kaufen wollten, öfter vorkam. morn (mhd. morn) morgen, am folgenden Tag. Das Adverb ist schon in mhd. Zeit aus „mor- gen“ zusammengezogen wor- den und bildet mit „zu“ = „ze“ die üblichen idiomatischen Verbindungen „morn ze Mor- gen“/ „morn ze Mittag“/ „morn ze Un(t)ern“/ „morn ze Abend“/ „morn ze Nacht“. Das schrift- sprachliche Adjekt. „morgig“ gibt die Mundart mit „morn der Tag“/ „morn die Nacht “ wie- der. multern (mhd. multer s. „Mahllohn“) Mahllohn abneh- men. Das bedeutet, der Müller behält für das Mahlen des Ge- treides anstelle Barzahlung ei- nen Anteil am Mehl oder Ge- treide als Naturallohn ein. So hieß es „wir bezahlen nicht, wir lassen multern“. Das zu- grundeliegende Substantiv „Multer/ Molter“ wurde mir in Wallau nicht bezeugt. „Mus“ gibt es für jeden Geschmack Mus s. (mhd. muos) breiarti- ge Speise, Gemüse, aus Pflan- zenblättern oder Früchten ge- kocht; Das Simplex ist üblich anstelle ssprl. „Gemüse“. „in grün Mus“ als „Wildgemüse“, Melde(=Mille)mus: Art Spi- natgemüse, Köl(=Kel)mus: Grünkohlgemüse, Stiel(=Stel)mus: Rübstielge- müse, dazu sauer Mus: Sauer- kraut, Quetschemus, Bir- nen(Beern)mus und Musbutter w., mit Mus bestrichene Brot- scheibe. Mutzen m. (mhd. mutzen „schmücken, putzen“) Ärmelja- cke, -wams„ zur Frauentracht des Obergerichtes Breiden- bach, aus grünem oder schwar- zem Tuch gefertigt und unter dem Rock getragen. Unter- scheidend heißt dort die ge- strickte Jacke Wamst, was im Untergericht Breidenbach glei- chermaßen für die Tuchjacke wie die gestrickte Jacke gilt. von Hansheinrich Roßbach , Wallau Heinrich Dingeldein erforscht heimische Sprache Dingeldein ist mit Leib und Seele Sprachforscher. Selbst auf dem Dorf im Odenwald auf- gewachsen, war es für ihn eine Überraschung, als er in Mar- burg einen Professor des Sprachatlas kennenlernte und feststellte, „dass mein verpön- ter Dialekt als Forschungsge- genstand wichtig war.“ Hinter denWorten steht eine ganzeWelt Dingeldein bekam eine Hilfskraftstelle am Institut und widmet sich seither der heimi- schen Sprache. Sprache begeis- tert ihn: „Hinter den Worten steht eine ganze Welt“. sagt er. „L“ bis „Z“ kommt jetzt ins Internet, „A“ bis „K“ wird gleich digital erarbeitet Sein jüngstes Projekt ist die Digitalisierung des Hessen- Nassauschen Wörterbuchs. 1911 von der Preußischen Aka- demie der Wissenschaften ge- gründet, wird im Institut seit- her das Mittelhessische, aber auch das Osthessische aus der Gegend um Fulda, das Nieder- hessische der Schwalm, die niederdeutsche Sprache aus der Gegend um Korbach bis Wolfhagen und das Moselfrän- kische im südwestlichen Wes- terwald um Hachenburg er- forscht. „Die Aufteilung richte- te sich nach den politischen Grenzen der damaligen Zeit“, erklärt er die Vielfalt der hier behandelten Dialekte. „Es ist ein großer Vorteil, dass wir die Erhebungen seit 1911 haben, als es noch eine ortsloyale bäuerliche Gesell- schaft gab“, sagt er. Seither sei viel verloren gegangen, weil sich die Gesellschaft verändert habe. „Die Menschen sprechen so, wie die anderen, mit denen sie leben und arbeiten“, erklärt er. Durch Mobilität und allein 20000 Pendler aus dem Land- kreis müsse sich die Sprache vereinheitlichen. Am Anfang wurden die Men- schen gefragt,wie die Teile ei- nes Ackerwagens im Dialekt heißen oder welche Wildkräu- ter auf den Äckern wachsen. „Bei solchen Alltagsdingen gibt es einen reichen Wortschatz im Dialekt“, berichtet Dingeld- ein. Seit 1980 werde auch die heutige Alltagssprache erfasst, um den Sprachwandel zu doku- mentieren.In Zusammenarbeit mit anderen Wörterbüchern wie dem Grimmschen oder dem Rheinischen Wörterbuch zu finden. Der Teil „A-K“ wird gleich digital erstellt und ist damit sofort nach Entstehung abrufbar – und von Lesern kor- rigierbar. „Wir sind schließlich nicht unfehlbar“, begrüßt Din- geldein diese Möglichkeit. Marburg (ky). „Ohne die Menschen, die mir etwas er- zählt haben, hätte ich nicht ar- beiten können“. Professor Heinrich Dingeldein von der Marburger Universität er- forscht seit 1975 im „Hessen- Nassauschen Wörterbuch“ die Dialekte der Region. Jetzt wer- den seine Ergebnisse ins Inter- net gestellt. „So kann ich den Menschen etwas zurückgeben, ohne dass sie teure wissen- schaftliche Wörterbücher kau- fen müssen“. freut er sich. mit dem „Kompetenzzentrum für elektronische Publikations- verfahren“ der Universität Trier werden derzeit die Buch- staben „L“ bis „Z“ des Wörter- buchs ins Internet gestellt. Auf der Oberfläche „LARGIS“ (Lan- desgeschichtliches Informati- onssystem) sind sie ab Anfang nächsten Jahres zusammen Mit einem Fernblick vom Herkules über das im Morgen- dunst liegende Kassel hat die diesjährige Sprachreise des Vereins „Dialekt im Hinter- land“ begonnen. Besucht wur- den das Gebrüder Grimm-Mu- seum und der Pfarrer von Met- ze. 1814 bezogen die Brüder Ja- cob und Wilhelm zusammen mit ihrer Schwester Charlotte eine Wohnung im nördlichen Torhaus des Wilhelmshöher Tors, wo sich heute das Muse- um der Brüder Grimm befin- det. Nicht nur als Märchen- sammler sind die beiden be- kannt. Von großer Bedeutung sind auch ihre bahnbrechen- den Leistungen auf den Gebie- ten der germanischen Sprach- und Literaturwissenschaften, der Rechts-, Geschichts- und Mythenkunde sowie ihr politi- sches Wirken für Deutschland und Europa. Sprache und Politik verbinden Das in Kassel 1838 begonne- ne „Deutsche Wörterbuch“, das den gesamten neu-hoch- deutschen Wortschatz von Lu- ther bis Goethe erfassen sollte, krönte die wissenschaftliche Leistung der Brüder Grimm. Das „Grimmsche Wörterbuch“, von dem zu Lebzeiten der Brü- der Grimm nur die Stichwörter „A“ bis „Frucht“ vollendet wur- den, umfasste 1960 nach seiner Fertigstellung 16 Bände in 32 Teilbänden. Bis heute stellt dieses Werk eine der großen Leistungen der europäischen Sprachwissenschaft dar. Politisch haben die Brüder Grimm die Freiheit des Einzel- nen zur Grundlage ihres Han- delns gemacht. Die Politik soll- te dem Recht und niemals das Recht der Politik angepasst werden. Einheit, Recht und Freiheit im politisch zerrisse- nen Deutschland schienen nur über das Bewusstsein einer ge- meinsamen Sprache und Kul- tur erreichbar. Dazu haben die Brüder Grimm nicht nur mit ih- ren Arbeiten beigetragen.: Ja- cob Grimm, wurde 1848 als Ab- geordneter in die verfassungs- gebende Versammlung des ers- ten deutschen Nationalparla- ments in der Frankfurter Pauls- kirche berufen. Sein dort ge- stellter Antrag hat, obwohl er damals abgelehnt wurde, bis heute nichts von seiner Aktua- lität eingebüßt: „Das deutsche Volk ist ein Volk von Freien, und deutscher Boden duldet keine Knechtschaft. Fremde Unfreie, die auf ihm verweilen, macht er frei“. Gerade weil sie die Geschich- te ihres eigenen Volkes kann- ten, war ihr Verhältnis zu an- deren Ländern und Kulturen sehr aufgeschlossen (der zwei- te Teil des Berichts folgt in der nächsten Ausgabe). Wir besuchen die Brüder Grimm Sprachreise nach Kassel und Metze/ ErsterTeil Von Jürgen Schneider Weifenbach Gemorje Hennerlaand Ausgabe 15, Herbst 2007. Sonderdruck der Zei- tungsgruppe Lahn-Dill. 131---V0 11.12.2007 17:46:29 hennerland1 „Sprache ist ein wunderbares Aufgabenfeld” sagt Professor Heinrich Dingeldein vom Hessen-Nas- sauschen Wörterbuch. (Foto: Koelschtzky) Das Grimmsche Wörterbuch im Kasseler Museum. (Foto: Privat) Mund-Art De Heinrich en de Willem

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In meiner Kindheit galtPlatt als „unfein“, wir durftenes nicht sprechen. Zum Glück– hoffentlich nicht zu spät –ist das heute anders. Aberohne die Mühe vieler Enga-gierter wie dem Dialektver-ein Hinterland ist der Dialektnicht zu retten. Sprechen SiePlatt, damit es überlebt.

Schwätz mol

Von Martina Koelschtzky(0 64 21) 1 69 99 [email protected]

„Aichschwätze platt,weil aich dos voklee off gelernt

hu. En Platt kann mer vielesgenauer beschreiwe. Mees-dens denge aich each enPlatt.“

Wolfgang Eckel, Schulleiterder Grundschule Holzhausen

Von Paul Christ, Hartenrod

Willem: Etz erzehl mir doch emol, Heinrich, wu du dich ende letzte Zeit oweds immer rim treibst. Ich sehe dich kirz vier10 med deim Auto fortfohrn en da kirz no 10 werre komme …Heinrich: Doas es ganz eefach: ich fohrn da noch emol zoumnaue Einkaufszentrum; dej hu doch etz bes 10 oweds off.Willem: Kannst du nit doagsewwer dro denke, woas duennkääfe misst?Heinrich: Dodrim gitt´s doch nit, Willem. Ich will doch nursehe, ob dej wirklich wej en dene gruße amerikanischeStädte so lang off hu.Willem: Na ja, ich wääß jo nit …Heinrich: Doas es doch e prima Sache. Ich hu gehirrt, diePlanunge gieh sogoar dohie, doass vier Chresdoag dieGeschäfte 24 Stonn off sei senn.Willem: Ei, da kennt mer doch gleich en Doag off 25 Stonnverlängern ..Heinrich: Etz ewwertreibst du owwer, Willem. 24 Stonn seizoum Ennkääfe doch wirklich genung.Willem: Dej zusätzliche Stonn es nierich, weil mer no rondem die Auer ennkääfe, mindestens e Stonn braucht, imwerre zou Verstaand ze komme.

Offgewosse offm DärfAch du läiwe Zaat

De Ewwerschrift elleh diedschu schegge, weil eigentlichjeder wäes woes domet ge-mend äes. Ach du läiwe Zaat,wej hod sich de Welt gewanelt.Entweder mer schwimmt me-rem Strom ewwer nid. Doudmer does nid, blad mer off derStrecke. De ganze Welt äes ver-netzt; en eh poor Minute äesmer med de Verwandte enAmerika verbonne.

Mer kann segor en Bilder me-rem Handy meneh schwetze.Des Brejweschrawe woerd baa-le umodern, weil jeder eh Tele-fon hod on en der ganze Welttelefoniern kann.

Schallblatte, Kassette, allesäes umodern, selbst aich kom-me do naud mie med. Des Ässekann mer med Funk koche onwann mer da de Owed vo derÄrwed kimmt, brouch mer nurnoch der Desch ze daigge. DerWosch woerd gedreggelt, nurdes Bijen macht noch Proble-me.

Bam Enkäfe nur noch derCode engewwe, kenn Menschwäes noch woes der enzenePoste kost. De Kassiererin hädoecht Stonn nur noch derSommton vom Skenner. Lär-

che Flasche wenn en Sekundekleegeschnippelt. Zigarettegids nur noch off Personalaus-weis. Bam Tanke der Schlouchnen on läfe lässe, musst nur im-mer genung Geld ewwer dajKorte debaj hu. Alles kann mermed der Korte käfe, nur wannder Monat rim äes, da herrschtEbbe offm Konto.

■ Frejer mochstemol der Radio oh

Frejer mochste mol der Ra-dio oh on diesd der HessischeRundfunk hern, haure fährtkee Auto mie uhne Radio. Mu-sik bam Enkäfe, en der Fußgän-gerzone, bam Boxe on offmSportplatz sej de Trommler. Ende Werbung eh Glitzerwelt,gruße Autos, Orläb inner Pal-me; alles woerd em doschmackhaft gemoecht.

Ewwer does Liewe äesanischder on do kimmt manchenner nid med. Wej sinn do dejonge Leure en der Welt zera-icht komme. Offm Därf giddoes noch, ewwer fier de jongeLeure äes hej su ze saa „tote Ho-se“. Dej zigts da en dej Schein-welt en de Stoadt on da seh seäech en, des does doch allesanischder äes, wej se sich doasvirgestahlt hu.

Von Margret Pfeifer,Mornshausen/D.

Magólwes m., der NameMarkolfus für die Gestalt desSpötters in der deutschen mit-telalterlichen Literatur istübertragen auf den „Eichelhä-her“, der die Stimmen andererVögel spottend nachahmt undist als volkstümliche Bezeich-nung dafür in Hessen weit ver-breitet.

Matérje w. (mhd matërje,lat. mÿteria), ist die heute ver-altete Bezeichnung für „Eiter“.Der einstige Fachausdruck derÄrzte früherer Zeiten hat als„gesunkenes Sprachgut“ in denMundarten überlebt. Schonmhd. hat Materie auch die Be-deutung „Flüssigkeit im Kör-per, besonders Eiter“.

Matte w. (mhd. matte „Käse-matte“), ist der entmolkteRückstand der entrahmtensauren Milch nach dem Gerin-nen. Nach dem Ablaufen derMolke aus einem feinmaschi-gen Sieb oder Leinentuch,diente die Matte als Belag aufdem Mattekuche oder wurdezu Handkäse oder Schmierkäsehergerichtet und überall gernegegessen.

Wörter, die nicht im Duden stehen15. Folge der Begriffssammlung: „Magolwes“ bis „Mutzen“

Meckes m., gilt als grobesSchimpfwort für eine „durch-triebene, hinterlistige, bösarti-ge männliche Person“. Dazudas weibliche Pendant Me-ckesmensch s., meckesig „hin-terhältig, bösartig, garstig“.

■ „Meckes“ ist auchein wildes Kind

Meckesigkeit, „hinterhälti-ges,bösartiges Tun“. Wenigerabwertend ist Meckes für ein„raffiniertes, zu Streichen auf-gelegtes Kind“. Ursprünglichbezeichnete man als Meckeserdas fahrende Volk unterster so-zialer Abstufung, das auch mitTöpferwaren handelte. Geblie-ben ist der Name Meckes fürden Siegerländer Kaffekessel.

Meste w. (mhd. meste w.) 1.„Hohlmaß für Getreide“; 2.„Holzgefäß als Fruchtmaß“, inder Form einem Getreidesiebähnlich. Nach der Neuordnungder Maße im Jahre 1817 beträgt1 Simmer = 1 Meste = 32 Liter,was etwa 22 kg Korn, 19 kgGerste und 15 kg. Hafer ent-spricht.

Metzelsuppe w. (mhd. met-zeln „schlachten“) Gastmahl,

Schlachtfest nach dem Schwei-neschlachten, bei dem Würste-suppe zum Verzehr angebotenwird. So hieß es z.B. „ich warauf der Metzelsuppe“ oder „ichkomme/gehe auf die Metzel-suppe“.

Metzgersgang m. vergebli-cher, zweckloser Geschäfts-gang, wie er bei Metzgern, dieSchlachtvieh kaufen wollten,öfter vorkam.

morn (mhd. morn) morgen,am folgenden Tag. Das Adverbist schon in mhd. Zeit aus „mor-gen“ zusammengezogen wor-den und bildet mit „zu“ = „ze“die üblichen idiomatischenVerbindungen „morn ze Mor-gen“/ „morn ze Mittag“/ „mornze Un(t)ern“/ „morn ze Abend“/„morn ze Nacht“. Das schrift-sprachliche Adjekt. „morgig“gibt die Mundart mit „morn derTag“/ „morn die Nacht “ wie-der.

multern (mhd. multer s.„Mahllohn“) Mahllohn abneh-men. Das bedeutet, der Müllerbehält für das Mahlen des Ge-treides anstelle Barzahlung ei-nen Anteil am Mehl oder Ge-treide als Naturallohn ein. Sohieß es „wir bezahlen nicht,wir lassen multern“. Das zu-

grundeliegende Substantiv„Multer/ Molter“ wurde mir inWallau nicht bezeugt.

■ „Mus“ gibt es fürjeden Geschmack

Mus s. (mhd. muos) breiarti-ge Speise, Gemüse, aus Pflan-zenblättern oder Früchten ge-kocht; Das Simplex ist üblichanstelle ssprl. „Gemüse“. „ingrün Mus“ als „Wildgemüse“,

Melde(=Mille)mus: Art Spi-natgemüse, Köl(=Kel)mus:Grünkohlgemüse,Stiel(=Stel)mus: Rübstielge-müse, dazu sauer Mus: Sauer-kraut, Quetschemus, Bir-nen(Beern)mus und Musbutterw., mit Mus bestrichene Brot-scheibe.

Mutzen m. (mhd. mutzen„schmücken, putzen“) Ärmelja-cke, -wams„ zur Frauentrachtdes Obergerichtes Breiden-bach, aus grünem oder schwar-zem Tuch gefertigt und unterdem Rock getragen. Unter-scheidend heißt dort die ge-strickte Jacke Wamst, was imUntergericht Breidenbach glei-chermaßen für die Tuchjackewie die gestrickte Jacke gilt.

von Hansheinrich Roßbach ,Wallau

Heinrich Dingeldein erforscht heimische Sprache

Dingeldein ist mit Leib undSeele Sprachforscher. Selbstauf dem Dorf im Odenwald auf-gewachsen, war es für ihn eineÜberraschung, als er in Mar-burg einen Professor desSprachatlas kennenlernte undfeststellte, „dass mein verpön-ter Dialekt als Forschungsge-genstand wichtig war.“

Hinter denWortensteht eine ganzeWelt

Dingeldein bekam eineHilfskraftstelle am Institut undwidmet sich seither der heimi-schen Sprache. Sprache begeis-tert ihn: „Hinter den Wortensteht eine ganze Welt“. sagt er.

■ „L“ bis „Z“ kommtjetzt ins Internet,„A“ bis „K“ wirdgleich digitalerarbeitet

Sein jüngstes Projekt ist dieDigitalisierung des Hessen-Nassauschen Wörterbuchs.1911 von der Preußischen Aka-demie der Wissenschaften ge-gründet, wird im Institut seit-her das Mittelhessische, aberauch das Osthessische aus derGegend um Fulda, das Nieder-hessische der Schwalm, dieniederdeutsche Sprache aus

der Gegend um Korbach bisWolfhagen und das Moselfrän-kische im südwestlichen Wes-terwald um Hachenburg er-forscht. „Die Aufteilung richte-te sich nach den politischenGrenzen der damaligen Zeit“,erklärt er die Vielfalt der hierbehandelten Dialekte.

„Es ist ein großer Vorteil,dass wir die Erhebungen seit1911 haben, als es noch eineortsloyale bäuerliche Gesell-schaft gab“, sagt er. Seither seiviel verloren gegangen, weilsich die Gesellschaft veränderthabe. „Die Menschen sprechenso, wie die anderen, mit denensie leben und arbeiten“, erklärter. Durch Mobilität und allein20000 Pendler aus dem Land-kreis müsse sich die Sprachevereinheitlichen.

Am Anfang wurden die Men-schen gefragt,wie die Teile ei-nes Ackerwagens im Dialekt

heißen oder welche Wildkräu-ter auf den Äckern wachsen.„Bei solchen Alltagsdingen gibtes einen reichen Wortschatzim Dialekt“, berichtet Dingeld-ein.

Seit 1980 werde auch dieheutige Alltagssprache erfasst,um den Sprachwandel zu doku-mentieren.In Zusammenarbeit

mit anderen Wörterbüchernwie dem Grimmschen oderdem Rheinischen Wörterbuchzu finden. Der Teil „A-K“ wirdgleich digital erstellt und istdamit sofort nach Entstehungabrufbar – und von Lesern kor-rigierbar. „Wir sind schließlichnicht unfehlbar“, begrüßt Din-geldein diese Möglichkeit.

Marburg (ky). „Ohne dieMenschen, die mir etwas er-zählt haben, hätte ich nicht ar-beiten können“. ProfessorHeinrich Dingeldein von derMarburger Universität er-forscht seit 1975 im „Hessen-Nassauschen Wörterbuch“ dieDialekte der Region. Jetzt wer-den seine Ergebnisse ins Inter-net gestellt. „So kann ich denMenschen etwas zurückgeben,ohne dass sie teure wissen-schaftliche Wörterbücher kau-fen müssen“. freut er sich.

mit dem „Kompetenzzentrumfür elektronische Publikations-verfahren“ der UniversitätTrier werden derzeit die Buch-staben „L“ bis „Z“ des Wörter-buchs ins Internet gestellt. Aufder Oberfläche „LARGIS“ (Lan-desgeschichtliches Informati-onssystem) sind sie ab Anfangnächsten Jahres zusammen

Mit einem Fernblick vomHerkules über das im Morgen-dunst liegende Kassel hat diediesjährige Sprachreise desVereins „Dialekt im Hinter-land“ begonnen. Besucht wur-den das Gebrüder Grimm-Mu-seum und der Pfarrer von Met-ze.

1814 bezogen die Brüder Ja-cob und Wilhelm zusammenmit ihrer Schwester Charlotteeine Wohnung im nördlichenTorhaus des WilhelmshöherTors, wo sich heute das Muse-um der Brüder Grimm befin-det. Nicht nur als Märchen-sammler sind die beiden be-kannt. Von großer Bedeutung

sind auch ihre bahnbrechen-den Leistungen auf den Gebie-ten der germanischen Sprach-und Literaturwissenschaften,der Rechts-, Geschichts- undMythenkunde sowie ihr politi-sches Wirken für Deutschlandund Europa.

■ Sprache undPolitik verbinden

Das in Kassel 1838 begonne-ne „Deutsche Wörterbuch“,das den gesamten neu-hoch-deutschen Wortschatz von Lu-ther bis Goethe erfassen sollte,krönte die wissenschaftlicheLeistung der Brüder Grimm.Das „Grimmsche Wörterbuch“,von dem zu Lebzeiten der Brü-der Grimm nur die Stichwörter

„A“ bis „Frucht“ vollendet wur-den, umfasste 1960 nach seinerFertigstellung 16 Bände in 32Teilbänden. Bis heute stelltdieses Werk eine der großenLeistungen der europäischenSprachwissenschaft dar.

Politisch haben die BrüderGrimm die Freiheit des Einzel-nen zur Grundlage ihres Han-delns gemacht. Die Politik soll-te dem Recht und niemals dasRecht der Politik angepasstwerden. Einheit, Recht undFreiheit im politisch zerrisse-nen Deutschland schienen nurüber das Bewusstsein einer ge-meinsamen Sprache und Kul-tur erreichbar. Dazu haben dieBrüder Grimm nicht nur mit ih-ren Arbeiten beigetragen.: Ja-cob Grimm, wurde 1848 als Ab-geordneter in die verfassungs-

gebende Versammlung des ers-ten deutschen Nationalparla-ments in der Frankfurter Pauls-kirche berufen. Sein dort ge-stellter Antrag hat, obwohl erdamals abgelehnt wurde, bisheute nichts von seiner Aktua-lität eingebüßt: „Das deutscheVolk ist ein Volk von Freien,und deutscher Boden duldet

keine Knechtschaft. FremdeUnfreie, die auf ihm verweilen,macht er frei“.

Gerade weil sie die Geschich-te ihres eigenen Volkes kann-ten, war ihr Verhältnis zu an-deren Ländern und Kulturensehr aufgeschlossen (der zwei-te Teil des Berichts folgt in dernächsten Ausgabe).

Wir besuchen die Brüder GrimmSprachreise nach Kassel und Metze/ ErsterTeil

Von Jürgen SchneiderWeifenbach

GemorjeHennerlaand

Ausgabe 15, Herbst2007. Sonderdruck der Zei-tungsgruppe Lahn-Dill.

131---V011.12.2007 17:46:29 hennerland1

„Sprache ist ein wunderbares Aufgabenfeld” sagt Professor Heinrich Dingeldein vom Hessen-Nas-sauschen Wörterbuch. (Foto: Koelschtzky)

Das Grimmsche Wörterbuch im Kasseler Museum. (Foto: Privat)

Mund-Art

De Heinrich en deWillem