Das Seebeben in Südostasien. Wie entsteht ein Seebeben? Abbildung 1.
Hintergrund Südostasien
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Hintergrund: Südostasien Nr. 49 / August 2015 | 1
Die "Crowd" als Wahlbeobachter Max Grömping
Hintergrund:
Südostasien
Nr. 49 / 18. August 2015
Zusammenfassung
Demokratische Wahlen sind Mechanismen zur Übertragung politischer Macht. In
vielen Staaten der Welt sind diese aber noch unzureichend und durch Korruption
geprägt. Internationale Wahlbeobachtungen sollen dem durch Kontrollen entge-
genwirken und haben sich als Standard entwickelt. In letzter Zeit sind außerdem
Bestrebungen zu Wahlbeobachtung seitens der Zivilgesellschaften zu beobachten.
Dieses sogenannte crowdsourced monitoring oder crowdsourced election monito-
ring wird zunehmend durch die Bevölkerungen angenommen, die es in der Folge
als Norm etablieren wollen. Grömping geht hier vor allem auf crowdsourcing für
Wahlbeobachtungen in Südostasien ein. Verschiedene Projekte ermöglichen Bür-
gern gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, indem sie sich zu einer
größeren Gruppe zusammenschließen und mit technischen Hilfsmitteln Unregel-
mäßigkeiten bei Wahlen melden. Grömping erläutert zum einen diese neue Ent-
wicklung in Südostasien und geht zudem darauf ein, wie diese Form von Bürger-
initiativen sich im Rahmen von bestehenden Normen entwickelte. Grömping geht
außerdem auf die Schwierigkeiten ein, mit denen solche Organisationen konfron-
tiert sind. Neben strikten Verboten gehören Zensur, drakonische und teils ana-
chronistische Gesetze, und Drohungen oder Verleumdung dazu. Für Grömping
steht das crowdsourced monitoring noch am Anfang seiner Entwicklung. Es muss
sich zunächst noch herausstellen, ob sich die Bevölkerung so als Normunterneh-
mertum etabliert und die Demokratisierung vorantreiben kann. Zentral sind dabei
die weitere Verbreitung und die eigenen Ansprüche der Vereinigungen und Orga-
nisationen bezüglich Transparenz, Meinungsfreiheit und Demokratie. Aufgrund
der jungen Entwicklung besteht hier aber durchaus noch viel Potential.
Hintergrund: Südostasien Nr. 49 / August 2015 | 2
Einführung
Wahlen sind in den meisten Ländern der Welt zum Standardverfahren für die Übertragung politischer
Macht geworden. Jedoch haben sie nicht unbedingt zu demokratischer Regierungsführung oder mehr
Verantwortlichkeit von Regierenden geführt. Auf der einen Seite sind Wahlen ein unzureichender Me-
chanismus für Verantwortlichkeit und Rechenschaftspflicht, da sie als periodische Ereignisse losgelöst
von der alltäglichen Politik den Bürgern lediglich erlauben, ungewolltes Verhalten von Politikern im
Nachhinein zu bestrafen. Auf der anderen Seite lässt sich eine groβe Zahl von Wahlen nicht als „frei
und fair“ charakterisieren, was sie wiederum in ihrer Funktion als Instrumente für Verantwortlichkeit
und Rechenschaftspflicht beeinträchtigt. Die Integrität von Wahlen wird vielerorts durch kontinuierli-
che und immer raffiniertere Techniken des Wahlbetruges sowie mangelnde administrative Kapazitäten
verzerrt. Auch unfaire rechtliche Rahmenbedin-
gungen, ungleicher Zugang zu Medien oder
mangelhafte Regulierung im Bereich der Partei-
enfinanzierung stellen Wahlen in zahlreichen
Ländern vor Probleme. Verschiedene internatio-
nale Akteure haben versucht, diese Probleme
anzugehen. Wahlbeobachtung und Wahlhilfe
sind zu internationalen Normen avanciert. Es
wird erwartet, dass dadurch Wahlbetrug aufge-
deckt wird und sich auf lange Sicht eine ab-
schreckende Wirkung entfaltet. Parallel dazu
werden inländische zivilgesellschaftliche Grup-
pen immer aktiver im Bereich der Wahlbeobach-
tung. Dies gilt für Länder mit hohem Einkommen
sowie Länder des Global South, wo solche Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ihre Arbeit mit oder
ohne die Unterstützung der internationalen Geber durchführen.
Ein globales normatives Regime zur Integrität von Wahlen (electoral integrity) ist im Entstehen begrif-
fen und gewinnt auch zunehmend Bedeutung in der wissenschaftlichen Diskussion (Norris 2012; Glo-
bal Commission 2012; Avery-Roberts & Carroll 2013). „Integrität“ bezieht sich auf etwas Makelloses
oder Reines – integre Wahlen werden demnach als frei von Korruption, systematischen Verzerrungen
und Wahlbetrug konzipiert.
Der Schwerpunkt dieses Hintergrundes ist jedoch ein anderer. Neben der normativen Entwicklung der
Wahlintegrität - die zu einem großen Teil von internationalen Organisationen oder bilateralen Gebern
betrieben wird - wird hier beschrieben, wie wir derzeit die Entstehung einer Norm der durch Bürger
getragenen Wahlbeobachtung (crowdsourced monitoring) miterleben. Diese Norm geht „von unten“
aus, und wird vorangetrieben durch inländische Wahlbeobachter, zivilgesellschaftliche Organisationen
und der spontanen Produktion wahlrelevanter Informationen durch die Bürger selbst. Ziel ist es, die
offensichtliche Kluft zwischen Forderungen nach mehr Transparenz und Verantwortlichkeit einerseits
und der zögerlichen Einhaltung dieser Forderungen durch Staaten anderseits zu schließen. Getragen
wird diese Entwicklung zu großen Teilen von erschwinglichen und immer zugänglicheren Informa-
tions-und Kommunikationstechnologien (Information and Communication Technologies - ICTs), auch
in Entwicklungs- und Schwellenländern.
Wahlhelfer in Indonesien. Foto: FNF
Hintergrund: Südostasien Nr. 49 / August 2015 | 3
ICTs wie Mobiltelefone, Internet und soziale Medien gehö-
ren schon lange zum Repertoire diverser Akteure wie
Wahlkommissionen, internationale Beobachter, inländische
Watchdog-Organisationen und der Wähler selbst. Es wird
erwartet, dass die Beschleunigung von Informationsflüssen
und die exponentiell erhöhte Zahl derjenigen, die diese
Informationen erreichen, das ungenutzte Überwachungs-
und Problemlösungspotenzial des „Schwarms“ (crowd) ent-
fesseln. Crowdsourcing, ein Neologismus, der sich aus
„crowd“ und „outsourcing“ zusammen setzt, bezeichnet
“the act of taking a job traditionally performed by a desig-
nated agent (usually an employee) and outsourcing it to an
undefined, generally large group of people in the form of an
open call” (Howe 2008:99). Von Enthusiasten wird es als
Gelegenheit für sinnvolles politisches Engagement der
Bürger gefeiert – insbesondere als eine Methode, um poli-
tische Prozesse und Akteure zu beobachten und sie zur
Rechenschaft zu ziehen (Shirkey 2008). Gleichzeitig erwar-
ten Pessimisten weniger transformative als vielmehr lang-
same und schrittweise Effekte durch crowdsourcing (Fung
et al. 2013). Wieder andere warnen vor den Gefahren dieser
Art von Informationserfassung und -verbreitung, z. B. der
Vereinnahmung durch kleine Gruppen, dem Potenzial der Mobilisierung gegen politische Gegner oder
der gezielten Streuung von Falschinformationen (Morozov 2011).
In diesem Hintergrundpapier werden weder die Auswirkungen des schwarmgesteuerten monitoring auf
Wahlbetrug oder öffentliche Wahrnehmung von Wahlintegrität diskutiert, noch wird versucht, die
Bedingungen zu erklären, unter denen Bürger sich an crowdsourcing beteiligen. Das Ziel ist vielmehr
zu prüfen, ob sich crowdsourced monitoring als entstehendes normatives Projekt charakterisieren
lässt. Als empirisches Material werden hierfür elf Online-Plattformen in Südostasien herangezogen,
die den Bürgern die Berichterstattung zu Wahlbetrug, Wahlgewalt oder anderen Missständen ermögli-
chen. Es werden drei Argumente vorgestellt, die zu dem Schluss führen, dass sich eine neue Norm tat-
sächlich abzeichnet.
a) Es gibt Hinweise auf normative Erwartungen hinsichtlich eines „angemessenes Verhaltens" von
Staaten und Bürgern, die implizit oder explizit in den Leitbildern und Designs der elf untersuchten
Projekte zu finden sind.
b) Die Initiatoren der Projekte handeln als 'Norm-Unternehmer' und benutzen Framing-Effekte und
den Einfluss ihrer organisatorischen Plattformen, um die von ihnen propagierte Norm zu fördern.
c) Es lässt sich ein bestehendes „normatives Terrain“ ausmachen, auf dem der Begriff des crowd-
sourced monitoring mit bereits bestehenden Normen von Transparenz oder Redefreiheit in Südostasien
konkurriert.
Kommunikationstechnologien und crowdsourced election monitoring
Man kann die schwarmgesteuerte Wahlbeobachtung (crowdsourced election monitoring) als ein Sys-
tem verstehen, in dem “any individual can register an observation about an election and that observa-
tion is pooled with other individuals’ observations to create a public depiction of the reality of the elec-
Internetanschlüsse sowie soziale Medien sind in
den meisten Teilen der Welt auch über öffentli-
che Zugänge nutzbar, wie z.B. in Internetcafés.
Foto: FNF
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tion that is offered back to the public and to election officials in real-time on election day” (Fung
2011:194-5). In der Praxis bedeutet dies, dass Bürger über wahlrelevante Ereignisse per e-Mail, Twit-
ter, soziale Netzwerke, Telefonanruf oder SMS Bericht erstatten, und dass diese Informationen auf
einer Online Plattform zusammengefasst und in der Regel in Form einer Landkarte dargestellt werden.
Es existieren verschiedenste Software-Lösungen, aber viele Projekte in Südostasien machen von der
Open-Source Plattform USHAHIDI1 Gebrauch und kombinieren diese mit FRONTLINESMS
2 oder einen an-
deren Dienst, der den automatisierten Empfang von Textnachrichten erlaubt.
Frühe Anwender von crowdsourcing waren in erster Linie Unternehmen, die realisiert hatten, dass eine
große Schar ungeschulter Menschen unter bestimmten Bedingungen zu besseren Problemlösungen
kommen kann als eine kleine Gruppe von Experten (Page 2007; Surowiecki 2004). Während Experten
mit ähnlichen Vorkenntnissen und ähnlicher Ausbildung eher auf dieselben Lösungen konvergieren,
verfügt ein untrainierter „Schwarm“ (crowd) über größere Vielfalt, deckt also eine höhere Anzahl po-
tenzieller Lösungen ab. Bestimmte Aufgaben sind für eine solche Vorgehensweise geeignet, wie zahl-
reiche crowdsourcing Anwendungen, angefangen von AMAZON MECHANICAL TURK, über Kartierungen auf
OPEN STREET MAP bis hin zur Open-Source-Software LINUX oder WIKIPEDIA zeigen. Das Beispiel von OPEN
STREET MAP, einer WIKIPEDIA ähnlichen Plattform, auf der jeder durch die Zuordnung von Straßen, Ge-
bäuden, Sehenswürdigkeiten etc. zu einer gemeinsamen Karte der Welt beitragen kann, steht beispiel-
haft für das zugrunde liegende Prinzip des crowdsourcing. Es stützt sich auf die Vielfalt und die grö-
ßere Anzahl von Beobachtungen oder Vermutungen über die „Wahrheit“. Crowdsourcing basiert also
auf einer probabilistischen Erkenntnistheorie (Grömping 2012).
Es gibt keine feste „Wahrheit", die erkannt und durch beglaubigtes Wissen zertifiziert werden muss –
„Schwarm-Wahrheit“ ist eine Wahrscheinlichkeit. Je mehr Beobachtungen gesammelt werden, je grö-
ßer und vielfältiger die Gruppe der Beobachter ist und je mehr Gegenproben zwischen einzelnen Be-
obachtungen möglich sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Endergebnis eine Annä-
herung an die Wahrheit oder die ideale Lösung ist. In politischen Kontexten kommt crowdsourcing
bereits für unterschiedlichste Zwecke zum Einsatz, wie z.B. dem Nachhalten der Effektivität von Pro-
jekten der Entwicklungszusammenarbeit, der Koordinierung humanitärer Hilfsmaßnahmen, der
Schwarmfinanzierung (crowdfunding) von EZ-Projekten, der Verbreitung von Marktpreisinformationen,
der Kartierung von Konfliktverläufen oder eben der Beobachtung von Wahlbetrug und Gewalt, um nur
einige Anwendungen zu nennen. Die zunehmende Verbreitung von Internet und mobiler Telefonie er-
möglicht es einer immer größeren Anzahl von Menschen aktiv an solchen Vorgängen teilzunehmen.
Während also berechtigte Kritik bezüglich der Genauigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Zuverlässigkeit und
Sicherheit der Ergebnisse, die durch Crowdsourcing generiert werden, verbleibt, sind viele Hilfsorgani-
sationen, Wahlhelfer und sogar Regierungen bestrebt, die genannten Vorteile zu nutzen (für ein Über-
blick siehe OCHA 2013).
Zählt man nur diejenigen Plattformen, die explizit von Bürgern generierte Berichte aggregieren und in
Kartenform online veröffentlichen, lassen sich zum bisherigen Zeitpunkt mindestens 72 crowdsourced
monitoring Projekte in 44 Ländern ermitteln. Selbst ein solch kursorischer Überblick zeigt, dass min-
destens 20 % aller Länder von dieser Entwicklung betroffen sind. Die identifizierten Projekte unter-
scheiden sich stark in ihrer Zielsetzung, der Anzahl der gesammelten Berichte, der Möglichkeiten zur
Erfassung von Daten, sowie hinsichtlich Formen der Datenüberprüfung oder ihrer Verbindungen mit
Zivilgesellschaft, Gebern und Wahlbehörden. Eine gründliche Erfassung aller Plattformen steht mo-
mentan noch aus, doch Bailard et al. (2012) haben in dieser Hinsicht Pionierarbeit geleistet.
1 www.ushahidi.com 2 www.frontlinesms.com
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Eine Auswahl an crowd sourced monitoring Projekten in Südostasien
Südostasien weist eine nicht unerhebliche Zahl von crowdsourced monitoring-Projekten auf. Bisher
konnten elf solche Plattformen identifiziert werden (siehe Anhang A). Alle haben eine "echte" crowd-
sourcing-Komponente, in dem Sinne, dass die breite Öffentlichkeit zur Teilnahme aufgefordert wird.
Die Methoden der Berichterstattung unterscheiden sich etwas, stützen sich aber primär auf E-Mail
und Online-Formulare, in einigen Beispielen auch auf TWITTER, SMS oder Callcenter. Nur zwei Projekte
verlassen sich ausschließlich auf die allgemeine Bevölkerung, um Berichte über Fehlverhalten und
Wahlbetrug zu erhalten. Die anderen enthalten eine Komponente des „begrenzten“ crowdsourcing, in
dem eine Reihe von ausgebildeten oder rekrutierten Freiwilligen mit der Berichterstattung beauftragt
wurden. Diese Freiwilligen-Netzwerke unterschieden sich in Größe und Ausbildung. Jedoch bilden sie
in allen Beispielen ein sog. „Vertrauensnetzwerk“, wie es Lederach (2012) nennt. Ein solches Netzwerk
ist eine Möglichkeit, die Vertrauenswürdigkeit der eingehenden Meldungen zu erhöhen. Da der "be-
grenzte Schwarm" in der Identifizierung und Klassifizierung von Wahlbetrug ausgebildet ist und sich
an bestimmte Protokolle zur Berichterstattung hält, gelten die eingehenden Informationen als zuver-
lässiger als Berichte der breiten Öffentlichkeit. Um Berichte von Bürgern zu überprüfen, werden ver-
schiedene Techniken verwendet, in der Regel „manuelle Überprüfung" – d. h. ausgebildete Teammit-
glieder des Projektes durchforsten manuell alle Berichte und versuchen, sie durch zusätzliche Quellen
zu verifizieren oder falsifizieren. Nur eine Plattform (#VOTEWATCH auf den Philippinen), macht sich in-
novativere Techniken der Datenüberprüfung zunutze, indem User in einem Rating-System Plus- oder
Minuspunkte für Berichte verteilen können. Solche Filtersysteme, in Anlehnung an Amazon oder Ebay,
sind nützlich, um die Vertrauenswürdigkeit der Benutzer zu erhöhen, aber nur, wenn die Größe des
Schwarms eine kritische Masse erreicht. Leider wurde #VOTEWATCH erst kurz vor der Wahl ins Leben
gerufen und schaffte es nicht, eine entsprechend große Anzahl von Berichten und Usern zu generie-
ren.
Eine detaillierte Analyse der Datenerhebungs- und Überprüfungsmethoden der oben genannten Platt-
formen würde den Rahmen dieses Hintergrundpapiers sprengen. Stattdessen wird hier die Auffassung
vertreten, dass die verschiedenen Plattformen in Südostasien durch ideelle und normative Grundlagen
miteinander verbunden sind. Crowdsourced monitoring kann als eine neue, im Entstehen begriffene
Norm angesehen werden, deren Zukunft noch unbestimmt ist.
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Die Entstehung und Ausbreitung von Normen
Gemeinhin sind Normen begrifflich eingegrenzt als ‘‘collective expectations about proper behavior for
[actors of] a given identity’’ (Jepperson, Wendt & Katzenstein 1996: 54). Im Gegensatz zu Ideen sollten
Normen nicht nur als kognitive Verpflichtungen, sondern auch als Erwartungen über das „angemesse-
ne“ Verhalten der Akteure verstanden werden (ebd.). Sie sind somit mehr als Überzeugungen. Gleich-
zeitig sind sie auch mehr als Verhalten, selbst wenn ein bestimmtes Verhalten in Mustern auftritt und
von großen Gruppen geteilt wird. Eine Norm erhebt einen intersubjektiven Anspruch darauf, was ein
„angemessenes Verhalten" für jedermann innerhalb einer Gruppe darstellt. Dies setzt eine Art Gemein-
schaft voraus, die sich ein Urteil darüber gebildet hat, was unter welchen Umständen „angemessen“
ist.
Im Kontext internationaler Beziehungen wird diese Definition naturgemäß auf Staaten als Normsub-
jekte angewendet. Also schreibt eine Norm vor, wie ein Staat in bestimmten Situationen zu handeln
hat, soweit er keinen Pariah-Status unter Gleichrangigen riskieren möchte. Risse, Ropp & Sikkink
(1999) diskutieren die Mechanismen “Überzeugung” und “Sozialisation", durch welche “states com-
municate the emergent norms of international society, create ingroups and outgroups as normative
communities, and may convince norm-violating states that the benefits of membership in the in-group
outweigh the costs” (ibid.:38).
Am Fall Südostasiens ist beschrieben worden, wie internationale Normen angenommen oder in den
regionalen Kontext adaptiert werden, und zwar durch Prozesse der "Lokalisierung" (Änderung der Me-
chanismen bei grundsätzlicher Akzeptanz der Idee) und "Subsidiarität" (Ablehnung der Idee und Ände-
rung der Mechanismen, so dass der Einfluss externer Kräfte abgewehrt wird) (Acharya 2011), oder wie
Staaten durch die „Nachahmung“ von Norm-Führern ihre Legitimität innerhalb des internationalen
Systems zu stärken versuchen (Katsumata 2011). Beispiele reichen von der Lokalisierung der Norm zu
„kooperativer Sicherheit“ bis zur Nachahmung der Norm zur Nichtverbreitung von Atomwaffen. In
diesen Fällen waren Staaten die Initiatoren der normativen Entwicklung. Collins (2013) beschreibt den
Prozess der Annahme und Anpassung einer Norm zu HIV/AIDS in den regionalen Rahmen der ASEAN. Er
glaubt alle drei der oben genannten Mechanismen in diesem Fall zu erkennen. Der Hauptakteur oder
Initiator war in diesem Fall kein Staat, sondern die zwischenstaatliche Organisation UNAIDS.
Eng verwandt mit crowdsourced election monitoring ist die etablierte Norm der internationalen Wahl-
beobachtung (siehe z. B. Bjornlund 2004; Carothers 1997; Santa-Cruz 2005). Um deren Verbreitung zu
erklären, konzipiert Hyde (2011) ein strategisches Spiel, in dem sich demokratisierende Staaten der
Gebergemeinschaft ihre demokratische Gesinnung signalisieren wollen, um an "Demokratie-
gebundene Vorteile" (democracy-contingent benefits) zu gelangen (ders.: 89). Dies können z. B. Ent-
wicklungsgelder, Mitgliedschaft in internationalen Organisationen oder bevorzugte Handelsabkommen
sein. Negative Berichte von Wahlbeobachtern oder das Versäumnis, diese überhaupt einzuladen, sig-
nalisieren das genaue Gegenteil und sind daher für Akteure mit betrügerischer Absicht mit Kosten
verbunden. So führte das strategische Kalkül nutzenmaximierender staatlicher Akteure zur nahezu
universellen Akzeptanz von Wahlbeobachtung als Norm (siehe Abb. 1). Selbst Regierungen mit festen
Betrugsabsichten laden häufig internationale Beobachter ein, da für sie der potenzielle Nutzen eines
sicheren Wahlgewinns die Risiken der Aufdeckung oder die möglichen Kosten der Nicht-Einladung
übertrifft. Glücklicherweise (aus Sicht solcher Regierungen) sind nicht alle internationalen Beobachter
gleich professionell, und einige neigen eher dazu, selbst mit Makeln behaftete Wahlen zu bestätigen
(Kelley 2012; Daxecker 2013).
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Abb. 1: Beobachtete und unbeobachtete Wahlen weltweit. Quelle: Hyde (2011:66)
Internationale Wahlbeobachtung ist sicherlich im Hinblick auf die Ziele und Methoden der nächste
Verwandte von crowdsourced election monitoring. Beide streben verbesserte Transparenz des Wahlver-
fahrens an. Beide hoffen, ein Instrument zur Beurteilung der Qualität einer Wahl bereitzustellen. Und
beide hoffen Missstände und Betrug zu einem gewissen Grad zu verhindern und so die Integrität der
Wahlen zu erhöhen. Doch weder die konstruktivistischen Argumente von Überzeugung und Sozialisa-
tion, noch die strategische Übernahme und Anpassung von Normen, noch Hydes „Signalspiel“ können
den Trend zur Wahlbeobachtung durch die crowd angemessen erfassen und erklären.
In diesem Zusammenhang ist es hilfreich, einen Strang der Literatur der Internationalen Beziehungen
zu betrachten, der versucht, die verschiedenen Schulen in Einklang zu bringen. Finnemore & Sikkink
(1998) schlagen ein Lebenszyklus-Modell von Normen vor, welches sie verwenden, um zu verdeutli-
chen, dass in verschiedenen Phasen der Norm-Entwicklung unterschiedliche Akteure und unterschied-
liche Logiken am Werk sind (siehe Tab.1). Dies ermöglicht ihnen, rationale Entscheidungen und kon-
struktivistische Argumente miteinander zu verbinden.
Ausgangspunkt für die Entwicklung einer Norm ist demnach die Aktivität von „Norm-Unternehmern"
(Sunstein 1996:909). Dies sind Einzelpersonen oder Organisationen, die aktiv an der Erstellung, Gestal-
tung und Kodifizierung neuer Ideen arbeiten, welche zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Norm wer-
den können. Es ist wichtig zu sehen, dass dieses Norm-Unternehmertum ebenso auf internationaler
Ebene (bspw. das Verbot von Landminen oder die Kontrolle des Handels mit Kleinwaffen) als auch auf
nationaler Ebene geschieht. Mehrere internationale Normen nahmen mit der Lobbyarbeit von Interes-
sensgruppen ihren Anfang (z.B. die Bewegung für Frauenwahlrecht), die aus ideellen, altruistischen
oder auch egoistischen Gründen gesellschaftliche Normen verändern wollten. Sie engagieren sich in
Kampagnen, Debatten, Beratungen oder anderen Aktivitäten der Überzeugung (persuasion).
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Tab.1: Der Lebenszyklus von Normen. Quelle: Finnemore & Sikkink (1998:898)
Obwohl Finnemore & Sikkink (1998) ihre Argumentation aus einer IB-Perspektive entwickeln, lassen
sich viele der Mechanismen auch auf die substaatliche Ebene übertragen. In der Tat sind die beiden
Ebenen eng miteinander verflochten, wie die Stufe der Norm-Kaskade (norm cascade) zeigt. Sobald
eine bestimmte Anzahl von Staaten die neue Norm eingeführt haben, ist ein Wendepunkt erreicht, und
die Norm breitet sich durch das internationale System mit rasanter Geschwindigkeit aus, bis sie
schließlich zu einer verinnerlichten Selbstverständlichkeit und Gewohnheit wird (internalization). Die
Norm-Kaskade kann durch rational choice á la Hyde (2011) oder durch anderweitiges strategisches
staatliches Handeln (Acharya 2011; Katsumata 2011) erklärt werden. Aber es ist sinnvoll anzunehmen,
dass innenpolitische Legitimation für das Kalkül von Staaten ebenso eine Rolle spielt wie internatio-
nale Legitimität und Konformität. Inländischer Druck kann genauso zur Übernahme einer neuen Norm
führen, der Wunsch, andere Staaten zu imitieren oder Gelder der Entwicklungszusammenarbeit oder
andere Vorteile zu maximieren.
Für die Neukonzipierung von crowdsourced monitoring als entstehende Norm ist es daher entschei-
dend zu verstehen, dass die Wurzeln internationaler Normen oft auf innenpolitische Faktoren zurück-
geführt werden können, d.h. zu Norm-Unternehmern, die aus welchen Gründen auch immer für eine
normative Neuausrichtung mobil machen. Zweitens ist es wichtig zu verstehen, dass zahlreiche neue
Normen den "tipping point" nie erreichen und sich aufgrund mangelnder Unterstützung nicht in eine
Norm-Kaskade verwandeln. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein normatives Projekt nicht im Gange
wäre.
Crowdsourced monitoring als Norm-Unternehmertum
Wie treten neue Normen erstmals in Erscheinung (Stadium der norm emergence, siehe Tabelle 1)?
Wenn crowdsourced monitoring tatsächlich ein normatives Projekt darstellt, lassen sich mehrere be-
obachtbare Implikationen ableiten:
a) Es sollte möglich sein, eine Reihe von Erwartungen für "angemessenes Verhalten" von Staaten und
Bürgern unter solch einer neuen Norm zu identifizieren.
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b) Norm-Unternehmer mit einer organisatorischen Plattform sollten aktiv darin involviert sein, crowd-
sourced monitoring im Lichte dieser Erwartungen zu propagieren.
c) Es müsste möglich sein, ein existierendes normatives Gerüst in Bezug auf die Rolle der Bürger bei
Wahlen oder die allgemeinen Vorzüge der Transparenz zu identifizieren, welche dieser neuen Norm
entgegenstehen.
Empirisch wird dies im Folgenden am Beispiel der elf Fälle von crowdsourced monitoring in Süd-
ostasien überprüft. Dabei wird im Wesentlichen darauf geschaut, wie die Projekte ihre eigene Mission
beschreiben und wie bestehende Normen in der Region in Bezug auf die Forderungen des crowd-
sourced election monitoring positioniert sind.
Normative Erwartungen
Wenn Wahlbeobachtung durch die crowd eine neue Norm darstellt, was macht dann den Inhalt dieser
Norm aus? Die Antwort liegt in einer Neudeutung der Rolle, die die Bürger in einer Demokratie ein-
nehmen sollen. Es
lässt sich hier eine
normative Kompo-
nente des „Sollens“
oder oughtness er-
kennen, wie
Finnemore & Sikkink
(1998) es nennen.
Diese ist teils an den
Staat gerichtet und
teilweise an die Bür-
gerinnen und Bürger.
Crowdsourced elec-
tion monitoring ist
nur eine kleine Teil-
menge des größeren
Trends der Bürgerbeteiligung mittels Kommunikationstechnologien. Dieser Trend umfasst viele ver-
schiedene Anwendungen, die sich hinsichtlich Politikfeld, Methode, ideellen Grundlagen und in der
Größe unterscheiden. Fung et al. (2013) geben einen guten Überblick über die Vielzahl unterschiedli-
cher Anwendungen und entwickeln Idealtypen. Einige Interpretationen lassen große Transformationen
erwarten3, andere denken eher in inkrementellen Veränderungen
4.
Es gibt viele Unterschiede zwischen diesen verschiedenen Idealtypen in Bezug auf die Rolle der Bürger
im Verhältnis zum Staat. Aber sie alle haben einen partizipativen und emanzipatorischen Vorstellung
des Staatsbürgertums gemein, welches mehr Mitbestimmung und direkte Beteiligung der Bürger for-
dert und über die traditionellen Vorstellungen repräsentativer Demokratie hinausgeht. Als Rahmen-
3 Beispiele hierfür sind blogs, twitter oder soziale Netzwerke als Mittel, die diskursive Macht der Bürger im digi-talen öffentlichen Raum zu stärken (Fung et al. 2013), wobei nicht klar ist, ob diese digitale Öffentlichkeit tat-sachlich inklusiver oder deliberativer ist als seine analoge Variante. Andere Beispiele sind Shirkeys (2008) geflü-geltes Wort von „here comes everybody“ oder der von der Piratenpartei vertretene Ansatz der “Liquid De-mocracy”. 4 Fung at al. (2013) nennen in diesem Zusammenhang “truth-based advocacy”, Protestmobilisierung sowie “crowdsourced monitoring” als Idealtypen.
Thailand: Bürger können Berichte in diversen Kategorien und für die betreffende Region hoch-
laden und so Verstöße bei Wahlen aufzeigen.
Quelle: http://www.thaielectionwatch.net/
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konzept, welches diesen Erwartungen am nächsten kommt, kann John Keanes Begriff der „monitory
democracy“ (Keane 2011) dienen. Dieser erstreckt sich nicht auf die Ablösung der Institutionen der
repräsentativen Demokratie, sondern auf die zunehmende Einbindung dieser Institutionen in ein enges
Geflecht aus Mechanismen, die Machtträger unter Beobachtung stellen und zur Rechenschaft ziehen.
Diese können sich in Ombudsleuten, Wahrheitskommissionen, zivilgesellschaftlichen Watchdog-
Organisationen oder Bürgerjournalismus manifestieren. So werden gewählte und nichtgewählte Amts-
träger auch im Zeitraum zwischen Wahlen der Aufsicht und Verantwortlichkeit unterworfen. Dieser
Trend nahm laut Keane bereits in den 1950er Jahren seinen Anfang. Was ist also das grundlegend
Neue am crowdsourced monitoring? Der Hauptunterschied besteht schlicht und einfach im Aufkom-
men der neuen Kommunikationstechnologien, die eine wesentlich schnellere Verbreitung von Informa-
tionen erlauben, und es theoretisch jedem mit einem Handy oder Internet-Zugang ermöglichen, jede
Art von Fehlverhalten überall auf der Welt und in Echtzeit aufzudecken. Die technologischen Grundla-
gen des crowdsourced monitoring sind daher in ihrer Relevanz nicht zu unterschätzen.
Übereinstimmend mit der Idee der
monitory democracy erwarten alle
elf untersuchten crowdsourced
monitoring Projekte in Südostasien
eine Verbesserung von Transparenz
und Rechenschaftspflicht in ir-
gendeiner Form (siehe Anhang A).
Dies ist in einigen Fällen explizit
ausgeführt, wie im Falle von COM-
FRELs Cambodian Voter Voice,
welches darauf abzielt, "Transpa-
renz und Vertrauen in den Wahl-
vorgang zu stärken". In ähnlicher
Weise behauptet Thai Election
Watch, dass “citizens' reports on
election-related events in their
local constituencies can add to a
free and fair flow of information.
This in turn increases the accountability and transparency of the election process”. In anderen Fällen ist
dieses übergreifende Ziel in eher impliziten Verweisen auf eine Verbesserung des Zugangs zu „Infor-
mation“ enthalten, wie in den Beispielen von SARAWAK REPORT, VERA FILES 2013 VOTE MAP oder BURMA
ELECTION TRACKER. In der Mehrzahl der Fälle sind die allgemeinen normativen Erwartungen dieser Pro-
jekte im Einklang mit dem Begriff der monitory democracy. Aber um die Komponente des „Sollens“ der
möglicherweise entstehenden Norm genauer zu betrachten, macht es Sinn, weiter zu disaggregieren
und zu entschlüsseln, was als „angemessenes Verhalten“ des Staates einerseits und der Bürger ande-
rerseits erwartet wird. Im Hinblick hierauf lassen sich zwei Modelle identifizieren, wobei das erste
Modell Koproduktion öffentlicher Dienstleistungen ähnelt, und das zweite dem Konzept von „Bürger-
Sensoren“ als Werkzeuge für gesellschaftliche Verantwortlichkeit (societal accountability).
Bürger-Koproduktion
Abb. 2: Monitory Democracy. Quelle: Keane (2011:219).
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Vier Beispiele aus der vorläufigen Analyse der untersuchten crowd-Initiativen stellen Erwartungen
gegenüber dem Staat in den Vordergrund. Die BELUN CROWD KARTE in Osttimor nimmt ausdrücklich Be-
zug auf die Verbesserung der Informationssituation staatlicher Behörden durch die eingehenden Be-
richte über Wahlmanipulationen. Das mission statement behauptet, dass “information from this site
will be used to inform
state, civil society and
international actors,
enabling a swifter
response to incidents
of conflict or vio-
lence”. Auch die Initi-
atoren der ELEKSYON
2013 Plattform auf
den Philippinen lassen
die Forderung ver-
lauten, dass “elec-
tions officers […]
make the conduct of
elections and the vot-
ers’ experience as
convenient as possible
to avoid disenfran-
chisement and en-
courage Filipinos to believe in the electoral system again”. Beide Fälle verdeutlichen, dass die durch
den Schwarm generierten Informationen Wahlbehörden bei der Verbesserung ihrer Arbeit helfen sol-
len.
Noch deutlicher lässt sich das Beispiel von Bersihs JOM PANTAU Initiative nachzeichnen. Eingehende
Berichte werden zunächst auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft, und “verified reports forwarded to
relevant government agencies, such as the police and the Malaysian Anti-Corruption Commission
(MACC)” (Lee 2013). Schließlich zeigte die Arbeit von COMFRELs CAMBODIAN VOTER VOICE bei den Wah-
len 2013 eine klare normative Erwartungshaltung in Bezug auf das Verhalten staatlicher Behörden.5
Bürger meldeten über die NGO-Hotline, dass verschiedene Firmen in Phnom Penh ihren Mitarbeitern
nicht erlaubten, die Stadt zu verlassen, um in ihren Heimatprovinzen ihre Stimme abzugeben. Das
COMFREL Interventionsteam informierte daraufhin die Wahlkommission anderer staatlicher Stellen.
Mit Hilfe des Ministeriums für Arbeit und berufliche Bildung wurden mehrere solcher Fälle gelöst und
Mitarbeiter durften schließlich nach Hause fahren, um ihre Stimme abzugeben.
Was haben diese Beispiele aus den Missionszielen der crowdsourcing Initiativen oder aus ihrer tat-
sächlichen Praxis gemeinsam? Sie alle teilen die Erwartung, dass staatlichen Behörden sich die Bür-
gerberichte zu Nutze machen sollten, um ihre Arbeit zu verbessern. Man kann dieses Konzept als
technikunterstützte "Bürger-Koproduktion" (Linders 2012) von Wahlen bezeichnen. Crowdsourcing
erhöht die Menge an Informationen, die öffentlichen Dienstleistern zur Verfügung steht. Es erlaubt
ihnen, die Dienstleistungen auf die Bedürfnisse der Bevölkerung anzupassen, es reduziert Kosten, för-
dert Innovation und erzeugt positive Externalitäten, wie z.B. die Förderung sozialen Kapitals und Stär-
5 Dies geht auf die teilnehmende Beobachtung der Arbeit of COMFRELs bei den kambodschanischen Wahlen vom 28 Juli 2013 zurück (siehe http://electoralintegrity.blogspot.com.au/2013/07/cambodian-civil-society-keeps-eye-on.html).
Die Zahl der Internetnutzer steigt kontinuierlich an. Waren es in 2011 in Vietnam noch 31
von 100 Personen sind es 2013 bereits 44, die regelmäßig das Internet nutzen.
Quelle: Worldbank http://data.worldbank.org/indicator/IT.NET.USER.P2
Hintergrund: Südostasien Nr. 49 / August 2015 | 12
kung der Zivilgesellschaft (siehe Linders 2012:452). Angewandt auf die öffentliche Dienstleistung
„Wahlen“, erhöht crowdsourced monitoring auf dramatische Weise die Menge an Informationen, die
den Wahlbehörden in Bezug auf Probleme mit der Wählerregistrierung, fehlender Ausrüstung, schwie-
rigem Zugang zu den Wahllokalen, irregulären Öffnungszeiten der Wahllokale, Stimmenkauf, Ein-
schüchterung und Ähnlichem zur Verfügung stehen. Die normative Erwartung ist, dass die Behörden
ihre vorgeschriebene Kontrollfunktion vorschriftsmäßig erfüllen und diese Informationen nutzen, um
die Probleme anzugehen.
Im Bereich der Entwick-
lungszusammenarbeit wer-
den ähnliche Modelle für
monitoring unter dem
Schlagwort ICT4D diskutiert
(Bott & Gregor 2012; OCHA
2013). Ein anderes oft zi-
tiertes Beispiel ist die Web-
plattform SEE-CLICK-FIX6, die
sich auf Berichte von Bür-
gern über lokale Probleme
wie Schlaglöcher, Graffiti
oder Krankheitsausbrüche
stützt. Auch hier wird die
Menge verwertbarer Infor-
mationen durch crowd-
sourced monitoring expo-
nentiell gesteigert. Im Falle
von SEE-CLICK-FIX reagieren
öffentliche Einrichtungen
auf die eingesendeten Be-
richte, und in einigen Fällen erlauben tracking codes den Bürgern sogar, die Erfüllung der öffentlichen
Dienstleistung zu überwachen.
Diese Überlegungen machen natürlich nur Sinn, wenn Wahlbehörden ihre Arbeit ernst nehmen und
bereit sind, aktiv in den Dialog mit den Bürgern zu treten. Es setzt also eine kooperative Wahlkommis-
sion voraus. In jedem Fall führen die obigen Beobachtungen zu der Annahme, dass crowdsourced elec-
tion monitoring eine normative Erwartungshaltung und ein Element des „Sollens“ beinhaltet, welches
fordert, dass Wahlen durch den Staat im Tandem mit den Bürgern koproduziert werden.
„Bürger-Sensoren“ und gesellschaftliche Verantwortlichkeit
Gleichzeitig gibt es auch explizite oder implizite Erwartungen im Hinblick auf die Rolle der Bürger
selbst. Das Hauptziel der BURMA ELECTION TRACKER Initiative bei den Parlamentswahlen 2010 war die
Dokumentierung von Wahlbetrug und Gewalt und das Bereitstellen von „information about the milita-
ry elections based on credible reports and accounts from within Burma“. Missstände offenzulegen war
auch das Hauptziel der malaiischen Plattform Pemantau, die hoffte “to further enhance the aspirations
of people who want a free and fair election by mobilizing people to serve during the GE-13 to monitor
the electoral process, to prevent and reduce the efforts of fraud and misconduct during the election”. Es
wird erwartet, dass die Aufdeckung von Fehlverhalten und Missbrauch die Bürger mobilisiert und zu
6 http://seeclickfix.com/
Philippinen: Ebenso wie bei thaielectionwatch.net können die Bürger regional zuge-
ordnet Berichte über Wahlverstöße und Korruption hochladen.
Quelle: https://lente2013observations.crowdmap.com/
Hintergrund: Südostasien Nr. 49 / August 2015 | 13
einem Rückgang der Missstände führen wird. VOTEREPORTPH auf den Philippinen ist noch deutlicher in
der Zielsetzung: “to inform, organize and mobilize the Filipino people to push for meaningful reforms in
the 2013 automated polls with the aid of new media technology”. Gemeinsam ist den Projekten hier die
Vorstellung der Enthüllung und der Mobilisierung.
Es scheint, dass diese Plattformen als Werkzeuge zur societal accountability oder gesellschaftlichen
Verantwortlichkeit (Smulovitz & Peruzzotti 2000; Fox 2000) dienen sollen, weil sie darauf abzielen, die
Mechanismen zu verstärken, mit denen Bürger Druck auf Beamte oder Politiker ausüben können. In
normativer Hinsicht ist das „angemessene Verhalten“ der Bürger das von „Bürger-Sensoren“ (Georgi-
adou, Lungo & Richter-2013), die Wahlbetrug aufdecken und anklagen sollen. Einige experimentelle
Fallstudien (z.B. Callen et al. 2013) deuten darauf hin, dass beispielsweise Bürger, die die am Wahllo-
kal angeschlagenen Wahlergebnisse mit ihren Mobiltelefonen fotografieren, tatsächlich vor Betrugs-
versuchen abschrecken können. Die Norm crowdsourced monitoring erwartet, dass die Aufdeckung von
Wahlbetrug zur Aktivierung traditioneller Mechanismen der Rechenschaftspflicht, wie Gerichten oder
Ombudsleuten führt. Smulovitz & Peruzzotti (2006) nennen diesen Prozess „judicialization“. Für solch
eine Aktivierung ist es von großer Bedeutung, dass Projekte, die crowdsourced monitoring betreiben,
Allianzen mit bestehenden Organisationen eingehen, welche über Kapazitäten verfügen, um politi-
schen Druck aufzubauen. Sharma (2010) sieht dementsprechend Verbindungen zu zivilgesellschaftli-
chen Organisationen und vertrauensbildende Maβnahmen als zwei der wichtigsten Kriterien für den
Erfolg von crowdsourced monitoring. Fung et al. (2013) stimmen dem zu und sehen großes Potenzial
in einem Modell, das die Verbindung zwischen Bürgerberichten mit einer Allianz von NGOs sowie einer
staatlichen Behörde mit einem Mandat zum Handeln herstellt. Beispiele aus anderen Ländern sind die
Plattformen UCHAGUZI7 und die RECLAIM NAIJA
8, die es geschafft haben, durch eine effektive Kooperation
mit den Wahlbehörden ein Follow-up zu eingehenden Berichten zu gewährleisten (siehe Omenya 2013
für UCHAGUZI).
Vielleicht noch wichtiger ist jedoch, dass die untersuchten Plattformen die Erwartung beinhalten, dass
die von ihnen erzeugten Informationen zur Mobilisierung von Protesten beitragen – einem weiteren
Mechanismus der gesellschaftlichen Verantwortlichkeit. Fung (2011) führt das Argument an, dass sich
crowdsourced monitoring hervorragend für Mobilisierungsstrategien eignet, da es in Echtzeit Informa-
tionen zu Betrug und Manipulationen liefert, die aufgrund der anschaulichen Darstellungen in Form
von Bildern und Videos das Potenzial haben, den Unmut der Bevölkerung in konkrete Protestaktionen
umzumünzen. Die Effekte von Kommunikationstechnologien auf Protestmobilisierung sind verhältnis-
mäßig gut untersucht (siehe z. B. Bentivegna 2006 oder Hussain & Howard 2013). Vom sog. arabi-
schen Frühling bis hin zur „Safran“-Revolution in Myanmar wurden Kommunikationstechnologien zur
Mobilmachung von Menschen für Demonstrationen und andere Arten des kollektiven Handelns ge-
nutzt. Verwendet werden dabei vor allem soziale Netzwerke wie TWITTER und FACEBOOK, die die zeitglei-
che und mehrseitige Kommunikation vieler Teilnehmer ermöglichen. Aber auch Mobiltelefone werden
zunehmend für den gleichen Zweck eingesetzt, z. B. in Verbindung mit Tools wie FRONTLINE SMS, die
das massenhafte Versenden von SMS-Nachrichten mit einem Klick ermöglichen. Die wichtigste Wir-
kung dieser Anwendungen ist eine Senkung der Opportunitätskosten für kollektives Handeln. So zei-
gen beispielsweise Tüfekçi & Wilson (2012), dass diejenigen, die Informationen über soziale Netzwerke
erhalten auch eher an tatsächlichen Protestveranstaltungen teilnehmen.
Die vorstehenden Erwägungen führen zu dem Schluss, dass zumindest Ansätze einer Erwartung be-
züglich des „angemessenen Verhaltens“ von Staaten und Bürgern implizit oder explizit in den betrach-
7 https://uchaguzi.co.ke/ 8 http://www.reclaimnaija.net/
Hintergrund: Südostasien Nr. 49 / August 2015 | 14
teten Projekten in Südostasien enthalten sind. Der Staat soll Wahlen Hand in Hand mit den Bürgern
und den von ihnen generierten Beobachtungen „koproduzieren“. Und Bürger sollen als "Bürger-
Sensoren" fungieren und gesellschaftlichen Druck ausüben um Betrug oder andere Missstände zu ver-
ringern. Diese Erwartungen bilden den ideellen Kern einer neuen Norm.
Zivilgesellschaft als Norm-Unternehmer
Unser Verständnis der Entstehung von Normen läuft oftmals Gefahr "die Geschichte rückwärts zu le-
sen" (Checkel 2012), indem der Blick auf eine bereits vorhandene Norm gelenkt und ihre Entstehung
erklärt wird. Dies, kombiniert mit der Tatsache, dass der Groβteil der Forschung zu diesem Thema aus
Fallstudien besteht, führt zu
einer etwas irreführenden de-
terministischen Interpretation
erfolgreichen Norm -
Unternehmertums. Was jedoch
zeigen die vielen erfolglosen
Fälle, in denen Normen nie den
Scheitelpunkt erreichten und
sich nicht etablieren konnten?
Wie oben dargestellt, existiert
die Praxis des monitoring
durch Bürger selbst bereits seit
geraumer Zeit in abgewandel-
ter Form. Die „Datenerhebung“
erfolgte früher durch die Au-
gen und Ohren der Wähler,
und die Methode zur Verbrei-
tung von Daten war Mundpro-
paganda. Es ist das Aufkommen des digitalen Zeitalters, die nahezu ubiquitäre Verbreitung von Mobil-
telefonen und die zunehmende Nutzung des mobilen Internets, welche die Leichtigkeit und Geschwin-
digkeit der Datenerfassung und -verbreitung exponentiell gesteigert haben. In der Tat waren techno-
logische Veränderungen maßgeblich dafür, crowdsourced monitoring auf eine Stufe zu bringen, wel-
cher die organisierte Zivilgesellschaft einen Sinn darin sah, die Methode anzunehmen und zu verfei-
nern. Es sind eben diese Organisationen, die die Methode angenommen haben und durch ihre Anwen-
dung befördern, die als Norm-Unternehmer anzusehen sind.
Übt man sich für einen Moment in kontrafaktischem Denken so stellt sich die Frage, ob in Abwesen-
heit solcher Norm-Unternehmer von einer neuen Norm gesprochen werden kann? Wohl nicht, denn in
diesem Fall würde sich lediglich die spontane Praxis der Informationsverbreitung durch Bürger be-
obachten lassen, gleichwohl erleichtert durch die Nutzung neuer Technologien. Zwar würden Wähler
über Stimmen- oder Kandidatenkauf tweeten oder auf FACEBOOK über die Einschüchterung durch Si-
cherheitskräfte posten. Aber ohne das konzertierte Bemühen, diese Fülle von Informationen systema-
tisch durch das Aggregieren und die strategische Verbreitung an Medien und Öffentlichkeit zu nutzen,
blieben solche Praktiken diffus und unzusammenhängend. Normative Erwartungen könnten bestehen,
aber keine Möglichkeit, diese zusammenzuführen, zu formulieren und zu kodifizieren. Wie Finnemore
& Sikkink (1998) argumentieren, sind Norm-Unternehmer mit einer minimalen organisatorischen Inf-
rastruktur erforderlich, um gesellschaftliche Praxis in eine Reihe von Erwartungen über das angemes-
sene Verhalten staatlicher Akteure zu transformieren. Ein Beispiel hierfür ist die Übernahme von USHA-
HIDI ähnlichen Plattformen durch fast alle Akteure des crowdsourced election monitoring. Die Aggrega-
Freedom Run gegen Korruption in Palo auf den Philippinen. Bewusstsein und Enga-
gement für Rechtsstaatlichkeit werden zunehmend gestärkt. Foto: FNF
Hintergrund: Südostasien Nr. 49 / August 2015 | 15
tion unterschiedlicher und verwirrender Informationsströme über eine Plattform, die eine eingängige
Visualisierung in Form einer Karte produziert, erhöht deutlich die Sichtbarkeit, Benutzerfreundlichkeit
und vielleicht die Auswirkungen (ausstehend empirische Studien) dieser Art von Öffentlichkeit.
In benachbarten Anwendungsfeldern wie Katastrophenschutz oder humanitärer Hilfe, die bereits einen
längeren Weg im Hinblick auf die Normenbildung absolviert haben, gehören diese Praktiken zum
Standardrepertoire. Ohne die Beteiligung zivilgesellschaftlicher Norm-Unternehmer gäbe es kaum die
Möglichkeit, crowdsourcing auf sinnvolle Art mit der Arbeit der Wahlbehörden zu verbinden. Staaten
dürften eher zögerlich sein, sich dieser neuen Methodik anzunehmen, da ihnen die Vorteile nicht ein-
deutig genug sind. Es könnte sogar ihren eigenen Interessen zuwider laufen. Dies gilt vor allem für
autoritäre Regime, in denen den Wahlbehörden nicht an der Durchführung transparenter Wahlen ge-
legen ist, sondern wo es ihre implizite Aufgabe ist, Wahlen abzuhalten, die sauber genug sind, um
internationaler Prüfung standzuhalten, aber nicht sauber genug, um einen Regierungswechsel zu er-
möglichen (siehe Schedler 2006). Die Initiatoren der untersuchten crowdsourcing Plattformen betrei-
ben aktiv Lobbyarbeit, und versuchen staatliche Stellen davon zu überzeugen, crowdsourced monito-
ring unvoreingenommener gegenüber zu treten. Hierbei handelt es sich um genau die Art der Über-
zeugungsarbeit, die Finnemore & Sikkink (1998) von Norm-Unternehmern erwarten.
Mit Blick auf die untersuchten crowdsourcing Projekte, lassen sich verschiedene Arten von Norm-
Unternehmern erkennen. Drei Projekte wurden von NGOs initiiert, die „hauptberuflich“ Wahlbeobach-
tung betreiben (COMFREL, LENTE, AES WATCH). Vier wurden von NGOs mit breiter gesteckten Zielen des
Bürgerempowerment ins Leben gerufen (BERSIH, BELUN, BURMA PARTNERSHIP und SARAWAK REPORT). Hinzu
kommen zwei journalistische Plattformen (VERA FILES, RAPPLER), eine Hochschule (Thammasat Universi-
tät) und ein Berufsverband (COMPUTER PROFESSIONALS UNION).
Dies ist in mehrerlei Hinsicht interessant. Alle Akteure sind zivilgesellschaftlicher Natur. Die meisten
von ihnen haben Zielsetzungen mit Bezug auf Transparenz, Rechenschaftspflicht oder empowerment
der Bürger. In der Tat könnten mindestens neun von ihnen als Watchdog-Organisationen charakteri-
siert werden. Dies zeigt, dass diese Akteure technologische Fortschritte bereitwillig angenommen ha-
ben, um sie in ihre bestehende Mission zu integrieren.
Es ist auch erwähnenswert, dass keines der Projekte von staatlicher Seite initiiert wurde.9 Divergierend
von anderen Beispielen der Norm-Entwicklung kommt die Initiative von inländischen Akteuren mit
Interesse und Know-how auf dem Gebiet der Bürgerbeteiligung. Ebenso wurden keine der Initiativen
in deutlicher Weise von Gebern gelenkt. Im Hinblick hierauf müssen allerdings noch zusätzliche Infor-
mationen durch Interviews gesammelt werden, da viele der Initiativen ihrem eigenen Transparenzan-
spruch nicht in vollem Ausmaß genügen, was Informationen zu Spenden oder Geldgebern angeht. In
einigen Fällen wurden gar keine Angaben zur Finanzierung auf der Internetseite veröffentlicht. In an-
deren ist die genaue Rolle der internationalen Geber nicht ganz klar. Trug DAS CENTER FOR INTERNATIONAL
CONFLICT RESOLUTION (CICR) der Columbia University beispielsweise „nur“ Fachwissen und Finanzierung
zur Belun Crowd Map bei, oder ging die Idee für das Projekt von ihm aus? Andere Fälle sind in dieser
Hinsicht transparenter. Durch E-Mail-Interviews mit den Initiatoren konnte beispielsweise bestätigt
werden, dass es sich bei der VOTEREPORTPH-Initiative um eine Nachahmung der bereits bestehenden
Initiative VOTE REPORT INDIA handelte. Das #VOTEWATCH-Projekt wurde hingegen durch die journalisti-
sche Plattform RAPPLER im Alleingang konzipiert und entwickelt.
9 Eine mögliche Ausnahme ist das Thai Election Watch Projekt der Thammasat Universität in Thailand. Aber in diesem Fall – in den der Autor selbst involviert war – ging das Projekt auf eine reine Freiwilligeninitiative zurück und lieβe sich nur schwer als Handeln eines staatlichen Akteurs charakterisieren.
Hintergrund: Südostasien Nr. 49 / August 2015 | 16
Obwohl die genaue Rolle ausländischer Geber durch weitere Datenerhebung geklärt werden muss,
wird das grobe Muster relativ klar: Die befragten Plattformen sind inländische Initiativen zivilgesell-
schaftlicher Akteure, die crowdsourcing als neue Methode übernommen haben, um Bürger-generierte
Informationen zu sammeln, zu aggregieren und zu verbreiten. Stellt man dies in den Kontext der ide-
ellen Grundlagen der elf Projekte, zeigt sich, dass es sich hierbei um bottom-up Norm-
Unternehmertum handelt.
Der Wettstreit der Ideen
Finnemore & Sikkink (1998) postulieren, dass Normen nicht in einem Vakuum entstehen, sondern in
einem “highly contested normative space where they must compete with other norms and perceptions
of interest” (ibid.:897). Wenn crowdsourced election monitoring also eine von inländischen Watch-
dog-Organisationen propagierte Norm darstellt, müsste man erwarten, dass die Befürworter der be-
stehenden einschlägigen Norm dagegen mobil machen. Oder zumindest sollten sich Hinweise auf sol-
che bestehenden Normen finden lassen.
Als der türkische Premierminister Erdogan soziale Netzwerke als die „schlimmste Plage der Gesell-
schaft“ (The Guardian 2013) bezeichnete, offenbarte er damit die Verachtung und vielleicht auch die
Angst, die viele politische Eliten gegen die Vorstellung einer ständigen Beobachtung durch die Bürger
vereint. Solche expliziten und aufschlussreichen Hinweise sind rar, aber es kann auf drei mittelbare
Faktoren hingewiesen werden, die den herrschenden normativen Raum repräsentieren, in dem die
neue Norm crowdsourced monitoring entsteht.
Land Freedom of Information (FOI)-Gesetzgebung
Brunei Nein
Kambodscha Nein (Entwurf existiert)
Indonesien Ja
Laos Nein
Malaysia Nein (Entwurf angenommen, aber nicht umgesetzt)
Myanmar Nein
Philippinen Nein (Entwurf existiert, aber abgelehnt)
Singapur Nein
Thailand Ja
Osttimor Nein
Vietnam Nein (Entwurf existiert)
Tab. 2: Informationsfreiheit in Südostasien. Daten: Vleugels (2012)
Erstens, weil Norm-Unternehmer „work hard to frame their issues in ways that make persuasive
connections between existing norms and emergent norms“ (Finnemore & Sikkink 1998:908), macht es
Sinn zu versuchen, thematisch verwandte Normen in Südostasien zu identifizieren, und zu schauen,
wie diese gegenüber crowdsourced monitoring ausgerichtet sind. Nützlich ist hierfür eine genauere
Betrachtung von Gesetzen zur Informationsfreiheit (Freedom of Information – FOI) in der Region. Ob
FOI Gesetzgebung geeignet ist, mehr Transparenz zu gewährleisten, oder ob Transparenz in der Tat
eine notwendige oder ausreichende Bedingung für Verantwortlichkeit darstellt, ist hierbei nebensäch-
lich. Wichtig ist vielmehr, dass sie mit crowdsourced monitoring ein normatives Verständnis von
Transparenz als etwas Gutem gemeinsam hat (siehe z. B. Darch & Underwood 2010; Berliner 2013).
Von elf südostasiatischen Ländern hatten mit Stand 2012 nur zwei Rechtsvorschriften zur Informati-
Hintergrund: Südostasien Nr. 49 / August 2015 | 17
onsfreiheit erlassen (siehe Tabelle 2). In vier anderen waren Diskussionen in dieser Richtung vorhan-
den, bei den übrigen fünf gab es keinerlei Anzeichen für eine FOI-Gesetzgebung. Man kann daher si-
cherlich nicht von einer bestehenden Norm der Transparenz in Südostasien sprechen. Ganz im Gegen-
teil sind die Staaten der Region in ihrer Mehrzahl eher zögerlich, solche Gesetze zu verabschieden.
Dies zeigt, dass die normative Landschaft in Bezug auf Transparenz (und die Teilmenge der Transpa-
renz durch crowdsourced monitoring) für die neuen Norm-Unternehmer eindeutig feindselig ist.
Zweitens, wie sieht der normative Raum der freien Meinungsäußerung in Südostasien aus? REPORTERS
WITHOUT BORDERS (2013) bewertet die Lage in zwei Ländern (Vietnam und Laos) als "sehr ernst“ und
sieht acht weitere in der zweitniedrigsten Kategorie ("schwierige Situation"). Nur Osttimor erhält eine
etwas bessere Bewertung ("erkennbare Probleme"). In einer solch problematischen Umgebung für
Journalisten werden Bürger-Monitore sicherlich ähnliche Schwierigkeiten haben. Strenge Gesetze, die
üble Nachrede, Verleumdung oder Ciberkriminalität unter Strafe stellen, oder Einschränkungen der
Meinungsfreiheit aufgrund nationaler Sicherheitsbedenken sind gemeinsame Charakteristika aller
südostasiatischen Länder10
- obwohl zweifellos starke Unterschiede bestehen. Genauso wie im Fall der
FOI-Gesetzgebung kann man feststellen, dass die Staaten der Region im Groβen und Ganzen deutlich
gegen eine neue Norm der erhöhten Transparenz durch citizen monitoring eingestellt sind.
Schließlich finden sich ironi-
scherweise Hinweise auf die
heftige Anfechtung von
crowdsourced monitoring in
dem einen regionalen Doku-
ment, das zur Basis der Kodi-
fizierung der neuen Norm
werden könnte. Die Bangkok
Declaration on Free and Fair
Elections, welche im Dezem-
ber 2012 durch eine Gruppe
einheimischer Wahlbeobach-
tungs-NGOs und einiger
Wahlkommissionen aus ganz
Asien (nicht nur Süd-
ostasien) gebilligt wurde,
entstand unter der Federfüh-
rung des ASIAN NETWORK FOR
FREE AND FAIR ELECTIONS (AN-
FREL). ANFREL übernimmt
hier zweifelsohne die Rolle
eines Norm-Unternehmers in Bezug auf die übergeordneten Probleme der Wahlintegrität. Dennoch
kann keine Rede davon sein, dass die Erklärung zum aktuellen Stand die Beteiligung der „crowd“ an
Wahlbeobachtungen mit offenen Armen begrüßen würde. Es heißt eindeutig, dass „observers that have
adequate training, capacity, independence and objectivity encourage the conduct of free and fair elec-
tions. However, unfit observers may fail to perform their responsibilities satisfactorily, and, moreover,
10 Siehe z.B. Noorlander (2007) für einen regionalen Überblick, Streckfuss (2012) in Bezug auf das Majestätsbe-leidigungsgesetz in Thailand, oder HUMAN RIGHTS WATCH (2010) für die Situation in Indonesien. Des Weiteren bietet http://www.article19.org/resources.php/resource/2258/en/south-east-asia:-the-state-of-free-expression einen Überlick aus der Perspektive von Aktivisten für Meinungsfreiheit.
Die Staaten Südostasiens und ihr jeweiliger Rang in Bezug auf Pressefreiheit. Die
Werte liegen zwischen 0 (optimal) und 100 (schlecht). Quelle: Reporter ohne Grenzen
- Für Informationsfreiheit. (https://www.reporter-ohne-grenzen.de/rangliste/2015)
Hintergrund: Südostasien Nr. 49 / August 2015 | 18
may even distort the public’s perception of elections” (ANFREL 2012:11). Offenbar werden Normalbür-
ger als ungeeignet für die effiziente Beobachtung von Wahlen angesehen – was sich übrigens auch in
der Declaration of Global Principles for Non-Partisan Election Observation and Monitoring by Citizen
Organizations (GNDEM 2012) widerspiegelt. Beide Dokumente mahnen explizit mehr Training und eine
strengere Methodik zur Wahlbeobachtung an. Die entscheidende Frage ist an dieser Stelle nicht, ob
eine offene Aufforderung an alle Bürger besser ist als der Einsatz ausgebildeter Wahlbeobachter. Der
springende Punkt ist vielmehr, dass das Norm-Unternehmertum in Bezug auf crowdsourced monito-
ring offenbar mit der Wahlbeobachter-Community in einen Wettstreit der Ideen verstrickt ist.
Schlussfolgerungen
In diesem Beitrag wurde versucht, die sich entwickelnde Praxis des crowdsourced election monitoring
als im Entstehen begriffene Norm zu verorten. Die Praxis, wie sie in Südostasien ausgeübt wird, lässt
sich in drei Punkten als eine Norm in einer frühen Phase ihres Lebenszyklus charakterisieren.
a) Es gibt klare normative Erwartungen hinsichtlich des "angemessenen Verhaltens" des Staates und
der Bürger. Staaten sollen Wahlen in Zusammenarbeit mit ihren Staatsbürgern „koproduzieren“. Bür-
ger sollen sich als „Bürger-Sensoren“ betätigen und Druck auf Regierungen und andere Akteure ausü-
ben, die in Wahlbetrug oder Gewalt verstrickt sind.
b) Norm-Unternehmer propagieren aktiv die neue Norm und versuchen staatliche Stellen von ihr zu
überzeugen. Diese Norm-Unternehmer verlassen sich auf Plattformen und Netzwerke mit organisierter
Infrastruktur, um ihren Einfluss in der Auseinandersetzung mit bestehenden normativen Rahmenbe-
dingungen zu erhöhen.
c) Die bestehenden normativen Rahmenbedingungen in
der Region sind eindeutig gegen neue Vorstellungen von
"Bürger-Sensoren" und crowdsourcing ausgerichtet.
Diese kursorische Analyse beschäftigt sich nicht mit der
Frage, ob diese neue Norm einen tipping point erreichen
und zur Norm-Kaskade werden kann. Hyde (2011) ist der
Meinung, dass der Wendepunkt bei der Verbreitung der
internationalen Norm zur Wahlbeobachtung erreicht
wurde, als die Praxis von genügend Staaten angenom-
men war, um die Nicht-Annahme für andere Staaten
kostspielig zu machen. Dieses strategische Signalspiel gilt
jedoch möglicherweise nicht für crowdsourced election
monitoring. Denn hierbei handelt es sich in erster Linie
um eine inländische Angelegenheit, die nicht unbedingt
im Zusammenhang mit dem international ausgerichteten
Kalkül von Staaten steht. Die weitere Forschung hat aus-
zuwerten, ob durch crowdsourced monitoring Wahlbe-
trug tatsächlich abgeschreckt werden kann. Nur falls dies
zutrifft, kann man beginnen, über die Verbreitung der
Norm durch eine rational choice Logik nachzudenken.
Andererseits weist Finnemore & Sikkink (1998) darauf hin, dass Norm-Unternehmertum ein erfolgrei-
ches Unterfangen sein kann, wenn es gelingt, seine normativen Ansprüche in einen bestehenden nor-
mativen Rahmen einzufügen. Insofern wären Befürworter des crowdsourced monitoring gut beraten,
Demokratische Wahlen definieren sich dadurch,
dass sie allgemein, gleich, geheim und frei sind.
Foto: FNF
Hintergrund: Südostasien Nr. 49 / August 2015 | 19
ihre normativen Forderungen expliziter zu artikulieren und sie mit den angrenzenden Normen wie
Transparenz, Meinungsfreiheit oder monitory democracy zu verknüpfen. Solch semantisches framing
oder die „strategische soziale Konstruktion“ (Finnemore & Sikkink 1998) einer neuen Norm ist ohne
Zweifel zeitaufwändig und hängt zumindest teilweise davon ab, ob Gegner von einigen Vorzügen des
crowdsourced monitoring überzeugt werden können. Attraktiver scheint in dieser Hinsicht die Logik
der Koproduktion zu sein, da sie dem Staat weniger antagonistisch gegenüber steht als die Logik der
gesellschaftlichen Verantwortlichkeit, die im Wesentlichen konfrontativ ist.
Die Perspektive des Norm-Unternehmertums führt zu der Erkenntnis, dass eine starke organisatorische
Infrastruktur und Allianzen notwendig sind, um die Normwerdung zu befördern. ANFREL verfolgt
ebendieses Ziel, indem die Organisation ein breites Netzwerk aus Akteuren rund um die Bangkok Dec-
laration aufzubauen versucht, um Wahlintegrität zu fördern. Befürworter des crowdsourced monito-
ring könnten ebenfalls stärkere regionale Netzwerke aufbauen, um ihre Erfolgsaussichten zu steigern.
Eine solche Allianz würde die Sichtbarkeit des normativen Projekts erhöhen, eine klare Artikulation der
Zielsetzungen erleichtern und den Austausch von best practices ermöglichen.11
Ein eindeutiger Indikator für eine Norm-Kaskade oder sogar Verinnerlichung der neuen Norm wäre die
Akzeptanz von Wahlbehörden, für Bürger generierte Informationen und die Einbeziehung ebendieser
Informationen in ihren routinierten Workflow. Aber ob der Trend des crowdsourced election monito-
ring eine Modeerscheinung bleibt oder sich zu einer vollwertige Norm entwickeln wird, ist zu diesem
Zeitpunkt noch unklar.
Max Grömping ist Doktorand am Department of Government and International Relations der University
of Sydney. Der von ihm eingereichte Aufsatz “Wahlbeobachtung durch die "crowd" als Norm-
Unternehmertum in Südostasien ” wurde für die Publikation leicht abgeändert.
Fotos: FNF
Impressum
Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF)
Bereich Internationale Politik
Referat für Querschnittsaufgaben
Karl-Marx-Straße 2
D-14482 Potsdam
11 Ein Beispiel aus dem afrikanischen Kontext ist http://www.africanelections.org/.
Hintergrund: Südostasien Nr. 49 / August 2015 | 20
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Hintergrund: Südostasien Nr. 49 / August 2015 | 23
Name URL Country Initiator Year/
Election Mission Statement Funding
Cambodian Voter
Voice
http://www.cambodianvotervoi
ce.org/
Cambodia COMFREL 2012;
2013
Only general mission of COMFRE: Monitoring:
Increase transparency and confidence in the
election process. COMFREL mission is to help
to create an informed and favourable climate
1)- for free and fair elections through lobbying
and advocacy for a suitable legal framework,
education to inform voters of their rights and
monitoring activities that both discourage
irregularities and provide comprehensive moni-
toring data to enable an objective, non-
partisan assessment of the election process,
and 2)- for meaningfulness of post elections
through education and public forums to en-
courage citizens to participate in politics and
decision-making, advocacy/lobby for electoral
reforms that increase accountability of elected
officials and provide comprehensive monitoring
data to enable an objective, non-partisan as-
sessment of the fulfillment of political platform
and performance of elected officials.
EU, AusAid, Oxfam, Open
Society Foundation, Forum
Syd, Swiss embassy
Pemantau http://pru13.info/ Malaysia Bersih 2.0 2013
Pemantau aims to further enhance the aspira-
tions of people who want a free and fair elec-
tion by mobilizing people to serve during the
GE-13 to monitor the electoral process, to
prevent and reduce the efforts of fraud and
misconduct during the election.
?????
Anhang A: Crowdsourced election monitoring Initiativen in Südostasien (Quelle: Internetseiten siehe "URL")
Hintergrund: Südostasien Nr. 49 / August 2015 | 24
Sarawak Report
election abuse
and bribe map
http://election.sarawakreport.or
g/#6/3.57921/108.39111
Malaysia Sarawak Report 2013
This time we are operating a fully interactive
map that you can add your information to! So,
if for example you have seen BN candidates
handing money around longhouses or were in
Beluru and disgusted at the sight of James
Masing forcing land owners to parade before
the cameras holding cheques for dividends, as
if they were receiving 'gifts' from BN, then
mark the incident down on the map (we al-
ready have this time) as an example of election
bribery and corruption. This way we can regis-
ter BN's election crimes over the next few
weeks.
Rightfully, one day these crimes will catch up
with their perpetrators.
Radio Free Sarawak, Sarawak
Report, github Social Coding,
MapBox, imgur, Good Caesar
Burma Election
Tracker
http://www.burmaelectiontrack
er.org/
Myanmar Burma Part-
nership 2010
Document election fraud and violence. Burma
Election Tracker provides information about the
military elections based on credible reports and
accounts from within Burma. Because of the
extreme difficulty of collecting information in
Burma, we recognize that these reports repre-
sent a small portion of similar violations, fraud
and atrocities. To ensure the security of our
sources and reporters, incident reports not
received from the media have been plotted by
state or division, or by township if it is a highly
populated city.
?????
#VoteWatch
http://www.rappler.com/nation/
politics/elections-
2013/features/rich-
media/28157-votewatch-help-
us-monitor-violence-vote-
buying
Philippines Rappler 2013
Are there incidents of violence or attempts by
partisan groups to intimidate voters or poll
workers in your area? Are politicians or their
campaign leaders offering cash or valuable
giveaways to influence voters?If yes, let us
know by reporting them here and our reporting
tool will automatically map your reports
Smart, Samsung, Fibr, Power
Mac Center
AES Watch http://incidents.aeswatch.org/m
ain
Philippines AES Watch, UP
Diliman 2013
For all citizen monitors who are not part of any
election watch group, please help MONITOR
from your own precinct on election day
?????
Hintergrund: Südostasien Nr. 49 / August 2015 | 25
Eleksyon 2013 https://lente2013observations.c
rowdmap.com/
Philippines LENTE 2013
MISSION
LENTE is committed to ensuring truthful elec-
tions and meaningful electoral participation for
the good of the Filipino people.
VISION
LENTE envisions a genuinely and participatory
democratic Philippine society with an informed,
empowered and engaged citizenry, where LEN-
TE serves as a steadfast guardian of a credible
and accessible electoral system.
OBJECTIVES
To conduct public education activities on the
Philippines electoral system
To lobby and advocate for electoral reforms
that would ensure the credibility of the elec-
toral process and restore the citizens’ trust in
the Philippine democracy
To pursue criminal and administrative cases
against violators of election laws
To strengthen institutional ties among various
citizen’s arms and other organizations for net-
working, collaboration and coordination of
projects and activities
To monitor the conduct of elections
?????
Vera Files Vo-
te2013 Map
http://crowdsource.verafiles.org
/
Philippines Vera Files 2013
VERA Files’ Vote 2013 Map is a tool to
crowdsource information on the 2013 elec-
tions.
Canada Fund for Local Initia-
tives, donations
VoteReportPH http://magbantay2013.voterepo
rtph.org/
Philippines
Computer Pro-
fessionals Uni-
on
2010;
2013
Vote Report Philippines (VoteReportPH) is a
grassroots-based electoral campaign that aims
to inform, organize and mobilize the Filipino
people to push for meaningful reforms in the
2013 automated polls with the aid of new
media technology. It seeks to orient the masses
in the nature of Philippine elections in the
context of electronic voting, monitor and doc-
?????
Hintergrund: Südostasien Nr. 49 / August 2015 | 26
ument occurrences of electoral fraud and other
problems related to the Automated Election
System (AES).
Thai Election
Watch http://thaielectionwatch.net/ Thailand
Thammasat
University 2011
Unify nationwide data on election-related
irregularities and violence, and visualize them
on a map of Thailand. The data sources are
reports from official bodies (Police, Election
Commission of Thailand etc.), Established news
outlets, accredited election observers, and
citizen reports. Thai Election Watch is grounded
in the belief that citizens' reports on election-
related events in their local constituencies can
add to a free and fair flow of information. This
in turn increases the accountability and trans-
parency of the election process.
Thailand Research Fund
Belun Crowdmap https://belun.crowdmap.com/ Timor Leste Belun 2012
Information from this site will be used to in-
form state, civil society and international ac-
tors, enabling a swifter response to incidents of
conflict or violence.
Columbia University's Center
for International Conflict
Resolution (CICR). EU. Germa-
ny. Ireland
Hintergrund: Südostasien Nr. 49 / August 2015 | 27
Name Focus on Techno-
logy
Langu-
age
No. of
reports Citizen Reporting
Means of
Reporting
Verifica-
tion CSO linkages
Collaboration
with EMB
Cambodian
Voter Voice
All types of
malprac-
tice, fraud
and vio-
lence.
Ushahidi Khmer 633
Volunteer network
(10,000 trained
volunteers) Open call
placed. Little 'crowd'
participation.
Email, Call,
SMS, Twet,
Online Form
Trust
network,
manual
verificati-
on
COMFREL's board comprises members of Cam-
bodian Human Rights and Development Asso-
ciation (ADHOC), Human Rights Vigilance of
Cambodia (VIGILANCE), Socio-Economic Devel-
opment Organization of Cambodia (SEDOC),
Cambodian Women's Crisis Center (CWCC),
Cambodian Center for the protection of
Chirldren's Rights (CCPCR), Legal Aid of Cam-
bodia (LAC) Khmer Pampuchea Krom for Hu-
man Rights Association (KKKhRA), Women's
Media Center of Cambodia (WMC), Cambodia
Defence Project (CDP), Khmer Youth Associa-
tion (KYA), Cham Khmer Islam Minority Human
Rights and Development Association (CKIM-
HRD) and Cambodia Association for the Elderly
(CAE) which involve in strategy and policy
decision of comfrel Executive Committee, the
key unit that plan and organises the implemen-
tation of the comfrel's programs.
Yes, limited
Pemantau
All types of
malprac-
tice, fraud
and vio-
lence.
Ushahidi Bahasa,
English
?????
(map
offline)
Volunteer network.
Open call placed.
Email, Call,
Tweet, Online
Form
Manual
verificati-
on.
MAFREL, Pusat Komas. Plus Bersih's large CSO
network. ????
Sarawak Re-
port election
abuse and
bribe map
Election
Fraud,
especially
vote buying
Drupal English 100 Open call SMS, online
form ????? Radio Free Sarawak, Sarawak Report No
Anhang A: (Fortsetzung)
Hintergrund: Südostasien Nr. 49 / August 2015 | 28
Burma Elec-
tion Tracker
All types of
malprac-
tice, fraud
and vio-
lence.
What went
well.
?????
Burme-
se,
English
535 Volunteer network.
Open call placed. Online form
Trust
Network
ABFSU-FAC, Generation Wave, Ma-Ka-Da,
Network for Democracy and Development, The
Network for Human Rights Documentation -
Burma (ND-Burma), Arakan Labour Campaign
(ALC), Burma Lawyer’s Council (BLC), Burmese
Women’s Union (BWU), Kayan Womens' Organ-
ization, Yaung Chi Oo Worker Association
Zomi Student and Youth Organization, Burma
News International, Democratic Voice of Bur-
ma, Kachin News Group, Kaladan Press, Kanta-
rawaddy Times, Kaowao News, Khonumthung
News, Karen Information Center, Independent
Mon News Agency, The Irrawaddy, Mizzima
News, Narinjara News, Network Media Group
Shan Herald Agency for News
No
#VoteWatch
Election
fraud and
violence
????? English 34 Open call Online Form User
rating Part of Rappler No
AES Watch
Adminis-
trative
malpractic-
es, espe-
cially relat-
ed to elec-
tronic
voting
Ushahidi
Taga-
log,
English
1876 Volunteer network.
Open call
Email, Call,
online form,
app
????? AES Watch is a coalition of 45 organizations. ?????
Eleksyon
2013
All types of
malprac-
tice, fraud
and vio-
lence.
Ushahidi English 340 3000 volunteers. Email, Online
Form
Trust
network.
Manually.
82 veri-
fied, 258
unverified
At present, the Legal Network for Truthful
Elections (LENTE) works with over 25 partner
organizations, lawyers associations, and stu-
dent councils.
Integrated Bar of the Philippines (IBP), One
Voice, Catholic Bishops Conference of the Phil-
ippines-National Secretariat for Social Action
(CBCP-NASSA),
National Movement for Free Elections (NAM-
FREL),
Parish Pastoral Council for Responsible Voting
No
Hintergrund: Südostasien Nr. 49 / August 2015 | 29
(PPCRV),
Ateneo Human Rights Center, Ateneo Law
School Student Council,
Bishops’ Businessmen’s Conference
(BBC),Caucus of Development NGO Networks
(CODE-NGO)-Bantay Canvass, Cebu Lady Law-
yers Association, Davao Lady Lawyers Associa-
tion (DALLAS), Halalang Marangal/HALAL,
Lawyers’ League for Liberty (LIBERTAS), Lyceum
of the Philippines University-Law Student Gov-
ernment, Manuel L. Quezon University, College
of Law Student Council, National Council of
Churches of the Philippines (NCCP), National
Union of Journalists of the Philippines (NUJP),
New Era University, College of Law Student
Council, Philippine Christian University College
of Law Student Council, Philippine Council for
Islam and Democracy (PCID), Philippine Council
of Evangelical Churches, Philippine Law School,
Student Council, Puwersa para sa Ganap na
Demokrasya Labang Wagas para sa Inang
Bayan (Pugadlawin), Sentro ng Alternatibong
Lingap Panligal (SALIGAN), University of the
Philippines College of Law, Law Student Gov-
ernment, University of San Carlos Law Student
Council, Upholding Life and Nature (ULAN),
Workers’ Electoral Watch (WE WATCH), Young
Lawyers Association of Cebu (YLAC)
Vera Files
Vote2013
Map
Election
violence,
political
dynasties
Ushahidi English 483 News sources. Open
call placed.
Email, Twitter,
online form,
app
???? (111
verified
reprts)
Journalist network. ????
Hintergrund: Südostasien Nr. 49 / August 2015 | 30
VoteReportPH
All types of
malprac-
tice, fraud
and vio-
lence.
What went
well.
Ushahidi
Taga-
log,
English
1059
Trained volunteers
and Kontra Daya
network
Email. SMS,
Twitter, Online
Form
Trust
network.
No verifi-
cation for
crowdsour
ced re-
ports.
1048
verified.
11 unveri-
fied (fom
Twitter)
No
Thai Election
Watch
All types of
malprac-
tice, fraud
and vio-
lence.
Ushahidi Thai,
English 213
News sources. Open
call placed. Little
'crowd' participation.
Email. SMS,
Twitter, Online
Form
Manual
verificati-
on. 10.8%
verified.
Thailand Political Database, Thammasat Uni-
versity No
Belun Crowd-
map
Election
Violence Ushahidi
English,
Tetum 676
Volunteer network.
More than 100 par-
ticipants in 43 sub-
districts. It was
gradually rolled out
between 2009 and
2012, and aims to
scale up to reach all
65 sub-districts in
the country
(http://www.irinnew
s.org/report/98186/ti
mor-leste-promotes-
traditional-conflict-
resolution) Open
call placed.
Email, Twitter,
online form
Trust
network Yes