Historische Entwicklung der Violine - ph- · PDF fileunterschiedliche Entwicklung der Familien...

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1 Historische Entwicklung der Violine Vorinstrumente Nach dem derzeitigen Stand der Forschung wird angenommen, dass der Streichbogen in Zentralasien, in einem Gebiet südlich des Aralsees schon vor dem 9. Jahrhundert entstanden ist. Um das Jahr 1000 ist das Musizieren mit dem Streichbogen sowohl im arabisch-islamischen wie auch im byzantinischen Bereich allgemein verbreitet. In Europa lässt sich der Streichbogen seit dem 11. Jahrhundert nachweisen. Im Hochmittelalter standen in Europa folgende Streichinstrumente zur Verfügung: 1.) Der Crwth, 2.) Die Fidel, zunächst zum begleitenden Bordunspiel gebraucht. 3.) Der Rebec, 1-3 Saiten; Stimmung in Quinten. 4.) Die Giga, in Stimmung und Saitenzahl dem Rebec ähnlich, Zargen. 5.) Das Trumscheit Man kann sagen, dass diese Instrumente Organal- und Borduninstrumente waren. Im 15. Jahrhundert setzten Entwicklungen ein, die zu einem vollständigen Wandel im Instrumentarium führten. In den Werken Ockeghems oder Dufays, die von mittelalterlich scholastischem Denken geprägt waren, führte noch ein primär wirksames Harmoniegefühl zum Vollklang wie zu einer Erweiterung des Tonraumes nach der Tiefe zu. Das Ideal der Menschen jetzt, das sich von der griechischrömischen Denkweise begeistern ließ, legte weniger Wert auf dienende Harmonie sondern manifestierte sich an Festen, die unter freiem Himmel vor vielen Zuschauern gefeiert wurde und betonte die subjektive Empfindung des Menschen. Hier reichten die stillen Fideln und die herkömmlichen Violen nicht mehr aus, es mussten klangkräftigere Instrumente her, die auch den emotionalen Möglichkeiten der menschlichen Stimme adäquater waren. Schon im Laufe des 15. Jhdts. waren bereits höher klingende und in Quinten gestimmte Formen der Viola da Braccio aufgetaucht. Ab 1500 kristallisierte sich immer mehr eine unterschiedliche Entwicklung der Familien der zur Tiefe strebenden Violas da Gamba ( Gamben) und der Familie der höheren Violas da Braccio bzw. der Sopran Violas da Braccio heraus.

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Historische Entwicklung der Violine

Vorinstrumente

Nach dem derzeitigen Stand der Forschung wird angenommen, dass der Streichbogen in Zentralasien, in einem Gebiet südlich des Aralsees schon vor dem 9. Jahrhundert entstanden ist. Um das Jahr 1000 ist das Musizieren mit dem Streichbogen sowohl im arabisch-islamischen wie auch im byzantinischen Bereich allgemein verbreitet. In Europa lässt sich der Streichbogen seit dem 11. Jahrhundert nachweisen. Im Hochmittelalter standen in Europa folgende Streichinstrumente zur Verfügung:

1.) Der Crwth, 2.) Die Fidel, zunächst zum begleitenden Bordunspiel gebraucht. 3.) Der Rebec, 1-3 Saiten; Stimmung in Quinten. 4.) Die Giga, in Stimmung und Saitenzahl dem Rebec ähnlich, Zargen. 5.) Das Trumscheit

Man kann sagen, dass diese Instrumente Organal- und Borduninstrumente waren.

Im 15. Jahrhundert setzten Entwicklungen ein, die zu einem vollständigen Wandel im Instrumentarium führten. In den Werken Ockeghems oder Dufays, die von mittelalterlich scholastischem Denken geprägt waren, führte noch ein primär wirksames Harmoniegefühl zum Vollklang wie zu einer Erweiterung des Tonraumes nach der Tiefe zu. Das Ideal der Menschen jetzt, das sich von der griechischrömischen Denkweise begeistern ließ, legte weniger Wert auf dienende Harmonie sondern manifestierte sich an Festen, die unter freiem Himmel vor vielen Zuschauern gefeiert wurde und betonte die subjektive Empfindung des Menschen. Hier reichten die stillen Fideln und die herkömmlichen Violen nicht mehr aus, es mussten klangkräftigere Instrumente her, die auch den emotionalen Möglichkeiten der menschlichen Stimme adäquater waren.

Schon im Laufe des 15. Jhdts. waren bereits höher klingende und in Quinten gestimmte Formen der Viola da Braccio aufgetaucht. Ab 1500 kristallisierte sich immer mehr eine unterschiedliche Entwicklung der Familien der zur Tiefe strebenden Violas da Gamba ( Gamben) und der Familie der höheren Violas da Braccio bzw. der Sopran Violas da Braccio heraus.

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Aus der Sopran Viola da Braccio, die sich ihrerseits vor allem aus der Fidel entwickelt hatte, bildete sich allmählich die Geige. Norditalien (Mantua, Pesaro, Brescia, Bologna, Bergamo, Venedig und vor allem Cremona) wurde das absolute Zentrum der Violinentwicklung, was natürlich zum einen mit der Entwicklung des Renaissancelebensgefühls zusammenhing, das sich vor allem in den reichen oberitalienischen Kleinstaaten ausbildete. Auch die Sangesfreudigkeit der Italiener mag eine Rolle gespielt haben; nicht zu vergessen, dass in den Höhenlagen Oberitaliens sehr geeignetes Holz zum Bau der Geige zu finden war.

Ein Zeitgenosse Monteverdis, Giovanni Battista Doni, schildert in sehr emphatischen Worten, wie begeistert die Geige damals aufgenommen wurde und was er und seine Zeitgenossen von dem neuen Instrument hielten:

„ Unter allen Musikinstrumenten ist die Natur der Violine wahrhaft wunderbar: da keines in einem so kleinen Korpus und mit so wenig Saiten eine so große Verschiedenheit von Tönen Harmonien und melodischen Verzierungen enthält; und die menschliche Stimme wiedergibt, nicht nur in der Melodie. . ., sondern sogar im Text. . . Kurz: in der Hand eines erfahrenen Spielers vereinigt die Violine die Weichheit der Laute, die Süße der Gambe, die Majestät der Harfe, die Kraft der Trompete, die Lebhaftigkeit der Pfeife, das Klagende der Flöte, das Pathos des Kornetts " ( Rom 1640 ).

Man sagt heute, dass Andrea Amati ca. 1540 in Cremona und Gasparo da Salo ca. 1560 in Brescia mit ihren Instrumenten bereits die noch heute übliche Standardform festlegten. Die Geigenbauer selbst bezeichneten sich übrigens noch bis ins 20. Jahrhundert oft als Lautenbauer.

Umstellung auf ein neues Klangideal

Ab etwa 1750 reagierte der Geigenbau auf sich ändernde Aufführungsbedingungen. Die Orchester und die Säle wurden immer größer (so etwa die Concerts spirituels in Paris ab 1725, die Leipziger Gewandhauskonzerte ab 1781, die Riesenbesetzungen der Londoner Händelgedächtnisfeiern 1784 u.s.w.) . Hinzu kamen die erweiterten technischen Anforderungen insbesondere das Spiel in immer höheren Lagen betreffend. Viotti ( 1755-1824) forderte eine Verlängerung des Griffbrettes auf das noch heute übliche Maß.

Um diese Anforderungen zu erfüllen, musste der Geigenhals nicht nur verlängert, sondern auch in einem anderen Winkel eingeleimt werden. Durch den dadurch stark gestiegenen Saitendruck musste auch der Bassbalken verstärkt werden. Nahezu alle vor 1750 gebauten Instrumente wurden in dieser Weise verändert. Wo das unsachgemäß versucht wurde, wurden wertvolle Instrumente auch dabei zerstört. Die Violinen veränderten dabei ihre ursprüngliche Klangcharakteristik. Die historische Aufführungspraxis etwa eines Nicolaus Harnoncourt versucht, uns das ursprüngliche Klangbild wieder zu erstellen.

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Entstehungsgeschichte des Violinbogens

Die frühen Violinbögen waren in ihrer Länge nicht genormt. Die Bogenstange war nach der Art eines Flitzebogens nach außen gebogen, die Haaraufhängung, die teilweise auch eine Veränderung der Bogenspannung zuließ, war unterschiedlich bevor Ende des 17. Jhdts. die Spannschraube verwendet wurde. Die nächste Veränderung betraf die Wölbung der Bogenstange, die von der Außen- zur Innenwölbung sich änderte. Dadurch wurde ein viel größerer Artikulationsreichtum möglich. Diese Änderung mag auf den großen Virtuosen Giuseppe Tartini (1692-1770 u.a. Teufelstriller Sonate) zuückgehen, Zeitpunkt ca. 1725. Die Bogenform in ihren heutigen Abmessungen und Dimensionen festgelegt hat dann der erste französische Meister, der sich ausschließlich dem Bogenbau widmete, Francois Tourte (1747-1835) bzw. schon sein Vater. Seine Bögen wurden zum Vorbild aller nachfolgenden Bogenmachergenerationen und sind noch heute sehr gesucht und nahezu unerschwinglich.