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HISTORISCHE ZEITSCHRIFT BEGRÜNDET VON HEINRICH VON SYBEL FORTGEFÜHRT VON FRIEDRICH MEINECKE UND THEODOR SCHIEDER In Verbindung mit Knut Borchardt, Johannes Fried, Klaus Hildebrand, Hartmut Leppin, Frank Rexroth, Gerhard A. Ritter, Uwe Waiter, Gerrit Walther, Eberhard Weis herausgegeben von Lothar Gall Redaktion: Jürgen Müller, Eckehardt Treichel Band 284 R. Oldenbourg Verlag München 2007 ;,¥ !

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HISTORISCHEZEITSCHRIFTBEGRÜNDET VON HEINRICH VON SYBELFORTGEFÜHRT VON FRIEDRICH MEINECKE

UND THEODOR SCHIEDER

In Verbindung mitKnut Borchardt, Johannes Fried,

Klaus Hildebrand, Hartmut Leppin,Frank Rexroth, Gerhard A. Ritter,

UweWaiter, Gerrit Walther,Eberhard Weis

herausgegeben vonLothar Gall

Redaktion: Jürgen Müller, Eckehardt Treichel

Band 284

R. Oldenbourg Verlag München 2007;,¥ !

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Imperium und Regnum im Verhältnis zwischenWormser Konkordat und Goldener Bulle

Analyse und neue Sicht im Lichte der Konstitutionen

Von

Eckhard Müller-Mertens

Angetan mit den kaiserlichen Insignien, thronend, in Anwesenheit allerKurfürsten, anderer Fürsten, Herren und Gesandter der Städte, erließKarl IV. am 10. Januar 1356 kraft kaiserlicher Machtvollkommenheitdie auf dem feierlichen Hoftag in Nürnberg beratenen Gesetze. Wegender Uneinigkeit der Kurfürsten des Heiligen Reiches regelte die Gol-dene Bulle die Wahl des zum Kaiser zu erhebenden Römischen Königs,die Wahl des rex Romanorumfuturus cesar. Im ganzen und in allen Ein-zelheiten war die Goldene Bulle auf das Heilige Reich, auf dessen Ehreund Wohl, auf Ansehen und Ruhm wie die Zuständigkeiten des Sac rumRomanum imperium bezogen. Es fehlte das Papsttum, und es fehltender deutsche König, das deutsche Reich und Deutschland. Ersterer Tat-bestand hat von der Geschichtswissenschaft höchste Aufmerksamkeiterfahren. Für das zweite Faktum gilt in etwa das Gegenteil. Der Sach-verhalt weist auf das Verhältnis von Imperium und Regnum, von Römi-schem Reich und deutschem Reich, er betrifft die Idee und Struktur desmittelalterlich-frühneuzeitlichen Reiches.

Das Ende des Alten Reiches vor zweihundert Jahren, der Erlaß vondessen Grundgesetz, der Goldenen Bulle, vor sechshundertfünfzig Jah-ren, diese Jubiläen des Jahres 2006 waren Anlaß für mannigfache Wür-digungen. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation wurde insge-samt in das öffentliche Bewußtsein gerufen. Die historische Erinnerungan das Reich aus aktueller Sicht forderte den Verfasser zu seiner jüng-sten Recherche "Römisches Reich im Besitz der Deutschen, der Königan Stelle des Augustus" heraus und bestimmte ihn, eine Fortsetzung zuunternehmen.' Wie gestaltete sich das Verhältnis von Imperium und

I Eckhard Müller-Mertens,Römisches Reich im Besitz der Deutschen, der Königan Stelle des Augustus. Recherche zur Frage: seit wann wird das mittelalterlich-

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Regnum nach dem Wormser Konkordat bis zur Goldenen Bulle, ist dieweiterführende Frage.

Die neue Recherche wird sich auf die "Constitutiones et acta pu-blica" konzentrieren, außerdem bis 1190 die .Diplomata", bis 1268 die.Epistolae saeculi XIII" heranziehen.s Neben der eigenen Ermittlungstützt sich die Analyse auf die Belegsammlungen zur Begriffsge-schichte von Fritz Vigener, Walther Müller, Adolf Diehl, Kar! GottfriedHugelmann, Hermann Weisert und vor allem Jörg Schwarz.?

Für das Verhältnis von Regnum und Imperium gilt bis heute die 1930erschienene Abhandlung von Edmund E. Stengel+ Grundlegend neubehandelt wurde das Problem durch Ernst Schubert.t Karl-Friedrich

frUhneuzeitliche Reich von den Zeitgenossen als römisch und deutsch begriffen?,in: HZ 282. 2006. 1-58; Die Goldene Bulle. Das Reichsgesetz Kaiser Karls IV.vom Jahre 1356. Deutsche Übers. v. Wolfgang D. Fritz; Geschichtliche Würdigungv. Eckhard Müller-Mertens. Weimar 1978; Eckhard Müller-Mertens, KaiserKarl IV. 1346-1378. Herausforderung zur Wertung einer geschichtlichen Persön-lichkeit. in: ZfG 27, 1979, 340-356. wiederabgedr. in: Evamaria Engel (Hrsg.),Karl IV. Politik und Ideologie im 14. Jahrhundert. Weimar 1982. 11-29.2 Monumenta Germaniae Historica. Constitutiones et acta publica imperatorern etregum. Bd. 1-2, ed. Ludwig Weiland; Suppl., ed. Wolfgang Stümer; Bd. 3-611, ed.Jakob Schwalm; Bd. 8. ed. Karl Zeumer/Richard Salomon; Bd. 9-10, ed. Marga-rete Kühn; Bd. 11, ed. Wolfgang D. Fritz: Hannover 1893-1992. - Diplomata re-gum et imperatorum Germaniae. Bd. 8: Die Urkunden Lothars III. und der KaiserinRichenza, ed. Emit von Ottenthal/Hans Hirsch. Berlin 1927; Bd. 9: Die UrkundenKonrads III. und seines Sohnes Heinrich, ed. Friedrich Hausmann. WienlKölnJGraz 1969; Bd. 10/1-5: Die Urkunden Friedrichs I., ed. Heinrich Appelt. Hannover1975-1990. - Epistolae saeculi XIII e regestis pontificum Romanorum selectae, ed.Kart Rodenberg. 3 Bde. Hannover 1883-1894.3 Frit; Vigener, Bezeichnungen für Volk und Land der Deutschen vom 10. bis zum13. Jahrhundert. Heidelberg 1901; WaIter Müller, Deutsches Volk und DeutschesLand im späten Mittelalter. in: HZ 132. 1925. 450-464; Adolf Diehl, HeiligesRömisches Reich Deutscher Nation, in: HZ 156, 1937.457-484; Karl GottfriedHugelmann, Stämme. Nation und Nationalstaat im Mittelalter. Würzburg 1955;Hermann Weisert, Der Reichstitel bis 1806, in: Am 40. 1994; 441-513; JörgSchwarz, Herrscher- und Reichstitel bei Kaisertum und Papsttum im 12. und13. Jahrhundert. (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters,Bd. 22.) KölnlWeimarlWien 2003.4 Edmund E. Stengel, Regnum und Imperium. Engeres und weiteres Staatsgebietim alten Reich. (Marburger Akademische Reden, Nr. 49.) Marburg 1930, wiederab-gedr. in: ders., Abhandlungen und Untersuchungen zur Geschichte des Kaiserge-dankens im Mittelalter. Köln/Graz 1965, 171-205.S Ernst Schubert, König und Reich. Studien zur spätmittelalterlichen deutschenVerfassungsgeschichte. (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Ge-schichte, Bd. 63.) Göttingen 1979.

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Krieger und Hans K. Schulze präsentieren die gegenwärtigen Lehrmei-nungen und den Forschungsstandf Für das zur Zeit maßgebliche Bildvom spätmittelalterlichen Reich steht Peter Moraw.? In Stengels Sichtflossen das die "Trias der Regna" überwölbende Imperium und dasdeutsche Königreich seit 1100 zusammen. Es war ein zweiseitiger Vor-gang. In der Auffassung Stengels schrumpfte das Imperium bis zumEnde des Mittelalters im wesentlichen auf das deutsche Sprachgebiet,das alte deutsche Regnum erweiterte sich durch die Gebiete jenseits derEIbe und Saale wie die Inkorporation Hochburgunds. Schubert betrach-tete das Verhältnis von Regnum und Imperium unter dem Aspekt desDualismus von König und Reich. Im Wormser Konkordat von denaliae partes imperii abgegrenzt, wurden dem regnum Teutonicum durchdie Theorie der "Translatio imperii" "universale Herrschaftsgedankenaufgeprägt". Gegen Ende des 13. Jahrhunderts wurde der unter Rudolfvon Habsburg herausgebildete Ausdruck regnum Alamannie gebräuch-lich. Der neue Begriff wies "das Königtum auf seine ,nationalen'Grundlagen zurück." Schubert begriff eine zur Selbstverständlichkeitwerdende Anwendung dieses Titels und schloß aus ihr auf "eine Ero-sion des imperialen Gedankens". Im Kampf zwischen Ludwig demBayern und der Kurie sodann wurden die Unterscheidungen von Reg-num und Imperium verwischt, die Konturen eines regnum Alamannieverloren sichf

Der Würzburger Tag der Fürsten mit Heinrich V. und das WormserKonkordat zwischen Papst und Kaiser 1121/22 markierten eine säku-lare Zäsur der Reichsgeschichte. Der Ansturm Gregors VII., Hein-rich IV. oder einen Gegenkönig als rex Teutonicorum auf das nordal-pine deutsche Reich zu beschränken, war gescheitert. Die Salier be-haupteten das Imperium. Das regnum Teutonicum trat als Wert- undBezugsgröße des politischen Denkens und Handeins hervor. Der Papst

6 Karl-Friedrich Krieger, König, Reich und Reichsreform im Spätmittelalter. (En-zyklopädie deutscher Geschichte, Bd.14.) München 1992; Hans K. Schulze,Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter. Bd. 3: Kaiser und Reich. StuttgartlBerlinJKöln 1998. Zum Forschungsstand und Literatumachweis wird generell aufdiese Werke verwiesen.7 Peter Moraw, Art. "Reich", in: Otto BrunnerlWemer ConzelReinhart Koselleck(Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialenSprache in Deutschland. Bd. 5. Stuttgart 1984, 434-456; ders., Von offener Verfas-sung zu gestalteter Verdichtung. Das Reich im späten Mittelalter. (Propyläen Ge-schichte Deutschlands, Bd. 3.) Berlin 1985.8 Schubert, König (wie Anm. 5), 226-238.

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verständigte sich mit Heinrich V. auf eine Unterscheidung zwischendem regnum Teutonicum und den anderen Teilen des Imperiums. DieFürsten wurden als Träger des Reiches anerkannt, bei ihnen lag fortandie Königswahl. Demzufolge gründete sich das regnum Teutonicum aufdas Kirchen- und das Reichsrecht.

Der deutsche Reichsbegriff lag 1122 in vier Fassungen vor. Er kamaus Italien, gewann Relevanz für die Fürstenopposition, wurde Gre-gor VII. zum Kampfbegriff, die letzte prokaiserliche Fassung sah dasRomanum imperium und das regnum Teutonicum als verbunden an. Diedeutsche Reichsidee erfuhr 1122 allgemeine Akzeptanz, sie wurde zurVertragsgrundlage für das Konkordat von Kaiser und Papst.? Auch wa-ren 1122 die Konzepte gegeben, das Römische Reich sei auf die Deut-schen übertragen worden, der von den Fürsten gewählte König stehe anStelle des Augustus, so wie der Papst Nachfolger des Apostels Petrussei. In der Mitte des 12. Jahrhunderts war diese Konzeption verbreitetund im ganzen als historisch-politisch-theologische Theorie entwickelt.

In diesem Umstand gelangte der Begriff imperium Romanum als "of-fizielle Eigenbezeichnung des Reiches" zu wesentlicher Bedeutung.Zeitgleich wurde der römische Königstitel mit dem Titel Augustus ver-bunden. Romanorum rex semper Augustus war von nun an der Normti-tel der Könige.Iü Die Päpste titulierten diese seit Innozenz 11. wie Ana-klet 11.Romanorum rex, zur Übernahme des Augustustitels entschlos-sen sie sich indes keineswegs. Als Augustus und Romanorum rex um1150 verbunden wurden, begriffen die Zeitgenossen Augustus in einerheilsgeschichtlichen Bedeutung. Für Otto von Freising war Augustusder höchste Rang in der Christenheit. Augustus war die Figur Christi,sie wies auf Gott.U Zweihundert Jahre später, im Dezember 1346, be-fand Kar! IV. zu dieser Frage, "und indem sie diesem König- und Kai-serreich in einzigartiger Weise und vom Himmel her den Augustus- Ti-tel gewährt hat, ... durch ihn werden wir als Mehrer des RömischenKönig- und Kaiserreiches bezeichnet." Zugleich nannte Karl Germa-nien die ursprüngliche Braut des Römischen Reiches.P Sodann nahmer 1347 als König den Brauch auf, in der Weihnachtsmesse selbst das

9 Eckhard Müller-Mertens, Regnum Teutonicum. Aufkommen und Verbreitung derdeutschen Reichs- und Königsauffassung im früheren Mittelalter. (Forschungen zurmittelalterlichen Geschichte, Bd. 15.) Berlin 1970. '10 Schwarz. Herrscher (wie Anm. 3), 59, 81-85.11 Müller-Mertens, Römisches Reich (wie Anm. 1),44 f., 55.12 MGH Const. Bd. 8, Nr. 144.

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Evangelium .Es begab sich aber zu der Zeit. daß ein Gebot von KaiserAugustus ausging" zu lesen.U Er erkannte, so Moraw, ..den Verfas-sungsrang von Lukas 2,1" und brachte damit ..die Universalität desReiches, sein höheres Alter gegenüber der Kirche und (mit Lk 20,25)die Gleichrangigkeit von Kaiser und Papst zum Ausdruck.vl+

Die politisch-theologische Theorie vom Römischen Reich im Besitzder Deutschen und dem König an Stelle des Augustus hatte zweiAspekte, die unterschiedliche Schlußfolgerungen auf das Verhältnisvon Kaiser und Papst zuließen. Die Vorstellung des Römischen Königsan Stelle des Augustus hatte in der Mitte des 12. Jahrhunderts eindeutigdie Konsequenz: Der von den Fürsten gewählte König trat mit der Wahlunabhängig vom Papst die Nachfolge des Augustus an und erlangte da-mit sogleich die kaiserliche Vollgewalt. Als Augustus bedurfte der Rö-mische König dazu nicht des nomen imperatoris, der Kaiserkrönung inRom. Dieser Gesichtspunkt fand in der bisherigen Forschung keine Be-achtung. Er bedarf künftiger Untersuchungen. Die Konzeption dertranslatio imperii von den Griechen auf die Deutschen war dagegen of-fen und mehrdeutig. Mit ihren verschiedenen Versionen, was denTranslator betraf.Iieß sie sich mit dem Dogma eines konstitutiven Cha-rakters der Kaiserkrönung durch den Papst, mit dem päpstlichen An-spruch auf Priorität und Suprematie gegenüber dem Kaiser verknüpfen.

Als dritte wesentliche Änderung der staufischen Kanzlei Mitte des12. Jahrhunderts in der Titelfrage und zugleich Ausdruck einer nochanderen, neuen Vorstellung des Reiches, erschien, bereits in der Kaiser-zeit Friedrichs I., das Sacrum imperium in den Urkunden. Es stellte sichneben den römischen Reichsbegriff. Die Urkundenschreiber verwende-ten fortan sowohl den Reichstitel Römisches wie Heiliges Reichl", wo-bei Romanum imperium überwog und die Kanzlei in erster Linie denBegriff imperium ohne Namenszusatz verwendete. Es dauerte fast drei-ßig Jahre, bevor heilig und römisch im Reichstitel erstmals verbundenwurden. Diese Verbindung blieb aber für Barbarossa eine Ausnahme,und Heinrich VI. verwendete sie lediglich dreimal.I''

13 Schubert. König (wie Anm. 5). 37 f. mit Anm 21.14 Peter Moraw. Art .• ,Heiliges Reich", in: Lexikon des Mittelalters. Bd. 4. Mün-chen/Zürich 1989. Sp. 2026.IS In Verbindung mit dem Imperium und der Kirche werden .heilig' und .römisch'als Eigennamen stets groß geschrieben. Das gilt ebenso für den König.16 Schwarz. Herrscher (wie Anm. 3), 86-96.

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Der dreigliedrige Reichstitel Sacrum Romanum imperium wurde je-doch nicht am staufischen Hof gebildet. Er diente, was Jürgen Peter-sohn erwiesen hat, den kaiserlichen Notaren, den Scriniaren, in Romnach dem römischen Aufenthalt Friedrichs I. 1167 als Legitimations-formel und ist als solche zuerst 1171 bezeugt. Er hatte das Pendant inder Selbstbezeichnung der päpstlichen Notare. Die Gegenüberstellungvon Heiliger Römischer Kirche und Heiligem Römischen Reichbrachte "die konzeptionelle Symmetrie von weltlicher und geistlicherGewalt im Sinne eines Dualismus von Papsttum und Kaisertum" zumAusdruck.l?

Die Reaktion der Kurie auf die Neuerungen der Herrscherkanzlei beider Titelgebung hat Schwarz untersucht. Den Titel Romanorum rex hat-ten die Päpste unter den Bedingungen des Einvernehmens gebilligt.Den Titel Augustus hat die Kurie dem König dagegen verweigert. Auchden römischen Namen haben Eugen Ill., Hadrian IV. und Alexander Ill.dem Imperium nicht zugebilligt. Der Begriff Romanum imperium läßtsich an der Kurie mit einer Ausnahme bis zum Pontifikat Innozenz' Ill.nicht nachweisen. Die Päpste wollten keine Gleichstellung von Ro-mana ecclesia und Romanum imperium. Bald nach dem Schisma von1130 verschwand imperium überhaupt so gut wie ganz aus den Schrift-stücken der Kurie. Es tauchte in den Verträgen von Anagni und Venedigauf, hier zusammen mit regnum Teutonicum. Alexander Ill. hat sichnach dem Friedensschluß mit Friedrich I.weiterhin gesperrt. In seinen19 Briefen vom 26. Juli 1177 bis zu seinem Tode, die entweder an denKaiser gerichtet waren oder auf ihn Bezug nahmen, erscheint das Impe-rium nur in einem einzigen Schreiben. Die Kurie war nicht gewillt, denMachtkomplex der Staufer als Imperium zu verstehen. Wie die römi-sche Reichsformel wurde der Begriff des Heiligen Reiches von der Ku-rie abgelehnt.Iä

Von den rund 1450 Urkunden Lothars Ill. und der beiden erstenStaufer bieten ganze zehn den Begriff regnum Teutonicum. Zwei wei-tere bringen Teutonicum respektive Teutonicorum imperium. Von die-sen zwölf Urkunden waren acht mit der Italienpolitik verbunden.lv In

17 Jürgen Petersohn, Rom und der Reichstitel "Sacrum Romanum imperium". (SBder Wiss. Ges. an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main,Bd. 32, Nr. 4.) Frankfurt am Main 1994,93 f.18 Schwarz, Herrscher (wie Anm. 3), 47-57, 111-146.19 MGH DLolII 101; DKIII 81; DDFI 97, 120, 186, 187,502,529,538,658,687,821; Const, I, Nr. 138.

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den gleichzeitigen Papstschreiben findet sich regnum Teutonicum etwasöfter als in den Herrscherurkunden. Bis 1198 bringen 22 kurialeSchriftstücke den Begriff. Dazu kommt einmal der Ausdruck regnumAlemannie.2o

Für die Kurie wie die staufisehe Kanzlei ist insgesamt zu konstatie-ren, daß nach dem Wormser Konkordat der Begriff regnum Teutonicumvon der staufischen Kanzlei wie der Kurie ohne Polemik, politischindifferent, neutral verwendet wurde. In keinem Fall wurde regnumTeutonicum mit Wertbegriffen verbunden, wie honor; dignitas, gloria,salus, splendor oder Vorstellungen wie utilitas, necessitas, damnum,detrimentum und dergleichen. Das ideologisch geprägte und polemi-sche Kapitel der Begriffsgeschichte von regnum Teutonicum war mitdem Wormser Konkordat augenscheinlich abgeschlossen.

Der theoretisch-dogmatische Streit zwischen Friedrich I., Ha-drian IV. und Alexander Ill. kreiste um das Kaisertum. Regnum et im-perium, erklärte der Kaiser, habe er durch die Königswahl der Fürstenunmittelbar von Gott empfangen. Für die Päpste war die Kaiserkrönungin Rom der konstitutive Akt. Umstritten war die Interpretation der Be-griffe beneficium, bonum factum oder feudum; contulimus tibi insigneimperialis corone, die Kaiserkrone aufsetzen oder verleihen, wie derStrator- und Marschalldienst, Ehren- oder Vasallendienst.21

Die grundsätzliche Neuerung der Reichs- und Königsauffassung derKurie, den Anschluß an die Translationsidee, vollzog Innozenz Ill.nach der Doppelwahl von 1198. Der neue Papst nannte das Reich de-monstrativ Romanum imperium.22 Super negotio Romani imperii ließer im Thronstreit ein eigenes Register anlegen. Innozenz rezipierte dieLehre vom Römischen Reich im Besitz der Deutschen, akzeptierte dieVorstellung eines konstitutiven Charakters der Königswahl, begriff diedeutschen Fürsten als entscheidende Instanz bei der Wahl des Kaisers.Diese hatten das Recht, elegendi regem in Romanorum imperatorempostmodum promovendum. Den gewählten und gekrönten König titu-lierte Innozenz rex in Romanorum imperatorem electus. Die Kaiserer-hebung begann in seiner Sicht also mit der Königswahl. Der Papst hatteden gewählten und gekrönten König zum Römischen Kaiser zu krönen,

20 Schwarz. Herrscher (wie Anm. 3), Anh. 1IINr. 7,9, 11, 14, 16, 17,27, 28, 38, 44,45,63,67,73-76,81,86,101, lOS, 117; MGH Const. I, Nr. 406.21 Otto von Freising und Rahewin, Gesta Friderici I. Imperatoris, ed. Georg Waitz.(MGH SS rer. Germ., Bd. 46.) Hannover 1912, Jib. III,10-13, 25 f.22 Schwarz. Herrscher (wie Anm. 3), 162-181.

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ihm seine Hand aufzulegen. Aufgrund der Handauflegung, des Schluß-aktes der Kaisererhebung, stand ihm das Recht zu, vorher die zum Kö-nig zu wählende Person zu examinieren, die Rechtmäßigkeit des Wahl-verfahrens zu prüfen und den König nach der Wahl zu approbieren.

Seinen Anspruch begründete Innozenz Ill. wesentlich mit der Trans-lationstheorie, indem er den Papst zum Translator erhob. Der apostoli-sche Stuhl Romanum imperium in persona magnifice Karoli a Grecistranstulit in Germanos. Der Papst vollzog jedoch nicht nur die Übertra-gung des Römischen Reiches auf die Deutschen, er übertrug zugleichdas Königswahlrecht auf die Fürsten Deutschlands.P Damit hatte Inno,zenz Ill. die kuriale Version der Translationstheorie formuliert.s+ AlsDekretale "Venerabilern" ging diese alsbald in die Dekretalensammlun-gen, in den ,,Liber Extra" Gregors IX., damit in das Kirchenrecht ein.

Außerhalb der Kurie erschien die kuriale Translationsidee bereits inden Hillin-Briefen, Trierer Stilübungen, zwischen 1160 und Anfang1165 im Kreise Alexanders Ill. hergestellt.25 Der fingierte Brief Hadri-ans IV. an die Erzbischöfe von Trier, Mainz und Köln bezog sich aufdas regnum Teutonicum und den rex Teutonicorum. Das regnum Teuto-nicum, bis dahin das geringste aller Reiche, habe durch den apostoli-schen Stuhl die Autorität erlangt, sich regnum Romanorum zu nennen,der ,,rex Teutonicorum non antequam ab apostolico consecraretur, im-perator vocaretur et esset augustus et advocatus Petri".26

An diesem Punkt bestand ein prinzipieller Unterschied zwischendem fingierten Brief und Innozenz Ill. Diesem ging es im Thronstreitnicht um einen rex Teutonicorum und um kein regnum Teutonicum. Fürihn waren das Romanum imperium im Besitz der Deutschen und der rexin Romanorum imperatorem electus die Orientierungsgrößen. So titu-lierte Innozenz Ill. nach seiner Entscheidung im Thronstreit Otto IV.,später auch Friedrich 11.Ebenso titulierte Honorius Ill. Das "Regesturnsuper negotio Romani imperii" enthält neun Briefe Ottos IV. an Inno-

23 Regestum Innocentii III papae super negotio Romani imperii, ed. FriedrichKempf, (Miscellanea Historia Pontificiae, Vol. 12.) Rom 1947 (künftig: RNI),NT.62; die Translationsidee in weiteren 6 Schriftstücken, NT.18, 29, 30, 31, 33, 79;Anerkennung des Wahlrechts außerdem NT.21, 55, 56, 64.24 Werner Goer; Translatio Imperii. Ein Beitrag zur Geschichte des Geschichtsden_kens und der politischen Theorien im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Tübin-gen 1958, 157-166.25 Ebd. 142-156.

26 Norbert Höing, Die "Trierer Stilübungen". Ein Denkmal der Frühzeit KaiserFriedrich Barbarossas. Erster Teil, in: AID I, 1955,323-329.

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zenz III mit der Intitulatio Romanorum rex semper augustus. Der päpst-liche Registrator rubrizierte diese erst unter rex, nach Ottos Anerken-nung unter rex in Romanorum imperatorem electus. Die Differenz isteindeutig. Römischer König allezeit Augustus auf königlicher Seite,zum Römischen Kaiser erwählter König seitens des Papstes. Philippvon Schwaben wurde durchweg dux Suevie bezeichnetP Augen-scheinlich ließ Innozenz für Philipp keine Beziehung zum RömischenReich zu.

Das regnum Teutonicum nannte Innozenz Ill. im Thronstreitregisterdreimal. Ein vierter Beleg findet sich außerhalb des Registers.28 Inno-zenz begriff das regnum Teutonicum wie seine Vorgänger nach demInvestiturstreit politisch neutral, indifferent, in einem territorialen Be-zug. Er faßte es als politisch-geographische Größe. Als solche spielteDeutschland, das Land, im "Register über die Angelegenheit des römi-schen Reiches" eine wesentliche Rolle. In erster Linie bietet dieses denAusdruck Alamannia, im merklichen Abstand kommt Teutonia hinzu.Germania tritt selten auf, Germani in der Formel a Grecis transtulit inGermanos. AlamannialTeutonia erscheint vornehmlich in den Adres-sen der von Innozenz an die Fürsten gerichteten Briefe, principes Ale-mannie, in Teutonia oder per Teutoniam constitutis, Briefe mit der pro-grammatischen Beziehung auf das Wahlrecht, auf den rex in Romano-rum imperatorem electus und das Romanum imperium im Besitz derDeutschen. Eine wichtige Rolle endlich spielte AlamannialTeutonia alsZiel- und Tätigkeitsbereich päpstlicher Legaten wie des Papstes selbst.

Dem deutschen Reich kam in der Folgezeit im politischen Denkenund Handeln Friedrichs Il. wie Honorius' Ill. und Gregors IX. keineBedeutung zu. Das regnum Teutonicum verlor sich, das regnum Ala-mannie tauchte vor Ende 1248 nicht auf, von Ausnahmen abgesehen.I?Heinrich (VII.) bezog sein Rechtfertigungsschreiben 1234 auf das reg-num Alemannie, an dessen Spitze ihn sein Vater gestellt hatte. Schließ-lich meldete Gregor IX. 1238, die Tataren werden nach dem regnumUngarie in Bohemie et Teutonie regna einfallen.3°

27 RNI (wie Anm. 23), Nr. 74.28 RNI (wie Anm. 23), Nr. 16,29,166; Schwarz, Herrscher (wie Anm. 3), Anh. Ill.Nr.281.29 Sofern Ausnahmen und Sonderfälle keine Aussage über die gegebene oder ein-tretende Relevanz politischer Ideen treffen, werden sie in vorliegender Studie nichtbehandelt.30 MHG Const. 2, Nr. 319; Epp, Saec~XlII 1, Nr. 822.

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Dagegen erscheint Deutschland, das Land, Teutonia/AlamannialGermania, fortlaufend. Die Namen wurden in der Regel synonym ge-braucht. Es ging um Angelegenheiten und Vorgänge, Zustände und Be-treffe in und von Teutonia/Alamannia/Germania, um die Unterschei-dung von Deutschland und Italien, von Alamannia, Francia, Anglia,Italia et aliae partes, von Alamania et omnibus partibus christianitatis.TeutonialAlamannia stellt sich als ZielgebietlZuständigkeitsbereichpäpstlicher Legaten dar, auf die partes, fines Alamannie, Teutonie, aufdas ius. die consuetudines Teutonie, das idioma Teutonicum wurde Be-zug genommen. Im übrigen nahm Germania seit der Ottonenzeit durchdie Amtsbezeichnung des Mainzer Erzbischofs archicancellarius perGermaniam einen festen Platz in den Urkunden ein. Mit der Stauferzeitkamen durch die Translationslehre die fortan stereotyp gebrauchtenWendungen a Grecia in Germaniam, de Grecis in Germanos hinzu.Nicht zuletzt traten in den Adressen die principes Teutonie, in Teutonia,per Teutoniam constitutis hervor. Mit principes Alamannie wurdennicht nur die Reichsfürsten, sondern Grafen und Herren und weitereGruppen begriffen. Sie allesamt konnten mit denfideles imperii gleich-gesetzt sein.

Deutsche, Teutonici, Alamanni, Germani, erscheinen nur selten.Ebenso war das Adjektiv deutsch ungebräuchlich. Durchweg ging esum das Land. So ist mit Ausnahmen auch nicht von deutschen Landendie Rede, sondern von Deutschlands Teilen und Gebieten. SachlicheSchwerpunkte, in denen Deutschland genannt wurde, waren für die Ku-rie das päpstliche Kreuzzugsunternehmen zur Befreiung Jerusalems,die Häretikerverfolgung seit 1231 und die Einberufungen des römi-schen Konzils 1241.

Der Mainzer Landfriede 1235 wurde von Friedrich 11.in Hinsicht aufFrieden und Recht bei allen dem Imperium unterworfenen Völkern er-lassen. Die per totam Germaniam constitutis erhalten zum herkömmli-chen, ungeschriebenen Recht Satzungen, welche generalem statum ettranquillitatem imperii betreffen. Der Begriff deutsches Reich in einerder deutschen Fassungen findet sich in der Überschrift, stammt alsonicht von Friedrich 11.,sondern geht auf den Übersetzer zurück: ,,Ditzist der fride und ez gesetze, daz der keiser hat getan mit der fursten ratuber alle Diutschiu rich."3) Die Fürstenprivilegien Heinrichs (VII.) undFriedrichs 11.nahmen keinen territorialen Bezug vor. Das Privileg für

31 MOH Const. Bd. 2, Nr. 196. S. 241; Nr. 196a S. 250.

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E. Müller-Mertens./mperium und Regnum 57/

die geistlichen Fürsten 1220 ist einfach an die principes ecclesiasticigerichtet, welche ad culmen imperii nos promovendo. Das ..Statutum infavorem principum" erteilte Heinrich 1231 den principes nostros eccle-siasticos et mundanos ceterosque fideles regni nostri, Friedrich 11.denprincipes et magnates mit Bezug auf das Imperium. Sein zweites Privi-leg vom 1. Mai 1231 richtete Heinrich an universis imperii fidelibus, esbetraf die domini terrae. neque principes neque alii.32

Teutonia/Alamannia/Germania wurde in den Schriftstücken der kai-serlichen wie päpstlichen Kanzleien als geographisch-politischerRaum, als politisch-geographische Größe, als Landeseinheit begriffen.Als Wertgröße, als Handlungs- und Herrschaftssubjekt läßt es sichnicht fassen.

In Hinsicht auf die Vorstellung des Imperiums fallt auf, unter Fried-rich 11.trat der Begriff Heiliges Reich im Vergleich zu Friedrich I. undHeinrich VI. zurück. Wenn Friedrich 11. beziehungsweise die staufi-sehe Kanzlei das Imperium mit einem Namen versah, hieß dieses vomSeptember 1212 bis April 1238 vorzugsweise Romanum imperium. FürBarbarossas Urkunden bestand eine Relation Romanum imperium zuSacrum imperium von 63 zu 23, für Heinrich VI. von elf zu elf, fürFriedrich 11.in der genannten Zeit von 61 zu acht.

Das politische Denken Friedrichs 11. war bis in das Frühjahr 1238also entschieden durch das Römische Reich beherrscht. In den dreißi-ger Jahren, mit den Konstitutionen von Melfi, wurde für Friedrich dierömisch-rechtliche Begründung der Herkunft des Imperiums zumThema. Er stellte die im Investiturstreit entwickelte Lehre, der populusRomanus habe sein ius und seine potestas auf den Kaiser übertragen,heraus. Der kurialen Translationsidee, der Doktrin vom Papst als Trans-lator, wurde, wie Goez formuliert, ..die Fiktion der römischen Juristengegenübergestellt, durch die translatio imperii a populo in principementstünde der Prinzipat")3 In dieser Relation ist die Erklärung nament-lich genannter Germanie principes, principes, qui circa hoc Romanisenatus locum accepimus, über die Wahl Konrads IV. in Romanorumregem et in futurum imperatorem herauszustellen.P'

Die Päpste nach Innozenz Ill. haben den Begriff Romanum imperiumdagegen wieder aus dem kurialen Sprachgebrauch herausgenommen.

32 MGH Const. Bd. 2, Nr. 304,171,305.33 Goez, Translatio (wie Anm. 24), 174.34 MGH Const. Bd. 2, Nr. 329.

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Für Honorius Ill. verzeichnet Schwarz nur einen, für Gregor IX. ledig-lich zwei Belege.35 Auch die von Innozenz Ill. rezipierte Translanone,lehre findet sich zunächst nicht wieder. Erst nach der Ergänzung desKirchenrechts durch den .Liber Extra", in den auch Innozenz' Ill. Brief"Venerabilern" gelangte, hat Gregor IX. jene im Oktober 1236 gegen-über Friedrich 11.erneut zur Geltung gebracht.w

Der erste selbständige Gebrauch des Begriffs Sac rum Romanum im-perium durch Friedrich 11.findet sich in dem Privileg für Hermann vonSalza und den Deutschen Orden vom 26. März 1226, die Goldbulle vonRimini. In der Forschung ist umstritten, "ob das Ordensland ein Teildes deutschen Königreiches oder des römischen Kaiserreiches gewesenist"_37Der Text läßt keinen Zweifel, das Herrschaftsgebiet des Deut-schen Ordens im Kulmer Land und Preußen stand sub monarchia impe-rii. Es wurde unmittelbar in das imperium eingegliedert. Der Hochmei-ster sollte dieselben Rechte haben wie irgendein princeps imperii interra sua.38 Für das Königreich Böhmen und die Herzogtümer Braun-schweig-Lüneburg und Österreich ist auf Grund der Privilegien Fried-richs 11.für Ottokar I. und Wenzel I., Investiturprivileg 1212, Bestäti-gung 1231, Otto das Kind, Erhebung in den Reichsfürstenstand 1235,und Friedrich den Streitbaren, Bestätigung des .Privilegium minus"wie Urkundenentwurf über die Erhebung Österreichs zum Königreich1245, zuvor die Urkunde über die Absetzung des Babenbergers 1236,die gleiche Aussage zu treffen.ö? Böhmen, Braunschweig-Lüneburg,Österreich sind eindeutig auf das Imperium bezogen, sie erscheinen alsGlieder des Römischen Reiches.

Die Erhebung Ottos von Lüneburg war die zweite überlieferte Erhe-bung in den Reichsfürstenstand. Die erste 1184 betraf den Grafen Bal-duin von Hennegau. Dieser übertrug sein Allod dem Imperium, er er-hielt es gebündelt mit seinem Lehnsbesitz vom imperium als feudumzurück. Damit war die marchia imperii Namur errichtet. 40 Diese Proze-dur wurde 1235 für Otto von Lüneburg wiederholt: Übertragung des

3S Schwarz. Herrscher (wie Anm 3), 214, 217.36 Goez, Translatio (wie Anm. 24), 167-170.37 Schulze, Kaiser (wie Anm. 6), 81.38 Quellen zur deutschen Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte bis1250. Ausgew. u. übers. v. Loren; Weinrich. (Ausgewählte Quellen zur deutschenGeschichte des Mittelalters, Bd. 32.) Darrnstadt 1977, Nr. 104.39 MGH Const. Bd. 2, Ne.43, 154, 197-199,260,261,201, 202.40 MGH Const. I, Ne. 298.

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Allods und der Lehen an den Kaiser und durch diesen an das imperium,darauf Belehnung durch das imperium. Das neue Herzogtum war einjeodum imperii, die Ministerialen erhielten den Status von ministerialesimperii.41

Nach dem Sieg Friedrichs 11.Ende 1237 über die Lombarden zum ei-nen, nach der Absetzung des Kaisers 1245 durch Innozenz IV. zum an-deren, vollzogen sich in der Herrscherkanzlei und an der Kurie wesent-liche Wendungen in der Vorstellung des Imperiums. Bis dahin hatte derKaiser der römischen Reichsformel den unbedingten Vorzug gegeben.Mit dem Mai 1238 kam der Wechsel zu Sacrum imperium. In den 71Dokumenten mit einer namentlichen Reichsbezeichnung vom Septem-ber 1217 bis April 1238 steht in 61 Römisches Reich, in 9 HeiligesReich, in den 100 Stücken der Zeit vom Mai 1238 bis Oktober 1250hieß das Reich in 68 Heiliges Reich, in 29 Römisches Reich. Sac rumRomanum imperium ist insgesamt flinfmal zu lesen.42 Die Zäsur imFrühjahr 1238 ist eklatant.

Offenbar setzte die dauernde Anführung des Heiligen Reiches mitder Amtsbezeichnung Sacri imperii per Germaniam archicancellariusfür Siegfried 11.von Mainz ein. Bereits vorher, 1223, 1231 und 1236,erschien die Amtsbezeichnung Sacri imperii legatus für Albrecht vonMagdeburg, Sacri imperii in Ytalia legatus für Gebhard von Arnstein.43

Vom Februar 1239 an bis Juni 1249 wurden Amtsbezeichnungen mas-siv auf das Heilige Reich bezogen.s+ In ihnen drückte sich politischesDenken über das Reich in der Nähe und am Hofe des Kaisers wesent-lich aus.

Es war Innozenz IV., der, wie vor ihm Innozenz Ill., die politischeTheorie des Papsttums entscheidend weiterführte. Auf dem Konzil vonLyon 1245 verkündete er: ,,Durch Christus gehört alle rechtmäßigeweltliche Gewalt dem Papsttum." Dieses hat die ,,plenitudo potestatisauf Erden - nun nicht im Sinne einer plenitudo potestatis in ecclesia,sondern einer totalen, die alle Seinsbereiche umfaßt", "Weil sie diepotestas directa in temporalibus besitzen", können die Päpste das Im-perium übertragen.P

41 MOH Const. Bd. 2, Nr. 197.42 Schwarz. Herrscher (wie Anm. 3), Anh. I Nr. 163-332.43 Ebd. Anh. I NT.234,199,208,217.44 Ebd, 201-203 Anm. 773-791.45 Goez, Trans1atio (wie Anm. 24), 170-173.

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Zweitens nahm Innozenz IV. das Römische Reich, welches die Päp-ste nach Innozenz Ill. quasi dem Kaiser überlassen hatten, wieder in diepolitische Vorstellungswelt der Kurie auf. Nach der Absetzung Fried-richs 11.und der Anordnung einer Neuwahl .rückte das Imperium Ro-manum gleichsam mit voller Wucht in den Brennpunkt der päpstlichenPropagandav.se Bei der Förderung der Gegenkönige Heinrich Raspeund Wilhelm von Holland wurde das Romanum imperium als Wert-größe herausgestellt, das politische Handeln wertmäßig auf das imperiiRomani negotium wie den Romani honor imperii ausgerichtet. Mit Ent-schiedenheit wurde eine Bezogenheit und Wechselseitigkeit von Römi-scher Kirche und Römischem Reich propagiert. An dieser politisch,ideologischen und terminologischen Praxis hat die Kurie unter denNachfolgern Innozenz' IV. im Prinzip festgehalten.

Mit Heinrich Raspe und dem Gegenkönigtum wurde drittens die Kö-nigsauffassung wieder aktuell. Innozenz IV. nahm die kuriale Praxisder Jahre 1130 bis 1155 auf, die Könige rex Romanorum illustris zutitulieren. Er betonte den römischen Charakter bereits des Königtums.Innozenz Ill. hatte den König als erwählten römischen Kaiser begrif-fen, also rex in Romanorum imperatorem electus, rex in Romanorumimperatorem postmodum promovendum. Innozenz IV. setzte Romano-rum im April 1246 zu rex. Er titulierte Heinrich Raspe Romanorum rexin imperatorem postmodum promovendum wie vielfach Romanorumrex illustrisit, ebenso auch Wilhelm von Holland. Zu dessen Wahl zumRömischen König verkündete Innozenz IV., sie wäre einmütig von denFürsten erfolgt, qui in electione cesaris ius habere noscunturw ZurNachwahl im März 1252 hielt der päpstliche Abgesandte neben demKardinallegaten Hugo, Heinrich von Segusio, bekannt als Hostiensis,in seinen Glossen zu den Dekretalen Gregors IX. fest, die Fürsten inAlemania urteilten, der einmütig gewählte Römische König hat die po-testas des Kaisers, die Kaisersalbung gebe ihm nur noch das imperialenomen. Der Hostiensis fügte unter Hinweis auf das Dekretale "Venera-bilem" das Erfordernis der päpstlichen Approbation und Konfimation

46 Schwarz, Herrscher (wie Anm. 3), 221.47 Ob Innozenz IV. Heinrich Raspe in einem Brief an seinen Bevollmächtigten inDeutschland Philipp von Ferrara vom 22. 6.1246 illustris rex Romanorum et sem-per augustus (Schwarz, Herrscher [wie Anm. 3], Anh. III Nr. 521) bezeichnete.bedarf hinsichtlich der Originalität der Prüfung.48 MGH Const. Bd. 2, Nr. 352.

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hinzu.t? Ohne damit einer Entscheidung im Thronstreit vorgreifen zuwollen, gestand Urban IV. 1263 beiden Königen, Richard von Cornwallwie Alfons von Kastilien, den Titel in Romanorum regem electus zu.50

Alle vier Könige, Heinrich, Wilhelm, Richard, Alfons, führten denKönigstitel Konrads Ill. und Friedrichs I. Romanorum rex et semperAugustus. Für die Kurie war und blieb der Augustustitel weiterhin nichtannehmbar. Das Gleiche gilt für die Reichsformel Sac rum imperium.Friedrich 11.hatte seit 1238 mit dem Heiligen Reich operiert. HeinrichRaspe und Wilhelm von Holland hielten daran fest. Während InnozenzIV. und seine Nachfolger demonstrativ das Romanum imperium heraus-stellten, führte Wilhelm ostentativ das Sacrum imperium an. Von seinenUrkunden bringen sechs den Namen Römisches Reich, 38 nennen dasHeilige Reich. Unter Wilhelm erfolgte eine weitere, grundsätzliche Än-derung. Die Kanzlei verband das Heilige und das Römische Reich. Seitdem Januar 1254 präsentierte sie den Begriff Sacrum Romanum impe-rium. Der Reichstitel heilig-römisch vollzog gewissermaßen denSprung von Sonderfällen zu einer festen Etablierung.51

Rückblickend läßt sich befinden: Im staufisch-welfischen Thronstreit1198 bis 1215 orientierte sich Innozenz Ill. auf das Römische Reich.Die Päpste nach ihm distanzierten sich davon, sie scheuten die römi-sche Reichsformel. Dagegen führte Friedrich 11.das Romanum impe-rium vehement ins Feld. Ende der dreißiger Jahre jedoch machten derKaiser und seine "Reichsbeamten" sich das Heilige Reich zu eigen. Imneuen Kampf gegen den Staufer brachte Innozenz IV. die Vorstellungdes Römischen Reiches abermals in die ideologisch-propagandistischeKonzeption und Strategie der Kurie. Dieser Prozeß kulminierte 1254mit der festen EinfUhrung des Begriffes Heiliges Römisches Reichdurch die Herrscherkanzlei. Die Entwicklung erreichte den Punkt, vondem an die Titelführungen für das Imperium und den König relativkonstant blieben. Für den Papst waren es das Römische Reich und derzum Kaiser zu erhebende Römische König, fur die Könige-Kaiser dasRömische, Heilige wie Heilige Römische Reich und der Römische Kö-nig allezeit Augustus.

49 Karl Zeumer, Ein Reichsweisthum über die Wirkungen der Königswahl aus demJahre 1252. in: Neues Archiv 30.1905.403-415.SO Schwarz, Herrscher (wie Anm. 3), Anh. III Nr. 514-720; hier MGH Const.Bd. 2, Nr. 405, Epp sel, XIII 3, Nr. 558, 560.SI Schwarz. Herrscher (wie Anm. 3). Anh. I Nr. 333-394.

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Viertens und endlich ist eine weitere begriffliche Neuerung unter In-nozenz IV. zu behandeln. Ende 1248 wurde die Vorstellung des deut-schen Reiches wieder relevant. Jedoch wurde das regnum nicht mehrmit der Eigenschaft deutsch versehen oder mit den Deutschen verbun-den. Vielmehr erfolgte vom Land, von Deutschland aus der Bezug aufdas regnum: regnum AlamannielTeutonie. Der Begriff regnum Alaman-nie erschien Ende 1248 im Zusammenhang mit dem Kampf Inno-zenz' IV. gegen Friedrich 11.und der Tätigkeit seiner nach Deutschlandentsandten Legaten. Es ging fortwährend um die Bekanntmachung derAbsetzung des Kaisers, eine Aufgabe für die Bettelorden, die Kreuz-predigt gegen Friedrich 11., den Ablaß für den Besuch der Kreuzpre-digt, die Kreuzzugssteuer, die Verwendung der kirchlichen Einkünftefür diese Zwecke. In den ersten drei Jahren des Pontifikats Inno-zenz' IV. wurde das deutsche Reich lediglich einmal angeführt. In denverbleibenden sechs Jahren, vom 9. Dezember 1248 an, 27 maI.52 Wiedas Römische Reich fand das regnum AlamannielTeutonie unter denNachfolgern einen bleibenden Platz im Schriftverkehr der Kurie.

Die Begriffsanalyse ergibt, der deutsche Landesname und der deut-sche Reichsbegriff wurden von der Kurie ohne inhaltlichen oder recht-lichen Unterschied, ohne politisch-ideologische oder theoretische Dif-ferenz und für die gleichen Bezüge und Angelegenheiten gebraucht.Der deutsche Reichsname wurde neutral-indifferent verwendet. Dasregnum Alamannie wurde zu keiner Wertgröße erhoben, es erscheintnicht politisch-staatsrechtlich begriffen, nicht als ein Handlungs- undHerrschaftssubjekt, weIches von der Person des Königs repräsentiertwird. Diese Größe ist für die Päpste allein das Romanum imperium, derKönig in der kurialen Auffassung ist ausschließlich der rex Romano-rum.

Den Kampfjahrzehnten am Ende der Stauferzeit folgte ein halbesJahrhundert des Einvernehmens zwischen Sacerdotium und Imperium,genauer gesagt zwischen den römischen Päpsten und den römisch-deutschen Königen. Zu einer Entscheidung der Kurie für einen der bei-den 1257 gewählten Römischen Könige war es nicht gekommen. Cle-mens IV. hatte sich 1266 gegen die Wahl eines dritten, Konradins, inRomanorum regem vel imperatorem gestellt. Im August 1273 forderteGregor X. die Kurfürsten zur Neuwahl des Römischen Königs auf.

52 Ebd. Anh. III NT. 508-642.

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Der Papst war auf einen handlungsfähigen, unbestrittenen, zum Kai-ser zu erhebenden Römischen König bedacht. Für die Kirche war vorallem die Bestätigung der Privilegien Ottos IV. und Friedrichs 11.vonfundamentaler Bedeutung. Gregor ließ sich die Privilegien für die Rö-mische Kirche bei einer persönlichen Begegnung im Oktober 1275 vonRudolf selbst bestätigen. Auch forderte er Sicherheit seitens der Kur-fürsten und Fürsten. Nikolaus Ill. kam auf diese Angelegenheit zurück.Rudolf wiederholte im August 1278 die Bestätigung der Privilegienwie der Schenkungen seiner Vorgänger. Nikolaus verlangte außerdemdie Zeugnisse und Unterschriften der Kurfürsten. Deren Willebriefewurden vom Februar an im Laufe des Jahres 1279 durch den LegatenGiffrid von Anagni eingeholt.

Rudolf und die Kurfürsten bestätigten Nikolaus Ill. 1278n9 nichtnur die Privilegien und Donationen. Sie stellten sich zudem auf den Bo-den der kurialen Translationslehre. Der König akzeptierte die Vorstel-lung der Übertragung des Imperiums von den Griechen auf die Deut-schen durch den apostolischen Stuhl. Die Kurfürsten machten sich dieIdee zu eigen, daß ihnen vom Nachfolger Petri das Recht erteilt wordenwar, denjenigen zu wählen, qui frena Romani teneret imperii. 53

Die kuriale Translationstheorie mit ihren beiden Komponenten,Übertragung des Imperiums und Verleihung des Wahlrechts, erkannte1303 abermals Albrecht I. gegenüber Bonifaz VIII. an. Er akzeptiertedie kirchliche Doktrin, die hierokratische politische Idee von der AIlge-waIt des Papstes. Und Albrecht verstand sich auf die von Bonifaz ent-wickelte Prozedur der Königserhebung mit der päpstlichen Approba-tion als Abschluß.t" Die hierokratische Theorie von der plenitudo pote-statis des Papstes, eingeschlossen die Translationslehre, hatte Bonifazbei der Approbation Albrechts in seiner Konsistorialansprache und sei-nen Briefen an Albrecht wie die fideles imperii dargestellt. Der Papststeigerte indes nicht nur sich selbst, er steigerte, gewissermaßen in ei-ner Symmetrie, den Römischen König. Bonifaz VIII. stilisierte: "suc-cessor Petri potestatem imperii a Grecis transtulit in Germanos. ut ipsoGermani, id est septem principes. quatuor laici et tres clerici, possenteligere regem Romanorum." Der folgenden, kirchenrechtlichen Wen-

S3 MGH Const. Bd. 3. Nr. 192.222.225-227,229,468; Reg. Imp. 6,1, Nr. 970.1062.S4 MGH Const. Bd. 4/1, Nr. 181 f.

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dung, qui est promovendus in imperatorem, fügte der Papst hinzu, etmonarchiam omnium regum et pricipum terrenorum.St

In der Literatur wird die Wendung Alleinherrscher aller Könige undFürsten herausgestellt.äe Nicht beachtet wird, daß Bonifaz die Kundge-bung der Approbation Albrechts an die Getreuen des Heiligen Römi-schen Reiches richtete und den Begriff Sacrum Romanum imperiumauch im Text verwendete. Eine derartige Erhöhung des Imperiumsdurch einen Papst war nach Wissen des Verfassers bis dahin nicht er-folgt. Die Orientierung der Kurie nach dem Investiturstreit, richtigerdas eigene Interesse der Kurie am Imperium, ist als historisches Phäno-men zu begreifen. Sie unreflektiert einfach als Selbstverständlichkeit zuerachten, führt nach Meinung des Autors zu Fehlurteilen. Auch in Kon-fliktfällen, wie mit Friedrich I. und Friedrich 11.,oder bei zwiespältigenKönigswahlen 1198 und 1257 hielt der Papst am Imperium und derVorstellung des Römischen Reiches im Besitz der Deutschen fest.

Wie die Staufer dachten Rudolf von Habsburg, Adolf von Nassauund Albrecht I. in imperialen Kategorien und der Formel nos et impe-rium, welche die Urkundensprache seit der Stauferzeit beherrschte.ä?Sie bedienten sich der imperialen Terminologie. In den ersten deutsch-sprachigen Urkunden lautete die Intitulation 1240 zuerst RamscheKunc, 1254 Koning van Rom en altoes Augustus, 1275 erscheint dieÜbersetzung von semper Augustus ze allen ziten ein merere, 1281 zeallen ziten ein merer ist des Riches. Römischer König allezeit Mehrerdes Reichs war fortan der gängige Titel in den deutschen Königsurkun-den. 58 Die Belege können wiederum nicht insgesamt dargestellt wer-den. Nach einer exemplarischen Vorführung muß auch hier, wie für an-dere Zeitspannen, auf eine bestätigende Vollständigkeit verzichtet wer-den.

Konstatiert sei lediglich: Bei den Revindikationen, die Rudolf gleichnach seiner Wahl betrieb, wurden die imperii Romani fideles angespro-chen, es wurde über die feoda, que a Romano imperio tenebant, diebona et iura Sacri imperiii oder einfach imperii gehandelt, mehrfach

ss MGH Const. Bd. 4/1, Nr. 173-175, vorher 1300 Nr. 105, 107.56 Goez, Translatio (wie Anm. 24), 181; Schubert, König (wie Anm. 5), 207.57 Schubert, König (wie Anm. 5), 14 f., 254-276, behandelt dieses Problem. DerVerfasser stimmt seiner Interpretationjedoch nur teilweise zu.58 Corpus der altdeutschen Originalurkunden bis zum Jahr 1300. Bd. 1. Hrsg. v.Friedrich Wilhelm. Lahr, Baden 1932, Nr. 7, 30, 235, 467.

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erfolgte ein Bezug auf das Sacrum Romanum imperium.59 Die Lehengalten als dem imperium gehörig und von diesem verliehen.

Die Vikare, Generalvikare, Rektoren, Capitane für Italien, Sachsen,Thüringen, Meißen, die Lombardei, Toskana und Romagna, Öster-reich, Steier, Kärnten und Krain und so fort wurden vicarii et ceteraimperii, Romani imperii genannt oder auf ihre regionalen Amtsbereichebezogen.

Im Landfrieden für Österreich, Steier, Kärnten und Krain 1276stellte Rudolf die auctoritas, munificencia, providencia imperialis her-aus. Die Empörung Ottokars 11. begriff er im Vertrag mit diesem alsErhebung gegen das Römische Reich, die Fürstentümer zum imperiumgehörig. Die 1282 den Söhnen Rudolfs verliehenen FürstentümerÖsterreich, Steier, Kärnten und Krain galten zum Sacrum Romanumimperium, Romanum imperium oder imperium gehörig beziehungs-weise wurden als Lehen auf dieses bezogen. 1283 bezeichnete RudolfWenzel 11.von Böhmen als imperii pincerna, er verbriefte diesem dasSchenkenamt im Römischen Reich und das Kurrecht.s? Nach dem Ab-leben Wenzels Ill. 1306 zog Albrecht Böhmen an sich und belehnte sei-nen Sohn Rudolf mit dem Königreich unter Beziehung auf das impe-rium respektive Sacrum Romanum imperium.61 Im Verlaufe der thürin-gisch-meißnischen Erbauseinandersetzungen erhob Adolf von Nassau1292 den Landgrafen Heinrich I. von Hessen in den Reichsfürsten-stand. Das geschah wiederum im Verhältnis zum Imperium. Wie Bal-duin von Hennegau und Otto von Lüneburg wurde Heinrich nicht zumdeutschen Reichsfürsten. sondern princeps imperii erhoben.s-

1289 leistete der burgundische Pfalzgraf Ottonin König Rudolf dashomagium ligium für alle vom Heiligen Römischen Reich empfange-nen Lehen. Später erklärte Ottonin König Adolf, die Grafen von Bur-gund sind homines fideles Sacri imperii et tenent ab imperio aliqua infeodum, doch sie wären den reges Romanorum nicht zum homagiumverpflichtet, bevor diese die Kaiserkrone empfangen haben. Dieser Fallhat die Forschung bewegt.63 Nach Auffassung des Autors berief derPfalzgraf von Burgund sich nicht auf altes Recht, sondern suchte einenVorwand. Im Zuge einer Schmälerung der Reichsrechte wurde in dieser

S9 MOH Const. Bd. 3, Nc. 26-33.60 MOH Const. Bd. 3, Nc. 122, 126,329-345,415.61 MOH Const. Bd. 3, Nc. 202, 213.62 MOH Const. Bd. 3, Nc. 476-478.63 Stengel, Regnum (wie Anm. 4),193; Schubert, König (wie Anm. 5),213.

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Zeit das Argument, erst dem gekrönten Kaiser stünden die Rechte desImperiums zu, vorgebracht und verbreitet.

Die Forschung hat sich andauernd mit einem Reichsteilungsvorhaben,Erbreichplan oder Vierstaatenprojekt befaßt, worüber Nikolaus III.1278/79 mit Rudolf von Habsburg verhandelt haben soll. Die Frage, obNikolaus tatsächlich einen Plan hatte, das Imperium in vier Erbkönig_reiche, Deutschland, Arelat, Lombardei und Toskana, zu teilen, istumstritten. Für Schubert blieb sie offen, andere bieten eine negativeAntwort.ö+ Der Autor hält diese für zutreffend. Nach dem historisch-politischen Kontext und der Überlieferung kann ein solcher Plan nichternsthaft verhandelt worden sein.

In einer Erklärung zur Königswahl Albrechts von Habsburg bezogsich der Rheinpfalzgraf 1298 auf die Germanie principes qui regem Ro-manum (!) in imperatorem postmodum promovendum '" obtinent ele-gendi. Die Erklärung bietet indes nicht nur die Wendung "später zumKaiser zu erhebender Römischer König", sondern zur Wahl Albrechtsauch die Formulierung in regem Alemannie in futurum imperatorumpromovendum/» Als künftiger Kaiser werden hier Romanorum rex undrex Alemannie parallel gestellt, erscheinen "König der Römer" und"König Deutschlands" als synonyme Begriffe. Dieser Vorgang wird an-gezogen, um eine gegebene Bedeutung von regnumlrex Alamannie impolitischen Denken und in der Begrifflichkeit der Zeit herauszustellen.

Diese zu bestreiten liegt nicht in der Intention des Autors. Allerdingsist geboten, die Vorstellungen des regnumlrex Alamannie in den jewei-ligen Provenienzen und Relationen zu betrachten und die Relevanzenzu beachten. Es ist zu unterscheiden zwischen der Bedeutung im politi-schen Denken und Handeln der Päpste, Könige-Kaiser und Kurfürsten,der Rolle im Verkehr der Kurie mit dem französischen König, Karl vonAnjou wie anderen Königen, der Verwendung der Begriffe deutscherKönig und deutsches Reich überhaupt außerhalb des Imperiums, wosowohl die Begriffe Römischer König/Kaiser und Römisches Reichwie insbesondere auch rex Alamannie, weniger deutsches Reich imUmlauf waren. Nicht zuletzt stellt sich die Verbreitung in den Privaturekunden, der Publizistik und Historiographie auf einem eigenen Felddar. Allein erstere ist Gegenstand vorliegender Studie. Zu den anderen

64 Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte. 9. Auft. Hrsg. v.Herbert Grund-mann. Bd. 1. Stuttgart 1970,484 f. mit Anm. 9; Ernst Schubert, Königswahl undKönigtum im spätmittelalterlichen Reich, in: ZHF 4, 1977,291 f., 294.65 MGH Const. Bd. 4/1, Nr. 5.

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E. Müller-Mertens, Imperium und Regnum 581

Aspekten will sich der Autor ohne eine neue, für geboten erachtete Un-tersuchung der Äußerung enthalten.

Mit den nötigen Abstrichen läßt sich das Verhältnis zwischenDeutschland wie deutschem Regnum auf der einen, dem Imperium aufder anderen Seite im Wahmehmungs- und Bedeutungsfeld der zeitge-nössischen Päpste, Könige wie von Kurfürsten quantitativ fassen. Die"Constitutiones" 1273 bis 1308 bieten Belege für Alamannia auf 73Seiten, für Germania, Germani auf 33 und für Teutonia, Teutonici aufneun Seiten. Unter Romanum imperium verzeichnet das Register dage-gen 451 Belegseiten. Gegenüber dem Land und den Begriffsverbindun-gen mit AlamannialGermaniaITeutonia spielen das Adjektiv deutschund die Deutschen auch jetzt so gut wie keine Rolle.

Die meisten Belege entfallen auf die Begriffsverbindungen principesAlamannielGermanie und regnum/rex Alamannie. Von den etwa 25Schriftstücken, in denen principes AlamannielGermanielTeutonie zi-tiert werden, besteht bei fünf der Bezug auf das regnum Alamannle,also Fürsten des Reiches Deutschland. Die Fürsten treten als handelndeoder mitwirkende oder bestätigende Gruppe in Erscheinung. Von denebenfalls rund 25 über die Register erfaßbaren Schriftstücke mit denBegriffen regnum/rex Alamannie/Germanie, royaume, roi d'Alamai-gne, wurden von Rudolf, Adolf, Albrecht wie von Kurfürsten lediglich14 ausgefertigt.s" Seitens der Päpste sind vier Schreiben zu verzeich-nen.67 Dazu kommen die Schriftstücke, welche außerhalb der königli-chen und päpstlichen Kanzleien verfaßt waren.68

Schließlich verdient die Appellation der Kölner Kirche necnon uni-versalis ecclesia totius regni Alamanie 1287 an den römischen StuhlInteresse. In ihr äußert sich eine Solidarität der deutschen Kirchengegenüber der päpstlichen Politik, wobei eine Kirche des ReichesDeutschland begriffen wird. Die Beschwerde galt dem Vorgehen des adpartes Alemannie gesandten päpstlichen Legaten Johannes von Tuscu-lum. Betroffen sind die ecclesiae et monasteria totius regni Alemanie.Angeblich gekommen, die virtus Sacri Romani imperii zu stärken, be-sagt ein Gerücht, der Legat beabsichtige das regnum Alemanie - sem-per imperio inseparabiliter unitum - ab imperio separare und einenErbkönig einzusetzen. Die principes Alemanie, ad quos spectat eleccio

66 MGH Const. Bd. 3, Nr. 28, 85, 319, 335; Bd. 4/1, Nr. 73, 84, 90.67 MGH Const. Bd. 3, Nr. 78 f., 237 f., 625.68 MGH Const. Bd. 3, Nr. 161 f., 408-411, 578, 620, 645; Bd. 4/1, Nr. 6; Bd. 4/2,Nr.12oo.

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regis eiusdem promovendi postmodum in imperatorem, sollen in ihremWahlrecht beschädigt werden.s? Die Appellation entsprach der politi-schen Theorie vom Römischen Reich im Besitz der Deutschen und demEintritt des Königs mit seiner Wahl in den augustalen respektive impe-rialen Rang.

Zusammengesehen ergibt sich im wesentlichen: das regnum Ala-mannie wird mit dem Imperium zusammen oder als dessen Teil ge-nannt, es wird in Schriftstücken angesprochen, in welchen es um dieBeziehungen oder Grenzen zu Frankreich geht, rex Alamannie er-scheint vor allem in Schreiben aus den romanischsprachigen Gebietenim Westen sowie von außerhalb des Reiches, darunter in Berichten eng-lischer Provenienz.

Im Befund wiederholt sich, was für die Stauferzeit und das Interre-gnum zu beobachten war, das regnum Alamannie präsentiert sich nichtals Wertgröße, nicht als Rechtssubjekt, nicht als Inhaber von Rechtenund Gütern oder als Lehnsherr. Im Ganzen führt die Verwendung derimperialen Terminologie erst durch die Staufer, dann die Gegenkönige.jetzt die Könige Rudolf von Habsburg, Adolf von Nassau und Al-brecht I. wie der Gebrauch des Begriffes regnum Alamannie zu eineranderen Vorstellung, als sie Schubert in seinem Werk "König undReich" entwickelte, und sie eingangs zitiert wurde.

In den Schriftstücken Heinrichs VII., Ludwigs des Bayern undKarls IV. war durchweg die Rede vom Imperium, Römischen Reich.Heiligen Reich, Heiligen Römischen Reich wie vom Römischen Kö-nig, gegebenenfalls mit dem Zusatz "zum Kaiser zu erheben" oder fu-turus imperator. Karl IV. bediente sich außerdem der Formel Sac rumRomanum regnum et imperium und, wie bereits Ludwig der Bayer, derBegriffe Sacratissimum, Sacrosanctum imperium. Heinrich, Ludwigund Karl gebrauchten wie ihre Vorgänger die imperiale Terminologieund äußerten sich in imperialen Relationen.

Das war gleicherweise in einer neuen Streit- und Staatsschriftenljjg,ratur der Fall, die sich vom Interregnum hin in den Konflikt der Kuriemit Ludwig dem Bayern und weiter zieht. Sie kreiste um die trans/atioimperii, um Anfang, Recht und Status des Imperiums, um die Frage,wie der Römische König vom Gewählten zum vollgültigen RömischenKönig wird. Unter Umständen wurde von französischer Seite oder den

69 MGH Const. Bd. 3, Nr. 623.

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Anjou in Neapel die translatio überhaupt bestritten oder gefordert,keine Wahl eines Römischen Königs mehr zuzulassen.P

Die Analyse der Konstitutionen 1308 bis 1356 bringt keine neuenAspekte. Deshalb sollen Belege nicht nochmals ausgebreitet werden.Als eine Ausnahme sind die Erhebungen in den Reichsfürstenstand unddie Inkorporationen zu erörtern. Friedrich der Schöne teilte den SaeriRomani imperiii fideles 1317 mit, daß er den Grafen von Jülich, mem-brum imperii, zum princeps imperii erhoben und die Rechte aller prin-cipes imperii verliehen hat."! Ludwig der Bayer erhob 1336 Wilhelmvon Jülich zum Fürsten und Markgrafen, 1339 Rainald 11.von Geldernzum Reichsfürsten, seine Grafschaft zum Herzogtum.P Karl IV. ver-lieh 1348 Albrecht und Johann von Mecklenburg, 1354 seinem BruderWenzel von Luxemburg und Robert von Bar die Rechte aller Saeri Ro-mani imperii principes, er verkündete, sie hätten ihre Lehen vom Heili-gen Römischen Reich empfangen. Luxemburg wurde zum Herzogtumund Fürstentum erhoben, für den Grafen von Bar Markgrafschaft undFürstentum Pont-a-Mousson errichtet.P Im Juni 1348 löste Karl IV.Pommern aus der Lehnsbindung an Brandenburg. Er übertrug Barnimvon Pommern das Herzogtum Stettin, außerdem das Fürstentum Rügenund die ad magistratum venationis imperii gehörenden Rechte vomHeiligen Römischen Reich. Er stellte fest, Bamims Herzogtum undFürstentum gehörte von altersher zum Saerum Romanum imperium undwird in dieses wieder eingegliedert, reincorporamus, adiungimus/in-eorporyret und voreynet.l+

In diesem Zusammenhang ist ein Fall außerhalb des Untersuchungs-zeitraumes aufzugreifen, weil er der Kronzeuge Stengels für seine Auf-fassung der Entwicklung des Verhältnisses von Regnum und Imperium

70 Goez. Translatio (wie Anm. 24), 214-237; Iürgen Miethke, Politisches Denkenund monarchische Theorie. Das Kaisertum als supranationale Institution im späte-ren Mittelalter, in: Joachim Ehlers (Hrsg.), Ansätze und Diskontinuität deutscherNationsbildung im Mittelalter. (Nationes, Bd. 8.) Sigmaringen 1989, 121-144;ders., Kaiser und Papst im 14. Jahrhundert. Die Debatte um die kuriale Approbati-onstheorie, in: Politische Schriften des LupoId von Bebenburg, ed. Iurgen Miethke.(MGH Staatschriften, Bd. 4.) Stuttgart 2004, 61-97.71 MGH Const. Bd. 5, Nr. 450.72 Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern (1314-1347) nach Archiven und Biblio-theken geordnet. Hrsg. v. Peter Acht. WienlKölnlGraz 1991 ff., H. 2, Nr. 229; H. 7,Nr. 429, 466.73 MGH Const. Bd. 8, Nr. 615; Bd. 11, Nr. 96/97.74 MGH Const. Bd. 8, Nc. 606-608.

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im Spätmittelalter ist. Stengel legte die Inkorporation der GrafschaftSavoyen am 17. Mai 1361 als "einen ausdrücklichen gesetzgeberischenAkt" aus, durch welchen "der Übergang eines großen Stückes burgun-diseher Erde ins deutsche Reich bewußt vollzogen worden ist". DieseAuslegung haben Schubert wie andere übernommen.Zf Stengels Quali-fizierung der Inkorporation Savoyens ist charakteristisch für das dieLiteratur beherrschende Bild.

Die Inkorporationsurkunde selbst trifft eine andere Aussage: Karl in-korporierte die Grafschaft Savoyen und alle terrae, die Amadeus comesSabaudie princeps im regnum Arelatense besitzt, que ad imperiumspectare noscuntur, eidem Sacro Romano imperii ... incorporamus,adunamus, annectimus ... et unimus. Die Romani imperii feudales va-salli et homagiales sind dem Sacrum imperium unmittelbar verbunden,feudum et vasalligium eiusdem, gehören zum imperium und dürfen vondiesem nicht getrennt werden.ö Die spezielle Aussage für Savoyendeckt sich mit dem generellen Analysebefund. Die Reichslehen wurdendurchgehend auf das Imperium bezogen und von diesem abgeleitet. ZurVerständigung über den vorliegenden Fall sei herausgestellt, daß dasregnum ViennenselArelatensis 1281 selbst als Lehnsobjekt, alsfeodumimperii erschien.??

Die Register 1308-1330 und 1345-1347 der "Constitutiones" ver-zeichnen unter den Stichworten .Romanum imperium" Belege auf1283 Seiten, .Alamannia" 210, "Germania" IS, "Teutonia" 60 Sei-ten.78 Auch in diesen Fällen kann auf eine erneute Darstellung derNachweise verzichtet werden. Was zuerst auffällt, die Proportionen derLemmata .Romanum imperium", .Alamannia'', "Germania" und "Teu-tonia" verändern sich zunehmend zu Ungunsten der letzteren.

Besondere Beachtung fordert ein zweites Phänomen. Unter Ludwigdem Bayern nahm die deutsche Urkundensprache in entscheidendem

75 Stengel, Regnum (wie Anm. 4), 196; Hedwig Sanmann-von Bülow; Die Inkor-porationen Karls IV. Ein Beitrag zur Geschichte des Staatseinheitsgedankens imspäteren Mittelalter. (Marburger Studien zur älteren deutschen Geschichte, Rh. 2,Bd. 8.) Marburg 1942, 47f.; Schubert, König (wie Anm. 5), 213-215.76 Acta imperii inedita saeculi XIII et XIV. Urkunden und Briefe zur Geschichtedes Kaiserreichs und des Königreichs Sizilien, ed. Eduard Winkelmann. Bd. 2.Innsbruck 1885, Nr. 875.77 MGH Const. Bd. 3, Nr. 258. Das komplizierte arelatische Verhältnis kann hiernicht verfolgt werden, dazu Schubert, König (wie Anm. 5), 213 Anm. 58.78 Die neuen Bände erfassen unter dem Stichwort ,,römisch" die Belege nicht voll-ständig, es heißt dann "und oft". Damit entfallen die Bände 9-11 für die Statistik.

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Maße zu. Dadurch schieben sich die deutschen Begriffe in den Vorder-grund, die Bezeichnung Deutschland tritt in vielen Spielarten und man-nigfachen dialektischen Variationen hervor: Deütschelant. Dutzelant,Tuslant, Dätsche land, Dätschen landen, Duczsche landen und so fort.Nach Schubert setzte sich der Begriff "deutsche Lande" in der zweitenHälfte des 14. Jahrhunderts als gebräuchliche Benennung für Deutsch-land durch. Den Plural hält Schubert für bewußt gewählt, den Terminus"deutsche Lande" verbindet er mit der Vorstellung eines Regionalis-mus, mit der Wirkung eines azentrischen Faktors, "deutsche Lande"habe die Vielfalt regionaler Traditionen benannt.I''

Die deutschsprachigen Begriffe Deutschland, deutsches Land, deut-sche Lande in den "Constitutiones" bis 1356 insgesamt, insbesondere1308 bis 1356 betrachtet, muß der Verfasser offenlassen, ob in derMenge der Pluraloder Singular überwiegt. Ein Urteil bedarf einer be-sonderen Studie, auch der sprachgeschichtlichen Untersuchung. DerAugenschein spricht gegen den Plural. In den lateinischen Urkunden,Konstitutionen und Papstbriefen des 12.113. Jahrhunderts hatte sicheine Abkehr von der Verwendung des Adjektivs deutsch zu dem Sub-stantiv Deutschland vollzogen. Das Land wurde maßgeblich. War vonpartes die Rede, so waren die partes teutonicae von den partes Ala-mannie abgelöst worden. Alamannia/Germania/Teutonia erschien alsein Land, als Einheit, als Ganzes. Mit dieser Feststellung muß entschie-den der Ansicht widersprochen werden, "nicht von Deutschland, son-dern von deutschen Landen wurde im Mittelalter gesprochen'V''

Karl IV. hat nach der Königswahl Maßnahmen für die Regierung desSacrum Romanum regnum et imperium getroffen. Da er erblicher Kö-nig von Böhmen war, konnte er in Germania, primeve regni Romani etimperii sponse, necnon Gallia nicht immer gegenwärtig sein. Darumernannte er Balduin von Trier zum Stellvertreter per totum Germaniamet Galliam. Das Königreich Böhmen lag für Karl IV. also außerhalb derGermania et Gallia. Als er 1349 böhmische Einkünfte an Balduin vonTrier verpfändete, unterschied er regna nostra Alamanie et Boemie. DieUnterscheidung findet sich erneut, als der König 1353 denfideles tamregni Alamanici quam Boemie die Standeserhöhung des VenezianersMarinus Faliero verkündete und 1355 bei der Inkorporation oberpfälzi-

79 Schubert, König (wie Anm. 5), 238-240, 318-320.80 Ebd.66.

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scher Orte in das Königreich Böhmen.äl Es entspricht dieser Sicht, daßKarl 1351 und 1353 Böhmen und die Tutsehen lande voneinander ab-setzte.82

Mit Karls IV. Unterscheidung zwischen dem regnum Alamanie/Ala_manicum und dem regnum Boemie ist das deutsche Reich ins Blickfeldgerückt. Über die Register 1308 bis 1356 der "Constitutiones" erfaßbarsind Belege für regnum/rex Alamannie, royaume/roy d'Allemaigne, royd'Alamanya, imperium Alemannorum in weniger als 25 Schriftstücken,eingeschlossen die drei genannten.s! Eine Vielzahlordnet sich Schrei-ben aus Avignon an den König oder Hofvon Aragon zu, teils in franzö-sischer Sprache verfaßt. in denen besonders der rex Alamannie zitiertwird. Auch Elisabeth von Aragon, die Gemahlin Friedrichs des Schö-nen, bediente sich 1314 des Begriffs, als sie ihrem Vater König Ja-kob 11.mitteilte, Friedrich habe quatuor voces in eleccione regni Ala-mannie. Dazu stellen sich weitere französische Texte.84

Die Vorstellung eines regnum Alamannie als Wertgröße wie alsRechts- und Handlungssubjekt gewann im politischen Denken undHandeln der Päpste wie der Kaiser auch in der Zeitspanne 1308 bis1356 keine Relevanz. Neben der römischen Vorstellung des Reichesund des Königs spielte außerhalb des Imperiums und auch in Deutsch-land, wie bisher, die vom Land geprägte Vorstellung regnum/rex Ala-mannie eine Rolle.

Die kuriale Doktrin, von Bonifaz VIII. nochmals gesteigert und ver-schärft, war von Albrecht I. und den Kurfürsten anerkannt worden. Waswäre geschehen, wenn Ludwig der Bayer sich dem Approbationsansni,nen Johannes' XXII. gefügt hätte? Unter welchen Bedingungen hättedieser die Bestätigung erteilt? Diese Frage stellt sich auch unter demAspekt, daß Ludwig der Bayer sich in der politischen Praxis nicht alsabsetzbar erwies. Karl IV. umging diese Problematik. Eine Konfronta-tion war vermeidbar und zu umgehen. So abererhob sich 1324 bis 1347der letzte große Konflikt zwischen Papsttum und Kaisertum.

81 MGH Const. Bd. 8, Nr. 144; Bd. 9, Nr. 99; Bd. 10, Nr. 516; Bd. 11, Nr. 390.82 MGH Const. Bd. 10, Nr. 303, 542.83 Seitens Ludwigs des Bayern, noch Karls IY., der Kurftirsten wie Johan,nes' XXII. MGH Const. Bd. 5, Nr. 8-11, 579, 909 c. 26,16,30; Nr. 910, Kanzlei-fassung, c. 28,16,25; Bd. 6/1, Nr. 702, 703, 732, 734; Bd. 8, Nr. 124; Bd. 11,Nr. 32.84 MGH Const. Bd. 4/1, Nr. 353, 715; Bd. 5, Nr. 44, 50, 788, 789, 798, 799, 802,882; Bd. 611, Nr. 531.

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Im Zusammenwirken des Kaisers mit den Kurfürsten und Fürsten,Reichsstädten, dem Klerus und nichtfürstlichen Adel wurde 1338 ge-gen die kuriale Doktrin eine ebenso entschiedene Gegenposition for-muliert. Auf der Frankfurter Versammlung im Mai 1338 erklärten 36Reichsstädte, es werde, wie es Recht und Gewohnheit sei, in partesGermanie so gehalten, daß die Römischen Könige von den principesGermanie electores imperii gewählt würden, daß die Gewählten und inAachen Gekrönten wahre und vollgültige Römische Könige seien undunmittelbar darauf veri Romani imperii administratores. Die Städteverweisen auf die Translationsidee: Nostra patria Germanie hat es seitden Tagen Karls des Großen bis auf heute verdient, das regnum et im-perium Romanum zu besitzen.

Die Kundgebung des nichtfürstlichen Adels deckte sich inhaltlichmit der Städteerklärung. Begrifflich stellte sie das Sacrum regnum etimperium heraus. Von den partes und der patria Germanie war jedochnicht die Rede.

Das Weistum der Kurfürsten des Heiligen Römischen Reiches vom16. Juli 1338 stellte fest, wer von den principes electores imperii oderihrer Mehrheit zum Römischen König gewählt ist, bedarf keiner Nomi-nation, Approbation, Konfirmation et cetera des apostolischen Stuhlszur administratio bonorum et iurium imperii oder zur Annahme desKönigstitels.

Auf einem weiteren Frankfurter Hoftag im August 1338 erließ Lud-wig der Bayer das .Licet iuris", Es brachte die weitergehende Aussage,die imperialis dignitas et potestas stammt allein von Gott, der von denKurfürsten einmütig oder mehrheitlich Gewählte statim et sola elec-tione est verus rex et imperator Romanorum.S'

Die Untersuchung schließt mit diesen Ereignissen ab. Der Erlaß derGoldenen Bulle und die Darstellung des Reiches in dieser wurde bereitsund sogleich am Anfang erörtert. Diese Vorgänge, die Jahre 1338 und1356, sind in der Geschichtsschreibung immer wieder als Marksteinegewürdigt worden. Als "Höhe- und Wendepunkt, an welchem äußereund innere Reichsproblematik erstmals im Spätmittelalter zusammen-trafen", erachtet Moraw das Zeitalter Ludwigs des Bayern, "an Bedeu-tung vergleichbar nur dem Investiturstreit'V'' Zum 600. TodesjahrKarls IV. 1978 würdigte der Verfasser die Goldene Bulle als "Souverä-

85 Quellen (wie Anm. 38), Nr. 42-49.86 Moraw; Art. "Reich" (wie Anm. 7), 449.

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nitätserklärung und Instrument der Reichseinigung", wertete die ,,hi-storisch-politische Realität" des Römischen Reiches "als ein föderati-ver Feudalstaat mehrfacher Nationalität" und stellte in erklärt provoka-tiver Absicht für das Spätmittelalter die Frage nach der historisch-pro-gressiven Tragfähigkeit der "Verbindung von zwei oder mehreren Völ-kern in einem zentralisierten Feudalstaatv.ä?

Das Kurfürstenweistum von Rhens wie die Erklärungen der Städteund des nichtfürstlichen Adels 1338 und die Goldene Bulle 1356 signa-lisierten: Die Bedingungen, unter denen die konstitutiven Faktoren derReichsgeschichte, römisch-deutsches KönigtumlKaisertum, römischesPapsttum, deutsche Fürsten/Kurfürsten, zusammenwirkten, und die je-weils eigenen Strukturen traten in epochale Veränderungen ein oderwaren in ihnen bereits begriffen.

Die Recherche ist ans Ende gelangt. Es bleibt ein Fazit zu ziehen. ImResultat führt die Analyse zu einer neuen Definition des Verhältnissesvon Imperium und Regnum - auf der Basis der Konstitutionen und fürden Zeitraum Mitte des 12. bis Mitte des 14. Jahrhunderts. Das Ergeb-nis wurde in keiner Weise vorausgesehen. Es stellte sich sukzessive ein,zur wachsenden Überraschung des Verfassers.

Es war Methode, die Quellenbegriffe nach Möglichkeit penetrantund permanent herauszustellen. Die zeitgenössische Begrifftichkeitmag selbstverständlich erscheinen. Die große Frage ist allerdings, wieweit sie von der Forschung wahrgenommen wurde und wird und wel-che Konsequenzen sich bei den Wahrnehmungen ergeben haben undergeben. In der Literatur ist von Rudolf, Adolf, Albrecht, ihren Wahlen,ihrem Königtum in der Regel von deutschen Königen, den deutschenKönigswahlen und dem deutschen Königtum die Rede. Die Vorstellun-gen am Königshof, bei den Kurfürsten und an der Kurie waren aber an-dere als die der Gelehrten des 19. und 20. Jahrhunderts. Die politischenKonzeptionen, Ideen, Theorien wie die praktisch-politischen Orientie-rungen in der hier behandelten Zeitspanne vom Wormser Konkordatzur Goldenen Bulle decken sich nicht mit den neuzeitlichen Ge-schichtsbildern. In diesem Sachverhalt besteht weiterhin ein Problemder Geschichtsschreibung.

Ausgangspunkt war die Feststellung, in der Goldenen Bulle fehltender deutsche König, das deutsche Reich und Deutschland. Daraufhin

87 Müller-Mertens, Geschichtliche Würdigung (wie Anm. 1),24; ders., Herausfor-derung zur Wertung (wie Anm. 1). 27 f.

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wurde das Verhältnis von Imperium und Regnum zwischen WormserKonkordat und Goldener Bulle anhand der ,,Diplomata", ,,Epistolaesaeculi XIII" und "Constitutiones et acta publica" verfolgt. Durch dasResultat bestritten werden Stengels Vorstellung vom Zusammenfließendes weiteren Imperium und des engeren Regnum nach 1100, indemjenes zusammenschrumpfte, sich dieses erweiterte, weshalb die Unter-scheidung von Regnum und Imperium gegenstandslos wurde, wieSchuberts Auffassung, daß "die Unterscheidungen von Regnum undImperium ebenso wie die von Rex und Imperator" sich im Kampf zwi-schen Ludwig dem Bayern und der Kurie verwischten, das regnumAla-manniae seine Konturen verlor.8s Im ganzen gesehen lassen sich dieBeziehungen zwischen .Regnum und Imperium" nicht zutreffend aufStengels Formel "engeres und weiteres Staatsgebiet" beziehungsweisedie in der Literatur verbreitete Formel "engeres und weiteres Reichsge-biet" bringen.

Das regnum Teutonicum hatte im Verlauf des Investiturstreits und derFürsteninsurrektion eine eigene politische Qualität gewonnen. Von al-len Seiten schließlich wurde es als politische Bezugs- und Wertgröße,als transpersonale Institution begriffen. Auf das regnum Teutonicumwurde politisches Handeln von den Zwecken und Werten her orientiert.Die eigene Qualität beruhte auf einer neuen Positionierung der deut-schen Fürsten, die von Gregor VII. als Träger des Reiches angespro-chen wurden, einen Gegenkönig erhoben, das Wahlkönigtum durch-setzten. Im wohl entscheidenden Maße gründete sich die eigene Quali-tät auf die besondere Stellung im Kirchenrecht. In der Investiturfragewurde das regnum Teutonicum von den aliae partes imperii rechtlichabgehoben.

Diese politische Qualität verlor das regnum Teutonicum nach demWormser Konkordat. Die letzten Salier hatten das Imperium behauptet.Die Staufer, genauso die deutschen Fürsten, ebenfalls die Kurie fixier-ten sich auf das Imperium. Von den Päpsten zuerst mit Entschiedenheitstand Innozenz Ill. dafür. Er orientierte das politische Handeln der Kö-nige und Fürsten nach der Doppelwahl 1198 auf das Römische Reichim Besitz der Deutschen, die Fürsten zudem auf ihr Recht, den zum Rö-mischen Kaiser zu erhebenden König zu wählen. Die Unterscheidungzwischen deutschem Reich und den anderen Teilen des Imperiums nach

88 Stengel, Regnum (wie Anm. 4), 191-197, hier 178; Schubert, König (wieAnm. 5), 226-238, hier 234,236.

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dem Kirchenrecht verlor aufgrund der Privilegien Ottos IV. und Fried-richs 11.fur die Römische Kirche wie ihre Erweiterung und Bestätigungdurch die ersten Habsburger und in Auswirkung der zum Zuge kom-menden päpstlichen Priorität ihre Bedeutung. Ebenso verlor sich nach1121 die Bedeutung, welche das regnum Teutonicum für die Fürsten-opposition gehabt hatte. Seit der frühen Stauferzeit verschwand der Be-griff regnum Teutonicum aus den Herrscherurkunden und Papstbriefen.Er tauchte nicht wieder auf.

Römisches Reich im Besitz der Deutschen bedeutete nicht, im Besitzdes deutschen Reiches. Für die Deutschen standen die Fürsten Deutsch-lands, die Königswähler. Weder diese oder das Papsttum, noch der ge-wählte König verstanden die Königswahl als deutsche Königswahl. Inder politischen Theorie stand der gewählte König an Stelle des Augu-stus, so wie der Papst die Nachfolge Petri antrat. Er selbst urkundete so-gleich Romanorum rex semper Augustus. Von den Kurfürsten wurde eralsfuturus imperator qualifiziert. Die Päpste begriffen ihn als Romano-rum rex in imperatorem promovendus. Diese Auffassung, die Theorieder Übertragung des Römischen Reiches an die Deutschen und der Für-sten Deutschlands als Wähler des zum Kaiser zu erhebenden Römi-schen Königs wurde Bestandteil des kanonischen Rechts.

Als Orientierungs- und Bezugsgröße des politischen Handeins imAusmaß des alten regnum Teutonicum und stets im Rahmen des Impe-riums begriffen, erschien der politisch-geographische Raum, das Land,mit den Bewohnern deutscher Sprache und Rechtsgewohnheiten oderdem Lande innewohnender Rechte und Gewohnheiten. Keine "deut-schen Lande" wurden gesehen, sondern Alamannia/Germania/J'euto-nia, die Einheit, das Ganze, Deutschland.

Das Land trat als Bezugsfeld der päpstlichen Politik, als Zielgebietund Tätigkeitsbereich der päpstlichen Legaten hervor. Die Päpste ha-ben Alamannia/Germania/J'eutonia dabei durchweg als dem Römi-schen Reich zugehörig betrachtet und innerhalb diesem eingegrenzt.Das Land, Deutschland, erscheint in den Adressen und Texten an dieprincipes Alamannie gerichteter oder sich auf sie beziehender Schrei-ben, außerdem in Adressen und Texten von Schriftstücken, die an ge-nannte Personen und dazu pauschal die Gläubigen oder Getreuen oderStandesgruppen in Alamannia, per Alamanniam constitutis geschicktwurden. Alamannia/J'eutonia wurde zur Unterscheidung und Abgren-zung von Italien, Böhmen und anderen christlichen Ländern eingesetzt,und es ging um Zustände, Vorgänge, Ereignisse in und von Deutsch-

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land. Der Name Germania wurde vor allem für Texte mit der Translati-onstheorie gebraucht. Sodann war er Bestandteil des Mainzer Erzkanz-lertitels, des Heiligen Römischen Reiches Erzkanzler für Germanien.

In der Mitte des 13. Jahrhunderts trat der Begriff regnumAlamannie,Reich Deutschland, hinzu. Das Regnum wurde nicht wieder mit der Ei-genschaft deutsch versehen oder auf die Deutschen bezogen. Es wurdemit dem Land verbunden. Seitens der Kurie erfolgte das nach der Erhe-bung der Gegenkönige 1246/47, als Deutschland das Hauptaktionsfelddes Papstes gegen die Staufer geworden war. Kurz zuvor hatten Fried-rich 11.das Heilige Reich ins Feld geführt und Innozenz IV. das Römi-sche Reich mit propagandistischem Nachdruck als Bezugs- und Wert-größe herausgestellt. Wenige Jahre danach brachte das Königtum denBegriff Heiliges Römisches Reich in wesentlichem Maße ins Spiel.

Die Begriffe Alamannia/Germania/I'eutonia und regnum Alaman-nie/Germanie/Teutonle wurden von der Kurie und vom Herrscherhofgleichbedeutend und für gleiche Sachlagen und Zusammenhänge ver-wendet. Das geschah neutral, indifferent. Ein propagandistischer oderideologischer Gehalt ist nicht erkennbar. Insgesamt wurde der Begriffregnum Alamannie/Germanle/Ieutonie selten verwendet. Zahlenmäßigin Relation zum Landesbegriff und zur imperialen Terminologie ge-setzt, stellte er eine geringe Größe dar.

Insgesamt ist aus der Sicht der Könige-Kaiser, Päpste und Kurfürstenzu befinden: An der Spitze des deutschen Regnum stand kein eigenerKönig, das Regnum wurde von keinem deutschen König vertreten. DieVikare des Heiligen Römischen Reiches wurden nicht für das regnumAlamannielGermanielFeutonie ernannt. Sie wurden in gegebenen Fäl-len für das Land oder die Lande bestellt, citra montes, in omnibus etsingulis principatibus, terris et provintils citra Alpes eingesetzt. DieGoldene Bulle kannte überhaupt keinen Vikar für das deutsche Reich.Im Falle der Vakanz des Heiligen Reiches fungierten der Pfalzgraf beiRhein als provisor imperii in den rheinischen und schwäbischen Gebie-ten und in denen mit fränkischem Recht, der Herzog von Sachsen inden Gegenden sächsischen Rechts. Dazu stellte sich der böhmische Kö-nig kraft Erbrecht für Böhmen.

Für das deutsche Reich wurden keine Verträge oder Abkommen ge-schlossen und keine Verbindlichkeiten getroffen. Es erscheint nicht alsInhaber von Rechten, Gütern, Lehen, Sachen. Die Akteure, Päpste,Herrscher und Kurfürsten, handelten nicht in Hinsicht auf Ehre, Anse-hen, Würde des regnum Alamannie. Dieses wurde also nicht als Rechts-

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und Handlungssubjekt begriffen und behandelt. Die politische Strukturdeutsches Regnum stellt sich somit in einer besonderen Rechtsqualität,einer Qualität sui generis dar. Es erscheint nicht als ein politischer Ver-band, ein Staatsgebilde oder eine Institution, als eine im kleineren, en-geren Ausmaß mit dem Imperium vergleichbare politische Größe.

Für die drei konstitutiven Faktoren der Reichsgeschichte, das rö-misch-deutsche Königtum-Kaisertum, das römische Papsttum und diedeutschen Fürsten, war das Imperium die Orientierungs-, Bezugs- undWertgröße des politischen Denkens und Handelns par excellence. DieVerträge und Abmachungen schloß der König-Kaiser für sich und dasImperium ab. Das gleiche galt für die Erklärungen, Wahlanzeigen undrechtsetzenden Akte. Ebenso verfuhren die Kurfürsten mit ihren Wille-briefen, Wahlanzeigen, Erklärungen und Kundgebungen. Die Rechteund Güter des Reiches, für welche der König/Kaiser zuständig war,wurden als Rechte und Güter des Imperiums bezeichnet, sie wurden alsLehen des Imperiums übertragen und fielen an das Imperium zurück.Die Reichsfürsten galten als principes imperii, unter die principes im-perii wurden bei den Fürstenerhebungen die neuen Fürsten aufgenom-men, ihre neuen Fürstentümer als Lehen des Imperiums vergeben.Ebenso erfolgten die Inkorporationen in das Imperium.

Nachdem Innozenz Ill. die politische Theorie der Übertragung desRömischen Reiches an die Deutschen rezipiert und das Wahlrecht derFürsten in diese eingebunden hatte, gehörte sie zum Bestand des kano-nischen Rechts. Sie hatte Geltung auch als Reichsrecht, besaß allge-meine Bedeutung. Die Päpste nahmen von Fall zu Fall Bezug auf sie.Fortlaufend forderten sie die Bestätigung und Erweiterung der Privile-gien und Donationen für die Römische Kirche. Von der PippinschenSchenkung über das Hludovicianum und Ottonianum zieht sich eineKette zum Dekretale "Romani principes" Clemenst Vf? Sie führteKonstantin und Karl den Großen an, nannte Heinrich H., wie gewohntOtto IV., Friedrich 11.und Rudolf von Habsburg. Die Güter und Rechteder Römischen Kirche in Italien, das Patrimonium Petri, der Kirchen-staat, die Position des Papstes in Italien, spielten eine, wenn nicht dieHauptrolle. Es ist bezeichnend, Italien gab den Grund für den Bruchzwischen Gregor VII. und Heinrich IV. wie für den zwischen Johan-nes XXII. und Ludwig dem Bayern.

89 MGH Const. Bd. 4/2, Nr. 1165.

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Römisches Reich im Besitz der Deutschen und Königswahlrecht imBesitz der Fürsten Deutschlands bedeutete. die Deutschen erhobendurch die Fürsten, schließlich die Kurfürsten allein, den RömischenKönig. Dieser trat die Nachfolge des Augustus an, war der künftigeKaiser beziehungsweise der zum Kaiser zu Erhebende. Im Besitz derDeutschen bedeutete zudem, das Herrscherpotential und Herrschafts-substrat waren in der Hauptsache nördlich der Alpen gelegen.

Die Kurfürsten und das Papsttum waren die konstitutiven Faktorender Königserhebung wie auch der Kaisererhebung, da die Kurfürstenden rex in Romanorum imperatorem postmodum promovendum wähl-ten. Moraw gebraucht in Hinsicht auf die Goldene Bulle den Begriff"imperiales Kurflirstentum".90 Der Verfasser sieht dieses bereits mitdem Dekretale "Venerabilem" Innozenz' Ill. für gegeben an. Durch dasRecht, den zum Kaiser zu erhebenden Römischen König zu wählen undzu krönen, gewannen die Königswähler eine imperiale Kompetenz.

Das Imperium wurde im Untersuchungsgang losgelöst von den Welt-reichsideen und universalen Reichsvorstellungen betrachtet. Es wurdeals ein die Alpen übergreifender Herrschaftskomplex und Reichsver-band in den Grenzen des districtus imperii gefaßt. Historisch bestandder Reichsverband im Ausmaß des karolingischen Mittel- und Ostrei-ches. Der deutsch-italienisch-römisch-burgundische Länderkomplexwies Kohärenz und Kontinuität über die Jahrhunderte auf.9i DiesesPhänomen erscheint dem Autor nicht hinlänglich geklärt, eS bedarfneuer Aufmerksamkeit der Forschung. Die gegen- und wechselseitigeBeziehung von Papsttum und Kaisertum und mit ihr das Imperium,drücken, in Parenthese gesagt, ein eigenes und charakteristischesGrundverhältnis Lateineuropas, des Okzidents oder Abendlandes, aus.Anders als in der griechisch-orthodoxen und der islamisch-arabischenWelt bestand, modem gesprochen, ein Nebeneinander von Kirche undStaat. In diesem begründete sich das eigene Verhältnis von römischem

90 Moraw, Art. "Reich" (wie Anm. 7), 451.91 Eckhard Müller-Mertens, Romanum imperium und regnum Teutonicorum. Derhochmittelalterliche Reichsverband im Verhältnis zum Karolingerreich, in: Jb. fUrGesch. des Feudalismus 14, 1990,47-54; ders .•König, Volk und Reich im frühenund Hochmittelalter, in: Rolf BaIlof (Hrsg.), Geschichte des Mittelalters für unsereZeit. Erträge des Kongresses des Verbandes der Geschichtslehrer Deutschlands"Geschichte des Mittelalters im Geschichtsunterricht", Quedlinburg 20.-23. Okto-ber 1999. Stuttgart 2003, 204-216.

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Papsttum und zuerst römisch-fränkischem, dann römisch-deutschemKönigtum/Kaisertum, in Konsequenz das Imperiurn.P-

Das Imperium stellt sich als Rechts- und Handlungssubjekt dar, eswurde durch die Person des Römischen Königs/Kaisers repräsentiert.Im Imperium war Deutschland aufgehoben. Mit neuzeitlichen Rechts-kategorien begriffen, erscheint es als juristische Person, als Völker- undStaatsrechtssubjekt. Das deutsche Regnum präsentiert sich als politi-sche Struktur in einer anderen Rechtsqualität, in einer Qualität sui ge-neris. Es erscheint nicht als Rechts- und Handlungssubjekt, war nichtdurch ein eigenes Königtum vertreten. Als politische Struktur ent-sprach das deutsche Regnum, das Reich Deutschland, dem Land, demLand Deutschland. Mit dieser Verfassung ging das Heilige, Römischeoder Heilige Römische Reich in die Goldene Bulle ein.

Über die Folgezeit mit der Zeitspanne von der Mitte des 14. zumEnde des 15. Jahrhunderts möchte der Verfasser keine eigene Aussagetreffen. Er sieht ungelöste Probleme und erwartet von neuen Ermittlun-gen auch neue Antworten. Nach dem gegenwärtigen Forschungstandwurden im Land, im Land Deutschland, Kräfte wirksam, die auf dasdeutsche Land, die deutschen Lande, die deutsche Sprache, die deut-sche Nation orientiert waren und aufgrund neuer Realitäten und Inten-tionen die deutschen Relationen, Begriffe und Werte in die Vorstellun-gen des Heiligen Römischen Reiches einbrachten. Sie stellten sichhauptsächlich im dritten Faktor der Reichsgeschichte, den Kurfürsten-Fürsten dar, der dritte Faktor neben dem Königtum/Kaisertum undPapsttum allerdings erweitert zu den Reichsständen in spe.

Zusammenfassung

Das deutsche Regnum, das Reich Deutschland, und das Imperium, dasHeilige, Römische und Heilige Römische Reich, stellten in der Zeit-spanne 1122 bis 1356 keine vergleichbaren politischen Strukturen dar."Die Idee von einem nationalen deutschen Reich"93 war am Ende desInvestiturstreits mit der national-deutschen Fassung des deutschenReichsbegriffs konzipiert. Sie gelangte nach dem Wormser Konkordat1122 indes nicht zur historisch-politischen Wirkung. Die drei Faktoren

92 Eckhard Müller-Mertens, Zum Verhältnis von Struktur und Dynamik in der mit-telalterlichen Feudalentwicklung, in: lb. für Gesch. des Feudalismus 8, 1984, 9-22.93 Ders., Regnum Teutonicum (wie Anm. 9), 391.

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der Reichsgeschichte, römisch-deutsche Könige-Kaiser, römische Päp-ste, deutsche Fürsten, fixierten sich politisch auf das Imperium. DieseOrientierung wurde von der Vorstellung des Römischen Reiches im Be-sitz der Deutschen und den deutschen Fürsten als den Wählern deskünftigen Kaisers beziehungsweise des zum Kaiser zu erhebenden Rö-mischen Königs getragen. Erst im Endkampf der Päpste und Staufergewann die zwischenzeitlich verlorene Vorstellung deutsches Regnumwieder Bedeutung. Dieses wurde nunmehr auf das Land bezogen, alsgeographisch-politischer Raum, als politisch-geographische Größe be-griffen und Reich Deutschland genannt. Jedoch erscheint es nicht alsRechts- und Handlungssubjekt, es wurde nicht durch ein eigenes Kö-nigtum vertreten. Das deutsche Regnum präsentierte sich in einerRechtsqualität sui generis. Das Imperium allein blieb und war Wert-wie Bezugs- und Orientierungsgröße des politischen Denkens undHandeIns der Könige-Kaiser, Päpste und Kurfürsten. Nur das Imperiumwurde als Rechts- und Handlungssubjekt und mit einem materiellenSubstrat an eigenen wie verliehenen Rechten und Gütern, so dieReichsfürstentümer, begriffen. Allein das Imperium besaß durch diePerson des Römischen Königs/Kaisers eine Repräsentanz.