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34 Braucht Württemberg überhaupt eine Industrie? Die öffentliche Meinung in Württem- berg um 1780: „An sich nein, wir haben ja genügend fruchtbare Ackerfläche. Wenn doch, dann um Bettler, Müßig- gänger, Weiber und Kinder zu beschäftigen. Eine Metallindustrie ist unnötig, denn hier braucht man kräftige Männer. Diese aber benötigen wir fürs Militär und in der Landwirtschaft.“ Es sollte anders kommen... Does Württemberg really need industry? Official opinion in Württemberg around 1780: „In itself no, indeed we have sufficient productive agricultural land. If we do need it, then only to employ beggars, idlers, women and children. A metal industry is unnecessary, for this requires strong men. They, howe- ver, are needed in the Army and in agriculture.“ It was to turn out differently... Historischer Teil Historic Section

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Braucht Württemberg überhaupt eineIndustrie?

Die öffentliche Meinung in Württem-berg um 1780:

„An sich nein, wir haben jagenügend fruchtbare Ackerfläche.Wenn doch, dann um Bettler, Müßig-gänger, Weiber und Kinder zubeschäftigen.

Eine Metallindustrie ist unnötig,denn hier braucht man kräftigeMänner. Diese aber benötigen wirfürs Militär und in der Landwirtschaft.“

Es sollte anders kommen...

Does Württemberg really need industry?

Official opinion in Württembergaround 1780:

„In itself no, indeed we have sufficientproductive agricultural land. If we do need it, then only to employbeggars, idlers, women and children.

A metal industry is unnecessary, forthis requires strong men. They, howe-ver, are needed in the Army and inagriculture.“

It was to turn out differently...

Historischer Teil Historic Section

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Unsere Firmengeschichte beginntgar nicht mit Gottlieb Kern, sonderneinige Generationen früher.

Schon vor über 340 Jahren sindsie aktenkundig, die DorfschmiedeSauter. ‘Konrad mit Ehefrau Anna-Maria taufen an Pfingsten das Töch-terchen Anna.’

Die Sauters sind vielseitig undgeschickt, sind Huf- und Waffen-schmiede und bauen unter anderemauch Waagen für den bäuerlichenBedarf. Melchior ist Vertriebsstratege,er betreibt ein regelrechtes „Pflug-Leasing“

Dem Sprung in die Feinmechanikgeht ein Unglück voraus: Johannesund Paulus kommen taub zur Welt,zudem ist der ältere so gebrechlich,daß ein Schmied niemals aus ihmwerden kann.

Vater Matthias läßt beide inseiner Not zu Uhrmachern ausbilden,was einige Zeit später große Folgenhaben wird.

Our Company history begins notwith Gottlieb Kern but several genera-tions earlier.

They have been on record forover 420 years, the village blacks-miths. ‘Konrad Sauter and his wifeAnna-Maria baptise their daughterAnna at Whitsuntide!

The Sauters are versatile andskilled as farriers and ordnanceblacksmiths, building amongst otherthings balances for rural use. Mel-chior is a marketing strategist, run-ning what is virtually a „Plough Lea-sing“ business.

Misfortune precedes the leap in-to precision instruments: Johannesand Paulus come into the world deaf, what’s more the elder of thetwo is so frail that he could neverbe made into a blacksmith.

Father Matthias in his distresshas them both trained as watchma-kers, which some time later willbring great consequences.

TodayAlbstadt-Onstmettin-gen.South of Stutt-gart in theSwabianmountains, in the vicinity ofBurg Hohen-zollern.

Konrad Sauter1571

Schnellwageum 1770

Romanbalance of1770

MelchiorSauter(1660-1731)

Johannes Sau-ter, deaf anddumb(1723-1786)

Paulus Sauter, deaf anddumb(1732-1799)

HeuteAlbstadt-Onstmettin-gen.Südlich vonStuttgart aufderSchwäbischenAlb, in derNähe vonBurgHohenzollern

Konrad Sauter1650

MelchiorSauter(1660-1731)

OnstmettingerStubenuhrum 1770

JohannesSauter,taubstumm(1723-1786)

Paulus Sauter,taubstumm(1732-1799)

Die Dorfschmiede Sauterin Onstmettingen

The Village BlacksmithsSauter in Onstmettingen

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So etwas gibt es eigentlich garnicht, doch sehen Sie selbst was zweiHobbyisten zustande bringen.

Der eine der beidenHobbyisten ist derOnstmettinger Dorfpfar-rer Philipp MatthäusHahn. Er ist 25 Jahrejung, ein mathematischesGenie und geborenerIngenieur.

Der andere ist derOnstmettinger DorflehrerPhilipp GottfriedSchaudt, Altersgenossezu Hahn. Dieser lerntvon unseren taubstum-men SchmiedesöhnenJohannes und Paulus dasUhrenmachen.

Nach wenigen technischenVorversuchen gehen die beiden ineinem ersten Werk daran ihre Ideeumzusetzen. Pfarrer Hahn rechnetund zeichnet. Schulmeister Schaudtbaut eine so bemerkenswerte Uhr,daß der Landesvater im fernenStuttgart aufmerksam wird undsogleich für sein Schloß eine nochschönere und größere astronomischeUhr bei Philipp Matthäus Hahnbestellt.

Es ist eine Ehre für das ganze Dorf.

Schaudt erhält zur Unterstützungeinen „Handlanger“ zur Verfertigungdes Räderwerkes beigestellt. Esentsteht eine der berühmtesten Uhrenjener Zeit in unserem Raum. Sie stehtheute im Landesmuseum Stuttgart.

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Such things simply do not hap-pen, but see for yourself:

One of the two men sha-ring the same hobby isthe village parson ofOnstmettingen, PhilippMatthäus Hahn, 25 years young, a ma-

thematical genius andborn engineer.

The other is the villageschoolmaster of Onstmet-tingen, Philipp GottfriedSchaudt, a contempora-ry of Hahn. He learnswatchmaking from ourdeaf and dumb black-

smith’s sons Johannesand Paulus.

After very few preliminary tech-nical experiments the two of themset to work to turn the dream into re-ality. Parson Hahn calculates anddraws. Schoolmaster Schaudt con-structs such a remarkable clock thatthe head of the government in far-off Stuttgart is alerted and immedia-tely orders an even more beautifuland larger astronomical clock fromPhilipp Matthäus Hahn.

A honour for the whole village.

In support of his efforts, Schaudtis provided with an „assistant“ forthe manufacture of the clockwork mechanism. The result is that one ofthe most famous clocks of any era iscreated in our region. It now standsin the Stuttgart Landesmuseum.

Philipp Mat-thäus Hahn(1739-1790)Parson inOnstmettingenfrom 1764-1770

Philipp Gott-fried Schaudt(1739-1809)Schoolmasterin Onstmettin-genfrom 1761-1809

First clock of 1767

Duke KarlEugen of Württemberg(1728 -1793)

PhilippMatthäusHahn (1739-1790) Pfarrerin Onstmettin-gen v. 1764-1770

PhilippGottfriedSchaudt(1739-1809)Schullehrer inOnstmettingenv. 1761-1809

Erste Uhr ca. 1767

Herzog Karl Eugen vonWürttemberg(1728 -1793)

Ein feinmechanischesWunder entsteht

Two men with a hobby perfect a miracle in precision mechanics

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Hinter diesem Handlanger dürfenwir den nächsten Sauter-Schmiedvermuten. Johann-Jakob I, der denWaagenbau in Onstmettingen in eineneue Richtung lenken wird.

Wieder ist Pfarrer Hahn derInitiator. Er entwirft eine neuartigegewichtslose Waage - die später fürdie Industrie unseres Raumes so wichtige Neigungswaage. Siehe S.52

Johann-Jakob I nutzt seine Chanceund baut unter Anleitung des mittlerwei-le nun schon bekannten Pfarrers HahnUhren und Waagen.

Vertrieben werden sie, wie damalsüblich, über den Hausierhandel.

It is believed that this assistant isthe next smith in the Sauter family.Johann-Jakob I, who is destined tolead the manufacture of balances inOnstmettingen in another direction.

Parson Hahn is the instigator on-ce again. He invents a new type ofweightless balance - the pendulumbalance which is later to becomeso important to the industry of ourregion (see page 52).

Johann-Jakob I seizes his oppor-tunity and makes clocks and balan-ces under the instruction of the nowwell known parson Hahn.These products are sold via pedd-lers, as is the norm at the time.

Johann-JakobSauter I(1743-1805)Farrier andordnance blacksmith,maker ofclocks and balances

Taschenuhrvon JohannJakob Sauter I

Clock fromJohann JakobSauter I

Neigungs-waage nachPh. M. Hahn

PendulumweighingMachine byPh. M. Hahn

Johann-JakobSauter I(1743-1805)Huf-u.Waffen-schmied, Uhr-macher, Waa-genbauer

AstronomischeWeltmaschinegebaut inOnstmettingen1768/69

AstronomicWorldMachine builtin Onstmettin-gen 1768/69

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Trotz aufreibendem Dienst imPfarramt kreisen die Gedanken vonPhilipp Matthäus Hahn um eintechnisches Problem.

Er sinnt über eine neue Waagenach, die neben der Bestimmungder Dichte gleichzeitig als Krämer-,Gold- und Probierwaage einsetzbarist.

Und er wird fündig.

„Hydrostatische Waage“ heißtder bis heute immer noch etwasgeheimnisvoll gebliebene High -Tech - Artikel.

Eine Kombination aus Balken-und Laufgewichtswaage entsteht.Geistreich und pfiffig ist sie, seineneue Konstruktion. Philipp MatthäusHahn setzt auch hier Ideen um, dienach heutigem Verständnis inmehrfacher Weise patentfähigwären.

Diese kleine Präzisionswaagefindet bald darauf den Weg nachOnstmettingen und sollte sich imLauf der Zeit zur bekannten

Apotheker - Handwaagemausern.

Sie ist das Markenzeichen desfrühen süddeutschen Präzisionswaa-genbaues - ein Verkaufsschlagerüber mehrereGenerationenhinweg.

In unseremHause wird dieHandwaageauch heutenoch produziert.

Geradefeiert sie ihren220 Geburts-tag.

In spite of an exhausting workschedule in the parson’s post thethoughts of Philipp Matthäus Hahncentre on a technical problem.

He thinks about a new balancewhich whilst determining density canalso be used as a Kramer-, Gold-and Test Balance.

And he finds the answer:

„Hydrostatic Balance“ is thename given to the up to now closelyguarded secret „high-tech“instrument.

The result is a combination of abeam and sliding weight balance.His new design is ingenious andclever. Hahn is working with ideaswhich would in many ways bepatentable nowadays.

This small precision balance findsits way to Onstmettingen and isdestined in due course to blossominto the well known

Apothecary’s hand Balance.

It is the brand of the early SouthGerman manufacturing of precisionbalances - a sales hit over severalgenerations.

We are still producing the HandBalance in our Company today.

It isactuallycelebratingits 220 thBirthday.

From 1770Hahn is inKornwestheim.

Displayedwater isweighedaccording toArchimedesprinciple. Inthis way thevolume of theimmersedbody isderived.

Start ofdevelopmentwork inKornwestheim1773. Alsopossiblecooperationwith SchaudtinOnstmettingenhowever notyet assured.

The hand balance today

Die Hand-waage heute

Ab 1770,Hahn inKornwestheim

NachArchimedeswird über denAuftrieb dasverdrängteWasser ge-wogen. Sokommt manzum Volumendes getauch-ten Körpers.

Beginn derEntwicklungs-arbeiten1773.Eventuell auchMitarbeit vonSchaudt inOnstmettingen,ist aber nochnicht gesichert.

HydrostatischeWaage von1774.

Hydrostaticbalance of1774

Die erste Präzisions-waage entsteht

The first Precision Balanceis born

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Es läßt sich eigentlich alles gutan. Handel und Gewerbe blühen inWürttemberg. Der Weg zu richtigen„Fabriquen“ aber ist noch weit.

Im Albdorf Onstmettingen eta-bliert sich eine handwerklich hoch-wertige Feinmechanik.

Die nächste Generation, sechsSöhne des Johann Jakob Sauter Iund eine Tochter, drängt in dieMechanik. Die Ausbildung mußhervorragend gewesen sein, wennman die feinmechanischen Werke dieser Generation sieht. Ph. G. Schaudt ist nun zuständigfür Mathematik und Theorie, Vater Johann Jakob I besorgt dasPraktische.

Everything is looking really verypromising. Trade and industry blos-soms in Württemberg. The road totrue „factories“ is however stilla long way off.

A highly skilled precision instru-ment industry is established in thevillage Onstmettingen.

The next generation, the six sonsand one daughter of Johann-JakobSauter I, all press on in the field of mechanics. Their apprenticeship musthave been excellent when one consi-ders the feats of precision instrumentengineering of this generation. Ph. G.Schaudt is now responsible for mathe-matics and theory, father Johann-Jakob I looks after practical matters.

Economicbloom1775-1795

Wirtschaft-liche Blüte1775-1795.

Planetariums-uhr, gebautvon JohannJakob Sauter IIin Stockholmum 1805

Planetariumclock byJakob Sauter IIin Stockholm1805

Die schwierigeFranzosenzeit

The difficult period of theFrench Napoleonic Period

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Es gibt viel zu tun.Doch Württemberg gerät zwischendie Mühlsteine der Franzosen-Feldzü-ge, wird zum Durchmarschland undblutet auch wegen der zahlreichenBefreiungskriege gegen Napoleon Iwirtschaftlich aus.

Der Uhren- und Waagenbau in Onstmettingen kommt faktisch zumErliegen.

Die schon erwähnte junge Sauter-Generation muß auswandern undversucht ihr Glück in aller Welt:Straßburg, Stockholm, St. Petersburg.Wieviel Know-how geht Onstmettin-gen verloren!

Als endlich wieder Friedeneinzieht, ist die Wirtschaftkraft Würt-tembergs auf die Hälfte gesunken.

Der einzige in Onstmettingenverbliebene Sohn Simon rettet sich(wieder) ins Schmiedehandwerk.

There is much to be done. However, Württemberg suffers fromthe heavy burden of the French milita-ry campaigns, becomes a land occu-pied by passing troops, and bleedsto death economically as a result ofthe many wars of liberation againstNapoleon I.

The manufacture of clocks andbalances in Onstmettingen is practi-cally brought to a standstill.

The young Sauter generation alre-ady mentioned is forced to emigrateand tries its luck all over the world:Strasbourg, Stockholm, St Petersburg.So much know-how is lost to Onstmet-tingen!

When peace finally returns theeconomic strength of Württemberghas shrunk by half.

Simon, the only son to remain inOnstmettingen, escapes back intosmithery once again.

Chemicalbalance byJohann JakobSauter II inStockholmaround 1810.

Economic de-clinefrom 1796

EmigrationfromOnstmettingenfrom around1800-1805

Addier-maschine,gebaut vonJohann LudwigSauter inEßlingenum 1820

AddingMachine byJohann LudwigSauter inEsslingenaround 1820

Chemiker-waage,gebaut vonJohann JakobSauter II inStockholmum 1810

Ab 1796wirtschaftl.Niedergang

.

Ab etwa1800–1805Auswande-rungen ausOnstmettingen

Tischuhrgebaut vonSimon Sautervon 1814 bis1820

Table clock bySimon Sauterfrom 1814 –1820

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England macht die Industrialisie-rung vor, andere europäischeStaaten ziehen nach.

Nur in Deutschland ist mit seinerentsetzlichen politischen Zersplitterungnoch vieles „kleinkariert“.

Doch die Weichen werdenrichtig gestellt:

Zollabkommen der deutschenKleinstaaten untereinander, Reduzie-rung der Zünfte und moderne Gewer-beordnungen schaffen brauchbareRahmenbedingungen (wie heute inder Europäischen Union mit demAbbau von Handelshemmnissen).

Feinmechanische Zentren entstehenab 1800 in München, Hamburg,Berlin.

Und Pforzheim.Dort macht sich Mechanicus Oechsleans Werk. Er baut als erster imdeutschen Südwesten Laboratoriums-geräte, so u. a. auch Waagen.Nach ihm sind die„Oechsle-Grade“des Weinesbenannt.

Viele OnstmettingerJung- Mechani-ker schauen beiihm auf derWanderschaftvorbei, um denmodernenWaagenbauzu studie-ren.

Undsiekehren - fast einWunder - anihren Heimatortzurück.

England takes the lead in industri-alisation, other European countriesfollow.

Only in Germany much is still„checkered“ as a result of frightful po-litical fragmentation.

However the right building blocksare put in place:

Customs agreement among thesmall German states, a reduction ofguilds and the introduction of modern trade practices create a suitable fra-mework (as in today’s EuropeanUnion with the dismantling of tradebarriers).

Centres of precision engineeringare created in Munich, Hamburg,Berlin from around 1800.

And Pforzheim.It is there where Mechanic Oechslesets to work. He is the first in south-west Germany to make laboratory

instruments, including balan-ces. The „Oechsle Grade“ ofwine is named after him.

Many young mechanics of Onstmettingen visit Oechslein passing to study modern balance manufacturing.

And - almost miraculously - theyreturn to their home

village.

England isworldleader in thesecondhalf of the18thcentury.

In 1828 Bayern andHessen areconsideredno more as foreign coun-tries.German Cu-stoms Unionfrom 1833.

Chr. Ferdi-nand Oechsle(1774-1852),own workshopfromaround 1810.

From aroundthe 1830’sWürttembergenjoys economic re-covery.

Wein- undMostwaagegebaut

von Oechslein Pforzheimab 1835

Wine andMust Balanceby Oechsle inPforzheim from1835

England ist inder 2. Hälftedes 18. Jahrh.Weltspitze.

1828 werdenBayern undHessen nichtmehr als Aus-land betrach-tet. Ab 1833DeutscherZollverein

Chr. Ferdin-and Oeschsle(1774–1852),eigeneWerkstattetwa ab1810.

Ab den1830erJahrenerholt sichWürttembergwirtschaftlich.

Rettung aus der Not - die Industrie zieht herauf

Deliverance from need - industrialisation takes hold

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Wie hat Onstmettingen dieschlimmen Zeiten durchstanden?

Nein - der rote Faden ist nichtgerissen, der Waagenbau hat auf„kleiner Flamme“ überlebt.

Simon Sauter, Sohn des Johann-Jakob Sauter I, hält sich während derWirren in der Napoleonischen Zeithandwerklich fit, indem er einekunstvolle Uhr baut (Abb. Seite 40).Dann verfertigt er wieder Waagenaller Art. Es gelingt ihm gerade noch,seine ältesten Söhne auszubilden,bevor er mit 47 Jahren stirbt.

Sein Nachfolger im Waagen-bau, Sohn Johann Jakob Sauter III,verlegt 1831 seine Werkstatt insnahe gelegene Ebingen und bauthauptsächlich Apothekerwaagen. Erist erst 36 Jahre, als er ganz plötzlichstirbt. Sein Sohn August ist beim Todedes Vaters 13 Jahre alt.

Doch sollte dieser 12 Jahre späterGründer der bekannten Präzisions-waagenfabrik August Sauter Ebingen(ASE) werden.

Der Präzisionswaagenbau des Johann Jakob Sauter III geht aufseinen jüngeren Bruder PhilippMatthäus über. Die Geschäfteentwickeln sich günstig, so daß er inOnstmettingen eine Familie gründenkann.

Der Stammhalter Albert wirdgeboren. Doch nicht ganz einenMonat später ist Philipp MatthäusSauter 28-jährig, tot. Für die jungeFrau bricht eine Welt zusammen -was tun?

Erst jetzt kommt die Stunde desGottlieb Kern.

How did Onstmettingen survivethese terrible times?

No - the thread is not broken, themanufacture of balances has survived„on a low light“.

Simon Sauter, son of Johann-Ja-kob Sauter I, keeps his craft skills inshape during the confusion of the Napoleonic period by building an ar-tistic clock (Illustration see page 40).Then he manufactures balances of alltypes. He even succeeds in traininghis eldest sons before dying at theage of 47.

His successor in balance manu-facturing, son Johann-Jakob Sauter III,transfers his workshop to nearby Ebingen and makes principally apo-thecary’s balances. He is only 36 years of age when hedies very suddenly. His son August is 13 years old whenhis father dies.

Nonetheless he is destined 12years later to become the founder ofthe well known precision balance fac-tory August Sauter Ebingen (ASE).

Johann-Jakob Sauter III’s precisionbalance manufacturing workshop istransferred to his younger brother Philipp Matthäus. Business develops favourably, enabling him to start a fa-mily in Onstmettingen.

Birth of Albert, son and heir.However less than one month laterPhilipp Matthäus Sauter is dead. Hisyoung wife’s world is shattered - whatis she to do?

Only now comes the hour of Gottlieb Kern.

Interval in ba-lancemanufacturebetween1795 and1820

Simon Sauter (1784-1831)

Johann-JakobSauter III(1808-1844)

August Sauter(1831-1874)Establishmentin Ebingenin 1856

Philipp Mat-thäus Sauter(1818-1846)

Albert Sauter(1846-1913)

Pause imWaagenbauzwischen1795 u. 1820

Simon Sauter(1784–1831)

Johann JakobSauter III(1808–1844)

August Sauter(1831–1874)Gründung 1856 inEbingen

PhilippMatthäusSauter(1818–1846)

Albert Sauter(1846–1913)

Zwei Sauter-Generationen ereilt ein viel zu früher Tod

Two Generations of Sautersmeet a much too early death

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In der Ahnenreihe der Kernsfinden wir berühmte Künstler, wieBildhauer und Steinmetze, vorallem aber den bekannten Elfenbein-schnitzer Leonhard Kern, einenKünstler von europäischem Rang.

Gottlieb Kerns Großvater wandertaus beruflichen Gründen in Onstmet-tingen ein. Sein Vater bringt esbereits zum Schultheiß am neuenWirkungsort.

Sohn Gottlieb wendet sich deraufstrebenden Feinmechanik zu undgeht möglicherweise bei den Sautersin die Lehre. Anschließend Wander-schaft, insbesondere nach Pforzheimzu Meister Oechsle. Dort erfährt erseine entscheidende Prägung.

Im Frühjahr 1844 kehrt er nachOnstmettingen zurück, um sich selb-ständig zu machen. Ganz kleinbeginnt er an der Werkbank, viel-leicht mit einem Lehrling. Interessanter-weise sind Waagen anfänglich imProduktionsprogramm gar nichtvorgesehen. Das ist ja die Domäne

In the list of ancestors of theKerns we find famous artists, such assculptors and stonemasons, aboveall however the well known ivorycarver Leonhard Kern, an artist of Eu-ropean repute.

Gottlieb Kern’s grandfather mo-ves to Onstmettingen for professionalreasons. Gottlieb’s father reachesthe office of Mayor in the family’snew community.

Son Gottlieb turns to the risingprecision instrument industry and en-ters an apprenticeship with the Sau-ters. He then goes on his travels, inparticular to Pforzheim with mastercraftsman Oechsle. There he disco-vers his own decisive calling.

He returns to Onstmettingen inearly 1844 resolved to start his ownbusiness.

He starts out at the workbench ina very small way, possibly with anapprentice.

It is interesting to note that in thebeginning balances were not plan-ned in his product range. That, in-deed, is the domain of the Sauters.

Leonhard Kern(1588-1662)

Gottlieb Kern(1819-1886)

Gründungs-anzeige vonGottlieb Kernvom 21. Mai 1844

Opening ofthe businessin May 1844

Leonhard Kern(1588–1662)

„HeiligerSebastian“Elfenbein-schnitzereivon Leonhard KernSchwäbischHall, um1615–1620

„HolySebastian“ivory carringby LeonhardKernSchwäbischHall, around1615–1620

Gottlieb Kern(1819–1886)

Die Familie Kern The Kern Family

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Pionier und Kristallisationspunkt - Mechanikus Gottlieb Kern

Das hätte schiefgehen können,Kern gründet mitten in eine Rezessionhinein, die im Revolutionsjahr 1848ihren Höhepunkt erreicht.

Doch zwei Menschen findensich, die einander gut kennen.Immerhin ist Gottlieb Kern Taufpatedes kleinen Albert Sauter.

Er und Auguste, verwitweteSauter, heiraten und legen beideWerkstätten zusammen.

Ab den 1850er Jahren geht esenorm aufwärts, 1863 hatte Kernschon 9 Mitarbeiter; im damaligenWürttemberg ein Großbetrieb.

Produziert werden Präzisions-waagen wie Handwaagen, Tarier-waagen, spezifische Waagen, dannAnalysenwaagen und Gewichte.Jahresproduktion 1867 ca. 2.000Waagen.

Kaum zu glauben, wenn mansich die damalige Werkstattausrü-stung ansieht: Fußbetriebene Dreh-bank, Handkurbel-Bohrmaschine,Schraubstöcke, Feilen, Zangen,Hämmer. Das war’s dann auch.

Die Werkstatt ist knapp 60 m2

groß.

The Pioneer and the point of crystalli-sation - Mechanic Gottlieb Kern

It might well all go badly wrong,for Kern starts out in the middle of a re-cession which reaches its worst point inthe Year of the Revolution, 1848.

However two people who knoweach other very well come together.After all, Gottlieb Kern is godfather tolittle Albert Sauter.

He and Auguste, the widow Sau-ter, marry and combine both work-shops. The economic situation of theyoung entrepreneur stabilizes.

From the 1850’s onwards the busi-ness grows tremendously. In 1863Kern already had 9 employees, a largecompany in Württemberg in those days.The product range is precision balan-ces such as hand balances, pharma-ceutical balances, specific gravity ba-lances, then analytical balances andweights. Annual production in 1867approx. 2.000 balances.

Hardly credible when one looks atthe workshop equipment then in use:foot-operated lathe, handcranked dril-ling machine, vices, files, pliers, ham-mers. Such was the scope of theequipment. The workshop is just 60m2.

FrüheWerkstatt-ausstattung.Im Philipp-Matthäus-Hahn-Museumin Albstadt-Onstmettingen

Early work-shop in thePhilipp-Matthäus-Hahn-Museumin Albstadt-Onstmettingen

MarriageGottlieb Kernand widowSauter inNovember1846

Gottlieb Kernund seine Werkstatt

Mechanic Gottlieb Kernand his workshop

Auguste Sauter(1818–1900)

Gottlieb Kern(1819–1886)

HeiratGottlieb Kernund WitweAugusteSauter imNovember1846.

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It is also interesting to look at theway prices were calculated: raw ma-terial (mostly brass) and freight (evenat the beginning of the age of thetrain), were extremely expensive, onthe other hand wages were low. The-re were practically no extraneousenergy costs.

Kern relies on Sauter’s customerbase for sales at first, among theseare significant specialist dealers, or resellers, even in the 1840’s. Kern’sfirst large order is received in1861/62 from a Laboratorydealer in Kassel for400 balances. Thefirst export order isdespatched in1846 to Cairo,1854 USA,1859 Switzer-land.

The team showscourage, even in the1860’s Kern exhibits atinternational fairs, in London and Paris.

And the users?Scientists, apothecaries, chemists,goldsmiths.

The continuity of the KERN Com-pany up to the present day should notbe overlooked.

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Interessant ist auch der Blick auf dieKalkulation: Ausgesprochen teuer istdas Rohmaterial (meist Messing) unddie Fracht (auch noch zu Beginn desEisenbahnzeitalters), preiswert dagegenist der Lohn. Fremde Energiekosten hatman praktisch keine.

Im Vertrieb stützt sich Kern zunächstauf die Sautersche Stammkundschaft,unter denen sich bereits in den 1840erJahren bedeutende Fachhändler, alsoWiederverkäufer befinden.Einen erstenGroßauftrag erhält Kern 1861/62 voneinem Fachhändler aus Kassel über400 Waagen. Der erste Exportauftraggeht schon 1846 nach Cairo, 1854USA, 1859 Schweiz.

Die Mannschaft zeigt Mut, schon inden 1860er Jahren beschickt Kern in-ternationale Messen, in London u. Paris.

Und die Anwender? Wissenschaftler, Apotheker, Chemiker, Goldschmiede.

Die Kontinuität der Firma KERN biszum heutigen Tage ist nicht zu überse-hen.

AnalytischerGewichtsatzum 1860

Analytical Weight-setof 1860

Analysen-waage,um 1860

AnalyticalBalanceof 1860

Weltausstel-lung Paris 1900

World FairsParis1900

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Die Gründungen der wichtigstensüddeutschen Waagenfabrikenzeigen es:Gebr. Bosch, Jungingen, 1852August Sauter, Ebingen, 1856 Bizer, Balingen, heute Bizerba,1866Gottl. Haigis, Onstmettingen, 1873G. Hartner, Ebingen, 1879

Gottlieb Kern mit seinemWerkstattpersonal 1863

TäglicheArbeitszeit bis1902 11 Stunden.

Der Rekordhal-ter brachte esauf 70 JahrenBetriebszu-gehörigkeit.

Ausstrahlungder KernschenWerkstatt ab1850erJahren.

Das Erfolgsrezept

Nichts geht ohne die richtigenMitarbeiter - und die hat Kern.Siekommen aus dem Handwerkerstand, z. B. die Nagelschmiede. Sie sindgeschickt, hochmotiviert und fleißig. Lange Tagesarbeitszeiten und einelange Lebensarbeitszeit sind üblich.Zudem lebt man religiös und be-scheiden. Der „Fabrikant“ machtkeine Ausnahme. Er ist der ersteArbeiter seines Betriebes.

Doch das ganz Spezifische, das„Onstmettingerische“ ist noch etwasanderes: Nach Neuem suchen undNeues annehmen, das tun sie. VonGottlieb Kern ist der Satz überliefert:„Ein Mechaniker, der die ganzeNacht schläft, ist keiner.“

Schon am Beispiel des PfarrersPhilipp Matthäus Hahn sehen dieerstaunten Dorfbewohner, wie sicheine Welt auftut, wenn man sichinnovativ verhält.

Die zweite Komponente des„Spezifischen“ leitet sich aus derreligiösen Haltung des Pietismus her.Dieser bestärkt den Gläubigen imArbeiten und Tüchtigsein. Denn:„Gewerbefleiß und Taterfolg sindgottgewollt.“ Fleiß und Neues-Suchensind auch das Kapital des GottliebKern. Eine Gewerbeförderung durchden Staat ist so gut wie unbekannt,von Bankkrediten ganz zu schwei-gen. Es gibt bis in die 1860er Jahrehinein ja nicht einmal eine Bank.

Trotzdem grenzt es heute an einWunder, daß ausgerechnet derPräzisionswaagenbau in einem soabgelegenen Albdorf gedeiht.

Es erstaunt also nicht, daß dieKernsche Werkstatt eine enormeAusstrahlung hat und beispielsweiseüber die Lehrlingsausbildung direktoder indirekt zur Keimzelle fast allerspäteren Waagenfabriken in diesemRaum wird.

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Daily workinghoursuntil 190211 hours

The recordholder reached 70yearsservice to theCompany

Influence oftheKERN Work-shop from the1850’s

The Recipe for Success

Nothing works without the rightstaff - and Kern has them. They comefrom the craft trades, e.g. nailmakers.They are skilled, highly motivated andindustrious. Long daily hours and along working life are the norm. More-over people live religiously and mo-destly. The „Boss“ is no exception.He is the first worker in his Company.

But the special ingredient, the„Onstmettingen Factor“ is somethingelse again:

Look for new ideas and acceptnew ideas, this is what they do. Thissaying has been passed down from Gottlieb Kern: „An mechanic whosleeps the whole night is no mechanic“.

The astonished village dwellershave already seen in the example ofparson Philipp Matthäus Hahn howthe world opens up to people whobehave in an innovative way.

The second component of the„special factor“ arises from the religi-ous conduct of pietism. This streng-thens the believer in work and compe-tence. For: „Professional diligenceand success of deed are ordained byGod“. Diligence and the search fornew ideas are also the capital of Gott-lieb Kern. State aid for industry is al-most unheard of whilst bank loans arecompletely unknown. Until well intothe 1860’s there is not even a bank.

It is bordering on the miraculousthat, in spite of all this, the productionof precision balances of all thingsshould flourish in such a remote villa-ge in the Swabian mountains.

It is therefore not surprising thatthe Kern workshop has an enormoussphere of influence and through forexample the training of apprenticesbecomes directly or indirectly the ger-mination centre for all subsequent balance factories in this region.

The foundation dates of the mostimportant balance factories in Ger-many show this:Gebr. Bosch, Jungingen, 1852August Sauter, Ebingen, 1856Bizer, Balingen, today Bizerba,1866Gottl. Haigis, Onstmettingen, 1873G. Hartner, Ebingen, 1879

Gottlieb Kern with his workshop staff in 1863

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Zweierlei kommt mit der Gründung desDeutschen Reiches zusammen: Die altenwürttembergischen Gewichts-EinheitenPfund, Lot und Quent werden abgelöst,eine reichsweite, einheitliche Eichgesetz-gebung tritt in Kraft. Ein Waagen- undGewichteboom bricht aus, der die nochjunge Waagenindustrie beinaheerschlägt. Zeitweise können nur dieHälfte aller Aufträge ausgeführt werden.

Was tun? Mittlerweile ist Albert Sauterins Geschäft eingetreten. DerFirmenname wird geändert inGottl. Kern & Sohn, wobei eseigentlich „& Stiefsohn“ hätteheißen müssen.

Albert Sauter mechanisiert,wo er nur kann. Wir stehenam Übergang vom Handwerk

zum Industriebetrieb. Der Investitionsbe-darf für neue Maschinen ist enorm, sodaß Gottlieb Kern ausruft: „Albert, Dubringst mich noch unter den Hammer.“

Mitnichten, die Firma KERN wirdmit 22 Mitarbeitern und einem Jahres-umsatz von 24.000 Gulden zu einemder größten PräzisionswaagenherstellerDeutschlands.

Jene Jahre, die heute „Gründerzeit“genannt werden, bringen auch fürKERN einige Meilensteine des techni-schen Fortschrittes:

Stanztechnik sowie eigene spezielleMessingprofile für den Waagenbau.

Galvanisches Vernickeln als Ober-flächenschutz.

Das leichte Aluminium für Waagbalkenwird erschwinglich.

Endlich der langerwartete Gasmotor mitdem modernen Transmissions-Antrieb.

Drehautomaten stellen über 1.000Gewichterohlinge pro Tag her.

Two things come together with theformation of the German Empire: theold Württemberg weight units are abo-lished and a set of uniform verificationlaws comes into operation across thewhole empire. There is a boom in themarket for balances and weights whichalmost crushes the still young balanceindustry. At times only half of all orderscan be fulfilled.

What is to be done?Meanwhile Albert Sauter has joinedthe Company. The Company name ischanged to Gottl. Kern & Sohn, although it should really have been „&Step-Son“. Albert Sauter introduces me-chanisation wherever he can. Westand at the transition from handicraft toindustrial operation. The investmentneed for new machinery is enormous,so much so that Gottl. Kern is heard tocry out: „Albert, you are going to finishme off.“

Not at all. The KERN Companywith 22 employees becomes one ofthe largest manufacturers of precisionbalances in Germany. These years,known today as the „founder years“ al-so bring a number of technical milesto-nes to KERN:

Stamping technology and a special type of brass profiles suitable for pro-duction of balances.

Galvanised nickel-plating as surfaceprotection.

Light aluminium for use in beam balan-ces is within reach.

At last the long-awaited gas enginewith the modern transmission drive.

Automatic lathes produce over 1,000weight blanks per day.

Barely believable: only in 1881 isthe first salesman employed by theKERN Company. Following this the first

Foundation ofthe GermanEmpire18 Jan.1871

Germanverificationlaw from 1 Jan.1872

Albert Sauter(1846-1913)1870joins the Board of Directors.

1873KERN, one ofthe largestmanufacturersof precisionbalances.

1860`s

1879

1880

1881

1906

Reichsgrün-dung 18. Jan.1871

Eichgesetz ab1. Jan.1872

Albert Sauter(1846–1913)tritt 1870 indie Geschäfts-führung ein.

KERN ist1873 einerder größtenPräzisions-waagenher-steller.

1860er Jahre

1879

1880

1881

1906

Das deutsche Kaiserreich – die einmalige Chance

The German Empireand its only opportunity

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Doch nicht zu glauben: Erst 1881wird der erste Kaufmann im HauseKERN eingestellt. Dafür entsteht der ersteenglischsprachige Katalog bereits 1887.

Gottlieb Kern stirbt 1886. Er warzeitlebens ein großes Vorbild, einernsthafter und wagemutiger Technikerund Unternehmer. Als Gemeinderatwirkte er an öffentlichen Aufgaben mit.Da er keine eigenen Söhne hat, fälltder Betrieb an den Stiefsohn AlbertSauter zurück. Die Reihe schließt sichwieder von Johann-Jakob I über Simonund Philipp-Matthäus zu Albert Sauter.

Inzwischen wird auch die „Waa-genszene“ in Deutschland dichter.Stellvertretend für viele seien genannt: Paul Bunge, Hamburg, bringt seinebahnbrechende Analysenwaage mitdem kurzarmigen Waagbalken auf denMarkt.

Der Universitätsmechaniker FlorenzSartorius in Göttingen gründet seineWerkstatt zum denkbar besten Zeit-punkt. Weitere Hochburgen desPräzisionswaagenbaues finden wir inBerlin, Gießen, Celle.

Bei KERN stehen die Zeichen aufExpansion. Eine komplett neue Fabrikentsteht in Ebingen. Industriegebieteund Bauauflagen gibt es nicht. DieDevise ist praktisch orientiert und heißt:Möglichst nahe ran an den Bahnhof.

Deutsche Wissenschaftler sind aufvielen Gebieten führend, das Aufblühen

der Forschunggerade in Chemieund Pharmazie sindMotor und Stimulanzauch für KERN.

Deutschland istjetzt eine Indu-strienation. Auf dievielen rauchendenSchornsteine sind allestolz.

Saug-Gasmotorachtpferdig,1881

Gas engineeight horsepo-wer 1881

1867Paul Bunge

1st July 1870foundationSartorius

1885/86new buildingof KERN inEbingen

Turn of thecentury

1867Paul Bunge

1. Juli 1870GründungSartorius

1885/86Neubau Fa.KERN inEbingen

Jahrhundert-wende

english language catalogueis published, as earlyas 1887.

GottliebKern dies in1886. For hisentire life he seta great example,a serious and cou-rageous engineerand entrepreneur. As a communitycouncillor he also influenced public life.

Since he has no sons of his own,the business falls to his step-son AlbertSauter. The link is forged again from Johann-Jakob I via Simon and Philipp-Matthäus to Albert Sauter.

Meanwhile the „balance scene“ inGermany has become densely popula-ted. The following are representative ofmany:Paul Bunge, Hamburg. Brings his trail-blazing analytical, short-arm beam ba-lance onto the market.

The University engineer FlorenzSartorius founds his workshop in Göttin-gen at the best conceivable time. Furt-her strongholds for the production ofprecision balances can be found inBerlin, Gießen and Celle.

At KERN the signs all point to ex-pansion. A completely new factory isbuilt in Ebingen. There are no suchthings as industrial areas and buildinggrants, of course. The motto is practicaland runs like this: As close as possibleto the station.

German scientists are leaders inmany fields and the flourishing of research in chemistry and pharmacolo-gy acts as a driving force and stimulusfor KERN too.

Germany is now an industrial nation. Everyone is proud of the manysmoking chimney stacks.

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Noch sieht alles ganz gut aus.Albert Sauter mittlerweile Kommerzienrat geht 1903 hochge-ehrt in den Ruhestand.

Sohn Gustavübernimmt dasRuder.

Den höchstenStand vor demKriege dürfte derwürttembergischePräzisionswaa-genbau um1909/1910

erreicht haben. Beschäftigt werdeninsgesamt 300 Mitarbeiter in allenBetrieben zusammen sowie zusätzlich200 Heimarbeiter. Die gesamtesüddeutsche Jahresproduktion beträgt50.000 Präzisionswaagen und 1Million Gewichtstücke. Exportanteilimmerhin ca. 50 %. Eine echte Leistungin Anbetracht der hohen Zöllen, USA z. B. 45 %.

Aber auch Sartorius in Göttingenist stark gewachsen und beschäftigtmittlerweile 200 Mitarbeiter.

Immer noch lebt man in einer Zeitvollkommener Preisstabilität. Kaum zuglauben aber wahr: 60 Jahre keinePreiserhöhung! Doch nun geht esunaufhaltsam abwärts, eine Überpro-duktion breitet sich aus. Jeder unterbie-tet jeden so entsetzlich, daß es selbstden Kunden zu bunt wird und sie dieHersteller ermahnen, doch lieber aufQualität zu achten.

Gustav Sauter schlägt einen„Verband süddeutscher Waagen-fabriken“ oder eine „Vereinigtesüddeutsche Waagenfabrik“ vor.Aber nichts geht.

Verzweifelt schreibt die Handels-kammer Reutlingen: „Und so bleibtnichts anderes übrig, als daß einEngel vom Himmel kommt und hilft.“

Once again everything looks rosy.In high esteem, Albert Sauter mean-while commercial councillor retires in1903.

His son Gustav takes the reins.

Precision balance production inWürttemberg probably reaches itspre-war peak in 1909/1910. A to-tal of around 300 people are em-ployed across all the companies, plusa further 200 homeworkers. Total an-nual production in southern Germanyis 50.000 precision balances and 1million weights. Moreover the exportpercentage is around 50%. A trueachievement when one considers thehigh customs duties, e.g. USA 45%.

But Sartorius in Göttingen has al-so grown rapidly and meanwhile em-ploys 200 people.

We are still living in times of com-plete price stability. Difficult to believebut nonetheless true: no price increa-se for 60 years!

Yet production continues to incre-ase unabated and a situation of over-production unfolds. Everyone under-cuts everyone else so fiercely thateven the customers become confusedand urge the producers rather to con-centrate on quality. The Swabian ma-nufacturers of balances attempt toform a price cartel - nothing out of theordinary at that time. Yet they fail.

Gustav Sauter proposes an „Association of South German Balan-ce Manufacturers“ or a „United South German Balance Factory“. But thereis no agreement.

The Reutlingen Chamber of Com-merce writes in despair:„And so there is nothing left other thanto hope that an angel will descendfrom heaven and come to our aid“.

Gustav Sauter(1870-1954)personal liabi-lity from 1903

1909South Germa-ny is probablythe leadingcentre for pre-cisionbalances inthe whole ofGermany.

Homeworkingputs the moresimple tasksoutside thecompany.

1910

1850-1910A long periodof price stability.

Annual Reportof the Chamber ofCommerce1912

Gustav Sauter(1870-1954),persönlicheHaftung ab1903

1909 Das süddeut-sche Präzisi-onswaagen-zentrum dürftein Deutschlandan der Spitzestehen.

Heimarbeit isteine Außer-hausgabe voneinfacherenArbeiten.

1910

1850-1910Lange Periodeder Preisstabi-lität.

Jahresberichtder Handels-kammer 1912

Die langen Schatten vor dem ersten Weltkrieg

The long shadows before the First World War

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Makaber genug, zu Hilfe kommtkein Engel, sondern der Krieg.

Mit Beginn des Krieges sinkt dieProduktion um 60–70 %, manarbeitet noch 3 Tage in der Woche.Dann entdeckt das Militär die Waa-genindustrie und bestellt Lazarettwaa-gen, Pulverwaagen, schließlichGewehr- und Zünderteile.

Nun ist die Beschäftigung zwargesichert, doch es bestehen großeSchwierigkeiten bei der Materialbe-schaffung. Hinzu kommt eine schika-nierende Bürokratie, beispielsweisebei Exportabwicklungen ins kriegs-

neutrale Ausland.

Kriege sind die großen Verände-rer. So auch hier.

Frauen halten in der Waagen-industrie als Justiererinnen und Kontori-stinnen Einzug.

Die Tarifpartnerschaft wirdgeboren. Mit der 48-Stundenwochereduziert sich die Arbeitszeit umstolze 20 %.

Betriebsräte bilden sich. Um Tarif-löhne (Anfangslöhne 22 Pfennig proStunde, Spitzenlöhne um 40 Pfennig)wird monatelang gestreikt undausgesperrt.

Macabre enough - to the rescuecomes not an angel, but the war.

On the commencement of warproduction sinks by 60-70%, a threeday working week is introduced.Then the military discovers the balan-ce industry and orders hospital balan-ces, gunpowder balances and finallyparts for guns and detonators.

Employment is now assured, butthere is great difficulty in procuringmaterials. On top of this comes deli-berate harassment from the bureau-cracy of civil servants not serving inthe field, for example in respect of export orders for neutral foreign countries.

Wars are the greatest agent forchange. Such is the case here.

Women make their entry into thebalance industry as adjusters and

clerks.

The wages partnership isborn. With a 48 hour week the

working time reduces by an im-posing 20%.

Works committees are formed.There is a month-long strike over ratesof pay (starting wage 22 Pfennigsper hour, highest rates of pay around40 Pfennigs) and a lock-out.

The first discreet reference is madeto the very competitive Japanese.

Otherwise life goes on in stirringfashion:

The victorious powers intervenenot wholly unselfishly in Germanverification law in order to createmarket access for themselves.

By virtue of the Treaty of Versail-les, the counter balance (Pendulumscale), previously non-verifiable inGermany, is approved for verifica-

From summer 1914

Start of 1915Production ofbalances collapses

8 hour dayfrom Nov.1918

Works com-mittees fromFeb. 1920

Metalworkersstrike 1922

Gustav Sauterin 1922

Ab Sommer1914

Jahresanfang1915 DieWaagen-produktionbricht zu-sammen.

Pulverwaagezum Dosierender Pulvermen-ge um 1915

Gunpowderbalance

8-Stunden-Tagab Nov.1918

Betriebsräteab Febr.1920Tariflöhne ab12.11.1923

Der erste Weltkrieg und seine Folgen

The First World War and its consequences

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Metallarbeiter-streik Frühjahr1922

Gustav Sauterum 1922

1922

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Erster dezenter Hinweis auf dieso preiswerten Japaner ist zu verneh-men.

Und auch sonst geht es bewegtzu:

Die Siegermächte greifen nichtganz uneigennützig ins deutscheEichgesetz ein, um sich Zugang zumMarkt zu verschaffen. Kraft Versailler Vertrag muß die bisdahin bei uns nicht eichfähigeLadentischwaage (Neigungswaage)zur Eichung zugelassen werden.Doch wie so oft verkehrt sich derEffekt, Gewinner wird die Bizerba-Neigungsschaltgewichtswaage.

tion. However as so often happens theeffect is reversed and the winner is theGerman Bizerba Pendulum Scale.

As inflation makes a glass of beercost 10 billion marks, Gustav Sauterstarts printing his own money. Onwrapping paper. Completely legally.Only by doing so is it possible to paythe wages.

Maybe these difficult times are toblame for the fact that the PrecisionBalance manufacturers of southernGermany do not present a picture ofstrength. Each one is going aroundwith a product range which is far toobig. KERN for example is offering a

1922

October1923Almost thehigh pointof inflation

1924 KERNCatalogue

Das Inflations-geld wirdtransportiert.1923

Transportationof inflationmoney 1923

Gewerk-schaftsver-sammlung inEbingenNovember1918

Labor unionassemblyat Ebingen,Nov. 1918

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selection of - can you believe - 200different models of balances!

The products look so much alikethat they can be mistaken for one an-other - no company logos separate theproducers. It is said that the clichés ofthe individual firms could be interchan-ged for the printing of catalogues wi-thout any consequences.

So what had to come finally ca-me. The self-imposed anonymity ofthe individual firms strengthens the customer and exerts downward pres-sure on prices. „Marketing sends itsbest wishes“.

Once again an attempt is made toform a price cartel which, under the le-adership of Heinrich Cless, head of theAugust Sauter company, actually suc-ceeds. Almost a work of art, even theSartorius factories in Göttingen join in.

A price cartelis an agree-ment aboutminimumselling pricesand conditions

Oktober1923NahezuHöchststandder Inflation.

Katalog KERN1924

Ein Preiskartellist eineAbsprache fürMindest-Verkaufspreiseund Konditio-nen.

Als die Inflation das Glas Bier10 Milliarden Mark kosten läßt, fängtGustav Sauter an, sein Geld selbst zudrucken. Auf Packpapier. Ganzlegal. Nur so ist die Lohnzahlungdurchführbar.

Vielleicht liegt es an dieserschwierigen Zeit, daß die süddeut-schen Präzisionswaagenherstellernicht unbedingt ein Bild der Stärkebieten. Jeder schlägt sich mit einemviel zu großen Lieferprogrammherum. KERN zum Beispiel offerierteine Auswahl von sage und schreibe200 Waagenmodellen!

Die Produkte sehen sich alle zumVerwechseln ähnlich - kein Firmen-Logo weist den Lieferanten aus. Manerzählt sich, daß beim Katalog-drucken die Klischees der einzelnenFirmen ohne Folgen vertauschtwerden konnten.

So kam es, wie es kommenmußte, die selbstgewählte Anonymitätder einzelnen Firma stärkt die Abneh-mer und drückt die Preise. „Marketingläßt grüßen.“

Noch einmal sucht die deutschePräzisionswaagenindustrie nachGemeinsamkeiten. Unter der Führungvon Heinrich Cless, Chef des HausesAugust Sauter, gelingt es mit Vertragvom 23. September 1919 einoffizielles – damals keineswegsverbotenes – Preiskartell zu bilden.Fast ein Kunststück, auch die Sartorius-Werke in Göttingen sind mit dabei.

Und siehe da, das Kartell funktio-niert bis in die 2. Hälfte der 1920erJahre hinein.

Sartorius hat mittlerweile diesüddeutschen Hersteller überholt undwächst zum „Klassenprimus“ heran.Erste zarte Versuche werden sichtbar,die Gewichtsauflage bei der Analy-senwaage zu mechanisieren.

KERN Katalog / Catalogue 1924

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Mit den Jahren 1927, 1928 undsogar noch mit 1929 hätte manleben können, trotz Börsenkrach inNew York. Doch die Lage verschärftsich. Anfangs der 1930er Jahresinken die Umsätze ins Bodenlose.

Am schlimmsten sieht es 1932aus: Umsatzminus 50 % ! gegenüber1931 und 70 % ! gegenüber 1929. Die wirtschaftliche Welt scheintstillstehen zu wollen, die Firma KERNmuß befürchten, in Kürze unterzuge-hen.

Die Arbeitslosenquote in derStadt Ebingen liegt bei 50 %, dieoffizielle Arbeitslosenzahl Deutsch-lands bei 6 Millionen.

Schlechter konnte es für dieFirmen nicht kommen, jeder noch sodünne Strohhalm wird ergriffen. Soauch das Wirtschaftsprogramm der NSDAP. Obwohl eigentlich gar nichtso sachkundig und tiefschürfend,reicht es dennoch aus, Emotionenund Hoffnungen zu wecken. DerFunke der Begeisterung springt über,man faßt Mut - und wird belohnt.

Die wenigen Friedensjahre von1933 bis September 1939 sindintensive Aufbaujahre. Es geht dirigi-stisch zu in Deutschland. Ein undurch-schaubares Netz staatlicher Kontrol-len und Abhängigkeiten durchziehtdas Wirtschaftsgeschehen. Aber dieWirschaft erholt sich schnell. Sicherkeine „Marktwirtschaft“, doch wersich an die Spielregeln hält, kommtvoran. Endlich kann wieder investiertwerden.

Neuentwicklungen entstehen, wie z. B. die Analysen-Schnellwaagemit Luftdämpfung, optischer Ablesungund mechanischer Auflage derMilligrammgewichte über Drehknopf-betätigung.

One could have lived with the years 1927, 1928 and even 1929,in spite of the Wall Street Crash inNew York. Yet the situation becomesstill worse. At the beginning of the1930’s turnover sinks into the abyss.

The worst case is in 1932: Turno-ver is down 50% against 1931 and70% against 1929!! The economicworld seems to want to stand still.The KERN Company has to live withthe fear of going under at any time.

The unemployment rate in thetown of Ebingen is 50%, the officialnumber of unemployed in Germany is6 million.

It could not have been worse forbusinesses and people are preparedto clutch even the thinnest straw. Thisalso goes for the economic program-me of the NSDAP. Although this is inno way proficient or profound it is no-netheless sufficient to awaken emoti-on and hope.The spark of enthusiasmis ignited, people take courage - andare rewarded.

The few years of peace from1933 to September 1939 are yearsof intensive reconstruction. Germany becomes state-controlled. An obscurenetwork of state controls and depen-dencies penetrates business life. Yetthe economy recovers quickly. Cer-tainly no „market economy“, butwhoever observes the rules of the game is successful. At last investmentcan begin again.

New developments appear, suchas for example the high-speed analyti-cal balance with air damping, opti-cal readout and mechanical setting ofmilligram weights operated by arotary switch.

Black Friday29 Oct.1929

Early 1932

January 1933

Adolf Hitler’sNational Soci-alist Workers’Party.

From 1934New Develop-ments inthe design ofPrecisionBalances.

SchwarzerFreitag29. Okt.1929in New York

Frühjahr 1932

Januar 1933

National-sozialistischeDeutscheArbeiterparteiAdolf Hitlers

Ab 1934Neuentwick-lungen imPräzisions-waagenbau.

Das Dritte Reich, Hoff-nung und bitteres Ende

The Third ReichHope and a Bitter End

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Die Söhne von Gustav Sauter,Paul und Walter, sind mittlerweile insGeschäft eingetreten und überneh-men die Leitung des Betriebes. Eswird modernisiert, ein langer Investi-tionsstau wird abgetragen.

In dieses emsige Schaffen hineinplatzt der Ausbruch des 2. Welt-krieges. Doch nur vordergründigüberraschend, die Weichen zurKriegswirtschaft sind längst gestellt.Zum Beispiel gibt es bereits seit 3Jahren einen Preis- und Lohnstopp.

Die Firma KERN muß für dieRüstung arbeiten, ohne aber denWaagenbau ganz aufzugeben.

Mehr und mehr Einschränkungensind hinzunehmen, wie Stillegung derKraftfahrzeuge, Aufgabe der geregel-ten Arbeitszeit und teilweise Über-gang zur Nachtarbeit infolge Strom-mangel. Extrem kurze Lieferzeiten vonoft nur 10 -15 Stunden (!) werden mittäglichen Arbeitszeiten bis zu 16Stunden erfüllt.

Trotz massiver Beeinträchtigungdurch die alliierten Luftangriffe steigtdie deutsche Rüstungsindustrie bis1943 immer noch an, um dann aber1944/45 auf etwa die Hälfte von1943 abzufallen.

Ausländische Mitarbeiter sind beiKERN nicht allzu viele beschäftigt.Sie rekrutierten sich aus den LändernFrankreich und Holland. Sie sind zumgrößten Teil in einer Gaststätteuntergebracht.

Das Unglück kommt aus heiteremHimmel. Ein amerikanisches Bomber-geschwader lädt auf dem Heimflugüber Ebingen Bomben ab. Sie treffendas Wohn- und Verwaltungsgebäudevon KERN schwer. (Abb. siehe Seite56)

Paul und Walter Sauter sind tot.

In the meantime the sons of Gu-stav Sauter, Paul and Walter, havejoined the business and take over the management of the Company. Mo-dernisation takes place and a lengthyperiod of investment stagnation isbrought to a halt.

The Second World War bursts inon this busy period of creativity. Yetthis is only superficially surprising, forthe wheels of the war economy wereset in motion a long time earlier. Forexample there has been a prices andwages freeze for 3 years.

The KERN Company is obliged towork for the provision of munitions,yet balance manufacture is not com-pletely stopped.

More and more restrictions haveto be accepted, such as suspensionof the use of motor vehicles, regula-ted working hours and in part a trans-fer to night working due to a shortageof electricity supplies. Extremely shortdelivery lead times, sometimes only10-15 hours (!), are achieved withdaily working of up to 16 hours.

In spite of massive damage inflic-ted by allied air strikes the Germanmunitions industry grows continuouslyuntil 1943, only to fall back to half ofits 1943 level by 1944/45.

A small number of foreign wor-kers is employed by KERN. They arerecruited from France and Holland.They are mostly accommodated inguest houses.

Misfortune drops out of a clearsky. An American squadron of bom-bers on its homeward journey dropsits bombs on Ebingen. The living quar-ters and administration building arebadly hit. illustration see page 56.

Paul and Walter Sauter are dead.

Paul Sauter(1899-1944)

Walter Sauter(1908-1944)

1 September1939 at 4.45Outbreak ofWar

Prices freeze1936-1952Wages freeze1936-1949

From 1942,foreignworkers atKERN

Bomber attackon 11 July1944

Paul Sauter(1899–1944)

Walter Sauter(1908–1944)

1. September1939 4.45 UhrKriegsausbruch

Preisstopp1936–1952Lohnstop1936–1949

Ab 1942ausländischeMitarbeiterbei KERN.

Fliegerangriffam11. Juli 1944.

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The war is lost, production is at astandstill. Railways and postal servi-ces are out of action for manymonths. Is the game finally up? Hope-lessness wherever one looks.

Will Germany remain an industri-al nation? Highly questionable. Ac-cording to the American MorgenthauPlan, German industrial output shouldbe reduced to around half of its1938 level.

For KERN this would have meanta return to the last century.

The dismantling programme be-gins, with differing degrees of intensi-ty. Eight times as severe in the FrenchArea of Occupation as in the Ameri-can sector. We were „French“. It wasnot long before the best machineswere gone. Against a receipt, ofcourse.

Paul Sauter1899–1944

Walter Sauter1908–1944

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Der Krieg ist verloren, die Produk-tion steht still. Bahn und Post sind aufMonate hinaus außer Betrieb. Ausund vorbei? Hoffnungslosigkeit wohinman blickt.

Bleibt Deutschland eine Industrie-nation? Höchst fraglich. Nach demamerikanischen Morgenthauplan solldas Industrievolumen Deutschlandsauf etwa die Hälfte von 1938abgesenkt werden.

Für KERN hätte das einen Rückfallin das letzte Jahrhundert bedeutet.

Die Demontage beginnt, aller-dings mit unterschiedlicher Intensität.In der französischen Besatzungszoneachtmal heftiger als bei den Ame-rikanern. Wir waren „französisch“. Es dauert nicht lange, und die bestenMaschinen sind weg. Gegen Quit-tung, versteht sich.

Productionstandstilluntil autumn1945.

US FinanceMinisterMorgenthau

DismantlingProgrammefrom 1945e.g. transpor-tation ofproductionequipment tothe nativecountries ofthe Allies.

Bis Herbst1945Stillstand derProduktion.

US-Finanz-ministerMorgenthau

Ab 1945Demontaged.h. Abtrans-port vonProduktions-Einrichtungenin dieHeimatländerder Sieger-mächte

Wohn- u. Ver-waltungsge-bäude vonKERN nachdem Luftan-griff vom11. Juli 1944(s. Seite 55)

Living quartersand admini-strationbuilding ofKERN after thebomber attackon July 1944(see page 55)

Von der Stunde Null bis zur Währungsreform

From the nadir untilcurrency reform

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Zudem haben wir einFührungsproblem durch denTod der beiden Geschäfts-führer in 1944. Die Schwe-ster der Umgekommenen,Else Sauter, übernimmt ausder Not heraus die persönli-che Haftung. Die Zeiten sindhart, Überleben heißt dieDevise.

Im wesentlichen sind die Produkti-onsgebäude heil geblieben, aucheinige Alt- und Uraltmaschinenwollten die Franzosen nicht haben.Damit fängt man an. „Kompensations-geschäfte“ heißt das Zauberwort, aneiner Geldzahlung ist man nurteilweise interessiert.

Und Not macht bekanntlicherfinderisch. Kreativ sind wir Waa-genfirmen alle: Bosch baut Feuerzeu-ge, August Sauter Nudelmaschinen,Sartorius Nachtkästchen und KERNGipserwerkzeuge.

So kämpft man sich durch dieersten drei Nachkriegsjahre hindurch.Doch nun weht glücklicherweise einanderer politischer Wind. Deutsch-land ist jetzt nicht mehr der Kriegsver-lierer, den man durch die Demontageausplündern muß, sondern ist es wert,wiederaufgebaut zu werden.

Hierzu gibt es den Marshallplander Amerikaner. 13 Mrd. US $ fallenauf Europa, wir Deutschen (West)erhalten 1,5 Mrd. US $. Seinesegensreiche Wirkung ist bekannt.

Eines aber bleibt uns wie schon1923 nicht erspart. Wieder wird derKrieg durch einen Geldverfallbezahlt. Nur sagen wir dieses Mal„Währungsreform“ dazu. Die DM istgeboren, ein Kind der Alliierten, prak-tisch ohne Mitwirkung der Deutschen.

Furthermore we have a leader-ship problem as a result of the deathof the two directors in 1944. Out of necessity, Else Sauter, sister of thosekilled, takes on personal liability.With the aid of different ManagingDirectors she attempts to master the times.

The production buildings have re-mained basically intact and there were some old and ancient machineswhich the French did not want. Withthis we started out.

„Barter“ is the magic word. An or-der for balances or weights is onlycompleted if the customer can supplymaterials - in our case brass. Moneta-ry payment is of less interest.

And necessity is certainly the mot-her of invention. We balance compa-nies are all creative: Bosch makes lighters, August Sauter noodle machi-nes, Sartorius bedside tables, andKERN plasterers’ tools.

In this way we battle through thefirst three years after the war. Fortuna-tely, another political wind is now blowing. Germany is now no longera country to be plundered after defeat in war, but is worthy of reconstruction.

The American Marshall Plan iscreated for this purpose. 13 BillionUS Dollars rain down on Europe, wein Germany (West) receive 1.5 Billi-on US Dollars. Its beneficial effect isfamous.

Just as in 1923, however, onething is not spared us. Once againthe war is paid for by a fall in the va-lue of money. Only this time we call ita „Currency Reform“. The Deutsch-mark (DM) is born, a child of the Al-lies, practically without any contributi-on from the Germans.

Marshall Aidfrom April1948

Sunday, 20 June 1948Poll-tax DM 40.00

Else Sauter(1902-1965)

Marshall-Hilfeab April 1948

Sonntag, 20. Juni 1948Kopfgeld DM 40,—

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Ein regelrechter Technologie-schub bei den Präzisions- und Analysenwaagen bricht los.

Eine neue Firma, „Präzisionsap-parate E. Mettler, Küsnacht“ in derSchweiz, tritt auf den Plan und stelltdie bewährte klassische mechanischeAnalysenwaage auf den Kopf (richti-

ger gesagt, dreht sie um 90°). DieWaage von Mettler hat nur eineWaagschale und funktioniert nachdem Substitutionsprinzip. Ein Begriff,den nur ein paar Gelehrte kennen.Uns deutschen Waagenfabrikantenpaßt diese Richtung natürlich garnicht, und man wehrt sich heftig.

Die deutsche Antwort ist eineweiterentwickelte 3-Schneiden-Analysenwaage mit mechanischerGewichtsauflage. Auch im deutschenSüden denkt man traditionell.

Nichts hilft, das Substitutionsprin-zip erlebt einen kometenhaftenAufschwung. In der Spätphase dermechanischen Waage ist fast jedehöherwertige Analysen- oder Präzi-sionswaage eine Substitutionswaage.

Mettler will sich in Deutschlandetablieren und sucht Vertriebspartner,auch wir werden gefragt. Dochehrlich gesagt, niemand bei KERNerkennt diese Chance.

A veritable explosion in the tech-nology of precision and analyticalbalances.

A new company, „Prazisionsap-parate E. Mettler, Küsnacht“ of Swit-zerland, comes onto the scene andturns the famous classical analyticalbalance on its head (more correctlyspeaking, turns it by 90°). The Mettlerbalance has only one weighing panand operates on the substitution prin-ciple. A principle which is known on-ly to a few learned men. Naturally,this change of direction does not suitwe German balance manufacturers,and we resist it strongly.

The German response is a fullymechanised 3 edge analytical balan-ce with mechanical weight setting.Our thinking in the South also followstraditional lines.

There is nothing to be done, thesubstitution principle enjoys a meteo-ric rise. In the late phase of the mechanical balance nearly everyhigh value analytical or precision ba-lance is a substitution balance.

Mettler wishes to establish itself inGermany and looks for partners in di-stribution, we too receive an enquiry.But to be honest, nobody at KERN re-cognises this opportunity.

Erhard Mettlerfounded in Nov. 1945

Analyticalbalance E 5by Mettleraround 1950.

1949/50Mettler entersthe Germanmarket

Analysen-waage Nr. 8von AugustSauter (ASE)um 1952/53

AnalyticalbalanceNo. 8 byAugust Sauter(ASE) around1952/53

Erhard Mettlergründet imNov. 1945

Analysen-waage E 5von Mettler,um 1950

1949/1950Mettler drängtauf dendeutschenMarkt.

Die Wirtschaftswunder-zeit im Waagenbau

The Period of the Economic Miracle

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Es geht nicht lange, und dienächste (Waagen-) Revolution ist fällig.Mettler stellt die oberschalige Präzi-sionswaage vor. Zwischen der seitheri-gen konventionellen Balken-Präzisions-waage mit separatem Gewichtsatzund diesem Wunderwerk liegenWelten. Der neue Waagentyp ent-puppt sich als ein wahrer Senkrecht-starter. Schon 1959 ist er das umsatz-stärkste Produkt bei Mettler.

Mettler ist auf dem Wege, diegesamte traditionsreiche Präzisions-waagenindustrie hinter sich zu lassen.

Nun gibt es auch in Deutschlandkein Halten mehr, die größerenWaagenfabriken springen mit eige-nen Entwicklungen auf diesen Zugauf. Vorneweg Sartorius und AugustSauter. Das Entwicklungstempo istatemberaubend und kann von unskleineren süddeutschen Waagenfir-men nur bedingt mitgehalten werden.

Wieder reden die Schwaben mit-einander.

Heraus kommt eine lose Koopera-tion zwischen den Firmen Bosch,Hartner und KERN. August Sauterwollte nicht. Zur Abrundung deseigenen Programmes werden dieProdukte untereinander ausgetauscht.Eine Übung, die schon im letztenJahrhundert praktiziert wurde. Zueiner richtigen Vereinigung untereinem Dach sollte es allerdings auchdieses Mal nicht kommen. Wieschon vor dem ersten Weltkrieg nicht.

Doch die Zusammenarbeitbewährt sich, ihr Leben ist genau solange wie das der mechanischenWaage.

It is not long until the next balancerevolution is upon us. Mettler introduces the top pan precisi-on balance. The conventional precisi-on beam balance with separateweight set and this miraculous piece ofequipment are worlds apart. The newbalance type turns out to be a truly ver-tical take off product. By 1959 it is al-ready Mettler’s strongest line in turno-ver terms.

Mettler is on the way to leavingthe entire, richly traditional precisionbalance industry in its wake.

Also in Germany there is now noend to this chain of events. The largerbalance producers follow this pathwith their own developments. Princi-pally Sartorius and August Sauter.The pace of development is breathtaking and we smaller SouthGerman balance companies can only keep up to a certain extent.

Once again the Swabians di-scuss together.

As a result of these discussionsthere comes a loose agreement bet-ween Bosch, Hartner and KERN. Au-gust Sauter did not wish to take part.In order to complete each individualproduct range products are mutuallyexchanged. A practice which had al-ready been undertaken in the previ-ous century. Once again it was notto result in a true agreement underone roof. Just as it did not happen before the First World War.

Cooperation proves itself onceagain, its life-span is exactly as longas that of the mechanical balance.

From 1954Top pan preci-sion balanceMettler Type K

End of1950’s/beginning of1960’s

Discussionsfrom 1958Cooperationbegins 1960

End of thecooperation,in the 1980`s

Ab 1954oberschaligePräzisions-waage MettlerTyp K

Ende1950er/Anfang1960er Jahre

Ab 1958DiskussionBeginn derKooperation1960

Ende der Ko-operation inden 1980erJahren

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In diese entwicklungsgeprägte Zeithinein fällt der Beginn von MartinSauter, Sohn des Walter Sauter, demheutigen Geschäftsführer von KERN.Als Jung-Ingenieur stürzt er sich sogleich in die Konstruktion der„Mittelschaligen Waage“.Ein ganz neuer Lösungsansatz, indemdie Leistung der Analysenwaagen (0,1mg) mit der bequemen Bedienung deroberschaligen Präzisionswaageverbunden wird.

Anschließend stehen mechanischeSchiebegewichtswaagen auf demKonstruktionsplan, die auch heute nochals die letzten mechanischen Präzisions-waagen in Deutschland in größerenStückzahlen gebaut werden.

Dann die Gewichte! August Sauter gibt sie auf, so daß wirdie Produktion zusammenlegen können. Lief bislang das gesetzliche Meßwesenauf der nationalen Schiene, so begeg-nen wir jetzt erstmals Empfehlungen derOIML. Diese Organisation befaßt sichinternational mit dem gesetzlichenMeßwesen.

Neue OIML-Gewichtsklassen E1,E2, F1, F2, M1und M3 werden in derEWG eingeführt.

Wir leisten zusammen mit der PTB,unserer oberster Eichbehörde,Pionierarbeit. KERN stellt als erster diegesamte neue Gewichtspalette von1mg -10 kg her.

Die mechanische Waage ist aufihrem Höhepunkt. Fernost und Japansind weit. Das Thema Präzisionswaa-gen machen zum größten Teil dieEuropäer unter sich aus. Wohin manblickt, Erfolge und Wachstum. DieMitarbeiterzahl im süddeutschenPräzisionswaagenbau erreicht ihrenHöchststand mit etwa 700 Arbeitsplät-zen. Sartorius in Göttingen beschäftigtzu diesem Zeitpunkt fast 1.000 Mitar-beiter.

Martin Sauter,the current Ma-naging Directorof KERN, be-gins his serviceduring this peri-od of rich development.As a young en-gineer he is im-mediately

thrown into the design of the

„Middle Pan Balance“.

A completely new set of solutions,in which the performance of the ana-lytical balance (0.1 mg) is combinedwith the ease of operation of the toppan precision balance.

Next on the drawing board aremechanical sliding weight balanceswhich are still being produced today,the last to be made in large quantitiesin Germany.

Then come weights!

August Sauter ceases manufactureand we are able to consolidate pro-duction.

New OIML Weight Classificati-ons E1, E2, F1, F2, M1 and M3 areintroduced in the EEC. We carry outpioneering work in conjunction withthe PTB, our highest Notified Bodyverification authority. KERN is the first to manufacture thecompletely new range of weightsfrom 1 mg to 10 kg.

The mechanical balance is at itshighest point. The far East and Japan are far away. The number ofemployees engaged in the producti-on of precision balances in southernGermany reaches its peak ataround 700. At this time Sartoriusin Göttingen employs almost 1000people.

Martin Sauter,born 1938Entry into theCompany1960,Personal liabi-lity from 1963

From 1963KERN’s midd-le pan balan-ce is on themarket.

From 1969KERN increa-ses productionof weights

Developmentof Weightsaccording toOIML from1973

PTBPhysikalischTechnischeBundesanstalt

Beginning ofthe 1970’sHigh point ofthemechanicalbalance.

Martin Sauter,(1938) Eintrittin die Firma1960,persönlicheHaftung ab1963.

Ab 1963Die mittelscha-lige Waagevon KERN istauf demMarkt.

Ab 1969,KERN erhöhtdie Gewichte-Produktion.

OIMLOrganisationInternationalede MétrologieLégale

Entwicklungder Gewichtenach OIML ab 1973

PTB PhysikalischTechnischeBundesanstalt

Anfang der1970er Jahre

Die mechanische Waage erklimmt ihren Gipfel

The Mechanical Balancereaches its summit

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Einstens geschaffen von LudwigErhard, ist sie nun volljährig gewor-den. Die Idee hat sich bewährt, denStaat, wo machbar, aus dem freienSpiel der Wirtschaftskräfte herauszu-halten. In vernünftigen Rahmenbe-dingungen kann die Wirtschaftwachsen, und das tut sie auch invorher nie dagewesenem Ausmaß.

In Deutschland herrscht Vollbe-schäftigung. Neue Mitarbeiter zubekommen, ist manchmal auswegs-los. Es versteht sich, daß die Tarifpart-ner ihren Spielraum voll ausschöpfen,doch man arrangiert sich immerwieder. Der Wohlstand in Deutsch-land wächst beständig.

Die Tarifrunde 1970 spiegeltanschaulich die Situation: JährlicheLohnerhöhung 14,2 % (!) + erstmalsLohnfortzahlung im Krankheitsfalle +1 Tag Mehrurlaub + erstmals Vermö-genswirksame Leistung: ergibt zusam-men einen Lohnschub von satten 23 % in einem einzigen Jahr.

KERN hat zu dieser Entwicklunginsofern beigesteuert, als sich zweiMitarbeiter zu hauptberuflichenGewerkschafts-Sekretären entwickel-ten. Beide waren Schreiner.

Doch die Bäume wachsenbekanntlich nicht in den Himmel.Deutschland gerät in eine Rezession.Die Arbeitslosenzahl steigt auf etwa 1 Mio. an. Im Waagenbau istKurzarbeit angesagt.

Originally created by Ludwig Er-hard, it has now come of age. Theidea of keeping the state out of thefree expression of economic forceswherever possible, is proven. In a fra-mework of reasonable conditions theeconomy was able to grow and thisit did to an extent never before wit-nessed.

In Germany there is full employ-ment. It is sometimes impossible tofind new staff. Clearly, the wage negotiators take full advantage of thesituation, yet we are always able tomake agreements. Prosperity in Germany is rising continuously.

Let us take a look at the wagesround in 1970: annual wage increa-se 14.2% (!) + sick pay for the first ti-me + 1 day’s additional holiday +capital payment under the employ-ees’ savings scheme for the first time.In total, this results in a wage increa-se of 23% in a single year.

KERN contributed to this develop-ment insofar as two employees beca-me professional Trades Union offici-als. Both were originally joiners.

Yet it is well known that all goodthings come to an end. Germanygoes into recession caused by the oil crisis. Unemployment figure rises to around 1 million.There is short-timeworking in balance production.

Ludwig ErhardMinister ofEconomics1949-1963

Unemploy-ment figure in the mid1960’s andearly1970’s lessthan200,000

The 1970 wa-ges round

End of 1973Catchword „Oil Crisis“

Ludwig ErhardWirtschafts-minister 1949–1963

Arbeitslosen-zahl Mitte1960er Jahreund Anfang1970er Jahreweniger als200.000

1970

Ende 1973Stichwort„Ölkrise“

MittelschaligeAnalysen-waage,ab 1963

Bild mitte:Schiebege-wichtswaagen,ab 1975

Bild rechts:OIML -Gewichte,ab 1974

Die soziale Marktwirt-schaft läuft rund

The Social Market Economy

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Das elektronische Zeitalter

Man hat es ja kommen sehen,nur waren auch Fachleute lange derMeinung, daß Waagen mit einerAuflösung von mehr als 1.000.000Punkten eigentlich nur mechanischfunktionieren könnten.

Doch denken wir an die Quarz-armbanduhr mit Flüssigkristall-Anzei-ge. Schon im Start werden Gangge-nauigkeiten erzielt, die den bestenmechanischen Uhren gleichkommen.

In der zweiten Hälfte der 1960erJahre verlieren die schon längerbekannten elektronischen Waagenihre Außenseiterrolle. Es sind die imGrunde bekannten mechanischenModelle mit herkömmlichen Schaltge-wichten und einem kleinen elektroni-schen Kompensationsbereich. Mannennt sie „Hybridwaagen“.

Die eigentlichen Vorreiter derelektronischen oberschaligen Waa-ge, so wie wir sie heute kennen, sind- soweit bekannt - die Firmen Ains-worth in den USA und Gibertini inItalien. Diese stellen 1970 „vollelek-tronische“ oberschalige Präzisions-waagen vor. Vollelektronisch ist eineWaage dann, wenn keine mechani-schen Schaltgewichte mehr vorhan-den sind und die elektronischeDigitalanzeige das gesamte Wäge-ergebnis umfaßt.

Doch so richtig los geht es erstmit der ACHEMA 1973.

Mettler stellt die vollelektronischenoberschaligen ModellePS 1200 und PT 1200 vor. Fürheutige Verhältnisse sehr voluminöseWaagen. Nach Preisliste ca. DM 7.000,— und DM 10.000,—teuer.

Sartorius zieht mit und zeigt dasModell 3500.

The electronic age

We could see it coming, buteven specialists had long been of theopinion that balances with a resoluti-on of more than 1.000.000 pointscould only function mechanically.

Yet consider the quartz wrist-watch with liquid crystal display.Even at the beginning accuraciesequal to the best mechanical clockswere being achieved.

In the second half of the 1960’selectronic balances, already knownabout for a long time, lose their roleas outsiders. These are the basicallywell known mechanical models withtraditional transfer weights and asmall electronic compensation ran-ge. They are named „hybrid balan-ces“.

The true forerunners of the electro-nic top pan balance, as we know ittoday, and as far as is known, arethe Ainsworth Company of the USAand Gibertini of Italy. In 1970 theypresent „fully electronic“ top pan pre-cision balances. A balance is fullyelectronic when mechanical transferweights are not existing and the elec-tronic digital indication covers thetotal weighing result.

But it really only gets going withACHEMA 1973.Mettler presents the fully electronic toppan models PS 1200 and PT 1200.By today’s standards very bulky balances. According to the price list,expensive at approx. 7,000 DM and10,000 DM.

Sartorius is moving in this directi-on too and shows model 3500.

We at KERN exhibit an electronicversion of the middle pan balance,with a readout of 0.001 g. With thisinstrument we are alongside Sartorius

Resolution =Maximum LoadReadability

From 1967 the quartzwristwatch

Ainsworth’s DigimetricModel

GibertiniModel TELCO

ACHEMAExhibitionConferenceforChemicalEquipment inFrankfurt

Auflösung =HöchstlastAblesbarkeit

Ab 1967Quarz-Armbanduhr

AinsworthModellDigimetric

GibertiniModellTELCO

ACHEMA:Ausstellungs-tagung fürchemischesApparate-wesen inFrankfurt

Der große Umbruch kommt auf leisen Sohlen

Softly softly comes thegreat revolution -

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Wir von KERN stellen eine elektro-nische Version der mittelschaligenWaage vor, mit einer Ablesung auf0,001 g. Damit sind wir nebenSartorius mit Modell Sartomat dieeinzigen auf dieser Messe, die eineAuflösung von 1 mg vorführen.

Bei der Analysenwaage setztsich die Elektronik etwas später durch.Die erste vollautomatische, aber nochnicht vollelektronische Waage mitHöchstlast 160 g ist die Sartorius2001 MP 2, allerdings noch mithängender Schale. Vollelektronisch isterst 2 Jahre später die Mettler HK160.

Damit kein falscher Eindruckentsteht - so heiß wird die elektronischeSuppe dann doch nicht gegessen. Esist eher ein mühsamer Wandel überviele Jahre hinweg. Wir zum Beispielnehmen die letzte mechanischeAnalysenwaage Typ S2000 erst1990 aus dem Lieferprogramm.

Damit ist das Kapitel der mecha-nischen Waage im großen undganzen abgeschlossen. Für unssüddeutsche Waagenhersteller nachziemlich genau 220 Jahren.Es istfaszinierend, die Aufwärtsentwicklungdes gesamten süddeutschen Waagen-baues (einschließlich Handelswaagen)an Hand der Zahl der Arbeitsplätzenoch einmal zu verdeutlichen:

Die erste Generation um Pfarrer Ph. M. Hahn 3

Die Gründergeneration um Gottlieb Kern 30

Unsere Urgroßväterim Kaiserreich 300

In der Spätzeit der Mechanik 3000

Die Familie Sauter hatte dieChance, diesen ganzen Wegmitzugehen und mitzugestalten.

with model Sartomat the only manu-facturers to demonstrate a resolution of 1 mg.

Electronics makes its impact on theanalytical balance somewhat later.The first fully automatic, though not yetfully electronic balance with maximumload 160 g is the Sartorius 2001 MP2,still fitted with a hanging pan. Only 2years later comes the fully electronicMettler HK 160.

In order that we do not give a fal-se impression, it is not simply a case ofan immediate changeover to new elec-tronic technology. Rather it is a labori-ous transformation over many years.

At this juncture the chapter on me-chanical balances is largely complete.After almost exactly 220 years for weSouth German balance manufacturers.It is fascinating to express the rising development of the whole of South Ger-man production of balances (incl.commercial scales) in terms of the num-ber of persons employed:

The generation of parsonPh. M. Hahn ...............................3

The founding generation of Gottlieb Kern..........................30

Our great grandfathers in the German Reich .................300

The late period of mechanics .........................3000

The Sauter family had the goodfortune to travel down and help to sha-pe this entire road.

Around 1770

Around 1865

Around 1905

Around 1970

ElektronischeMittelschaligeWaage vonKERN 1973

ElectronicMiddle PanBalance ofKERN 1973

Sartorius pricelist 10/1977

Sartorius Preis-liste 10/1977

S2000Analysen-waagemechanisch/optisch ab1970 bis 1990

Um 1770

Um 1865

Um 1905

Um 1970

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Die Elektronik hat die gewachsenenStrukturen kräftig durcheinanderge-wirbelt.

Zwar ist der europäische Präzisi-ons-Waagenbau weltweit nach wievor führend, doch ist insbesondere inFernost eine beachtliche Konkurrenzherangewachsen.

Die zu mechanischen Zeitenstolze Zahl an Arbeitsplätzen istgewaltig zusammengeschmolzen, siedürfte sich in Deutschland in etwahalbiert haben.

Von den ehemals ca. 10 süd-deutschen Waagenfabriken im RaumAlbstadt sind die meisten ganzverschwunden. Einige haben sichgewandelt oder sind Kooperationeneingegangen.

Nur Bizerba und KERN sind inder ursprünglichen Form als Familien-unternehmen unverändert durch dieZeiten gekommen.

Natürlich ist auch bei uns vielesanders: Neben der Produktion vonWaagen und Gewichten habenDienstleistung und Handel an Bedeu-tung gewonnen.

Doch unverändert sind die KERN- Programmschwerpunkte:Analysenwaagen, Präzisi-onswaagen, Gewichte.Heute, wie vor150Jahren.

In neuester Zeitbetreibt KERN einDKD-Kalibrier-labor für Waagenund Gewichte.

EineZertifizierungdes Betriebesnach DIN ISO9001 besteht seit25.11.2002.

Kontinuität und Verläßlich-keit in der Partnerschaft mitdem Fachhandelwerden auch in Zukunftunser Tun bestimmen.

Electronics has created massiveturbulence in the established structu-res.

It is true that Europe still leads theworld in the production of precisionbalances, however significant compe-tition has arisen particularly in the FarEast.

The imposing total of persons em-ployed in mechanical times has beendramatically reduced, it has probablyfallen by half in Germany.

Of the approximately 10 SouthGerman balance factories which exi-sted previously most have completelydisappeared. Some have convertedto other activities or entered into jointventures.

Only Bizerba and KERN have sur-vived unchanged throughout history intheir original form as family compa-nies.

Of course a great deal is diffe-rent: alongside the production of ba-lances and weights service and tra-ding have increased in significance.

However the principal products inKERN’s range remain unchanged:Analytical Balances, Precision Balan-ces, Weights.

Today, as it was 150 yearsago. The most recent deve-

lopment at KERNis the DKDCalibrationLaboratory forWeights.Certificationof thecompanyto ISO9001 is

under way.Continuity

and reliabilityin partnership

with the specia-list trade will also

determine ourperformance in the

future.

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KERN-ThemenKERN-TopicsBestell- /CodeNo. KERNPID-941/4

Printed in Germany

Heute Today

Martin Sauter* 1938

Paul + Walter Sauter1899–1944/1908–1944

Gustav Sauter1870–1954

Albert Sauter1846–1913

Simon Sauter1784–1831

Johann Jakob Sauter1743–1805

Philipp Matthäus Sauter1818–1846

Gottlieb Kern1819–1886