Hochwasserschutz, EU-Wasserrahmenrichtlinie und ... · erforderlich, weil etwa Maßnahmen an der...

26
Hochwasserschutz, EU-Wasserrahmenrichtlinie und Finanzierungsinstrumente Stand: 1.12.2010 Von Dr. jur. Peter Queitsch Hauptreferent für Umweltrecht im Städte- und Gemeindebund NRW e.V.; Geschäftsführer der Kommunal- und Abwasserberatung NRW

Transcript of Hochwasserschutz, EU-Wasserrahmenrichtlinie und ... · erforderlich, weil etwa Maßnahmen an der...

Hochwasserschutz, EU-Wasserrahmenrichtlinie und Finanzierungsinstrumente

Stand: 1.12.2010

Von Dr. jur. Peter Queitsch

Hauptreferent für Umweltrecht im Städte- und Gemeindebund NRW e.V.;

Geschäftsführer der Kommunal- und Abwasserberatung NRW

Schaubild 1

Umsetzung der EU-WRRL und EU-Hochwasserschutzrichtlinie

• Aufgabe der sektoralen Denkprozesse (Hochwasserschutz, Gewässerunterhaltung, Gewässerausbau, Abwasserbeseitigung) erforderlich, weil etwa Maßnahmen an der Gewässerstruktur durchaus mehrere Zwecke erfüllen können

• Beispiel: Umbau eines begradigten Gewässers in ein renaturiertes Gewässer mit Links-Rechts-Schleifen dient dem Hochwasserschutz, der Verbesserung der Gewässerstruktur (EU-WRRL) und ggfls. der Niederschlagswasserbeseitigung über einen öffentlichen Regenwasserkanal (z.B. durch Renaturierung des Gewässers wird die hydraulische Aufnahmekapazität erhöht/RRB kann kleiner gebaut werden)

• Problemstände: Inhalte der Förderprogramme (z.B. in NRW: Förderrichtlinie Wasserbau, Investitionsprogramm Abwasser), mangelhafte Refinanzierungs-Vorschriften in allen Bundesländern, desolate Haushaltslage in den Städten und Gemeinden

Schaubild 2

Rechtsgrundlagen WHG und LWG NRW

Schaubild 3

Rechtsgrundlagen

• EU-Hochwasser-Rahmenrichtlinie 2007/60/EG (Umsetzungsfrist in deutsches Recht: 26.11.2009)

• §§ 72 bis 81 WHG (in Kraft getreten: 1.3.2010; BGBl. I 2009, S.2585ff.)

• Hochwasserschutzgesetz des Bundes vom 3.5.2005 (BGBl. I 2005, S.1224): Artikelgesetz mit Änderungen des WHG und des BauGB !

• LWG NRW 2007 (GV. NRW. 2007, S. 708ff.) –Inkrafttreten: 31.12.2007: Anpassung des LWG NRW an das Artikel-Hochwasserschutzgesetz: §§ 112ff. LWG NRW

• LWG NRW 2010 (GV. NRW. 2010, S. 185ff.) –Inkrafttreten: 31.3.2010: Keine Änderung der §§ 112ff. LWG NRW, aber Anwendungserlass vom 25.2.2010 zum neuen WHG

• Zuständigkeits-Verordnung Umweltschutz NRW (GV. NRW. 2007, S. 662ff. , GV. NRW. 2008, S. 155 - berichtigt) - Inkrafttreten: 1.1.2008; zuständig für den Hochwasserschutz: Bezirksregierungen

Schaubild 4Instrumente im WHG (§§ 72ff.WHG)

- § 73 WHG n.F. (Bewertung von Hochwassergebieten, Risikogebiete)- § 74 WHG n.F. (Gefahrenkarten und Risikokarten)- § 75 WHG n.F. (Risikomanagementpläne)- § 76 WHG n.F. ( Überschwemmungsgebiete an oberirdischen Gewässern)- § 77 WHG n.F. (Rückhalteflächen)- § 78 WHG n.F. (Besondere Schutzvorschriften für festgesetzte

Überschwemmungsgebiete)- § 79 WHG n.F. (Information und aktive Beteiligung)- § 80 WHG n.F. (Koordinierung)- § 81 WHG n.F. (Vermittlung durch die Bundesregierung).

- § 5 Abs. 2 WHG n.F. („Jedermanns-Pflicht“) : Eigenschutz gegen Hochwasserschäden

Schaubild 5

Wesentliche Änderungen im WHG

• § 76 WHG (Festsetzung von Überschwemmungsgebieten): Ziel ist die Freihaltung von Bebauung

• § 73 WHG: Risikogebiete ersetzen die weggefallenen „überschwemmungsgefährdeten Gebiete“ (§ 31 c WHG a.F.; vgl. Queitsch in: Wellmann/Queitsch/Fröhlich, WHG, Kommentar, 1. Aufl. 2010, § 73 WHG Rz. 2)

• § 78 Abs. 1 Nr. 1 WHG: Ausweisungs-Verbot für neue Baugebiete gilt jetzt für jede bauplanungsrechtliche Ausweisung, d.h. nicht nur für die Ausweisung von Grünland zum Neubaugebiet (vgl. Czychowski/ Reinhardt, WHG, 10. Aufl. 2010, § 78 WHG Rz. 8; Berendes, WHG, 1. Aufl. 2010, § 78 WHG Rz. 6; Queitsch in: Wellmann/Queitsch/Fröhlich, WHG, Kommentar, 1. Aufl. 2010, § 78 WHG Rz. 3); Hintergrund:Eingreifen der Hochwasserschutz-Anforderungen nach § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 9 WHG – Verstärkung des Hochwasserschutzes in der Bauleitplanung, d.h. aber nicht, dass im Einzelfall nicht z.B. ein unbeplanter Innenbereich (§ 34 BauGB) durch neuen Bebauungsplan (§ 30 BauGB) überplant werden kann (nicht zu vergessen: Haftungsschutz für die Gemeinde)

Schaubild 6

Maßnahmen am Gewässer

• § 87 LWG NRW: Ausgleich der Wasserführung

• § 67 WHG und § 89 LWG NRW: Gewässerausbau

• § 39 WHG und § 90 ff. LWG NRW: Gewässerunterhaltung

• §§ 72ff. WHG und § 107ff. LWG NRW: Deichbau/Deichunterhaltung

• Klare Abgrenzung der Maßnahmen erforderlich, damit eine Plattform für gerichtsfeste Refinanzierung geschaffen wird

• Refinanzierungsvorschriften im LWG NRW sind viel zu kompliziert und müssen dringend für die Städten/Gemeinden und für die Bürger (Verständlichkeit: Worum geht es und wofür zahle ich) vereinfacht werden; Chance: Zunahme von sog. Katastrophenregen/Hochwasser-Ereignissen kann das Verständnis verbessern

Schaubild 7

Abgrenzungsfragen

• in NRW: Maßnahmen zum Ausgleich der Wasserführung (§ 87 LWG NRW) sind vorrangig vor Maßnahmen des Gewässerausbaus

• Gewässerausbau ist die wesentliche Umgestaltung eines Gewässers und seiner Ufer (§ 67 WHG)

• Gewässerunterhaltung ist die Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Wasserabflusses und der Schiffbarkeit (§ 39 WHG)

• Maßnahmen zum Ausgleich der Wasserführung sind grundsätzlich darauf ausgerichtet das Gewässer unangetastet zu lassen und durch mengenmäßige Regulierung von Wasserabfluss-Spitzen (wie z.B. bei der Einleitung von Niederschlagswasser aus Regenwasserkanälen) etwa durch den Bau von Regenrückhaltebecken vor der Einleitung in das Gewässer dafür zu sorgen, dass der Wasserabfluss im Gewässer eine Verstetigung erfährt (Stichwort: zeitversetzte und dosierte Einleitung in das Gewässer; vgl. Queitsch in: Queitsch/Koll-Sarfeld/Wallbaum, LWG NRW, Kommentar, Stand: August 2010, § 87 LWG NRW Rz. 3)

Schaubild 8Abgrenzung: Gewässerunterhaltung und Gewässerausbau

• Abgrenzung im Einzelfall schwierig, weil Gewässerunterhaltung nach § 37 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 WHG auch die Pflege und die Entwicklung der Gewässer beinhaltet (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, Kommentar, 10. Aufl. 2010, § 67 WHG Rz. 31; Berendes, WHG, 1. Aufl. 2010, § 39 WHG Rz. 2; Queitsch in: Queitsch/Koll-Sarfeld/, LWG NRW, Kommentar, Stand: August 2010, § 90 LWG NRW Rz. 1); aber:Pflege/Entwicklung des Gewässers bedeutet insbesondere keine Maßnahmen der Gewässerunterhaltung durchzuführen, die „gewässerschädlich“ sind (z.B. unfachmännische Sedimenträumung)

• Abgrenzungskriterium: Kann eine Maßnahme am Gewässer als unbedeutend, unwesentlich, nicht ins Gewicht fallend eingeordnetwerden, so dass keine wesentliche Umgestaltung des Gewässers vorliegt – dann liegt Gewässerunterhaltung vor - Frage des konkreten Einzelfalls (vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.9.1999 – Az.: 9 A 2736/96, S. 8 der Urteilsgründe; Queitsch in: Queitsch/Koll-Sarfeld/Wallbaum, LWG NRW, Kommentar, Stand: Oktober 2009, § 88 LWG NRW Rz. 1 ) z.B. Räumen von Treibgut/Schwemmgut, Entfernen von Gegenständen aus dem Gewässer wie etwa Fahrrädern, Einkaufswagen, Mähen der Uferböschung (vgl. OVG Sachsen, NuR 2006, S. 242; Czychowski/ Reinhardt, WHG, Kommentar, 10. Aufl. 2010, § 67 WHG Rz. 31)

Schaubild 9

Deichbauten (§§ 107ff. LWG NRW)

• Deich- und Dammbauten sind dem Gewässerausbau gleichgestellt (§67 Abs. 2 Satz 3 WHG i.V.m. §§ 100 bis 104 LWG NRW)

• Es besteht grundsätzlich Planfeststellungspflicht !• In NRW gibt es die sog. „Blaue Richtlinie“ (Richtlinie für den Ausbau

und die Unterhaltung von Fließgewässern; Rechtsgrundlage § 100 Abs. 1 Satz 2 LWG NRW)

• § 107 LWG NRW: Errichten, Verstärken, wesentliches Umgestalten von Deichen, die den Hochwasserabfluss beeinflussen; gleichgestellt:andere Hochwasserschutzanlagen z.B. Hochwasserrückhaltebecken(§ 105 LWG NRW)

• § 108 Abs. 1 LWG NRW: Pflicht zur Unterhaltung und Wiederherstellung von Deichen ist ö-r Verbindlichkeit

• § 108 Abs. 2 LWG NRW: Deiche sind von demjenigen zu unterhalten, der sie errichtet hat

• Unterhaltungspflichtige kann durch zuständige Behörde (Bezirksregierung) angehalten werden, den Deich zu sanieren, wenn es das Wohl der Allgemeinheit erfordert (§ 108 Abs. 2 Satz 3 , Abs. 3 LWG NRW)

Schaubild 10

Zuständigkeiten und Haftung

Schaubild 11

Amtshaftung wegen Überschwemmungsschädendurch Hochwasser (Art. 34 GG, § 839 BGB)

• Es gibt in NRW keine landesgesetzliche Zuweisung für die Zuständigkeit bei Maßnahmen des Hochwasserschutzes, aber:

• Hochwasserschutz ist nach der haftungsrechtlichen Rechtsprechungin Planung, Anordnung und Durchführung hoheitliche Aufgabe der Daseinsvorsorge (BGH NJW 1996,S. 3208; Ewer, NJW 2002, S. 3497; Koutses MDR 2002, S.1229; Queitsch in: Wellmann/Queitsch/Fröhlich, WHG, Kommentar, 1. Aufl. 2010, § 72 WHG Rz. 2f.)

• es besteht die Pflicht zur Durchführung erkennbar gebotener, durchführbarer und wirtschaftlich zumutbarer Maßnahmen bzw. Unterlassen verfehlter Maßnahmen gegenüber möglicherweise Betroffenen, insbesondere Anliegern/Eigentümern nahe gelegener Grundstücke (BGH 54, 165; BGH VersR 1994, S. 935; BayObLGZ 11989, 484; OLG Celle, VersR 1989, S. 484; Palandt, BGB, 69. Aufl. 2010, § 839 BGB Rz. 123)

• deshalb etwa Risiko der Amtshaftung nicht ausgeschlossen, wenn Bauland in festgesetzten Überschwemmungsgebieten ausgewiesen wird und erkennbar gebotene, durchführbare und wirtschaftliche zumutbare Maßnahmen zum Hochwasserschutz nicht durchgeführt werden

Schaubild 12

Amtshaftung wegen Überschwemmungsschädendurch Hochwasser (Art. 34 GG, § 839 BGB)

• BVerwG, Urteil vom 22.7.2004 (Az.: 7 CN 1.04):Überschwemmungsgebiete dürfen auch für nach Baurecht bebaubare Grundstücke festgesetzt werden = Grundstücke im Bereich von B-Plänen (§ 30 BauGB) und im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB); denn: Hochwasserschutz ist Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang, die das grundsätzliche Bauverbot in einem Überschwemmungsgebiet rechtfertigt

• OVG Koblenz, Urteil vom 30.10.2003 – Az.: 1 C 10100/63, UPR 2004, S 194): Bereiche, die bauplanungsrechtlich nach § 30 oder § 34 BauGB zu beurteilen sind, können grundsätzlich in den Geltungsbereich einer Verordnung zur Feststellung eines Überschwemmungsgebietes einbezogen werden = keine Enteignung der Grundstückseigentümer (Art. 14 Abs. 3 GG), sondern nur Nutzungsbeschränkung und damit Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG)

• Gefahr für Gemeinde: Haftung gegenüber für Grundstückseigentümer für Planungsschaden (§§ 39, 42 BauGB; vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 10. Aufl. 2010, § 78 WHG Rz. 8)

Schaubild 13

Haftung aus der Gewässerausbau-Pflicht (§ 67 WHG)

• Gewässerausbau-Pflicht (§§ 87, 89 LWG NRW) = öffentlich-rechtliche Pflicht, die eine Haftung aus Amtshaftung begründen kann (Palandt, BGB, 69. Aufl. 2010, § 823 BGB Rz. 201; Rotermund/Krafft, Haftungsrecht in der kommunalen Praxis, 4. Aufl. 2008 Rz. 622ff.; grundlegend: BGH NJW 1970, S. 1877: Ausbau von Wasserläufen als Maßnahmen des Hochwasserschutzes; BGH DVBl. 1983, S. 1055f. )

• Beispiel: ein Gewässer trat bei stärkeren Regenfällen über die Ufer; das Wasser versickerte aber auf den angrenzenden Wiesen-grundstück; dieses wurde dann von der Gemeinde als Bauland ausgewiesen und bebaut; Fazit: nach der Bebauung des Wiesen-grundstücks oblag der Gemeinde unter dem Gesichtspunkt des Hochwasserschutzes die Pflicht die „notwendigen und zumutbaren Maßnahmen der Daseinsvorsorge zu treffen“ (vgl. BGH NJW-RR 1991, S. 733), also das Gewässer auszubauen z.B. durch Verbreiterung und Vertiefung des Gewässers, Vergrößerung von Rohrdurchlässen, Anlegung von Schutzstreifen als Überschwemmungszonen (vgl. BGH DVBl. 1983, S. 1055ff., S. 1057)

Schaubild 14

Haftung aus der Gewässerunterhaltungs-Pflicht (§ 39 WHG)

• Gewässerunterhaltungs-Pflicht (§ 39 WHG i.V.m. § 90 LWG NRW) besteht gegenüber der Allgemeinheit, ihre Missachtung begründet aber unter Umständen Haftung aus § 823 BGB wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht (BGH 125, 186, BGH NJW 1996, S. 3208; OLG Hamm VersR 2003, S. 1001; Palandt, BGB, 69. Aufl. 2010, § 823 BGB Rz. 201)

• Verkehrssicherungspflicht besteht nur gegenüber die dem Pflichtigen zugewiesenen Gewässerteile; keine allgemeine Pflicht zur Gefahrenabwehr (BGH, ZfImmoblienRecht 2002, S. 563);

• Wichtig: Gewässerunterhaltung erstreckt sich auf einen Gewässerabschnitt, der einen sog. Kasten-Durchlass durchfließt, d.h. Ablagerungen vor und in dem Durchlass sind durch die gewässerunterhaltungspflichtige Gemeinde zu entfernen (so: OVG NRW, Urteil vom 7.6.2004 – Az.: 20 A 4757/01)

Schaubild 15

Haftung für Katastrophenregen (Klimawandel)

• Grundsätzlich obliegt es der Gemeinde sowohl als Amtspflicht (§ 839 BGB, Art. 34 GBG) als auch als Pflicht aus dem öffentlich-rechtlichen Kanalbenutzungsverhältnis (§ 280 Abs. 1 BGB), durch ausreichende Auslegung des Kanalnetzes die Anschlussnehmer vor Überschwemmungen zu schützen

• Geschützter Dritter ist jeder an die Kanalisation angeschlossene Grundstückseigentümer (vgl. BGH NJW 1994, S. 1468; Palandt, BGB, Kommentar, 69. Aufl. 2010, § 839 BGB Rz. 91)

• Kanäle müssten auf bestimmte Niederschlagswassermengen ausgelegt sein (BGH NJW-RR 1991, S. 733)

• Ausgangspunkt ist der sog. Berechnungsregen = Regenereignis, das statistisch in bestimmten Zeitabschnitten wiederkehrt (DWA A 118 2006 – Überstauhäufigkeit – Wasser kommt aus Kanaldeckeln, bleibt aber auf der öffentlichen Straße); daneben gibt es die DIN EN 752 (Blickwinkel: Überflutungsschutz für private Grundstücke); Wichtig: keine Haftung, wenn technische Regelwerke bei Planung/Bau beachtet wurden und sich nachträglich verschärft haben

Schaubild 16

Haftung für Katastrophenregen(Art. 34 GG, § 839 BGB)

• Nach BGH (NJW 1992, S. 39ff., NJW 1998, S. 1307ff.) ist auch die „Überstauhäufigkeit“ eines Kanalnetzes als Maßstab für die Aus-legung der Kanalisation zu berücksichtigen, d.h. abzustellen ist nicht nur auf einen einjährigen Berechnungsregen, sondern auch auf die örtlichen Verhältnisse; aber: für eine Hochwassergefahr mit einer Wiederholungszeit von 100 Jahren muss keine Vorsorge getroffen werden (vgl. BGH, Urteil vom 5.6.2008 – Az.: III ZR 137/07 – BADK-Information 2008, S. 151; OLG Koblenz, Beschl. vom 27.7.2009 – Az.: 1 U 14 22/08)

• Hintergrund: der BGH stellt bei der Frage der Haftung für Überschwemmungsschäden nicht nur auf den sog. Berechnungsregen ab, sondern erwartet auch eine Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse im Einzelfall (vgl. das sog. Weinberg-Urteil: BGH, Urteil vom 18.2.199 – Az.: III ZR 272/96 -, VersR 1999, S. 1412; Palandt, BGB, Kommentar, 68. Aufl. 2009, § 839 BGB Rz. 91).

Schaubild 17

Haftung für Katastrophenregen(Art. 34 GG, § 839 BGB)

• ebenso: ist die Gemeinde grundsätzlich nicht gehalten, das Kanalnetz auf katastrophenartige Unwetter auszurichten, weil dieses budgetmäßig nichtg vertretbar ist (BGH, Urteil vom 18.2.1999 – Az.: III ZR 272/96 – VersR 1999, S. 1412; OLG Koblenz, Beschl. vom 27.7.2009 – Az.: 1 U 14 22/08; Bergmann/ Schumacher, Kommunalhaftung, 4. Aufl. 2007 Rz. 1249ff., Rz. 1258f.; Rotermund/Krafft, Haftungsrecht , 4. Aufl. 2008 Rz. 566ff. )

• Kanäle, die Jahrhundertregen aufnehmen könnten, würden die Regenwassergebühr explodieren lassen (Horror-Vorstellung: bis zu 5 € pro m² bebaute/befestigte Fläche)

• aber: Grundstückseigentümer müssen es nicht hinnehmen, einmal jährlich einer Überschwemmung ausgesetzt zu sein; deshalb muss der erforderliche Leitungsquerschnitt aufgrund einer umfassendenWürdigung aller maßgeblichen abwasserwirtschaftlichen, technischen und topographischen Gegebenheiten ermittelt werden (BGH, Urteil vom 11.7.1991 – Az.: III ZR 177/90 – NJW 1992, S. 39ff.)

Schaubild 18

Haftung Katastrophenregen

• Katastrophenregen bedeutet grundsätzlich nicht, dass Haftung der Stadt/Gemeinde gegeben ist (so: OLG Koblenz, Beschl. vom 27.7.2009 – Az.: 1 U 14 22/08 – auch nicht bei zweimaligen Katastrophenregen ; LG Trier, Urteil vom 21.5.2007 – Az.: 11 O 33/06 – nicht bei einer Wiederkehrzeit innerhalb von 25 bis 30 Jahren

• Aber: bislang keine Rechtsprechung des BGH hierzu ! • deshalb ist zur Vermeidung von Haftungsrisiken eine Überprüfung der

Kanaldimensionierung angezeigt, wenn Problemstände (z.B. Katastrophenregen) aufgetreten sind

• Denkbar: Überfliegung des Gemeindegebietes zur Ermittlung der aktuellen, in den Kanal abflusswirksamen bebauten und/oder befestigten Flächen, weil diese sich etwa in einem Zeitraum von 10 Jahren erheblich ändern können (typischer Praxisfall: Bau von 6 Reihenhäusern auf einem Grundstück mit Anlegung eines privaten Erschließungsweges, der in den öffentlichen Kanal entwässert wird)

Schaubild 19

Haftung für Katastrophenregen

• aber: nach dem BGH, Urteil vom 5.6.2008 (– Az.: III ZR 137/07 – BADK-Information 2008, S. 151: ein Schaden durch ein Hochwasser-Ereignis,das jenseits von 100 Jahren einmal auftritt, liegt außerhalb des Schutzbereichs der Amtspflicht

• Wichtig: Aufklärung der Grundstückseigentümer durch die Gemeinde für einen ausreichenden Versicherungsschutz Sorge zu tragen: z.B. Wohngebäudeversicherung, die auch Überschwemmungen durch Niederschlagswasser von außen in das Haus beinhaltet und nicht nur Leitungswasserschäden abdeckt (sog. Elementarschäden) ; Hausratversicherung (auch für Mieter), die Überschwemmungs-schäden abdeckt (vgl. zur sog. Jedermanns-Pflicht in § 5 Abs. 2 WHG; Queitsch, Haftung für Katastrophenregen, Die Gemeinde SH 2010, S. 53ff., S. 56)

Schaubild 20

Finanzierungsinstrumente

Schaubild 21

Refinanzierung: Landesförderung NRW

• Förderrichtlinie Wasserbau (S. 30 der Förder-Broschüre des MUNLV –Maßnahmenumsetzung nach EU-WRRL)

• Antragsberechtigt: Gemeinden, Gemeindeverbände, jurist. P. des öR• Fördergegenstand: u.a. Maßnahmen des Hochwasserschutzes,

wasserbauliche Maßnahmen, Maßnahmen zur Verbesserung des Gewässergüte einschließlich Grunderwerb sowie Durchführung von Untersuchungen/Erhebungen/Planungen für Wasserbau-Maßnahmen

• Förderungsquote: Zuschuss 40 % bis 80 % der zuwendungsfähigen Kosten (bei HSK-Kommunen auch bis zu 90 % möglich)

• Verbleibende Eigenanteil muss durch Antragsteller selbst finanziert werden

• Wichtig: Maßnahmen, die im ABK als Abwasser-Maßnahme gelistet sind, werden nicht gefördert ! (status quo) – Anmerkung: positiver Neben-Reflex auf Abwasserbeseitigung kann kein k.o.-Kriterium für die Förderung sein (hier muss umgedacht werden !)

Schaubild 22

Refinanzierung: Deichbau

• Deich-Neubau: § 107 Abs. 1 LWG NRW i.V.m. § 103 Abs. 1 LWG NRW • Umlage der Kosten auf die Eigentümer von Grundstücken und

Anlagen, die einen nicht nur unerheblichen Vorteil erhalten (§ 103 Abs. 1 LWG NRW)

• Verteilungsschlüssel: Maß des Vorteils für den einzelnen Eigentümer von Grundstücken und Anlagen

• Im Streitfall setzt die zuständige Behörde (grds. Bezirksregierung) den Beitrag nach Anhörung der Beteiligten fest (§ 103 Abs. 1 Satz 2 LWG NRW)

• Unterhaltung und Wiederherstellung von Deichen (§ 108 Abs. 5 WG NRW: Aufwendungen sind nach dem Maß des Vorteils von denjenigen zu tragen, deren Grundstücke durch den Deich geschützt werden

• im Streitfall setzt die zuständige Behörde (grds. Bezirksregierung) den Beitrag nach Anhörung der Beteiligten fest (§ 108 Abs. 5 Satz 3 LWG NRW)

• Umlage in NRW bislang kaum praktiziert

Schaubild 23

Refinanzierung: Gewässerausbau

• Gebührenfähig über die Abwassergebühr sind über § 53 c Satz 2 Nr. 3 LWG NRW z.B. Maßnahmen des Gewässerausbaus (§ 89 LWG NRW), etwa der Ausbau eines Gewässers, um über dieses Niederschlags-wasser und/oder Fremdwasser zusätzlich mengenmäßig ableiten zu können und hierdurch ein Mischwasserkanal (und die Kläranlage) entlastet wird

• Dennoch zu beachten: es muss ein innerer Zusammenhang mit dem Betrieb der öffentlichen Abwasseranlage/Kanalisation und damit der Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht nach § 53 LWG NRW bestehen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.9.1999 – Az.: 9 A 2736/96 - , NWVBl. 2000, S. 211 – wonach Maßnahmen des Gewässerausbaus dann nicht umlagefähig sind, wenn der Ausbauträger sie zum eigenen Vorteil plant und durchführt; Queitsch in: Queitsch/Koll-Sarfeld/Wallbaum, LWG NRW, Kommentar, Stand: März 2008, § 53 c LWG NRW Rz. 14 f.; § 89 LWG NRW Rz. 12 )

Schaubild 24

Spezialvorschrift in § 89 Abs. 3 Satz 3 LWG NRW

• Aufwendungen für den Gewässerbau eines bisher der Schmutzwasserbeseitigung dienenden Gewässers zur Rückführung in einer naturnahen Zustand können über die Abwassergebühr abgerechnet werden

• Ansonsten müssen Kosten des Gewässerausbaus über eine eigenständige Umlagesatzung umgelegt werden (§ 89 Abs. 3 Satz 1 i.V. m. § 88 LWG NRW bei nachteiligen Abflussveränderungen auf die sog. Veranlasser und im Übrigen: § 89 Abs. 3 Satz 2 LWG NRW i.V.m. § 92 LWG NRW und § 103 LWG NRW); Wichtig: Keine Umlage zulässig, wenn Gewässerausbau nur der ausbaupflichtigen ö-r Körperschaft (z.B. der Gemeinde) dient

• Refinanzierungsvorschriften im LWG NRW sind viel zu kompliziert und müssen dringend für die Städten/Gemeinden und für die Bürger vereinfacht werden (Verständlichkeit: Worum geht es und wofür zahle ich ? – Was ist ein seitliches Einzugsgebiet /Abfluss-Beiwerte ?); Chance: Zunahme von sog. Katastrophenregen/Hochwasser-Ereignissen kann das Verständnis verbessern

Schaubild 25

Fazit

• Hochwasserschutz muss auch weiterhin durch das Land nachhaltig gefördert werden (in NRW: Förderrichtlinie Wasserbau, Investitions-programm Abwasser)

• Bauplaner müssen von der Notwendigkeit des Hochwasserschutzes überzeugt werden (Stichworte: Überplanung von Überschwemmungs-gebieten, Haftung, erhebliche Folgekosten durch Hochwasserschutz-Maßnahmen wie z.B. Deichbau, Hochwasserschutzwände)

• Refinanzierungs-Vorschriften müssen dringend gerichtsfest durch den Landesgesetzgeber vereinfacht werden, damit Maßnahmen (abzüglich der Landesförderung) nicht aus dem allgemeinen Haushalt bezahlt werden müssen (gesetzliche Regelung des Maßstabes: pauschal pro m² Grundstücksfläche; gesetzlich festgelegte Kostenverteilungsquote für bebaute und unbebaute Grundstücke -z.B. 80 % zu 20% der restlichen Gesamtkosten nach Abzug der Landesförderung für die Maßnahme)

• Aufklärung der Bürger über ausreichenden Versicherungsschutz („Jedermanns“-Pflicht - § 5 Abs. 2 WHG)