HÖLDERLIN - Große Stuttgarter Ausgabe 2.2 - Gedichte Nach 1800 Lesarten Und Erläuterungen
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. f .
HÖLDERLIN
S Ä M T L I C H E
W E R K E
Gedichte nach
1800
Lesarten
GROSSE
S T U T T G A R T E R
AUSGARE
H Ö L D E R L I N • G R O S S E S T U T T G A R T E R A U S G A B E
H Ö L D E R L I N
S Ä M T L I C H E W E R K E
ZWEITER BAND
V E R L A G W . K O H L H A M M E R
S T U T T G A R T 1951
ZWEITER BAND
G E D I C H T E NACH 1800
H E R A U S G E G E B E N VON F R I E D R I C H B E I S S N E R
ZWEITE HALFTB
LESARTEN UND ERLÄUTERUNGEN
LESARTEN UND ERLÄUTERUNGEN
V O R B E M E R K U N G E N D E S H E R A U S G E B E R S
Der zweite Band ordnet die Gedichte der reifen und späten Zeit nach Gattungen und
beobachtet in den einzelnen Gruppen die zeitliche Folge. Über die Anlage der Lesarten
und Erläuterungen ist im ersten Band S. )17—)21 das Nötige gesagt worden.
Hellingrath 4 (mit beigefügter Seitennummer) bedeutet: Hölderlin, Sämtliche Werke,
historisch - kritische Ausgabe, unter Mitarbeit von Friedrich Seebaß besorgt durch Nor-
bert V. Hellingrath, vierter Band, besorgt durch Norbert v. Hellingrath, Gedichte
1800-1806, München und Leipzig 1916.
Es folgen hier noch zwei umfangreichere Handschriftenbeschreibungen:
Das Stuttgarter Foliobuch.
H: Stuttgart I 6.
Buch von 84 Blattern, von Bibliothekarshand mit Blaustift paginiert 1", 1 <>, 2",
usw., 21,8 X }f ,6 cm, unbeschnitten; gelbliches, feingeripptes Papier; Wasser-
zeichen 1: Tanne, U: I G LANG.
Die ursprünglich wohl durchgehende Quatemionenordnung ist dadurch gestört, daß
viele Blätter ganz oder teilweise herausgerissen sind. In der folgenden Übersicht be-
deuten schräge Striche zwischen den Blattnummern den Zusammenhang der Blätter
(z.B. 8112), die römischen Ziffern I und II das Wasserzeichen.
Bl.l: H; Bl.2: I; Bl.S: ILverkehri; Bl.4: H; BIS: U verkehrt; Bl.6: I; Bl.7: I;
Bl. 8112: Hjl; Bl. 9lll: Hjl; Bl. 10: 1 verkehrt;
Bl. 1): II; die rechte untere Ecke vor dem Beschreiben herausgerissen: die rechte Kante
377
Lesarten und Erläuterungen
ist oben 9,7 cm hoch erhalten gebliehen, die untere links 9,S cm breit; Bl. 14; II;
Bl.lS 120: Iverkehrt; vonBl.20 ist oben ein Stück 20 J x 19,1 cm herausgeschnitten,
mit ihm das Wasserzeichen (II);
Bl.16119: II; von Bl.19 ist nur ein geringer Rest übrig: links ist nur ein 1,8 cm
breiter und 24 cm hoher Streifen übriggeblieben; vom unteren Ende des Schnittes ist
nach rechts unten gerissen worden; die rechte Kante des Blattes ist rechts unten knapp
S cm hoch erhalten geblieben;
Bl.17118: Ijll; von Bl.lS ist von der rechten oberen Ecke aus ein Streifen vor dem
Beschreiben herausgerissen: die untere Kante ist links noch 12,S cm breit;
Bl. 21126: IIII;
B1.22I2S: III unterer Rest von 1; von B1.2S ist oben ein Stück 21 x 22,} cm heraus-
geschnitten;
Bl.2) 124: Ijll; vonBl.2) ist die rechte untere Ecke vor dem Beschreiben herausgeris-
sen: die rechte Kante ist oben 20,} cm hoch erhalten geblieben, die untere links
1 },2 cm breit;
Bl.27: unterer Rest von I; das Blatt ist oben in ganzer Breite abgeschnitten: der Rest
ist 12,8 cm hoch;
Bl. 2813!: II II;
Bl.29134: unterer Rest von Ijll; Bl.29 ist oben in ganzer Breite abgeschnitten: der
Rest ist 12,6 (12,4) cm hoch;
Bl. 30/33: obere Spitze von Ijll verkehrt; Bl. 30 ist oben in ganzer Breite abgeschnit-
ten: der Rest ist 12,4 cm hoch;
Bl.31132: HIIverkehH;
Bl.36l4 3:IIIIverkehrt; Bl.37j42: IIjlverkehrt; Bl.38141: Iljl; Bl.39140: IjU;
Von Bl.1—40 ist nach dem Beschreiben oben links ein schmaler Keil herausgeschnit-
ten. Auf Bl. 1 beginnt er 5,3 cm rechts von der oberen linken Ecke in einer Breite von
etwa 3 cm und erstreckt sich, schräg nach links unten, etwa 6 cm tief. Von Blatt zu
Blatt nehmen Breite und Tiefe ab. Am oberen Rande des Bl.40 erscheint dann noch
ein kaum sichtbarer Einschnitt. (Unergänzbarer Textverlust nur aufBl.!': (,Aneine
Fürstin von Dessau) v. 1.)
Bl. 44IS1: Iljl; Bl. 4SIS0: Ijll verkehrt; Bl. 46149: Ijll; Bl. 47j48: Ijll;
BI.S2IS8: Uli verkehrt; BI.S3IS7: Uli; EI.S4: I (das ursprünglich anhängende
Blatt ist in ganzer Höhe bis auf einen 1,6 (1,2) cm breiten Streifen abgeschnitten);
Bl. SS 156: IIII;
Bl. S9: II verkehrt;
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Lesarten und Erläuterungen
Bl. 60I6S: IUI verkehrt; El. 61164:11 II verkehrt; El. 62163: II Ii;
El. 66:1 verkehrt; Bl. 67:1;
B1.68I7}: II II; vonBl.73 ist die rechte untere Ecke ohne Textverlust unregelmäßig
abgerissen: die rechte Kante ist oben 21,/ cm hoch erhalten geblieben, die untere links
S,} cm breit (des Blatt ist später vom Buchbinder mit anderem Papier ergänzt);
Bl. 69172: Uli verkehrt; El. 70171: Uli;
Bl. 74:11;
Bl. 7SI82: IIII; Bl. 76IS1: Ijll; Bl. 77ISO: ////; Bl. 78179: Uli verkehrt;
Bl. 8) :I verkehrt; Bl. 84:11.
Aus den Blättern 78— 84 ist in der linken oberen Ecke ein schmaler Keil herausge-
trennt. Der Buchbinder hat hei der Herstellung von Bl.78l79, 8} und 84 das links
vom Keil verbliebene Dreieck entfernt, so daß von diesen Blättern die obere Kante
rechts noch etwa 13 cm breit erhalten ist, die linke unten noch etwa 29 cm hoch. Da
nur die Recto-Seiten beschrieben sind und diese nur in der rechten Spalte, so ist kein
Text verloren gegangen.
Inhalt: Bl.V: {AneineFUrstinvonDessau); l"; leer; oben: Der Wan-
derer (Abschrift der Horen-Fassung mit Varianten zur 2. Fassung); 4 ' — 4 ® oicn:
Die Eichbäume; 3®, 4' (untere Ränder), S*" unten: Der fVanderer (selbstän-
diger Entwurf von v. 8 2 an); oben: Dem Allbekannten (H^); leer; 6':
Diotima (Du schweigst und duldest. . .); Ö®—7® oben: Die Heimath; 7® unten
- 8 ' oben: Die Liebe (H'); S ' unten: Lebenslauf (IP); 8 ® - 9 ' ' oben: Die
Liehe(tP); 9' unten-9'' oben: Lebenslauf (W); 9® u r K m - l O ' oben: Ihre
Genesung; 10^ unten - 10®.' Der Abschicd (H^ und H'); ll'-ll®.- Stimine
des Volks (I-P); U^-IV: Stimme des Volks (H-); W : leer; 1 4 ' - 1 4 ® uicn:
Die Bacchantinnen des Euripides; 14®—15®.' {fVie wenn amFeiertage . . .) (H^);
lö'-n®.' < Wie wenn am Feiertage . . . > (H^); 17 ' ' : Hälfte des Lebens; Im
Walde (Bruchstück 37); unten: AndieDeutschenv.13-24 (H^); 1 8 ' ' - 1 9 ' . '
An die Deutschen (H'); 1 9 ' , 2 0 ' , 20®: Rousseau v.17-39 (19®: leer); 21 ' ,
21® unten: Dichterberuf (IP); 21® oben: Thränen (W); 2 2 ' oben: Ermun-
terung (tP); mitten: Chor aus der Antigonä; unten: Dichterbcruf (II');
22®: Dichtermuth(I-P); 2V: An Eduard (H^); 2 3 ® - 2 4 ' : Wn Landauer;
2 4 ®- 4 6 ' : von hinten nach vorn beschrieben, also von El. 4 6 ' bis 2 4 ®: < Über die
Verfahrungswcise des poetischen Geistes} CBZ. 4 6 ' — 3 8 ® von Hölderlin in der
Mitte des oberen Randes paginiert von 1. bis 14 . ; ; 3 2 ® - 2 4 ® : Wink fur die Dar-
stellung und Sprache; auf diesen Seiten ist immer nur, unter einem Querstrich, das
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Lesarten und Erläuterungen
untere Drittel beschrieben; auf Bl. 3 1 ' wird zuruichst versehentlich oben fortgefahren,
die fünf Worte werden dann gestrichen und unten, unter dem Querstrich, noch einmal
geschrieben; die oberen zwei Drittel der Seiten bleiben leer (von den Blättern 25 , 27 ,
2 9 , 3 0 ist das frei gebliebene Papier abgeschnitten);
4 4 ' am oberen Rand: Bruchstück IS (H^);
4 6 ® - 5 0 ' ; von hinten nach vom beschrieben, also von Bl. 5 0 ' bis 4 6 " ; (.Über den
Unterschied der Dichtungsarten);
46® am oberen Rand: Bruchstück 15 (H^); mitten (unter dem Schluß des Aufsatzes
(Über den Unterschied der Dichtungsarten)) das Aufsatzbruchstück: DerAusdruk,
das gewöhnliche des Gedichts . . .; in der unteren Hälfte: An die Hofnung (H^);
50®: Bruchstück 14; Bruchstück IS (H^); Epigramme: Sophokles, (Der zürnende
Dichter), (Die Scherzhaften), Wurzel alles Übels; 51 ' . ' Dem Allbekannten (H^);
51®; Bruchstück 16 (Zu Sokrates Zeiten); 5 2 ' ; Bruchstück 19 (An meine Schwe-
ster); Bruchstück 20 (Der Cyprier); Tinian(H^); Sapphos Schwanengesang (Thrä-
nen — H^); 52®; Bruchstück 21 (Ovids Rükkehr nach Rom); metrisches Schema
der sapphischen Strophe (vgl. die Lesarten zu der Ode Thränen); metrisches Schema
der Parodos aus der Antigone des Sophokles (dxri^ deMov . . .); Bruchstück W
(Frühlingsanfang); 5 3 '— 53 ®; von hinten nach vorn beschrieben, also 5 3 ®— 5 3 ' ;
Der blinde Sänger / Chiron (H^, H^^); 53 ' am etwa 8 cm breiten unteren Rand,
unter einem (^erstrich: das Aufsatzbruchstück: Der tragische Dichter thut wohl. . .;
5 4 ' ; Der gefesselte Strom (W); 54®; Dichtermuth (H^); 5 5 ' ; Der blinde
Sänger (Hl); SS^-SO": An Eduard (H^); 56®, 5 6 ' , 5 7 ' ; Das Ahnenbild
(W); Das Ahnenbild (W); Sl': Frühlingsanfang (H^); 5 8 ' ;
Natur und Kunst (W); 58®; Tabellen (L. T . N.;,- 5 9 ' ; leer;
5 9 » _ 7 4 ® ; Der Tod des Empedokles, 3. Fassung;
7 4 ' - 8 4 ' nur auf den Recto-Seiten und jeweils in der rechten Spalte: (Das Werden
im Vergehen) (von Bl. TS an bleiben die linken Spalten der Recto-Seiten und die gan-
zen Ferso-Seiten leer).
Das Homburger Folioheft.
H: Homburg F.
Heft von 92 Seiten (23 Doppelblättem), von fremder Hand paginiert, 24 x 39 cm,
alle Kanten unbeschnitten; gelbliches, feingeripptes Papier; Wasserzeichen: Gekrön-
380
Lesarten und Erläuterungen
tes IVappen mit aufgehängtem Posthorn, darunter: C & I H O N I G ; auf dem andern
Blatt: C & I H O N I G .
22 Doppclbliitter sind ineinander gelegt, so daß Blatt 112 und 87 ßS zusammenhän-
gen, ferner } H und 8SIS6, f 16 und S3184 usw. und das Doppelblatt 43144-4} 146
in der Mitte liegt. Diese starke Lage war früher geheftet. Als einzelnes Doppelblatt
fügen sich die letzten 4 Seiten (89—92) an. Es ist nicht festzustellen, ob es ursprüng-
lich schon der Lage angeheftet (oder angeklebt) war.
Inhalt: Seite 1 - 4 ; Heimkunft (I-P); 5 - 1 0 : Brodund PVein(H^); 1 1 - 1 5
mitten: Stutgard (Ii"); 15 - 1 9 mitten: Der Einzige (H'); 19 - 2 8 mitten: Pat-
mos (B^); 2 8 - 3 2 oben (4 Zeilen): Die Titanen (S.32 sonst leer); 3 0 rechts:
Bruchstücke 61, 62, 4S; unten: Bruchstück 51 (H''); i i - i S : leer; 3 6 - 3 7
mitten: (^Sonst nemlich, Vater Zevs . . .) (S. 37 untere Hälfte leer); 3 6 unten:
Bruchstück S1 (I-P); ZQ-39: Heimath (S.^Q: Überschrift und v.l; S.39 untere
Hälfte: V. 2-17); 38 untere Hälfte: Bruchstück S7; 10: Bruchstück S3; 41.-
Bruchstück 38; 4i2: leer; 13-44: (Ihr sichergebaueten Mpen! .. .); 4 5 - 4 6 :
(Einst hab ich die Muse gefragt.. .> fS. 4 5 unteres Drittel, S .46 obere Hälfte leer);
47—51 oben (3 7.eilen): (fVenn aber die Himmlischen. ..) (S. 5 1 sonst leer); 5 2 ;
leer; 5 3 ; (Wie Vögel langsam ziehn.. (S. 53 untere Hälfte leer); 5 4 ; leer;
5 5 ; Bruchstück 43 (nur die Überschrift, sonst leer); 5 6 ; leer; 5 7 - 5 8 ; Dem
Fürsten; 59-63: Germanien (H'); 63-66: (An die Madonna) v. 1 — 74 ;
6 4 oben: Bruchstück SS; 6 6 oben: Bruchstück 44; 61: Bruchstücke S4, 63, 64,
6S, 66; 6 8 ; (Und mitzufühlen das Leben . . .); unten: (IVieMeeresküsten . . .);
6 9 oben links: Bruchstück S2; oben rechts: Bruchstück 67; unten: (fVenn nemlich
der Rebe Saft.. .); 7 0 ; Bruchstücke 46, S6, 68, 82; 7 1 ; zwei Vermerke, zu Bruch-
stück 46 gehörig; Bruchstück78 (S.1\ die unteren zwei Drittel leer); 7 2 ; Bruch-
stück 47; 13-11: Das Nächste Beste; 11 oben: Bruchstück 83; 15: (Vom
Abgrund nemlich . . .> ,• 75 oben: Bruchstücke 79, 80, 81; 7 6 ; Bruchstücke 71,
72, 73, 74, 7S, 76; 7 7 - 8 2 ; Kolomb; 11 rechts: Bruchstück 48; 8 0 ; leer;
82.rechts: Bruchstück 49; 8 3 ; Bruchstück 40 (nur die Überschrift, sonst leer);
8 4 ; <•. meinest du es solle gehen...); 8 5 - 8 6 ; leer; 8 7 ; Bruchstück 41 (S. 8 7
obere Hälfte leer); 8 8 - 8 9 : von hinten nach vorn beschrieben, also 8 9 — 8 8 :
(.. der Vatikan...) CS.89 obere Hälfte leer); 9 0 links: (Auf falbem Laube . . .);
rechts mitten: Bruchstück 42 (nur die Überschrift); rechts: Mnemosyne
9 1 - 9 2 ; Mnemosyne (H^).
381
ODEN
Üher Stellung und Bedeutung der Oden Hölderlins in der Geschichte der Gattung
siehe Karl Victor: Geschichte der deutschen Ode, München 192} (Uber Hölderlin
S.147-164).
5 GESANG DES D E U T S C H E N
Nach dem handschriftlichen Befund (H^ S. S) unmittelbar vor dem Gedicht DerPrin-
zessin Auguste von Homburg entstanden. Die Reinschriften beider Oden sind vielleicht
gleichzeitig der Prinzessin zu ihrem Geburtstag (28. November 1799) überreicht wor-
den. — Die Prinzessin dankt für die Geschenke in dem von Otto Güntter im
10 Schwäbischen Bund 1 (1920) S. S92 mitgeteilten Brief.
Überlieferung
H^ : Stuttgart I }9 S. 8 (s. die Beschreibung 1, 619 f.): Entwurf.
l-P: Stuttgart I )9 S. 17, 12, S: Ausführung.
I P : Schwerin, Mecklenburgische Landesbibliothek, Nr.i: Doppelblatt 19,4 x
13 23,1 cm, alle Kanten beschnitten; schwach bläuliches, feingeripptes Papier;
Wasserzeichen: D & C B L A U W ; ohne Unterschrift; auf S.4 nur die letzte
Strophe.
Erster Druck: Friedrich Hölderlin's sämmtliche Werke, hg. von Christoph Theodor
Schwab, Stuttgart und Tübingen 1846, I I , }S-}S.
20 Lesarten
Oberschrift: fehlt H^ Auf der letzten (4.) Seite des nicht beendeten Briefs an Fried-
rich Emerich (Stuttgart IV} b Nr.}), die nur anderthalb Briefzeilen enthält, stehen
wngekehrt die Überschrift und ein anfangs erwogenes ßfotto:
383
i — S Gesang des Deutschen
Gesang des Deutschen.
Fis consüi expers mole ruit sua; Vim temperatam Di quoque provehunt
In majus. Horat. 5
Zu dem Entwurf wird dreimal angesetzt:
I : mit der Wässeren Tinte der Überschrift:
Erloschen sind im sterblichen Auge (1) bl (2) bald
Die Hofnung, der Jugend Wünsche die thörigen.
Doch denk' ich dein 10
darunter, in der rechten Hälfte der Seite, die Variante:
Verstumt war zum Gesänge die Seele mir
und sann
was auf diesem
Sterne mir heitern noch möcht' und du bists ! 15
I I : mit dunklerer Tinte, über die Seite verstreut:
über dem ersten Ansatz:
Mein Vaterland!
links neben Zeile 12-IS:
Ein schöner Garten 20
deine Ströme
in der Mitte der Seite:
Und Städte blühn
10 cm darunter:
Doch andre Männer 25
Wie der Frühling wandelt von {Land) zu (:aus dem Ansatz zu L^ Land
Der Genius, u. du ?
deine Frauen
deine Jünglinge
W o sind [ die ] Weise/n], wie (1) s (2) deine sind ? 30
Erkenne dich [dich] und blühe scliöner im jungen Stolz
Wenn du dich kennest,
I I I t auch mit dunklerer Tinte:
zwischen den Zeilen 18 und 9:
384
Gesang de» Deutschen S—f
(1) L (?J
(2) 0 schweigend Herz der Völker, die rings u m dich
Von deiner Lebenstiefe den Geist vmd Fluß
Empfiengen,
5 über Zeile 25 der vorigen Seite:
W e h ! heiiger W a l d ! entzündbarer! liegst du nun
Von Gottes Bliz getroffen in Asche (1) t (2) da,
Und flogen dir zum Aether
Die die (verschrieben statt; dich ?)
10 beseeKet?) die Flammen (1) entfl
(2) entfesselt auf,
w
Lesarten der Ausführung und der Reinschrift:
1 heilig üfter g-cstr. schw eigend üf^ 2 Allduldend, gleich ] Allduldend Cam
15 Alldud^ gleich li^ der fehlt H^ schweigenden Ober nicht gestr. heili-
gen Erd',] Erd' H ^
3 . 4 : (1) Allnährend, aus der Lebenstiefe [ , ]
Lenkend die Geister, doch nahmlos i m m e r !
(Wenn wirst (a) du Danli f o d e m ?
20 (b) den Dank du f o d e m ? du Gütiges!
Den Deinen dann nicht länger ein Räthsel seyii ?
W e n n )
(2) Und allverkaimt, wenn schon (a) die Fremden
Geist und Geseze von dir empfangen.
25 (b) aus deiner
Tiefe/^s/ die Fremden ihr Bestes haben. H ^
5 dir,] dir H^ 6 sie] sie aus sich / i « sie, H^ 8 : (1) (Lücke) und
schüchtern am Boden irrest. (2) Text H^ 8 Schwankend aus Schwand H^
9 Lmi über der Zeile H^ 10 der deine] der über der Zeile H^ 1 1 : (1) I ch
30 zürnte weinend dir, daß du i m m e ( r ) (2) Text H^ 12 Blöde über gestr. I m -
mer H^ 1 3 Doch unier gestr. Indeß H^ magst] aus dem Ansatz zu mach
H ^ ouj maa H ^ manches] manche H ^ mir ; ] mir, H.^
14 : (1) An dein(en) Strömen (a) wandl' ich und denke dich,
(b) gieng ich und dachte dich, (vgl.v.17)
385
i — S Gesang des Deutschen
(2) Oft stand ich, überschauend das (a) dunkle Grün
(h) holde
(c) holde Grün H^
stand ich überschauend] stand überschauend H ^ 1 6 he l lem] (1) hei igem
(2) stillem (3) altem (4) hel lem H^ Geb i rg ' ] Gebirg H^ 1 8 schüch- 5
t e m ] schüktem fSc^reiJ/cWer^ H ^
1 9 . 2 0 : (1) I m Dunkel sang,
und (a) deine milde Sonne
[aus] [ruhi ]
(b) klar und (a) still auf 10
Dämmerndem Grunde die Wei l te (Schreibfehler) weilte
(ß) klar
(2) Auf schwanker (a) sang
(b) W e i d e sang und still auf
Dämmerndem Grunde die Wei l te weilte. H ^ 15
2 1 sah ich die Städte blühn aus: blühen die Städte dir H^ bliihn,] blühn
H" 2 2 Die Edlen,] Die Edeln, (: unter gestr.: Die stolz bescheidnen,) H^
in aus so (?) H" Werkstatt über gestr. Halle H^ 2 5 Kinder über nicht
geitr. Volk H^ Kinder ? nac/i ^«itr. Volk ? H^ sie wählten {sichi über nicht
g^estr.; es (1) erwälilt<e) (2) erwählete H ^ 2 6 früh üier ^estr. sich H ^ sie 20
über gestr. ^iQ W 2 7 lebt , ] lebts ! H^ v/aitet]v.-a\ter (Schreibfehler durch
Vorwirkung der beiden folgenden Wörter) H^ 2 8 Seele, die sinnende,]
(1) Geist, der imsterbliche, (2) Seele, die (a) sinnende, (b) göttliche H^
(5) Text H^ Menschen,] Menschen. H^
2 9 . 3 0 : (1) Wenn 25
(2) O b
(3) W e n n (a) gleich der Pflug auf
(h) Piatons f r ommer Garten auch (a) n imm(cr )
(ß) lange schon
Nicht mehr der 50
(y) schon nicht mehr
A m (1) Bache
(2) stillen (a)
(b) Strome grünt, imd (a) der dürftge Pflug
(ß) ein dürftgerMann H^ 35
386
Gesang des Deutschen }—S
W e n n Piatons f r ommer Garten auch schon nicht mehr ,
A m alten Strome grünt und der dürftge Mann
3 1 und scheu bis 32 trauert.] (1) auf
(2) und auf den
5 /Den/ Säulen ein einsamer Kranich trauert.
(3) Text IP
3 3 : (1) 0 Attika! du heiliger Wald! traf/t/ doch
(2) 0 heiiger W a l d ! o (a) Alt
(b) Attika! t ra f / t / (a) der Gott
10 (ß) Er doch t-P
3 4 : Mit seinem (1) Strale
(2) sichern
(5) furclitbarn Strale, (a) so bald, auch dich
(b) dich auch, so bald (a) ?
15 m , HO
35 eilten] (1) f logen (2) wallten (3) eilten H^ belebt aus beseelt H^
3 6 entbunden aus entfesselt H^ 3 7 Doch , wie der Frühling,] Doch wie
der Frühling H.^ 3 8 Land. Und wir ? aus: Land, und ? I-P Einer aus einer H^
3 9 - 4 8 : Diese Verse sind später als die Verse 49-60 eingefügt. H^
20 3 9 ein über gestr. das IP 4 0 Ahnden] Das Ahnden (Schreibfehler) H^
ein über gestr. das H.^
4 1 : Die deutschen Frauen (1) frage, wer uns nicht kennt!
(2) haben (a) s
(b) nicht sie für uns
25 (3) danket! sie haben uns i f ®
4 2 Der aus dem Ansatz zu G H^ bewahrt,] bewahrt ? (vgl. die 2. Stufe des
vorigen Verses!) tP
4 3 : (1) Und sühnet täglich nicht der (a) holde
(b) klare
30 (2) sühnt täglich doch der holde klare
(3) Und tä/a/gl ich sühnt der holde klare H '^
4 4 böse] (1) kalte (2) trübe (3) böse H^ wieder ] wieder? (vgl die I.Stufe
des vorigen Verses!) H^ 4 5 W o sind jezt Dichter ] [Und] wo sind (1) die (2)
jezt Dichter H^ e sousd W 4 7 sind ? die] sind, die W 4 8 Kühnen]
JS kühnen H ^ Unbestechbam! ] Unbestechbam ? H ^
387
i — S Gesang des Deutschen
4 9 N u n ! ] mit der Feder der spateren Einfügung (v.39—48) über gestr. urspr.
50 H^ gegrüßt] geggrüßt aus geggrüst H^ deinem Adel , ] (1) deiner
Schöne (2) Adel iüerg^ertr. Schöne H^ Vaterland,] Vaterland H^ 5 0 Nah-
men , ] (1) Nahmen! (2) Nahmen, H^ 5 1 lezte üicr erste H^ erste (aus
Erste; üter lezte aller noc/ig-eitr. Musen 5 2 Urania,] Urania! i / ^ 5
Komma aus Ausrufzeichen H^ 5 3 schweigst du,] schweigst [ , ] du H^ freu-
dig üicr gestr. heilig H^ W e r k , ] W e r k H^ 5 4 Das von dir zeuge, sin-
nest] (1) Das von dir zeuge (a) s (b) und sinnest (2) Und sinnest am Anfang der
Zeile vorgefügt H^ (3) Text H^ 5 5 einzig,] einzig H^ wie du selber,
das aus] (1) so wie du, aus (2) Text H^ 5 6 L iebe ] später vorgefügt H^ 10
du, sei _ ] du sei. H^ 5 7 Delos] (1) Elis (2) Del (3) Delos H^ 5 8 uns
nach gestr. all H^ alle] alle, H^ 5 9 der aus dein H^ 6 0 Unsterb-
l i che , ] (1) Unsterbliches (2) Unsterbliche! H ^ (3) Unsterbliche, H ^
bereitest ? über nicht gestr. ersinnest ? IrP
Erläuterungen 15
Alkäisches Silbenmaß.
Die Ode baut sich streng symmetrisch in 6 + ^ + 6 Strophen auf; die beiden SeJiser-
Farticn sind in sich wieder gehälftet.
Wie Ricarda Euch (Luthers Glaube, Briefe an einen Freund, Leipzig 1919,
S. 191—193) die politischen und die von ihnen verkannten genialen Völker unter- 20
scheidet, zu welch letztem auch das deutsche gehöre, so ist es auch Hölderlins Mei-
nung, daß der Deutsche sein Schicksal gemäß dieser Grundanlage gestalten sollte
nach dem Vorbild des Griechen: an ihren Feiertagen (v. ST: W o ist dein Delos, wo
dein Olympia. ." } ) werde Germania, so heißt es am Schluß des Gesangs Germanien,
als Priesterin wehrlos Rat geben rings den Königen und den Völkern. — Ungefähr 25
gleichzeitig, im Jahr 1797, hat Schiller in dem 1S71 erstmals gedruckten Gedicht-
entwurf {Deutsche Größe) die Frage, ob der Deutsche, wo er ruhmlos aus seinem
thränenvollen Kriege {dem Ersten Koalitionskrieg) geht , sich fühlen dürfe, ähn-
lich beantwortet (Säkular-Ausgabe 2, }86—390): Der Deutsche wohnt in einem
alten sturzdrohenden Hauß, aber ein strebendes Geschlecht wohnt in dem 30
alten Gebäude imd der Deutsche selbst ist ein edler Bewohner, und indem
das politische Reich wankt, hat sich das Geistige i m m e r fester imd vollkom-
mener gebildet (S. }87).
Motto (Lesarten): Horaz, carm. 3, 4, 6S—67; zu deutsch: »Gewalt ohne geistige
388
i — S Gesang des Deutschen
Lenkung bricht durch ihr eigenes Gewicht in sich zusarranen; geziigelte Gewalt wird
von den Göttern gar zu Höherem geleitet.«
1 Herz der Völker] Vgl. Schiller, (Deutsche Größe) (Säkular-Ausgabe 2, 389).-
Ihm (dem Deutschen) ist das Höchste bestimmt, / Und so wie er in der Mitte
5 von / Europens Völkern sich befindet, / So ist er der Kern der IVIenschheit, /
Jene sind die Blüte und das Blatt; F. L. Graf zu Stolberg,, Das befreite Deutsch-
land (1814, Gesammelte Werke der Brüder Christian und Friedrich Leopold Grafen
zu Stolberg, Hamburg 1827, Bd.2 S. 309-311) v. 30: Verdien' es zu seyn, von
Europa das Herz!; Deutschlands Beruf (181 f . Gesammelte Werke, Bd. 2 S. 322f.)
10 V. 1: Ja, Hera Europens sollt du, o Deutschland, seyn!; Grabbe, Don Juan und
Faust 1, 2 (Bd. 3 S. 34 Franz-Zaunert): Deutschland! Vaterland! - und nicht
einmal / Im Schlachtfeld könnt' ich für dich kämpfend fallen - / Du bist.
Europas Herz - ja ja, zerrissen, / Wie nur ein Herz es sein kann!
2 Allduldend] Vgl. Rükkehr in die Heünath v. llf.
15 7 . 8 Vgl. An den jiether V. 37 und die Erläuterung z. St.
19 Weide] Vgl. Unter den Alpen gesungen v. 22 und die Erläuterung z. St.
2 2 » Wo mit stummem Fleiß in der Werkstatt gearbeitet wird.«
2 3 deine Sonne] Vgl. Der Wanderer, I.Fassung, v. 78: Vaterlandssonne.
2 5 Minervas Kinder] Minerva ist Pallas Athene, die Schutzgöttin der Athener.
20 3 0 Am alten Strome] Piatons Akademie, ein nach dem attischen Heros Akademos:
benannter Hain mit einem Gymnasion, lag nordwestlich von Athen am Kephisos.
3 2 Kranich (Lesarten)] Vgl. Griechenland (1, 179 f.) v. 44 und die Erläuterung'
z.St.; femer Der Archipelagus v. 1; Die Wanderung v. 66 und die Erläuterung
z. St. — Der Vogel der Nacht, die Eule, ist der Pallas Athene geheiligt. — Kempter
23 (S. S6 u: Anm. 123) weist auf Psalm 102, 7 als Vorbild hin: ich bin gleich wie
ein Käuzlein in den verstörten Städten.
33 Er] Zu beachten ist die Großschreibung; gemeint ist, wie aus den Lesarten her-
vorgeht, der Gott (des Schicksals).
35 . 3 6 Vgl. Der Abschied, 1. Fassung, v. 3S f .
30 3 7 . 3 8 Vgl. Am Quell der Donau: die Wanderung der menschenbildenden
Stimme (v. 42).
4 1 Frauen] Vgl. Vulkan v. 1-4.
4 7 unsre] So in beiden Handschriften.
4 9 gegrüßt] Metrisch entbehrlich; doch steht das Wort auch in der Reinschrift —
35 vgl. ähnliche Hypermetra in den Oden Der Prinzessin Auguste von Homburg v. 20;
389
5 — 5 Gesang des Deutschen. Der Frieden
Der Frieden v. ^S; Diotima (S. 28) v. 11; (An eine Verlobte) v. 10; An Eduard
V. 23; Dichterberuf V. 38; Stimme des Folks, 2. Fassung, v. S1 und SS; An Zimmern
(S. 271 )v.} u. 7; vgl. femer An die Deutschen v. 42; Dichterberuf v. 2h
5 0 reifeste Frucht der Zeit] Vgl. Schiller, {Deutsche Größe) (Säkular-Aus-
gabe 2, 390): Jedes Volk hat seinen Tag in der Geschichte, doch der Tag des 5
Deutschen ist die Ernte der ganzen Zeit.
5 2 Urania] Venus Urania wird auch in der Hymne an die Schönheit als Muse ge-
feiert (vgl. dort die Erläuterung zu v. 2); als Göttin der Harmonie (vgl. die an sie
gerichtete Hymne) und Ordnerin des Chaos erscheint sie auch im Hyperion 1, 104:
Ich stand vor ihr, und hört' und sah den frieden des Himmels, und mitten im 10
seufzenden Chaos erschien mir Urania. — Vgl. auch v.'lO: Land der Liebe!;
femer Klopstock, Die Braut (1749) v. 21 f.: Urania, / Meine Muse.
5 5 Delos] Insel des Apoll (Sophokles, Aias v. 703 f., in Hölderlins Übersetzung:
König Apollon / Delischer gutbekannt^. Vgl. Hyperion 1, 22 f.: Und wie ich
neben ihm {Adamas) stand auf den Höhen von Delos, wie das ein Tag war, der 15
mir graute, da ich mit ihm an der Granitwand des Cynthus die alten Marmor-
treppen hinaufstieg. Hier wohnte der Sonnengott einst, unter den himmli-
schen Festen, wo ihn, wie goldnes Gewölk, das versammelte Griechenland
umglänzte. In Finthen der Freude und Begeisterung warfen hier, wie Achill
in den Styx, die griechischen Jünglinge sich, und giengen unüberwindlich, 20
wie der Halbgott, hervor. In den Hainen, in den Tempeln erwachten und
tönten in einander ihre Seelen, und treu bewahrte jeder die entzükenden
Accorde. - Elis (siehe die Lesarten) ist die Landschaft, worin Olympia liegt. —
Olympia wird als der Ort der Olympischen Spiele genannt, die in gottesdienst-
licher Feier das ganze Griechenland versammelten. 25
DER F R I E D E N
Nach dem handschriftlichen Befund ungefähr gleichzeitig mit den Oden Der Prin-
zessin Auguste von Homburg und Gesang des Deutschen begonrun, also im Spät-
herbst 1799.
Überlieferung 30
H: Stuttgart 139 S. 6 u. 14 (s. die Beschreibung 1, 619 f.).
Erster Druck: Friedrich Hölderlin's sdmmtliche Werke, hg. von Christoph Theo-
390
Der Frieden 6-8
dor Schwab, Stuttgart und Tübingen 1846,11, S8—60. — Vgl. Friedrich Meiß-
ner: Miszellen zu Hölderlin II: Textkritische Bemerkungen zu der Hymne »Der
Frieden«. Zeitschrift für deutsche Philologie S9 (19)4), S. 260-262.
Lesarten
5 Keimworte, über die ganze Seite 6 des Heftes Stuttgart I SP gestreut:
Helden
Die unerhörte Schlacht
0 die du
Der Menschen jähes Treiben
10 Und unerbittlich. sein Stamm erzittert.
heilige Nemesis
triffst du die Todten auch, es ruhten
Unter [den] Italiens Lorbee(r)gärten
so (1) saft (2) sanft die alten Eroberer
15 [ D o c h ] Noch standen ihre Götter pp.
Doch
aber nicht dort allein
Schweiz Rhein
K o m m endlich goldner BViede pp. —. Didaktischer Ausgang
20 H Zwischen diese Zeilen schiebt sich nun die Ausführung:
1 - 4 : 1 : W i e wenn die alten Wasser (1) Deukalions
2 : [ I n ]
3 : In andern Zorn verwandelt wiederkehrten,
25 4 : von Jahr xu Jahr
1 : (2), die
2 : in andern Zorn
3 : In schrökl ichem verwandelt wieder
4 : Kämen, lu reinigen, da es noth war. H
30 5 wuchs] danach ein Komma getilgt H 6 überschwemmte] über schwe-
wemte H bange über gestr. angste H 7 unerhörte aus unerhöhr H
Schlacht aus Schlächt H weit nach gestr. Tin(gs) H hüllt später über der
Zeile nachgetragen H 9 D i e ] (1) Un<d> (2) Die (3) Die H flogen]
(1) flogen (2) standen (3) flogen H
391
S Der Frieden
10 : Und (1) eilends nie<<;er>
(2) nieder (a ) auch, es kürzte die Rächerin
(b) denn du
(3) schnell hinab du kürztest o Rächerin!
(4) am linken Rand: schwanden weg H 5
1 1 . 1 2 : (1) Der sie ("a; gel C?;
(b) gedient, die Arbeit (a) ihnen
Lenkte zur Ruhe sie um, die Streiter.
(ß) öfters
Schleunig und brachte zur Ruh die Streiter. 10
(2) Den Dienern oft die Arbeit schnell und
Brachtest in Ruhe sie he im, die Streiter. H
1 3 — 1 6 : am linken Rand H
13 : (1) O die du unerbittlich
(2) O du die unerbittlich und unbesiegt H 15
14 : (1) Zu seiner Zeit den Übergewaltgen trift,
(2) Den (a) Feigen
(b) Fe igem u. den Übergewaltgen trift , H
1 7 D i e ] So wird zuerst am linken Rand unter v. 16 angesetzt, dann noch einmal
weiter oben, eine Zeile über dem Keimwort heil ige Nemesis H gehe im aus 20
de<n) H Stachel aus Zü(g-c/) H 18 fördern, ] fördern H o Nemesis,]
o Nemesis aus dem Keimwort: heilige Nemesis H 19 Strafst] Straftst
(Schreibfehler) über dem gestr., zuvor in traffst geänderten urspr. Keimwort
triffst H noch über dem gestr. Keimwort auch H schliefen über dem Keim-
wort ruhten H 2 1 : aus dem urspr, Keimwort H Sonst] gestrichen; darüber, 25
wieder gestr.: Län(^st ) H 2 2 schonst du auch des] (1) schontest des
(2) schontest auch des (3) Text H
2 3 . 2 4 : Und haben (1) sie den Schlaf am Rheine
(2) noch den
Üppigen Schlaf [ d e ] nicht genug 30
(3) endlich wohl genug den
Üppigen Schlummer [genug ] gebüßt die Völker? H
Nun stehen in dem 9,S cm hohen Raum bis zum unteren Blattrand nur noch die drei
letzten Zeilen der Keimworte. Hölderlin blättert weiter und schreibt am oberen Rande
der ganz leeren Seite 14 zunächst die Strophe 4S—48 nieder. Der Anruf Unschul- 35
392
i- I '
J U
r :
i • •i
' a r ) r / L ^
' • / . 7 y I L / J Y
/ y - < C C ^ ' U ^ ^
^ V
TW/..
J- U ^ ./yMi^ A L —
L i . . / y ' .
Der Frieden 6-8
diger! meint den Frieden, der in den einstweilen übersprungenen Strophen noch
genannt werden soll. Dann wird im unteren Drittel der Seite (17 cm tiefer) mit
der ersten Fassung der Strophe 41—44 neu eingesetzt. Der Anruf genügsamer!
meint wieder den Frieden. Unter der ersten Fassung dieser Strophe wird der end-
5 gültige Platz der nächsten, oben schon entworfenen (4S—48) nur durch deren erstes
Wort angedeutet: Unschuldiger! Daran schließen sich dann wohl schon die beiden
Schlußstrophen (49—S6) an, urul zuletzt wird die Lücke v. 2S—40 ausgefüllt. Dabei
müssen die Verse eng untereinander gedrängt werden, und v. 40 findet nur
zwischen den schon da stehenden Fersen 41 und 42 Platz. Die Lebensreiche (v. 40)
10 ist die Mutter Erd, urui der Friede, der in der nächsten Zeile nur anaphorisch genüg-
samer ! genannt wird, ist nun in den nachgetragenen Strophen doch noch nicht ein-
geführt worden. So ist eine neue Fassung der Strophe 41—44 notwendig. Da auf dieser-
Seite (14) kein Platz mehr ist, wird nach Seite 6 zurückgeblättert und an deren unterem
Kande • die zweite Fassung, die den Frieden ausdrücklich nennt, niedergeschrieben.
15 2 5 — 2 7 : (1) Von heut und nicht von gestern.
(2) W e r hub es an? wer brachte den Fluch (a) herein?
(b) ? von heut
Ists nicht imd nicht von gestern, und die zuerst
(a) Begannen unsre Väter
20 {ß) Das Recht vergaßen,
(y) Das Maas verloren, unsre Väter H
2 9 : (1) es treten die Sterblichen
(2) Zu lang, zu lang schon treten die Sterblichen H
3 0 s ich,] sich H 3 1 fürchtend aus f i irchtb H auf aus im H
25 3 2 Seegen über gestr. Frieden H 3 7 D u ] zuerst etwas höher, vor v. 3S nie-
dergeschrieben und gestrichen: vielleicht sind die Zeilen iS und 36 später als 37—40
entstanden. 3 7 sichre über gestr. a\te!n] H 3 9 A\e fehlt H 4 0 Zeiten],
Zeiten H
4 1 - 4 4 :
30 I ( S . 1 4 ) :
Mit deinem stillen Ruhme, genügsamer!
Mit deinen (1) ungeschrieben
(2) ungeschriebnen Gesezen auch,
Mit deiner Liebe k o m m imd gieb ein
35 Bleiben i m Leben, ein Herz uns wieder.
393
6—S Der Frieden
II (S. 6):
(1) So k o m m nun
(2) K o m m (a) denn
(b) du nun, du
Dieser Versanfang steht über dem Keimwort: Komm endlich goldner Friede pp. 5
Darunter wird fortgefahren:
du der heiligen Musen all,
Und der Gestirne Liebling, verjüngender
Ersehnter Friede k o m ( m ) und gieb (ein)
/ E i n / Bleiben i m Leben ein Herz uns wieder. 10
Die letzten anderthalb Verse sind sehr flüchtig (auch mit falscher Versbrechung!)
geschrieben, weil sie mechanisch aus der ersten Fassung herübergenommen werden.
Der Ansatz zu einer Variante (über und gieb und am linken Rand^ mit deinen /
Freundlichen und wird- nicht zu Ende geführt H
4 6 Al ten; ] Semikolon für ursprüngl. Komma H 15
4 7 : (1) Die Seele nicht den Guten,
(2) den Guten / , / nicht den Sinn, und klar und H
4 8 Freudig über gestr. Seelig H
4 9 ; Und (1) lächelnd ernst, wie unter den Schauenden
(2) wie mit andern Schauenden lächelnd ernst H 20
5 1 : W o glühend (er) die Kämpfend und (Schreibfehler) die H 5 5 Denn
ewig über gestr. Und Ii
Erläuterungen
Alkäisches Silbenmaß,
Die Ode ruft den Frieden herbei, feiert nicht etwa einen Friedensschluß. Sie hat, 25
mit unerhörter Intensität, die ruhelosen Thaten in weiter W e l t , die reißenden
Schicksalstage (Dichterberuf v. 2S f.), zum Gegenstand. Vgl. {Die Völker schwie-
gen, schlummerten...') (1, 238). Dem widerstreitet nicht der schon im ersten Ent-
wurf geplante didaktische Ausgang (S. 391 Zeile 19); vgl. Iduna, Jahrbuch der
Hölderlin-Gesellschaft, 1944, S. 60 f . 30
1 . 2 Die noch offen gelassene Lücke sollte vermutlich etwa so ausgefüllt werden:
W i e wenn die alten Wasser, die {einst der Welt / Schaamlosen Frevel dekten,} in
andern Zorn / In schrökl ichem verwemdelt wieder / Kämen. . .
1 Die alten Wasser Deukalions (Lesarten) bedeuten die von Ovid met. 1,262—41S
394
Der Frieden 6-8
geschilderte Reinigungsßut, die Deukalion und Pyrrha überlebten. Ovid nennt
auch met. 1 die große Flut Deucolioneos . . . undas.
5 gählt] Da in keinem Wort dieser Zeile ein 1 vorkommt, ist, nach der aus Hölder-
lins Schreibfehlem zu erschließenden Psychologie, ein Versehen (etwa statt gährt^
5 nicht sehr wahrscheinlich. Zur Erklärung des Wortes gählen wäre hinzuweisen auf
den in Grimms Deutschem Wörterbuch IV 1, 1 Sp. 1162 angeführten Beleg aus
Paracelsus (Schriften, Basel 1S89, II 174): Dann er kündte seinem Nechsten
das nicht halten, des er sich berühmet hat und sich gälet zu wissen. Das Wort
ist hier allerdings reflexiv gebraucht. Im Sächsischen bedeutet gälen (thüring.
10 gären) soviel wie ^schwätzen«. — Vgl. auch das im Deutschen Wörterbuch
Sp. 1181 f . verzeichnete Neutrum Gall, das mit geil zusammenhängt; Gähl ist
ein gutgewässerter buschiger Grund (Brem. Wörterbuch 2, 476). Femer wird dort
daran erinnert, daß mhd. geil neutr. Übermut, Üppigkeit bedeute. - Siehe auch
Fischers Schwäbisches Wörterbuch S, 227 s. v. geilen II intrans.: lustig sein,
15 übermütig spielen, ungestüm fluten. Dort ist Schiller zitiert: In die Kluft der
Wesen eingekeilet, W o der Affe aus dem Thierreich geilet (Rousseau v.22f.
— Nationalausgabe 1,61); Mein Genie geilte frühzeitig über jedes Gehege
(Fiesko 1,9).
1 3 . 1 4 die... Zu seiner Zeit den ÜbergewaltgentriftCLejartmJ] Vgl.Pindar,
20 Pyth. 8, 19 f., in Hölderlins Übersetzung: Mit Gewalt aber auch Großprahlen-
des stürzt / Zu seiner Zeit. — In Pindars Siegsgesang wird — auch dies eine Be-
ziehung zu Hölderlins Ode Der Frieden — zu Beginn die 'Hav^la angerufen:
Freimdlichgesinnte Ruhe, der Gerechtigkeit Du o höchstgesellige Tochter.
14 Den Feigem und den Übergewaltgen] Das heißt: alle. Die Vorliebe für
25 polaren Ausdruck ist in diesem Gedicht besonders auffällig: v. 8 Dunkel und Blässe,
V. 17 Stachel und Zügel, v. 18 Zu hemmen imd zu fördern. Vgl. Die Bücher
der Zeiten v. 99-102 und die Erläuterung z. St. (1, 37!).
17 Stachel und Zügel] Vgl. Bruchstück 76 v.4: Der Sonne Peitsch und Zügel.
18 Nemesisl Vgl. 1,476,11-18.
30 3 5 Der Vers ist um zwei Silben zu lang — vgl. Gesang des Deutschen v. 49 und die
Erläuterung z. St.
3 8 O Mutter Erd] Vgl. den Gesang Der Mutter Erde.
43 . 4 4 ein Bleiben im Leben] Vgl. {Versöhnender der du nimmergeglaubt..,),
1. Fassung, v. 89 und die Erläuterung z. St.
35 4 9 - 5 6 Vgl. Am Quell der Donau v. 70-72 (auch die Lesarten).
395
9-11 An die Deutschen
AN D I E DEUTSCHEN
Erweiterung des zweistrophigen gleichnamigen Gedichts 1,2S6. Von v. 41 an dient
das Gedicht dann als Vorlage für die Anfangsstrophen der alkäischen Ode Rousseau.
Beide Gedichte sind wohl um die Jahrhundertwende entstanden (vgl. 5.403).
Überlieferung 5-
H' : Stuttgart I 6 El. 18\ 18", 17", 19^ (s. die Beschreibung S.S77): Entwurf.
H^ ; Stuttgart 12: Einzelblatt 21 (21,2) x H cm, alle Kanten beschnitten; gelb-
liches, feingeripptes Papier; PVasserzeichen: Adler, in den Fängen Zepter und
Krummschwert haltend.
Am linken Rande der Vorderseite, quer: Stimme des Volks, 2. Fassung, 10
V. 19-22; der Rückseite, ebenfalls quer: Dichterberuf v. 41—44.
Erster Druck: Friedrich Hölderlin s sämmtliche Werke, hg. von Christoph Theodor
Schwab, Stuttgart und Tübingen 1846,11, 60-61.
Lesarten
Überschrift: fehlt Iii-^ 15
Der erste Entwurf (H^) streut zunächst Keimworte in breiten Abständen über die
Seiten 18'und 18":
1 8 ' : Spottet ja nicht i S " ; Aber o ihr heiligen prophetischen
Oder k o m m t
Sind eure Berge W e n n ich, wie eine unzeitige Blüthe 20
19 cm tiefer:
Kurzsichtig der Menschen Leben
1 - 1 0 : fehlt H^
1 . 2 : (1) Schämt euch n immer des
(2) Lächelt ihr über {das) Kind, wenn es 23
Auf dem Rosse von Holz muthig und groß sich dünkt?
(3) Spottet n immer des Kinds, wenn noch das alberne
Auf dem Rosse von Holz herrlich und viel sich dünkt ( , )
fviel ohne Ersatz gestr.) H^
396
An die Deutschen 9—11
3 : (1) Denn, ihr Alten auch wir
(2) Sind, ilir (a ) Alten auch wir doch
(b) G<u<en)
(3) O ihr Guten! auch wir (sind) H^
5 5 Aber über gestr. Oder H^ kommt, w ie ] komt, wie H^ kommt,]
komt H ^
6 : Aus Gedanken (1) die That? Leben die Büchcr bald?
(2) vieleicht, geistig und reif die That. H ^
7 . 8 : Folgt (1) der Schrift, wie (a ) das
10 (b) des Haines
(a) Hainen
05) Blätter<n>
(y) Hei lgcm
(d) Dunklem Blatte, die goldne Frucht?
15 (2) die (a) Ge
(b) Frucht, wie des Haines
Dunklem Blatte, (a) g
( Ä die
(y) der stillen Schrift?
20 8 a . b : (1) Wohnen
(2) Lebt die Muse, wie einst, auf dem Gebirge bald?
- L ^ in der Stadt Cu^i.v.
9 Aienach gestr. ist H^ 1 1 . 1 2 : (1) 0 ihr Lieben so n immt mich . Daß ich
büße die Lästerung. H^ (2) Text FP
25 13 - 2 4 : I : Ach zu lange lu lang wandl' ich
W i e ein Unheiliger in des Künst</>er<s>
werdender Werkstatt.
(1) Aber indessen
(2) Dennoch lieb
30 (3) Aber indessen
(4) Zweifelnd
(5) lmm<er>
(6) Hoffen und fürchten muß, immer , so alt {sie) ist.
Das erkenn ich, (a ) der Z<. . . ?>
35 (b) die Sterblichen
397
9-11 An die Deutschen
[und es lächelt der / Meister /
(a) Die unverständige
{ß) Unverständige Liebe,
Und es endet die Sorge nicht. H^ (S. 18')
II : 13: (1) A c h ! 5
(3) Denn zu langte) zu lang' (a ) irret mein Auge schon,
(b) irrt, wie des (a) Laien
(ß) Neulings
Blik
1 4 : In des bildenden Manns werdender (1) W e r k irrt, 10
(2) Werkstatt irrt,
15 : (1) Vnge(duMg?}
(2) Zweifelnd
(3) Ohne Ruhe (a) die Seele
(b) das Herz mir 15
16 : Staunend, i m m e r besorgt (1) u m euch
(2) über
(3) u m euch
17: Und so al/iyt(l)a
(2) sie auch ist i m m e r und i m m e r noch 20
18 : (1) Fürchten und hoffen muß unsere sterbliche
(2) Sorgt (und) hoffet u. wankt unsere sterbliche
1 9 : Unverständige Liebe,
20 : (1) Das
(2) Diß erkenn ' ich , doch hilft es nicht. 25
2 1 : (1) indeß
(2) Aber stetig indess[c] reifet das W e r k
2 2 : und lächelnd führt
2 3 : W o ich zage der Meister
2 4 : Seiner Sache gewiß , es aus. 30
Vor den drei letzten Zeilen, schräg untereinander, die
metrischen Zeichen: L ^
I I I : 13 : Schon zu lang(c ) , zu lang i r r [ , ] i ch , dem Laien gleich,
14 : In des bildenden Geists werdender Werkstatt hier,
15' : Nur was blühet, erkenn i ch , 35
398
An die Deutschen 9—11
16 : Was er sinnet, erkenn ich nicht.
1 7 : (1) Ach!
(2) Und zu (a) Ahnden
(b) Ahnen ist süß, aber ein Leiden auch,
5 1 8 : Und (1) Jahre
(2) schon Jahre genug ( a ) weil
(b) leb ' ich in sterblicher
1 9 : Unverständiger Liebe
2 0 : (1) Staunend, i m m e r bewegt vor
10 (2) Staunend,
(3) Zweifelnd, immer bewegt (a ) um ihn
(b) vor i h m
2 1 : Der das stetige W e r k , (1) zögernd und eilend mir
Vor dem Auge
15 (2) aus der gewaltigen
Vollen Seele nä
(3) liebend aus (a) an
(b) dämmernder
(4) i m m e r aus liebender
20 2 2 : Seele näher mir bringt (1) und lächelnd da
W o ich zage, sein Innres
(2) lache <Z>nd dem Sterblichen
2 3 : W o ich zage des Lebens
2 4 : (1) Ewge
25 (2) T i
(3) Reine Tiefe zu Reife bringt. H ^
2 5 . 2 6 : (1) 0 Genii^s meines Vater o Seele
meines , wann erscheinst.
Daß i ch
30 (2) Stiller Bildner, o du! Genius unsers Lands
Wann erscheinest du mir, wann trifft
(3) Schöpferischer! o wann Genius unsers Volks
W a n n erscheinest du ganz, Seele des Vaterlands H^ (S. 18")
(4) Schöpferischer, o wann, (a ) Seele des Vaterlands,
399
9-11 An die Deutschen
(b) Genius unsers Volks,
Wann erscheinest du ganz, Seele des Vaterlands H ^
2 7 i c h ] danach ein Komma getilgt H^ beuge, ] beuge H^ 2 8 die aus
i c h H^ 2 9 : M i r verstumme vor dir, daü ich H^ M i r verstumme vor
dir, daß ich beschäm<t...) 5
3 0 . 3 1 : (1) Eine Blume, der Nacht,
sterbe mit Freuden
(2) Eine Blume, der Nacht , (a) freudig vor
(b) f r eud ig (e j ) L i cht vor dir
(1) W e i c h e n 10
(2) Enden möge (a) der
(b) mit Pi-eude H^
3 1 : (1) W i e (2) Enden möge mit Freuden H ^
3 2 : Hier muß ein früher festgehaltenes Motiv gestrichen werden: Berge der
Musen sind? (vgl. v.U und 8 a) H^ 15
3 3 - 4 8 : feUt W
3 3 imn nach gestr. daim H^ 3 5 : Und die (1) heimischen Berge (2) Berge
des (a) Landes (b) deutschen / Landes H^ 3 7 W i e aus G H^ Pindos]
darüber: Berg (Ansatz zu einer Variante) H^ 3 8 Und Pamassos, und unter
gestr.: M i t Quellen G H^ 39 . 4 0 die freie. Klare, geistige Freude aus: das 20
schöne. Klare, geistige Leben H^ 4 1 : (1) am linken Rand: Aber wohl
(2) Enge (a) beb (b) begränzt ist wohl unsere Lebenszeit, (3) über der ersten
Vershälfte: W o h l ist enge (a) b (b) grankt (Schreibfehler) H^ 4 3 Völker,]
Völker m
4 4 : Sah (1) kein sterbliches Auge (a) nie. 25
(b) nicht.
(2) ein sterbliches Auge sie? H ^
4 5 W e n n nach gestr. Und H^ d ir ] (1) dich (2) dir (3) a (4) dir H^
4 5 : über der ersten Vershälfte eine nicht zur Ode An die Deutschen, sondern schon
zu Rousseau gehörige Variante, die den Asklepiadeus in einen alkäischen Elfsilblcr 30
umwandelt: Und weim der Geist dir (vgl. die Lesarten zu v. S der Ode Rous-
seau) H^
46 : (1) in die Feme schaut (2) Sich die sehnende schwingt, (über schwingt Ansatz zu einer nicht aus-
geführten Variante: \dn) 35
400
An die Deutschen 9—11
trauernd (a) verweilst du doch / A m
(b) verweilest du / (a) Doch
(i?) Dann H ^
4 7 Gestade] Gestade, H^ 4 8 den] dein (Schreibfehler) H^ nie aus
5 nicht H'^
Vers 48 steht unten auf der Rückseite des nun vollbeschriebenen Einzelblattes
(Stuttgart 12 — hier: H^). Der Entwurf wird darum auf S. 18^ des Foliobuchs
(Stuttgart 16 — hier: H^) fortgesetzt, auf der bisher nur zwei Zeilen Keimworte
stehen. Das Silbenmaß der beiden nächsten Strophen wie auch des Beginns der
10 dritten bezeugen deutlich ihren Zusammenhang mit der asklepiadeischen Ode An die
Deutschen. Deren Schlußstrophen (von v. 41 an) werden später in die Anfan^s-
stropJien der dann selbständig weiterwachsenden alkäischen Ode Rousseau umgeformt.
4 9 : (1) Die dir ahne<mi...?>
(2) A(uch)
15 (3) Und die Künfti / t i /gen auch, sie, [ G e ] die Verheißenen H ^
5 0 — 5 2 : (1) N i m m e r leucht n immer ihr Angesicht, / So / Ohne Freu^mi«)
(2) W o wo siehest du sie, daß (a) sich an Freundeshand
Einst (a) das Herz dir
(ß) dein Busen erwarme,
20 Und du Einem verständlich seist?
(b) du an Freundeshand
Einmal wieder erwarme( i t ) ,
Keiner Seele vernehmlich seist? H ^
5 0 : Jn diesem Vers wird noch eirvnal zu einer nicht durchgeführten Variante ange-
25 setzt:
W o (1) wo sind
(2) wo nahen (a) denn (b) endlich
(3) begegnen {sie) denn endlich der Freundeshand H^
5 3 - 5 6 : (1) Klanglos
50 Armer Seher!
Ists bei (a)b (b) dir, in der Halle,
(2) Klanglos ists
(3) Klanglos, [ists] ists in der Halle (a) wohl (b) längst.
Armer Seher! bei dir, (a) frühe
35 (ß) sehnend verlischt dein Aug
401
9-11 An die Deutschen
Und du schlummerst hinunter,
[Und] /Unbewei /
Ohne Nalimen und unbeweint. H ^
Bis hierher ist, abgesehen von den Lücken v. 29 und S3 und dem noch stehengeblie-
benen metrischen Fehler v. 42, die Ode durchgeformt. Der in der Handschrift an- 5
schließende Entwurf, dessen erste Zeile einen Ashlepiadeus darstellt, gehört noch in
den inhaltlichen Zusammenhang dieser Ode, deren Schluß sich also, aus der Erin-
nerung großer fVeissagungen, wieder ins Zuversichtliche wenden sollte:
S. IS": (1) Aber ihr !
Richter in ! 10
Heilige Nachwelt (a), (b) \ da hört ich
(2) Goldne
(3) All ihr
(4) Helle Morgen und ihr Stunden der Nacht ! wie oft ,
O wie ( - - j _ Richterin. 15
Wenn er ihn sah,
Den Wagen deines Tr iump(^s )
S. 19^: und die Beute gesehn,
Und die (1) in
(2) Wi lden in goldenen Ketten, 20
Und es sangen die Priester des Friedens
dem liebenden Volk und seinem
Genius (1) Wonnes
(2) Wonnegesang! in den Hainen
des Frühlings! H'^ 25
Erläuterungen
Asklepiadeisches Silbenmaß.
4 Thatenarm und gedankenvoll] Vgl. die Anspielung bei Achim v. Arnim, Die
Kronenwächter, 2.Buch, 2.Kapitel (2,290 Steig): Ich habe bisher vor Euch wie ein
umgekehrtes Panzerhemde erscheinen müssen, thatenlos und gedankenvoll, den 30
Stahl innerlich, die Polster äußerlich. - Vgl. die Erläuterung zu Patmos v. 22! f .
2 4 zu Re i f e ] Vgl. IVieland, Der goldne Spiegel (Akademie-Ausgabe Abt. IBd. 9:
49, 1): lu Rechtfertigimg,- (64, S): zu Erhaltung; Goethe, Clavigo (Weimarer
402
An die Deutschen. Rousseau 9—IS
Ausgabe Jbt. I Bd. 11: 64, 2S): zu Ausführung; Schiller, Die Polizey (Säkular-
Ausgabe Bd. 8: 210, 4 f.): zu Entdeckung irgend einer Saclie.
25 . 2 6 Vgl. Hyperion 2, 52: O Genius meines Volks! o Seele Griechenlands!
2 9 Am Schluß des Verses eine Lücke von zwei Silben.
5 37 . 3 8 Pindos] Ein quellenreicher Gebirgszug in Nordgriechenland, die Grenze
zwischen Thessalien undEpirus, ein Berg der Musen nach Horaz, carm. 1, 12, 6.-
Helikon] Ein Berg in Bdotien, mit einem Heiligtum Apolls und der Musen, die des-
halb auch häufig 'E?^X(OVi<iSeg (Helikonische) genannt werden; vgl. Sophokles,
OedipusRexv.il OS, in Hölderlins übersetzung V.112S: B.c\iV.oniaden;Hesiod, theog.
10 v.l f . — 'Pamassos]Ein zweigipfliger (öl^o<pog, biceps) Berg in Phokis, an dessenFuß
Delphi liegt mit dem kastalischen Quell, ebenfalls Apoll und den Musen heilig.
4 0 geistige FVeude ] Vgl. die Erläuterungen zu Menons Klagen v. 107 und zu Brod
und Wein v. 39 und 1 >4.
4 2 Dieser Vers ist metrisch noch nicht ausgeformt; vgl. An die jungen Dichter v. 2
15 (Lesarten); femer Gesang des Deutschen v. 49 und die Erläuterung z. St.
5 6 Es sei gegen Vietor S.1S9 betont, daß die Ode hier noch nicht schließen, also
nicht »ganz negativ« ausklingen sollte; s. den Entwurf des Schlusses (Lesarten).
ROUSSEAU
Dieses nicht ganz zur Vollendung gediehene Gedicht, eine Abzweigung aus der Ode
20 An die Deutschen (von v.41 an), entsteht durch Umformung des asklepiadeischen
Silhenmaßes in das alkäische, die dann in einem metrisch noch ungeformten, aber
alkäisch angelegten Entwurf (v. 17-39) seihständig weiterwächst. Der harul-
schriftliche Zusammenhang rückt das Gedicht zeitlich in die Nähe auch des Ent-
wurfs {fVie wenn am Feiertage...}, dessen Verse 10—27 auf der Rückseite des:
25 Rousseau-Blattes (v.1—16) entworfen sind. Die Ode Rousseau wird also nicht viel
später entstarulen sein als der Entwurf (IVie wenn am Feiertage...}, der von der
älteren Forschung allgemein zu spät angesetzt worden ist (vgl. S. 677).
Überlieferung
H (v. 1-16): Stuttgart I S": Einzelblatt 18,6 (18,3) x 22,9 cm, alle Kanten
30 beschnitten; gelbliches, feingeripptes Papier; Wasserzeichen (geringer Rest
an der rechten Kante): C & I H O N I G .
403
12-1} Rousseau
Auf der Rückseite: {Wie wenn am Feiertage...} v. 10-27 (H^).
(v. 17-39): Stuttgart 16 Bl. 19", 20', 20" (s. die Beschreibung S. 377).
Erster Druck: v. 2S—39: Norbert von Hellingrath: Pindarübertragungen von Höl-
derlin, Prolegomena zu einer Erstausgabe, Jena 1911, S. 4S f.; des ganzen Ge-
dichts (nach der 4. Strophe irrtümlich den Entwurf zu den beiden Schlußstrophen 5
der Ode An die Deutschen einschiebend): Hellingrath 4, 134 f . (Die Bemerkung
auf S. 332, fVilhelm Michel habe als erster die beiden Teile der Ode aneinander-
gefügt, ist wohl so zu verstehn, daß Michel seine Entdeckung nicht selber veröffent-
licht, sondern Hellingrath mitgeteilt hat: war er doch anfänglich an Hellingraths
Ausgabe als Mitarbeiter beteiligt — vgl. Norbert von Hellingrath: Hälderlin-Ver- 10
mächtnis, eingeleitet von Ludwig von Pigenot, 2. vermehrte Auflage, München 1944,
S. 220 und 271 f.)
Lesarten
1 W i e eng] (1) Zu eng (2) W e n g über gestr. Zu (Schreibfehler durch Vorwir-
kung des folgenden Wortes) H Tageszeit aus Lebenszeit H 15
2 : (1) Des Le
(2) W i r (a) sind imd sehn und staunen, (a) und Nacht ist
(ß) und dunkel ists
(y) scho
(ö) schon Abend ists 20
W k o
(c) warst H
(Dementsprechend sind die gleichgeordneten Verbalformen zu ändern; siehe
auch V. 3 die Änderung: W i r schlafen in: Nun schlafe^
3 . 4 : (1) Und 25
(2) W i r schlafen und (a) vorüziehn,
(b) vorüberziehn, wie
/ W i e / Sterne, die Jahre [ , ] der Völker alle.
(5) Nun schlafe (a) de<nn>
(b) wo unendlich ferne 30
(Ziehen) vorüber der Völker Jahre. H
5 : (1) siehe die Lesart zuv.4S der Ode An die Deutschen: Und wenn der Geist dir
(2) Und wenn der Geist sich,
(3) Vos^t . . ) (Vorwirkung des nächsten Wortes)
(4) Voll Geistes 35
404
Rousseau 12—1 3
(5) Und mancher übersiehet die [die] eigne Zeit
(6) übersiehet durch die Nummern 2 und 1 umgestellt H
6 zeigt ein Gott über: eilt der Geist H stehst über gestr. weilt H
7 du] er (entsprechend der vorigen Variante zu ändern) H ein Ärgemiß den]
5 (1) ent (2) ein Schatte, bei (5) ein Aergemiß den H 8 Deinen aus Sei-
nen iif liebst tiicr g'Mtr. kennt H 9 Und aus Die i J nennst üier liebst / /
10 W o sind die Neuen,] (1) W o sind, wo nahn sie,
(2) W o sind sie. Armer
(3) W o sind, wo nahn sie sind
10 (4) W o sind (a) die Theuern
(b) die Neuen H
11 nahn über sind H 13 ists,] ists aus ist, H
1 5 : ( l ) U n d
(2) Umher
15 (3) Unstät (ä) umher, um Ruhe bet<(7ui)
(b) und suchest Ruh/e / und niemand H
16 zu weisen] zu zu weißen 1 /
Bei der Umformung in alkäische Strophen hat die Handschrift der Ode An die
Deutschen vorgelegen, zuletzt Stuttgart 16 S. 18^. Was nun dort als (anfangs askle-
20 piadeischer, dann prosaischer) Entumrf auf v.S6 folgt, darf hier nicht angeschlos-
sen, geschweige denn in den Text gesetzt werden (wie es Hellingrath tut): Form und
Inhalt widerraten dies. Doch fährt der Entwurf zu Rousseau auf S. 19^ des.Folio-
buchs (Stuttgart 16) unmittelbar unter dem Schluß des Entwurfs zu der,Ode An die
Deutschen in dem gleichen Duktus wie Stuttgart I fort: deutlich das alkäische
25 Silbenmaß weiterführend, wenn auch nicht sogleich ausformend, so doch schon
strophisch abteilend.
17 Sei] (1) Nein, (2) Eil[e] (S) Sei H der] davor eine Lücke H entwächst
aus entwächt H 18 Dem] Der (Schreibfehler) H
2 0 : (1) Arme, wie und trauernd / Neigt (2) Text H
30 2 1 : (1) Die (a) Fülle
(h) Lebens Fülle, die um ihn dämmert
(2) {Des) Lebens Überfluß, das Unendliche, H
22 Das] Da H
25 : (1) Auch du
35 (2) Du hast gelebt! ge auch dir, auch dir H
405
12—1} Rousseau
2 6 : (1) Erfreuten die himmlischen Stralen, so
(2) So f e m [ e ] du bist, so ferne sie sind,
(3) Erfreute
(4) Erfreuet die ferne Sonne dein Haupt, H
2 7 . 2 8 Zeit. Es / Haben] Zeit (1) sie / Haben (2) die / Boten haben (3) Es / 5
haben H 2 8 gefunden aus gestillet H 2 9 sie,] sie H 3 0 Gedeutet
aus De H ihre Seele aus; ihren Sinn / / 3 1 Dei über gcstr. Ein H genug]
darüber ein senkrechter Strich, der die Nummer 1 bedeuten könnte; vielleicht wird einen
Augenblick lang die Umstellung Genug der W i n k erwogen, aber, da die 2 fehlt,
sogleich wieder verworfen. 3 3 Anbeginn] Anbegin aus Angebin H 3 4 Geist] 10
Geist, H all, nach gestr. schon H
3 5 : (1) Gekaimt, die Weise des Lebens
(2) die alte Weise des Lebens ("aj gekannt
(b) erfahren
(3) die alte gestr.; über des Lebens die Nummer 1 15
schon erfahren unter den Schluß des Verses;
damit ist der richtige Vers hergestellt:
des Lebens Weise schon erfahren H
3 6 Kennt] (1) Erkent (2) Er gestr. H ersten über gestr. stille<n> H
Vollendetes aus: das Vollendete I i 3 7 der kühne nach gestr. kü H Geist 20
Viber der Zeile H Adler nach gestr. der H 3 8 Gewittern aus Gewitterd I i
38 . 3 9 seinen / Kommenden Göttern] (1) den kommenden / Göttern,
(2) seinen / k o m m e n d e n / / Kommenden Göttern, H
Erläuterungen
Alkäisches Silbenmqß, von v. 17 an nur im Entivurf angedeutet. 25
Bedeutsame Erwähnungen Rousseaus bei Hölderlin: An die Ruhe v. W—i2; Hymne
an die Menschheit (Motto); Brief an Neuffer vom 28. November 1791; Brief an Ebel
vom 2.September 1795; Der Rhein v.139-165. Für die geplante Monatschrift
Iduna hatte er einen Aufsatz über Rousseau als Verfasser der Heloise vorgesehn
(Brief an Neuffer vom 4. Juni 1799). Ein Satz aus dem 9. Brief des 1. Teils der Neuen 30
Heloise unterbricht, in französischer Sprache, den Entwurf des Briefes {An Kallias}
— siehe Band 4. —Besonders, auch in formaler Hinsicht (vgl.1,4)7,25), hat Schillers
Gedicht Roußeau aus der Anthologie auf das Jahr 17 S2 (S. 3}—37; Nationalausgabe
1, 61—63) auf den jungen Dichter eingewirkt, ebenso Stäudlins Elegie am Grabe
406
Rousseau. Heidelberg 12 —If
des J. J. Rousseau (Gedichte, Band 2, Stuttgart 1791, S.IO-U). - Siehe Rudolf
Buck; Rousseau und die deutsche Romantik (Neue Deutsche Forschungen, Abt. Ver-
gleichende Literaturwissenschaft, Bd. 1), Berlin 19)9, S. 117-1}}; auch Norbert
von Hellingrath: Hölderlin-Vermächtnis, eingeleitet von Ludwig von Pigenot,
5 2. vermehrte Auflage, München 1944, S. 13S, in dem Fortrag über Hölderlin und
die Deutschen (191S).
2 5 Du hast gelebt] Vgl. Horaz, carm. 3, 29, 41-43: ille potens sui laetusque
deget, cui licet in diem dixisse: vixi. Wie Hölderlin dieses Wort auffaßt, zeigt in
seiner undatierten verspäteten Antwort auf Neuffers Brief vom 24. Oktober 1790
10 CWarum ich Dir so lange nicht geschrieben habe.. .) die Äußerung über Neuffers
eifrige Arbeit an seiner Virgil- Übersetzung: Zu Deinem Maro allen Seegen
Apolls! Du kanst am Abend ein artiges »Vixi« sprechen, wenn Du Deine
Tage so verlebst, wie Du mir schriebst. Desgleichen der undatierte Stuttgarter
Brief an die Schwester aus dem Herbst IS 00 ("Ich will Dir nur das Noth wendigste
15 schreiben...): dann gehe ich, wohin es soll, und werde gewiß am Ende sagen:
ich habe gelebt!
2 7 Stralen aus der schönem Zeit] Die im nächsten Vers genannten: Boten der
Zukunft. Vgl. (Götter wandelten einst.v.7 f.: mit der ich / Innig und glaubig
und treu ringe nach schönerer Zeit; Die Liebe v.l6 f.: So ein Zeichen der
20 schönem Zeit, / Die wir glauben.
3 3 - 3 9 Vgl. Bruchstück 12 (Palingenesie).
H E I D E L B E R G
Hölderlin ist zum erstenmal am 3. Juni 17 8 S in Heidelberg gewesen, auf einer fünf-
tägigen Reise von Maulbronn an den Rhein. Aus der Reiseschilderung für die Mutter
25 sind diese Sätze hervorzuheben: Die Stadt gefiel mir außerordentlich wohl. Die
Lage ist so schön, als man sich je eine denken kan. Auf beiden Seiten und am
Rüken der Stadt steigen-steile waldichte Berge empor, und auf diesen steht
das alte, ehrwürdige Schloß ... Merkivürdig ist auch die neue Brüke daselbst.
Dieser erste Eindruck ist es jedoch wohl nicht, der in der Ode erinnert wird. Spätere
30 Besuche der Stadt (etwa bei der Heimkehr von Jena im Juni 179S, auf der Fahrt nach
Frankfurt Ende Dezember 17 9 S, auf der Durchreise nach Rastatt im November 1798
mit Sinclair, bei der Heimkehr von Homburg Ende Mai oder Anfang Juni 1800)
407
1 4 - 1 f Heidelberg
sind nicht ausdrücklich bezeugt. Die von Christoph Schwab (im 2. Band seiner
Hölderlin - Ausgabe von 1846, S.328) überlieferte Äußerung'des Kranken, er sei
zweimal in Heidelberg gewesen, braucht nicht buchstäblich richtig zu sein. Vielleicht
hat er in seiner Erinnerung auch bloße Durchfahrten nicht mitgezählt. - Ludwig
Strauß, Euphorien 32 (1931), S. 368, macht wahrscheinlich, daß dem vertriebe- 5
nen Wandrer / Der vor Menschen und Büchern floh (Entwurf v.ll f.) auf der
»Flucht aus Jena« der von Göttern gesandte Zauber (v. 9) widerfuhr, also im Juni
1795. Jedenfalls trifft diese Wendung auf keine andre Zeit so gut zu. Die unmittel -
bare Anrede im Praesens zu Beginn des Gedichts, die sich deutlich gegen die in der
dritten Strophe einsetzenden Praeterita abhebt, ist aber ganz gegenwärtig und un- 10
fingiert zu nehmen imd zwingt zu dem Schluß, daß einer von den späteren Besuchen,
wahrscheinlich der von 1800 (zur selben Jahreszeit wie bei der Heimkehr von Jena!)
die Vollendung der spätestens im Juni 1798 schon (vgl. die Beschreibung der Hand-
schrift Stuttgart 112: 1, SS9) entworfenen Ode veranlaßt hat. Die seit dem Ent-
wurf nun noch vergrößerte Zeitspanne gegenüber dem erinnerten Erlebnis führt zu 15
der Einfügung des Adverbs einst v. 9.
Überlieferung
W (v. 1-24): Heidelberg, Kurpfälzisches Museum: Einzelblatt 20,7 (21,2) x
33,9 (34) cm, obere Kante beschnitten; bräunliches, geripptes Papier ohne
Wasserzeichen. 20
Faksimile: Friedrich Hölderlin / Heidelberg (JPrivatdruck des Kurpfälzischen
Museums, ohne Ort und Jahr}.
Zwei in Marbach verwahrte von Mörike angefertigte diplomatische Abschriften
dieses Blattes (die eine mit der Inv.-Nr. 1862, die andre noch ohne Nummer)
sind in den Lesarten ebensowenig berücksichtigt wie Mörikes Abdruck in Chri- 25
stian Schads Deutschem Musenalmanach 18S6, S. 107—109. Vgl. Mörikes
Brief an Hartlaub vom 26. März 1847.
(v. 25-32): Stuttgart 112 S. 7 (s. die Beschreibung 1, S59).
H^ : Homburg H 21-22 (s. die Beschreihmg 1, SS4).
.) : Aglaia. Jahrbuch für Frauenzimmer auf 1801. Herausgegeben von N. P. 30
Stamped: Mit 7 Kupfern von W. Jury. Frankfurt a. M. bei August Hermann.
S. 320-322, unterschrieben: Hölderlin.
Eigentümlichkeiten der Schreibung: Brücke, ging, hing, reitiend, Schicksal.
408
Heldelberg 14-lS
Lesarten
1 l i eb ' ] lieb H "
möchto bis 2 d i r ]
möchte dich (1) Mutterstadt,
5 ( a ) Nennen, möchte dir gern
(b) Gerne nennen imd dir
(2) lange gern
Mutter nennen
(3) mir zur Lust,
10 Mutter nennen und dir H ^
2 nennen, und] nennen und I/^ 3 Du, der ] Du der H^-^ 4 sah.]
weiß ! W
4 a - h : a : (Zwar dein Nekar um( l ) f l i eßt
(2)schlingt auch {a) des bescheidenen
15 b ; Städtchens Hügel imd
(b) (das) verborgene
Städtchen, (1) das m i c h erzog,
(2) wo mich der Wald ( a ) weise der Schul entzog
(b) freierem Sinn erzog
20 c : W o mit Stralen des (1) St
(2) Maitags
d : Mich Apollo zuerst (1) getränkt.
(2) beseelt.
e : (1) Aber kräftiger schon, stolzer umschmeichelt dir
25 (2) Doch gereifter und schon / , / stolzer umschmeichelt dir
f : Deine (1) Gärten
(2) Wiesen der Strom, fa^ müßig
(b) schon
(c) und(a) der geschäfftigen
30 g : [Welle] [Jungen]
(ß) (dem) geschäfftigem
Wellen( l )schlage
(2)spiele vertrauen
h : (1) Sich
35 (2) Schon die ernsteren Schiffe sich) H ^
409
1 4 - 1 f Heidelberg
5 - 8 : 5 : (1) Majestät!
(2) W i e (a) des
(b) der Vogel des Wald<s ) über (a) die Gipfel
(ß) den Gipfeln fliegt
6 : (1) Stoli und (a ) kräftig, wie er 5
(h) le icht , wie ein
(2) I h m gleich,
(3) Schwingt sich über den Strom, wo er vorbei dir glänzt,
7 : (1) Sich der Bogen der Brüken
(2) Leicht und kräftig (die} Erüke lo
8 : Die von W a g e n und Menschen (1) tönt.
(2) rauscht. H ^
5 . 6 : spätere Fassung, zum Teil am linken Rand:
W i e der Vogel des Wald<s ) über die wehenden
Eichengipfel so schwingt über den Strom sich dir H ^ 15
6 glänzt,] glänzt H^ 7 Brüke,] Brüke W
9 : (1) Ach (2) Glaubts H '
Das Wort Glaubts wird nun mit Bleistift gestrichen, und mit Bleistift werden auch
die Verse \f) folgendermaßen entworfen:
9 : W i e von Göttern gesandt, hielt m i c h ein Zauber fest 20
1 0 : (1) Dach (Schreibfehler)
(2) Da i ch müßig und still über die (a) gi
(b) Brüke gieng
1 1 : Ein vertriebener Wandrer
12 : Der vor Menschen und Büchern floh 25
1 3 - 1 6 : 1 : 13 : (Ach ! da rauschte (1) vor mir zögernd und eilend
(2) dein Strom
1 4 : Schön, in zögernder Eil ' , aus dem Gebirg hinaus
15 : In die sonnigen Fernen,
I I : 13 : Ach da rauschte (1) doch wie 30
(2) der Strom (a) schön wie des Jüng-
lings Geist
1 4 : W e n n er,
410
Heidelberg 14-lS
15 : Liebend unterzugehen
16 : Traurigfroh in die W e l t sich wirft,
13 : (b) zögernd hinaus ins Land
14 : Traui-igfroh, wie das Herz, (wenn}es sich selbst zu schön
5 1 5 : Liebend unterzugehen
16 : (a) In die W o o g e der W e l t
(ß) In die Fluthen der Zeit sich wirft H^
Dieser Bleientwurf wird dann mit Tinte durchgegangen:
9 einst üier fest 1 0 : Auf der Brüke CLücAc_) da ich vorüber kam
10 1 1 . 1 2 zunächst durch Unterstreichen zur Änderung vorgemerkt, dann über den
Zeilen: Und herein in die Berge Mir die reizende Feme schien 13 : (1) Und
CS für: Ach da (a) hin (b) fort in die E b e n e n / ü r ; zögernd hinaus ins Land
(2) quer von oben nach unten am linken Rand: Und der Jüngling der Strom fort in
(a) der (b) die Ebne zog, H^
15 Der weitere Entwurf, von v.l7 an, wird wieder mit Tinte niedergeschrieben. H^
9 fesselt' J fesselt H^ 10 Auf die Brüke] Auf der Brüke H^ g ieng,]
gieng I - P
1 3 - 1 6 : I : Und der Jüngling der Strom fort in die Ebne zog
Traurigfroh, wie das Herz, wenn es, sich selbst zu schön
20 Liebend unterzugehen
In die Fluthen der Zeit sich wirft. H ^
I I : darüber später, mit breiterer Feder:
1 3 : (1) A c h ! sehr
(2) Aber ferne vom Ort , wo er geboren {ward,)
25 1 4 : (1) {Traurigfroh, wie) die Lust,
(2) {Zog) die dunkle die Lust, welche den Halbgott treibt,
15 : {Liebend unterzugehen)
16 : Dir den deinen, den Strom hinab.
(Statt den deinen verschrieben: dein deinen^ H^
30 18 Kühle] Holde aus Holden H^ geschenkt,] geschenkt; H' und die
über nicht gestr. deine W 1 9 A l l ' ] All über gestr. Treu H^ All H^ es
über der Zeile H^ 2 0 l ieblich über nicht gestr. freundlich H^
2 1 - 2 3 : 2 1 : (1) Aber
(2) Mit dem Schiksaal vertraut (imterstr.: sahj das gigantische
411
14-1 f Heidelberg
2 2 : Ber<g'>schloß (1) schaurig
(2) mahnend Ca herab,
(b) ins Thal , luftig, bis auf den
Grund
2 3 : ( l ) W e 5
(2) Von (a) Gewi(ttem}
(6) den Wettern lerrissen, H ^
2 1 die aus das H^ gigantische,] gigantische H^ 2 4 goß nach gestr.
schien H^ 2 5 . 2 6 das alternde Riesenbild,] (1) die alternden ("a Mauern,
(b) T r ü m m e r (2) das sterbende Riesenbild, (3) sterbende gestrichen H^ 10
(4) das alternde Riesenbild, (5) später mit breiterer Feder (vgl. v. 13—16): grau-
l iche ü&cr alternde i / ^ 2 6 lebendiger wrg-cjtr. Ep<;ieu> H® 2 7 Wä lder ]
Bilder (Schreibfehler?) H^ 2 8 über d ie ] dariiferg-estr.; hoch v o ( n d e r ) H^
2 9 : (1) Aber unten am Strom ruhen im heitern Thal
(2) ruhen gestrichen 15
(3) Sträuche (a) blühten
(b) woogten
(c) blühten herab bis {wo} i m heitern Thal H^
3 0 hold , ] hold W 3 2 duftenden über der Zeile W ruhn. W ruhn.
über gestr. blühn. H^ 3 2 a ; W o H^ (Die geplante Fortsetzung wird nicht 20
ausgeführt.)
Erläuterungen
Asklepiadeisches Silbenmaß.
Zur Gesamtdeutung des Gedichts vgl. Rudolf Karl Goldschmit: Heidelberg als
Stoff und Motiv der deutschen Dichtung (Stoff- und Motivgeschichte der deutschen 2 i
Literatur, Bd. 5), Berlin 1929, S.14-17; Emil Staiger: Hölderlin: Heidelberg
(Gedicht und Gedanke, hg. von Heinz Otto Burger, Halle (Saale) (1942), S. 167-
17S und in der Aufsatzsammlung: Meisterwerke deutscher Sprache aus dem neun-
zehnten Jahrhundert, ZürichlBerlin (1943), S. 13-24); Hans Christoph Schöll:
» Pf^ie von Göttern gesandt...« Hölderlins Schicksalstag in Heidelberg. Heidelberger 30
Beobachter 1943 Nr. ISS (6. Juni); Adolf Beck: Heidelberg, Versuch einer Deutung.
Hölderlin-Jahrbuch 1947, S. 47-61.
2 Mutter nennen] Vgl. Heimkunft v. S7 und die Erläuterung z. St.
7 Brüke] Die Alte (damals neue, 1786—88 erbaute, also bei Hölderlins erstem
412
Heidelberg 14-IS
Besuch eben fertiggestellte) Neckarbrücke. Pigenots Bemerkung über »gewisse Bilder
und Vergleiche primitiverer Art (besonders v. S)«. (Hellingraths Ausgabe 3, 498) ist
unverständlich. Hebbel schreibt aus Heidelberg am 14. Juli 1836 an Kirchspiel-
schreiber Voß in JVesselburen: eine Brücke, schlank, wie der Bogen, den eine
5 Schwalbe i m Fliegen beschreibt, führt über den Neckar und endigt sich in
einem wirklich imposanten Thor.
8 rauscht (Lesarten)] Vgl. 1, 382, 9-20; dazu Hyperion 2, 37: .. indeß die
Rosse, den Tag witternd, schnauben xmd schrein, und der Wald ertönt von
allerschüttemder Kriegsmusik, und rings von Waffen schimmert und
10 r a u s c h t B r o d und Wein v. 2 und 100 f.; auch Klopstock, Der Messias 2, 894:
Eherne Krieger, sie rauschen mit eisernem dumpfen Getöse; 4, 6: der rau-
schenden Panzer Getöse; Goethe, Elperwr v.1014: W i r d eine Treue, die
nicht rauscht, empfunden? ; Mörike, Maler Nohen 2,89 Maync: .. da rauscht
auf einmal der Tritt eines Menschen; 192: .. drüben hörte er das Schloß
15 zum Z immer des Geliebten rauschen; 198: Da rauschten plötzlich starke,
hastige. . .Tritte .
13 Jüngling] Vgl. Der Wanderer, 1. Fassung, v. 7 f . (Lesarten 1, SIS): Hier
frolokten die Jünglinge nicht, die stürzenden Bäche, Ins jungfräuliche Thal
hoffend und liebend hinab; Der gefesselte Strom v. 1; Der Rhein v. 24: Den Jüng-
20 ling (im Entwurf: Den (1) jungen Strom (2) Jüngling (3) gefangenen Jüng-
ling^. — Der Felsenstrom wird in dem so überschriebenen, 177S entstandenen Ge-
dicht von Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg des öfteren als Jüngling angeredet
(Gesammelte Werke, I.Band 1827, S. 104-106; vgl. auch S.13S: Hellebek,
1776, V. S f.: .. dem Sohne der Felsenkluft.. . Jüngling..) .
25 14 Traurigfroh] Vgl. Der Tod des Empedokles, 1. Fassung, 2. Akt (3 .Szene): ..
die Schmerzen. . , Die f r o m m genährt an traurigfroher Brust W i e Kinder
liegen. — Die Neigung zur Koppelung gegensätzlicher Wörter ist besonders deutlich
in der Sophokles- Übersetzung zu beobachten: Oed. Tj-r. v. 209 (203): heiligfalsch
für XQ'"c6cneoq>og ; Ant. v. 926 (894): zornigniitleidig ohne wörtliche Ent-
30 sprechung im Griechischen.
2 7 Wä lder ] Die Homburger Reinschrift (tP) schreibt Bilder, vielleicht ver-
sehentlich. Es wäre irides hinzuweisen aufPatmos, 1. Fassung, v.119 f.: Und es grü-
nen Tie f an den Bergen auch lebendige Bilder.
32 ruhn] Hier lenkt das Gedicht nach den Practeritis des Hauptteils in seinen
35 unmittelbar praesentischen Eingang zurück.
413
16-18 Die Götter. Der Nekar
DIE GÖTTER
Spätestens im Juni 1800 entstanden.
Überlieferung
H: Homburg H 21-22 (s. die Beschreibung 1, 5S4).
J: Jglaia. Jahrbuch für Frauenzimmer auf 1801. Herausgegeben von N. P. 5
Stamped. Mit 7 Kupfern von W. Jur)'. Frankfurt a. M. bei August Her-
mann. S. }02, unterschrieben: Hölderlin.
Lesarten
5 kennt,] kennt. >7 7 W e l t und ] We l t , und J 1 0 Herzen d ie ] Herzen,
die J 11 laßt] läßt (Schreibfehler) H 10
Erläuterungen
Alkäisches Silbenmaß.
5 Ihr guten Göt ter ! ] Vgl. Achill v. 19: Gute Göt ter ! ; Hyperion 2,3h Gute
Götter ! ; Die Heimath v. 17 (Lesarten): O gute Götter !
DER NEKAR i5
Ungefähr gleichzeitig mit den beiden vorangehenden Oden entstanden.
Überlieferung
H: Homburg H 21-22 (s. die Beschreibung 1, 5S4).
J: Aglaia. Jahrbuch für Frauenzimmer auf 1801. Herausgegeben von N. P.
Stampeel. Mit 7 Kupfern von IV. Jury. Frankfurt a.M. bei August Her- 20
mann. S. unterschrieben: Hölderlin.
Eigentümlichkeiten der Schreibung: Weinstock (aber: Nekar^, Schutzgott.
Lesarten
Überschrift: Nekar. über gestr. Nekar H 1 m i r aus dem Ansatz zu H ( ? )
(erz?) H 2 Leben, ] Leben; / m i c h , ] m i c h ; J 3 al l ] all' J die 25
414
Der Nekar 17-18
aus dich H dich] dich, J 4 Wanderer] Wandrer J kennen, ist]
kennen ist H 5 Gipfeln] Gipfel H löste aus löß H 6 Thal,] Thal H
7 Freudebecher,] Freudebecher H 8 bläuliche aus bläubl H 10 Herz
und] Herz, und J uns aus t (?) H 12 Inseln.] Inseln. — J -^"g]
5 Aug' J 14 mir,] mir J 15 Smirnas] Smirna's J 16 Wald.] Punkt
aus Komma H möcht] möcht' J 17 Pfad aus Pfal H 19 eh] eh' J
2 1 begräbt,] begräbt; J 2 5 Lorbeerwald] Lorberwald H 2 8 Volk]
Volk' J 3 0 blinkt nach gcstr. häuft H Mastyxbaum aus Masta H
31 träuftund] träuft, und / Pauk] Pauk' J 3 2 labyrintischen] labyrin-
10 thischen J
Erläuterungen
Alkäisches Silbenmaß.
Vgl. die Ode Der Main 1, 30) f . Zur Abwehr des Versuchs einer Umdatierung,
wonach Der Main eine Umarbeitung des Nekars sein soll (Böhm II 271 f.; Seckel
15 5. 193-198) siehe Dichtung und Volkstum 39 (1938), S. 378 f .
7 Freudebecher] Vgl. Schiller, Die Jungfrau von Orleans v. 204S f.: Ein
Tropfe Haß, der in dem Freudenbecher Zurückbleibt; Jean Paul, Quintus
Fixlein (Akad.-Ausg. Aht.I Bd.S: 141, 3Sf.): seine mit ausgetrunknen Freu-
denbechern angefüllte Brust.
20 15 Paktol] Vgl. Hyperion 1, 32: wo in der goldnen Fluth des Pactolus die
Schwäne mir zur Seite spielten; Patmos v. 3S: Der goldgeschmükte Pactol.
Goldführender Nebenfluß des Hermos in Lydien, den Sophokles, Philoktet v. 394,
rdv n&yav UaxzcoXdv evxQvaov nennt, der von Tibull 3, 3, 29 erwähnt wird als
Lydius aurifer amnis; Virgil sagt, Aen. 10, 141 f., von Lydien (Maeonia):
25 ubi pinguia cidta exercentque viriPactolosque inrigat auro; Horaz zählt epod. IS, 20 unter den Eigenschaften des glücklicheren Nebenbuhlers auch dessen
möglichen Reichtum auf: tibique PaCtoluS ßuat. — Der Paktöl ist auch unter des
Tmolos Goldglänzenden Bächen (Die Wanderung v. 73 f.) zu verstehen (Euri-
pides, Bakch. v. IS4, spricht vonT/idiXov xQvooQÖov x^i^V)-
30 16 Ilions Wald] Gemeint sind die sich auch durch die Gegend von Troja erstrek-
kenden Wälder... des Ida, die der Gesang Die Wanderung v. 90 anruft und von
denen es im Hyperion 1, 61 f . heißt: Da ich die Wälder des Ida mit ihm durch-
streifte, und wir herunterkamen in's Thal, um da die schweigenden Grab-
hügel nach ihren Todten zu fragen, und ich zu Alabanda sagte, daß unter den
35 Grabhügeln einer vielleicht dem Geist Achills und seines Geliebten ange-
415
17-19 DerNekar. Die Heimath
höre . . . Auch, in der Ode Der Nekar scheint Ilions W a l d zumal den Ort zu be-
zeichnen, wo Achill und Patroklus mit den andern Helden begraben liegen.
17 &mimm]Vgl.l,616,20f.
18 Olympion] Vgl. 1,616, 22-2S; dazu Hyperion 1, 1 f } : die sechzehn
Säulen, die noch übrig stehn vom göttlichen Olympion. 5
2 9 aus grüner Nacht ] Vgl. Karl Vietor: Die Barockjormel »braune Nacht«.
Zeitschrift für deutsche Philologie 6} (19)8), S. 284-298 (über die »grüne Nacht«
S. 297 f.).-Vgl. auch (..der Vatikan...)v. 47; {DieVölker schwiegen, schlummer-
ten. ..} V. 21 f.: die kühle Nacht Der Pomeranzenwälder in I ta l ien ; / cmer Der
Mensch v. }1 f.: Und glänzt auch, wie die Stemenacht, von Goldenen Früch- 10
ten sein Hain. . .
3 0 Mastyxbaum] Vgl. Hyperion 1,83: Auf dem Vorgebirge hab' ich mir eine
Hütte gebaut von Mastixzweigen. — Mastix (Pistacia lentiscus L.), meist in
Strauchform vorkommend, ledrige, wintergrüne Fiederblätter, kennzeichnender
Hauptbestandteil der Macchien in Griechenland. Das Harz wurde gekaut, weil es 15
die Zähne weiß und glänzend macht; auch war es ein beliebtes Mundparfüm (vgl.
Steier bei Paulf- Wissowa, Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissen-
schaft 14, 2168-2171).
32 Zum labyrintischen Tanze] Vgl. 1 616, 26-28.
3 6 Uferweiden] Vgl. Emilie vor ihrem Brauttag v. 17S; D^e Wanderung v. 22: 20
An Nekars Weiden; /erner Unter den Alpen gesungen v. 22 und die Erläuterung z. St.
D I E H E I M A T H
Erweiterung des zweistrophigen gleichnamigen Gedichts 1, 2S1.
Diese und die nächsten sechs Oden (bis zur Rükkehr in die Heimath), die alle im
Sommer 1800 entstanden sind, ordnen sich gemäß der Reihenfolge der Homburger 25
Handschrift H IS—18, die im wesentlichen mit der des Stuttgarter Foliobuchs (16)
übereinstimmt. Nur Ihre Genesung steht nicht in der Homburger, Rükkehr in die
Heimath nicht in der Stuttgarter Handschrift.
Überlieferung
LP : Stuttgart I 6 El. 7' (s. die Beschreibung S. 377). 50
H": Stuttgart I 6 Bl. 7^7".
416
Die Heimath 19
H^: Homburg HIS (s. die Beschreibung 1, Sf 9 f.).
J: fVürtembergisches Taschenbuch auf das Jahr 1806 für Freunde und Freun-
dinnen des Vaterlandes. Mit / Kupfern und einer Musikieilage. Ludwigsburg,
bei Friedrich Nast. S. 72—73, unterschrieben: Hölderlin.
5 Eigentümlichkeiten der Schreibung: Heimat, Leid, Gränzen, dieß.
Da es nicht unwahrscheinlich ist, daß Hölderlin diese Ode nicht mehr selbst in
Druck gegeben hat (Magenau ist der Verfasser des unmittelbar folgenden Gedichts),
richtet sich der Text nach H^.
Lesarten
10 Überschrift: fehlt H ^ (von fremder Hand mit Bleistift nach der zweistrophigen
Ode 1, 2!1 ergänzt: Die Heimath. H^)
1 Fioh] gestr.; darüber: Reich H^ über nicht gestr. Froh, gcstr.: Reiich) H^
Strom,] Strom H^ Strand J 2 Von Inseln fernher, wenn] (1) Von fer-
nen Inseln, w a ( n n ) (2) Von Inseln ferne, wenn (5) Text H^ 3 So kam'
15 auch i c h ] (1) W o h l möcht auch i ch (2) darüber: So kam auch H^ (5) So
kam' ich auch H^ (4) Text W J Heimath, hätt' i c h ] (1) Heimath wie-
der, (2) Heimath, hätt {ich) W (5) Heimath; hätt' ich H^ (4) Heimath
[wieder] , hätt' ich H^ 4 Güter so viele, über: Aber, was hab' i ch , H^
geemdtet . ] geemdt. W 5 Ihr theuem Ufer] (1) Ihr holden Ufer H ^
20 (2) 0 ihr, ihr Ufer H ^ ' ^ (3) Ihr Ufer (4) Ihr theuem Ufer W 6 Leiden,]
Fragezeichen für urspr. Komma H^ versprecht über: ach ! gebt H^ 7 Ju-
gend üher gestr. Kindheit H^ Jugend,] Jugend l J 9 : Davor S Zeichen,
untereinander: ^ — . — H^ 10 A m aus dem Ansatz zu I H^ Strome,]
Strome H^ gleiten aus gleig 11 Dort bin i ch bald; ] Dort (1) möcht '
25 i ch fa^ ruhn . . ( i^ seyn (2) bin ich bald. . H l bald; euch ] bald. . (1) Die
(2) Euch b a l d . E u c h bald; euch, J traute] trauten iüer alten
H^ trauten H^ Berge, ] Berge! J 12 m i c h ] mie (Schreibfehler) H^ mich
aush H^ 1 3 s ichre] veste sichre üÄer^ertr. veste H^ Grenzen] Grän-
zen H^ J 14 Und liebender ouj; Der liebenden j E f ^ l i e b e n d e r ] unter-
30 Str.; darüber, gestrichen: jüngerer (eigenhändig?) H^ jüngerer J 15 Be-
grüß' i ch bald und] (1) Möcht ich mir , , und (2) Besuch ich bald (3)
am fla/rj/e; Begrüß ich H ^ (4) Begrüß i ch f a j bald und ffc^ schon ("c wieder
(5) Text H^J ( ba ld ] b a l d , m i c h , ] m i c h H^ 1 6 heile , ] heile.
H' heile H^
417
19 Die Heimath
1 7 - 2 0 : I : (1) einfach
(2) einfältiger Tage Bild
(Des Lebens erste Freude den irren Mann
Und einer Mutter treugebliebne
die blutende Brust ge) H ^ 5
I I : (1) 0 gute Götter ! aber (a) diß heilig Leid
(b) der Liebe Leid
Ich weiß (a) zu gut die
(ß) es doch
(y) ja doch 10
ich weiß die singt
Kein Wiegensang, der schönste nicht, den
(c) ich weiß zuvor, / [ D e r ]
(2) Ihr treugebliebnen! (a) aber i ch weiß zuvor
(b) alle! doch weiß ich wohl 15
Der Liebe Laid die heilet auf Erden nicht
Diß singt Kein Wiegensang, den tröstend
Sterbliche singen, mir aus dem Busen. H ^
17 treugebliebnen! aber] Treugebliebnen! Aber J i ch weiß, ich weiß , ]
(1) ich weiß zuvor, (2) Text 1 7 . 1 8 weiß, D e r ] weiß Der 18 Laid, 20
d i ß ] L e i d - d i e ß J so bald m i r ] auf Erden H^ 2 0 singen,] singen H^
2 1 . 2 2 : (1) Denn ihr, die das himmlische Feuer leihet
Sind denn von euch nicht auch,
(2) Denn sie die uns das himmlische Feuer {leihn}
Die Götter schenken (a) Sehnen und [ S c h ] Schmerz uns auch 25
(h) heiliges [La id ] H ^
2 1 leihn,] leihn H^ 2 2 heiliges Laid aus: heiligen Schmerz H^
2 3 Drum bleibe diß . ] (1) Drum bleib es so, (2) Drum bleibe diß (3) Drum
bleib es auch (4) Drum bleib es so, H ^ (5) B (6) Drum bleib ' es so,
(7) Drum bleib' er da, (nämlich: der Schmerz) (8) Drum bleib ' mirs nur H^ 30
("Drum bleibe d ieß ! J)
2 3 Ein Sohn bis 2 4 leiden.] (1) bis ihr
(2) bis mit der theuem
(3) bis m i c h m i t aller
(4) bis m i c h mit meiner 35
418
Die Heimath. Die Liebe 19-21
Haabe (a ) die friedliche Wohnung aufnimmt.
(b) [v ie le icht] H^
(5) mir ( ? )
(6) bis mit (a) mir
5 (b) der theuem
Haabe das friedliche (a) Haus
(ß) Land m i c h aufnimmt. H^
2 3 E r d e ] Erde, J 2 4 Schein 'ü fcr g'esfr. Bin / / 'S i c h ; ] ich, J leiden]
leiden über nicht gestr. dulden H^ dulden J
10 Erläuterungen
Alkäisches Silbenmaß.
1 Vgl. Ahendphantasie v. 5.
19 Wiegensang] Vgl. An Eduard v. S}; Elegie v. 90 (Menons Klagen um
Diotima v. 100); Der Tod des Empedokles, I.Fassung, 2. Act (in der Rhesis des
15 Empedokles Nicht rathlos stehen laß ich euch . . . ) : . . wenn euch das Leben
Der W e l t ergreift, ihr Priedensgeist, und euchs W i e heiiger Wiegensang
die Seele stillet.
2 1 das himmlische Feuer] Vgl. {Wie wenn am Feiertage...) v.S4.
2 4 zu lieben gemacht , zu leiden] Vgl. Psalm S8,18: Denn ich bin zu leiden
20 gemacht.
D I E LIEBE
Erweiterung des einstrophigen Gedichts Das Unverzeihliche 1,2S4. — Zur Einord-
nung vgl. die Bemerkung zur vorigen Ode.
Überlieferung
25 W : Stuttgart I 6 Bl. S'(s. die Beschreibung S. S77).
W : Stuttgart I 6 Bl. 8", 9'.
H^ : Homburg H IS", 16'' (s. die Beschreibung l,SS9f.).
H^" : Bleivarianten in H^.
Erster Druck: Gedichte von Friedrich Hoelderlin. {Hg. von Ludwig Uhland und
30 Gustav Schwab.) Stuttgart und Tübingen 1826, S. 73-74.
419
20-21 Die Liebe
Lesarten
1 , 2 : 1 : Wenn ihr Freunde vergeßt, (1)
2 : Künstler und Weise schmälit
1 : (2) wie
(3) wenn ihr ( a ) die Eurigen, 5
(b) die E u e m all
2 : (1) Kün(stler)
(2) O ihr (a ) Dankbaren (a) ,
(ß) sie,
(b) Wi lden zum Dank 10
(c) Freien zum Dank euere Bildner schmäht H^
1 a l l , ] all H^-^ 2 Dichter ] Bildner H^ Dichter am B(ildner) H^
schmäht] höhnt H^ 3 vergeh' ] vergiebt H^'^ es über der Zeile H^
3 . 4 ehret N u r ] (1) stört mi r f a ; Den ( j ; Nie (2) ehreht (3) ehret M i r
C ^ N u r CcJMir ( d ; Nur H^ 4 die Seele] (1) den Frieden (2) Seele üfer 15
Frieden H ^ Liebenden.] Liebenden! H ^
5 : Denn (1) wo / i / ist [ , ] denn, wo ist heilige Freude noch
(2) o saget, wo lebt menschliches Leben (a) noch,
(h) sonst
(c) jezt H^ 20
sonst,] sonst, aus dem .^niofz zu 1 ( . . . ? ) sonst über gestr. jezt H^
6 : (1) Sind nicht
(2) Zwang die Sorge, die Nacht herri(sc / i )
(5) Zwang die gierige (a) denn
(b) nicht Alles, die gierige längst (verschrieben 25
statt: Sorge längst?^
(4) Nur die Sorge, die Nacht (a) herrscht
(b) herrschet (a) allmächtig noch
(ß) alleine längst
(y) allein ja längst 30
(5) (am linken Rand:)
Da die Tochter der Nacht, Alles, die (a) Sorge
(b) Rache zwingt
(6) (darunter, nicht ausgeführt:)
Hall (verschrieben statt: Hält ?) (a) denn 35
420
Die Liebe 20-21
(b) die Sorge denn nicht dir Alles,
dir H ^
(7) Da die Tochter der Nacht, alles, die Sorge, zwingt? H ^
(8) Text H^
5 7 . 8 : (1) Darum wandeln die Götter / Sorglos über dem Haupt uns weg.
(2) Sorglos wandeln die Götter / Längst schon über dem Haupt ims auch.
(3) Längst schon wandeln die Götter / Sorglos über dem Haupt uns auch.
(4) (Darum) wandelt der Gott auch / Sorglos über dem Haupt uns
längst? U ^
10 8 längst.] längst? J-P längst! H ^
9 - 1 2 : (1) wie <2ur) Winterzeit
aus (dem) schneeigen
Felde die grünen Halme. .
Vogel
15 9 : (2) Aber
(3) Doch wie (a ) der alternde Winter gesanglos schläft,
(b) das
(c) immer das Jahr kalt u. gesanglos schläft,,
10 : (1) Wenn der
20 {2)A(us?}
(3) aus blaichem Feld
(4) Zur beschiedenen Zeit (a ) mitten aus
(b) aber aus weißem Feld.
11 : Grüne Halme (1) sprossen
23 (2) doch sprossen
12 : (1) Und
(2) Oft ein einsamer Vogel (a) klagt
(b) singt H'
Metrische Zeichen über v. 10—12:
30 ^ ^
- A ^ -
(v. 10 das erste Zeichen für weißem, das andre für Feld; v.ll über den Silbenr
Grii Hai spros; v. 12 über den Silben: Und sa Vo klagt^ H^
35 9 Doch,] Doch H^ Doch, wie immer] darüber: Kalt und traurig
421
20-21 Die Liebe
Cge>anglos ist] (iariiicr; ist das Jahr ist ü6cr schläft JQ Zur be-
schiefdenen^JiiarüJcr.-Aber wie 11 sprossen,] sprossen 12 O f t ]
darüber: Und H^" s ingt] klagt H^
1 3 . 1 4 : (1) (So ein Zeichen der Frühlingszeit) und die Ströme thaun
(2) Wenn die Wälder sich izt dehnen die Ströme thaun 5
(a) Schon
(h) Und aus milderem Land glükliche Lüfte (a) zur
{ß) weht
(y) Wehn
{8) [ s chon ] 10
(5) Wen<n> (a) sich
(b) geheim sich (a) W
iß) der Wald dehnet
(c) sich mälig der Wald dehnet der Strom sich regt
Schon die mildere Luft leise von Mittag weht H ' 15
13 W e n n ] darüber: Und H^" 14 weht ] weht, H^ 16 So ] darüber:
[Und] i / ' ' " schönem Zeit , ] (1) Frühlingszeit (2) darüber: s chönem H^
schönern Zeit H ^
17—28 : I : Sei geseegnet himmlische Pflanze mir
Mi t Gesänge gepflegt indeß 20
Alle Kräfte des Himmels
nähren
(Dich, dich rottet mir doch keiner (1) A (2) der Argen aus
und wenn
Zehenmal dich zerträte, 25
sprossest du wieder auf.) /W
I I : Blüht {aus)
Rauhem Boden die Liebe
Gottes Tochter auf
I I I : 17 : Die wir glauben, erwach <s)t, einzig genügsam (1) s 30
(2) noch
1 8 : Einzig edel (1) erwäch<s)t (zweimal derselbe Schreib-
fehler!)
(2) u. from<m) (a) mitten aus
422
Die Liebe 20-21
W i l d e m (a) d
(ß) Boden
(b) über dem ehernen
19 : (Wilden) Boden die L i e b e / n /
2 0 : Gottes Tochter , von ihm allein.
(v. 21-24 am rechten Rand:)
21 22 23
10 24
Sei geseegnet o sei, himmlische Pflanze mir
Mit Gesänge gepflegt! wenn des ätherischen
Nectars Kräfte dich nähren.
Und das (1) schöpfrische
(2) schaffende (a) L icht
(b) Stral dich rei f t !
2 5 : Wachs ' und werde zum W a l d ! eine (1) beseel/ l /tere
(2) belebtere
15 (5) begeisterte
(4) beseeltere
2 6 : (1) Eine blühende
(2) Vollentblühende W e l t ! Sprache der Liebenden
2 7 : Sei die Sprache des Landes
20 2 8 : Ihre Seele (1) der Ton des Volks!
(2) des (verschrieben statt der^
Geist des Volks
(3) der (a) Klang
Ci; Laut des Volks! IP
25 17 erwächst aus erwächt I'P H^ einziggenügsam] einzig genügsam H^
noch,] noch H^ 18 Einzig edel] Einzigedel H^ fromm] from H^
ehernen,] ehernen i: /« 2 1 sei,] sei / i « Pflanze,] Pflanze i ^ « 2 2 gepflegt,
nach gestr. gegrüßt, FI^ 2 4 schöpfrische] schaffende H^ reift.] reift! H^
2 5 beseeltere,] beseeltere F P
30 Erläuterungen
Asklepiadeisches Silbenmaß.
2 0 ihr Dankbaren] Eines der wenigen Beispiele für Ironie bei Hölderlin; vgl.
noch Gebet für die Unheilbaren v.2; Dichterberuf v.64; Brod und Wein v.ll2. ~
Über die Mißachtung der Dichter klagt auch Hyperion 2,116.
423
20-22 Die Liebe. Lebenslauf
6 die knechtische. . . die Sorge] Vgl. Vulkan v. 7 f.: der / Häßlichen Sorge.
7. 8 wandelt . . . über dem Haupt uns längst] Vgl. {An eine Fürstin von Dessau)
V. 11 f.; Der Zeitgeist v. 1; Brod und Wein v. 109 f .
8 Sorglos] »Ohne sich um allzuviel Aufgaben und Beschäftigung sorgen zu
müssen.« 5
9 — 2 0 Vgl. den Satz aus dem Brief an die Mutter vom Januar 1799: Aber gerade
wie nach dem Winter der Frühling k ö m m t , so kam auch i m m e r nach dem
Geistestode der Menschen neues Leben, und das Heilige bleibt i m m e r heilig,
wenn es auch die Menschen nicht achten; femer Ermunterung v. 10—16.
16 ein Zeichen der schönem Zei t ] Vgl. {Götter wandelten einst...) v. 8; Rous- 10
seau V. 27.
LEBENSLAUF
Erweiterung des einstrophigen gleichnamigen Gedichts 1, 247. — Zur Einordnung
vgl. die Bemerkung zu der Ode Die Heimath.
Überlieferung 15
H^ : Stuttgart I 6 Bl. S" (s. die Beschreibung S. 377).
H^ : Stuttgart I 6 Bl. 9', 9®.
H^ : Homburg H 16 (s. die Beschreibung 1, S59f.).
Erster Druck: Gedichte von FricdricKHoelderlin. {Hg. von Ludwig Uhland und
Gustav Schwab.) Stuttgart und Tübingen 1826, S. 7S. 20
Lesarten
Metrische Zeichen links neben der Überschrift: ^ ^ — X H^
Keimworte des Entwurfs: Hochaufstrebte (1) m (2) sein Geist aber pp. / Höher
oder hinab H ^
1 . 2 : I : (1) G r o ß e m 25
(2) Hohem (a) nahet
(b) nahte sein Geist, aber (ci) der Liebende
Sah [und] hernieder und schnell
{ß) aus Liebe mußt
Er hernieder und bald hatte der Abgrund ihn. 30
(über Geist, aber der Ansatz: dich, dich^ H^
424
Lebenslauf 22
II : (1) Gro
(2) Hohem nahte sein Geist, aber aus Liebe mußt
Er hernieder und (a ) h
(b) bald hatte der Abgrund ihn.
ä (3) GröDers wolltest auch du, aber die Liebe (a) zog
(b) zwingt
All uns nieder das Laid beuget gewaltiger. H ^
Metrische Zeichen über v. 1: — ^ (Ober den Silben: Ho nah
Geist; H ^
10 I I I : Text H^
3.4: (1)'Er vollbrachte (2) So (a) 1
(b) durch(a)lief
(^)flog er des Lebens
15 Flug, und kehrte woher (er) kam. H ^
(3) Denn (a) ek
(b) es
(4) Unser
(5) Und es kehret umsonst nicht
20 Unser Bogen, woher er (a) kam !
(b) war.
(c) k o m m t ! f / ^
3 Doch über gestr. Und H^
5 - 8 : I : 25 5 : (1) Aufwärts oder hinab (a ) ^
(b) !
Aber öfter in der Tiefe
(2) Diß erfuhr ich denn oft (a) über den heiteren
(b) wenn die Begegnungen
50 6 : (1) Meiner Lieben holde Gesänge mich / m i c h rührten
(2) Der Geliebten wenn
(3) Meiner Lieben m i c h einst
(4) Und das liebende W o r t
(5) (Und) de in /e / liebendes Bild und die Gesänge mich
35 7 : (1) W e n n
425
22 Lebenslauf
(2) Und die Lüfte
(3) In {den) Lüften des Maitags [mich]
8 : Rührten aber (1) bedeutender
(2) gewaltiger
8 a : W e n n (1) Harmonien des Scliiksaals 5
(2) der (a) Blize
(b) Pfeile / d i e / des Schiksaals
8 b : ( l ) D a s
(2) Einer brennend m i c h traff
8 C : (1) Lauschte, 10
später als Ansatz II:
(2) Hab ich nahe den Gott gefühlt.
(3) sah ich den Gott oft nah H ^
I I : am rechten Rand:
5 : Aufwärts oder hinab! wehet in (1) heiiger 15
(2) lezter Nacht
6 : W o die s tum(m)e Natur (1) unter den (a) donnernden
(b) rollenden
(c) ehernen
(2) werdende Tage sinnt, 20
7 : (1) w
(2) W e h t (a) ein lebender
(b) des L ( e i e n i )
(c) lebendiger Othem
(3) W e h t ein (a) liebender 25
(b) lebender Othem
8 : (1) In den
(2) Nicht i m untersten Orkus auch? H ^
III: 5 : (1) Di0 erfuhr ich. 30
(2) Aufwärts oder hinab! wehet in heiiger Nacht
6 : W o die (1) stille
(2) stumme Natur werdende Tage sinnt
7 : W e h t i m untersten Orkus
8 : Nicht ein liebender O t h e m auch? H^ 35
426
Lebenslauf 22
I V ; 5 herrschet über wehet I'P 7 Herrscht im scliiefesteii t/i«/-.-Weht im
nüchternen H^ 8 Grades, ein Recht noch über: liebender Othem H^
9 - 1 2 : I : Nicht wie Meister auf Erden
Erziehen führen des ebnen Pfads H ^
5 I I : 9 : D iß erfurh (Schreibfehler) ich. Denn (1) nicht
(2) nie ster(6) l ichen
Meistern gleich
1 0 : (1) haben die Himmlischen
(2) Hab(t) ihr Himmlischen, ihr Alleserhaltenden
10 11 : Daß ich wüßte, mit Vorsicht
12 : M i c h des ebenen Pfads geführt. H ^
I I I : Text d l Vorsicht, 12 M i c h aus M i t ; H^
13 —16 : I : Daß für alles danken lerne der
Daß er lerne die Freiheit
15 Aufzubrechen, wohin er will. H ^
I I : Text IP W f l 3 Himmlischen H^ 14 Alles spater einge-
fügt IP lern' H^ 15 Freiheit IP 16 wohin aus v/ielP)
Erläuterungen
Asklepiadeisches Silbenmaß.
20 An die Schwester schreibt Hölderlin im April 1797: Es ist nicht übel, wenn man
in der Jugend oben hinaus will; aber das reifere Leben neigt sich wieder zum
Menschlichen und Stillen.
1 . 2 rgl. Die Heimath v. 21-24.
4 Bogen] Der Heraklitische Gedanke der naUwQonog ägßovlr]; Heraklit,frg. S1
25 Diels: oi ^wiäaiv oxcos öiatpeQÖßEvov dcovTÜi öfioAoydei • naUvxQonoQ dg/iovlrj
SxcoaTceQ rö^ov xai Mgrjg (Diels übersetzt: »Sie verstehen nicht, wie es (das Eine)
auseinander strebend ineinander geht: gegenstrebige Vereinigung wie beim Bogen und
der Leier«), Vgl. Pinto, Symposion 187 A:r6ev ydg (prjai ötafeQÖ/ievov avrd atJTqj
^v/KpiQeo'&ai waneQ ägnoviav röiov re xai Xvgag. Diesem Satz ist das Sv dia<pdgov
30 iavrcö des Hyperion (1,145) entnommen. (Siehe dazu den Abschnitt » Hölderlin und
Heraklit« bei Gisela Wagner: Hölderlin und die Vorsokratiher, Würzburg 19i7,
S. 41—95.) — In der einstrophigen Fassung 1, 247 heißt es: des Lebens Bogen; vgl.
die Erläuterung z.St. (1,565). Das Heraklitische ävco xdro) wird durch das Aufwärts
oder hinab \(v.5 der erweiterten Fassung) wörtlich wiedergegeben. — Am 2. Juni 1796
427
22—23 Lebenslauf. Ihre Genesung
schreibt Hölderlin an den Bruder: Preilich sehnen wir uns oft auch, aus diesem
Mittelzustand von Leben und Tod überzugehn in's unendliche Seyn der schönen
Wel t , in die Arme der ewigjugendlichen Natur, wovon wir ausgegangen. Aber
es geht ja alles seine stete Bahn. — Auch das Wort des Sophokles, Oed. Col. v. 1226
f., ßrjvat xel^ev o&ev ne.Q rjxei (Motto zum 2. Band des Hyperion) klingt hier an. 5
5 in hei l 'ger Nacht ] Vgl. Kanton Schweiz v.70; An Eduard, I.Fassung, v.34
(Lesarten); Dichterberuf v.S}; Stutgard v.87;Brodund Wein v. 48 u. 124; {An
die Madonna') v.48; Der blinde Sänger v. 3 f.: in Heil igem Zauber die Nacht ;
Natur und Kunst v. 28: Heilige Dämmerung.
7 i m schiefesten Orkus] Fg-/. Gnnjmed u. i ; in Unmuth, schief. 10
13 Alles prüfe der Mensch ] Vgl. l.Thess. S, 21: Prüfet aber alles, und das
Gute behaltet. — Hyperion 1,31: prüfe alles und wähle das Beste! ; (An die Ma-
donna') V. 82 f.: stark aber sei Zu wählen aus Vielem das beste.
14 genährt] Vgl. Achill v. 10 und die Erläuterung z. St. (1, S92).
16 Aufzubrechen] Vgl. Brod und Wein v. 41. 15
IHRE GENESUNG
Erweiterung des dreistrophigen gleichnamigen Gedichts 1, 253. — Zur Einordnung
vgl. die Bemerkung zu der Ode Die Heimath.
Überlieferung
H: Stuttgart I 6 Bl. 9", 10''-(s. die Beschreibung S. 377). 20
Erster Druck: Hellingrath 4, 24.
Lesarten
3 Zarte nach gcstr. Süße H 5 der aus des H 6 Frohen] Frochen
(Schreibfehler) später der Zeile vorgefügt H Hains,] Hains H
9 . 1 0 : (1) Doch schon athmet und tönt heilige Lebenslust 25
Ihr im reizenden W o r t wieder, wie sonst {und} schon
(2) Aber athmet und tönt heilige Lebenslust
Nicht im reizenden W o r t wieder, wie sonst ihr schon ( . ' )
(3) A c h ! {schon) athmet und tönt heilige Lebenslust
Ihr im reizenden W o r t wieder, wie sonst (und) schon H 30
428
Ihre Genesung 23
12 Dcine]darüber gestr.:Nicht H (vgl. die 2.Fassangv.lO) Blume,] Blume H
1 3 - 2 0 : 1 : 13 : Heiige Natur und du (1) bist es nun
(2) sei du nun auch, wie sonst
1 4 : (1) 0
5 (2) Du d die zu oft zu {oft)
15 : Mich Zweifelnden mit Liebesgaaben
bestrafte.
17 : Wenn ich altre dereinst, siehe! so geh ich (1) von ( ? )
(2) dir
10 (3) frei
1 8 : [Allesheilende] Alleserneuemde
19 : Deiner FJam(m)e die Schlaken
I I : 13 : Heiige Natur, (1) und
(2) o du, welche zu oft , zu oft ,
15 1 4 : (1) Mich , (a) mein
(b) den zwe
(c) das
(d) mein zwei lächelnd
(2) Nimmergeglaubt,
20 (5) Wenn ich trauernd versank lächelnd
(a ) zweifeld
(h) das zweifelnde
( c ) /me in zweifelnd Haupt/
15 : Haupt mit (1) Freuden
25 (2) Gaaben umkränzte
16 : Jugendliche, nun auch, wie sonst!
17 : Wenn ich altre dereinst, siehe (1) ge
(2) so geb ich dir
18 : Die (1) täglich
30 (2) mir (Schreibfehler) täglich verjüngt AllesCaJemeuemde
(Tijverwandelnde
Cmir verschrieben statt: mich^
1 9 : Deine <r) Flamme die Schlaken,
2 0 ; Und ein anderes (1) blüht mir
35 (2) leb ich auch, (verschrieben statt: auf.^ H
429
Ihre Genesung 23
Zuletzt wird im Anschluß an den umgestalteten v. 12 eine weitere Strophe entworfen,
die, weil darin die genesene Geliebte, aber nicht die Natur angeredet wird, allenfalls
eine neue Schlußstrophe statt der beiden bisherigen darstellen könnte, jedoch nicht
vor V. 13 eingefügt werden darf:
12: Seine Blume den Tagsgott an (.) 5 12 a : (1) Hier
(2) Neugeborene, sei unter (a) Ansatz zu W (b) d e n (a) Weinenden,
(ß) Sehnenden
(y) Hoffenden lO 12 b : (1) Sei du unserer dämmernden
(2) Sei 1(a) Auf der (b) Auf Erde wil lkommen
(3) sei nun gl
(4) Sei nun freudiges fo; un W Licht unserer dämmernden 15
12 C : (1) Unsrer
(2) Tranken Cucric/jrificfx statt; K r a n k e n ) E r d e w i l l k o m m e n
12 d : (1) Unter Sterblichen, göttlich Kind!
(2) Bei den Weinenden, Götterkind! H
Links neben v. 12 und 1S metrische Zeichen: 20
- ^ ^ - H
Erläuterungen 25
Asklepiadeisches Silbenmaß.
Allem Anschein nach ist diese Erweiterung des dreistrophigen Gedichts (1, 25i)
nicht zu Ende gediehen. Aus den Lesarten geht die Unschlüssigkeit über die Gestal-
tung des Schlusses deutlich hervor. Vielleicht deutet der Umstand, daß diese Ode
nicht mit den andern (aus Stuttgart 16) in die Sammelhandschrift (Homburg 30
HlS—18) aufgenommen ist, auf ihre Verwerfung hin.
12 d Götterkind (Lesarten)] Vgl. Elegie v.77 (Menons Klagen um Diotima v.87).
1 3 Heiige Natur] Verstoß gegen das Silbenmaß. Vgl. jedoch Das fröhliche Leben
430
Ihre Genesung. Der Abschied 21 — 27
(S. 274f.) V. 37 und Griechenland (S. W6) v. 2, wo das Wort Natiir deutlich den
Ton auf der ersten Silbe trägt. Andrerseits ist es v. 1 dieser Ode auf der zweiten Silbe
betont. Auch kommt in der ashlepiadeischen Strophe das hier wahrscheinlich anzu-
nclmende Versehen mehrmals vor, ohne immer berichtigt zu werden — z. B. An die
5 Deutschen v. 42. Einmal setzt Hölderlin zur Kennzeichnung desselben Fehlers die
metrischen Zeichen über die Zeile: Der Abschied v. 9 (H^). Vgl. An die jungen Dich-
ter V. 2 (Lesarten).
DER A B S C H I E D
Erweiterung des einstrophigen Gedichts Die Liebenden 1, 249. - 7,ur Einordnung
10 vgl. die Bemerkung zu der Ode Die Heimath.
Überlieferung
//•'; Stuttgart I 6 Bl. 10" (s. die Beschreibung S. 377): Entwurf.
W : Stuttgart I 6 Bl. 10', 10": vorldußge Reinschrift.
H^ : Homburg H 16", 17', 17" (s. die Beschreibung 1, SS9 f.): Reinschrift mit
15 Bleivarianten zur zweiten Fassung.
Merkwürdigerweise sind, bei dieser Ode als einziger, die Zeilenanfänge in H^ und
H^ nicht treppenfürmig eingerückt.
Erster Druck: Gedichte von Friedrich Hoelderlin. {Hg. von Ludwig Uhland und
Gustav Schwab.) Stuttgart und Tübingen 1826, S. 76-77.
20 Lesarten
Erste Fassung:
1 - 4 : fehlt Hi
1 uns?] uns, H^ Fragezeichen aus Komma H^ klug?] klug, H^ Frage-
zeichen aus Komma H^ 2 thaten,] thaten H" Mord,]Mord H^ 3 Ach!]
25 Ach H ^ wenig,] wenig H ^
Der Entwurf (I'U) setzt die sich von der Ode Die Liebenden (1, 249) nur geringfügig
unterscheidende erste Strophe voraus und beginnt nach deren Niederschrift (H^)
auf der Rückseite desselben Blattes mit v. S. Der fertige, sehr verknäulte Entwurf wird
dann in einer vorläufigen Reinschrift geordnet. Da auf der Vorderseite unter der
30 schon dastehenden, in der unteren Hälfte begonnenen 1. Strophe (darüber : Ihre Ge-
nesung) nur noch ein Raum von 11 cm zur Verfügung steht, auf der Rückseite nur
431
24-27 Der Abschied
itr 4,S cm breite obere Rand, werden i und 2 Strophen auf der Vorderseite in zwei
Kolumnen nebeneinandergedr'dngt, die letzten ) Strophen auf der Rückseite in drei
Kolumnen. — Diese vorläufige Reinschrift (H^) enthält schon einige Varianten zur
endgültigen Fassung, ebenso der Entwurf (H^) am linken Rand.
5 D e n ] (1) In (2) Ihn (3) Den i ? - ' i h n , ] i h n i f ^ welcher aus w e l c h e s / f « 5
alles] Alles H ^ erst,] (1) ist, (2) gab, (3) schuff (4) d (5) doch (6) nur H ^
(7) erst H^ 6 Sinn über gestr. Glük H' . und] u. über der Zeile H^ er-
schuff aus: ims schuff H^ ihn , ] ihn H^' ^ den beseelenden] (1) den (a) h.
f i j gütigen (2) den fa^ Unsterblichen CJJ beglükenden H^ 1 Schuzgott aus
Schuzgeist H^ 8 : (1) Dii3, o Theure (2) Text W 10
9 : (1) Aber gesinnt meint der Menschen Sinn
(2) Doch anderes
(3) Andere Sünde doch {a ) denket
(b) siehet der Menschen Sinn,
Der uns bindet, H ^ 15
(4) Aber
(5) Andere Sünde doch denket der Menschen Sinn
(über den ersten S Silben: — ^ - ^ ^ ) H^
(6) Text H^
9 Menschen Sinn,] darüber von späterer Hand, mit Tinte: Wellsinn s i ch , i^^ 20
1 0 : (1) Anderen
(2) Andern ehernen Dienst kennt
(3) Anders ehernes Recht übt er und andern Dienst
(4) Dienst gestr.; dafür: Recht H'
(5) Anders 25
(6) Andern ehernen Dienst übt er und andres Recht , H ^
1 2 : (1) der Gebrauch ("aj von uns.
(b) uns ab.
(2) am lir\ken Rand:
Tag für Tag der Gebrauch W 30
13-16: I : (1) Go (2) W e n n Götter und Menschen sich hassen
M u ß der Liebenden Herz vergehn
Und (a) mach
(b) manches ^ s sühnendes Opferthier. 35
432
Der Abschied 24-27
(a) W e h !
0?) Laß ve
(y) Aber schweigen, will ich
I I : 13 : (1) ich wüßt es zuvor;
(2) ich wüßt es zuvor,
(3) W o h l ! ich wüßt es zuvor (a ) i m m e r
(b) seit
(4) W o h l ! ich wüßt es zuvor (a ) , seit
(b). Seit der gewurxelte
10 14 15
16
Allentzweiende Haß Götter u. Menschen {trennt,)
Muß, mit Blut sie zu sühnen
(1) Aller
(2) M u ß (der) Liebenden Herz[en] yergehn. H^
13 wußt']^vuß
15 1 7 - 2 0 (später entworfen als V. 21-24):
17 : Laß mich schweigen, o laß n immer von nun (an) mich
18 (über V. 17):
Jenes Tödtliche sehn, daß {ich) in Frieden doch
19 : Hin ins Einsame wandre
20 2 0 ; Und noch unser der Abschied ^ei . ) H ^
1 7 an fehlt H^ 1 8 sehn,] sehn! H^ i m ] in 1 9 ziehe ] wandi-e i f «
2 1 - 2 4 :
2 1 : Reich die Schaalc mir (1) dann,
(2), um selbst
25 (3) nur
(4) du daß ich (des) rettenden
2 2 : (1) Allesheilenden Gifts, daß
(2) Heilgen Giftes (a) soviel
(b) genug daß ich des Lethe(a)tranks
50 (ß)ciael\fe]s
2 3 : Mit dir trinke, (1) b iß
(2) daß Alles
2 4 ; Haß und Liebe vergessen (1) ist
(2) sei!
35 2 1 selbst,] selbst! B^ 2 4 sei!] sei. H^
433
2 4 - 2 7 Der Abschied
2 5 - 2 8 :
2 5 : (1) Wen<n> wir
(2) Ansätze zu D (?) und h (?)
(3) Hingehn will ich, vieleicht seit (verschrieben statt: seh^ [ m i c h ]
{icK) in langer Zeit 5
2 6 : (1) Treues Auge!
(2) Stilles Leben
( 3 ) D
(4) Diot ima! dich einst (a) f remd und (a) stille (ß) f r o m m ,
W i e Elysiums Schatten / Wandeln fr iedlich 10
(b) fr iedlich (a) und f remd
(ß) und f remde (gehn)
2 7 : W i e Elysiums Schatten
2 8 : (1) W i r i m alternde ( n ) Haine dann —
(2) Dann i m alternde ( n ) Haine ( m i r ) 1 5
2 5 seh ' ] seh H^ 2 6 D io t ima ! ] Diot ima H^ h ier ] (1) einst (2) darüber:
hier wi H^ hier über gestr. einst H^
2 6 Aber bis 2 8 wir , ] Friedlich und f remde gehn
W i e Elysiums Schatten
W i r i m alternden Haine dann. H ^ 20
2 7 . 2 8 : (1) Stille
(2) Alles
(3) Dann das Wünschen und friedlich
Gleich (a) Se
(b) den Seeligen, f remd sind wir H^ (am linken 25
Rarui, später als H^!)
2 7 Dann aus Das H^
2 9 - 3 2 :
1 : 2 9 : (1) Und ich (a) gl (b) gelei (2) Und (3) Uns (4) Und es leite
(5) Fülirt 30
(6) Und uns (a) führt
(b) führet der Pfad unter Gesprächen (a) ein
iß) aus
(y) fort
3 0 : Bald mit heiliger (: unterstr.) Kraft (1) / (a) Uns 35
434
Der Abschied 24-27
(b) T(räumend)
(c) Hier zur Stelle
des Abschieds
(2) fesselt die Träumenden
5 3 1 : Hier (die) Stelle des Abschieds
32 : Und es diimmert das Herz in uns H ^
I I : 2 9 : U"d uns führet der Pfad unter Gesprächen fort,
3 0 : Bald mit liebender Kraft fesselt die Träumenden
31 : Hier die Stelle des Abschieds,
10 3 2 : Und es dämmert das Her l in uns; H ^
I I I : Varianten zu II:
2 9 Und] Hier 3 0 Träumenden] V e r g e s s e n e n 3 1 Hier
d ie ] darunter: Fesselt H^ 32 : Es erwärmet ein H^
I V : am linken Rande des ersten Entwurfs, später als II und III:
15 Und ein ruhig Gespräch führet uns auf und ab
(1) Lange
(2) Sinnend zögernd, doch izt (a) trift
(b) faßt die Vergessenen
Hier die Stelle des Abschied<j> H '
20 V : Text H^
3 3 - 3 6 :
3 3 : (1) Ahndend
(2) Sinnend sehen (wir) noch, /Do/ (?) Stimmen und
(a) Liederklang
25 (b) holden
(c) süßen Sang
3 4 : W i e aus voriger Zeit hör ich und Saitenspiel
3 5 . 3 6 : (1) Und die f a ; Freude
(b) Wo(nne) der Jugend
30 (2) noch E i n m a < 0
(3) schimmert [ d i e ] noch Einmal
(4) Und an ( . . . ) zum Ende / G l i m ( m ) t und schimmert
(5) am linken Rand:
Und es schimmeret) noch Einmal
35 Uns im Auge die Jugend (auf). H^
435
24-27 Der Abschied
3 3 seh ' ] seh H^ Sang,] Sang H'^ 3 4 hör ' ] hör H^ Saitenspiel,] Sai-
tenspiel H ^
35 . 3 6 : Und (1) es schimmert noch einmal
Uns i m Auge die Jugend auf. H ^
(2) befreiet, in Flammen H^ (spätere Variante) 5
3 5 Lüfte üher Flammen H^ 3 6 Flammen über Lüfte H^
Zweite Fassung:
Später wird die Reinschrift (H^) noch einmal mit Bleistift dwchgesehn (gleich-
zeitig auch die urmittelbar folgende Ode Diotima — vgl. dort die Lesarten). Es wer-
denfolgende Änderungen erwogen: 10
11 fodert ] listet 12 Gebrauch unterstr. 13. 14 der gewurzelte Allent-
zweiende H a ß ] die gewurzelte Ungestalte die Furcht 2 6 hier ohne Ersatz
gestr. 28 . 2 9 f remd sind wir. Und ein ruhig Gespräch] f remde gehn W i r
umher (1) und (2) ein Gespräch 2 9 auf und a b ] ab und auf 3 0 f aß t ]
mahnt 3 5 . 3 6 befreiet, in Lüfte Fliegt in Flammen der Geist uns auf.] 15
die Lil ie duftet Golden (1) am Bach (2) über dem Bach uns auf.
Erläuterungen
Asklcpiadeisches Silbenmaß,
4 ein Gott in uns] Fgl. Hymne an die Menschheit v. 80; An die klugen Rath-
geber V. 31; Hyperion 1, 27: Es ist ein Gott in ims, . . . der lenkt, wie Wasser- 20
bäche, das Schiksaal, und alle Dinge sind sein Element ; femer (An einen
Baum) V. S f . — Ovid, fast. 6, 5 ; est deus in nobis, agitante calescimus illo.
2 5 — 3 6 Das Motiv der künftigen Begegnung beschließt auch Menons Klagen um
Diotima (v. 123-130).
3 0 die Vergessenen] Deponentisch zu verstehen wie latein. obliti; vgl. 1, 461, 25
19-23; dazu Hyperion 1,93: vergessen der Leiden; Der Archipelagus v. 201:
der Schiksaalstage vergessen; Patmos, I.Fassung, v. 193: Der W e l t vergessen;
auch Stimme des Volks v. 9: selbstvergessen.
35 . 3 6 Und die Lilie duftet Golden über dem Bach uns auf (2. Fassung)] Mit
Böckmanns Deutung S. 302 f . vgl. die abweichende Auffassung Karl Victors 30
(Internationale Forschungen zur deutschen Literaturgeschichte, Festschrift für
Julius Petersen, Leipzig 1938, S. 1S7).
436
Diotima 28
D I O T I M A
Du schweigst und duldest... (sechs Strophen)
Erweiterung des zweistrophigen gleichnamigen Gedichts 1, 242. - Zur Einordnung
vgl. die Bemerkung zu der Ode Die Heimath.
5 Überlieferung
I-P : Stuttgart I 6 Bl. (s. die Beschreibung S. 377).
W : Homburg H 17^, IS'' (s. die Beschreibung l,SS9f.).
H^« : Bleivarionten in H^.
Erster Druck: Gedichte von Friedrich Hoelderlin. (,Hg. von Ludwig Uhland und
10 Gustav Schwab.) Stuttgart und Tübingen 1826, S. 78-79.
Lesarten
1 duldest, denn] duldest und H^ n icht , ] nicht H^ 2 edles über gestr.
heilig H^ siehest zur E r d ' ] siehest zur Erd über: welkest hinweg H^
3 : (1) Denn ach! vergebens bei Barbaren (2) Vor Gott , denn ach! umsonst,
15 umsonst ("a^ nui- (b) ja (c) nur (3) A m schönen Tag unter den Anfang der Zeile
H^ 4 Sonnenlichte,] Sonnenlichte H^ 5 Brüder] Brüder, H^ 6 sonst
iiier sich H^ 7 L i e b ' ] Lieb H^ sich üicr g-«rtr. sonst H^ 8 : ( l ) W e c h .
selnden Tages und Jahrs erfreuten, (2) Text H^
Unter der 2. Strophe metrische Zeichen, in breitem Abstand voneinander:
20 ^ K - H ^
5 — 8 : Diese Strophe wird später mit Bleistift umgestaltet: 5 Königlichen,]
gestr.; darüber: Preigebomen, H^" wie Brüder doch , ] darüber: (1) noch jezt
des'Lands (2) des Alpheus sich 6 : (1) noch über gestr. sonst (2) Noch
jezt, u. jenes Lands und Olympias 7 : (1) Sich (2) Und des Eurotas,
25 und des Lands des (3) am Rand: Und des Gesanges i /^® 8 und Olympias
liier umfangenden H^" freuten,] (1) davor, über der Zeile: [sich] (2) darüber:
freuen
Die Preigebomen, (die) des Alpheus sich
Noch jezt, und jenes Lands imd Olympias
30 Und des Gesanges sich und ihres
Immerumfangenden Himmels freuen, H^'*
437
28 Diotima
9-12 : I : 9 : Die (1) Erstgebornen,
(2) Götterkinder, welche des Ursprungs noch
1 0 : (1) Gedenk, wie du,
(2) Der 5
(3) W i e du Gedenk, roll Güte, du l iebliche
11 : Von (1) vmsrer M u <tter)
(2) ihr der mütterlichen Sonne
12 : Zeugten, die (1) Alten,
(2) Schönen, die Göttermenschen, 10
I I : am linken Rand:
9 : (1) Noch ihres
(2) Des Ursprungs noch in tönender Brust gedenk;
10: (1) Und
(2) Sie, die an Güte 15
(3) An Lust und (a) den
{b) That den himmlischen Mächten gleich
11 : Von ihr (1) der (a) d
(h) mütterlichen (a) Sot
{ß) Sonne 20
(2) noch von der Muttersonue
12 : Zeugten / , / d i eFre i en , die Göt termenschen /Ach ! sie s i e / / ^
I I I : Text H^
I V : Ansätze zu einer Umgestaltung: 10 : (1) Und (2) Von jenen [ d i e ] aus-
gegangen von jenen {die) (3) am linken Rand: Denn jene fühlen wie die 25
Alten (durch wie die drei schräge Striche, die metrische Überßüssigkeit an-
deutend) H^" 12 die Freien,] die in der geändert H^'^ die Göttermen-
schen,] die ire der ^eämicrt H"" (entsprechend 13 Die m Der H^")
1 3 sind;] (1) sind; (2) sind. H '
1 4 - 1 7 : fehlt W 30
14 sie] die H^« 1 8 — 2 0 : Doch eilt die Zeit. Die Himmlischen sind jezt schnell.
Schon n immt ihr altes, ungeschriebnes
Recht , die Natur, die vergeßne, wieder. H ^
1 9 N i m m t bis 2 0 w i e d e r ? ] Darüber (nachdem Natur mit Blei unterstrichen 35
438
Diotima. Rükkehr in die Heimath 28-29
ist): Tönt denn nicht schon, zu / Leben, (1) zu freuen (2) das freudige Recht
hernieder f / » " 2 1 S i eh ! ] Und H' unser über der Zeile eingefügt
o Liebe , ] ( l ) d u T h e u r e , (2) o Liebe ! H^ o Liebe, H'^ 2 2 Geschiehts,]
Geschiehts: ü f ' Uieäi] daruich ein Komma getilgt H^ 2 4 nennt,] nennt i i / '
5 (Am linken Rand, neben V. 2) und 24, die metrischen Zeichen: - w ^ H^)
Erläuterungen
Alkäisches Silbenmnß.
5 Die Königlichen] Die Griechen, besonders die Athener. Vgl. An Ihren Genius
V. 4: die Athenerin,• ebenso Elegie v. 92 (Menons Klagen um Diotima v. 102).
10 6 W i e eines Hains gesellige Gip fe l ] Kg-/. Die EicWöume ( i ,
9 Vgl. Der gefesselte Strom v. ) und 9.
11 Der Vers ist um zwei Silben zu lang; vgl. Der Frieden v. 3S; An Zimmern (Von
einem Menschen sag ich...) v. ) und 7; siehe die Erläuterung zu v. 49 des Gesangs
des Deutschen.
15 13 nimmer] Im eigentlichen Sinn zu verstehen als »nicht mehra, gemäß der
schwäbischen Mundart.
15 von den vor'gen Sternen] Den Sternen, die auch, wie Diotima, eigentlich
einer früheren, »vorigen«, besseren Zeit angehören, die ja zum Teil die Namen
griechischer Heroen tragen.
20 RÜKKEHR IN DIE HEIMATH
Zur Einordnung vgl. die Bemerkung zu der Ode Die Heimath.
Überlieferung
H (v. 1-16) : Homburg H 18" (s. die Beschreibung 1, ff9f.).
J: Für Herz und Geist. Ein Taschenbuch auf das Jahr 1801. Mit Musik, grasten-
25 theils von Zumsteeg. Herausgegeben von Hg. Ludwigsburg, in der Cotta'-
schen Hof-Buchhandlung. S. 109-110, unterschrieben: Hölderlin.
Eigentümlichkeiten der Schreibung: wogend, Schiksal, heissen.
A^ : Gedichte von Friedrich Hoelderlin. {Hg. von Ludwig Uhland und Gustav
Schwab.) Stuttgart und Tübingen 1826, S. SO-Sl.
30 Eigentümlichkeiten der Schreibung: wogend, segne, seyd, Schicksal, Rück-
kehr, Glück.
439
29 Rükkehr in die Heimath
Lesarten
1 Lüfte!] Lüfte, JA^ 3 Gebirg!] Gebirg', / Gebirg'! A^ 4 Gipfel,]
Gipfel! A^ ihrs] ihr's JA^ wieder?] wieder! J wieder. A^ 5 in]
In J fem] fem, A^ 7 du mein] du, mein JA^ ihr Gespielen] ihr,
Gespielen A^ 9 lang] lang' A' Ruh] Ruh' JA^ 1 0 hin, und] hin 5
und H Lust;] Glük H Glück, A^ 11 Vaterland!] Vaterland, J A^
heilig-] Heilig- A^ 12 Duldendes!] Duldendes, JA^ geblieben.] ge-
blieben! JA^ 14 freun] freu'n JA^ erziehst] erzieh'st J theures]
Theures JA^ Deinen] deinen J auch] auch, JA^
17-24 : fehlt H 10 2 1 dann] denn A ^
Nach dem Druck wird in der Handschrift mit Bleistift zu einer Umarbeitung ange-
setzt; die Verse 7—10 (weitere Änderungen werden nicht erwogen) gewinnen dabei
diese Gestalt:
Und du mein Haus, wo (1) Gärten 15
(2) Felder mich und
Heilige Schriften noch auferzogen!
Wie lang ists her, wie lange! die Alten sind
Dahin und draußen starben die Völker auch
H 20
Erläuterungen
Alkäisches Silbermaß.
1 Boten Italiens] Vgl. Stutgard v. 6S: Italiens Lüfte ; auch Die Wanderung
V. 2f., wo die nördlichste Landschaft Italiens, Lombarda, eine Schwester des
benachbarten Sueviens heißt. 25
3 Ihr woogenden Gebirg] Vgl. Der Mutter Erde v. 68 f .
1 1 . 1 2 heilig-Duldendes] Im Gesang des Deutschen v. 2 heißt das Vaterland
allduldcnd.
2 2 Pfade des Wanderers] Vgl. Griechenland, 1. bis i. Fassung (S. 254-258)
V. 1: Wege des Wanderers. 30
440
Das Ahnenbild )0-31
DAS A H N E N B I L D
Im Herbst 1800 zu Stuttgart in Landauers Haus entstanden.
Überlieferung
H^ : Stuttgart I 6 Bl. /7®, S7' (s. die Beschreibung S. 377): erster Entwurf.
5 H" : Stuttgart I 6 Bl. S7': zweite Niederschrift.
tP : Stuttgart 1)0 b-e: Reinschrift.
Ein für sich liegendes Doppelblatt und drei ineinandergelegte Doppelblätter
19,} X 2),1 (22, f ) cm, aus Einzelblättem gewonnen, alle Kanten beschnitten;
schwach bläuliches, feingeripptes Papier; Wasserzeichen: Gekröntes Wappen
10 mit aufgehängtem Posthorn D & C B LAUW; D & C BLAUW. Die 16 Seiten
sind von fremder Hand mit den Buchstaben a bis q bezeichnet.
Inhalt: a—b: Der gefesselte Strom; b—e: Das Ahnenbild; e~g: Der blinde
Sänger; h—i: Bitte (An die Hofnung — H^); i—l: Dichtermuth; (danach zu-
nächst die Überschrift: [An Eduard.];^ l—m: Natur und Kunst; n—p: An
15 Eduard (Seite p ist nur im oberen Drittel, sechs Zeilen, beschrieben, Seite q
ganz leer).
h : Stuttgart Val S.l 9—21: Abschrift von fremder Hand, Druckvorlage für A
A^ : Gedichte von Friedrich Hoelderlin. (Hg. von Ludwig Uhland und Gustav
Schwab.) Stuttgart und Tübingen 1826, S. 2}-2S.
20 Eigentümlichkeiten der Schreibung (h undA^): blickst, Glücke, letzte, Hoffnung,
selig, Gabe, Du, Dir, Dich, Dein.
Lesarten
Motto: fehlt W hA^
Der erste Entwurf (H^) nähert sich, zumal in seinem ersten Ansatz, der endlichen
25 Gestalt nur von fem, so daß die besondre und zusammenhängerule Entwirrung der
verknäulten Handschrift einer Auflösung in einzelne Lesarten vorzuziehen ist.
Erster Ansatz:
Häuslich Leben
immerruhig, wie die Seeligen sind
30 das heilige Bibelbuch.
auf grünem Teppiche das [Söhnlein] Enkel spielt
441
i ö - ^ l Das Ahnenbild
Die (1) Mutter
(2) liebende Mutter [ i h m ] siehet ihm zu,
des jungen Verstandes und der Sprache sich wundernd
Aber der Mann dein {Sohn}
mahnet sein (1) jungend (2) junges W e i b 5
Lächelnd an
da er geseufzt um sie,
Da der übermüthige Jüngling Demuth lernt
Demuth lernt in den Bräutigamstagen.
Denn nun sich das Blatt gewandt, 10
Siehe! so liebtest, lebtest auch du.
Darum wohnst du, [ w i e ] (1) U (2) ein Unsterblicher [ den] unter den Deinen,
Und (1) täglich,
(2) oft , wie aus der Wolke des (a) W (b) Himmels (a) der (ß) k ö m m t
(1) K ö m m t (2) Von deinem Bilde der Seegen 15
Über das Haus.
Und nahe grünen die Bäume die du gepf ( / )anzt
Der Weinberg , den (1) z (2) du zogest voll [ T r a u ] purpurner Trauben
am Hügel hinab
[ W e i n mit den] der W e i n 20
mit den Freunden am
(1) Sch (2) Spricht er:
es klingen die Kelche
Dir zum Danke, auch die Mutter trinkt.
Es kostet aus dem (1) Kle (2) Kelche der Mutter 25
(1) Aus (2) Auch der Kleine des ( a ) Götterträ
(b) Göttertranks
(c) [he i igen] (Tranks.)
(d)e(dlen(?)}
(e) heiigen unterpunktet 30
Der zweite Ansatz schiebt sich, bis Zeile 10 ("Denn nun . . . sich das Blatt ge -
wandt,^, zwischen die Zeilen und an den linhen Rand des ersten:
Das Ahnenbild.
1 ; Alter Vater du bükst, immer , wie ehmals, noch
2: Da (1) g (2) du gerne gelebt, unter den Sterblichen 35
442
Das Ahnenbild ) 0 - 3 1
Aber (1) ruhig und freudig
(2) ruhiger (a ) jezt und [wie]
(b) i m m e r
4: W i e die Seeligen, sorgenfreier
5 S: In die Wohnung (1) herab, s iehe! (a) und (h) es (c) da spielt vor dir
(2), wo dich Co) Vater!
{b) staunend das Söhnlein nennt.
6: (1) Regt
(2) Lächelnd liegt das Kind, ( a ) und übt den IVIuth
10 (h) spielet
(c) lauret
(d) und den iMuthwill übt es u. (a) spielt
(ß) staunt,
(3) W o es
15 7: W i e die Lämmer im (1) Grase, spielt.
(2) Feld auf
8: Grünem Teppiche , (1) ruht
(2) lacht
(3) liegt und spielt.
20 (4) spielend übt.
(5) den zur Lust
9: I h m die IMutter gegönnt. (1) F e m e
(2) Stille
(3) F e m e sich lialtend sich (: verschrieben
25 statt: sieht)
10: (1) Sieht
(2) I h m die liebende zu wundert der Sprache schon
11: Und des jungen Verstandes,
12: Und des glänzenden Auges sich.
30 13: Aber der IVIann, dein Sohn mahnet sein (1) junges
(2) stilles
(3) zärtlich
(+) holdes Weib ,
14: An die Lüfte des Maies,
35 IS : An die Bräutigamstage
443
Das Ahnenbild
16: W o der Stolze die Demuth lernt.
17; Denn es wandte sich bald, H'
Lesarten der zweiten Niederschrift (H^), der Reinschrift (H^), des ersten Druckes
(A^) und seiner Druckvorlage (h): 5
2 Sterblichen,] Sterblichen H^ 3 ruhiger aus nu(r) nur,] n u r / j ^ 2
4 Seeligen,] Seligen h A ^ ("Seligen aus Seeligen heiterer] sorgenfreier
(durch einen späteren schrägen Strich ist die letzte Silbe als metrisch überflüssig
abgetrennt) H^ heiterer, hA^ 5 d ich , ] dich H^ D i ch hA' 6 dir
spielt und] (1) dir, wo es (2) [spielt] über: [wo es] (nicht weiter ausgeführt) 10
}P übt , ] übt H^ 7 Feld ' ] Feld H^ 8 Lust] später untemr. H^ 8 . 9 :
Diese beiden Zeilen sind am linken Rande durch eine gebogene Klammer zusammen-
gefaßt; ebenso die Zeilen 16 und 17, 24 und 2S, 32 und 3), 40 und 41. H^
9 haltend,] haltend H ^ 1 0 s i ch ] schon H ^ h A ^ sich üicr g-cstr. schon
H ^ 1 1 . 1 2 : (1) Und des ("a^ glänzenden Ci_) blühenden Auges Und des jungen 15
Verstandes sich. (2) über jungen (wohl auf die ganze Zeile außer der letzten Silbe
zu beziehen) die Nummer 1 H^ 12 schon. ] sich. schon, noc/i g'cstr. sich.
H^ 13 : (1) Und sein zärtliches (a) mahnet (b) W e i b mahnet der Mann, (2)
Aber, an andere Zeit mahnt sie der Mann, dein Sohn H^ 13 Sohn; ] Sohn,
h A ^ 15 Bräutigamstage,] Bräutigamstage iJ^ Bräutigamstage, aus Bräu- 20
t igams-Tage, h 16 D a ] W o H^ hA^ lernt.] lernt, H^ lernt; h A^
17 Doch aus Denn L P bald ; ] bald; H ^ bald. h A ^ Sicherer, denn er
war,] (1) sorgend (2) herrlich und sicher ist / Un<d) (5) herrlicher (4) siche-
rer, denn er war H ^
1 8 - 2 0 : Ist er (1) wieder und f a j recht 25.
(b) still ist der Geliebte nun,
(a) Liebend
(ß) Und in Freude gedeihet
Was er schafft,
(2) herrlicher ist unter den Seinigen, 30
(a) 1st er nun, der Geliebte,
(b) Nun der Zweifachgelieb^te,)
Und in Freude gedeiht sein Werk . H ^
1 9 Zweifachgeliebte aus: (1) Z (2) zweifach Geliebte h 2 0 gehet über
gestr. zehrt h 2 1 Stiller] [ A l t e r ] H^ lebtest] gestr. u. imterpunktet H^ 35
AAA TTT
Das Ahnenbild )0-31
und] u. aus 1 H^ so ; ] so H^ 22 Darum aus Drum h wohnest] aus
wohnen H^ aus wohnst h nun,] nun H^ als ein Unsterblicher,] als ein
Unsterblicher aus: gleich den Unsterblichen H^ 2 3 Leben] Seegen H^
h A ^ 2 4 vom schweigenden Aether] aus Wolken des Himmels vom
5 schweigenden Aether über gestr.: aus Wolken des Himmels H^ k o m m t ]
k ö m m t H^ hA^ 2 5 öitersüher gestr. Täglich H^ ruhiger Mann] (1) ruhi-
ges Bild (2) heide Wörter einzeln als unbefriedigend unterstrichen (5) Mann über
Bild H" 2 6 mehr t ] mehr H" sich, es] (1) sich und (2) sich es W
2 7 : (1) Was ("a^mitHoffnung begonnen, Cij du hoffend, (2) In bescheidenem
10 Glüke, H^ 2 8 : Was mit Hoffnung du einst (1) begannst. (2) gepflanzt. H^
29 : (1) Sieh! es grünen dir noch, (2) Die du (a) selber ( i j liebend erzogst
siehe! [ g r ] sie grünen (a) noch (ß) dir H^ 3 0 ums Haus den A r m , ] (1) die
A r m ' ums Haus (2) ums Haus den Arm H^ 3 1 von dankenden] (1) der
lieblichen (2) von lieblichen (3) von dankbaren (4) von dankenden H ^
15 Gaabcn;] Semikolon für ursprüngl. Komma H^ 32 : (1) Und die Stamme sind
(2) Stolzer stehen die Stämme (a) d (b) schon, (3) über Stolzer gestr. und
unterpunktet: Sicheiei H^ 32 Sichrer] Sicher hA^ schon; ] schon, /jy^-'
(Punkt für gestr. ursprüngl. Komma h) 33 Hügel aus h H^
3 4 neigen bis 3 6 voll.] (1) irren die trunkenen / Reben
20 (2) schwingen
(3) wanken (oder schwanken)
(4) neigen und schwingen sich
Deine (a) trunkenen
(b) fröhlichen Reben, / purpurner Trauben voll.
25 (c) freudigen Reben, / Tnmken, purpurner Trauben voll. H^
3 7 . 3 8 : (1) Au (2) Aber unten i m Haus (a) ruht der gekelterte
Wein , zum Feste gespart,
(b) ruhet (a) zum Fest gespart
{ß) geerbt von dir,
30 (y) besorgt von dir,
Der gekelter/ter/te W e i n (1),
(2) ; theuer is tder (a) Sohn
(b) dem Sohn
I-P
35 3 8 gekelterte nach gestr. geg(orene (P)) H^ Wein . Theuer ] W e i n ;
445
SO-31 Das .Uinenbild
iheuer hJ^ Sohn' , ] Sohn, /iv^-» 39 . 4 0 : (1) Und (2) Den<n> er sparet
das (a) lautre / Stille (b) alte / Lautre Feuer (a) zum Feste (/3) zu Festen
sich. H^ 3 9 Fest aus Feste h 4 0 a : gestr.: Das [ j a ] er (1) jährlich am
(2) feiert H^ 4 1 Dann] Dann, H^ 4 3 gesprochen,] gesprochen H^
4 4 hallt nacfc ^cstr. halt H^ 4 5 spr icht : ] spricht H^ 5
4 6 - 4 8 : (1) Hier und sonst, mit
Mi t den Göttern des Haußes seyn
(2) und es sei und b le ib '
Ihre Ehre des Haußes
Guten Genien, hier und sonst! 10
(3) Deiner denken wir nun, dein [ u n d ] so werd und bleib '
("und versehentlich gestr.)
Ihre Ehre des Haußes
Guten Genien, hier und sonst! H ^
4 6 Deiner] »Deiner h 4 7 Ihre] »Ihre hA^ Haußes] Hauses hA^ 15
4 8 Guten] »Guten hA^ sonst!] sonst!« hA^ 4 9 : über diesem Fers
gestr.: Und die Mutter, sie H^
4 9 - 5 2 : (1) es trinkt
(2) Und es tönen (a) h(ell) (b) dir hell
Die Krystalle [es] 20
(3) Und es tönen zum Dank hell die Krystalle dir
Und die Mutter heute zum erstenmal
Daß (a) er wisse vom Feste
Auch dem Knaben des heiigen Tranks.
(b) es wisse vom Feste 25
Auch dem Kinde vom heiigen Trank. H ^
4 9 d i r ; ] dir, hA^ 5 0 reicht iiJcrg-ertr. giebt h reicht, heute zum ersten-
mal , ] reicht heute zum erstenmal A ^
Erläuterungen
Asklepiadeisches Silbenmaß. 30
Die dieser Ode — mit dem Thema Häuslich Leben (vgl. in den Lesarten den Be-
ginn des ersten Ansatzes) — zugrundeliegenden Verhältnisse passen so genau auf
Christian Landauers Hauswesen, daß eine Beziehung darauf nicht angezweifelt
werden kann. Schlesier berichtet (siehe S. 6S8 Z. 19—26), im Jahr 1800 sei Lan-
446
Das Ahnenbild. An eine Verlobte 30-32
dauers einziges Kind, der nachmalige Kriegsrat Landauer, vier Jahre alt gewesen —
das stimmt zu dem Söhnlein in der Ode wie auch dazu, daß der Sohn »nun« der
Zweifachgeliebte heißt (v. 19): geliebt von der Gattin und dem einzigen Söhnlein.
Daß in dem Lied (An Landauer^ ähnliche Gedanken — doch in andrer Form! — aus-
5 gesprochen sind, braucht nicht zu bedeuten, daß Das Ahnenbild einem Homburger
Freund gewidmet worden wäre, wie Böhm II 329 vermutet (ohne auch zu bedenJccn,
daß es hei Homburg keine Weinberge gibt). Aus der Ode spricht das nämliche starke
Familiengefühl wie aus dem Epitaph Die Entschlafenen, das Hölderlin dem Haus-
vater Christian Landauer in den Mund legt. Ihm sollte auch die Elegie Der Gang
10 aufs Land gewidmet werden.
Das Motto (»Daß keine Ahnentugend, keine Tüchtigkeit verloren werde!«) ist —
laut freundlicher Auskunft der Arbeitsstätte des Thesaurus Linguae Latinae — in
der lateinischen Literatur bis etwa ISO n. Chr. im Wortlaut nicht nachzuweisen.
Quintilian, inst. 12, 10, 3S, sagt (über die virtutes sermonis): ne virtus utraque
15 pereat ipsa confusione. Vgl. auch Lucan 2, 263: ne tanta incassum virtus eat;
4, 491: perit obruta virtus; S, 292f.: ingrato meritorum iudice virtus nostra perit;
femer Livius 24,16,12: ne discrimen omne virtutis ignaviaeque pereat; Ovid,
fast. 2, 227: fraude perit virtus; Valerius Flaccus 6, 200: mixta perit virtus;
Silius Italicus 11, 419: perit horrida virtus.
20 <AN EINE VERLOBTE)
Wohl im Herbst ISOO entstanden. - Vielleicht zielt die Überschrift Wi l lkom nach
dem Kriege (Bruchstück 33) auf diese Ode. Vgl. die Erwägung einer andern Mög-
lichkeit bei Bruchstück 32 (S. 938).
Überlieferung
25 h^: Marbach 29309: Abschrift von Mörikes Hand: Eine Reliquie Hölderlins.
Mitgetheilt von Ed. Mörike. (Druckvorlage für J^.)
Die Vorlage für Mörikes Abschrift, eine Abschrift vonweiblicher Hand mit späte-
ren Auf zeichriungen von Hölderlin selbst (siehe 448, 19—27), ist verschollen.
Deutscher Musenalmanach. Herausgegeben von Christian Schad. Dritter
30 Jahrgang. Würzburg. Stahel'sche Buchhandlung. 18!3. S. S—7: Friedrich
Hölderlin. / An eine Verlobte.
447
52 An eine Verlobte
J^: Eduard Mörihe: Erinnerung anFriedrich Hölderlin. Frtya, Illustrirte Blätter
für die gebildete Welt, Jahrgang 3, 1863, S. 337 f .
h^: Marbach 10338: Abschrift von Mörikes Hand nach J^. - Die sonst fast un-
verändert aus J^ übernommene Schlußbemerkung (siehe unten Zeile 17)
beginnt: Vorstehendes Gedicht, das 1855 zum erstenmal von mir in 5
Chr. Schads Deutschem Musenalmanach veröffentlicht wurde, ver-
danke ich einer zu Nürtingen verstorbenen Schwester Friedrich Hölder-
lins, der Frau Professor Bräunlin. — Zeichensetzung und Schreibung stim-
men genau mit J^ überein. Die Abweichungen gegenüber h^ gehen also nicht
etwa auf dessen Vorlage zurück. 10
Zu dem neuerlichen Abdruck, für den h^ als Vorlage dienen sollte, ist es an-
scheinend nicht gekommen.
Eigentümlichkeiten der Schreibung (h^, J^, J^, h^): Du, Dein, Dir, Euch, dieß,
Geschick, Blicke, beglückend, selig, jetzt (h^: jeztj.
Mörikefügt seiner Abschrift (h^) folgenden Nachbericht an, der in J^ als Fußnote 15
zur Überschrift abgedruckt ist:
Vorstehendes Gedicht, welches bis jezt nicht veröffentlicht war, verdanke
ich der Güte einer vor wenigen Jahren zu Nürtingen verstorbenen Schwester
Friedrich Hölderlins, der Frau Professor Bräunlin. Es ist, ohne Überschrift,
von einer klaren weiblichen Hand, augenscheinlich von der Braut, der es 20
gewidmet war, für irgend Jemanden copirt; denn bei der schmeichelhaftesten
Stelle: »Zwar — bist du schön« steht ein Sternchen mit der Bemerkung unten
am Rande: »Dieß selbst schreiben zu müssen!« Die Abschrift kam später, viel-
leicht auf Verlangen des Dichters, dem etwa kein Concept davon geblieben,
an Hölderlin zurück, wie verschiedene Aufzeichnungen von seiner Hand auf 25
demselben Blatte, besonders Verse aus der ersten Periode seiner Geistes-
krankheit, beweisen. Die Herausgeber der ersten Sammlimg legten das Stück,
als zweifelhaften Urspnmgs, bei Seite, vermuthlich durch Verstöße gegen
das Versmaas beirrt, die jedoch nur auf Rechnung der Schreiberin kommen.
Namentlich hat sie, weniger vertraut mit den antiken Metren, in der dritten 30
Strophe statt eines zweisylbigen Worts ein viersylbiges gesezt, um einen ihr
persönlich wichtigen Umstand nicht unberührt zu lassen. Sie schrieb statt » an
des Jünglings (oder des Liebsten) Blicke«, wie es wohl geheißen haben
mag, »an des Neugefundnen«. Möglicherweise hatte sie den ersten Entwurf
des Verf. vor sich, wo etwa der Ausdruck jenes Nebenbegriffs wirklich auf 35
448
An eine Verlobte )2
diese Weise versucht und wieder fallen gelassen war, so daß sie ohne Unbe-
scheidenheit nach ihrem Sinne wählen zu können meinte. Die andern Fehler
sind zufällig und der Art, daß in Wörtern wie »Wiedersehen, Wiedersehn«
ein Vokal bald zu viel, bald zu wenig steht. Über Person und Verhältnisse der
5 Braut, die ein geistvolles, der Dichtkimst selbst nicht fremdes Mädchen ge-
wesen zu seyn scheint, wird sich etwas Näheres schwerlich ermitteln lassen.
Was aber die Authentic des Gedichts betrifft, so bin ich aus innem Gründen
weit mehr noch als den äußern überzeugt, es kann nur von Hölderlin seyn,
und zwar ist es gewiß aus seiner besten Zeit. Ich habe bedauert diese ange-
10 nehme Entdeckung nicht noch vor dem Erscheinen der sämmtlichen Werke
an Herrn Christoph Schwab haben bringen zu können, welcher mit so viel
Liebe und kritischem Takt bei der Herausgabe verfuhr; einstweilen soll es
nun den Lesern dieser Blätter als eine wehmüthige Gabe rein und hell ge-
diegner Poesie vorgelegt seyn. M.
15 Abweichungen in J^:
448,19 Hölderlins] g-ejpcrrt J^ Bräunlin] g-cspcrrt J^ i) Jünglings] nicAt
gesperrt Liebsten] nicht gesperrt H Neugefimdnen] Neugefun-
denen J^ (so auch J^,obw0hl vorher von einem viersilbigen Wort die Rede ist; in
h^ schreibt Mörike dann, auf den Irrtum aufmerksam geworden, aber ohru Möglichkeit,
20 die ursprüngliche Vorlage zu vergleichen, fünfsylbiges statt viersylbiges^ Ent-
wurf] Eindruck J^ 449,2 meinte] glaubte J' 7 Gedichts] Gedichtes J'
innem] inneren 8 als den äußern] als aus äußern J^ 11 Christoph
Schwab] Christ. Schwab J^ 1).14 gediegner] gediegener J^ 14 M . ]
Eduard Mörike. J^
25 Lesarten
Überschrift: von Mörike geprägt (siehe 448,19).
2 seinem] Seinem A^ 10 Neugefundnen] Jünglings J^
11 seinem] Seinem A^ 13 ihm] Ihm A^ 17 er] Er h^ ist,] ist
J^ J " h^ 18 Liebesstunden] Liebesstunden, 2 0 leuchten-] leuch-
30 ten: Ji h" 2 1 Nein,] Nein! J' J^ h^ 2 4 Träumend,] Träumend
P P A «
Erläuterungen
Alkäisches Silbenmaß.
Welcher Verlobten die Ode gewidmet ist, läßt sich nicht sagen. Böhm (II }03) ver-
35 mutet, sie wende sich an die Prinzessin Auguste von Homburg ebenso wie die Ge-
449
32— } 6 An eine Verlobte. Ermunterung
burtstagsode (1, 311 f.), die er irrtümlich (vgl. 1, 632, 4-19) für einen Glück-
wunsch zw Verlobung hält. Zugleich aber spricht er seltsam anonym von einem
»jungen Mädchen von Stand«. Daß die Prinzessin hier wirklich nicht gemeint sein
kann, daß ihr damals jeder Gedanke an eine Verlobung femgelegen haben muß,
geht aus dem Brief der Vierzigjährigen an ihre Schwester Marianne (Prinzessin 5
Wilhelm von Preußen) vom Ende Dezember 1816 hervor, der Lebensbeichte, dem
von ihr selbst so genannten Testament, worin sie Mariannens Frage vom 20. De-
zember 1816 beantwortet: W i e liattest Du Hölderlin ge l iebt? — Siehe die Lebens-
zeugnisse in dieser Ausgabe.
1 0 Der Vers hat zwei Silben zuviel. Wenn man im Gesang des Deutschen v. 49 10
(s. dort die Erläuterung) und in andern Oden ähnliche gelegentliche Unregelmäßig-
keiten vergleicht, wird man dem Vorwurf Mörikes gegen die Abschreiberin nicht ohne
weiteres stattgeben.
2 0 leuchten —] Eindrucksvolle Aposiopese, die durch den Doppelpunkt in den
Drucken (und h^) etwas unklar wird. 15
E R M U N T E R U N G
Begonnen wohl rwch vor der Jahrhundertwende, da H^ noch vor die metrische Über-
setzung des Chors'aus der Antigone (Vieles gewaltge giebts...) zu setzen ist; vollendet
vielleicht erst zu Beginn des Jahrs 1801.
Überlieferung 20
Erste Fassung:
H^ : Marbach I S16: Vorderseite eines Einzelblatts 19,3 x 23,2 cm, alle Kanten
beschnitten; gelbliches, feingeripptes Papier; Wasserzeichen (Rest): Ge-
kröntes Wappen mit aufgehängtem Posthorn.
W^: Bleistiftschrift in H^. 25
H^: Rückseite von HK
H^": Bleistiftschrift in H^.
H^ (v. 1-2): Stuttgart 1 6 Bl. 22^ (s. die Beschreibung S. 377).
H* : Homburg H 2S: Einzelblatt 19,S (19,2) x 23,6 cm, linke Kante beschnitten;
grünliches, feingeripptes Papier; Wasserzeichen (Rest): Segelschiff, darunter 30
in zwei Zeilen: J O H A N N E S K R E Z I N G E R .
450
Ermunterung S } - 3 6
Zweite Fassung:
H': Homburg H 26: Einzelblatt 19x22,7 cm, alle Kanten beschnitten; gelb-
liches, feingeripptes Papier; Wasserzeichen (Rest): Gekröntes Wappen mit
aufgehängtem Posthorn, daran hängend ein vierförmiges Zeichen, das aus
5 einem A aufsteigt; darunter: VAN DER LEY.
Ü/® .• Marbach 5894: Zwei zusammengeklebte Einzelblätter 19 x 23 cm, alle Kan-
ten beschnitten; gelbliches Papier, Bl.2 unbeschrieben, ohne Wasserzeichen,
dünner und feiner gerippt als Bl. 1, das den Rest eines Wasserzeichens er-
kennen läßt: Gekröntes Wappen mit aufgehängtem Posthorn; unterschrieben:
10 Hölderlin.
Erster Druck: Gedichte von Friedrich Hoelderlin. (Hg. von Ludwig Uhland und
Gustav Schwab.) Stuttgart und Tübingen 1826, S. 69-70.
Lesarten der ersten Fassung
Überschrift: fehlt 1 Herz aus Hers Herz!] Herz, i / ' ' war-
15 um,] warum H^'^ 2 verstummst] verstumst Sterblichen ?] Sterb-
lichen, H ^
3-28-.fehlt H^
3 : (1) Und (a) scheuest
(b) fürchtest deinen Tag,
20 (c) schlummerst, (a) tagcss(c/7cu)
(ß) lichtscheu, {von) unedeln (: aus unedle)
(2) Und (a) trauerst,
(b) schlummerst, von (a) un
{ß) den Götterlosen H^
25 schlummerst,] schlummerst H ^ 4 verwiesen ?] verwiesen. H ^
5 . 6 : (1) Blühn Sterne dann am Aether nicht hell (a)l
Und (b)l
Die festlichen und dein
(c) und blüht
30 Die Erde nicht und (a) üben ihr ewig Recht ? (Fragezeichen für
urspr. Komma)
(ß) üben Hl
(2) Blüht (a) nicht
(b) denn wie sonst, die Mutter, die Erde, dir,
451
ü — iS Ermunterung. Natur und Kunst
(a) Und
(ß) Blühen am
(y) Blühn denn am hellen Himmel die Sterne n i cht? H^
(3) Text H*
7 . 8 : Und (1) ühtse in 5
(2) üben [n i ] ihr altes Recht
Der Geist und die Liebe nicht überall u. immer . H ^
7 nicht nach gestr. das H^ 8 Liebe, n i cht ] Liebe noch H^
9—12 : I : Nur du nicht mehr (1) ? es harren die Himmlischen,
Mit ihren Fre <udcn> 10
(2) ! doch mahnen die Himmlischen,
Doch
W i e warmes Licht auf kahlen Boden
Sti<Hf>
ah Schluß der nächsten Strophe, nach breiter Lücke: 15
den nicht Quellen H ^
I I : 9 : Nur du nicht m e h r ! doch mahnen {die) Himmlischen,
1 0 : (1) Doch
(2) Den
(3) Und (a) stillentfaltend scheint, 20
(b) stillebildend wallt (a) u m
{ß) wie um kahl Gefild
11 : Der (1) [ O t h e m ]
(2) At
(3) [Aether ] 25
(4) {Othem) der Natur (a) um unsre
(b) oben, vor v. 7:
um uns, der
12 : später am linken Rand, vor v. 11:
Alleserheitemd H ^ 30
1 3 - 2 2 : fehlt W
1 3 - 1 6 : 13 : O Hofnung! bald bald (1) spiegelt in Quellen nicht
Der Aether sich allein,
(2) singen die Haine nicht
1 4 : D e r (1) Mutter 35
452
Ermunterung S } - 3 6
(2) Götter Lob allein, denn (1) erfüllt ists bald / D
(2) erfüllet ists /ba ld /
15 : Daß (1) unter Menschen
(2) helle bei den Menschen sie, die
5 1 6 : Seele, die ewige wiedertönet. H ^
14 k o m m t ] komt H ^
1 7 : (1) Der Sprachen manche [ha ] steigen wie Quellen auf
(2) Daß, gleich den (a) g (b) d (c) Blumen unsere Tage sind H^
18 : Wann (1) in (a) d (b) dem
10 (2) sich i m stillen Wechsel die Ruhige H ^
(•holden über stillen das aus die H^'^)
1 9 : Des Himmels (1) Licht sich wieder
(2) Sonne und L P
("Des Himmels ] darüber: (1) Li (2) Das Licht H^" vor der Zeile dann,
15 untereinanderf Die / Sonne H"'')
2 0 den aus in H ^ das L i ch t ] (1) der Gott H ^ (2) das Licht i^«« H ^
kennet,] kennet. H ^
2 1 : (1) Doch du, der Liebe Sprache!
(2) Daß freudiger, belebt von den Sterblichen H ^
20 2 2 : (1) Das Element sich regt und die Erde sich W
(2) wandelt über gestr. regt
in der rechten unteren Ecke der Seite: herrlicher dann (: verschrieben statt
das ? ) I Herz / dann erstarkt H ^ "
(5) Die Elemente leben
25 (4) Das Element dann {lebet} und dann erst reich, H^
2i-26-.fehlt H^
23 . 2 4 : am unteren Rand, anschließend an v. 22 Stufe 2 CDas Element sich
wandelt und herrlicher das Herz dann erstarkt^;
(1) Der Mutter bei den Kindern wieder
30 (2) Das mütterliche bei der Kinder Dank, die
Altemde die Mutter
(3) Bei (a) ihrer
(b) f r ommer Kinder (a) Dank
(ß) m(ege)
35 (4) B e i ( m ) Danke f rommer Kinder der
453
ü — iS Ermunterung. Natur und Kunst
Erde, f a ; d
(b) Leben, das alternde, neu beginnet H^"
(5) Bei f r ommer Kinder Dank, der Erde
( a ) Kräfte, die gütigen, frisch gedeihen,
(b) Kraft, die unendliche, sich entfaltet. H^ 5
2 5 - 2 8 : über V. 2) und 24:
(1) Und er der sprachlos waltet u. imbekannt
Zukünftiges bereitet schön und einsam ist
I m Menschenwort, a m f a ^ Tag die Freude
(b) Tage 10
(2) Und er der sprachlos waltet
Der Unbekann<te) der Gott , der Geist
(a ) Sein
(b) Kommenden Jahren, wie einst, sich ausspricht,
(3) quer am linken Rand: 15
I m Menschenwort den
Kommenden Jahren Z/^®
(4) Text H*
Die Entstehung des Entwurfs ist so zu denken, daß Hölderlin zunächst auf der
Vorderseite des Blattes, mit Tinte, die Verse 1-12 entwirft (H^), dann das Blatt 20
wendet und auf der Rückseite, ebenfalls mit Tinte, die Ferse 1—12 neu schreibend
ausfeilt und anschließend den Entwurf bis v. 22 weitertreibt (H^), darauf, vermut-
lich einige Tage später, das Blatt wieder vornimmt, in den letzten Versen (von v. 18
an) mit Bleistift einiges ändert (H^"), auf der Vorderseite dann mit Bleistift zu-
nächst am unteren Rand v. 2) und 24 entwirft und endlich in dem Zwischenraum 25
darüber die Schlußstrophe (H^"), aus der jedoch eine Wendung, da nun auch die
Vorderseite voll ist, quer am linken Rand wieder der Rückseite versucht werden muß
Lesarten der zweiten Fassung
2 Lebenden, ] Lebenden über Sterblichen? H^ 3 Schläfst, f r e i e s ! ] 30
Schläfst, Freies! über: Und schlummerst H^ 4 Ewig über Tägl i ch H^
5 - 8 : I : Blüht denn, wie sonst, die Mutter, die Erde dir,
Blühn denn am hohen (1) At (2) Aether die Sterne nicht,
Und übt das Recht nicht überall der
Geist und die Liebe, nicht jezt und i m m e r ? 35
454
Ermunterung S}-36
I I : 5 : (1) über der ersten Zeile:
Die Mutter Erde blühet wie sonst sie
(2) am linken Rand:
Des Aethers Sterne
5 (3) zwischen der 2. und der Strophe:
Blühn denn wie vormals
(4) am Rand und zwischen v. 10 und 11:
(a) Lebt
(h) W a c h t denn wie vormals n immer des Aethers Licht
10 6 : zwischen v. 11 und 12:
Und blüht die alte Mutter die Erde n i cht?
7 . 8 : zwischen der 3. und der 4. Strophe:
Und übt der Geist nicht da und dort, nicht
Lächelnd die (1) T f ? ; (2) Liebe das Recht
15 (a) nom
(b) noch immer . H^
10 weht über wallt H^ ein über um H^ Gef i ld , ] Gefild H^ 11 dich
an über: u m uns H^ 13 0 Hoffnung!] darüber von später Hand: Be im
Jova! FP 14 Des Lebens aus: Der Götter H^ ist über k o m m t W
20 Zeit , ] Zeit H^ 15 sie, aus: sich, H^ sie, nach gestr. sich H^ 1 6 Seele]
danach ein Komma getilgt H^ neuverkündet,] neuverkündet. H^ 17 l ie-
bender] liebender, H^ 1 8 sich nach gestr, selbst H^ bildet,] (1) wan-
delt (2) bildet f / « re ich, ] reich H^ 2 0 entfaltet] e n t f a l t e t . / f « 2 1 Blu-
m e n , sind,] Blumen sind H^ 2 2 W o aus W i H^ sie,] sie H^ Sonne
25 aus Soh H^ 2 4 Licht nach gestr. sich H^ 2 5 e r ] Er H^
Erläuterungen
Alkäisches Silbenmaß.
1 E c h o ] Die Betonung auf der zweiten Silbe scheint hier nicht bloß auf die ge-
legentliche Freiheit des Versbeginns zurückzuführen zu sein (wie z. B. auch Chiron
30 V. 4S: ö r t l i ch , Irrst^m^, sondern auf genaue Anlehnung an das Griechische (fixd)),
was durch dieselbe Betonung am Versende in Chiron v. 28 wahrscheinlich wird.
6 Blühn. . . die Sterne (1. Fassung)] Vgl. Emilie vor ihrem Brauttag v. 44: des
Aethers Blumen; An die Hofnung v. IS f.: die immerfroheu Blumen, die
blühenden Sterne.
455
ü — iS Ermunterung. Natur und Kunst
1 0 - 1 6 Vgl. Die Liehe v. 9-20 und die Erläuterung z. St.
13 0 Hoffnung!] Vgl. die Ode An die Hofnung. — Der von später Hand in der
2. Fassung (H^) übergeschriebene Anruf Beim Jova! ist eine selten vorkommende
Kontraktion des Gottesnamens Jehova; vgl. Klopstock, Der Messias, 20.Gesang
(Werke 8», Bd. 6, Leipzig 1800, S. 23S): Dich wog Jova! ; Schubart, An die
Tonkunst v. 4 und 44: die Harfe, die Jova dir gab.
2 2 . 2 3 (2.Fassung) Vgl.EmilievorihremBrauttagv. S6!-568;BrodundWeinv. 67.
2 6 Zukünftiges bereitet] Vgl. Der Einzige, 2. Fassung, v. 96.
NATUR U N D KUNST
O D E R 10
SATURN U N D JUPITER
Spätestens zu Beginn des Jahrs 1801 vollendet.
Überlieferung
W : Stuttgart I 6 Bl. !8' (s. die Beschreibung S. 377).
H^ : Stuttgart I 30 l-m (s. die Beschreibung S. 441). 15
h : Stuttgart Va 1 S. 23—24: Abschrift von fremder Hand, Druckvorlage für A^.
A^ : Gedichte von Friedrich Hoelderlin. (Hg. von Ludwig Uhland und Gustav
Schwab.} Stuttgart und Tübingen 1826, S. 31-32.
Eigentümlichkeiten der Schreibung (h und A^): Gesetz, Blitz; W a g e ; Namen;
Du, Dir, D i ch , Dein. 20
Lesarten
Der erste Entwurf, mit Bleistift, dehnt sich mit weiten Zwischenräumen fast über
die ganze Seite aus:
Natur und Kunst.
göttliche Herrscherkünste 25
Aber in den (1) An (2) Abgrund
den alten heiligen Vater
456
Natur und Kunst }7-}8
Goldene Zeit
thöricht, wie aus dem
schweigenden Gewölke dein Bliz
Kommt aus (1) des unbekannten Gottes
5 (2) göttl icher Nacht
Hab ich am Herzen (1) erst das Leben
(2) den Geist das Leben (zu lesen:
des Lebens?^ erst das
Leben der Liebe erfahren, und d ä m m e r ( n ) imd
10 schwinden in Wonne die [(1) 1 (2) ha ] Gestalten
als kehrte die Zeit in ihre / Z e i t /
W i e g e zurük
herab herab (1) d e n { n ) von Throne
(2) von
15 oder willst du bleiben
Diene d e ( m ) älteren.
Dann (1) kenn ich erst, [dann] und dank i h m gern
D e m weisen gewaltigen Künstler Kronion
(2) weiß ich erst von {ihm) und versteh ihn gern
20 (Deti) weisen gewaltigen Meister Kronion
(a ) Der alles scheidet und ordnet.
(b) Der selber ein Zeit, gleich mir
Geseze giebt u.
(statt ein Zeit wohl zu lesen: ein (Sohn der) Zeit) H^
25 Überschrift: mit Tinte und sperriger Feder unter die Überschrift des Bleientumrfs:
Jupiter und Saturn H ^ Kunst] Kunst, H ^
1 . 2 : Doch (unter Vorwirkung des übernächsten Wortes verschrieben statt: Du^
waltest hoch am (1) Tage
(2) Tag , (a) und gebeutst / Und theilst
457
37-)S Natur und Kunst
(b) du sprichst das unsterbliche
(c) und es blühet dein
Gesez (a) und
(ß) du hältst die Waage , Satumus Sohn H^
2 Gesez] Gesetz oui Gesez h hältst auj halst h 3 die Loos ' ] das L o o s 5
5 Dieser Vers entsteht durch Einbeziehung der zweiten Zeile des Bleientwurfs, indem
Doch für gestr. Aber eingesetzt wird. H^ Abgrund, ] Abgrund H^ die
Sänger s ich, ] die (1) Ste(rblichen} (2) Dicht (er } (3) Sänger sich W die
Sänger sich H ^ 6 den heil 'gen Vater, den eignen,] (1) den alten heiligen
Vater (2) darüber: hei : (a) h (b) Vater, den eigne<n,) H^ (3) {den) alten 10
Vater, den e i g n e n , { ' \ / ) Text hA^ 7 Verwiesen] Verwiesen, H^ j a m m -
r e ] jammern A^ 8 : Da, wo die (1) Söhne der Nacht (2) Wi lden (a) nach
(?) (b) mit Recht /s ind/ vor dir sind H' 9 Schuldlos aus Schull B^
schon längst:] schon längst, über gestr.: u m süs<s) H^ schon längst: (Dop-
pelpunkt für ursprüngl. Komma) H^ schon längst, hA^ 15
10 : (1) Und einer Kno<s;)e gleich (?))
(2) Und u m die
(5) Und rufe seine Tage,
(4) Und keinen
(5) Einst mühelos, imd größer wie) du, wenn schon H^ 20
mühelos, und] mühelos und H^ 1 1 aussprach und] aussprach, und H^
12 keiner] Keiner aus keiner h Keiner A^ N a h m e n ] Namen aus
Nahmen h Namen A^ 13 Herab denn! aus; Herab, herab H^ Herab
denn H^ 14 : (1) Und diene, willst (2) Und willst {du) bleiben, diene dem
älteren, U n d w i l l s t ^ J Und, willst h dem Älteren,] 2 5
dem Aelteren aus: den Ae l tem h dem Aelteren A^
1 5 . 1 6 : (1) Und laß dem ersten Gott , (2) Und (3) Und sei geliebt, wie (a) er
(b) 'Et, nicht weiter ausgeführt H^ 15 g önn 'au j gönne h Allen aus allen
17—24 : am unteren Rande des Blattes, unter dem Bleientwurf, mit Tinte entworfen,
die letzte Strophe (2S—28) aus Platzmangel weiter oben, über den entsprechenden 30
Zeilen des Bleientumrfs. H^
17-20 : fehlt H^
17 Denn, wie] Denn wie H ^ Gewölke dein] Gewölke, dein H ^ kömmt
auiK H^ kommt hA^ 1 8 Von] (1) Ko (2) Was (3) Von H^ 18 von
ihm,] von ihm H ^ 35
458
Natur und Kunst }7-38
1 9 / 2 0 : Was du (1) gebeutst,
(2) mir (a) schaffst,
(b) sagst, und aus (a) des Vaters / Frieden
(ß) den alten
5 Freuden ist (1) jeglich die
(2) jegl iche Macht (a) gewachsen.
(b) entwachsen.
(c) erwachsen. H^
2 1 hab ' ] hab H^ 2 2 Gefühlt ] Genährt über gestr. Gefühlt , H'
10 2 3 . 2 4 : I : ( l ) In Wonne mir, (a) als kehrt in [ W i e g e ] ihre W i e g e
(b) und war in ihrer W i e g e / Wieder die
(2) am Rand: In Wonne
(3) durch Nummern umgestellt:
und war In Wonne mir in ihrer
15 Wiege, die wandelnde Zeit entschw<umicn) H ^
I I : Und war in ihrer Wiege mir, in
Wonne die wandelnde Zeit entschlafen, H ^
I I I : Text hAl
2 5 : Dann hör' i ch dich, Kronion! und kenne dich H ^
20 2 5 - 2 8 : Daim kenn' ich dich Kronion! (1) und (a) dank ihm
(b) fo lg ' ihm gern
D e m weisen Meister,
(2) dann hör ich dich
{Den) weisen Meister, welcher, Ca ein Sohn der Zeit / (a) Gleich,
25 0?) W i e wir,
(b) wie wir, ein Sohn
Der Zeit, Geseze giebt, und was die
Heilige Dämmerung birgt, (a) [entfaltet.]
iß) verkündet, (nicht gestr.)
30 (y) entfaltet.
(unterpunktet)
Erläuterungen
Alkäisches Silbenmaß.
Zur Gesamtdeutung s. Emil Staiger: Meisterwerke deutscher Sprache aus dem
459
S 7 - ^ 8 Natur und Kunst
neunzehnten Jahrhundert, ZürichjBerlin (194)), S. 13-^8: Friedrich Hölderlin,
Zwei Oden (S. 13-24:1. Heidelberg; S. 2S-38: U. Natur und Kunst oder Saturn
und Jupiter).
Vgl. Der Tod des Empedokles, 2. Fassung, gegen Ende des Monologs In meine
Stille kamst du...: O, Geist, Geist, der mich groß gemacht! du hast Dir 5
deinen Herrn, hast, alter Saturn! Dir einen neuen Jupiter Gezogen, einen
schwachem nur und frechem.
2 Satumus Sohn] Jupiter —vgl. Emilie vor ihrem Brauttag v. 124.
4 Herrscherkünste] Dieses (sonst nicht belegte?) Wort begegnet in Friedrich
Emerichs Ode Die Schiksale (v. 36: du Wiege der Herrscherkünste (das ist 10
Rom)); das Gedicht ist von Hölderlin für Neuffers Taschenbuch ISOO bearbeitet —
s. in diesem Band S. 993-998.
8 vor dir] Zeitlich zu verstehn, und zwar attributiv.
9 Gott der goldenen Zeit ] Kronos (Satumus) wird von Hölderlins Zeitgenossen oft
mit Chronos (Zeit) gleichgesetzt; vgl. Goethe, An Schwager Kronos; Schiller, 15
Fantasie an Laura v. S7—64; Der Triumf der Liebe v. 73: Chronion; Gruppe aus
dem Tartarus v.l3 f.; Über die ästhetische Erziehung des Menschen, 2S.Brief
(Säkular-Ausgabe 12, 100): dort wird gesagt, daß die uralten Dichtungen . . .
den Gedanken, der über die Zeitgesetze siegt, unter dem Bilde des Zeus ver-
sinnlichen, der das Reich des Satumus endigt; Johann Heinrich Voß, Mytho- 20
logische Briefe, Königsberg 1794, Bd. 2 S. 36: Der Zeitgott Chronos oder Kro-
nos. - Entsprechend heißt Kronion (v.2S) ein Sohn der Zeit (v.26 f.). — Nach
der vaterländischen Wendung müssen in Hölderlins Auffassung für die hesperische
Welt Saturn und Jupiter ihre Plätze vertauschen, muß Jupiter, der Gott des nüch-
ternen, abgrenzenden Gesetzes, älter sein als Saturn, muß Jupiter der Vater der 25
Zeit heißen: Antigonä v. 987(949), dazu Hölderlins Erläuterung im 2. Abschnitt
der Anmerkungen. — Vgl. Friedrich Beißner: Hölderlins Übersetzungen aus dem
Griechischen, Stuttgart 1933, S. 169 f .
11 kein Gebot] Fg-Z. Ovid, met. 1, 89 f f .
2 1 — 2 4 Zum Verständnis dieser Strophe hilft der erste Bleistiftentwurf (S.4S7 30
Z. 6 — 24). Hat der Sänger sich in Satumus F'rieden vertieft, so wird er am
Herzen das Leben, den Geist des Lebens, das Leben der Liebe erfahren
anstatt des kalten Gesetzes und des grellen Tages, und so wird der scharfe Kontur
der Gestalten (der »Kunst«) dämmern und in Wonne schwinden, als kehrte
die Zeit in ihre (saturnische) Wiege zurük. Dann erst, von diesem Standpunkt 35
460
Natur und Kunst. An Eduard 37 — 43
aus, kennt der Dichter den weisen gewaltigen Künstler Kronion (Jupiter), dann
weiß er von ihm und will ihm gern darjken und ihn gern verstehn; dann beleidigt
es ihn nicht mehr so sehr, daß er Geseze giebt und die Geheimnisse der lieiligen
Dämmerung enthüllt; dann mag Jupiter bleiben, weil er dem Älteren dadurch
dient, daß er ihm gönnt, vor Allen, Göttern und Menschen, vom Sänger genannt
zu werden.
2 6 Den weisen Meister] Das heißt: den Meister der »Kunst«., den Künstler
(vgl. den Bleistiftentwurf H^).
AN E D U A R D / DIE D I O S K U R E N
10 Aus verhältnismäßig frühen Ansätzen (vgl. die Beschreibung der Handschrift M^ :
1, 632) wohl erst im Jahr 1801 vollendet. In der Reinschrift der zweiten Fassung
(H*) geht Natur und Kunst unmittelbar voran. Die dritte Fassung (Die Dios-
kuren) fällt vermutlich ins Jahr 1802, als schon einige der im Wilmansschen Ta-
schenbuchfür das Jahr 1805 gedruckten neun »Nachtgesänge« sich ihrer endgültigen
15 Gestalt näherten (s. die Beschreibung der Handschrift H^).
„ . r Überlieferung hjrste tassung:
W : Stuttgart III S.3 (s. die Beschreibung 1, 632).
H^ : Stuttgart I 6 Bl. /J", S6^ (s. die Beschreibung S.377): Entwurf, ursprüng-
20 lieh mit blasser Tinte und breiter Feder geschrieben (H^"'), später mit dunkler
Tinte und spitzer Feder verändert und erweitert (H^''); wo keine früheren oder
späteren Varianten zu unterscheiden sind, ist in den Lesarten nur H^ gesetzt,
das also immer gleichzeitig mit ti^"' ist.
Hellingrath (4, 33 f.) stellt aus willkürlich gemischten früheren und spä-
25 teren Varianten (H^^undH^^) als »erste Fassung« ein Gedicht her, das der
Dichter zu keinem Zeitpunkt der Entstehung als »Fassung«, als Gestalt der
ganzen Ode hat meinen können,
h : Stuttgart Va 1 S. 27—29; Abschrift von fremder Hand, Druckvorlage für A^.
A^ : Gedichte von Friedrich Hoelderlin. {Hg. von Ludwig Uhland und Gustav
30 Schwab.) Stuttgart und Tübingen 1826, S. 34-36.
Eigentümlichkeiten der Schreibung (h und A^): Glück, zurück; Regen; jetzt,
zuletzt; Du, Dir, Dich , Dein.
461
39-4} An Eduard
Zweite Fassung:
W : Stuttgart 16 31.2)' (s. die Beschreibung S.377): Entwurf der Verse 13-40.
H* : Stuttgart I 30 n, o, p (s. die Beschreibung S. 441).
Erster Druck nach H*: Robert Wirth: Forarbeiten und Beiträge zu einer kritischen
Ausgabe Hölderlins. Wissenschaftliche Beilage zu dem Programme des Gymnasiums 5
wid Realgymnasiums zu Plauen i. V., Ostern 188f, S. 27.
Dritte Fassung:
H^ : Homburg H 20^, mit der Überschrift Die Dioskuren.
Homburg H 19 und 20: Zwei Einzelblätter, ursprünglich sehr wahrschein-
lich ein Doppelblatt 23,7 x 38,6 cm, unbeschnitten; gelbliches, feingeripptes 10
Papier; fVasserzeichen Bl.19: Gekröntes Wappen mit aufgehängtem Post-
horn C & I H O N I G ; Bl. 20: C & I H O N I G .
Inhalt: Bl.19': AndieHofnung (H*); Bl.l9'>-20': DerWinterCVulkanH^);
Bl. 20'-20'>: Der gefesselte Strom (Ganymed H^); Bl. 20": Die Dioskuren.
Erster Druck nach H^: Hellingrath 4, 290-291. 15
Zur Überlieferung dieser Ode s. den Brief des um die erste Ausgabe der Gedichte
Hölderlins sehr verdienten preußischen Leutnants E. W. v. Diest vom 24. Januar
1822 an Kemer (Band 7 dieser Ausgabe).
Lesarten
Zum ersten Entwurf (H^) wird zweimal angesetzt. Zunächst wird das Folgende 20
Oiber die ganze Seite gestreut:
Bundestreue.
An Sinklair
Lieber
Nur daß 25
Verflucht die Asche des
der zuerst
Die Kunst erfand aus Liebebanden (statt erfand verschrieben: erfang^
Saile zu (1) b (2) winden fSaile] Sa i l l e [m] ;
Seit dem empört 30
und
imd anderes wünscht für sich
Mein Her^z) nicht mehr ,
462
An Eduard 39-43
(1) Aber ! gebotst diis, / Noch
(2) Denn wenn
(3) Doch so du mirs gebötest, ich glaube, noch,
Ich stürzte mit Gesang in die Schlacht
5 Wenn ich fiele du rächtest mich mein Achilles
Doch leben wir noch ruhig in der Halle
Bei dem zweiten Ansatz wird über Zeile 31 der vorigen Seite, das Vorangehende als
ungültig abtrennend, als neue Überschrift eingefügt: An Sinklair. Dann schiebt sich,
mit sperriger Feder und blasser Tinte geschrieben, der folgende schwer lesbare Ent-
10 wurf zwischen die schon dastehenden Zeilen:
Daß ich so unterthan dir bin
Vester und vester der Mann mich
So der Gewaltige sein mich nennet ?
Dann über die erste und die zweite Zeile:
15 Ihr Freunde droben,
Euch will (i'c/i) fragen woher
Unter Zeile 3 3 der vorigen Seite beginnend:
Zwar wenig kann ich (1) geben, (2) zollen, denn weniges
Hab ich gerettet aber ein liebes Glük
20 Und anders (1) theuer ist mi r blieben.
(2) wünsch (,ich) kaum,
Zwischen den Zeilen 4 und S dieser Seite:
Ha! Reegcn und Thau ihr Götter gebt ihr
Aber es tränkt der alles opfernde Mensch
25 Die Erde mit Lebens Blut, [und] im Zorne (1) S
(2) der Schlacht,
(1) Die
(2) Küh</>t sich (a) L (b) die (a) Liebe, das
{ß) Liebe die droben u. drunten
30 Zwischen den Zeilen J und 6:
Nichts findet, (1) was i h m gleich liebte
(2) das liebte, wie sie.
Aber Treue hielt er (1) bis zulezt
(2) den Seinen bis zulezt
463
39-4} An Eduard
In der linken unteren Ecke der Seite:
überlaß dann / Meinen Feinden / und dem Todtenrichter / das Urtheil /
Und saget ein billiges Wort , / (1) Viel hat er geirrt, [ do ch ] Treue /
(2) Er moc l i t ( e ) vieles fehlen, Treue / Aber hielt er den Seinen bis zulezt.
H l 5
Lesarten der ersten Fassung (H^, hjA^)
Überschrift: An (1) Bellarmin. (2) Arminius. (3) Philoldes. (4) Eduard. H^<>
1 : (1) Euch Freunde droben holdes unsterbliches (2) Euch alten Freunde
droben unsterbliches H^" (3) alten Freunde ] ("aj edlen (b) heitern (c^ hel -
len Brüder 2 Gest irn! ] Gestirn, H' f rag ' ] frag H^ He lden ! ] 10
Helden, H^ 5 Denn wenig gestr. u. unterpunktet; darüber, gestr.: Nicht
vieles A 6 Kann ich verlieren,] (1) Hab ich gerettet, (2) Gerettet hab ich,
(3) Ist noch (4) Kann ich verlieren H^'* 7 zum Angedenken] (1) ist
CaJ vom Reichtum Ci^ zum Gedächtniß (2) zum Angedenken 8 Rei -
cherer T a g e ] (1) Schönerer Tage (2) Blühender Tage gestr. u. unterpunktet 15
(3) durch das vorige hindurchgeschrieben: Reicherer Tage H^"' zurükgeblieben;]
zurükgeb l i eben- i ! f2 zurückgebl ieben; 9 Und aui Doch i i /®" mir ' s ]
mirs H^ d i ß ] dies hA^ 1 0 : (1) W o h i n er wollte, wagt i ch mein Saiten-
spiel, (2) darunter: Mein Saitenspiel, ich wagt' es wohin er wollt
(3) Text hA^ 1 0 wagt ' ] wag H^^ wollt ' ] will l / « » 11 Und] darüber; 20
Ja! IP^ mit nach gestr. selber H^" in 's ] ins H^ 12 : (1) Dunkel (2) T
(3) Thal der Heroen dem (a) Freunde, (b) Theuern. (4) Dunkel (a) der
Helden (b) der T a p f e m (5) Grab (6) angefügt: ihm hinunter
1 3 — 2 1 : Die Anführungszeichen fehlen H^
1 3 . 1 4 : (1) Mi t Wolken, säng ich, tränket Ca; ihr wohl nicht 25
Die Erd ' , ihr Götter aber mit Lebensblut / Der Mensch, jF/^o
(b) der H i m m e l wohl
Mit Thau den Boden, H " ^
(2) Die W o l k e / n / , säng ich , tränket mi t Reegen dich
Du Mutterboden, aber mit Blut der (a) [Mensch] 30
(b) [ M a n n ] / S o r u h t , 6
16 Gle iches] (1) [gleiches] (2) [ R u h e ] 1 7 Ze i chen? Her gestr.
Zeugen, h
1 7 —24 : fehlt H^" erst später zwischen den Zeilen und am linken Rand ent-
worfen 35
464
An Eduard i9-43
17 : (1) Wann
(2) Wenn
(5) W o ist (a) das (a) Echo
(ß) deine
5 (y) reine
(b) am Tag ihr Zeichen? (a) wenn
(/3) wo spricht das Herz
Cdas Herz] darunter eine Wellenlinie)
1 8 : Sich aus, (1) wo (a) ha(t(?)}
10 (b) auf Erden? wo wird es frei,
(2) und
(3) wann blühts auf Erden ?
( 4 ) u
(5) u. wo im Leben ? wann ist es frei,
15 19 : I : Was schlummerlos, doch
I I : W a s ( l ) ohn (•?;
(2) un
(3) unser
(4) mein furchtsam Wort nicht (a ) nennt,
20 (b) sagt, was
(c) genannt,
(d) kennt,
(а) was
Immergeban{n)t in die Nacht, verwirrt ( ? ) ist?
25 (ß) wann k
(y) wann tagt (?) es
(б) wann tagt [d] es
(e) wann wird was
20 : Trauert geban<a>t in die Nacht, (1) we
30 (2) sein Wunsch ihm ?
2 1 : (1) Hier wann
(2) Da wo die (a) Opfer fallen
(b) heiligen Opfer (a) geop (/>ert
(ß) falle<n>, ihr Freunde! jezt!
35 22 : (1) »Und schon begi<nnf>
465
3 9 - 4 } An Eduard
(2) »Schon (a) ze
(b) zieht hinan
(c) tritt hinzu der festliche Zug schon (a) glänzt
(ß) blinkt
2 3 : »Der Stahl, die Wolke dampft, (1) willkommen! / »Hallt es 5
(2) sie fallen und es
2 4 : »Hallt in der Luft und die Erde rühmt es!
23 . 2 4 und es / »Hallt in der Luft , gestr. und imterpunktet; über dem Anfang des
i). g-crtr.; Es hallt die Luft und h 2 4 und üier g-estr. nur h
2 5 W e n n ] Und i / « « gestr. so]fehlt W dann] dann H^''so über 10
gestr. dann 26 A c h i l l ! ] Achil l sprächest: » ] sprächest, JI^
26.27 lebte doch / »Treu bis zulezt l« ] (1) lebte treu / Den Seinen bis zulezt,
(2) starb (3) lebte doch / Treu bis zulezt H ^ "
2 7 das ernste bis 2 8 Todtenrichter! ]
(1) Ein emster Urtlieil ließest 15
(2) ein emster Urtheil
Spräche mein Feind, und der Todtenrichter! i - / ^ "
(3) das emste W o r t , das aus: ein emster Urtheil H^^
2 8 Feind,] Feind h J ^
2 9 : Doch (1) . l ieber! 20
(2) weilen wir in (a) ruhiger
(b) friedlicher Halle noch, H « »
(3) wohnen wir in Ruhe du l ieber! noch H ^ ' '
Cwohnen als nicht befriedigend unterstr.)
3 0 birgt über: [hiült] [hüllt] H^" Wald,] Wald H^ 25
3 0 es hält bis 32 gefangen.] (1) in schweigende Schatten
Und mütterlich noch das Gebirg die
Brüder in sicherem A r m gefangen. H ^ "
(2) es hält das Gebirge dort
Das mütterliche noch die 30
(3) beiden an v. }1 angefügt;
gefesselt aus gefangen / i^®
3 3 - 3 6 :
1 : 3 3 : Die Weisheit ist dir Wiegengesang; (1) und f e m / Und nah
(2) so 35
466
An Eduard )9-4J
(3) sie (a) dekt
(b) Ansatz zu w(eit)
3 4 : (1) Ums Aug ein heilig Dunkel doch öfters kömmt
(2) darunter: M i t heiiger Nacht das Auge, doch öfters f lammt
5 3 5 : später am linken Rand:
Aus fernetÖDendem Ge
3 6 : (1) Ein Mal
(2) Mahnend die Flamme des Zeitengottes, i^^o
I I : 3 3 : (1) Uns ist (a) Ansatz zu W
10 (b) der Wiegen
(2) Dir ist die Weisheit
3 4 : i h r / ü r ein
3 5 : wölk die
3 6 : Mahnende H^>>
15 3 6 Zeitengottes, iiier ^estr. Zeiten-Gottes, h
3 6 a —d : So zieht mit gleicher Pflege der Gott uns auf
(1) Und (2) Denn schon gealtert leb' ich mit {dir) au f ( s ) neu,
(a) Du halfst mir, du
(b) Verjüngt von dir,
20 (c) Die Jugend theiltest {du} mit mir , o
(a) so {ß) o n i m m sie wieder! H^"
3 7 - 4 0 :
I : 3 7 : (1) Of t regt der
(2) Es regt sein Sturm die (a) Flügel
25 (b) Schwingen (a) aus,
(ß) dir auf, dich (ruft)
3 8 : Der Vater in die Höh' und fassest du mich
3 9 : (1) Mit Einem W o r t
(2) Eh ich es denk und trägst die leichte
30 4 0 : Beute dem lächelnden Gott entgegen / / « o
I I : 3 7 : O f t
3 8 . 3 9 : (1) Höhen o n imm mich hin
(2) O nim<m>t
(3) D
35 (4) Hinauf der Vater hinauf o n i m m
467
39-4} An Eduard
(a ) Mit dir auch
(b) 0 n imm
(c) Mich du mit dir und (a) trage du
(ß) bringe deine
(5) am linken Rand: D i ch n i m ( m ) t der (a) Gott der Helden 5
(b) Herr der Helden
4 0 : entgegen!
Lesarten der zweiten Fassung
Überschrift: fehlt H^ 1-12 : fehlt W
1 unsterbliches vor gestr. Gestirn! H* 5 Nicht vieles über gestr.: Denn 10
wenig H* 9 Und diß, so ers] (1) Und so er mirs (2) Doch diß, so ers
(5) Text H^
13 sang'] sang H^ d ich, ] dich H^ 15 : (1) So ruht, so kühlt die Flam-
me sich, (2) So ruht die Flamme, kühlet sich die (5) So ruht, so ruht er, der
sein Gleiches (4) Text H^ 1 6 : (1) Droben und drunten nicht Gleiches 15
findet. (2) Drunten und droben umsonst erfragt(e) . H^ 17 Liebe aus dem
Ansatz zu Z U^
18 wo ruhet fcis 2 4 es ! ] /«Wt H ^
19 zu über gestr. schon H* 2 1 Hier liier geitr. Jezt H* Lieben, hier !
über gestr.: Freunde, jezt! 20
2 5 du ] danach Komma getilgt H* 2 6 M i c h , mein A c h i l l ! ] M i c h mein
Achil l , H^ 2 7 ernste aus a H^ W o r t , ] W o r t W 2 8 R i chtet ] R i ch -
te H^ Richtet aus Richte H* Feind fehlt H^ 2 9 dich in ] dich über
der Zeile H^ 3 0 dich fluj noch H^ 3 1 . 3 2 edlen Zögl ing /eWt W 3 2 in
aus i m H^ 3 3 Singt dir ] Sie singt H^ alten liber der Zeile H^ W i e g e n - 25
gesang,] Wiegengesang I H^ webt unter gestr. ursprimgl. hüllt H^
3 4 Aug ' ] Aug H^ Dunkel, ] Dunkel; H^ flammt für nicht gestr.
köm<m)t H^ 3 5 f emetönendem] (1) nahetönendem (2) G (3) ferne üjer
gestr. nahe H^ aui fert H^ d i e ] dir H^ die auj dir H^ 3 6 Mahnen-
de ] Die mahnende H^ 3 7 ruft , ] ruft W 3 8 Helden aus Herr H^ 30
hinauf ; ] hinauf! H^ 3 9 und bringe sie d e m ] (1) den (2) und sie, (3) und
bringe m i c h / D e m (4) Text H^ sie^danach Komma getilgt H^ H* 4 0 Beu-
t e ! ] Beute. H ^
468
An Eduard }9-4}
Lesarten der dritten Fassung (H^)
D I E D I O S K U R E N
5 wenig bis das ich] über nicht gestr.: nicht viel kann ich bieten, mir weni-
ges H ^ 6 Da niemand mag (1) soll geben, (3) soll tauschen ein gutes
5 über nicht gestr.: Kann ich verlieren, aber ein liebes H^ 7 lichtes, reines,
zum Gedächtniß über nicht gestr.: einziges, zum Angedenken H^ 8 Leben-
der über Reicherer H^ 9 So aber er gebietet,] (1) Und so (a) es (b) er
mirs geböte, (2) So aber er (a) gebiet<ct) (b) es will H^ 11 Samt dem
iiier; Ja! mit H^ selbst aus sebst I-P 13 Mit aus W o H^ 14 spötti-
10 scher über dunkler H^ 15 so heiligt über: so ruht er H^
Weitere Strophen sind mit dem ursprünglich anschließenden Blatte der Handschrift
verloren.
Erläuterungen
Alkäisches Silbenmaß.
15 Böhm (II }04) will die Ode in 3 + ? + 4 Strophen gliedern; ein Aufbau aus 3 + 4 + 3
Strophen ergibt sich ungezwungen.
Die Unschlüssigkeit in der Wahl des Namens ist noch aus der Handschrift (H^ '>) zu er-
kennen. Der Name Eduard begegnet schon in dem Gedicht Emilie vor ihrem Brauttag.
Daß Isaac v. Sinclair gemeint ist, zeigt die Überschrift des ersten Entwurfs (H^).
20 2 Gestirn] Die Dioskuren Kastor und Volydeukes; vgl. die Überschrift der bruch-
stückhaft überlieferten endgültigen Fassung; ferner 1, 46S, SO — 466,7 .
3 unterthau] Vgl. Hyperion 1, 112: Aber es ist auch nichts herrlicheres auf
Erden, als wenn ein stolzes Paar, wie diese {Harmodius und Aristogiton), so
sich unterthan ht; femer Hölderlins Brief an die Mutter vom 12. November 1798,
25 über seine Freundschaft zu Sinclair: Es wird auch wirklich wenig Freunde ge-
ben, die sich gegenseitig so beherrschen und so unterthan sind.
4 der Gewaltige] Die gemeinte Beziehung auf Eduard, dessen freundschaftliche
Liebe solch herrscherliche Gewalt über das Herz des Dichters hat, wird in den beiden
ersten Fassungen dadurch etwas verschleiert, daß die Erwähnung in dritter Person
30 nicht zu der Überschrift stimmt, die eine Anrede des brüderlichen Freundes in zweiter
Person erwarten läßt, wie sie erst v. 26 (mein Achill!^ ausspricht.
I Q - 1 2 Vgl. An die Parzen v. 10 f.; Dem Genius der Kühnheit u. 3 f .
14 spöttischer Boden (Die Dioskuren)] Die gewaltige Naturerscheinung des
Gewitters tränkt den Boden bloß mit dem Wasser der Wolken, der tapfere Mensch
469
)9—4f An Eduard. Unter den Alpen gesungen
aber mit dem ungleich kostbarem Blut: doch der Boden nimmt dies Blut nicht anders
auf als den Regen, er scheint den Unterschied nicht zu gewahren und so des hohen
Opfers zu spotten; deshalb heißt er spöttisch. - Die metrische Freiheit der Auf-
lösung einer Länge in zwei Kürzen ^ ; spötti- scherj ist bei den Alten nicht
vorgebildet und auch in Hölderlins Oden sonst ohne Beispiel. 5
17 Zeichen] Vgl. Die Liebe v. 16—20: So ein Zeichen der schönern Zeit, Die
wir glauben . . . die Liebe.
2 3 Der Vers ist um zwei Silben zu lang; vgl. die Erläuterung zuv.49 des Gesangs
des Deutschen.
2 6 Achill] Der Dichter begnügt sich mit der bescheideneren Rolle des Patroklus. 10
31 . 32 die beiden Brüder (L Fassung)] Der Ausdruck meint dasselbe wie v. 30
das Pronomen Uns.
3 3 Wiegengesang] Vgl. Die Heimath v.l9 und die Erläuterung z. St.
3 6 Flamme des Zeitengottes] Hier bekundet sich besonders eindringlich, wie ver-
antwortlich Hölderlin die Verpflichtung des Dichters gegenüber der Zeit und ihren 15
übergreifenden Notweruligkeiten auffaßt, wie er darin den Dichterberuf (vgl. die
so überschriebene Ode) sieht, zu dessen rechter Erfüllung er die großen Dichter, die
Heroen der Dichtkunst (vgl. 1, 261) leidenschaftlich aufruft. Vgl. auch Der Zeit-
geist V. 2; Elegie v.i4 (Menons Klagen um Diotima v. 38); Der Archipelagus
V. 293-29S. - Der Gedanke, daß die Weisheit nicht immer und überall den Wie- 20
gengesang singen und ihr heilig Dunkel ums Auge weben darf, daß die Mahnun-
gen und Forderungen des Zeitengottes, des Herrn der Helden, in Schicksalswenden
mächtiger sind, kommt auch zum Ausdruck am Schluß des Briefes vom 1. Januar 1799
an den Bruder: W e n n das Reich der Finstemiß mit Gewalt einbrechen will,
so werfen wir die Feder unter den Tisch und gehen in Gottes Nahmen dahin, 25
wo die Noth am gröstcn ist, und wir am nöthigsten sind.
U N T E R DEN ALPEN G E S U N G E N
Wohl zu Hauptwil im Frühjahr 1801 entstanden. Vermehren bestätigt am 4. Mai
1801 den Empfang des Manuskripts.
Überlieferung 30
H^ : Homburg H 24": Einzelblatt 23,6 x 36,6 cm, linke Kante abgerissen;
470
Unter den Alpen gesungen 44 —4f
schwach bläuliches, geripptes Papier; Wasserzeichen: I C , mitten dar-
unter: G.
H" : Homburg H 24'.
J: Musen-ALMANACH für das Jahr 1S02. Herausgegehen von Bernhard
5 Vermehren. Leipzig, in der Sommerschen Buchhandlung. S. 209— 210,
unterschrieben: Hölderlin.
Eigentümlichkeiten der Schreibung: sitzen, Gesetze, jetzt; draussen, Füsse,
grosse, heisst, weiss; Flut; Wogen .
Lesarten
10 Überschrift: (1) A m Fuße der Alpen. (2) darunter: Unter den Alpen gesun-
gen. H' 1 Unschuld,] Unschuld,! I'P und der ] und H^ und der
[Göt ter ] H^ 2 vertrauteste] vertrauteste aus Vertrauteste H' ver-
trauteste H^ Vertrauteste J du] Du J
du magst bis 4 Alten,] (1) Ansatz zu w ( ? )
15 (2) so oft du
(a) Un (b) Pröhlichblikend ihnen zu Füßen sizest
Aelteres lernest,
(5) wenn als
(4) du magst i m
20 (a) li(auße) f i j / I m / H a u ß e oder draußen ihnen zu Füßen
Sizest (Schreibfehler), den (a) Ae l tem!
iß) Alten!
3 Haußc ] Hause, J 5 Weisheit aus Weiswoll (Schreibfehler) H^ voll ; ]
voll! f / ^ mW-, aus y/(?) H^
25 denn manches bis 6 staunet er,] denn manches
(1) Gute wissen die Sterblichen, (a) aber
(b) u. dennoch
(2) Wissen kennet
(3) Wahre siehe<t der Sterbliche,) doch er staimt, [of]<t> H'
50 d e n ( n ) manches
Wahre sieliet der Sterbliche, doch er staunt, H ^
denn manches
Gute kennet der Mann, doch staunet er J
7 g l e i c h , ] g l e i c h H i m m e l , ] Himmel aber Jii 8 al les! ] (1) doch
471
44—45 Unter den Alpen gesungen
rein ist dir nur / Alles o reine! (2) und (3) aber ( a ) o reine / Alles ist rein
dir! Cft wie (a) rein (/3) gut ist / Gute dir alles! H ^ aber wie gut ist / Gute
dir alles! H^ aber wie rein ist / Reine,.dir alles! J
9 Siehe! hu 1 0 dir , ]
(1) Und ( a ) - - - - - - - j W e n n 5
(b) tr
(c) dir traun die Thiere des Felds
(2) <S>el/iyber das rauhe Thier des Feldes, (a ) traut und / Dient
(b) gerne
(a) Ungezwungen 10
(ß) Zwanglos dienet es
(y) Dient imd trauet [ d ] es [ , ] dir, H ^
(3) Selber das rauhe Thier des Feldes, gerne
f a ; S (b) Dient und trauet (a) d (/5) es dir, W
(4) Text J 15
1 1 W i e vor Alters üJer Wieder i / ^ seine nach gestr.h.ei\ge H^
es bis 13 Geseze d ich , ] (1) vom / Heiligen Berge / Sagen
(2) und / lehren {die) Berge
( a ) Höhere Lehren dich,
(b) Höhere Dinge 20
(c) Heiige Geseze dir, IP
(3) es / Lehren die Berge
Höhere Dinge [Dinge, ] dich, H ^
13 und was bis 1 6 verkünden.]
1 : 13 : und was der alte 25
14 : (1) Schaffende Vater noch den Menschen / Nahe ( ? )
2 Zeilen Abstand, dann:
Vieles hab
Alles Folgende mit spitzerer Feder:
(2) Allbefreiende jezt noch offenbar der große 30
1 5 . 1 6 : (1) Jezt
(2) Sterblichen werden (a) läßt, es
(b) lasset, du allein darfst
Solches verkünden!
472
Unter den Alpen gesungen 44 —4f
(3) Men{schen)
(4) Vielerfahren[en]
I I : 13 : und was noch jezt uns
14 : Vielerfahrenen offenbar der alte
5 15 : Vater werden läßt (der Hauptsatz ist nicht ausgeführt) H^
14 Vielerfahrenen] Vielerfahmen, J 15 heißt später für gestr. Väüt H^
1 7 - 2 0 :
17 : (1) Vieles hab (mit breiterer Feder, s. Zeile 28 der vorigen Seite)
( 2 ) 0
10 (5) Daß
(+) O !
(5) So mit den Himmlischen allein zu (a) seyn,
(b) leben, / Aber Freunde!
(c) (seyn,) und
15 18 : (1) Manches, Freunde! gewährt die Zeit und mehr noch
(2) Gehet
(3) Geht vorüber das Licht und Strom und Wind und
19 : Zeit (1) hineilet
(2) eilt hin zum Ort, (a) ihr
20 (b) von (a) reinem
(ß) klaren
(c) vor ihnen ein stillers
2 0 : Auge zu haben, H ^
18 Licht , und] Licht und H^ Wind , und] Wind aus dem Ansatz zu un^d)
25 (vmii fehlt) H^ 19 Zeit ei lt] Zeilt eilt H^ h in] sie CLejc/eWeO J stetes]
klares W
2 1 wmnsch'] wünsch, H^ wünsch H^ nichts nach gestr. weiter H^
2 2 : (1) Nicht wie die Weide , die am / Wasser [steht,] grünt en<. . . )
(2) auch mich Ober der Zeile nach Nicht H^
30 (3) Text H^
2 2 Weide] Winde (-Le«/e«cr; J
2 3 . 2 4 : /eWt W
Daß ich (1) [sin] (7)
(2) blinde des Wegs muß, doch reger auch auf
35 (a) Herrlichen
473
44 —4S Unter den Alpen gesungen
(b) W i e g e
(c) Wiegenden Woogen .
(3) schlafend hinfort wohl aufgehoben
(a) Schiff in
(h) Fahr in den Woogen. H ^ 5
2 5 - 2 8 :
2 5 : Aber os (1) reißt
(2) bricht
(3) weicht so leicht {nicht), wer in treuem
2 6 : Busen Göttliches hält, (1) u. frei (a) so lang<e) / (a) Ungebeugt, 10
(ß) Ungebeuget,
(y) Ungebeugt,
( i ) so lang ich
(2) u. frei (a) will
(b) kann 15
(c) will i ch , so
Lang (a) ich darf euch
(ß) i ch will i ch
(y) [ ich kan] ihr Himmlischen all euch
Singen u. ehren! 20
(d) will [ ihr ] ich (so)
2 7 : Lang ich kann, (1) o all ihr St immen des Himmels
Lernen u. lehren!
(2) euch all ihr Sprachen des Himmels
Deuten u. ehren! 25
2 5 : Aber ^cs) (1) weicht so leicht {nicht), wer in treuem
(2) bricht
(3) bleibt daheim gern, wer in treuem H ^
2 6 hält, und] hält und H^ 2 7 all ' ] all H^
Erläuterungen 3Ü
Sapphisches Silbenmaß, jedoch nicht in der ursprünglich griechischen und lateinischen
Form, die in allen drei langen Versen die Doppelsenkung an dritter Stelle hat, sondern
abgewandelt:
474
Unter den Alpen gesungen 44 —4f
5 Bei Klopstock und seinen Nachahmern wandert die Doppelsenkung auch; doch er-
scheint sie in der dritten Zeile schon an dritter Stelle. In Hölderlins Strophe klingt nun
die vierte Zeile (der Adonius) wie das genaue Echo des vorangehenden Versschlusses.
Hölderlin hat die sapphische Strophe nur in dieser Ode angewandt. Für Sapphos
Schwanengesang (später: Thronen) wird zuerst die abgewandelte Form des sap-
10 phischen Maßes erwogen, dann die originale Strophe, deren Schema auf der Rück-
seite des Entwurfs aufgezeichnet ist (vgl. S. SIS f.). Die Übersetzung des Hora-
zischen Septimi Gadis (carm. 2,6) ist nicht metrisch.
Zur Gesamtdeutung s. Lothar Kempter: Hölderlin in Hauptwil, St. Gallen {1946},
S. 6}-66.
15 Indem Hauptwiler Brief an die Schwester vom 2).Februar 1801 und dem undatierten
an Landauer ( I ch wollte Dir erst schreiben.. .^ bekennt Hölderlin, er stehe be-
troffen vor den Alpen, und dem Bruder gesteht er CIch fühle es . . . ) : Hier in dieser
Unschuld des Lebens, hier unter den silbernen Alpen, soll mir es auch end-
lich leichter von der Brust gehen.
20 1 Unschuld] Kennzeichnendes und besonders schönes Beispiel für die dichterische
und eigentümlich Hölderlinische Gestaltwerdung eines Wertes, wofür die herkömm-
liche Bezeichnung als »Personifikation« zu kurz greift: in der ersten Strophe er-
scheint die Unschuld zwar ganz als Gestalt, als individuelles Wesen, das den Alten
zu Füßen sitzt; doch bleibt es nicht bei diesem scharfen Umriß: in der dritten urul
25 vierten Strophe wird der Bereich wieder erweitert zur ursprünglichen Vielfalt der Er-
scheinungen, indem eher an Kinder und unschuldige Menschen gedacht zu sein
scheint, denen Zutrauen von der Kreatur und Offenbarung von der Natur zuteil wird,
als an eine einzelne plastische Figur mit abgegriffenen Attributen — trotz der bei-
behaltenen Anrede.
30 2 du magst] Es steht dir frei, du darfst bei den Alten sitzen, da dir von Anfang
das eignet, was sie in einem langen Leben erst erworben haben. So ist der Ausdruck
Immerzufriedner Weisheit voll v. S sowohl auf die Alten wie auf die Unschuld
zu beziehen.
475
44 — 48 Unter den Alpen gesungen. Dichterberuf
7 Wild] Vgl. Dichterberuf v. 11; Blödigkeit v. 9; Elegie (Menons Klagen um
Diotima) v. S; Am Quell der Donau v.
16 Hel le ] Wohl als Adverb und nicht als Vokativ aufzufassen; vgl. Emilie vor
ihrem Brauttag v. SSS.
17 So mit den Himmlischen allein zu seyn] Vgl. Dichterheruf v. 61—64; dort 5
steht für die Unschuld die Einfalt.
19 Or t ] In der ursprünglichen Bedeutung als »Ende«; in der Bergmannssprache
heißt das vorderste Ende des Stollens »Ort«. Vgl. Der Einzige, h Fassung, v. 60. —
vor ihnen] Das heißt: vor den Himmlischen.
2 2 W e i d e ] Vgl. Patmos, 1.Fassung, v. 144; femer Emilie vor ihrem Brauttag 10
V. 17S; Der Nekar V. }Sf.;Die Wanderung v. 22; Gesang des Deutschen v. 17-20;
Chiron v. 42; Hyperion 1, 74: an dürren Ufern, wo kein Weidenblatt im Was-
ser sich spiegelt; 1,122:0 ihr Uferweiden des Lethe! - Siehe Jesaja 44, 4: Daß
sie wachsen sollen wie Gras, wie die Weiden an den Wasserbächen.
D I C H T E R B E R U F 13
Erweiterung des zweistrophigen Gedichts An unsre großen Dichter 1, 261. — Begon-
nen vielleicht schon im Sommer 1800, ein Jahr später vollendet.
Überlieferung
H' : Stuttgart I 6 Bl. 21 \ 2122' (s. die Beschreibung S. S77).
H^ (v. 29-64): Stuttgart I IS: Doppelblatt 17 (16,S) x 21,4 (20,8) cm, alle 20
Kanten beschnitten; bräunliches, feingeripptes Papier; Wasserzeichen: Ge-
krönter Doppeladler mit Zepter und Schwert. (Außeres Blatt eines Briefes;
auf S. 2 und 3 die Anschrift: An ! Herrn M. Hölderlin / in / Stuttgard.
Rest eines Siegels: Wappen mit sechszackigem Stern.) S. 4 leer.
H^ (v. 41-44): Stuttgart 12 (s. die Beschreibung S. S96). 25
J; Flora / Teutschlands Töchtern geweiht. Eine Quartalschrift von Freunden
und Freundinnen des schönen Geschlechts. Zehnter Jahrgang. Viertes Viertel-
jahr. Tübingen, 1802. In der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. S. 32-35,
ohne Unterschrift (nur Stimme des Volks ist als letztes der vier in diesem
Almanach hintereinander gedruckten Gedichte Hölderlins unterzeichnet). 30
Eigentümlichkeiten der Schreibung: reissenden, müssig, heissen; Acker,
decket (aber: wekend, Loken, Schiksal^; schützet (aber: jeztj .
476
Dichterberuf 46-48
Lesarten
1 - 2 8 : fehlt W 1 - 4 0 : fehlt H^
2 Indus] Indes H^ 3 kam,] kam J 4 die Völker] darüber die Num-
mer 1 H^ (wahrscheinlich wird einen Augenblick lang die Umstellung die Völker
5 vom Schlafe erwogen; doch wird die entsprechende Nummer 2 nicht gesetzt)
5 : (1) 0 wekt ihr Dichter, wekt sie vom Schlummer nicht (2) 0 wekt o
(3) Und du, des Tages Engel ! erwekst sie nicht H^ 6 schlafen aus no H^
gieb iXber gebt tU gieb iiber gestr. gebt H^ 7 Uns aus Das H^ siege,]
(1) ihr (2) siegt (3) siege, H^ singe J Meister, ] (1) Heroen, (2) König!
10 (3) Meister! H^ du Uber gestr. ihr H^ 8 Hast aus Habt H^
9 : D e n ( n ) nicht was sonst, des [ G e s ] Menschen Geschik (1) und Sorg
Und Tugend ist
Nicht Wissenschaft
Stadt
15 (a) Es ist
(b) Ein (a) Höhers
(ß) Anders ists,
(2) besorgt, H ^
1 0 : (1) W e n n [Stadt] Haus u. Stadt der
20 (2) In Städten und
(3) I m Haus und unter offenem (a) S (b) H immel ist, H^
1 1 : Wenn (1) glüklich oder
(2) edler [vo ] denn das W i l d , der Mann sich
(3) [besser] f P
25 1 2 . 1 3 : Wehre t und nährt, u. (1) das (a) Eigne
(b) Seine fördert.
Ein Anders ist
(2) es ist ein anders
(a) Zur Sorge
30 (b) Zu Sorg u. (a) Pflicht
(ß) Dienst den Dichtenden anvertraut, H'
14 : (1) Ein Gott ists, dem (a) sie (b) wir leben und eigen sind
(2) Der Höchste, der ists dem wir geeignet sind H ^
14 sind,] sind J 15 näher,] näher [ i h n ] H^
35 1 6 : (1) vernehme. Diesem fVort wird dann vorgefügl:
477
46-48 Dichterberuf
(2) In (5) Ihn (a) der Befreundete
(b) die Befreundete Brust. H^
17 : (1) O all ihr Himmlischen
(2) Und dennoch, (a) ihr (b) o ihr H i m m l i s c h e ( n ) all, und all H^
17 all, und] all und J 18 Quellen üfeer Sonn H^ Ufer üier W o o g e n H^ 5
Hain' ] Hain ü /^ Höhn,] Höhn / iiie] davor ein Komma getilgt H^ 2 0 er-
griffen,] ergriffen 1 9 . 2 0 als du die Loken ergriffen jpäfer eing-e/üg-t i i /^
2 1 : (1) ein Genius über uns (2) Text H^
2 2 - 2 4 : Der schöpferische (1) kam
(2) seelige 10
(3) göttliche kam, daß (a) [ l e i c h t ]
Der [ H i m m e l ] ward, und [unter uns] wie
Rauschen der [Saaten] im [Thal ] es rauschte,
(die Streichungen später)
(b) [sinnlos] 15
(c) still
Der Geist (a) und
(/3) uns ward und, wie vom
Strale gerührt das Gebein [ g e b ] erbebte H ^
2 5 : (1) W i r sollten ("o; schweigen 20
(b) dennoch schweigen von euch und wenn der W o h l -
laut (vgl. V. 29. iO)
(2) Ihr ruhelosen Thaten in weiter W e l t , H ^
2 6 : (1) Und o ihr Friedenstage, wenn iit der Sturm / Vorüber ist
(2) Ihr Schiksaalstage 25
(3) Ihr Schiksaal<i)tag! ihr (a) wirten hättet beseelt
(a) mit h immlischem O t h e m u. darum wir g
{ß) Einsam die Wenige
(y) Einsam in unsren Wohnungen indeß
(b) furchtbaren, 30
(c) reißenden, wenn der Gott H^
2 7 : (1) Die Stunden zählt, indeß frohlokend
(2) Z u m Ziele lenkt
(3) Stillsinnend lenkt wohin (a) die trunknen
(b) zomtrunken H^ 35
478
Dichterberuf 46-48
2 8 : (1) Ihn (2) Ihn die gigantischen Rosse Ca^ tragen ("i^ bringen H ^
2 9 : (1) siehe V. 2S (1) H^
(2) W i r sollten schweigen können von /n / euch und wenn in uns
(3) Euch sollten wir verschweigen und wenn / w e n n / in uns H ^
5 3 0 - 3 4 : / e W t
3 0 : (1) Der Wohllaut tönt
(2) {De$) Lebens (a) ma jes t ( ö f i s cW)
(b) großgeordneter Wohllaut tönt H^
3 0 tönt,] tönt J 3 1 sollt '] sollt H^ g le i ch ] gleich, H"
10 3 2 . 3 3 : (1) des Kindes Muthwill
Das Saitenspiel des (a ) Meisters gerührt
(b) Mächtigen angerührt
Und darum, Dichter !
(2) Müßig und muthig [ d e ] ein Kind des (^Meisters)
15 Geweihte [s ] [Saiten] (a ) wohlgestimmte
(b) reine Saiten im Scherz gerührt? H^
3 4 - 4 0 :
3 4 : Und darum (1) , Dichter!
(2) hätte
20 (3) liast {da,) Dichter ! in stiller Nacht W
I : 1: (1) Der schnellen Jahre (a) und [alle] des (a) 0{rients)
(ß) Morgenlandes
(y) Wunderlandes
(b) Schwung
25 (2) Von f e m (den) Schwung der Völkerjahre
(3) Fernher der [ S c h ] Jahre Schwung, des Orients H ^
a : (1) die Propheten des Orients
(2) des Orients Propheten und den (a) Griechenland (b) Griechen-
sang u. die Donner in diesen Tagen gehört, daß wir den Geist H ^
30 b : 2: Propheten und den Griechengesang und rings
h In dieser Zeit den Donner gehört, daß wir
4: Den Geist und ihn zum Spiele
S: (1) Zwängst, wie gefangenes Wi ld ,
(2) Spiel wie gefangenes Wi ld , ihn (a ) zwängst
35 (b) zwängest
479
46-48 Dichterberuf
6: (1) Damit die Knaben
(2) Daß im (a ) Vorüb
(b) Vorbeigehen die Knaben H^
(3) damit die Knaben auf ims wiesen und die Unver-
ständigen ims die Hände füllten mit schnödem G o l d ? H ^ 5
( 3 7 - 4 4 : / e W t W )
I I : 3 5 : Femher (1) au<s)
(2) von (a) e
(h) Volke der Jahre
(c) Volk zu Volk der Jahre 10
3 6 : Ziehenden Flug und des (1) Wunderlandes
(2) Morgenlandes
3 7 : Propheten (1) und den
(2) / d u / (a) Griechenl
(b) Griechengesang und rings 15
3 8 : In dieser Zeit den (1) Dömier
(2) Donner gehört , daß du
3 9 : Den Geist zu Diensten brauchst, zu (1) Schmach / [Und] und
(2) Spiel und
4 0 : Schmach, wie gefangenes W i l d ihn (1) zwingest! 20
(2) zwängest Co; ? (b) , H^ .
4 0 treibest?] treibest. J
4 0 a - d :
a : Daß (1) Knaben
(2) im Vorübergehen die Knaben dir 25
b : Den bei
C : und die Unverständigen mi t
d : < - Golde die Hände füllten? H ^
(vgl. oben Zeile 1-5)
4 1 - 4 4 : 30
1 : 4 1 : (1) Daß er im Unmuth
(2) Bis er solch
(3) Bis seiner (a) Knechtschaft [J
(b) Ketten müde (a) zur Flamme
(ß) der Stille 35
480
Dichterberuf 46-48
4 2 : (1) I m Unmuth dir zerrisse, zur
( 2 ) D
(3) Zum Rächer [ e r ] (a) der friedliche,
(b) der Gewaltige wird, (a) frei
5 iß) und frei
4 3 : (1) Wie einst, verzehrend,
(2) Und rein W i e einst, verzehrend, eine
4 4 : Flamme, der Genius (1) dir enteilet
(2) dich entseelt läßt? H ^
10 I I : 4 1 : Bis aufgereizt vom Stachel i m Zorne (1) sich/Des Ursprungs der
(2) der
4 2 : Des Ursprungs sich erinnert imd ruft daß selbst
4 3 : Der Meister kom<m>t (1) mit Tode , .
(2) dan 15 (3) dann unter f u j heiigen ("i^ heißen
4 4 : Todesgeschossen entseelt dich lasset. H ^
4 5 - 6 4 : fehlt W
4 5 - 4 8 :
1 : 4 5 : Zu lang ist alles Göttl iche dienstbar schon
20 4 6 - 4 8 : Und alle (1) guten Kräfte,
(2) [d i e ] H i m m e K i ) k i ä f t e , die gütigen
Verbraucht ( a ) zu Lust, undankbar
(a) Muthwil l ig ,
{ß) Muthwilligdürftig ein mürrischverzagt Geschlecht,
25 (b) zum Muthwill unerkentlich
(3) [d i e ] Himmel ( s )krä f te verscherzt verbraucht
Die Gütigen zur Gier, danklos, ein
Schlaues Geschlecht, und zu kennen wähnt es, H ^
I I : 4 5 : Denn ja! zu lang {ist) Göttliches dienstbar nun;
30 4 6 : Und alle Himmelskräfte verscherzt, verbraucht
4 7 : Die Gütigen, zur Lust, danklos ein
48 : (1) Ein
(2) Schlaues ( a ; S
(b) Gcschlecht , und zu kennen wähnt <cj) H^
35 48 es,] es J
481
46-48 Dichterberuf
4 9 - 5 2 :
I : (1) anzuschließen an Zeile 24 der vorigen Seite:
Und lächelt (: verschrieben statt lächelnd^
baut der heilige Tagesgott [ , ]
Das Feld so wähnen (a) die (b) sie ihn zu kennen 5
Den erhabnen, und ihre Schiffe (a) träk (ß) trägt und wiegt
Das heilige Meer ,
(2) W e n n lächelnd [er ] der erhabne den Aker baut,
(a ) Denn
(b) Den (a) heiigen Meer 10
(ß) heiigen Tag
(y) Tagsgott, H ^
I I : (1) W e n n lächelnd
(2) W e i l ihnen der (a) erhanb
(b) erhabne den Aker baut, 15
Den Tagsgott, und den Donnerer und es späh / l / t
Des Schiffers Rohr (a) die Sterne,
(ß) sie all und nennt mit
Nahmen die hohen, des Himmels Sterne; H ^
4 9 Erhabne] Erhabene J baut,] baut J 52 Sterne.] Sterne J 20
5 5 D o c h ] doch J
5 3 - 6 4 :
1: 1: Anbetungswürdig, ewiger Freude voll
2: Natur! (1) in deinen Ordnungen allen lebst
3: Im Abglanz deines Licht(s) 25
2: (2) bist du ("a^ u. himmlische Freude
(b) und
(c) u. blühest du über uns und
(d) und edel u. einig sind
i : Im Abglanz deines Licht(i) in deinem 30
4: Geiste die Sterblichen, die dich lieben,
a : Doch (1) mit
(2) die mit frechen Händen und (a) heimlichen
(b) ungewohnt
(c) heimlichen 35
482
Dichterberuf 46-48
10
15
20
25
b: ; 6
II : 1:
2:
}
4
5
6:
7:
Verschloßnen Herzens (1) w (2) b (3) rauben, und Göttliches
Zu wenig achten, weh! gewaltsam
(1) siegt
(2) Dennoch (a) d (b) siegt
(5) Siegt
(+) Sieget der Gott , denn siegen muß er.
(5) Sieget in ihnen der Gott , denn immer siegt er.
Doch die mit frechgewöhnten das deine dir
Das Herz (mit Händen (?)y rauben, und Seegnendes
Geringe nehmen, weh! sie selbst, sie
Haben den Fluch in die Brust empfangen.
Doch da mit frechgewöhntcn die Gaaben / d i r / sie
rauben, und Seegnendes
Entweihen wehe dennoch siegt, doch
Furchtbar in ihnen der Gott ; (1) so mußt er.
(2) er mußt es. W
Anbetung( i )würdig aber imd ewigfroh.
Lebst du. Natur, (1) und edel
(2) den Deinen und einig sind
I m Glänze deines Lichts, in deinem
Geiste die Sterblichen, die dich lieben;
(1) [Doch die mit frechgewöhnter]
(2) Woh in sie gehn, die goldene Wolke folgt.
Erheiternd, und befruchtend, beschirmend auch
Und keiner (1) Waffen braucht, u. keiner /Würden ,
(2) Würden brauchts, u. keiner
Waffen, so lange der Gott (1) nicht fehlet.
(2) uns nah bleibt.
Erläuterungen
30 Alkäisches Silbenmaß.
5 des Tages Engel ] Der seines Berufs bewußte Dichter, wie der Vergleich mit der
Ode An unsre großen Dichter (1, 261) lehrt.
9 N i c h t ] »Nicht darum geht es, nicht das gilt es...«
11 W i l d ] Fgl. Unter den Alpen gesungen v. 7.
483
46-48 Dichterberuf
1 1 . 1 2 sich / W e h r e t ] v>dch wehren« schwäbisch für »arbeiten, im Hauswesen
vorwärtskommen«; vgl. Gottfried Keller: Frau Regel Amrain und ihr Jüngster,
7, 2S1 Frankel: Auch wußte er, . . . daß er sich nun doppelt wehren müsse.
13 den Dichtenden] Vgl. Heimkunft v. 37: was auch Dichtende sinnen;
Klopstock, Kaiser Heinrich (1764) v. 20: der Dichtenden Grundanlagen; Die 5
Rathgeberin (179S) v. 1: Regel des Dichtenden.
14 geeignet] Vgl. Goethe, Faust v. S140: Der ich mich wohl eignen möchte.
17 Und dennoch] Nicht nur dem Höchsten kann der Gesang des Dichters gelten:
es gibt auch Irdisches, das er, zximal in gegenwärtiger Zeit, nicht verschweigen
(v. 29) darf, die ruhelosen Thaten in weiter Welt (v. 25). Zu Zeugen dieses Ent- 10
Schlusses werden die Himmlischen all aufgerufen, wie auch die Stätte der Berufung,
der Beseelung durch den schöpferischen Genius. (Die beideji Vokative ihr Himm-
lischen und Thaten sirui also nicht, wie Böckmann S. 323 anzunehmen scheint,
gleichgeordnet und mit dem Euch v. 29 gemeinsam aufgenommen — die Anknüpfung
mit dennoch v. 17 hätte dann keinen Sinn.) 15
19. 2 0 als du die Loken ergriffen] Angeredet ist einer aus der Schar der Himm-
lischen; zu der doppelten Apostrophe vgl. Am Quell der Donau v. S6-91 und die
Erläuterung z. St. (S. 696 Z. 11-14). - Das Bild begegnet auch in Patmos v. 129:
Die Loken ergriff es. Kempter (Anm. 44 und ISl) macht aufmerksam auf Hölder-
lins Homer-Übersetzung, Iliasl, 197: Jene stand von hinten und faßte den 20
Peliden an seinen goldenen Loken. Das eigentliche Urbild der prophetischen
Berufung ist indessen biblisch, und zwar nicht so sehr das Pfingstgeschehn (Apostel-
geschichte 2, 3), worauf Kempter hinweist, wie etwa Hesekiel 8, 1—3: .. daselbst
fiel die Hand des Herrn Herrn auf mich.. . Und reckte aus gleich wie eine
Hand, und ergriff mich bei dem Haare meines Haupts. 25
2 3 Der Vers ist um zwei Silben zu kurz; vgl. die Erläuterung zu v. 49 des Gesangs
des Deutschen.
2 5 Thaten in weiter W e l t ] Vgl. (PVie wenn am Feiertage...) v. 30: den Thaten
der Wel t .
2 9 - 3 3 Vgl. S. 668 Z. 23-26. 50
3 0 Vom stetigstillen Jahre der Wohllaut] Die Lesarten verdeutlichen das Ge-
meinte: Des Lebens majestätischer, großgeordneter Wohllaut, dem die spieleri-
sche Handhabung der Kunst, der geweihten, reinen Saiten nicht angemessen ist.
3 4 Und darum] Neuer Einsatz, der nun als verpflichtende Vorbilder des Orients
Propheten und den Griechensang hinzunirrmit zu dem v. 2S—28 schon angerufe- 35
484
Dichterberuf 4 6 - 4 8
nen gewaltigen Zeitgeschehn, das hier als die Donner (v. )6) bezeichnet wird. Der
Mißbrauch des guten Geistes (Des Guten v.37 ist anaphorisches Attribut zu Geist
V. 36, nicht etwa substantiviertes Neutrum!) wird dann noch strenger gerügt, indem
zu dem bloß Spielerischen das Motiv der Gewinnsucht hinzutritt ("Feil v.40, deut-
5 licher im Entwurf: damit die Knaben auf uns wiesen und die Unverständigen
uns die Hände füllten mit schnödem Gold^.
3 8 Der Vers ist um drei Silben zu lang; vgl. die Erläuterung zu v. 49 des Gesangs
des Deutschen.
4 2 Des Ursprungs sich erinnert] Fgl. Der gefesselte Strom v. S.
10 4 9 den Aller haut] Fgl. (Wie wenn am Feiertage...} V. 34.
5 0 Tagsliclit] Vgl. Der Wanderer, 2. Fassung, v. f f .
5 3 — 6 4 Statt dieser drei Strophen, die nur im Druck überliefert sind, bieten die
Handschriften zwei (auch voneinander) verschiedene Entwürfe. Der erste ist nicht
ganz vollendet, der andre sei hier ohne die Korrekturen wiederholt, weil er das Ver-
ls ständnis der endgültigen Fassung f ördert:
Anbetungswürdig aber und ewigfroh,
Lebst du Natur, den Deinen und einig sind
Im Glänze deines Lichts, in deinem
Geiste die Sterblichen, die dich lieben;
20 Wollin sie gehn, die goldene Wolke folgt.
Erheiternd, und befruchtend, beschirmend auch
Und keiner Würden brauchts, und keiner
Waffen, so lange der Gott uns nah bleibt.
(Die letzte Zeile schloß zuerst: so lange der Gott nicht fehlet.^
2 5 . Diese Fassung ist insofern undeutlich, als der Dichter, für den es keiner Würden und
Waffen braucht, so lange der Gott nicht fehlet, nicht ausdrücklich genannt wird.
Deshalb also ist die Umarbeitung notwendig. — Der Dichter gesellt sich denen, die
die Natur lieben, denen, wohin sie auch gehn, die erheitenuie, befruchtende, beschir-
mende Wolke folgt, die überall und allezeit geschützt sind, und unter ihnen braucht
30 sich der Dichter nicht eigens auszuzeichnen Ckeiner Würden brauchts^. Das
dauert, so lange der Gott uns nah bleibt, solange es fromme Menschen gibt, denen
der Dichter sich gesellen kann. Doch wird der Dichter auch, wenn er einsam vor
Gott bleiben muß, durch die Einfalt seiner Frömmigkeit, durch seine Unschuld
(Unter den Alpen gesungen v. 17—20) geschützt sein. Er bedarf auch dann keiner
35 Würden und Listen, die ihn unterscheiden und auszeichnen, solange das Göttliche
485
46—Si Dichterberuf. Stimme des Volks
noch im Gedächtnis der Menschen ist, solange der Gott nicht gänzlich fehlt — erst
wenn die Erde ganz götterlos ist, wird der Gott, wird das Fehlen Gottes dem Dichter
zu auszeichnenden Würden verhelfen, wird ihm helfen, sich mit Waffen urui
Listen als Unterschiedner und Einzelner gegen das undankbare schlaue Geschlecht
zu behaupten; denn dann ist der Dichter der Einzige, der das Andenken des Gott- 5
liehen pflegt. Die Wendung bis Gottes Fehl hi l ft ist demnach mit einem Anflug
schmerzlicher Ironie an die Stelle der ursprünglichen gesetzt. (Vgl. ähnlich ironische
Ausdrücke: Gebet für die Unheilbaren v. 2: wie verständig sie sind; Die Liebe v. 2:
O ihr Dankbaren; Brod und Wein v.ll2; so sehr schonen die Himmlischen
uns J — Die von HeUingrath z. St. angemerkte Erklärung, derzufolge der Gedicht- 10
Schluß für den Druck in sein genaues Gegenteil umgewandelt worden wäre, ist wohl
nicht sehr wahrscheinlich.
5 3 mit heiiger Nacht ] Vgl. Lebenslauf v. / und die Erläuterung z. St.
5 4 bleiben] Vgl. {Versöhnender der du nirranergeglaubt...), 1. Fassung, v. 89 und
die Erläuterung z. St. 15
5 7 Ihn ] Den H immel nämlich kennt der fromme Mensch, indem er ihm dankt für
das Wirken seiner Kräfte, kennt ihn besser als das spähende Sehrohr. Diese Kennt-
nis, dies Wissen behält der Dank des frommen Menschen, eben des Dichters aber nicht
gern für sich: er gesellt sich zu andern Dankbaren, die ihm helfen, das Wirken der
Himmelskräfte /romm zu verstehn. Dem Helfen v. 60 entspricht als Widerspiel 20
das hilft v. 64. - Vgl. Die Titanen v. 4)-46.
S T I M M E DES VOLKS
Erweiterung des zweistrophigen gleichnamigen Gedichts 1, 245. — Die erste Fassung
ist wohl noch im Jahr 1800 entstanden, die zweite 1801.
Überlieferung 25
Erste Fassung:
IP : Stuttgart I 6 Bl. 11", 11" (s. die Beschreibung S. 377).
H^ : Stuttgart I 6 Bl. 12", 12", Ii" (mit Bleivarianten zur 2.Fassung v. 18-22).
Erster Druck: Friedrich Hölderlin''s sämmtliche Werke, hg. von Christoph Theodor
Schwab, Stuttgart und Tübingen 1846, I 1, 28-W (die beiden letzten Strophen 30
nach W ) .
486
Stimme des Volks 49-S}
Zweite Fassung:
H^ (v. 19-22): Stuttgart 1 2 (s. die Beschreibung S. 396).
H* (v. 41-72): Cologny bei Genf, Sammlung Martin Bodmer: Einzelblatt
18,1 X 21,S cm, obere Kante abgerissen; bräunliches, geripptes Papier; Rest des
5 Wasserzeichens: unteres Ende eines Baselstabs, von Zweigen umrahmt.
J: Flora / Teutschlands Töchtern geweiht. Eine Quartalschrift von Freunden
und Freundinnen des schönen Geschlechts. Zehnter Jahrgang. Viertes Viertel-
jahr. Tübingen, 1802. In der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. S. 3S-3S,
unterschrieben: Hölderlin.
10 Eigentümlichkeiten der Schreibung: ergreift (aber: ergreiffend^, jetzt
(aber: trozen^, Schiksal, ausser (aber: größeren^, Schwert.
Lesarten der ersten Fassung (H^, H^)
1 glaubt ich sonst aus: (1) ahnden (2) ahndet' ich H^ 2 Jugend;] Ju-
gend, H^ '4 auch,] auch H'
15 5 - 8 : 1 : 5 : Hört man sie (1) und
(2) gern und ö f t ( e r j ) bewegen sie
6: 7 : (1) D e n ( n ) (2) Und meine Bahn nicht, aber richtig
8 : Wandeln ins Meer (1) die (2) sie die Bahn hinunter
20 I I : 5 : W e r liebt sie nicht und i m m e r bewegen {sie)
6 : (1) Die fa^ Ahnungsvollen
(b) ahnungsvollen
(c) deutungsvollen Ei l /d /enden / a u f / mir die Brust,
(2) Das Herz mir , hör {ich) ferne die Eilenden
23 7 : Die (1) Ahnungsvollen,
(2) Deutungsvollen, meine Bahn nicht
8 : (1) ins Meer
(2) Aber gewisser ins Meer (a) wandern.
(b) zu wandern.
30 (c) zu schweb (en . ) H^
Die letzte Variante fzu schweb^ wird auf der gegenüberliegenden
Seite (10^) versucht und steht dort nun, 10 cm vom oberen und 6 cm
vom rechten Rand, gänzlich umwuchert von dem Entwurf zu der Ode
Der Abschied.
487
49-S} Stimme des Volks
I I I : TextH^ (6ichfehltH^ SchwindendenüJcrg-ertr.Eilendeni/2;
9 allzubereit aui immerbercit t P H ^ alhubereit den] allzubereit, den H ^
1 0 ergreifft aus erwählt L P
1 1 . 1 2 : (1) auf Ca; eigenen
(h) eigenem Pfade wandelt, 5
Die d
(2) sie
(3) und
(4) sie einmal aufgewacht, und wandeln
Und suchen i n ( s ) 10
All zurü<Ä>
(5) Was sterblich ist und (a) einmal (h) wachend einmal H^
(6) W a n d (Schreibfehler)
(7) Was sterblich ist und wachend einmal
auf eigenem Pfade wandelt, 15
(8) mit Bleistift wachend einmal gestr.^ darüber: einmal offnen
V. 12 wird, ebenfalls mit Blei, die Lücke ausgefüllt: Auges H^
13 zurük aus: zu zur H ^
13 so bis 1 6 Stcuerlosen]
1 : 1 3 : (1) so (: aus d ; stürzen 20
(2) so fliehn
14 : Die Ströme fort, (1) do<rt ( ? ) )
(2) der Ruhe, der T ie fe zu
15 : Reißt Widerwi l l en , von (1) zu (2) Klippe zu (a) Z (b) Klippe
1 6 : [Das] göttliche Sehnen hinab, 25
I I : 13 : so sucht
1 4 : {Der Strom) sich Ruh imd über die Klippe reißt
15 : (1) In (2) Ihn wider Wil len , rastlos
I I I : 1 3 : so fliehn
14 : Die Ströme fort , sie suchen die Ruh H^ 30
I V : Tert i / 2 ("14 er aus es H^ 15 Es aus l{hn) H' ziehet
aus ziehen IP ihn gestr. u. unterpunktet H^)
13 über dem Schluß des Verses die Zeichen: — w L ^ - H^ 16 davor, in zwei
Zeilen untereinander, die Zeichen: L ^ . ^ L / ^ . L . ^ H^
17-24: 1: 17 : Ein göttlich Sehnen 35
488
Stimme des Volks 49-S}
18 : Und kaum (1) geboren,
(2) entsteigen (: verschrieben statt entstiegen^
raschaufeilend, (a ) stü^rz«)
(b) fällt
5 (c) keh<r>t
19 : Die Wolke zum Abgrund ihn, / i h n , /
2 0 : weinend zum Geburtort (1) nieder, (2) wieder
2 1 . 2 2 : fehlt (v. 2}-28 im unteren Drittel der Rückseite)
2 3 : (1) ist
10 (2) Und stille [ l iegt] vor den Sternen liegt, den / d e n /
2 4 : Betenden gleich, in den Staxib (1) gesunk (m)
(2) geworfen H ^
I I : gestrichen:
17 : Das wunderbare Sehnen (1) zum Abgrund fort
15 (2) dem Abgrxmd zu,
18 : Und kaum der Erd' entstiegen, desselben Tags,
19 : Kehrt wein/en/end zum Geburtort, schon aus
2 0 : (1) Leuchtender
(2) Goldener
20 (3) Purpurner Höhe die Wolke nieder.
2 1 : (1) Und
(2) Die Menschen
(3) Und Völker auch ergreiffet die Todeslust,
2 2 : Und (1) Städte
25 (2) Heldenstädte sinken, (a) der (a) G
(ß) Erde Grün
Sprößt (: verschrieben statt Sproßt^ über ihnen,
(b) und stille liegt i m
(nicht weitergeführt)
30 2 3 : Und stille von den Sternen liegt den H ^
I I I : unmittelbar anschließend, auf der Rückseite: Text H^
(21 Und aus Die H^ ergreiffet aus ergreiffeit H^ 2 2 sin-
ken;] SemiÄo^on/ürursprüng-/. Äomma H^ 2 3 Und aus Vori"/^)
18 —22 : Bleivarianten zur 2. Fassung:
35 18 zu Beginn: Denn am Schluß (über: desselben Tags^.- und
489
49-f 3 Stimme des Volks
Völker auch 1 9 : Ergreift die Todeslust und Städte 1 9 . 2 0 :
diese beiden Verse sind, durch einen senkrechten Strich in der ersten
Hälfte, getilgt. 2 2 Heldenstädte] als mißfallend unterstrichen H^
2 5 - 2 8 :
2 5 : (1) Gern m 5
(2) Freiwillig überwunden des Menschen Kunst
2 6 ; (1) Den hohen Unnachahmli (c/icn)
(2) Vor jenen Unnachahmharen [da ] ; und er selbst
2 7 . 2 8 : (1) Des Menschen (a) Werk , er selbst zerbrach zu
Ehre der (a) Haus (ß) Götter sein Haus 10
(b) Haus
(c) Ruhm, er selbst zerbrach (a) zu
Ehre der Götter sein W e r k {der} Künstler.
(/?) die reinen
(2) Und selbst zerbrach, die immer schönen 15
Götter zu ehren sein Werk der Künstler. H ^
2 5 die lange über gestr.: des Menschen H^ Kunst] danach ein Komma ge-
tilgt H^ 2 7 Der Menschili 2 8 Hohen] aus; Mit eigner Hand zerbrach,
die reinen / Götter H ^
2 9 — 3 6 : I : am unteren Rande der Vorderseite: 20
2 9 : Aber die Himmlischen, den Sterblichen hold
3 0 : Erschweren ihnen die eilende Rü[h]kkehr ,
3 1 . 3 2 : fehlt
3 3 : (1) W o h l i h m , der bald, (vgl. v. 37)
(2) Und gleich den jungen 25
(3) Und wie (a) die (b) (des} Adlers Jungen, er wirft sie selbst,
3 4 : Der Vater aus dem Hause, damit sie sich
35 : A m (1) Himmel
(2) Felde (a) Buchen, (Schreibfehler)
(b) Beute suchen so, so 30
3 6 : Treiben ims lächelnd (1) hinaus
(2) hinfort die Götter. H ^
I I : (1) Doch [ jene,] m i n d e { r ) nicht den Sterblichen allen hold
Und wiederliebend, (a) so (b) g le ich, wie geliebt sie sind
Und [gern] (a) .erschweren (ß) verlängen sie, 35
490
Stimme des Volks 4 9 - S }
Und
(2) Text H" (29 jene aus jenen H^ 3 1 im am des W
3 6 lächelnd] als mißfallend unterstrichen H^)
3 7 : (\)vgl.v.}S 1(1) (2) W o h l allen, die H^
5 3 7 zur Ruhe i u 4 4 ge funden. ] /eWt H ^
4 1 N i ch t ] darüber Als H^ 4 2 unter,] danach ein senkrechter Strich, später,
mit blasserer Tinte H^ 4 3 Noch Einer euch luvor über nicht gestr.: Euch
immerdar zuvor H ^
45-48: 10 1 : 4 5 : Doch, größer ist und (1) mehr der (a) [ de r ] Natur
W U r ^ ? ;
(cj hohen
(2) schöner u. ihrer mehr
4 6 : Die (1) aller Mutter
15 (2) alle<s> Allen ist, der Natur, Mutter werth
(das JVort Natur ist verwischt, vielleicht absichtlich mit der
eingetunkten Fahne der Feder)
4 7 : In Eile zögernd, mit des (1) Aid (2) Adlers
4 8 : (1) Schwung Bahn zu wandeln
20 (2) Die geschwungnere
(3) Lust die geschwungnere Bahn lu (a) w (b) f l i e g e n / / ^
I I : 4 5 : Doch (1) größer ists und schöner
(2) sichrer ists und größer und ihrer mehr
4 6 : Die Allen Alles ist, der Natur werth
25 der Mutter
Cder Mutter unter: der Natur
Werth auf halber Hohe neben beiden)
4 7 : In Eile zögernd, mit des Adlers
4 8 : Lust [ , ] die geschwungnere Bahn zu wandeln H ^
30 Die ganze Strophe wird dann, durch ^wei senkrechte Striche am Beginn der
Zeilen, getilgt — vielleicht erst später, um anzudeuten, daß hier in der
zweiten Fassung die Erweiterung einsetzen soll. H^
4 8 a - C : gestrichen: Vollenden sollst du, aber zu frühe nicht
Den Frieden, der Himmlischer ist
35 Den sollst du lieben H ^
491
4 9 - S 3 Stimme des Volks
(Der Tilgung!strich ist kräftiger und dunkler als die beiden Striche durch
V. 4f-48.)
4 9 - 5 2 : I : 49 : (1) Drum
(2) So halt ich u m der Götter willen/Ca; D e m (b) O
(3) Und u m der Götter willen verehr i ch sie 5
5 0 : {Die) St imme meines Volkes, die ruhige,
5 1 : (1) Doch in der Götter Nahmen mahn ich
(2) Doch in der Götter und der Menschen
Nahm<cn)
(5) Doch in der Götter Nahmen ermahn ich auch 10
(4) Doch um der Götter und der Menschen
5 2 : Wi l len , sie ruh[ ig ]e zu gern nicht i m m e r !
Hl
II: 49: (1) Und
(2) Drum weil sie f rom<m) ist, e h ( r ) ' {ich) den 15
(a) Himmlischen
(b) Göttern <...>
5 0 : Zu (1) liebe
(2) lieb des Volkes St imme, die ruhige,
5 1 : (l)Un<<i> 20
(2) Doch u m der (a ) T
(b) Götter und der Menschen
5 2 : Wil len sie ruhe zu gern nicht immer . H ^
Lesarten der zweiten Fassung (H^, H*, J)
1 - 1 8 : fehlt H^ 1 - 4 0 : fehlt H* 25
7 meine ] meiner J 8 eilen.] eilen, J 11 Augs ] Aug's J
18 - 2 2 : I : siehe die Bleivarianten über den entsprechenden Fersen der ersten Fas-
sung H^ (489,34-490,3)
I I : 2 0 : Vieles versuchend, [und] H ^
I I I : 1 9 : und (1) Helden- / (2) kühne 30
2 0 : Städte, nachdem sie versucht / , / das Beste
2 1 : (1) Sind untergangen
(2) Von Jahr zu Jahr forttreibend das Werk , sie haben
2 2 : Ein heilig (1) Ende (2) End ' erfahren H ^
492
Stimme des Volks 49-S^
I V : Text J
2 2 die Erde bis 72 ausiulcgen.] /c / i / t H^
23 vor ] von J 41 A m ] An J
41-44 :
5 4 1 : A m Xanthus (1) lan
(2) l a g f a ; die Stadt.
Als Anfang der nächsten Strophe: Denn
(b) , in griechischer Zeit, [Zei t ] die Stadt.
4 2 : Jeit aber, gleich (1) anderen
10 (2) den ( a ) anderen
(b) größeren dort, [ist] hinweg
4 3 : Ist [sie, w ie ] durch ein (1) Schikschi
(2) Schiksaal sie (a ) ,
dem Lichte des Tags gekommen.
15 (b) dem
4 4 : Heiligen Lichte des Tags gekommen. H *
4 5 — 4 8 : später in kleinerer Schrift über und durch die früher entworfene nächste
Strophe (v. 49-52):
4 5 : Sie (1) brachten
20 (2) kamen aber nicht in der (a) Schlacht (b) of&ien Schlacht
4 6 : Durch eigne Hand um, fürchterlich [da] ist (l)/Da(t>on ( ? ) )
(2) /Die womder-
bare Sage
(3).
25 (4) davon,
47 : (1) W i e sie
(2) Was dort geschehn Die wxmderbare
4 8 : Sage von Osten zu uns gekommen. H *
4 9 Es ] (1) Den<n> (2) [Denn] es H^ 50 . 5 1 so bot er sich / Zu helfen
30 ihnen, aus: so wollt / Er ihnen helfen, H* 5 1 als bis 5 2 Thoren. ]
(1) I Als Feind, lag vor den (a) Ansatz zu M(auem (?)} (b) Toren, (2) als
(3) der (4) als Feldherr / (a) Lag (b) Lag (c) Stand in Belagerung vor den
Toren, H *
5 3 - 5 6 : (1) Nicht gut ists, Helden zu trozcu. ("a; D f i ; Aber ("c; Doch
35 Längst wars zuvor bereitet. Denn auch die (vgl. v. 61 f.)
493
49-S3 Stimme des Volks
53 : (3) [Sie warfen von den M a u e m , ]
(3) Sie warfen von den M a u e m [ , ] die Diener i h m ,
(4) Doch von den M a u e m warfen die Diener sie
5 4 : Die er gesandt. Lebendiger [aber] ward (1) darauf
(2) gestr. u. unter- 5
punktet
55 : (1) Die (Flamme}
(2) Das Feuer, (a) denn
(b) und sie freuten sich, und ihnen
5 6 : (1) Strekte die Hände entgegen Brutus 10
(2) Streket' entgegen die Hände Bmtus H *
5 7 Und alle] Sie aber H *
5 8 Drauf Us 6 0 Schwerdt der.] 5 8 : (1) Männer und W e i b e r
Warf<e7i>
(2) Drauf in die Flamme {a) / 15
Sich warf
{h) warf
5 9 : Sich Mann und W e i b , [und] (1) es stürzt' ein Knab auch
(2) von Knaben stürzt' auch
6 0 : (1) Der in das Schwerdt der Väter 20
(2) Der von dem Dach, in der (a) Sch
(b) Väter Schwerdt der. H*
6 0 von dem Dach ] in die Schlacht J Väter ] Vater J
6 1 . 6 2 : {\) siehe V. 5^-56 (1)
(2) Nicht g u t /s ] ist<s>, 25
(3) Nicht räthlich ist es Helden zu trözen (Schreibfehler); längst
Wars aber vorbereitet. [Denn] Die Väter auch H*
6 3 sie aus ergri(ffen} H* waren,] waren H^ 6 4 : später eingefügt H*
6 4 persischen] Persischen aus Persichen H* drängten,] drängten H*
6 5 R o h r ] Rohre J 30
6 5 . 6 6 : ( l )End
(2) Entzük
(3) Entzündeten (a) die Stadt mi t des Stromes (a) St iß) Rohr, / De
(b) ergreiffend des Stromes Rohr,
(a) Um [auf] ins Freie, 35
494
Stimme des Volks 4 9 - S ^
(ß) Die Stadt
(y) Daß sie das Freie fänden, Die Stadt. Und Haus H ^
6 7 zum heiigen Aether ] (1) indeß zum Aether (2) zum Aether fliegend
(5) Text H^ 6 8 Fliegend,] Fliegend H* J hinweg die F lamme. ]
5 weiter unten (etwa 2,S cm tiefer) vor dem Entwurf dieser und der nächsten Strophe
festgehalten H*
6 9 - 7 2 :
6 9 : So hatten es die Kinder gehört, und (1) gut [ist]
Ist solche Sage, (a) Do<e?i)
10 (h) Doch eines auch
Bedarfs, der
(2) wohl
7 0 : Sind gut die Sagen, denn ein Gedächtniß sind
7 1 : D e m Höchsten sie, doch [au] (1) eines auch
15 (2) [Eines auch]
(3) auch bedarf es
72 : Eines, die heiligen auszulegen. H ^
Erläuterungen
Alkäisches Silbermaß.
20 Überschrift: Das Sprichwort vox popidi vox Dei, in dieser Prägung nicht antik,
klingt schon an heiHesiod,ergav. 763 f.:<prinrj 6' ovxiQ TiäfUtav dndKXvxax, rjvnva
noXXoi Xaoi iprj/il^coai' fieö; vv zig iari xal oütjJ. Alcuin, Epistola CXXVII
seu capitulare admonitionis ad Karolum § 9 (Opera, ed. Frobenius, Bd. I I , 1777,
S. 191), bestreitet die Wahrheit dieses Wortes: Populus juxta sanctiones divinas
25 ducendus est, non sequendus; et ad testimonium personae magis eliguntur honestae.
Nec audiendi, qui solent dicere: VOx populi, VOX DEI. Cum tumultuositas vulgi
Semper insaniae proxima sit.
Erste Fassung:
Vgl. die Auslegung von Wilhelm Michel in dem Aufsatz üher Hölderlin und die
30 Götter, zuletzt abgedruckt in dem Sammelband: Wilhelm Michel, Hölderlins Wieder-
kunft, Wien (194}), S. 19-44, besonders S. 29-33.
9 — 1 3 Vgl. den Brief an den Bruder vom 2. Juni 1796: Freilich sehnen wir uns
oft auch, aus diesem IMittelzustand von Leben und Tod überzugehn in's unend-
495
4 9 - S 3 Stimme des Volks
liehe Seyn der schönen Welt, in die Arme der ewigjugendlichen Natur, wo-
von wir ausgegangen.
1 5 . 1 6 Ton Klippe lu Klippe] Vgl. {Hyperions SchiksaalsHed^ v. 22 f .
17 Das wunderbare Sehnen dem Abgrund xu] Vgl. Walther Rehm: Tiefe und
Abgrund in Hölderlins Dichtung (Hölderlin, Gedenkschrift zu seinem 100. Todes- 5
tag, hg. von Paul Kluckhohn, Tübingen 194), S. 70-1)), besonders S. 96-100).
1 9 . 2 0 aus / Purpurner Höhe ] Das Beiwort ist auffällig, da hier nicht von abend-
lichem Purpurschein (wie etwa Stutgard v.7S) die Rede ist, auch vorher Leuch-
tender und Goldener statt Purpurner standen (siehe die Lesarten). Schiller
spricht im Taucher v. 100 gar von purpurner Finstemiß und verteidigt am 21. Juli 10
1797 im Brief an Kömer das Beiwort mit dem Hinweis darauf, daß der Taucher
wirklich unter der Glasglocke die Lichter grün und die Schatten purpurfarben
sehe. Die Verwendung desselben Wortes nun zur Bezeichnung gerade des Strahlenden
und Hellen wird gestützt durch Johann Heinrich Voß: Verwandlungen nach Publius
Ovidius Naso, 2.Theil, Berlin 1798: LIX. Romulus und Hersilius, v. 24: hehr 15
wie die Bildung des purpurhellen Quirinus (für met. 14, 828: qualis traheati
forma Quirini). In seinen Mythologischen Briefen, Königsberg 1794,12S4, weist
J. H. Voß darauf hin, daß, nach einem Scholion zu Apollonius Rhodius (4, 177)
das goldene Vließ von Simonides »bald schimmernd, ^svxov, bald purpurhell,
nOQqwQOW« genannt worden sei — wie denn »bekanntlich Purpur bei den Dich- 20
tem zuweilen nur Glanz« andeute.
2 1 Vgl. Der Einzige, 2. Fassung, v. S3: Die Todeslust der Völker. - Die 2. Fas-
sung der Stimme des Volks führt dies Motiv am Beispiel der Stadt Xanthos durch
(v. 41-72).
2 5 die lange Kunst] Am Ende eines Aeons gibt der Mensch die in langer Zeit ge- 25
wächsern »Kunst« und ihre Errungenschaften wieder der mütterlichen »Natur«
preis, den Mächten des Ursprungs (vgl. Natur und Kunst oder Saturn und Jupiter);
lang ist die Kunst auch nach dem Sprichwort, länger als das kurze Leben des ein-
zelnen Menschen: vita brevis, ars longa (Hippokrates, Aphorismen 1, 1: 6 ßloq
ßeaxvg, •fj 6i rdxvri fiaxQij). 30
3 3 des Adlers Jungen] Vgl. Hyperion 2, 54: Wir sind wie die jungen Adler,
die der Vater aus dem Neste jagt, daß sie im hohen Aether nach Beute su-
chen; Der Tod des Empedokles, 1. Fassung, 2.Akt: Hegt / Im Neste denn die
Jungen immerdar / Der Adler? Für die Blinden sorgt er wohl, / Und unter
seinen Flügeln schlummern süß / Die Ungefiederten ihr dämmernd Leben. / 35
496
Stimme des Volks 4 9 - S ^
Doch haben sie das Sonnenlicht erblikt, / Und sind die Schwingen ihnen reif
geworden, / So wirft er aus der Wiege sie, damit / Sie eignen Flug beginnen.
3 7 Wohl allen] Vgl. Pred. Salomon. 4,2: Da lobte ich die Toten, die schon
gestorben waren, mehr, denn die Lebenden, die noch das Leben hatten.
5 3 9 . 4 0 gleich den Erstlingen der Emdte] S. Mose IS, 4:. . das Erstling deines
Korns, deines Mösts, und deines Öls, und das Erstling von der Schur deiner
Schafe. - Vgl. Bruchstück 26, Zeile 11 f .
4 6 Dieser Vers ist metrisch noch nicht ausgeformt; vgl. die Lesarten.
Zweite Fassung:
10 1 8 Das Ungebundne] Vgl. Der Einzige, 2.Fassung, v. 72 und die Erläuterung
z.St.
2 2 troffen] Noch heute in der Mundart gebräuchlich. Vgl. Kempter S. 112.
3 6 Stachel] Vgl. Dichterberuf v. 41; Sophokles, Philoktet v. 10)9: .. ei nrj xi
xevxQOV &elov ijy' i/iäg. — Eine merkwürdige, wohl kaum zufällige, sondern auf
15 ein gemeinsames Vorbild zurückzuführende Ähnlichkeit des Bildes von dem Herr-
scher mit dem Stachel bei Ronsard, Amours 1,2S v. 9: D'autre esperon mon tyran
ne me poind. - Hölderlin verwendet das Bild ein zweites Mal: Chiron v. 4} f.: und
als ein Herrscher, mit Sporen.
41— 6 0 Das Schicksal der lykischen Stadt Xanthos (am gleichnamigen Fluß) im
20 Jahre 42 v. Chr. erzählt Plutarch, Brutus 30 f.: Auf einige Belagerungsmaschi-
nen dicht an der Mauer unternahmen die Xanthier bei Nacht einen Angriff
und warfen Feuer hinein, um sie unbrauchbar zu machen. Das bemerkten die
Römer. Doch ein heftiger Wind fachte die Flamme wieder an und trieb sie
über die Zinnen, so daß sie die nächsten Häuser ergriff. Da geriet Brutus wegen
25 der Stadt in Sorge vmd befahl zu löschen und zu helfen. Die Lykier aber packte
plötzlich eine imbeschreiblich stürmische Raserei, die man am ehesten
mit einem Todesverlangen vergleichen könnte. Mit Kindern und Weibern
nämlich warfen alle, Freie und Sklaven, alt und jung, die Feinde, die löschen
wollten, von den Mauern, schleppten dann Rohr und Holz und alles Brennbare
30 herbei und zogen das Feuer noch mehr in die Stadt, indem sie ihm alle Nah-
rung gaben, es auf jede Weise noch schürten imd anfachten. Wie nun die
ungehemmte Flamme, von überallher die Stadt umzingelnd, hoch herüber-
leuchtete, ritt Brutus, aufs heftigste bewegt von dem Geschehen, von außen
heran, zu helfen bereit, und streckte den Xanthiem die Hände entgegen und
497
49-S3 Stimme des Volks
bat sie, ihre Stadt zu schonen und zu erhalten; aber niemand hatte acht auf
ihn. Sondern alle brachten sich auf jede Weise um, nicht nur Männer und
Weiber, nein auch kleine Kinder sprangen mit Geschrei und Jauchzen in das
Feuer, andre stürzten sich kopfüber hoch von den Mauern hinunter, andre
wieder warfen sich vor die Schwerter ihrer Väter, entblößten die Brust und 5
verlangten den Todesstreich. — Vgl. auch Appian, hell. civ. 4, 76—80; Dio
Cassius 47, 34.
42 gleich den größeren] »gleich den größeren Städten«.
4 5 nicht in der offnen Schlacht] Parenthese.
4 9 die Güte von Brutus] Über diesen eigentlich sanften Charakter schreibt Hol- 10
derlin am 12. November 1798 an Neuffer: So ist z. B. der Karakter des Brutus
ein höchst xmnatürlicher, widersinniger Karakter, wenn man ihn nicht mitten
unter den Umständen sieht, die seinem sanf ten Geiste diese strengeForm
aufnöthigten.
5 0 Als Feuer ausgegangen] Das heißt: ausgebrochen; vgl. den undatierten Brief 15
an die Schwester mit dem Bericht über den Brand im Tübinger Stift am 3. Dezember
1791: Lezten Samstag nach 9 Uhr Abends gieng Feuer aus im Kloster.
51 Der Vers ist um zwei Silben zu lang, ebenso der dritte Vers der nächsten Strophe
(SS); vgl. die Erläuterung zu v. 49 des Gesangs des Deutschen.
6 2 — 6 8 Plutarch fährt in seinem Bericht fort (Brutus 31): Die Xanthier er- 20
neuerten nach langer Zeit, wie wenn sie nur das Verhängnis einer regelmäßig
wiederkehrenden Vernichtung vollzogen, durch ihre Raserei das Schicksal
ihrer Vorfahren. Denn auch jene entzündeten zur Zeit der Perserkriege auf
gleiche Weise die Stadt und vernichteten sich selbst. — Ausführlicher erzählt
Herodot (1, 176) von der ersten Zerstörung der Stadt Xanthos zwischen S46 und 25
S39 V. Chr.: Als Harpagos sein Heer in die Xanthische Ebene geführt hatte,
zogen die Lykier ihm entgegen und bewährten im Kampf gegen die Über-
macht hohen Mannesmut. Sie wurden aber geschlagen und in der Stadt ein-
geschlossen. Da brachten sie auf die Burg Weiber und Kinder, Habe und
Gesinde und zündeten die Burg an und ließen sie gänzlich verbrennen. Als 30
sie das vollbracht und sich mit fürchterlichen Eiden verschworen hatten,
fielen sie aus und starben, alle Xanthier in der Schlacht. - Herodot berichtet
weiter, es seien nur achtzig Xanthier übrig geblieben, die damals zufällig von ihrer
Heimat abwesend gewesen seien.
6 5 des Stromes Rohr] Das trockene Schilfrohr am Ufer des Stromes. 35
498
Stimme des Volks. Der blinde Sänger / Chiron 49—57
6 9 die Kinder] Die Xanthier der Generation von 42 v. Chr. im Verhältnis zu ihren
Foreltern von S46lf39 u. Chr.
7 0 . 7 1 ein Gedächtniß sind D e m Höchsten sie] »Die Sagen gelten dem Höch-
sten (das ist Gott — vgl. Dichterheruf v. 14) als ein Denkmal der Taten heldischer
Menschen.«
7 1 . 7 2 Vgl. Patmos, I.Fassung, v. 222-226.
DER BLINDE SÄNGER / CHIRON
Der blinde Sänger ist wohl im Sommer 1801 entstanden; Chiron, erst nach der
Heimkehr aus Frankreich 1802 begonnen, wird im Dezember 1803 für den Druck
10 durchgesehn (vgl. den Brief an Wilmans vom Dezember 1803).
Mit Chiron beginnt die Gruppe der Nachtgesänge (siehe unten: Überlieferung),
von denen die sechs Oden hier beieinander bleiben.
Überlieferung
Der blinde Sänger:
15 H^ : Stuttgart I 6 Bl. 55 ' ('s. die Beschreibung S. 377): erster Entwurf.
tP : Stuttgart I 6 Bl. 53^, 53 fast vollendete erste Fassung, mit dunklerer Tinte
(H^"), später als Grundlage für die Umarbeitung zur zweiten Fassung
(Chiron) verwendet. Die Änderungen (die noch nicht die letzte Gestalt der
Ode Chiron ergeben) unterscheiden sich von der ersten Fassung durch hellere
20 Tinte und kleinere Schrift (H^'>).
h : Stuttgart Va 1 S. 24—26: Abschrift von fremder Hand, Druckvorlage für A^.
(Vorlage für h ist eine Fassung, die, in geringen Abweichungen, nochvorH^
anzusetzen ist.)
A^ : Gedichte von Friedrich Hoelderlin. {Hg. von Ludwig Uhland und Gustav
25 Schwab.) Stuttgart und Tübingen 1826, S. 26-28.
Eigentümlichkeiten der Schreibung (h undA^): weckt, Glück, sitz', vielleicht,
beseligend, segnen, Leid, sey, Du, Dein, Dir, Dich.
H^ : Stuttgart I 30 e,f, g (s. die Beschreibung S. 441): Reinschrift (mit einigen
Änderungen).
30 Chiron;
H"'': siehe oben W .
499
S4 -!7 Der blinde Sänger / Chiron
J: Taschenbuch für das Jahr 180S. Der Liebe und Freundschaft gewidmet.
Frankfurt am Mayn, bei Friedrich PVilmans, S. 11—19.
Die 9 »Nachtgesänge« (vgl. Hölderlins Brief an Wilmans vom Dezember
ISOS) bilden in dem Taschenbuch S. IS— 86 eine Abteilung (II.) für sich, mit
besonderem Titelblatt: Gedichte. Von Fr. Hölderlin. Die einzelnen Ge- 5
dichte sind numeriert: 1. Chiron. 2. Thränen. 3. An die Hoffnung. 4. Vul-
kan. 5. Blödigkeit. 6. Ganymcd. 7. Hälfte des Lebens. 8. Lebensalter.
9. Der Winkel von Hahrdt.
Eigentümlichkeiten der Schreibung (Chiron): sitz', vielleicht, Rückkehr,
nämlich, weich. 10
Lesarten
Überschrift: Derb l inde Sänger. IP H^hA^ [Tägl ich Gebet . ] Chiron.
H^^ J Erste Formung der Überschrift, zusammen mit andern vor dem ersten Entwurf zu
Brod und Wein niedergeschrieben, in der Stuttgarter Handschrift 114 (vgl. die Be- 15
Schreibung S.!91f.) S. } am oberen Rand, unterstrichen: D e r b l i n d e Sänger .
Motto: fehlt H^ H^ J EXvaev alvov (äivov h) axoQ an' ofifiaTOJv 'Agr]?
(. h) Sophocles. hÄ^ Der erste Entwurf (LP):
1.2: W o bist du, (1) süßes L i cht ! 20
(2) Jugendliches! das i m m e r (a) noch
M i c h wekt des Morgens, wo bist du Licht
(b) m i c h
( a ) S t
iß) Zu frühe<r Stunde (?)) 25
(y) Zur Stunde wekt des Morgens, wo bist du Licht
S: Das Herz ist wach, doch hält (1) gebannt i m
(2) die Nacht
(3) u. bannt i m
4 : Traurigen Zauber (1) n (2) die Nacht m i c h immer . 30
f-1: 1: es blühte das Angesicht
Der Geliebten
I I : Es blühten, wie mein Auge, die Blum(€n auf}
I I I : (1) Du grüner
(2) Einst (a) grünte der 35
500
Der blinde Sänger / Chiron S4 - 51
(h) grüntest du, mein Garten
(c) grünte {n ) meine Thäler, es glänzten (a) mir
iß) einst
6: (1) Die
5 (2) So lang
(3) Als noch mein Auge blühte, die Blumen auf,
I V : / ; Einst lauscht (ich) u m die Dämmerung gern und (1) sah
(2) harrt
6: Auf dich am luftgen Hügel und nie iimsonst
10 7 ; Und grüßte deine
8 : Aber den Donner
9: A m Mittag,
10: [Die Meere
11: der D u f t ] kühlet die Schläfe mir .
15 12: der
13: [Hinab! h inab ! ]
14: (1) [ I c h ] [hör ] [(a) ich (b) ihn]
(2) Femwandelnd
(3) Hochwandelnd hör ich ihn in der Nacht, ich hör '
20 I S : Ihn tödtend, (1) allemeuend
(2) ihn erneuend vom Nie(dcr^ang-)
(5) siebenfaltig erneuend den
16: V o m Niedergang zum Aufgang, (1) schreiten,
(2) hin
25 (3) fort
(4) in den
(5) schreiten.
17: Und i h m nach meine Saiten, (1) tönet ihr,
(2) er tön /e / t ihr mir (a), (b).
30 18: drei Zeilen tiefer:
W o endest (1) wo (2) du ?
19
20
21
du sicherer
Auf deiner Irrbahn weiter,
0 Geist!
501
S4 -!7 Der blinde Sänger / Chiron
Lesarten der ersten Fassung (Der blinde Sänger)
(Die Lesarten der Handschrift die h und A ^ sehr nahe steht, sind hier nicht
verzeichnet, sondern im nächsten Abschnitt, der die Umarbeitung vonH^^zuH^^
veranschaulicht.) 5
2 Licht!] Licht? kA^ 3 bannt und hält] hält und hemmt kj^
5 lauscht'] lauscht 7 Holdes,] Holdes! hj^ 1 0 du, Licht!] Du, -
Licht? h Du Licht? 11 ist über der Zeile h 13 Lauben;] Lau-
ben, hA^ 14 eigenen] eignen A^ mir;] mir, hA^ 16 Meinen] Lie-
ben h Lieben, A^ mir] mir, hA^ 18 wandern,] fliegen, hA^ wan- 10
dem üier g-cstr. gerne H^ 19 siz] siti' hA^ 2 0 anderen] anderen, hA^
2 1 Lieb] danach ein Apostroph getilgt h schafft] schafft, A^ 2 2 eignen
aus eigenen h 2 5 hör] hör' hA^ die Stimme] den Wagen hA^
2 6 . 2 7 ' k o m m t , Wenn] kommt Und hA^ 2 7 bebt] bebt, hA^ 2 8
dröhnt] dröhnt, hA^ 3 1 Den
aus Denn H ^ Donnerer] Donnerer, h A ^ 15
3 2 ihr,] ihr H^ 3 3 Ihm nach, ihr meine] Ihr meiner Seele hA^ Ihm
nach, ihr meine über gestr.: Ihr meiner Seele H^ 3 4 Lied] Geist, hA^
Lied über gestr. Geist H^ 35 denkt bis 3 6 dem] trachtet, so geleit' ich /
Gerne den hA^ denkt, so muß ich fort und / Folge dem aus: trachtet, so
geleit'ich / Gerne den 3 7 dort] dort, 3 8 tönts.] tönt's! h A ^ 20
4 0 Wolken] Wolken? hA^ mir?] mir! hA^ 4 2 Hr.] Punkt für getilg-
tes Komma h 4 3 alte vor gestr. wieder H.^ 4 4 nieder] nieder, hA^
4 6 Boden,] Boden! h A ^ Wieg'
aus Wiege h 4 9 euer, euer aus: neuer,
neuer h 5 0 alle,] alle! hA^ Sehende] Sehnende ^ ^ 5 1 nimmt] nehmt
Äyi^ ichs] ich's hA^ 5 2 Göttliche] aus göttliche h nach gestr. Heilige 25
H ^ Herzen.] Herzen! h A ^
Die Umarbeitung des fast vollendeten Entwurfs der ersten Fassung (H^")
zur zweiten
Fassung (Chiron) (H^'>)
Die endgültige Gestalt der zweiten Fassung wird durch H^'' noch nicht erreicht.
1 - 4 : I : Wobist du, Jugendliches (1), (2) ! das immer mich 30
Zur Stimde wekt des Morgens! wo bist du Licht (1), (2) ?
Das Herz ist wach, doch hält und hemmt in
Heiligem Zauber die Nacht mich immer, i / ^ "
I I : 1 Jugendliches!] darüber Nachdenkliches! if^ft mich] iar-502
Der blinde Sänger / Chiron S4 - 51
iiier m u ß 2 Stunde wekt des Morgens ]«iarüier.'Seite gehn,
zuze i ten 3 Herz] dariüer Geist hält und hemmt
in ] darüber: (1) irret mich und (2) zürnet H^^ 4 Hei l igem]
unterstr. H^^ Zauber d ie ] darüier; die erstaunende H^^
5 5 — 8 : 1 : Sonst lauscht i ch u m die Dämmerung gern, sonst harrt
I ch gerne dein am Hügel; imd nie umsonst!
Nie täuschten mich , du Holdes! deine
Boten, die Lüfte, denn i m m e r kamst [ , ] du H ^ "
I I : 5 : zuerst wird harrt unterstrichen, die Nummer 1 dariibergesetzt,
10 um anzudeuten, daß die beiden Verben den Platz tauschen sollen,
dann: und lauscht' Ober: sonst harrt H^'' die Dämmerung
g e r n ] (1) die Dämmer unterstr. (2) darüber: nach Kräutern des
Walds (5) später als die Variante Ober dem Anfang des Verses: den aus
nach H ^ ' ' lauscht ich u m ] darüAer; folgt ich (1) nach (2) treu
15 6 I ch gerne dein] darüber: (1) Zweideutig (2) Ein (a)
waichlich C6; waichesWi ld 7 : «/orüicr; Nicht (1) ein-
mal (2) täuschten auch nicht einmal deine i J ® ' 8 die Lüfte,
denn i m m e r ] (1) sehr gern über unterstr. i m m e r (2) denn allzu-
bereit fast
20 9 - 1 2 : I : Kamst allbeseeligend den gewohnten Pfad
Herein in deiner Schöne, wo bist du L i c h t ?
Das Herz ist wieder wach, doch bannt und
H e m m t die unendliche Nacht m i c h immer . H ^ "
I I : 9 : (1) W e n n eines (2) So Garten oder Füllen (a) gefiel zu mir
25 (b) dir labend war H^'' 1 0 Herein in deiner Schöne] dar-
über; Rathschlagend, des Herzens wegen 11 bannt und]
darüber herzlos H^>> 12 H e m m t ] (1) davor klagt (2) darüber
Zieht unendliche] darüber gewaltige
1 3 - 1 6 : I : M i r grünten sonst die (1) Gärten, (2) Lauben, es leuchteten
30 Die Blumen, wie die eigenen Augen, mi r (1), (2);
Nicht ferne war das Angesicht der
Lieben tmd leuchtete mir und (1) [droben]
(2) [ f l iegen] i f ^ «
I I : 13 : (1) W o h l einen Straus von Krokus (a) und Haferkom
35 (b) und Thymian
503
S4 -!7 Der blinde Sänger / Chiron
(2) den ersten Straus /
Und Thymian (a) gönnten mir
(b) Krokus
(3) Ich wars. Von (a) Kro
(b) ge lbem Krokus gönnte und Thymian 5
1 4 : Ein Himmlischer den ersten Straus
1 5 ; (1) und kühle Sterne
(2) Und bei (cf) Sterne
(b) der Sterne Kühle lernt ich
1 6 : Aber das Nennbare nur 10
(1) und es (a) kam zu mir
(b) trat be i
(2) und bei mi r / zog H ^ ^
1 7 - 2 0 : I : [Und] u m [d i e ] Wälder sah ich die Fittige
Des Himmels (1) [ f l iegen] (2) [gerne] , da ich ein Jüngling war, 15
Nun siz ich still allein, von einer
Stunde zur anderen, imd Gestalten H ^ "
(Durch die Streichungen in den Fersen 16, 17, 18 wird wohl diese
vor der Ausführung wieder verworfene Änderung vorbereitet:
und fliegen 20
Um Wälder sah i ch droben die Fittige
Des Himmels gerne )
I I : 1 7 : (1) die Erd
(2) Die Erd entzaubernd die (a) trübe zog
(b) wilde 25
(c) wüste
(d) bunte zog
1 8 : (1) des Gottes (a) G
(b) Knabe
(c) Knecht, ein gerader Mann 30
(2) Der Halbgott, Zevs Knecht ein, der gerade Mann,
1 9 . 2 0 : unverändert
2 1 - 2 4 : I : Aus Lieb und (1) der (2) Laid der helleren (a) schafft,
(b) Tage schafft,
Zur eignen Freude (1) gern (2) nun mein Gedanke sich 35
504
Der blinde Sänger / Chiron S4 - 51
üiid ferne lausch i ch hin, (1) n (2) ob nicht ein
Freundlicher Retter (1) mir (2) vieleicht mir komme.
I I : 2 1 : (1) Schafft aus Lieb .und Laid
5 (2) Aus frischer (a) Erde schaffet
(b) Erd/ey und Wolken / d e r /
(a) Liebe
iß) der Liebe (schafft,)
I-P"
10 2 2 Zur eignen Freude nun] (1) Seitdem Wahnsinn (2) W e i l
Gi f t ist unter (uns) H^'' s i ch ] gestr.; darüber: nun H^^
2 3 Und ferne] darüber: Der Halbgott (wohl versehentlich; vgl.
V.18) FP'> 2 4 : unverärxdert
2 5 — 2 8 : I : Dann hör i ch oft den Wagen des Donnerers
15 A m Mittag, wenn er naht
W e n n i h m das Haus bebt und der Boden
Unter i h m dröhnt, und der Berg es nachhall (t ) . H ^ "
I I : 2 5 - 2 7 : unverändert H^>> 2 8 Berg es nach] xmterstr. H^>>
2 9 - 3 2 : I : Den Retter hör ich dann in der Nacht, ich hör '
20 Ihn tödtend, den Befreier, belebend ihn
Den Donnnerer, vom Untergang zum
Orient eilen, und ihm nach tönt ihr ,
[ Ihr meiner Seele Sait] H ^ "
(Der Schreibfehler zuletzt erklärt sich dadurch, daß mit v. H die
25 neue Seite — /J ' — beginnt: der v. 31 wird also einen Augenblick lang
als Strophenanfang genommen.)
I I : 2 9 : wwerändert H^^ 3 0 belebend i h n ] dariXber: der Erde zu
3 1 . 3 2 : Denn oft (1) h
(2) hat einer ein
30 (3) denkt einer i m (a) Gess
(b) Gewissen, [aber]
(a) anders
Meint es {der) Gott
(ß)l
55 Anderes aber der Gott H ^ ' '
505
S4 -!7 Der blinde Sänger / Chiron
3 3 - 3 6 : I : ihr meiner [Seele] Saiten! es lebt mit i h m
Mein Geist und (1)
so geleit ' i ch
den Sicheren auf der Irrbahn.
(2) wie die Quelle dem Strome folgt 5
(a) Sein Wasser trägt,
(b) W o h i n er trachtet, so geleit ' i ch
Gerne den Sicheren auf der Irrbahn.
I I : 3 3 - 3 6 : unverändert
3 7 - 4 0 : I : W o h i n ? wohin? (1) du 10
(2) i ch höre dich da und dort,
(1) Allge (g'en)wärtiger (a) mir
(h) i m m e r und
(2) U m manche ( ? )
(3) Du Herrlicher! f a ; du 15
(b) und rings (a) i m Gelilde
(ß) u m die Erde tönts!
W o endest du? und was, was ist es
Über den Wolken , und (1) wie ?
(2) o wie (a ) wirst 20
(b) wird mir
I I : 3 7 : unverändert H^b
3 8 : Der Nüchterne (1) auch Gottes Stachel
(2) Doch der Stachel des Gottes ists
2 5
3 9 : (1) Und (2) Der spornt die Augen. H ^ ^
4 0 : unverändert
4 1 — 4 4 : I : T a g ! T a g ! du über stürzenden W o l k e n ! sei
es blühet mein Auge dir,
O Jugendlicht! o Glük ? das alte 30
Wieder (1), ( 2 ) ! doch geistiger rinnst du nieder H^""
I I : 4 1 du über stürzenden Wolken ! sei] darüber: (1) nun
athmet recht (2) nun wieder sehet ihr recht , nun trinkt H^b
4 2 : (1) Ihr Weiden 35
506
Der blinde Sänger / Chiron S4 - 51
(2) Ihr meiner Bäche Weiden trinket ( a ) Augenlicht
(b) mein Augenlicht
(3) Und trinket
(4) trinkt meiner Bäche Weiden / tr inket / ein Augenlicht
S / f ä »
4 3 : Und rechte Stapfen gehn, und örtlich
4 4 : (1) darüber: - — das Alte wieder.
(2) darunter: (a) so scheint es
(b) bei euch selber, den Menschen gleich
10 m'>
4 5 - 4 8 : I : Du goldner Quell, aus hei l igem Kelch! und du
Du grüner Boden (1) ! (2) , friedliche W i e g (a), (b) \ und du,
Haus meiner Väter imd ihr Lieben,
Die [bege] mir begegneten einst, o nahet H ^ "
15 I I : 4 5 aus heiligem] untmtr. H^'' 4 6 - 4 8 : unverändert
4 9 - 5 2 : I : 0 kommt, daß euer, euer die Freude sei,
Ihr alle! daß euch seegne der Sehende!
0 nimmt, daß ichs ertrage mir das
Leben, das göttliche, mir vom Herzen. H ^ "
20 I I : 4 9 : (1) N i m m Schwerdt vmd Lanze, Knabe,
(3) Nimm nun ein R o ß und hämische dich und n imm
5 0 : (1) Die leichte Lanze, Knabe!
(2) Den leichten Speer o Knabe! Die Wahrsagung
5 1 : Reißt nicht und in gewisser
25 5 2 : Zeit ist Herakles Rükkehr.
Hn
Lesarten des ersten Druckes (J)
5 Walds ] Wald 's J 9 ward,] ward / 2 0 anderen] andern / 2 3 fer-
n e ] f e m J 3 0 drunten] d'runten J^
30 Erläuterungen
Alkäisches Silbenmaß.
Der blinde Sänger:
Motto: Sophokles, Aias v. 706, in Hölderlins Übersetzung: Gelöst hat den grau-
samen Kummer von den Augen Ares.
507
S4 -!7 Der blinde Sänger / Chiron
1 W o bist du] Vgl. Dem Sonnengott v. 1; Sonnenuntergang v. 1; An die Hof-
nung V. 5; auch den Beginn der Hymne Dem Genius der Kühnheit: Wer bist du ?
Jugendliches] Vorausgenommenes und verselbständigtes Attribut zu Licht v. 2. —
Besonders auffällige Überbrückung der Zäsur, wie sie in den früheren Oden nur sel-
ten, in den späteren aber häufiger zu beobachten ist. Ursache der schwebenden Be- 5
tonung (zumal auch Chiron v. 1: Nachdenkliches ) ist gewiß nicht das Bestreben,
die fünfte Silbe gemäß dem antiken Schema als »lang« erscheinen zu lassen (derlei
Versuche bei J. H. Voß, A. IV. Schlegel, Platen). Tonbeugungen treten in Höl-
derlins letzten Oden, auch an andern Stellen des Verses, nicht selten auf; vgl. die
Erläuterung zu Chiron v. 45. 10
3. 4 in Heiligem Zauber die Nacht] Vgl. Lebenslauf v. 5 und die Erläuterung
z. St.
8 Boten ] Die Lüfte erscheinen als Boten und Verkünder des Lichtes, des Aethers
schon im Hyperion 1, 87 f.; dort wird das geistige Wehen genannt, wie es den
Lichtstral kühlte. Der Hymnus An den Aether sagt es ausdrücklich v. 8 f.: Und es 15
drängt sich und rinnt aus deiner ewigen Fülle Die beseelende Luft durch alle
Röhren des Lebens. Vgl. femer Der gefesselte Strom v. 5 f.: Die Liebesboten,
welche der Vater schikt, .. . die lebenathmenden Lüfte; auch Ganymed v. 5 f .
14 Die Blumen, wie die eigenen Augen] Gewissermaßen eine Vorwegnahme des
1810 in erster Fassung gedruckten Zahmen Xenions (724—727) von Goethe: War ' 20
nicht das Auge sonnenhaft.., das auf einen Gedanken des Plotin (Ennead. 1,6,9)
zurückgeht: ov yoQ nmnoxe slöev dqf&aXfiog ijhov ijAioeiSi^g firj yeyevrj/ihog ovöi
TO xa}.bv äv idoi yvx'fl fff] mXrj yevoßivrj. - Vgl. auch Menschenbeifall v. 7 f.:
An das Göttliche glauben Die allein, die es selber sind. — Die Beziehung
zwischen Augen und Blumen liegt auch zugrunde Patmos, 1. Fassung, d. 186— 25
189: .. Der scheuen Auge viele ... Nicht wollen .. sie blühn.
1 7 . 1 8 die Fittige des Himmels] »Die Vögel des Himmels«; vgl. Tinian v.ll.—
Auch in der griechischen Dichtersprache können die Vögel TtriqvyeQ heißen, ebenso
wie in der römischen pennae. ( Wären etwa, wie man vorgeschlagen hat, die Wolken
gemeint, so paßte der Ausdruck fliegen nicht — siehe die Lesarten zu Chiron, H^".) 30
19. 2 0 von einer Stunde zur anderen] Vgl. {Hyperions Schiksaalslied} v. 20 f .
2 0 - 2 2 Vgl. Hyperion 1, 122: Ich will die Brust an den Freuden der Vergan-
genheit versuchen, bis sie wie Stahl wird, ich will mich üben an ihnen, bis ich
unüberwindlich bin.
2 5 Donnerer] Vgl. Die scheinheiligen Dichter v. 3; gemeint ist Zeus, Juppiter tonans. 35
508
Der blinde Sänger / Chiron S4 - 51
37— 5 2 Die vier Schlußstrophen treten aus der Darstellung des gewohnt gewordnen
Leides ("immer v. 1,4, 12; von einer Stunde zur anderen v. 19 f.) und der ver-
lorenen Freuden (die im Praeteritum genannt werden), der andauernden Erwartung
und geduldigen Gepflogenheit ffeme lausch' ich hin v.23; Dann hör ich oft v. 2S)
5 plötzlich hinüber in die großartige Ekstasis der Befreiung vom Übel der Blindheit,
aus dem wahrenden Zustand der Nacht in das leidenschaftliche Geschehn des Lich-
tes. Der Höhepunkt wird v. 41 erreicht in dem begeisterten Anruf: Tag! Tag! — die
Gegenbewegung der stürzenden Wolken erhöht noch den Schwung der Gebärde.
4 3 . 4 4 »Das alte wieder., rinnst du nieder, als das alte Jugendlicht rinnst du
10 nieder.«.
5 1 nimmt] Vgl. die Erläuterung zu v. 4 des Gedichts An die klugen Rathgeber
(1, siehe auch Antigon'd v. 1156; ferner Schiller, Die Räuber S, 1: Daniel
zu Franz: So nimmt doch nur Vernunft an! 2 Räuber: Nimmt ihm den Degen
weg (beide Male imperat. plur.).
15 Chiron:
Vgl. die Auslegungen von Bernhard Rang (Der Kunstwart 41,1 (1927128),
S. 219-224), Theo Fehl (DeutscheVierteljahrsschriftfürLiteraturwissenschaft und
Geistesgeschichte IS, 19}7, S. 488-S09), Emil Staiger (Trivium, Schweizerische
Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Stilkritik 1,1943, Heft 4, S. 1-16).
20 Die Gestalt Chirons begegnet in Hölderlins JVerk auch in dem Motto des Gedichts
Der Unzufriedne (s. die Erläuterung 1, 3)}); Kolomb v. 16—20; in der Pindar-
Übersetzung: Pph. ß, 1-lS; Pyth. 4, 179-212; Pph. 9, 48-101; am Schluß
der Deutung des Pindar-Fragments von den Centauren (Das Beleberule) und des
Pindar-Fragments Untreue der Weisheit.
25 2 Zur Seite gehn] Eine für den Stil der späten Oden bezeichnende Wendung, die
noch weniger in herkömndicher Bildlichkeit befangen bleibt als der Blinde Sänger.
Deswegen heißt es auch zu Zeiten, wodurch der Nacht v. 4 sofort die tiefere Bedeu-
tung verliehen ist. Wenn das Licht v. 1 als Nachdenkliches angerufen wird, so ist
es im objektiven Sinngemeint: »Licht, dem ich nachdenke, das mich zum Nachdenken
30 anregt« — in demselben Sinn, wie man von einer »nachdenklichen« Geschichte spricht.
4 die erstaunende Nacht] Vgl. Brod und Wein v. 17.
6 Ein waiches Wild] Man konnte diesen Ausdruck prädikativ verstehen, zumal da
Chiron bei Pindar gelegentlich q>rjQ heißt, in den von Hölderlin übersetzten Gedich-
509
S4 -!7 Der blinde Sänger / Chiron
tenPyth. }(v. 8) und Pyth. 4 (v. 211). An der ersten Stelle setzt Hölderlin für (prjQ'
äyQÖTeQOv das Wild das rauhere. Doch ist hier Ein waiches Wild sehr wahr-
scheinlich Akkusativ und Objekt zu dem transitiven lauscht' v. S — vgl. Die Unsterb-
lichkeit der Seele v. 88 und die Erläuterung z. St.; auch Friedrich Schlegel, Lucinde
{hg. von Jonas Frankel}, Jena 1907, S. 99: O so laß mich doch die Schläge dei- 5
nes Herzens lauschen.
8 Vögel] Im Sinn des Blinden Sängers als Boten des Lichtes aufzufassen, als
Kreatur gewordne Lüfte, zugleich auch wie griech. oliovot und lutein, aves als
Weissagevögel, Vogelzeichen, Vorbedeutung. Vgl. Menons Klagen um Diotima v. 64
und die Erläuterung z. St. 10
9 Füllen oder Garten ] Das Licht kam in der Jugerul ("sonst v. S) häufig zu Chiron,
immer dann, wenn es an dem jungen Centauren, dem Füllen, oder seinem Gehege,
dem Garten, Gefallen fand: So Füllen oder Garten dir labend ward. Jetzt lebt
der Centaur nicht mehr in gartenähnlich friedlicher Hut der göttemahen Zeit, son-
dern in der Wildnis zwischen den Zeiten. — Die Selbstbenennung des jungen Cen- 15
tauren, des Halbrosses, als eines Füllens erscheint vielleicht weniger gewaltsam und
unverständlich, wenn man daneben hält, daß gelegentlich sogar menschliche, ganz-
menschliche junge Wesen als Füllen bezeichnet werden können, z. B. von Mörike im
Maler Nohen (2, 2S7 Maync): So fängt er neulich einen Amor in Ton zu for-
men an, wozu er das Muster auf der Gasse imter den Betteljungen aufgriff, 20
wirklich ein delikates Füllen, schmutzig, jedoch zum Küssen die Gestalt. -
Die auffällige Artikellosigkcit, erklärbar aus dem Streben nach äußerster Prägnanz
und Dichte des Ausdrucks, ist auch noch im nächsten Vers zu beobachten: Herzens
wegen. — Das Licht als Hilfe und Rat, auxilium und consilium (Rathschlagend^,
für Chiron ist nicht so ohne weiteres verständlich wie die Sehnsucht des Blinden Sän- 25
gers aus der Nacht seiner Blindheit nach dem Jugendlicht. Doch ist auch in diesem
Gedicht dieNacht, die erstaunende und gewaltige, die hemmende und herzlos ziehen-
de, das Gleichnis für die Einsamkeit des Centauren, die ihrerseits wieder für die Götter-
feme steht. — Hellingrath denkt an eirun einmaligen Besuch des Lichtgottes Apollon,
der sich aus besondrem Anlaß bei Chiron Rats erholte, ob er sich nämlich der Jung- 30
frau Kyrene vermählen solle (wie es Pindar im 9. Pythischen Ge.wng erzählt) — diese
Deutung verdient erwogen zu werden. Aber ist der Ausdruck Herzens wegen dann
nicht etwas flach aufgefaßt? Ist nicht auch hier wie v. } und 11 das Herz Chirons
gemeint, das damals wach war und nun wieder wach ist? Handelt es sich nicht
auch wn wiederholte Besuche des Lichtes ? Hätte der Dichter nicht wenigstens einmal 35
510
Der blinde Sänger / Chiron S4 - 51
(v, 2 oder 10) statt Licht den Namen Apollon gesetzt — gemäß dem hier bekundeten
»Streben nach größerer Sinnlichkeit« (Hellingrath 4, 306)? Und nochmals, vor
allem: deutet der ganze Zusammenhang nicht eher darauf hin, daß nicht das Licht
den Rat empfängt, sondern Chiron selbst? JVie sollte man auch, wenn der weise
5 Ratgeber Chiron gemeint wäre, den Ausdruck Füllen erklären ?
13 Ich war's wohl] »Ich war wohl, obschon es mir selbst unwahrscheinlich dünkt,
ein und derselbe wie der, von dem ich eben gesprochen habe, der mit der Natur in in-
nigem Einvernehmen stand.« Vgl. Emilie vor ihrem Brauttag v. 48J: Ich bin es
nimmer, nein! ich bin es nicht; Mein Eigentum v. 17: Einst war ichs; Der Tod
10 des Empedohles, 1. Fassung: Pausanias: Du Glüklicher! Empedokles: Ich wars!;
2. Fassung: Pausanias: O Sohn des Himmels! Empedokles: Ich war es, ja!
1 3 . 1 4 Krokus und Thymian Und Kom] Zu allen Zeiten des Jahreslaufs emp-
fing der mit der Natur im Bunde lebende junge Chiron den ersten Straus; im Frühling
den Krokus, im beginnenden Sommer den Thymian, im Hochsommer das reife Korn.
15 1 6 das Nennbare] Vgl. Hölderlins Obersetzung der Antigonä v.4: Ein Trennbares.
17 Das wilde Feld entzaubernd] Die Einkehr des Herakles (er ist der Halbgott,
Zevs Knecht^ machte Epoche im Leben Chirons: er entzauberte die trübe, wilde,
wüste, bunte Erde (s. die Lesarten), das wilde Feld, das heißt: die Umgebung
des Gartens (v. 9), worin der junge Centaur, das Füllen, bisher wohlbehütet, nur
20 das Nennbare lernend, gelebt hatte, und machte sie ihm zugänglich. Aber eben da-
durch verlor der Centaur die ursprüngliche Vertrautheit mit den Mächten der Erde
und des Lichtes.
18 der gerade Mann] Vgl. {fVenn aber die Himmlischen...} v. 7; die gerade
Tochter.
25 2 1 Aus frischer Erd' und Wolken der Liebe] Im Sinne des Blinden Sängers zu
verstehen; der Liebe bezieht sich auch auf Erd' — also: »aus der frischen Erde und
den Wolken, den Erlebnissen urul Erscheinungen jener Zeit, jener Jugendzeit, an
denen meine Liebe hängt und die meiner Liebe gehören.«
22 G i f t ] Herakles hat dem Chiron unabsichtlich mit einem seiner in das Gift der
30 von ihm erlegten Lemäischen Hydra eingetunkten Pf eile eine unheilbare Wundebei-
gebracht. Der Tod kann den unsterblichen Centauren, den Sohn des Kronos, von dem
Schmerz nicht erlösen (vgl. Apollodor 2, 8S Wagner). Doch ist in der letzten
Strophe eine Hoffnung angedeutet — siehe dort die Erläuterung.
2 6 der bekannteste] So heißt der Wagen des Donnerers, weil Chiron sein
35 Nahen oft gehört hat.
511
S4 -!7 Der blinde Sänger / Chiron
2 7 . 2 8 derBoden I VLeiniget sich] Der Boden, der in der götterlosen Zeit ehern und
wild ist — vgl. Die Liebe v. 18 f .
2 8 Echo] Der Ausdruck der Quaal, der Wehlaut, verdoppelt sich. — Zur Prosodie
des Wortes vgl. Ermunterung v. 1 und die Erläuterung z. St.
3 0 tödtend] Für Chiron besteht die Befreiung darin, daß er von seiner Unsterb- 5
lichkeit erlöst wird, um den Schmerz der unheilbaren Wunde nicht mehr zu dulden.
3 1 Von üpp'gem Kraut] Vgl. {Wenn aber die Himmlischen...} v. Slf.: viel
üppig neidiges Unkraut.
3 3 — 3 8 lieblich und bös'; Adverbia zu wechseln; denen: »den Tagen«; ein
Schmerz: Beginn eines neuen Satzes: »ein Schmerz aber ist es, wenn ein Tag zwei- 10
gestalt ist, wenn nicht deutlich und eindeutig ist, ob er lieblich sei oder bös', wenn
kein einziger das Beste zu erkennen vermag. Solche Ungewißheit der Dämmerung,
des Zwielichts, ist der Stachel des Gottes, Antrieb zum Aufbruch und zur Entschei-
dung. Das scheinbare göttliche Unrecht ist eine Prüfung ({Der Ister) v. 4). —
Mit dem Ausdruck zweigestalt wird also wohl nicht, wie man zunächst meinen 15
könnte, auf die centaurische Leibesbeschaffenheit Chirons angespielt (diqnnjg
Apollodor 1, 9 Wagner; geminus Ovid, met. 2, 630).
3 9 Einheimisch] Vgl. Antigonä v. S84 (f62): einheimisch ist's die andre
(trp/ 6'äq>' oi TO. TiQÖn' itpv). Kreon sagt, Ismene werde eben im Augenblick wahn-
sinnig, Antigone sei es von Anfang an, einheimisch — das also soviel sagen will wie 20
»altgewohnt«.
4 2 Augenlicht] Objekt zu trinkt. Das neue Sehen wird so innigbegeistert gefiihlt
und vollzogen, daß seine Gegenstände das Augenlicht zu sich her zu ziehen, anzu-
saugen, zu trinken scheinen.
4 3 rechte Stapfen gehn ] Die Spuren auf dem Weg sind nicht mehr wirr und ziellos. 25
4 4 Herrscher, mit Sporen] Bild der stärksten, in sich ruhenden Unabhängig-
keit. — Vgl. Stimme des Volks, 2, Fassung, v. }6.
4 4 . 4 5 bei dir selber / örtlich. Irrstem des Tages] Die Sonne ist der Irrstem
(wie schon Hyperion 1, 2S), der nicht nur als ein Herrscher, mit Sporen, er-
scheint, sondern auch wieder an dem gehörigen Ort. Sie ist also jetzt kein Irrstem .50
mehr: die Anrede bezieht sich auf den vorigen Zustand.
4 5 Örtlich, Irrstem] Eindrucksvoller Widerstreit zwischen Verston und Wortton,
besonders auffällig, da er an vier Silben zu beobachten ist statt wie sonst in den
späteren Oden gelegentlich an zweien, z. B. Rousseau v. 13: Klanglos; Natur und
Kunst V. 9: Schuldlos; Thränen v. 13: Sichtbar. 35
512
Der blinde Sänger / Chiron S4 - 51
4 7 unstädtisch] Vgl. Antigonä v. }86 (S70): imstädtisch (änohg); »ord-
nungslos, ungesellig«.
4 8 Wolken des W i l d s ] Vgl. Hebr. 12, 1: vitpog fioQTVQmv (eine Wolke von
7,eugen); (Versöhnender der du nimmergeglaubt...), 2.Fassung, v. 4S: die lieben
5 Freunde, das treue Gewölk; Hymne an den Genius Griechenlands v. 24—26;
Hyperion 1, 2): .. wo ihn, wie goldnes Gewölk, das versammelte Griechen-
land umglänzte; Der Tod des Empedokles, 1. Fassung, in dem Streitgespräch
zwischen Empedokles und Kritias: Wenn dann am heitern Festtag Sich Hellas
schöne Jugend dort versammelt, .. . Und hoffriungsfrohes Leben überall Wie
10 goldenes Gewölk, das stille Herz Umglänzt. — Hellingrath weist wohl mit Recht
auf die »Kentaurischen Ahnen« Chirons hin; zugrunde läge also nicht die bekann-
tere mythologische Überlieferung, die Kronos und Philyra als Eltern Chirons
nennt, während alle vorigen Centauren von Ixion und einer Wolke (in der Gestalt
der Hera) abstammen (vgl. Pindar, Pyth. 2, }8-S7 alter Zählung, von Hölderlin
15 übersetzt), sondern die andre Version (Suidasfrg. 1; Schol. Apollon. Rhod. 1, SS4;
2, 12J1; Lucan. 6, 386 f.), derzufolge Chiron wie die andern Centauren von Ixion
und Nephele (= Wolke) abstammt und der Bruder des Peiriihoos ist.
4 9 — 5 2 Chiron fordert einen nicht mit Namen genannten Zögling auf, dem sehn-
lich erwarteten freundlichen Retter (v. 24), das ist: dem Herakles, entgegenzu-
20 reiten. Die Wahrsagung, die nicht zerreißt, nicht zuscharuien wird, hat Hermes
ausgesprochen: Aeschylus, Prometheus v. 1026—1029: ein Ende seiner Qual dürfe
der an einen Felsen des Kaukasos geschmiedete Prometheus erst dann erhoffen, wenn
ein Gott seine Mühen auf sich nehme, bereit, für ihn in den dunkeln Hades zu gehn
und sich der eignen Unsterblichkeit zubegeben. Apollodor erzählt (2, 119 Wagner),
25 Herakles habe auf der Fahrt nach den Äpfeln der Hesperiden den Adler erlegt, der
die Leber des Prometheus fraß, habe den Titanensohn von seinen Fesseln befreit und
dann dem Zeus Chiroru Willen kundgetan, für Prometheus zu sterben. — Hölderlin
geht wohl, mittelbar oder unmittelbar, von dieser Darstellung ApoUodors aus, wenn
er Chiron des Herakles Rükkehr ersehnen läßt: diese Rükkehr wartet, bis die
30 Wahrsagung erscheinet, das heißt: eintrifft, daß Prometheus erlöst ist und Chiron
für ihn sterben darf, um so von dem Schmerz der unheilbaren Wunde befreit zu wer-
den. Der zu ihm zurikkkehrende Herakles wird ihm nun bald diese Nachricht
bringen.
Die eindringliche Kraft dieser Schlußstrophe erwächst zu einem guten Teil aus
35 ihrem genauen Bau: wie die erste Zeile dadurch, daß ihr Anfangswort am Schluß
513
S4-f8 Der blinde Sänger / Chiron. Thränen
wiedererscheint, trotz des Sinnübergangs in die nächste Zeile fest in sich gefügt ist,
wie in der zweiten das wichtige Wort Wahrsagung unter dem Ihtus des Verses neben-
tonige und unbetonte Silbe gegeneinander austauscht und so besonders hörbar wird
(vgl. Thränen v. 9: abgöttische^, wie auch dadurch wieder am Versende ein eigen-
tümlich schwingender Verhalt bewirkt wird gegen den in die nächste Zeile drängen- 5
den Übergang,
4 9 hämische dich] Für das seltene Verbwn hämischen, dessen partic. perf. ge-
hamischt wohl durchaus geläufig ist, bringt Grimms Deutsches Wörterbuch IV 2,
490 unter mehreren Belegen diesen von Luther: daß wir uns mit der Schrift sollen
hämischen und rüsten. 10
52 Herakles] Nach Ausweis des Silbenmaßes auf der zweiten Silbe zu betonen. Im
Griechischen trägt die letzte Silbe den Ton. Die heute gebräuchliche Betonung auf
der ersten Silbe beruht auf lateinischem Gesetz, das auch von Hölderlin und seinen
Zeitgenossen angewandt ivurde, jedoch mit der Maßgabe, daß Muta und Liquida
(kl^ die zweite Silbe positione lang machen. Ebenso betont Kleist, Die Hermanns- 15
Schlacht, S. Aufzug, 22. Auftritt: Und laß mich sehn, ob du Heräkles bist!; Jo-
hann Heinrich Voß: Theokritos, Bion und Moschos, Tübingen 1808, S. 216 (Der
kleine Herakles), v. 1 f.: Ihr lehnmondliches Kind, den Heräkles (Akzent so von
Voß gesetzt!), nahm in die Arm' einst / Midea's Fürstin Alkmen', und den
jüngeren Bruder Ifikles (auch im weiteren Verlauf der Übersetzung zeigen beide 20
Namen dieselbe Prosodie). — Aus demselben Grund legt Hölderlin im Namen Empe-
dökles den Ton überall auf die vorletzte Silbe; auch Sophökles stellt er so in den
Vers (Der Tod des Empedokles, 1. Fassung, 1. Auftritt; vgl. auch ,im 2. Auftritt der
}. Fassung, in der langen Rede des Pausanias: Beim göttlichen Herakles! stiegst
du auch;. Goethe sagt Patr6klos (statt PätroklosJ in der Achilleis v. 22, 28,114; 25
ebenso Schiller in den Räubern, 2. Akt, 2. Szene, in Amaliens Lied: Dem Patro-
klus schröcklich Opfer bringt.
T H R Ä N E N
Die anfängliche Absicht, für diese Ode das sapphische Maß zu verwenden, und die
Aufzeichnung des metrischen Schemas dazu (vgl. S.S16 Zeile 7—18) rücken den 30
ersten Entwurf in die Zeit der Jahrhundertwende, als Hölderlin mit besondrer Sorg-
falt arüike Silbenmaße studierte (auf derselben Seite steht auch das Schema der
Parodos aus der Antigone). Die Ausführung jedoch ist später anzusetzen, frühestens
514
Thränen S8
in das Jahr 1802; die letzte Durchsicht für den Druck zusammen mit den übrigen
»Nachtgesängen« wird im Dezember 180} vorgenommen.
Überlieferung
H^ : Stuttgart I 6 Bl. 21 ® (s. die Beschreibung S. 377).
5 tP : Stuttgart I 6 Bl. S2r
J: Taschenbuch für das Jahr 1805. Der Liebe urul Freuruischaft gewidmet.
Frankfurt am Mayn, bei Friedrich Wilmans, S. 79—80.
Eigentümlichkeiten der Schreibung: geschicklich, itzt, ohnedies, nämlich,
weich.
10 Lesarten
Überschrift: fehlt H^ Sapphos Schwanengesang H^ Thränen. J
I : Der erste Ervtwurf (H^) streut nur wenige Keimwor.te über die halbe Seite:
Himmlische Liebe ! wenn ich dein vergäße
(1) 9 und 11 cm tiefer:
15 [Eines wüßt i c h ]
[ H i e r ]
(2) }, S,7, 10, 12 cm unter der ersten Zeile:
Eines wüßt ich
Ihr
20 Hier
Hier
Hier H ^
Die Ausführung dieses Entwurfs findet sich rrur in H^.
I I : Sapphos Schwanengcsang
25 Himmlische L iebe ! wenn i ch dein vergäße —
W e n n (1) dann
(2) von der süßen Jugend immermahnend
die Erinnerung nur mir blieb'
A c h !
30 Eines wüßt ich H ^
Für die Ausführung scheint zunächst, worauf die Anfangszeile hindeutet, das
von Klopstock modifizierte sapphische Silbenmaß in Aussicht genommen zu
sein — für Sapphos Schwanengesang durchaus angemessen. Dann wird auf
515
SS Thränen
der Rückseite des Blattes (12") das Schema der originalen sapphischen Strophe
aufgezeichnet. Die darin angedeuteten Zäsuren können so bei Horaz nickt
stehen., dagegen wohl bei Catull und im Griechischen. Weil im 2. und S. Vers
die Stelle für die Zäsur nicht gleich gefunden wird, folgt eine Wiederholung
des Schemas als Reinschrift (vgl. Friedrich Beißner: Hölderlins Übersetzvn- 5
gen aus dem Griechischen, Stuttgart 193}, S. 89):
— — — W ^ — ^ — v
(2)
(3) - 10
^ — — — w
- - (1) .
(2) -
_ W _ 15
Die offenbare Absicht, dieses Maß für Sapphos Schwanengesang zu verwen-
den, wird schließlich in dem neuen Ansatz (III) durch die entschiedene Um- 20
Wandlung der Anfangszeile ins alkäische Maß aufgegeben.
I I I : 1 zärtliche üher der ersten Zeile des Entwurfs II eingefügt H^
2 : (1) Vergäße, wie du bist, wenn ich
wenn i ch , o ihr
Inseln der Freuden, die ihr voll Asche seid imd 25
(2) Demüthige !
(3) Vergäße, wenn ich o ihr (a) gütigsten,
(b) geschiklichen H ^
3. 4 : (1) Ihr (a) gütigen
(b) Einzigen die ihr voll Asche 30
Seid, und geängstiget ohnediß schon
(2) Ihr feurgen vor die über der Zeile;
Wüst über Seid, vereinsamet über geängstiget H^
516
Thränen S8
5 : (1) Augen / Inseln,
(2) Ihr ( a ) schönen
(b) lieben Inseln, Augen der Wunderwelt H^
6 : 1 : ihr nemlich gehet (1) mich an,
5 (2) allein mich an, H ^
6 a : (1) die Wagen
(2) doch sagt man, haben die W a g e n schnell
Hinweggemacht
(3) D e n ( n ) vieles haben die Wagen schnell H ^
lü I I : am linken Rand:
Ihr nemlich geht nun einzig allein mich (an) H^
7 : (1) Ihr , wo gestraft die abgöttische
(2) Ihr Ufer wo die abgöttische H ^
8 : (1) Lieget (2) Büßet, doch Himmlischen nur, die Liebe. H ^
15 9 - 1 2 : 1 : 1 0 : in (1) Zeiten
(2) Tagen der Schönheit, (a) und
(b) sonst
(c) und
11 : Die (1) schönen
20 (2) zomgen Helden und die Städte
1 2 : (1) schlank
(2) Hain und die Bäume doch schlank gestanden
(3) Sind und die Berge wie Eins gestand(en) H ^
I I : im unteren Drittel der Seite: Text H^
25 ClO Tagen] Zeiten 1 1 l o m g e n Helden, Bäume über
gestr. Städte H^ 12 gestanden H^)
13-16: I : so übervortheiKt) / Sehnende i ?®
I I : 1 3 : aber tod t
14 : und die Inseln der Liebe sind
30 • 15 : Fast ungestolt. So übervortheilt
1 6 : Sehnende H ^
I I I : (1) Todt aber sind die Helden
(2) izt sind
(3) gleich einem sinnigen Mann; izt {sind)
35 Die Helden todt H ^
517
S8 Thränen
IV: im unteren Drittel der Seite:
13 : Sichtbar, gleich einem sinnigen Mann; izt sind
14 : Die Helden todt, (1) un<(i)
(2) die Inseln der Liebe sind 5
15 : Fast ungestalt.
1 6 : wieder oben: (1) muß seyn die Liebe.
(2) Albern, doch überall seyn die Liebe. H ^
17—20 : am rechten Rand:
17 : Ihr waichen Thränen (1) wischet nur nicht Ca; a<iZ... ' ) 10
(b) ga<nz>
Das Augenlicht aus
(2) löschet das Augenlicht
1 8 : (1) Nur mir (a) g
(b) nicht (a) ganz aus! 15
(jS) gänzlich aus!
(2) mir Nur (durch Nummern umgestellt)
(3) aber vor nicht über der Zeile eingefügt, also:
mir aber nicht (ganz) aus!
ein (a) A c h 20
(b) Gedächtniß doch
19 : Damit ich edel sterbe, laßt ihr
2 0 : Trügenden (1) Dies
(2) Diebischen mir nach (a) legen.
(b) leben. 25
H^
Erläuterungen
Alkäisches Silbenmaß.
1 Himml i s che ] Der Iktus ruht auf der zweiten Silbe. Diese Tonbeugung ist zwar
begünstigt durch die Umformung der ursprünglichen sapphischen Zeile (s. die Les- 30
nrten). Doch ist solche Prosodie in den letzten Oden nicht ohne Beispiel. Vgl. in die-
ser Ode V. Ih Sichtbar; ferner Chiron v. 4S und die Erläuterung z. St.
2 wenn i c h ] Die Parallelität mit dem ersten Ausruf wenn ich dein / Vergäße läßt
diesen Ansatz zu einem zweiten leicht ergänzen und die Ellipse kaum bewußt werden.
ihr geschikl ichen] »an denen ein Geschick sich vollzogen hat«. Vgl. Stutgardv.l2. 55
518
Thränen S8
5 Augen der Wunderwelt ] Die griechischen Inseln heißen so, weil in ihnen, wie
im Auge des Menschen gesammelt und unverstellt das IVesen sich kundgibt, die unter-
gegangene Wundcrwelt des Griechentums recht erkennbar geblieben ist; oder weil
sie das Schönste, Wertvollste, Geliebteste darstellen, so daß der Ausdruck Augen nicht
5 anders gemeint wäre als die gewöhnlichere Metapher »Augäpfel«; vgl. Elegie v. S1
(Menons Klagen um Diotirna vJ3); Pindar - Übersetzung Olymp .2,18; Pyth. S,22.
— Vgl. auch Catull 31,1 f.: Paeninsularum, Sirmio, insularumque / ocelle.
7 abgöttisclie] Der Genius Griechenlands hat auf Liebe sein Reich gegründet
(vgl. die Hymne an den Genius Griechenlands v. 30 und 3S). Das Übermaß aber der
10 abgöttisch verehrten Liebe, des allzudankbaren Dienstes (v. 9 f.) hat zum Unter-
gang geführt, in dessen Trümmern nun eine Buße der Liebe fortdauert. Doch auch
diese Buße scheint ein Gottesdienst zu sein: sie wird nicht den Mächten des Unter-
gangs und der Zerstörung geleistet, sondern Himmlischen nur (v. 8), denen durch
den alhudankbaren Dienst der abgöttischen Liebe in Tagen der Schönheit, in
15 der Blütezeit des griechischen Geistes, schließlich die schuldige Verehrung hatte ge-
schmälert werden müssen. — Das Wort abgöttische empfängt durch die gewagte
Prosodie (Ikten auf der ersten und der dritten Silbe) einen heraushebenden Ton, der
für Hölderlins Spätstil bezeichnenden Wortstellung zu geschweigen, die das sinn-
tragende Attribut gern nach vorn holt, fast verselbständigt und weit von dem zuge-
20 hörigen Substantiv trennt; vgl. Der blinde Sänger v. 1 f .
9 die Hei l igen] So heißen Griechen schon indem Gedicht Griechenland (1, 179 f.)
V. S2: Bei den Heiligen in Marathon.
11 Die zorn'gen Helden] Vielleicht ist hier an Achill zu denken, den ausnehmend
Heldenhaften. Die Ilias ist der Gesang von seinem Zorn, dessen Anlaß, neben der
25 Kränkung der Ehre, eine Beleidigung seiner Liebe zu der schönen Briseis war.
13 gleicheit^emsumigenMaim]DieStädtewarenlebcndigeOrganismen,keineAn-
häufungen toter Steine. Im Gesang des Dcutschen(v.28)wird derAthener Seelerfiesin-
nende genannt. Vgl. auchBrod und Wein v. 4: ein sinniges Haupt; Die Warulerung
V. 32 (Lesarten): Die Unsrigen einst, ein sinnig Geschlecht ; DieTitanen v. S9.
30 16 überall] Nachdem das auf Liebe gegründete Reich des griechischen Genius ge-
fallen ist, muß überall und allezeit die edlere Liebe verkannt werden: vgl. etwa Der
Abschied v. 13—16.
19. 2 0 ihr Trügrischen, Diebischen] Die waichen, weichmachenden Tränen
versöhnen oft gar zu leicht mit der schmerzlichen Gegenwart, so daß die Werte der
35 Vergangenheit nicht mehr erkannt werden, daß das Augenlicht dafür erlischt.
519
S8-S9 Thränen. An die Hofnung
Deshalb sind sie trügrisch und diebisch; sie rauben der schließlich beruhigten Seele
die Spannkraft, die Kraft der Sehnsucht, sie lassen sie vergessen — und eben das will
der Dichter nicht. Das Gedicht lenkt mit diesem Gedanken in seinen Anfang zurück.
AN DIE H O F N U N G
Auch diese Ode ist wohl wie die vorige noch in Homburg um die Jahrhundertwende 5
entworfen. Sie wird aber erst im Dezember 1803 für den Druck durchgesehn. Ein
besondrer Abdruck der handschriftlichen Vorform (H^), wie Hellingrath 4, 16 ihn
unter der Überschrift Bitte bringt, ist nicht notwendig, da sich die eruigültige Form
nur geringfügig unterscheidet und überdies marwhe Wendung des ersten Entwurfs
(H^) wieder aufnimmt. 10
Überlieferung
H^ : Stuttgart III Bl. (s. die Beschreibung 1, 632).
H^ : (v. 3-16): Stuttgart I 6 Bl. 46" (s. die Beschreibung S. 377).
LP : Stuttgart I 30 h,i (s. die Beschreibung S. 441).
(Diese Fassung steht in der ersten Ausgabe der Gedichte von 1826 (S. 49), 15
jedoch unter der, erst vonH^ und Jgesetzten, Überschrift: An die Hoffnung.^
H^ : Homburg H19' (s. die Beschreibung S. 462).
J: Taschenbuch für das Jahr 180S. Der Liebe und Freundschaft gewidmet.
Frankfurt am Mayn, bei Friedrich Wilmans, S. 80—81.
Eigentümlichkeiten der Schreibung: Hoffnung, geschäftig, schröcke. 20
Lesarten
Überschrift: fehlt H^ H^ Bitte. H^ An die Hofnung. H^ An die
Hoifnung. J
1 O Hofnung! bis 3 E d l e ! ] / e W { H^
1 - 8 : 1 : 0 Hofnung - - 25
etwa 9 cm tiefer (im Zwischenraum vorn untereinander drei Gedanken-
striche):
W o bist du, wo bist du - Sorge, umsonst H ^
I I : 1 : O Hofnung, (1) du Himmel<i>kind.
(2) holde, (a) die du den Sterblichen 30
520
An die Hofnung S9
(b) fröhlich
(c) gütig geschäftige
2 : Die (du) das Haus der Traue <r)nden (nicht) verschmähst,
3 . 4 : ( l ) S o
5 (2) Und (a ) dienst und hilfst, so (a) edl
(ß) edel du so
Himmlisch du bist
CiJ immerdienend, Edle (a) von den
Göttern zu [zu] Sterblichen niederkehrest,
10 (ß) zu den
Menschen he
5 : W o bist du? (1) wo bist du?
(2) Himmelsbotin] umsonst a : , umsonst
6 : Erwacht (1) mein Auge
15 (2) schon
(3) zu oft mein Auge des Morgens mir ,
7 ; (1) Und ohne Seegen,
(2) Gesanglos ist, imd öde, wie dem
8 : Knechte, mein Leben, (1) xmd ohne Seegen
20 8 a: Ich (: verschrieben statt Ist ;
was ich mühsam treibe, mir sänftiget
(2) u. ach vergebens
Schrekt manches Helden Nähme (a) Ohr
(b) das Ohr, er rauscht
25 Vorbei ,
b : erwacht
6 : (1) Au
(2) Mein Auge mir des Morgens (a) mich wehet
(b) nur mich weht kalt
30 7 : Die Zukunft an, und ach ! gesanglos
8 : Birgt sich das (1) schauer
(2) schaudernde Herz im Busen. H '
I I I : 3 : zwischen
4 : Sterblichen waltest und Himmelsmächten H ^
35 5 i c h ; ] ich H^ doch über gestr. m i r H^ 6 schon üter der
521
An die Hofnung
Zeile H^ gleich,] gleich H^ 7 Bin aus Bich H^ hier;] hier
H^ und vor gestr. ach! H^ 8 schaudernde] schauernde H^
I V : Text d : 0 Hoffnung! holde! gütiggeschäfftigej H^
V : Text (^s Himmelsmächten,] HimmelsmächtenJ H*
V I : Text(i Edle!] Edle,; J 5
9-12 : 9 : In grüne Thale (1) will i ch
(2), dort ( a ) die
(b) wo (a) die l iebliche
1 0 : Zeitlose noch (1) i m 10
(2) am herbstlichen Tage blüht,
(ß) der junge Quell
(y) der Wasserqnell
10 : V o m Berge täglich rauscht und die l iebliche
1 1 : Zeitlose (als mißfallend unterstrichelt) 15
(1) noch
(2) mir am Herbsttag aufblüht,
über den drei letzten Silben dieses Verses, später (?):
ob ich dich w i e d e ( r ) finden
12 : Dort, in der Stille, du Holde, will i ch H ^ 20
10 Berge aus V H^ rauscht,] rauscht H^H* 11 Herbsttag] Herb<st>-
l icht H^ Herbstlicht W 12 Dort , ] Dort H^ H^ du Holde, ] du.
Holde, H ^ du holde! H ^ du holde, H *
13-16: 1 : 13 : Dich suchen oder [wenn das] Dunkel die Blumen birgt, 25
14 : Und unsichtbares Leben i m Haine weht,
15.16: Und droben
I I : 13 : iJber dem Beginn des Verses: Und k o m m t die Nacht
14 : über dem Schluß: o (1) kehr (2) k o m m [mir] dann von
1 5 . 1 6 : darunter; den S t e m e ( n ) herab. H^ 30
Möglicherweise sind diese sehr flüchtig geschriebenen Worte wie auch die über dem
Schluß des Verses 11 früher zu Papier gebracht als die Verse 9—20.
13 suchen,] suchen; H^ suchen H* 15 mi r ] mid (Schreibfehler) H^
16 blühenden] blühenden üier g'cstr. lebenden sicheren H ^ Sterne,]
Sterne H^H^H* glänzen,] glänzen 35
522
An die Hofnung. Vulkan S9-61
1 7 - 2 0 : fehlt m
1 7 du] du, I-P T o c h t e r ! ] Tochter , H^ 18 Gärten,] Gärten H^ H*
darfst] darfst (: aus dafst; über kan<n)st H^
1 9 . 2 0 : (1) M i r sterblich Glük verkünden, schreke
5 Nur mit Unsterblichem dann das Herz mir.
(2) Nicht an H ^
(3) Mir sterblich Glük verheißen, schrök' o
Schröke mit anderem (a) dann (b) nur das Herz mir ! H^
(4) Ein Geist der Erde, kommen schrök, o
10 (,a) das Herz mir.
(b) Schröke mit (a) anderm ( ? )
{ß) anderem mar das Herz mir . H^
(5) Text ('20 anderem] anderen; J
Erläuterungen
15 Alkäisches Silbenmaß.
1 Hofnung] Vgl. Ermunterung v. 13.
holde] Dieselbe Anrede nochmals v. 12.
5 W o bist du ?] Vgl. Dem Sonnengott v. 1; Sonnenuntergang v. 1; Der blinde Sän-
ger (Chiron) i). 1.
20 11 Zeitlose] Als Sinnbild einer Friihlingshoffnung im Herbst.
1 3 . 1 4 Kempter (S. 44 und Aran. 101) weist auf das Ossianische dieser Wendung
hin und vergleicht Freundeswunsch v. 13: W e n n i m Haine Geister säuseln.
16 die blähenden Sterne] Vgl. Ermunterung, 1 .Fassung, v.6 u. dieErläuterungz.St.
18 Die Gärten des Aethers werden auch in dem Hymnus An den Aether v.41 erwähnt.
25 2 0 mit anderem] Das heißt: mit Unsterblichem (vgl. die Lesarten).
VULKAN
Ebenso wie die beiden vorigen ist auch diese Ode noch in Homburg entworfen, wie aus
der Anlage der Handschrift H^ deutlich hervorgeht. Die vermutlich im Jahr 1802
angefertigte Reinschrift (H^), zusammen mit einigen andern »Nachtgesängsn«,
30 trägt noch die ursprüngliche Überschrift DerWinter . Die letzte Durchsicht für den
Druck fällt in den Dezember 1803.
523
60-61 Vulkan
Überlief erung
H^ : Stuttgart I 39 S. 7 (s. die Beschreibung 1,619 f.).
tP : Homburg H 19^-20' (s. die Beschreibung S. 462).
J: Taschenbuch für das Jahr 180S. Der Liebe und Freundschaft gewidmet.
Frankfurt am Mayn, bei Friedrich Wilmans, S. 81—82. 5
Eigentümlichheiten der Schreibung: jetzt, schütze, gesetzt; schröckl ich;
fleissig, draüssen; kiinft'gen, and're, ungelehr'gen.
Lesarten
Überschrift: Yv^lkan. J Der Winter . H'-^
Der Entwurf streut zunächst, mit breiterer Feder und in größerem Duktus als die 10
spätere Ausführung, Keimworte in breiten Abständen über die ganze Seite. Die Ab-
kürzung oben links (nur wenig tiefer als die Überschrift) Abj. ist wohl als »Abjec-
tum « aufzulösen und würde »flüchtig Hingeworfenes, Vorentwurf« bedeuten.
Phantasus.
Den zarten Sinn der Frauen 15
In goldne Wolken
[Liebe.] Beschäfftigt
des Künstlichen
[Nord.] Indeß der Nord
Frommer den<n) die / d i e / Lebenden (1) d (2) alle ist der 20
(1) Doch (2) Nur wenn
gehört er auch
Sich eigner an,
in sichrer Hütte
Doch i m m e r (1) wohnet einer der Götter (a) mit ih 25
(b) noch mi t
(2) wohnt der freundlichen Genien
Noch Einer mi t i h m
und flöhen alle Götter
die Liebe bleibt 30
Dieses Gerüst wird später, mit spitzerer Feder, in kleinerer Schrift und engeren Zeilen,
ausgefüllt, H^
1 . 2 : J e i t k o m m / e n / (1) und hü
(2) mit deinem Zauber [s] und hülle mir
524
Vulkan 60-61
Den zarten Sinn der Frauen o Pliantasus! (: aus FtJ
In goldne Wolken ein
(3) und hülle zaubrischer Pfantasus
Dell zarten Sinn der Frauen in Wolken ein H ^
5 Jezt k o m m und hülle, zaubrischer Phantasus
Den zarten Sinn der Frauen in Wolken ein H^ Text J
3 : In goldne (1) Träume mir und schüze
(2) Träum' imd schüze ( a ) mir die
(b) die
10 (c) mir die H^
4 Blühende über gestr. Freundliche H^ 5 Sinnen, und] Sinnen und H^'^
Geschäfft , ] Geschafft H^ 6 Kerze über gestr. Lampe H' Schein, und]
Scheinund J / ^ ® 7 laß aw d des Unmuths i h m ] (1) der Sorge nicht
(2) des Ernstes nicht (5) des Ernstes i h m (4) Text H^ 8 werden,] wer-
15 den H^-^ 9 jezt] izt H^-^ der immerzümende Boreas,] der [alte] i m -
merzümendc [der] Boreas H^ der immerzürnende Boreas H^ 1 0 Erb-
feind, ] Erbfeind H^ Nacht ems Ni H' 11 Befällt , ] Befällt W
11 zur Schlummerstunde 12 singt,] (1) dem schlummertru(n)knon
(a) kuige)
20 (h) Träumenden Auge sein (a) schröklich
(ß) wildes {Lied) singt
(2) zur Schlummersttmde
(am linken Rande:)
Spottend (a) der (a) Menschen
2J (ß) Sterblichen, uns (aus ach.'J sein Lied singt.
(b) der Menschen, das wilde Lied singt, ff-'
(3) zur Schlummerstunde
Spottend der Menschen (a) das wilde
(b) sein schröldich Lied singt, ff^
30 (4) Text J
13 Matiren] Mauern, ff^ und nach gestr. de H^ Zaun,] Zaun H^'^
14 f leißig unter gestr. urspr. sorgsam H' gesezt,] gesezt ff^ 15 Zer-
reißt , ] Zerreißt H^ i m aus b e i m H' 16 Seele] darüber: Freude ff^
Seele H^ J mix nach gestr. ä ff' störet, ] störet oui stört ff^ störet H^
33 Alkerderber , ] Allrerderber. H^-^ Allverderber; J Hier wird, weil das
525
60-61 Vulkan
entsprechende Keimwort an dieser Stelle steht, zunächst v. 21 entworfen: W o h l
f römmer , demi die andern Lebenden ist der Mensch, urunittelbar darunter
die Verse 17—20. H^ 1 8 schwarz iiJcr g'citr. wild H^
18 daß weit his 2 0 fällt . ] daß weit (1) umher .
Die See rollt, und Geschrei des Landman(n)s 5
Fem und der flüchtenden Heerde
(2) die See
(a) I m Wahne gährt
(b) Durch<s) Thal gährt, und wie (a) Laub,
(jS) fallend Laub, {vom) 10
Berstenden Hügel hinab der Fels rollt. H ^
2 0 der aus des tP fällt, über rollt. W
2 1 : Die 1. Fassung dieses Verses siehe oben Zeile 1 f .
2 1 f r ö m m e r ] f r ommer H ^ ist, denn] ist denn H ^ Lebendige] Leben-
digen W 2 2 Mensch ; doch] Mensch, doch W Mensch. Doch H^ 15
zürnt his 2 3 s ich,] (1) zürnen Götter (2) (zürnt) es draußen gehört er auch /
Sich eigner an, H^ (5) Text H^ J 2 3 ruht in] ruht, in H^ 2 5 wohnt
aus d H^ 2 6 Einer] Einer aus einer H^ Einer H^ einer J gerne
über der Zeile H^ i h m , und] i h m imd H^
2 7 . 2 8 : (1) Sie alle feindlich würden, die uns 20
Nähren, die gütigen Kräfte, doch (a) bleibt
(b) l iebt die Liebe. H^
(2) Sie alle feindlich würden, die uns
Nähren, die
(3) All jene 25
(4) Sie zürnten, all die (a) uns erfreun, die
Geniuskräfte,
(h) ungelehrgen
Geniuskräfte, doch liebt die Liebe. H ^
Erläuterungen 30
Alkäisches Silbenmaß.
Die Ode ist genau symmetrisch gebaut: zwei Strophen enthalten die Bitte, drei stellen
zur Begründung die Widrigkeiten des Winters dar, zwei wieder sprechen von der Er-
füllung.
526
Vulkan. Dichtermuth / Blödigkeit 60-66
1 freundlicher Feuergeist] Vulkan als der den Menschen in die häusliche Gebor-
genheit und Ruhe einladende Geist des im Winter wieder angezündeten Kamin-
feuers. Der Gott wird als Geist in dem nämlichen Sinn bezeichnet (nur in der end-
gültigen Fassung des Druckes!) wie in der letzten Bearbeitung der Jntigonä Ares
5 dreimal der Schlachtgeist heißt, Eros Geist der L iebe . . . Friedensgeist,• der
Name des Hephästos (Vulcan), der zweimal vorkommt, wird allerdings nicht um-
schrieben. Die letzte Fassung der Elegie Stutgard setzt v. 20 für die Götter ebenfalls
die Geister ein. Vgl. Friedrich Beißner: Hölderlins Übersetzungen aus dem Grie-
chischen, Stuttgart 193), S. 173-175. - Siehe auch die Lesarten zu Dichtermuth,
10 1. Fassung, v. 16.
Phnntasus (vgl. die Lesarten)] Traumgott, Sohn des Schlafes (Somnus), bei Ovid,
met. 11, 642.
7 . 8 der / Häßlichen Sorge] Vgl. Die Liebe V. 6: die knechtische... die Sorge.
9 Boreas] Diese Strophe ist deutlich von Homer beeinflußt: Odyssee 14, 47S—477:
15 vül ö'üq' inrj^&e xcocf) Bogdao neaövrog, ntfyvUg-aüräg {Ineg&e xuav yhez' 9}ih:e
ndxvt), ytvxQi^, xal aaxhaai nsQiTQifexo xQvarcMog — zu deutsch: Eine Nacht
kam nun h eran schlimm, als der Nordwind sich gelegt hatte (Hölderlin hat diese
Wendung sicherlich anders verstanden: »indem der Nordwind einfiel, hereinbrach«
gemäß Hesiod, erga v. 547, wo dieselben Worte so aufgefaßt werden rriüssen, wie
20 übrigens auch Johann Heinrich Voß, der in seiner Odyssee - Übersetzung schreibt:
» der erstarrende Nordwind stürzte daher «.), frostbringend; und von oben fiel Schnee
gleichwie Reif, kalt, und um die Schilde legte sich Eis. — Vgl. im übrigen Hymne
an die Freiheit (Wonne säng' ich...) v. IS und die Erläuterung z. St. (1, 461).
2 4 der Freigebome] Vgl. Der Prinzessin Auguste von Homburg v. IS.
25 D I C H T E R M U T H / B L Ö D I G K E I T
Die erste Fassung wird, wie der handschriftliche Zusammerihang vermuten läßt, um
die Jahrhundertwende begonnen, jedoch erst später vollendet; die zweite ist wohl bald
danach, im Frühjahr 1801, entstanden. Blödigkeit ist, wie die andern »Nachtge-
sänge«, frühestens im Sommer 1802 entworfen, aber erst im Dezember 180) für den
30 Druck durchgesehn worden.
527
62-66 Dichterrauth / Blödigkeit
Überlief erung
Erste Fassung:
H^ : Stuttgart I 39 S. 22 (s. die Beschreibung 1, 619 f.): Entwurf.
H^ : Stuttgart I 6 Bl. (s. die Beschreibung S. 377): Ausführung
(in den Versen 1—6 schon einige Varianten zur 3. Fassung). 5
H^ (v. 17-28): Stuttgart III 8 S. 3 unten: Doppelblatt 21,8 (21,l)x33,8 cm,
obere und untere Kanten beschnitten; bräunliches, geripptes Papier; Wasser-
zeichen: J C J A E G E R unter sechszackigem Stern; umgekehrte Lilie (Baselstah),
von einem Kranz umschlossen. S. 1 und 2: Anfang des Aufsatzes (Über die
Religion); S. 3 oben u. S. 4: Bruchstück 18. 10
h : Stuttgart Va 1 S. 21—22: Abschrift von fremder Hand, Druckvorlage für A ^.
A^ : Gedichte von Friedrich Hoelderlin. {Hg. von Ludwig Uhland und Gustav
Schwab.) Stuttgart und Tübingen 1826, S. 29-30.
Eigentümlichkeiten der Schreibung (h und A sey, gesegnet ,Woge, beleidigen,
Flut, Jedem, Dir , Dich . 15
Zweite Fassung:
H^ (v. 9-28): Stuttgart I 6 Bl. 22» ("i. die Beschreibung S. 377).
H^ : Stuttgart I 30 i, k, l (s. die Beschreibung S. 441).
Erster Druck der zweiten Fassung: Robert Wirth: Vorarbeiten und Beiträge zu einer
kritischen Ausgabe Hölderlins. Wissenschaftliche Beilage zu dem Programme des 20
Gymnasiums und Realgymnasiums zu Plauen i.V., Ostern 188S, S. 26 f .
Dritte Fassung (Blödigkeit):
J: Taschenbuch für das Jahr 180f. Der Liebe und Freundschaft gewidmet.
Frankfurt am Mayn, bei Friedrich Wilmans, S. 82—83.
Eigentümlichkeiten der Schreibung: sey, beleidigen, geschickt, schicklich. 25
Lesarten
Zum Entwurf wird zweimal angesetzt, zuerst mit blasserer Tinte (H ^ dann mit
dunklerer (H^^):
Muth des Dichters. H ^ "
i ; ( l ) Schuir 30
(2) Nährt zum Dienste denn nicht selber die Parze dich, H ^ ^
(vgl. Zeile 11-13)
528
Dichterrauth / Blödigkeit 62-66
2: (1) Auf und wandle nur wehrlos H^"
(2) Drum so H">
h Fort durchs Leben und sorge nicht ! H ^ "
4: Was geschiehet es sei alles (1) wil lkommen
5 (2) geseegnet (a ) mir ,
(b) dir,
S: Sei (1) zum Besten gewandt!
(2) zur Freude (wieder gestr.)
(a ) sage;
10 (b) oder was kön (n ) te denn IJ^"
6. 7: Dich belaidigen, (1) was denn
Dir begegnen, du liebend Herz? i / - ' "
f l iehend Herz unterstr.
(2) H e n ! was
15 Da dich stören, wohin du C«; must? ("i; sollst? H ^ ' '
8. 9: (1) Hat von Thränen nicht H^"
(2) selber die furchtbaren
Schiksaalsgötter
Reichen die (a ) Thränen
20 (b) Schaale voll Thränen
(a) Wundernährend
(ft) Wunderheilsam dem Genius.
(3) damit sie nicht
Des Gesanges entbeh^r) selber die furchtbare
29 Schiksaalsgöttin
Reicht F - ' ®
(4) Von der W i e g e vertraut ( a ) war mit Lebenden f Wiege unterstr.)
Allen, eh er sie noch nannte, der ahnende fsie noch unterstr.)
Geist, und alle sind günstig. (: aus günd)
30 Und es (a) gewinnet
(ß) pfleget
(y) nähret, damit H^ "
(b) ist
(c) doch mit Himmlischen
35 und der erfreuende
529
62-66 Dichterrauth / Blödigkeit
(5) Ist doch nahe vertrauet (a) den Himmlische (ra) / Allen
(b) allen den Himmlische (ra)
Längst der ahndende Geist (a) Bacchus tränkt
(b) und der erfreuende H ^ ^
10: Bacchus tränkt nicht allein ihn H^'' 5
11: (1) Näh
(2) Denn es nähret damit sie nicht H ^ ^
12 (= 8. 9 (3) ): Des Gesanges entbeh<r> seiher die furchtbare H - ' "
13: Schiksaalsgöttin zum Dienst (1) freundlich
(2) weise den Dichter ("a^ auch 10
(b)sich,H^''
14: Re i cht tP"
die heilsame Schall (: verschrieben statt Schaale^
I S : Voll von Thränen dem Genius. H ^ ^
16-19:1: 16: W i e durch heiml iche Thal oder (1) am Berg 15
17: (a) Hin
(b) Hoch an schäumender K l u f ( t )
18: Immerglükl ich ein jimger
19: (a) Alpenwanderer,
(ß) Alpenwandrer, so gehn vergnügt 20
I I : 16: (2) an schäumender
17: Kluft (a) den sparsamen Pfad
(b) die ri
(c) die sparsame/n/ Staig
(d ) den sparsamen Pfad 25
(e) die sparsame/n/ Staig
( f ) den sparsamen Pfad oder in (a) einsamer
iß) hei
(y) schweigender
IS: Wo lke droben ein (1) froher (2) muth 'ger 30
19: Alpenwanderer, gehn vergnügt
19a: und das Saitenspiel
b: Wildzerrissen i m Sande l iegt
c: Starben doch i m Berufe sie. H^"
I I I : 16: Denn wie drunten i m Thal (1) oder auf luft igem 35
530
Dichtermuth / Blödigkeit 62-66
(2) oder {a ) an rieh
(b) den steigend ( m )
17: steigenden iiier sparsamen
19: Alpenwanderer, gehn auch wir, H^^
5 20: W i r die Dichter des Volks jeglichen Lebenspfad
(•jeglichen Lebenspfad stark urUerstr.) H^^
21: Böses kennen wir nicht, n immer siehet den Tod
22: Unser (1) wi (2) Auge, wie sängen
2 } : Sonst wir jedem den eignen Got t? H ^ ^
10 Lesarten der ersten Fassung
H^ enthält in den Versen 1-6 auch schon einige Varianten zur }. Fassung
(Blödigkeit).
Überschrift: Dichtermuth. aus Dichter -Muth. h fehlt H^
1 - 1 6 : fehlt tP
15 1 Sind denn dir aus: Bist denn du H^ verwandt] verwandt, H^ alle aus
allen H^ dir nicht verwandt alle] darüber: dir nicht bekannt viele H^
2 zum] gestr. u. unterpunktet; darüber, gestr.: im h Dienste] darüber die Num-
mer 2 H^ die Parze] darüber die Nummer 1 H^ 2 : über der ersten Hälfte
des Verses: Wandelst auf Wahrhei t du H^ unter der zweiten: nicht, wie auf
20 Teppichen? H^ 3 nur] (1) nur (2) doch (3) nur H^ wandle] darüber:
(1) tritt nur (2) vorg-e/iig-l; mein Genius H^ 4 durch's] durchs H^ Fort,
durch's] darüber: Baar ins H^ 5 dir , ] dir H^ geseegnet dir] darüber:-
gelegen u n s 6 gevrandl'.] Ausrufzeichen aus Komma H^ gewandt] reimt.
über gestr. wandt 6 . 7 denn D i c h ] darüber, gestr.: dich Denn H^'
25 7 H e r z ! ] Hera, fauj w ; H^ 9 Denn,] Denn i / 2 Denn, h Dann, A^
1 0 Fluth] Flut aus Fluth h
9—12 : I : Denn wie drunten i m Thal , oder den steigenden
Pfad an schauriger Kluft, oder in schweigender
(1) Wolken
30 (2) Wo lke droben ein froher
Alpenwanderer, (1) gehen
(2) gehn auch wir H ^
I I : 9 auf üier g-ertr. den H^ 10 tosender üjcrg'ertr. schauriger H^
I I I : 9 still am (1) Gestat, (2) Gestad über: drunten i m Thal H"
531
62-66 Dichterrauth / Blödigkeit
in silberner] (1) im (2) in silberner H^ 1 0 Femhintönender
Flutli,] (1) über dem Anfang der Fassung I: Oder mitten i m am
linken Rand: (2) Hell (3) Femelokender (4) Hochaufwallender
(5) AVoogenluftiger Fluth (6) Immertönender (7) Femhin-
tönender Fluth, H^ 1 0 . 1 1 auf schweigenden Wassertiefen] 5
(1) in (a) schweigenden (a) Dunkeln {ß) Blauen Tiefen drunten
e indämmernden (2) i m Wassergewölk (3) in lu (4) auf (a)
schweigender (b) silberner Tie fe (5) auf schweigenden Wasser
Tiefen H^ 11 der leichte] der (1) muntre (2) gestr. u. unter-
punktet: leichte über: ein froher H^ 12 Schwimmer wandelt, 10
so sind über: Alpenwanderer, [gehn] H^
13 gerne,] gerne A^ Lebendes aus lebendes h 14 athmet über gestr.
wechselt H ^ freudig, ] freudig H ^ jedem hold, ] jedem hold ; (Äeic Jcidm
Wörter sind in dieser Zeile zuerst niedergeschrieben, das übrige ist später vorge-
fügt) H^ j edem] Jedem aus j edem h 15
1 5 . 1 6 : Diese beiden Verse werden schon zu Beginn der Niederschrift weiter unten
(etwa S cm tiefer) festgehalten und dort dann, nachdem sie hier an gehöriger Stelle
wiederholt sind, gestrichen. H^
15 Jedem] Jedoch A^ (Druckfehler) trauend;] trauend, hA^ 1 6 je-
dem] Jedem aus j edem h Go t t ? ] darüber von späterer Hand, zunächst in der 20
unteren, vorläufigen Niederschrift der Ferse IS urul 16: Gotte dann in der end-
gültigen Niederschrift: Geist? — H^
1 7 - 2 8 : Der Schluß der Ode wird auf besonderem Blatt (H^) zunächst anders
versucht, mit Anlehnungen noch an den ersten Entwurf (H^ — vgl. dort
die Verse 19a-c): 25
1 ; W e n n denn einer auch wohl l iebend des feindlichen
2: (1) Augl
(2) Augenbliks nicht gewahrt, I : (a) daß der Mänadische
(b) der in das furchtbare
3: Wi lde Leben (1) wirft , und 30
(2) ihn fort (nicht weiter ausgeführt)
(3) weh! imd
4: , Der Mänadische Reigen (1) ihn
(2) tang
(3) tanz 55
532
Dichtermuth / Blödigkeit 62-66
5: Den Verlornen [ , ] ergreift,
6: u. der Strom der (: verschrieben statt dasj
(1) St<rom>
(2) Haupt des Zerrissenen
5 7 ; Und sein Saitenspiel wälzt
8: (1) Schuldlos
(2) Arglos fiel er und edel
9 : (1) In
(2) Starb / e r / in (a) ede (b) edlem Beruf er doch.
10 10.11 (ohne Zusammenhang unter dem übrigen Entwurf):
der taumenlde (: verschrieben statt taumelnde) Schwimmer
Bis zerschlagen an Klippen
II: (1) daß
(2) wenn die Gewässer (a) ihn
1 5 (b) d
(c) s
(d) ihn
Die zu Füßen i h m sc\ime\{cheln)
(a) Den Berauschten hinunterziehn.
20 (/?) Schwindelnd, weh!
(y) Schwindelnden/h/ , weh!
(3) weh!
(a) und die schmeichelnde
Lebenswooge den frohen
25 Lauscher (a) hin
{ß) schwindelnd hinunterzieht.
(b) vmd die schmeichelnden
Lebenswoogen hinunter
Schwindelnd H ^
30 17 einen] Einen aus einen h Einen 18 hinunterzieht] hinunter
zieht hA^ 19 S t imme] Stimmen A^ (Druckfehler)
1 7 - 2 0 :
17 : W e n n (1) denn einer auch
(2) die (a) W o o g e (: unterstr.)
35 (b) [Wel le ] denn auch einen der (a) freudigen
533
62-66 Dichterrauth / Blödigkeit
Schwimmer
{ß) fröhl ichen
(y) muthigen
(ö) Muthigen
1 8 : [Schwimmer] wo er (1) getraut 5
(2) treulich getraut wirbelnd (a) hinun
(h) hinunter-
zieht,
1 9 : (1) Schuld</>os
(2) Freudig 10
(3) Frölich stirbt (er ) (a) und anders
Endete Vater Orpheus n icht !
(h) der Vater
(c) und imser
Orpheus (a) endete {ß) endet' auch sanfter nicht ! 15
am Rand: (4) Und die St imme des Sängers
2 0 : (1) In der blauenden
(2) Nun in blauende ( r ) Halle (a) schweigt
(b) nicht (?) (nicht weiter
ausgeführt) H^ 20
2 1 - 2 4 :
2 1 : Freudig (1) stirbt
(2) starb (er,) (a) u m ihn
Und es klagen den Fall ihres Geliebtesten
Seine Wälder es (a) lauscht (/3) tö 25
(b) und (a) lang
(ß) noch klagen die Einsamen,
(: aus einsamen^
2 2 : Seine (1) Wälder
(2) Haine den Fall ihres Geliebtesten 30
2 3 : (1) Doch
(2) Öfters t öne / e / t der Jungfrau
2 4 : (1) Aus den Zweigen
(2) V o m Gezweige sein (a) freundlich
et; l iebend Lied. H^ 35
534
Dichtermuth / Blödigkeit 62-66
2 2 ihres über gestr. des h 2 3 tönet über gestr. kömmt h
2 5 - 2 8 : I : vorüberköm<m>t
Sieht die warnende Stelle
Schweigt und gehet gerüsteter.
5 I I : (1) W o der Bruder hin must und
An der warnenden Stel( /e)
(2) W o der fder / Bruder i h m sank denket es (: verschrieben
statt er) manches wohl
I I I : Wenn der (1) Unsrigen
10 (2) Unseren dann Einer vorüberköm (mt, )
W o der Bruder ihm sank, denket (er) manches wohl
An der warnenden Stelle
I V : einer der Unsem
V : (1) Wann
15 (2) AVenn des Abends vorbei Einer der Unsem {kömmt,)
W o der Bruder ihm sank H ^
25 Einer aus einer h 2 6 manches] Manches aus mancbcs h Man-
ches 2 8 gerüsteter] getrösteter hA^ (Hellingrath vermutet wohl mit
Recht Abschreiberkonjektur)
20 Lesarten der zweiten Fassung
Überschrift: fehlt H* fehlt H^
2 : (1) Nährt zum Dienste denn nicht selber die Parze dich, (2) Text H^
4 fürchte nichts! üier g-ertr.; sorge nicht ! H^ 7 was vor gestr. A. H^
9 - 1 6 :
25 I : gestr.: Denn, wie still am Gestad, (1) in (2) oder in silberner
Hochaufwallender Fluth oder auf schweigenden
Wassertiefen der leichte
Schwimmer wandelt, so sind auch wir.
W i r , die Dichter des Volks, gerne, wo Lebendes
30 U m uns athmet und wallt, freudig und jedem hold
Jedem (1) trauend;
(2) offen; ist so nicht
Unser (1) König,
(2) Vater der Sonnengott? H ^
535
62-66 Dichterrauth / Blödigkeit
I I : ' Entwurf (H*). Oben auf der Seite wird zunächst als Anfang der L Strophe
niedergeschrieben:
Denn so lange
Dann werden die drei letzten Strophen (v. 17—28) entworfen, darunter erst
neu einsetzend die Verse 9—20 (die S. Strophe also auf dieser Seite zum zwei- 5
ten Mal):
9 . 1 0 : (1) Denn so lange das Lied sterblichen Lippen noch
Lebenathmend, entsproßt, f rommend in Gliik und Laid
(2) Denn seitdem der Gesang sterblichen Lippen sich
Friedcnathmend, entwand; f rommend in Laid und Gliik 10
1 1 . 1 2 : (1) Noch die Menschen vereinet,
(2) Unsre Weise die Menschen
(a) Noch vereinet, so sind wir auch
(b) Still vereinte, so waren (a) wir (ß) auch
(c) Sich vertraute 15
(5) Und der Fürsten Verwandtschaft
(a) Oft sch ( ? )
(b) W i e nach Arten, so waren auch
1 3 . 1 4 : W i r die Dichter des Volks, gerne (1) wo Lebendes
U m uns athmet und wallt, 20
(2) bei Lebende <n>
W o (a) V (b) sich vieles gesellt, freudig und jedem (hold,)
15 : (1) Al lem (2) Jedem offen; so ist ja
1 6 : Unser Vater, der Sonnengott, H *
I I I : T m C l Ö Ahne üScr^Mfr. Vater ; H^ 25
1 7 - 2 0 :
I : oben auf der Seite:
17 : Der den (1) heiteren
(2) freundlichen Tag Armen und Reichen (a) bringt ,
(b) gön<fi>t, 30
18 : (1) Treu
(2) Und die (a) Sterblichen all,
(b) Sterbliche treu mitten in flüchtger Zeit
(3) Der
(4) Und in flüchtiger Zeit uns, die Vergänglichen 35
536
Dichtermuth / Blödigkeit 62-66
1 9 . 2 0 : (1) angoldnen
Zaubcrseilen gefesselt hält?
(2) Aufgerichtet an goldnen
GUngelbanden, wie Kinder hält.
I I : unten:
Der den fröhlichen Tag Armen und Reichen g ö n ( n ) t
Der in flüchtiger Zeit uns die Vergänglichen
Aufgerichtet an goldnen
(1) Gängelbiinden (2) Gängelbanden, wie Kinder, hält. H ^
17
18 1 9
20 10 I I I : Text H^
2 1 - 2 4 :
1 : 2 1 : (1) Den cmpf[h]ängt ,
(2) Ihn erwartet, auch ihn, n i m ( m ) t , wenn die Stunde l ; öm(m)t ,
2 2 : (1) Die
15 (2) Seine purpurne Fluth, (a) auf
(b) und der Unsterbliche
(c) sieh! und das (a) stolze
{ß) edle Licht
2 3 : (1) Geht mit Lächeln
20 (2) Gehet (a) lächelnd hinunter, / Wenn die
(b) kundig (a) der Pfade
{ß) des Wandels
2 4 : (1) Und der Zeiten
(2) Schön und stille (a) den Pfad hinab
25 (b) hinab den Pfad
(3) Gleichen
(4) Gleichgesinnet hinab — H ^
I I : Text W
2 5 - 2 8 :
30 1 : 2 5 : So (1) verströme, so sterb,
(2) vergehe denn auch, wenn es die Zeit fa^ einst
(h) erst ist,
2 6 : (1) so sterb' auch
(2) Und dem Geiste sein Recht (,a) n immer
(b) nirgend gebricht,
537
62-66 Dichterrauth / Blödigkeit
(a) dann
{ß) so sterb' auch
2 7 : (1) Einst
(2) Uns
(3) Einst im Ernste des Lebens 5
(4) über Ernste die Nummer 2
über Lebens die Nummer 1
2 8 : Unsre Freude, (1) nu C?;
(2) doch schönen Tod ! H *
I I : Text H^ 10
Lesarten der dritten Fassung (Blödigkeit) (J)
3 Drum] D ' rum / 13 Volks,] Volks J
Erläuterungen
Asklepiadeisches Silbenmaß.
Erste Fassung: 15
2 Paize] Vgl. die Erläuterung zu Griechenland v.SS (1, 482); ferner Mein Eigen-
tum V. 52.
3 wehrlos] Dieselbe Konsequenz, jedoch ins Emsthafte gewendet, wie bei Horaz,
carm. 1, 22 (Integer vitae...).
6 Freude] Vgl. die Erläuterungen zu Menons Klagen um Diotima v. 107 und Brod 20
und Wein v. 19.
1 2 - 1 4 Vgl. Dichterberuf V. S9 f
Zweite Fassung:
15 so ist ja] »ebenso verhält sich auch «.
1 6 Ahne] Der Sonnengott, Phöbus Apollo, ist zugleich auch der Gott der Dicht- 25
kunst und somit der Ahnherr der Dichter.
21 . 2 2 Die Flut, die den Sonnengott erwartet und aufnimmt, wird durch seinen
Untergang purpurn gefärbt.
2 4 Gleichgesinnet] Fast zu wörtliche Übersetzung der Mahnung des Horaz
(carm. 2, 3): Aequam memento rebus in arduis servare m entern. — Die Begründung 30
für den bewahrten Gleichmut gibt v.2h kundig des Wandels. — Eine gleichermaßen
wörtliche Nachbildung einer lateinischen Prägung findet sich in Mnemosyne,
1. Fassung, V. IS: wahrer Sache (re vera).
538
Blödigkeit. Der gefesselte Strom / Ganymed 66—68
Dritte Fassung:
Die scheinbar in ihr Gegenteil verkehrte Überschrift ist aus andrer Blickrichtung zu
verstehen: dem in Blödigkeit (ängstlicher Zurückhaltung) befangenen Dichter soll
durch die Ode Mut zugesprochen werden.
5 9—12 Diese Strophe ist von der zweiten Fassung her zu begreifen: »seit der Gesang
seine heilige Aufgabe erfüllt« — nur erhebt der Dichter jetzt höheren Anspruch, indem
sein Gesang nicht mehr bloß friedenathmend das Herz erfreut; vielmehr hat der
Gesang Menschen und Götter zueinander geführt. Die Menschen waren vorher, gleich
den Himmlischen, ein einsam Wi ld . Götter und Menschen wußten nichts vonein-
10 ander. Der Gesang hat, indem er für Menschen und Götter die Einkehr zueinander
bewirkte, für die Menschen die höhere Ordnung gestiftet: sie sind nun kein Wi ld
mehr (vgl. Unter den Alpen gesungen v. 7 und die Erläuterung z. St.). Der Gesang
hat das allerdings nur in der Sphäre geleistet, die ihm gemäß ist: der Fürsten Chor
unterstützt ihn, wenn er Menschen und Götter der Einkehr zu führet ; beide Kräfte,
15 Gesang und Fürsten, wirken nach Arten zusammen, jedes in seiner Weise.
2 1 — 2 4 fVir Dichter nützen einem, wir taugen etwas für die Menschen, wenn wir
ihnen Göttliches (von den Himmlischen Einen) bringen. Wir sind die Vermittler,
unsre Hände müssen nur schiklich, würdig, rein, schuldlos sein (vgl. (,Wie wenn
am Feiertage...} v. 62).
20 DER GEFESSELTE STROM / G A N Y M E D
Der gefesselte Strom ist wahrscheinlich im Frühjahr 1801 entstanden; Ganymed
wird dann, zusammen mit andern »Nachtgesängenn, wohl schon im Jahr 1802 aus
der ersten Fassung entwickelt, für den Druck aber erst im Dezember 180) durch-
gesehn.
25 Überlieferung
Der gefesselte Strom:
H' : Stuttgart I 6 Bl. (s. die Beschreibung S. m).
H^ : Stuttgart I }Oa,b (s. die Beschreibung S. 441).
h : Stuttgart Va 1 S. 29—)0: Abschrift von fremder Hand, Druckvorlage
30 für A
A ' ; Gedichte von Friedrich Hoelderlin. {Hg. von Ludwig Uhland und Gustav
Schwab.) Stuttgart und Tübingen 1826, S. }7-}8.
539
61 —68 Der gefesselte Strom / Ganyraed
Eigentümlichkeiten der Schreibung (h und A^): schickt, trifft, Du, Dir , Dich.
Ganymed:
H^ : Homburg H 20 (s. die Beschreibung S. 462).
J: Taschenbuch für das Jahr ISOS. Der Liebe und Freundschaft gewidmet.
Frankfurt am Maym, bei Friedrich Wilmans, S. 8S—84. 5
Eigentümlichkeiten der Schreibung: trifft, Schlacken.
Lesarten
Der erste Entwurf (H^):
Der (1) Eisgang.
(2) gefesselte Strom. 10
1 : Was schläfst (1) du, Jüngling! träumest, gehüllt in dich,
(2) u. träumst du, Jüngling! (a) ge (b) gehüllt in dich,
2 : (1) Gedultiger! am kalten Ufer und schläf<s)t und (a) weilst
(b) bleibst
(2) Und säumst am dunkeln Ufer Gedultiger! 15
3 : (1) Un<i> (a) bleibt (b) bleibst
(2) Und (a) denkst des Ursprungs nicht, o du des
(b) denkest
(c) achtest nicht des (a) Ursprungs, du?
(ß) Ursprungs ? du, des 20
4 : Oceans Sohn, des Titanenfreundes?
5 . 6 : (1) Fühlst du die
(a) Die
(b) Der Vater schik<t>
Sonne 25
(2)
Ca) Fühlst die südlichen Lüfte nicht
(b) Kennst du die lebenath(m)enden
(3) die (a) Liebesbott
CÄ) Liebesboten, welche der Vater schikt, 30
Kennst du die lebenath<m)enden Lüfte nicht
7 ; Und trift dich nicht [das W o r t ] , das (1) klar (2) hell von
8 : Oben der wachende Gott (1) sendet? (2) dir sendet?
540
Der gefesselte Strom / Ganymed 67 — 68
9 : Schon tönt, schon (1) tö (2) tönt es i h m in der Brust, es quillt
1 0 : (1) unter ihm auf,
(2) W i e da er (a) ein<s(>
(h) noch
5 (c) einst
(d) noch im Schoose / i n / der Felsen (a) [spielt]
{ß) [ruht,]
11 : (1) lu
(2) I h m [wieder] auf, (a ) und
10 (h) doch mm (a) er (innert)
(ß) gedenkt er seiner
12 : Kraft, der Gewaltige, (1) mm erglänzt
(3) nun (a ) gewahrt er
(b) eilt er nun
15 13 : (1) Der Göttersohn, (a) u.
(b) un(d)
(c) er spottet (a) der Furchtbaren,
Der Fesseln [n] [und] wirft
(ß) der Fesseln
20 (2) Der Träumer
(3) Der Zauderer, er spottet (a) der (a) Göttl iche
(ß) Göttersohn / Und w i r ( / t )
(b) der Wachende
( c ) der Fesseln nun
25 14 : Und n immt u. bricht u. wirft die zerbrochenen,
15 : (1) wachen die Wälder [die] auf.
Der Herold wekt die (a) Berge, (b) Hügel
(2) Im (a) Wald da und dort am
(b) Zorne, spielend, da imd dort zum
30 1 6 : (1) Zitte<r7w;en>
(2) Bebenden
(3) Schüttemden Ufer [umher] und I : (an) der St imme
17 : Des (1) Göttersohns
(2) Mächtigen
35 (3) Herrlichen erwächen (: verschrieben statt erwachen^
541
61 —68 Der gefesselte Strom / Ganyraed
die Ca; Hügel (a) jäh (•?;
(ß) auch
(y) izt,
(b) W ä l d e r auch
I I : an des Herolds 5
1 7 : Bekannter St imme
4 Zeilen tiefer: Er aber (vgl. v. 22)
18 : (1) Der Herold wekt die Wälder ,
(2) Erschlokken (: verschrieben statt Erschrokken^
wachen rings wieder 10
(3) Und alle Wälder auch
(4) Die Wälder alle u. ihren Herold hört
(5) Es regen sich die Wälder ( a ) den Herold hört
(a) Die Erde
(ß) Die Gegend weit 15
(y) Die Grotte
((5) D ie ferne Grotte
(b) es hört die Kluft
1 9 : Den Herold f e m und schaudernd regt die
2 0 : (1) Freude 20
(2) I m Busen der Erde (a ) die Lust sich
(b) sich Freude wieder.
2 1 : Der neue Frühling keimt ; (1) es (2) imd es blüht u m ihn,
Das Folgende setzt unter leerem Zwischenraum erst drei Zeilen tiefer ein, ist
also früher niedergeschrieben als das Vorangehende (vgl. oben Zeile 7). 25
2 2 : Er aber wandelt hin zu Unsterblichen,
2 3 : Denn nirgend (1) mag (3) darf er bleiben, als wo
2 4 : (1) In
(2) Ihn [ ihn] in die Arme (a ) aufnimmt.
("t; der Vater aufnimmt. H^ 30
Lesarten der ersten Fassung (Der gefesselte Strom)
1 Jüngling,] Jüngling! hA^ 4 Titanenfreundes!] Titanenfreundes? hA^
(aus Titanen-Freundes h) 6 lebenathmenden aus Leben-athmenden h
542
Der gefesselte Strom / Ganymed 67 — 68
nicht?] Fragezeichen für getilgtes Komma h 8 sendet?] sendet? - liA^
9 Brust,] Brust! liA^ es quillt] es aus Es h 10 Wie , ] Wie hA^
11 auf,] auf; hA' und nach gestr. und H^ 14 Zerbrochenen] zer-
brochenen hA^ (aus Zerbrochenen A) 1 6 Ufer] Ufer; kA^ an]
5 von kA' 19 fem] fem, hA^ 20 Busen aus Busend I/^ 21: Der
neue Frühling dämmert, es blüht um ihn; h A ^ kommt] komt H ^
Die Umarbeitung zur zweiten Fassung (Ganymed) (H^)
Zuerst wird eine von der ersten nur geringfügig abweichende Fassung der Ferse 1—20
niedergeschrieben (H^"); die neue Fassung entsteht dann aus Änderungen zwischen
10 den Zeilen und an den Rändern mit dunklerer Tinte (H^^).
Der gefesselte Strom.
1 : (1) Was schläfst und träumst du, Jüngling, gehüllt in dich, H^'^
(2) W i e schläfst du, f o ; Sohn, und
(b) Bergsohn, liegest (a) verdrossen,
15 inUnmuth, schie f / / ' ' *
2 : (1) Und säumst am kalten Ufer, (a) Geduld
(b) Gedultiger! H^"
(2) Und frierst am kahlen Ufer, Gedultiger! H ^ ' '
3 . 4 : (1) Und achtest nicht des Ursprungs, du, des
20 (Ursprungs witerstrichelt)
Ozeans Sohn, des Titanenfreundes?
(2) Denkst nicht der Lust, hinauf ge (a) in
Träumen gehöhlt
(b) sonst in Träumen
25 Droben zuNuzen?
(3) Denkst nicht der Gnade du, wenns an den
T i s c h e ( n ) die Himmlischen fa^ dort
(b) sonst gedürstet?//^*
5 : (1) Die Liebesboten, welche der Vater schikt i / ^ ®
30 (2) Kennst drunten du vom Vater die Boten nicht? H ^ ' '
6 : (1) Ken<n>st du die lebenathmenden Lüfte nicht, H ^ "
(2) Die (a) sanften
(b) heitern Lüfte , kennst du (a) ni
(ß) die hohen nicht?
543
61 —68 Der gefesselte Strom / Ganyraed
(3) Ken<n)st in der Schlucht der Lüfte geschärfter Spiel H ^ ' '
7 : (1) Und trift das W o r t dich nicht, das hell von H ^ "
(2) trift nicht das W o r t dich (a) , das voll alten
CJ; drunten, das voll H ^ ^
8 : (1) Oben der wachende Gott dir sendet. H^'^ 5
(2) Geistes (a) ein Mann
(b) ein sinniger
(c) ein wandelnder
(3) Geists ein gewanderter Mann dir sendet. H ^ ' '
9 : (1) Schon tönt, schon tönt es i h m in der Brust. Es quillt H^ " 1 0
(2) Es tönet ( a ) aber
(b) ihn aber
(c) aber
(5) Schon tönets aber i h m in der Brust. T ie f quillt H ^ ^
1 0 : (1) W i e da er noch i m Schoose der Felsen schlief H ^ ' ' 15
(2) Was seins ist, ( a ^ i h m
(b) so wie (a) da
(ß) als (er ) i m Fels noch schlief
(3) wie als
(4) W i e als ( a ) er hoch i m schweigenden Fels noch 20
(b) hoch oben i m Fels er schlief
(5) W i e damals als hoch oben im Fels er schlief H ^ ' '
11 : (1) I h m auf, und nun gedenkt er seiner H^"^
(2) I h m auf. I m Zorne reinigt (a ) erst nun
(b) aber 25
12 : (1) Kraft, der Gewaltige, H ^ "
(2) Sich der Gefesselte nun, nun eilt er H ^ ' '
13 : (1) Der Zauderer; er spottet der Fesseln nun H ^ "
(2) Der Linkische; der spottet der Schlaken nun H ^ ^
1 1 - 1 3 : in der rechten unteren Ecke der Seite (vielleicht früher als die Varianten 30
über der ersten Fassung):
( 1 ) E s
(2) I h m auf. Es reinigt aber (a) nun i m
Zorn der Gefesselte [sich], sich
(b) sich im 35
544
Der gefesselte Strom / Ganymed 67 — 68
Zorn der Gefesselte nun; nun ei(lt er}
Der Linkische; der spottet {(ier) Schl(aien nun) H^^''
(am Schluß Textverlust durch Beschädigung des Blattes)
1 4 : Und n immt und bricht, \md wirft die Zerbrochenen, H ^ " H ^ ^
5 15 : (1) I m Zorne, spielend, da und dort zum
(2) Zomtninken, spielend, dort und da zum H ^ ^
1 6 : , (1) Schallenden Ufer, und an des Herolds H ^ "
(2) Stürzenden
(3) Schauenden Ufer , imd bei des (a) Wächters
10 (b) Wi lden
(c) Fremdlings H^''
17 : (1) Bekannter St imme wachen die Hügel auf H ^ "
(2) Besonders (: verschrieben statt Besondrer,).
St imme stehen (a) die Adler
15 (b) die Heerden auf H^''
18 : Es regen sich die Wälder , es hört (1) die Kluft H ^ "
(2) fern Land
(3) tief Land
19 : Den Stromgeist f e m und schaudernd regt i m H ^ " H ^ ' '
20 2 0 : (1) Busen der Erde sich Freude wieder. H ^ "
(2) Nabel der Erde (a) das Herz
(b) der Geist sich wieder. H^''
2 1 - 2 4 :
2 1 : Der Frühling (1), neu (2) keimt.
25 2 2 : Aber (1) beiseit geht er.
(2) besonders er.
2 3 : Irr gieng er nun. (1) Seins aber / Ist
(2) Denn allzuCa^liebend / Sind
Cijgut sind
30 2 4 : Genien. (1) Aber
(2) Himmlisch Gespräch ist seins nun. H ^ ^
Lesarten der zweiten Fassung (Ganymed) (J)
2 Gedultiger] Geduldiger / 3 Denkst] Denk'st / 5 drunten] d 'run-
ten J 6 Spiel] Ziel J 23 Irr ] Irr ' J
545
61 —68 Der gefesselte Strom / Ganyraed
Erläuterungen
Alkäisches Silbenmaß.
Beide Fassungen deutet vergleichend Leopold Liegler: »Der gefesselte Strom«,
und »Ganymed«. Ein Beispiel für die Formprobleme der Hölderlinschen Oden-
Bearbeitungen. Hölderlin-Jahrbuch 1947, S. 62-77. 5
Der gefesselte Strom:
1 Jüngling] So heißt auch der Neckar ström in der Ode Heidelberg v. 13; siehe dort
die Erläuterung.
3 des Ursprungs] Fgl. Dichterberuf v. 42; zusammen mit v. 9 ("schon tönt es ihm
in der Brust;.- Diotima (S. 28) v. 9. 10
3 . 4 des Oceans Sohn, des Titanenfreundes] Okeanos und seine Schwester Tethys,
Kinder des Urarws und der Gaia, sind nach Hesiod (Theogonie v. )J7—370) Eltern
der Ströme und Gewässer. Okeanos ist eigentlich nicht bloß ein Titanenfreund, son-
dern selber einer der zwölf Titanen (Hesiod, Theogonie v. 1S3—1S8). Doch ist nach
andern Überlieferungen Okeanos älter als die Götter: vgl. llias 14, 201 und 302, wo 15
Okeanos und Tethys &eä)V ydveacg genannt werden; ähnlich heißt es v. 246 von
Okeanos allein: yeveaii ndvreaai ritvxTai urui Orph. hymn. 83,2: a&avdzwv
TS &ewv ydveaig &V)jTcjv r' äv&QÖmwv. Dazu stimmt, daß Thaies das Wasser als
den Urstoff bezeichnet. — Siehe auch Aeschylus, Prometheus v. 296 f., wo Okeanos
sich ausdrücklich Freund eines Titanensohns, des Japetioniden Prometheus, nennt: 20
ov yÖQ nor' igsTg, d>g 'üxeavov (püo? earl ßeßaiärsQÖg aoi. - Vgl. An die Natur
V. 27: Der Titanensang der Ströme.
5 . 6 Liebesboten] Vgl. Der blinde Sänger v. 8 und die Erläuterung z. St.
8 der wachende Gott] fVohl der Aether.
1 4 die Zerbrochenen] Die Eisschollen; verselbständigtes Attribut der Fesseln. 25
2 4 der Vater] Okeanos.
Ganymed:
Vgl. Wilhelm Michel: Hölderlins Ode »Ganymed«, zuletzt abgedruckt in dem Sam-
melband Wilhelm Michel: Hölderlins Wiederkunft, Wien (.1943), S. 123-138.
Den Sohn des troischen Königs Tros und der Nymphe Kallirrhoe, Enkel des Flusses 30
Skamander und Urenkel des Okearws urui der Tethys (Hesiod, Theogonie v. 34S),
Ganymedes, den schönsten sterblichen Jüngling (Sg öfj xdAAuno; yhsrco &vi^rä>v
äv&Qd)no)V; llias 20,233), raffte ein Adler des Zeus vom Gipfel des Idagebirgs, damit
546
Der gefesselte Strom / Ganymed 67 — 68
er statt der Hebe Mundschcnk des Gottes würde. Der Quellenreichtum des Idagebirgs,
dem der Bergsohn entstammt, wird von den Dichtem oft erwähnt — vgl. Ilias 20,218:
nof.vnlöaxog 'iSi]?; Horaz, carm. 3, 20, I f f . : aquosa raptus ab Ida; Ovid, met.
2,218: creberrima fontibus.
5 8 ein gewanderter Mann] Vgl. Pindar, Pyth. S, 17 f.: Dich aber gewandert
i m I Recht (ai S'igxä/ievov ivlAlx(f); Oed. Tyr. v. 81S (798): Gewandert aber
k o m m ' ich {areixiov ö'lxvoCfcai).
11 Im Zorne] Diese fVendung, aus v. IS nach vorn geholt, verursacht die Änderung
in V. IS fZomtrunken) . Das Ergebnis ist eine Verdopplung, eine Verstärkung des
10 Zorn-Motivs.
1 5 . 1 6 zum / Schauenden Ufer] Hellingrath z. St. weist mit Recht darauf hin,
daß das aufmerkende Schauen gegenüber dem bloßen Widerhall des Schallens in der
1. Fassung eine Steigerung bedeutet.
19 Stromgeist] Die erste Fassung, deren Gegenstand der ausdrücklich genannte
15 Strom ist, nennt hier den Stromgeist nicht! — Der Stromgeist wird in der Anmer-
kung zu dem Pirular-Fragment Das Belebende erläutert.
2 0 Nabel der Erde] Der Mittelpunkt (dies Wort setzt Hölderlin in der Pindar-
Übersetzung Pph. 8, 8S für ursprüngl. Nabel ein; auch Pph. 4, 1)1 und Fyth.
11.17 steht für 6/x<paXdg Mittelpunct^, die Spur des Zusammenhangs mit dem
20 Mütterlichen. Delphi heißt seit Pindar yäg öfiipcddg: Nabel der Erde. — Vgl. den
hymnischen Entwurf (Vom Abgrund nemlich...} v.lS f.; Griechenland, }. Fassung,
V. 16 f . (S. 2S7).
2 4 Gespriich] Vgl. Andenken v. }} und die Erläuterung z. St.
647
ELEGIEN
über Stellung und Bedeutung der Elegien Hölderlins in der Geschichte der Gattung
siehe Friedrich Beißrier: Geschichte der deutschen Elegie, Grundriß der germani-
schen Philologie, begründet von Hermann Paul, Band 14, Berlin 1941 (über Hölder-
lin S. 172-190). 5
E L E G I E / M E N O N S KLAGEN UM D I O T I M A
Die erste Fassung (Elegie) ist wahrscheinlich schon im Herbst 1799 entstanden. —
Am 4. Mai 1801 bestätigt Vermehren den Empfang der zweiten Fassung (Menons
Klagen um Diotima): Von den Elegien kommen nur die 4 ersten in den Alma-
nack; die übrigen werden als Fortsetzung in dem nächsten Jahrgange folgen. 10
Das bedeutet jedoch nicht, daß diese Fassung erst kurz zuvor fertig geworden wäre,
wie Böhm H 777 anzunehmen scheint. Sie darf, da sie rwch nicht strophisch geglie-
dert ist, keinesfalls später angesetzt werden als die übrigen Elegien, also nicht später
als in den Sommer 1800.
Überlieferung 15
Elegie:
H' (v. 1-S, )7-40): Warthausen bei Biberach (Riß), Sammlwxg des Freiherrn
Koenigvonimdzu Carthausen: Einzelblatt 19,4 y. 2),S (23,7) cm, linke und
obere Kante beschnitten; grünliches, geripptes Papier; Wasserzeichen (Rest):
unterer Teil eines Wappens, darunter: R O T E N B U R G . Verworfener Beginn 20
einer Reinschrift, darunter Entwurf der Verse 37—40; Rückseite leer.
H^ (v. 97-116): Stuttgart 116: Doppelblatt 19,1 x 24,2 (23,8) cm, aus einem Ein-
zelblatt gewonnen, untere Kanten nicht beschnitten; grünliches, feingeripptes
Papier;Wasserzeich£n:Segelsch^JO'H.K^'!^'E.S, K R E Z I N G E R ; S . i - ^ Zecr.
H^ : Homburg D 1-8: Zwei ineinandergelegte Doppelblätter 19 x 22, f (22,7) cm, 25
alleKantenbeschnitten; gelbliches, feingeripptesPapier;Wasserzeichen:Gekrön-
548
Elegie / Menons Klogen um Diotima 71 — 79
tes JVappen mit aufgehängtem Posthorn, daran hängend ein vierförmiges Zei-
chen, das aus einem A aufsteigt; darunter: VAN DER L E Y : Reinschrift mit
späteren Änderungen zur zweiten Fassung (H^'>), unterschrieben: Hölderlin.
Erster Druck: Hölderlins gesammelte Dichtungen, hg. von Berthold Litzmann,
5 Stuttgart (1896), 1206-209.
Menons Klagen um Diotima:
H^'': Änderungen in H^.
J^ (V.1-S6): Musen-ALMANACHfär das Jahr 1802. Herausgegeben von
Bernhard Vermehren. Leipzig, in der Sommerschen Buchhandlung. S.S}—)8:
10 Menons Klagen u m Diotima, unterschrieben: Hölderlin.
Im Inhaltsverzeichnis S. 281 die Bemerkung: (die folgenden Elegien wer-
den i m nächsten Jahrgange erscheinen.)
(v. 69-82): Ebenfalls in Vermehrens Musen-Almanach 1802, S. 163-164
unter der Überschrift: Elegie, (ohne Hinweis darauf, daß diese Verse zu
15 Menons Klagen um Diotima gehören).
c„. S7-li0): Musen-ALMANACH für das Jahr 1803. Herausgegeben von
Bernhard Vermehren. Zweiter Jahrgang. Jena, in der AkademischenBuchhand-
lung. S.9}—100: Menons Klagen u m Diotima, unterschrieben: Hölderlin.
Daß es sich um eine Fortsetzung handelt, ist lediglich an der Numerierung
20 der Absätze (V. bis VIII.^ erkennbar; im Inhaltsverzeichnis ist nicht darauf
hingewiesen.
Eigentümlichkeiten der Schreibung (J^ und J^): ercjuickt, Locke, zurück; Wogen,,
l iegen; wol, Strahl; sitzen; dass. Grosses; Leyer, bey ; Du, Dein, Dir, D i c h .
Lesarten der ersten Fassung (Elegie)
25 1 - 9 6 : fehlt H^
4 hinab,] herab H^ 5 erbittend;] erbittend, H^ W i l d in die Wälder , ]
fehlt Hl 6-36: fehlt H^
14 ihn über der Zeile H^
3 7 :
30 (1) Denn ihr Götter! es k a m / m / , wie der frische Morgen, der Mittag H ^
(2) Denn, ihr Götter! und Ca; T
(b) die Tag u. Stimden u. Zeiten H^
(3) Denn, ihr Götter! es kam, wie der H ^
549
71—79 Elegie /Menons Klagen um Diotima
(4) Denn sie alle die Tag u. Stunden und Jahre/n/ der Sterne H ^
(5) Text H3
3 8 : (1) Tag u. Stunden auch
(2) Und der Menschen (a) auch sie
("ij zur Lust anders u. anders bekränzt H ^ 5
(5) Text H^
3 9 . 4 0 :
1 : 3 9 : (l) Und der Erde Kinder
(2) Mit den (a) Kindern der Erd sie all,
(h) Söhnen der Erd u. all [,j die (a) Genossen des 10
ewigen Aethers
(ß) Zeiten des
Aethers
4 0 : (1) Leben
(2) Lebten i m (a) alten (b) schönen Verein 15
II: 39: (1) LächeK^d) (2) Heiter
(3) Fröhlicher, emster sie alle, (a) des (a) Atheres
{ß) Äthers /des y Töchter ,
die Zeiten 20
(y) Äthers heilige Zeiten
(b) als ächte Kinder des Aethers
4 0 : Lebten einig in H ^
I I I : Text H^
4 1 - 1 1 6 : fehlt H^ 25
4 2 oder,] oder H^ 5 3 irr ' nach gestr. irre H^ 6 1 allerwärmende aus
allerwärw H^ Sonne] danach ein Komma getilgt H^ 7 4 dir,] dir H^
7 6 stillebegeistemd aus stillebegeisterd H^ 7 8 einst, Leben] einst L e -
ben H^ 8 6 Seit , ] Seit H^ 9 1 es fehlt W
9 7 : 30
Darum (1) dankt, ihr Himmlischen (a), euch!
("ä;! ihr guten ö ö t t e r !
(2) möcht ' , ihr Himmlischen! euch ich danken imd (a) endlich
(b) einmal
(c) endlich H^ 35
550
Elegie / Menons Klogen um Diotima 71 — 79
9 8 Tönet über Athmet H^ Sängers] Sängeres (Schreibfehler) H" Gebet . ]
Gebet H ^
9 9 : Und wie, wenn ich mit (1) mit
(2) ihr (a ) mit ihr, ihr auch
5 (b) aiif Bergeshöhen mit ihr stand
1 0 0 W e h e t ] (1) So (2) W e h e t H ^ auch mich , ] auch mich H ^ an.]
an, H^ 1 0 1 will ich denn auch ! ] wi]l ich denn auch iüer. 'mit euch auch
ich, H" Pfade der Erde] Pfade Erde H^ 102 schöner als mißfallend
unterstr. H^ schließt über der Zeile H^ sich aui die H^ 103 T r a u m ! ]
10 Traum, H^ 1 0 4 genesen,] genesen H"
1 0 5 . 1 0 6 : (1) Und (,a) es scheiden es üiehn
(b) sie scheiden sie fliehn
( c ) es scheiden es fliehn die Todesgötter, sie haben
(a) Ad
15 Andres genug, doch wir suchen zu Göttern zu
(verschrieben statt d ie j Bahn
(2) Und (a) entflohen
(b) wie (a) Nebel
{ß) Wolken entflohn die Todesgeister, sie haben
20 Andres noch
(3) Und die (a) Todest (h) Todesgeister
( f ) Kom<m>! H '^
1 0 7 Und] Drum über gestr. Und H^ ihr ernsten, unter gestr.: (1) und (2)
ims beide, H^ 108 Jugendlichen! iiber Holden! H^ o bleibt, heilige
25 . Ahnungen, ihr, aus: o ihr heiligen Ahndungen! ihr, 1 0 9 Bitten,] Bit-
ten H^ Begeisterungen,] Begeisterungen H^ 1 1 0 Schönen Genien]
(1) Liebesgenien (2) Schönen Ü6cr Liebes H ^ bei iiierg-cstr. mit H ^ sind,]
sind H^ I I I bleibet aui bei H « Inseln,] Inseln m 112 vieleicht, ]
vieleicht H^ Liebe, ] Liebe H^ uns,] uns H» 113 . 1 1 4 : unterstr. H^
30 1 1 3 Vaters,] Vaters H^ 1 1 4 Musen,] Musen W al l ' ] all H^
1 1 5 begegnen,] begegnen H ^
Lesarten der zweiten Fassung (Menons Klagen um Diotima) (H^^, J)
Die zur zweiten Fassung hinführenden späteren Änderungen in der Reinschrift der
ersten Fassung (H^) sind hier vollständig angeführt und durch die Sigle H^^ ge-
551
71 ~ 7 9 Elegie /Menons Klagen um Diotiraa
kennzeichnet, Lemmata der ersten Fassung, wo es die Deutlichkeit erfordert, durch
die SigleH^'^. Abweichungen von der ersten Fassung, die in der Handschrift noch
nicht erscheinen, bleiben unberücksichtigt.
Überschrift: Die erste Formung der Überschrift findet sich im Entwurf zu der Ele-
gie Brod und Wein (Stuttgart 114 — s. die Beschreibung S.S91f.) am oberen Rand 5
der dritten Seite: Menons Klagen u m Diot ima mit dem Zusatz: Seitenstük zum
Wandere ( r ) zusammen mit andern, vor dem Entwurf zu Brod und Wein festge-
haltenen Überschriften,
Klagen] Klage Z / ^ »
Die Nummern der einzelnen Abschnitte sind in Vermehrens Musen-Almanach (J) 10
römische Ziffern mit einem Punkt dahinter. Die Handschrift numeriert die Ab-
schnitte nicht (auch nicht H^^).
11 I h m bereitet umsonst ü / ^ " ] darüber: Und wie [ i h m ] (1) vergebens
(2) umsonst ihr stärkendes /i^^«] dariiier; bereitet f röh<; ) i ches H ^ ^
12 Und sein schäumendes iiT^"] darüber: Reicht und das gährende H^'' 15
(vorher schäumendes unterstr. H^^) Lüftchen umsonst iJ''®] zuerst die
2. Silbe des Wortes Lüftchen unterstr.; dann geändert: Lüfte nicht mehr H^^
13 : (1) A c h ! wohl nüzet es nicht
(2) S o / c h / (a) geschiehet mir fast, so [n immt] will es scheinen, und
(a) gerne 20
(ß) keines ihr Lieben!
(y) n im
((5) niemand
(b) ihr Lieben auch mir H^''
1 4 : (1) Nimmt (2) Kann von der Stime mir ("a^ den CJJ nehmen den trau- 25
rigen Traum? H^'' 15 (13) Wehe! so ists auch H^"] darüber: Unnüz,
unnüz ist darunter: (1) Ehe (Schreibfehler, verursacht durch das darüberstehende
Wehe ; (2) Eitel, ihr Nichtigen amunteren Rand (unter v. 14 der I.Fas-
sung): Ja! es frommetauch (1), (2) nicht, H^'' Vergehens,H^'*] darüber:
wenn einmal H^'' 1 7 (15) einmal H^'^] gestr.; darüber: Bösen H^^ eure 30
Nacht / / - " » ] dörüier; die nichtige Trug i ; /^ ' ' 19 (17) geduldig W"] geändert
m; gedultig i i / ^ ' g e d u l d i g i n euren Banden j^/^»] im furchtsamen Banne
H^>> 2 0 (18) furchtbare nüchterne H^^
2 1 . 2 2 : vollständig über V. 19.20 der I.Fassung H^^ C21 schlummere klanglos
auj; schlafe gesanglos H^^ klanglos!] klanglos H^^ 2 2 auf,] auf. H^^) 35
552
Elegie / Menons Klogen um Diotima 71 — 79
25 — 2 8 (v. 2S zwischen v. 22 und 2) der I.Fassung, v. 27—28 am unteren Rande
der Seite, unter v. 29 der I.Fassung) :
Fest( l ) tag
(2)zeit hob ' ich nicht , doch möcht ich die Loke bekrämen
5 Bin ich allein denn nicht? aber ein Freundliches muß
(1) A
(2) Femher nahe mir seyn und (a) ein Staunen
(b)i
(c) staunen muß (ich) und lächeln
10 W i e so seelig doch (1) auch (2) izt mitten im'Laide mir
2 5 m ö c h t ' ] mögt ' J^ 2 9 (23) Tag f f ^ » ] gestr.; darüber: L i cht
auch den H^"] darüber: denn auch H^t> 3 3 (27) allschauende H^"] dar-
über: hoch[blik]schauende 35 (29) Frühlings H^"] gestr.; darunter:
Maitags H^'' 3 8 (34) vorüber darüber Ansatz zu einer nicht ausge-
15 führten Änderung: so 4 0 (36) geschenkt aus gewährt i / ' ' "
4 1 (37) Stunden und Z / ^ » ] als mißfallend unterstr. tP'> am Schluß des
Verses: sie waren H^'' 4 4 oder, ] oder H^ J^ 4 8 (46) sorgenbereitend
i / " ' « ] klagen über gestr. sorgen 53 (51) A c h ! wo bist du, Liebende,
/i^Jo] darüber: Aber öd ist (1) mein (2) das Haus mir undsie H^^ aus
20 Sic 57 (55) Dankenll^''] gestr.; darüber: Feiern H^'' m ö c h t ' ] mögt '
J^ am unteren Rande der Seite, unter v. 63 der ersten Fassung: (1) ich möchte
singen (2) u. (a) danken (b) singen mit andern H^^
5 8 — 6 0 (am unteren Rand):
5 8 : Aber (1) es fehlet
25 (2) so einsam fehlt (a) fehlet ein Göttliches
(b) jegliches Gött l i che /s / mir
5 9 : Drum (1) n immt Besseres auch der Schmerz vom Mund und
ein Fluch lähmt
(2) h e m m t Besseres auch der Schmerz ihr liebt den,
30 und Fluch lähmt
6 0 (am unteren Rande der nächsten Seite):
M i r die Sehnen imd wirft , wo ich beginne d
Eine neue Fassung der Verse S9 f . wird über dieser Fassung des v. 60 versucht:
59 : (1) Wunderlich schallt es lachen
553
71 -79 Elegie /Menons Klagen um Diotirna
(2) Wi ld , ( a ) o H immel ,
(b) ihr Götter ! erschallts es lachen die andern und mir n immt
6 0 : Von der Lippe der Schmerz das f römmere W o r t , und der Fluch (lähmt)
(versehentlich im hexametrischen Maß!)
Ein weiterer Versuch oben zwischen v. 72 und 7) der ersten Fassung: 5
Götterlos, diß ists, darum lähmet ein H ^ ' '
5 9 D iß ist's, d iß] Dies ist's, dies 6 1 Kinder,] Kinder;
6 3 . 6 4 (am unteren Rand, unter v. 6} der ersten Fassung) :
6 3 : Und (1) das Duften
(2) die B(lume) 10
(5) die Pf(Z)anze des Felds und der Vögel Singel (: verschrieben
statt Singen^ m i c h (a) mahnet,
(b) ernst macht ,
(c) trübet,
6 4 : (1) W e i l sie 15
(2) W e i l (a) ich ärmer wie sie
(b) mit Freuden auch sie Boten der Himmlischen
{sind,) H^b
6 4 sind,]sind. 6 5 (61)Und (1) Undi ch (2) Aber
allerwärmende / f ^ " ] darüber: beseelende i / ^ ® 6 6 dämmert , ] 20
dämmert J ^ Nacht , ] Nacht. J ^
6 7 . 6 8 (am unteren Rand) :
6 7 : (1) ach! immer seh ich den kahlen (früher als v. 64!)
(2) Und der H immel , wie Erz,
(3) Grundlos (a) bald u. bald 25
(b) aber u. leer, wie (a) des Kerkers Wände der
(ß) Gefängnißwände der (Himmel)
6 8 : Eine beugende Last über dem Haupte mir hängt H ^ ^
6 7 Gefängnißwände,] Gefängnißwände J^ 7 0 führet] Führet J^
7 1 (65) Tausenden H^"] darüber: Traurigen H^>> 7 2 (66) ahnend 30
aus ahndend
7 3 — 8 2 : Diese Verse entsprechen v. 67—72 der ersten Fassung. In der Handschrift
wird zunächst eine weniger durchgreifende Änderung erwogen (Verszählung der
ersten Fassung!):
554
Elegie / Menons Klagen um Diotima 71 — 79
67 trunkenen H^'^] darüber: hellesten H^^ den rächenden H^'^] schnel-
len H^l) 68 Ohne darüber: d H^>> Klage H^^ am Klag'
und Gesang H^"] gestr.; darüber: hinah 69 Dort mo] gestr.; dar-
über: Nun H^^ dort büßen g'estr.; darü&er; nun wohnen H^^ Dun-
5 kein i / ^ » ] darüber: Schatten 70 täuschendem /f^® aus trügri-
schem H ^ "
73 Gäste,] Gäste 7 4 nun , ] nun J ' J ^ Lüfte] Lüste J^
7 6 Gewalt] Gewalt, Versunkenen,] Versunkenen J^ 11.IZ: fehlt
7 8 O t h e m ] O d e m 8 1 W e n n ] Dass 8 2 G o l d . - ] Gold.
10 8 2 : unter diesem Absatz, sonst unter keinem andern, ein waagerechter Strich J^
8 3 (75) noch schon W> 8 8 (78) Leben und Frieden i J ^ « ]
darüber: höhere Dinge tP^ 9 1 (81) so lange, so H^^ aus: zu lange,
zu H^o Erde N^o] gestr.; darüber: Wüste Erde 9 2 (82) Bin
ich , H^"] darüber: Hab ich, H^^ einsam gegangen indeß darüber:
15 dich in der Irre gesucht 9 3 (83) O mein iJ^®] darüber: Freudiger
J-[3b denn wie der Nord die Wolke des Herbsttags H^"] darüber: aber u m -
sonst (1) zerrann (2), und Jahre zerrannen H^b 9 4 ( 8 4 ) : (1) feindliche
H^'^]unterstr. H^^ (2) über dem ganzen Fers: Seit wir (a) gl{änzen) "(b) ah-
nend u m uns glänzen die Abende sahn. H^'' 9 5 (87) erhält aus er-
20 hielt 9 6 (88) erhält aus erhielt H^"
97 . 9 8 (am unteren Rande der Seite, unter v. 97 der ersten Fassung):
(1) Auch
(2) Und nicht einmal (a ) warst
(b) bist du allein, Gespielen [sind] genug sind
25 W o du (a) ruhest, Rosen
(ß) blühest u. ruhst unter den Rosen des Jahrs. U^''
99 . 1 0 0 :
9 9 (über dem entsprechenden Vers (89) der ersten Fassung):
Und der Vater (1) er selbst
30 (2) so oft l:(a) durch [seine] friedenathmende (Musen)
(b) dur^c/i) süßeinath(merule}
(c) wenn seiner Musen Gewand rauscht
100 (über V. 90 der ersten Fassung):
(1) Sandt
35 (2) Schikt
555
71 -79 Elegie /Menons Klagen um Diotirna
(3) Sendet (a) (aus) zärtlichen {Höhn)
(b) tönend dir se<inc)
(c) die athmenden
(4) Schikt aus Zweige ( n ) Er ists
I I : (am unteren Rand, über v. 97 der ersten Fassung) 5
durch (1) süß
(2) sanftumathmende Musen
1 0 0 : Sendet die heimischen Wiegengesänge dir (zu) . H ^ ' '
9 9 sanftumathmende] sanftmuthathmende J ^
101 (91) Noch, H^''] darüber: 102 (92) S t i l l h e r w a n d e l n d 1 0
aus Stillhinwandelnd U^"
1 0 3 —108 : In den entsprechenden Versen (93—96) der ersten Fassung findet sich
keine Änderung. Diese Ferse werden ganz am Schluß der Handschrift entworfen, am
unteren Rande der 7. und auf der leer gebliebenen 8. Seite:
I : Und es bleibet, 15
so (1) oft du
(2) klar du dessen
I I : 1: Freundlicher Geist! [und] 0 du, der furchtlos und seelig
2:
h W i e so klar du ihr von heitersinnender Stime 20
4 : Blikest, zeugest und sagst du es mir ,
Daß unsterblicher (1) ist
(2) doch, denn Sorg' und (a) Irre,
(b) Zürnen, die Freude
6: Und (1) das über 25
(2) diß Gütige (a) stärker
(b) nur stärker denn anderes ist.
I I I : 1 0 3 : Und wie Freundlicher Geist! von heitersinnender Stiroe
1 0 4 : Seegnend [sich] und sicher (1) u (2) dein Stral unter die
Sterblichen i{üllt;) 30
105 : So bezeugest du mirs, (1) wa (2) und sagst mirs, daß ich es wieder
1 0 6 : Andern sage, denn auch andere sehen es nicht,
107 : Daß unsterblicher doch, denn Sorg' und Zürnen, die Freude
108 : (1) N i m m e r
(2) G e 35
556
Elegie / Menons Klagen um Diotima 71 — 79
(3) Morgen
(4) Aber den Kne(chten (?))
(5) Und der
(6) Übrig (a ) der goldene Tag immer
5 (b) ein goldene(r) Tagtäg l i ch (a) a
{ß)iu
(y) am Ende noch ist. H3b
1 0 9 (97) : Zuerst wird zu einer Änderung des Wortes Darum (H^"^) in Dr(um)
10 angesetzt; dann: So will über Darum möcht ' (H.^"') weiter: denn
auch euch vier gestr. euch (H^"); beabsichtigt ist also diese Fas-
sung: So will , ihr Himmlischen! denn auch euch ich danken und
endlich H^O
Auf der 8. Seite der Handschrift, unter dem Entwurf der Verse 10)—108,
15 steht noch der Ansatz: So will ich ihr H^b
I I I (99) Bergeshöhen H^"] darüber: sonniger Höhe 112 (100)
W e h e t H ^ ® ] gestr.; darüber: Spricht auch mich , göttlicher O t h e m
Ü/^" ] auch m i c h gestr.; darüber: ein (1) Geist (2) Gott (a) fer (b) ferne vom
Tempel
20 113.114 (101. 102) : 1: 101: Leben will ich denn auch! schon grünen die Pfade der Erde
102: Schöner und schöner schließt wieder die Sonne sich auf. H^"
I I : darüber: 1 1 3 : (1) grünt es wieder am Pfade
Rauschet wie Leierklang, tönet der Erde voran
25 (2) es rauschet künftig am Pfade
Wieder mit Leierklang rauschen es Berge voran
(3) auch {.') schon grünts, wie von heiliger Leier
1 1 4 : (1) Rauschen von töne (?)(nden (?))
(2) Winkt von den
30 (3) Ruft ^ei) von silbernen Bergen Apollons voran. H^ ' '
117 (105) über dem ganzen Vers:
(1) wer so geliebet / M u ß
(2) 0 zu singen genug ist
(3) Großes zu finden ist viel ist da noch übrig und wer so H ^ ' '
557
71 -79 Elegie /Menons Klagen um Diotirna
1 1 8 (106) : Liebte (1) suchet, er muß , suchet
(2) gehet, er muß, gehet
122 (110) Schönen H^"] gestr.; darüber: Guten H^<> 123 ( I I I ) Bleibt
aus Bleibet i / ^ « bleibet H^"] gestr.; darüber: {l)im k\ter (2) so lan-
ge H^^ wir H^'^] ge$tr.; darüber: AaQ H^^ seeligen Inseln, H^'']dar- 5
über: geflügelter Bahn wir H^'' 1 2 3 gemeinsamem] gemeinsamen J^
1 2 4 (112) über dem ganzen Vers : Dort wo die Genien all niederzukehren be -
reit H^^ 125 (113) in Lüften darüber: (1) die Sterne (2) die G e -
stirne, die Boten H^» 1 2 6 (114) all' die Unsterblichen H^"] darüber:
Helden und Liebende 10
1 2 7 (115) : (1) o Diot ima
(2) über staunend (H^'^) beginnend:
oder auch hier auf (a) grüner begegnen
f i^ thauender ( J n « / ) begegnen H ^ ' '
1 2 8 . 1 2 9 : W o die Unsrigen erst (1) 15
Die Zerstreuten vereint, u. Augen und W o r t e
(2) fr iedl ich
(3) ruhig
(4) blühend in Gärten gesellt,
W o die Gesänge wahr und länger (diV) Frühlinge (a) schön 20
(b) klar sind,
H3b
1 3 0 (116) Liebe W ] darüber: Seele
Erläuterungen
Elegie: 25
Diese Elegie ist noch nicht in Strophen, sondern in ungleiche Abschnitte gegliedert.
Vgl. die Erläuterung zu v. }6.
In dieser ersten Fassung kommt Diotimens Name noch nicht vor.
Die Überschrift muß nicht unbedingt bedeuten, daß bei der Abfassung dieser Elegie
an weitere Stücke der Gattung noch nicht gedacht war (Lehmann S.164): Der Wan- 30
derer lag doch schon in erster Fassung vor, desgleichen Achill und Meiner verehrungs-
würdigen Grosmutter wie auch jene bis auf 16 Verse verschollene Elegie (1, 274:
(Götter wandelten einst...)). Die ausnehmende Benennung nur mit dem Gattungs-
namen muß also einen inneren Grund haben.
558
Elegie / Menons Klagen um Diotima 71 — 79
Die m Klammem gesetzten Versrvummem beziehen sich auf Menons Klagen um
Diotima.
1 (1) Vgl. {Wohl geh' ich täglich...) V. 1-4 (1, }14).
5 (5) das getroffene Wild] Vgl.Hyperion 1, 30 f.: Wie ein blutender Hirsch
5 in den Strom, stürzt' ich oft mitten hinein in den Wirbel der Freude, die
brennende Brust zu kühlen und die tobenden herrlichen Träume von Ruhm
und Größe wegzubaden, aber was half das? Antike Forbilder des Gleichnisses:
Homer, Ilias 11, 473-479; Virgil, Aeneis 4, 68-73. Siehe Kempter Anm.lSl
(S.147f.).
10 1 0 umsonst] In den beiden nächsten Versen betonend wiederholt.
1 8 (20) das furchtbare L i e d ] Vgl. (Hört' ich die Warnenden izt...) v. 4 f .
(1,27S).
2 2 (24) i m eisernen Schlaf] Vgl.Kanton Schweiz v.77 und die Erläuterung
2. St. (1, 4/0). - Hölty, Der rechte Gebrauch des Lebens v. 4 (1,196 Michael),
15 spricht von dem eisernen Todesschlafe (v.24 derselben Ode: W o ich den eisernen
Schlummer schlafe).
3 4 (38) Zeit] Vgl. Der Zeitgeist (1, 300); An Eduard v. 36; Der Archipelagos
V. 293-29S.
3 6 gewährt.] Der größere Zeilenabstand unter diesem Vers ist wohl nicht beabsich-
20 tigt, sondern zufällig dadurch entstanden, daß zu v. 37 Zweimal angesetzt wird. Der
erste Ansatz (H^ — vgl. die Lesarten) steht jedenfalls im gewöhnlichen Abstand unter
V. 36. Wäre an dieser Stelle (mit den früheren Herausgebern) ein neuer Abschnitt an-
zunehmen, so gliederte sich das ganze Gedicht in 7 Abschnitte zu 12, 10, 14, 14, 22,
24, 20 Zeilen; dagegen ist die Gliederung in 6Abschnitte (zu 12, 10, 2S, 22, 24,
25 20 Zeilen), also in eine Dreizahl, wahrscheinlicher, weil alle spätem Elegien 6 oder 9
Abschnitte (von der 2. Fassung des Wanderers an: Strophen) zählen. — Lehmanns
Vorschlag (S.16S) einer Gliederung in 11 Abschnitte zu 12, 8,12, 8,12; 12; 12, 8,
12, 8, 12 Zeilen muß angesichts des klaren handschriftlichen Befundes als willkür-
liche Konstruktion zurückgewiesen werden.
50 4 5 (47) der Nord] Vgl.Vulkan V. 9 urui die Erläuterung z.St.; femer die Erläute-
rung zu V. IS der Hymne an die Freiheit (Wonne sang' ich...) 1, 461.
5 1 (53) Auge] Die Liebende, die Geliebte ist das Organ, das Medium, durch das
dem Liebenden die ganze Umwelt einst erschien. Vielleicht ist der Ausdruck Auge auch
einfach als jiAugapfel« (Geliebtestes, höchster Wert) aufzufassen; vgl. Thrätien v. /;
35 Augen der Wunderwelt!
559
71 -79 Elegie /Menons Klagen um Diotirna
6 0 die Tropfe] Vgl. Hymne an den Genius der Jugend v.S3 und die Erläuterung
z.St. (1, 469); dazu in den Vorarbeiten zum Hyperion (Stuttgart HI IIb): Icli
schauderte; eine Thräne fühlt' ich wohl auch im Auge; aber sie vertroknete
schnell, wie eine Tropfe auf glühendem Eisen.
6 7 Parzen] Vgl. Griechenland (1,179 f.) v. 55 und die Erläuterung z. St. 5
6 9 im alkunüchtemenReich] Bas ^Fbrt alkunüchtem begegnet auch indemBrief
an die Schwester vom ll.DezemherlSOO: Ich kann den Gedanken nicht ertragen,
daß auch ich, wie mancher andere, in der kritischen Lebenszeit, wo um unser
Inneres her, mehr noch als in derJugend,eine betäubende Unruhe sich häuft, daß
ich, um auszukommen, so kalt und allzunüchtem und verschlossen werden soll. 10
73 (83) am Scheidewege] Vgl. Abschied (1,276) v. 15-17.
7 5 (85) Großes zu sehn] Vgl. Theodor Fontane, Der Stechlin (Gesammelte IVer-
ke, I.Reihe 5.Band, Berlin 1920) S.S18: Es gehört etwas dazu. Großes als groß
zu begreifen.
7 6 (86) gelehTt]Vgl.{Gehunter, schöne Sonne...) V.7 und dieErläuterung z.St. 15
(1,635).
7 7 (87) Götterkind] Das Wort kommt auch in dem Entwurf zu einer andern
Schlußstrophe der Ode Ihre Genesung (v. 12 d; S. 430) vor.
8 3 (93) Schuzgeist] So heißt die Geliebte auch in der Ode Abschied v. 10 (1,276).
8 7 (95) Vle\ä.iri\Vgl.Diotima(DuschweigstundduUest...l,242)v.8unddie 20
Erläuterung z. St.
9 0 (100) Wiegengesänge] Vgl. Die Heimath v. 19; An Eduard v. 33.
9 2 (102) Athenerin] Vgl. An Ihren Genius (1, 243) v. 4.
9 7 danken] Die elegische Erinnerung vermag den Einsamen, der v. 55 nicht wußte,
wofür er danken sollte, nun doch, aus leichter Brust (v. 98) das Dankgebet zu singen. 25
1 0 1 schon grünen die Pfade der Erde] DerArchipelagus v.203 f.: über den
tausend Pfaden der grünenden Erd'.
103 (115) dieblutendenFittige]Kg:Z.ßasSc;iiAjaa;u.SJ'.Hier blutetoftderAdler
Schwinge; Hyperion 1,114: wie ein Adler, dem der blutende Fittig geheilt ist.
1 0 5 . 1 0 6 ( 1 1 7 . 1 1 8 ) Vgl. (Götter wandelten einst...}v.l 3 f . (Lesarten): ..hin- 30
ab in den Orkus / Sank die Menge, doch sie fanden zu Göttern die Bahn
1 1 0 (122) Genien] In der Ode Vulkan v. 25-28 wird unter den freundlichen
Genien die Liebe gegen die übrigen ungelehrgen Geniuskräfte ausgezeichnet.
1 1 1 auf seeligen Inseln] Vgl. den ersten Entwurf der Ode Der Mensch v.5: Die
ersten seeligen Inseln (1,585); Hyperion 1,103: Wie die Wooge des Oceans das 35
560
Elegie / Menons Klagen um Diotima 71 — 79
Gestade seeliger Inseln, so umfluthete mein ruheloses Herz den Frieden des
himmlischen Mädchens; DerArchipelagus v.SO. — In der Elegie sind gemeint die
Inseln der Seligen, al fiOxdQMV vijaoi, der Wohnsitz (nachllesiod, ergav.156—17
der von Zeus erhobenen Helden und Halbgötter; vgl. auch Der Einzige, 2.Fassung,
5 V.91 f.: Auch einige sind, gerettet, als Auf schönen Inseln; Kolomh v.l20. —
Siehe Fritz Hommel: Die Insel der Seligen in Mythus und Sage derVorzcit, München
1901; Alfred Bertholet: Die Gefilde der Seligen (Sammlung gemeinverständlicher
Vorträge und Schriften aus dem Gebiet der Theologie und Religionsgeschichte 33),
Tübingen und Leipzig 1903; Winfried Folk: Die Entdeckung Tahitis und das
10 Wunschbild der seligen Insel in der deutschen Literatur, Diss.Heidelberg 1934; fer-
ner ViUor in seiner unten (Z.16) genannten Arbeit über Menons Klagen, S. 1S7 f .
1 1 5 Vgl. Der Abschied V.2S-36.
1 1 6 Jahr unserer L iebe ] Vgl. die Erläuterung zuv.130 det Elegie Merwns Klagen
um Diotima.
15 Menons Klagen um Diotima:
Zur Deutung der ganzen Elegie vgl. Karl Vietor: Hölderlins Liebeselegie, Internatio-
nale Forschungen zur deutschen Literaturgeschichte, Festschrift für Julius Petersen,
Leipzig 193S, S.127—1SS; ferner die nach Franz Sarans Methode vorgehende metri-
sche Betrachtung von Karl Pörschke: Die Fersgestalt in Hölderlins Elegienzyklus
20 »Menons Klagen um Diotima« mit einer Untersuchung über Aufgabe xmd Methode
wissenschaftlicher Versbetrachtung, Diss.Kiel 1936. (Es sei bei dieser Gelegenheit
angemerkt, daß die Bezeichnung »Elegienzyklus «, die auch von aruiern auf einzelne
Elegien Hölderlins angewandt wird, irreführend ist; denn es handelt sich nicht um
iusammerwrdnung mehrerer selbständiger Gedichte zu einem Zyklus wie etwa in
25 Goethes Römischen Elegien, sondern um Abschnitte oder Strophen durchgehender
Sinnzusammenhänge. Menons Klagen um Diotima stellen mithin eine einzige Elegie
dar, und es ist falsch, jeden ihrer einzelnen Absätze eine Elegie für sich zu nennen.)
Menons Klagen um Diotima sind gegenüber der Elegie um 14 Verse gewachsen. Die
130 Verse gliedern sich in 9 (nur im Druck) numerierte Abschnitte zu 14,14,14; 14,
30 12, 14; 12, 14, 22 Zeilen. Der deutlich bevorzugte Umfang von 14 Zeilen leitet sich
vielleicht von der Elegie Achill (1, 271) her, deren beide Abschnitte auch je 14 Verse
zählen.
In dieser Fassung wagt es der Dichter, den Namen Diot ima zu nennen. Er kommt
561
71 — 79 Elegie /Menons Klagen um Diotiraa
indes nur in der Überschrift und an einer einzigen Stelle des Gedichts vor., allerdings
an einer hervorragenden Stelle zum Schluß der ersten Trias (v.42) und in begeistertem
Anruf. Sich selbst verbirgt er hinter dem nur in die Überschrift gesetzten Namen fvle-
non, der soviel wie der Wartende, Ausharrende (fiEVWv) bedeutet und in griechischer
Überlieferung mehrfach zu belegen ist: der Tyrann von Pharsalos, Bundesgenosse der 5
Athener im Peloponnesischen Krieg, hieß so, auch ein ebenfalls aus Pharsalos stam-
mender Feldherr unter dem jüngeren Kyros; siehe auch Piatons Dialog Menon.
Die Erläuterungen der ersten Fassung (Elegie) gelten auch für Menons Klagen um
Diotima zuden Versen 1, S,20, 24, S8, 47, S3, 8), SS, 86, 87, 9), 9S, 100, 102,
IIS, 117 f., 122. 10
14 Vgl. Stutgard v.lOS f.: o kommt! o macht es wahr! denn allein ja Bin ich
und niemand nimmt mir von der Stime den Traum? — Zitiert von Clemens
Brentano, Blätter aus dem Tagebuch der Ahnfrau (Gesammelte Schriften, hg. von
Christian Brentano, Bd.4, Frankfurt a. M.18S2) S.80: Entschlummernd aber
hörte icli eine klagende Stimme: »Ach, wer nimmt mir von der Stime den 15
Traum?«; S.96: O, lasse mich ruhen und nimm mir von der Stirae den
Traum; S.107: Jetzt ist mir wie ein Schleier, wie ein Traum von meiner Stime
genommen. Siehe Walther Rehm: Brentano und Hölderlin, Hölderlin-Jahrbuch
1947, S. 127-178, besonders S. 142.
4 2 Diotima!] Siehe oben, Seite S61, Zeile bis Seite S62, Zeile 3. 20
6 4 Boten] 5o wie hier — neben der Pflanze des Felds—</ie Vögel Boten des Himm-
lischen sind, erscheinen im Blinden Sänger v.8 die Lüfte als Boten des Lichtes, die
aber in Chiron auch zu Vögeln werden. Vgl. auch Die Titanen v.43; dort heißt es
dann: Manche helfen / Dem Himmel; femer Das Nächste Beste v. 40 f .
71 Götterlosen] Proleptisch; bevor die Griechen durch Hybris götterlos wurden, 25
saßen sie mit menschlich gestalteten Göttern an seeligem Tisch', wie es etwa Alki-
noos von seinen Phäaken rühmt (Odyssee 7, 201—203), daß die Götter als Gäste bei
ihnen einkehren. Tantalus, dessen Geschichte Hygin (fab.82) erzählt, war auch bei
den Göttern zu Gast (vgl.Hyperionl, III f.); von seinem Sturz, als Tantalus vom
goldnen Stuhle fiel, singt Iphigeniens Lied der Parzen (Goethe, Iphigenie auf 30
Tauris v.17 34-1740), das sichtlich auf diese Stelle in Menons Klagen um Diotima
eingewirkt hat: Auf Klippen und Wolken Sind Stühle bereitet Um goldene Ti-
sche. Erhebet ein Zwist sich: So stürzen die Gäste Geschmäht und geschän-
det In nächtliche Tiefen. - Die rächenden Parzen erwähnt übrigens auch die
erste Fassung (Elegie) an der entsprechenden Stelle (v. 67). — Die Hoffnung einer 35
562
Elegie / Menons Klagen um Diotima 71 — 79
Wiederkehr, die in den anschließenden Versm (der zweiten Fassung, V.7S—S2) dann
ausgesprochen wird, entfernt sich von dem Goethischen Vorbild, wo die gestürzten
Gäste, im Finstern gebunden, vergebens gerechten Gerichtes harren (v.1741—1743).
Diese Hoffnung steht in Beziehung zu der am Schluß des Gedichtes v.l2}—l 30 aus-
5 gesprochenen.
8 0 Ebenso wie v. &2Bestandteil desTemporalsatzes v. 79—82, abhängig von der Kon-
junktionWeanv.79{und81 ).DerSatzmeintinseinerzweitenEälfte(v.Slf.)dieUn-
verlierbarkeit desVergangenen, das im neuen PVerden aufgeht, in demselben Sinnwie Der
Archipelagus v. 27S-277: Dann erhalte das Fest auch euch, vergangene Tage! Hin
10 nach Hellas schaue das Volk, tind weinend und dankend Sänftige sich in Erin-
nerungen der stolze Triumphtag. Vgl. auchBrod undM'einv. IIS—IIS.
105 So bezeugest du mir's] Gegenüber der ersten Fassung (Elegie) wird hier die
durch Diotima bewirkte Erhöhung und Heiligung des Dichterberufs in Hölderlins
Bewußtsein besonders deutlich:,, daß ich es andern / Wiedersage...
15 107 Freude] Vgl. {An Landauer) v.21: aus Freude sagen wir von Sorgen; Die
Entschlafenen v.S f.: des göttlichen Geistes Freude; An die Deutschen v.40: gei-
stige Freude; Dichtermuth v.S f.: Was geschiehet, es sei alles geseegnet dir, Sei
zur Freude gewandt!; Der Gang aufs Land v.26 f.: Daß ... offen, dem Geiste
gemäß Mahl und Tanz und Gesang und Stutgards Freude gekrönt sei; Brod und
20 IVein v.134 f.: Denn zur Freude, mit Geist, wurde das Größre zu groß Unter
den Menschen. — Siehe Karl ViUor: Hölderlins Liebeselegie (Festschrift für Julius
Petersen, Leipzig 1938) S.1S6. — Die geistigere Freude singen auch JUopstocks
Oden Wink (1778), Verschiedne Zwecke (1778), Sie (1797). Auch Schillers Lied
An die Freude gehört in diesen Zusammenhang. — Franz Schultz wird in seinem
25 Aufsatz über Die Göttin Freude, Zur Geistes- und Stilgeschichte des 18. Jahrhunderts^
(Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts 1926, S.3—38) Hölderlin nicht gerecht..
1 1 4 von silbernen Bergen Apollons] Gemeint sind des Pamassos / Beschneite
Gipfel C Germanien v. 43 f.), die beiden Gipfel des IlaQvaads öihxpog, desParnasus
biceps; deshalb der Plural. Den Gipfelschnee nennt Hölderlin des öfteren silbern —
30 vgl. Heimkunft v.l9 und die Erläuterung z.St. — In der griechischen Überlieferung
ist oft von dem Schnee auf dem Parnaß die Rede: Homerisch. Hymnus auf Apollo
v.282: ^nd nagvrjcröv vupömna; Sophokles, Oed.Tyr.v.473-47S, in Hölderlins
Übersetzung v.480—482: Geglänzt hat nemlich vom / Schneeweißen, eben
erschienen / Ist von Pamassos die Sage...; Euripides, Phoen. v.206 f.: ihd
35 äeisdac vtqioßöXoig UaQvaao^. — Vgl. auch Brod und Wein v. SO.
563
TS — Zi Menons Klagen um Diotima. Der Wanderer
1 2 7 auf thauender Insel] Die Beziehung auf die Inseln der Seligen (vgl.Elegie
v.lll) wird, vielleicht nicht unabsichtlich, in ihrer Deutlichkeit abgeschwächt: durch
den Singular, das veränderte Beiwort und die ausdrückliche Hinzufügung des hier.
1 3 0 Jahr unserer Seele] Den Wechsel zwischen erfüllten und götterfemen Zeiten
sieht Hölderlin nicht nur, wie zum Beispiel in Brod und Wein (auch in diesem Gedicht 5
V.81: die Nacht^, unter dem Bilde des Tags und der Nacht, sondern auch der Jah-
reszeiten (vgl. auch Emilie vor ihrem Brauttag v. 394—397). Es sind mehr als poeti-
sche Bilder im landläufigen Sinn: es sind Bestätigungen und Rechtfertigungen seines
Glaubens. Farn Wechsel der Jahreszeiten erfährt die Ode Ermunterung ihre Zuversicht.
Der Entwurf Rousseau nennt der Völker Jahre (v.4). Der Archipelagus spricht im 10
Hinblick auf die köstliche Frühlingszeit im Griechenlande von »unserm« Herbst
als von des Jahrs Vollendung (v.274). — Trotz derAbschwdchungdes Gedankens an
eine Entrückung auf die seeligen Inseln, wie sie gegenüber der ersten Fassung (Ele-
gie ) zu beobachten ist, darf man doch weniger an eine persönliche Wiederverkörperung
denken als an die Wiederkehr einer neuen Gemeinschaft, wenn einst wieder der 15
Genius gilt ({Götter wandelten einst...} v.lO). Victors Zweifel (Hölderlins Liebes-
elegie, S.14S), ob die zeitgenössischen Spekulationen über Palingenesie für Hölderlin
etwas bedeutet haben, ist inzwischen bekräftigt worden durch den Gedichtentwurf mit
der Überschrift Palingenesie (Bruchstück 12), der deutlich werden läßt, daß Höl-
derlin diesen Gedanken so gar nicht als Seelenwanderung — mit Herders Worten: 20
im »Brahmen- und Pfaffensinn« oder als moralische »Büßungshypothese« auffaßte.
Vgl. Iduna 1944, S. 76-87.
D E R W A N D E R E R
Zweite Fassung
Die ersteFassung steht im I.Band S.206-208 (S12-S23): siehe dort S.S12f. die 25
Bemerkungen über die Entstehung. — Es empfiehlt sich, die erste strophisch gegliederte
Elegie zeitlich von Menons Klagen um Diotima abzurücken, die sich noch unregel-
mäßig aufbauen, und als früheste Entstehungszeit der zweiten Fassung des Wande-
rers also den Spätsommer 1800 anzunehmen.
Überlieferung 30
siehe die Überlieferung der ersten Fassung 1, S13. i / 2
564
Der Wanderer SO-Si
H^ : Stuttgart 16 31.2"-f (s.die Beschreibung S. 377): Abschrift der ersten Fas-
sung aus den Hören mit breiten Zeilenabständen, also zum Zweck der Umar-
beitung angefertigt (Bl.2''—4''); bis v.Sl (2.Fassung) sind die Änderungen
übergeschrieben, von v. 82 an wächst der Entwurf an den unteren Rändern
5 der Blätter } " urui 4' sowie auf BIA" und S' selbständig weiter.
H^" : Änderungen in der Abschrift der I.Fassung (dunklere Tinte).
;Änderungen und Ergänzungen 2.Fassung (blasse Tinte).
H* (V.8J-108): Stuttgart I 28 S.S u.4: Doppelblatt 18 (19,7) x 23,2 cm, aus
einem Einzelblatt gewonnen, alle Kanten beschnitten; gelbliches, feingeripptes
10 Papier; Wasserzeichen: Posthorn mit Schleife, E . B R E N N E R & C O M P /
IN / BASEL CS. 1 u. 2: Der Gang aufs Land v. 3Sff.).
J: Flora jTeutschlands Töchtern geweiht. Eine Quartalschrift von Freunden urui'
Freundinnen des schönen Geschlechts. Neunter Jahrgang. Drittes Vierteljahr.
Tübingen, 1801. In der J.G.Cotta'sehen Buchhandlung. S.31-39, unter-
15 schrieben: Hölderlin.
Eigentümlichkeiten der Schreibung: reissendes, Soimenblicke, Locken,
pflücken (aber: Weinstok, Gloken, blikte, zurük^, vielleicht, sey, reg-
nete.
Lesarten
20 Nach jedem dritten Distichon am linken Rand ein (Querstrich ii/^"
Lesarten nur mit der SigleH^" (ohne Lemma) bezeichnen Abweichungen von der
Vorlage der Abschrift (Hören).
1 sah] sah, H ^ » 2 reegnete i / ^ » herab, ] herab; / 3 Femhin / /•"» ]
darüber, irrtümlich eingerückt und zu eng unter v. 2: [ F e m ] H^" 4 blikt H^"
25 3 . 4 : (1) Zürnend, und milder kaum,
(2) Reißend, und
(5) Reißendes! milder auch kaum, (a) nur milder wie damals
Da [der] ein strenger Tag
(b) wie damals da das Gebirg hier
30 Spaltend (a) der Tagesgott
(ß) mit Stralen {tier Gott) Höhen und Tiefen gebaut. H3b
5 ung (?) über gestr. hier H^" 5 : (1) Hier (2) Denn hier [inj Furcht
(3) Text H^^ frischaufgrünender aus frischaufb H^^ nicht unter wspr.
35 nie (: aus dem Ansatz zu n i ch t j H^'' 6 tönende H^" über säuselnde H^"
565
80-8} Der Wanderer
(also schon bei der Abschrift geändert! vgl. die Lesarten der I.Fassung) 7 : (1)
Kränze (2) Unbekränzt ist die Stirne (a) noch (b) des Bergs (a) melodische
Bäche (ß) und beredtsame Bäche
8 : (1) Sendet
(2) Fallen 5
(3) Tränken das glükliche Thal.
(4) Kennet er (a) n icht ,
(b) kaum, es erreicht selten die Quelle das Thal.
9 vergeht H^'f aus vergieng H^" plätschernden] unterpunktet; darüber,
nicht gestr.: kühlen H^'' 1 0 Freundlich aus Freunde gastliches] 10
wirthliches (keine Änderung!) 1 1 gesanglos,] gesanglos JH^
12 Aengstig aui Aengl H^"' eilends (aus eüens) H^"' flohn] f loh'n J Aber
die Wanderer flohn eilend die H^^ eilend,] eilend J Störche,] Störche J
13 D a b a t i c h H^>>übermcht H^" r i e f i c h H^«] gestr. nicht H^l»
Uber an Natur ! ] Natur, H^" (keine Änderung!) Wüste , ] Wüste J 15
15 u m aus und H^"' ach! u m die Gärten des Vaters (Schreibfehler) H^^
16 Heblichen iiierg-estr. heimischen H^'^ Bat] B a t ( i a r ü i c r . - F l e h t
1 6 : Fleht ich vom wandernden Vogel der Heimath gemahnt. (Schreib-
fehler) H^b 17 umsonst!; mir H^«] darüber: nur 1 7 : Aber
du sprachst du (: verschrieben statt zu^ mir auch {hier) sind Götter und wal- 20
ten 1 8 : Text H^^ fMaas, ] Maas H^^) Mit v. 19 beginnt eine
neue Seite (S}) J 1 9 Eispo[o]l hab H ^ « 1 9 : (1) Dann (2) Dar-
u m (3) Muthig (4) Text W> 2 0 da, schröklich aus schre H^"
2 0 : Text H^^ (VoX fehlt H^^) 2 1 StiW H^^ über unterstr. ToAt
&Si H^^ über gestr. \neT H^" 2 2 seit. Jahren über der Zeile H^'' Tags. 25
aus Tages H^" umsonst. H^"] gestr. 2 3 den den i / ' ' « Denn (1)
hier (2) zu (a)iu ("ij lang (a) zu (/?) nicht schlang um die Erde den Arm
2 4 u m die] darüber: wärmend 2 5 bewegt ihr H^" Son-
nenblike H ^ " Busen, f / ^ « 2 6 Reegen H ^ ' '
2 7 : ( l ) A b e r 30
(2) Und (mich) wunderte deß, (a) so sprach thörig
(b) {und) thörig (a) sprach
(/?) sagt i ch , 0
Mutter
thörig] thörigt J 35
566
Der Wanderer SO-Si
2 8 : (1) leben ansiehst
(2) Erde! (a) wie lange schon
(h) verlierest du (a) noch
(/?) denn i m m e r als Wit twe {die) Zeit? tP''
5 2 9 ist ja über der Zeile H^'' sorgender H^"] gestr. H^'' 3 0 wieder lu
sehn, wie der T o d . ] (1) wiederzusehn, ist der Tod . H ^ " ' (2) wiederzusehen,
der Tod. (3) wiederzusehn, wie der Tod. 3 1 vieleicht i / ^ « Hirn-
mels Z / ^ » 3 2 O t h e m ] Odem aus Ot 33 Und wie ein Saamen-
k o m H^" Hülse B^" Daß B^'' über Und B^" Saamkom B^>> aus
10 Saamenkom danach über der Zeile: öm B^'' Schaale iiier Hülse
(also: Daß wie ein Saamkom du durchbrichst die eherne Schaale H^'')
3 4 : Los sich (1) windet (2) reißt und das Licht grüßt die entkeimende W e l t ,
j.j3b 3 5 j^ii' (jie gesammelte B^'' über: Deine gesparte auff lammt]
flamt auf durch, die Nummern 2 und 1 umgestellt B^'' 3 6 Rosen aus
15 K / f ^ « Nach V. 36 Absatz J 3 7 jezt B^" kehr i ? ' ' « zurük / f glük-
liche Heimath 37 : (1) Doch B^'> über gestr. Aber i J - ' « (2) über der
ersten Vershälfte: Also sagt ich und jezt kehr ich B^^ glükliche i / ' ' " ]
gestr. B^^ 3 8 Zärtlich, wie vormals, wehn B^^ der Jugend über der
Zeile B^'> 3 9 das fehlt B^" strebende aus spren B^" 4 0 Bäume die
20 gewiegt Offnen] Alten B^'' über unterstr. Friedlichen /•Z^"
4 1 des seeligen, tiefen] (1) des ewigen schönen B^" (2) beide Adjektive mit
einem Strichgemeiruam unterstr. (3) ewigen unterpunktet; schünen/ür sich unterstr.
(4) seeligen tiefen übergeschrieben (5) des Geistes B^>> 4 4 Loken
4 5 Tli ithon, B^"' 4 5 : Aber wenn einer auch am leztcn (1) Tage noch
25 einmal (2) der sterblichen Tage i / - " - 4 6 : (1) Sähe /sein Va(terland}j
sein (2) Text B^'> (die fehlt 4 7 Land, 4 7 : Wiedersähe
(1) sein (2) diß Land, (3) mein (4) diß Land, noch Einmal müßte die
Ca; W ä h f C A ; W a n g ' i h m 4 8 reegnet B^" 4 8 : Blüh/e /n und
erlöschen[d] fa/a/st glänzte sein Auge (noch) auf B^'> 4 9 : (1) Thal B^>>
30 unter gestr. Land v.47 erster Fassung B^"' (3) über v. 49 erster Fassung: Text B^^
5 0 : (1) Städt[en] u. Gärten (2) Und mit der fa ) Rebe ("i; Traube Laub
(a) Gärten und bekränzt (ß) Mauer und (Garten) bekränzt B^^ 5 1 : Text
B^>> Cheiligen] darüber, wieder gestr.: köstliche<n) B^'' Schiffe,] Schiff B^'>)
5 2 : Text B^'> CStädt'] Städt i f - ' i sie über der Zeile B^'>) 5 3 : {!) über
35 der 2.Hälfte des v.Sl erster Fassung: am Taunus B^^ (2) über v.fJ erster Fas-
567
80-8} Der Wanderer
sung: (a) Droben (b) Aber voll Ernstes (a) schaut {ß) steht der Ahnherr dro-
ben der Taunus H^'' 5 4 : über V.S4 erster Fassung: (1) Droben (2) Vesten
trägt (5) über u . / /erster Fasiurag'; Und mit Eichen bekränzt neigt er sein ruhi-
ges Haupt. H^'' Nach V. S4 Absatz J 5 5 : aus v.SS erster Fassung: (1)
k o m m t vom H^^ über unterstr.: gehl a.\xs dem H^'^ {2) unter der Zeile: Und 5
es k o m m t vom H^^ (3) unter v.SS erster Fassung: Und jezt komt H^^ nach
Hirsch ein Komma H^^ ans H^"'] M-Bogen über das n H^b Wo lken
das freundliche Tagslicht, 5 6 ("= vJ4 erster Fassung)
siehet aus sieht H^'* Hoch in heiterer Luft H^"' J] darüber: Und aus
blauenden Höhn 5 7 (SS) Blume aus Blüte ( ? ) H^^ nähret von 10
Quellen] nährt von der Quelle i f ' ' » (keine Änderung!) 5 8 (S6) S t r e k t i / ^ «
Dörfchen aus Dörft i j ^ ® bequem] vergnügt, (keine Änderung!)
5 9 (57) fern über kaum rauscht aus rauschet H^'^ die
i m m e r üÄcr: von f e m die i / ' ' « 6 0 ("/S; gefesse<Z>te i f ' ^ » (über
V. S8 erster Fassung) : (1) Und (2) Aber ("aj die Gloken der Stadt künden die 15
("ij das Neigen des Tags sagen die Gloken mir an. H^'' 62 (60) h e i m -
kehrend dem Stier gerne] (1) am Pfluge dem Stier lenkend H ^ " (2) den
Virilligen Stier he im (3) d (4) gesprächig dem Stier (5) Text H^>> 6 3 (61)
siit i J ^ « 6 4 (62) in l ieblichen Schlaf. J / ^ « ("lieblichen unterstr. H^l»)
6 4 (62) : (1) noch jezt über des Mais (2) Seelig (5) Das (4) F 20
(5) Seelig schläfts, u. satt haben die Augen gesehn. (6) Satt vom Sehen ent-
schliefs; Ca; schlafe (b) eher ("c; aber die Wolken sind roth 6 5 (63)
Hofthor, H^" Und am glänzenden H^'' über: Aber drüben am i f ^ » der
Hain über: die Ulme i f ^ « offene über alternde i / ^ « 6 6 (64)
das Licht golden die Fenster umspielt, H^b 6 7 r ö / ; Dort i J ^ » aui Da 25
6 8 (66) der H^" über gestr. mein H^« 6 9 (67) spielt, H ^ « frei
aus f roh H^« Geflügelte über: das Eichhorn H^" den H^"] ein-
geklammert H^^ luftigen H^^ über lispelnden H^' 7 0 (68) ins H ^ «
duftende bis Stime ü f ^ " ] unterstr.; dann darüber: treue Blau blikte vom Gipfe l
des Hains. H^^ 7 1 (69) geblieben H^" 7 1 (69) : (1) Sieh! (2) Treu 30
auch bist {du) von je, treu auch dem Flüchtlinge blieben, H^^ • 72 (70) :
(1) N immst den Flüchtling, wie einst H immel der Heimath noch auf.
(2) Freundlich nim<m>st du, H^^ Mit v. 73 beginnt eine neue Seite (37) J
7 3 (71) gedeihn aus geh i / - " » gefäll ig, i f ^ « m i r fl'^«] dort
m i r / mich wundern die (1) Blumen (2) B l ü t h e n I i (72) ans H^" 35
568
Der Wanderer S O - S i
7 4 (72): (1) wie das
(2) Fast, wie die Bäume stellt, herrlich mit Rosen der Strauch.
I-P»
75 (73) röthcn aus röthem H ^ » 75 (73) : (1) Und unzählig (2) Voll
5 (3) Schwer (a) geworden (h) ist worden indeß von Früchten dunkel mein
Kirschbaum, 16 (=74) Aa über der Zeile H ^ « 11 (7S) Laube, / f ^ «
77 (7^)'. Auch zum Walde xieht m i c h wie sonst (in.) die freiere Laube H^''
7 8 (76) o d e r a u i o h H^" 7 9 (77) spielt mir, 7 9 (77)-. W o ich
(1) laß (2) lag (3) ruht' und (a) das Her i (h) {den) Muth (a) erfreut (ß) ent-
10 f lammt am Ruhme der Männer tP'' 8 0 (78) Vaterlandssonne, H^'^
(78)\ (1) Herrliche Schiffer[n]! so weit (2) Ahnender Schiffer! (a) so
schön klangen die Sagen von euch f i ^ u n d das konnten die Sagen von euch
/ - /36 8 1 (79) : Daß ( l } i c h hin in die Meere m u ß t ' i n die einsamen Länder
(2) in die Meer ' ich fort, in die Wüsten mußt ' ihr Gewaltgen (a), (b)7
15 I-P"
8 2 —108 : Der Schluß wird in H^ an den unteren Rändern der Seiten 3 ® und 4
sowie auf den Seiten 4 ® urul S' ohne Beziehung auf die erste Fassung entworfen.
Hinzu tritt (von v. 83 an) H*.
Oben auf SA' stehen inH^ die Verse 80-84 der Abschrift aus den Hören (1 .Fas-
20 sung) mit folgenden Änderungen: 81 Die du] darüber: Du, AieH^" erwekte(st)
H ^ a 82 triebst aus tre 83 dir, kehr i / ^ «
8 2 : A c h ! indess[cn] m i c h umsonst Vater und Mutter gesucht? H ^ ' '
8 3 - 1 0 8 :
I : an den unterm Rändern der Seiten 3^ und 4':
25 1: W o wo ist er? du schweigst, daß ich Geschenke bringe, die Gaabe
2: Hüter des Haußes! Die (1) Lieben
(2) Freunde sie (a) werden
(b) haben
3: Andres gewonnen (1) indeß, die ich verlassen, so bin ich
30 (2) sie all auch (a) verlassen
(b) m i c h verlassen so haben
I I : ebenda:
1: Aber wo sind sie? du schweigst, du zögerst (1) d (2) Hüter des Haußes
2: Hab ich gezögert doch wie ein Pilger u.
35 aufS.4'':
569
8 0 D e r Wanderer
i : (und wenn ich k o m m , (1) d
(2) und die ( a ) trauten
(b) alten die Nahmen (a) L
(ß) der Liebe
4 : Nenn' (1) ich (2) und, 5
Keins antwortet)
III: aufS.4^: 1: W o , wo ist er du schweigst, (1) i (2) du zauderst Hüter des Haußes
2: (1) Und die
(2) Alter! und sie die lieben (a)'V (i^ Freunde, wo wohnen sie 10
h Daß ich Geschenke bring, die Gaabe,
4:
S: Aber ich (1) ahnd (2) weiß es schon, es
6: Und die Freunde sie
7 ; Andres gewonnen indeß, sie alle, sie haben, die Theuren 15
S: M i c h verlassen verlies.
9 : Kommen werde ich und die alten die Nahmen der I,iebe
10: Nennen
11: Keins antwortet,
12: i ch dünk' ihnen gestorben, sie mir (1), (2). 20
auf S.r:
1): Aber 0 Vaterlandssonne
14-16:
17: u. ewig (1) lebet und liebet
(2) walten 25
18: Himmlische (1) an (2) Götter euch selbst verließ ich
19: Euch hab ich nie nie, euch selber [belaidigt,]
20: Denn
21: (1) Darum,
(2) Euch hab erfahren 30
22: Euch bring zurük.
2} : (1) Darum gönnet mir jezt
(2) Reiche den Becher mir (a) und von der Rebe des Rheines
Hohle (a) den goldnen,
(ß) den Wein, 35
570
Der Wanderer SO-Si
(b) g-efüllt von Bergen des Rheines
(c) bis oben gefüllt von des Rheines
24; (1) Bergen
(2) Heilgen Bergen den W e i n , (a) hol
•5 (b) liohle den goldenen mir
2S: Daß ich (1) den ewiglebenden zuerst, dann aber
(2) trinke zuerst den ewiglebenden,
26; das Angedenken
27.28: ( l ) U n d
10 (2) Sei mir auch daß ich ("aj der Leiden vergesse[n]
Und der Mühen
(b) und heute
(c) der Mühn und aller Leiden vergesse
Heut und morgen und schnell einer der Eurigen sei. H ^ ^
15 I V ; Text H* mit folgenden Änderungen und Abweichungen:
8 4 Hab ' ] Hab i f ' « gezählt,] g e z ä h l t / i ^ 85 nahet 'ous nahte i l ^
Da ich nahet ' ] darüber; (1) (Da ich) betrachtend (2) I m Betrach-
ten H ^ Pilgern aus d H ^ gestanden.] gestanden H ^ 8 6 melde
gestr. u. unterpunktet über gestr. sage H^ 8 7 die aus der 8 8 und
20 gegon<[?i)t über der Zeile H* 8 9 ahn' es schon] ahnd' es wokl H^
in nach gestr.: sie sind nun H* Fremde] Fremden H^ 9 0 mir
über der Zeile H^ kehret aus kehrt H ^ 9 1 : (1) Vater und Mutter
und auch die lieben Freunde/n/ sie haben (2) wenn über auch dann
lieben ^estr.; leben üicr Freunde/n/ 9 2 sie] es Meinigen]
25 meinigen / f ^ 9 4 sonst,] sonst! H * 0 7 : (1) Aber (2) W a r u m
(3) Und verlassen, wie (')•) Text H* Caber,] aber m Wolken , ]
Wolken H^) 9 8 mächtiger ütcr göttlicher H* Ae ther ! ] Aether
H* 9 9 Erd ' ] Erd H^ einigen über gestr. ewigen H^ l ieben,]
lieben H* 1 0 0 Ewige über Himmlische H^ 1 0 1 euch, mi t ]
30 euch mi t H* 1 0 2 Freudigen,] Freudigen! i l ^ br ing ' ] bring / - /^
103 axi. über der Zeile H^ ^es fehlt H^ 104 W a r m e n üier Heiligen
f.-aus Hei lgen; H* gefül l t ! ] gefüllt H* 1 0 5 zuerst] zuerst, H*
uaA über der Zeile H* 106 dann] dann, 108 Heut ' ] Heut
8 3 Haußes] Hauses J 8 5 nahet ' , ] nahet' J 1 0 7 Mühn] Mühe J
571
80-8} Der Wanderer
Erläuterungen
Vgl. die erste Fassung 1, 206-208; S12-S2S.
Siehe Andreas Müller: Die beiden Fassungen von Hölderlins Elegie »Der Wan-
derer«. Hölderlin-Jahrbuch 194811949, S.IO^-IH.
Die zweite Fassung ist — von Achill (1, 271) abgesehn — Hölderlins erste strophisch 5
gegliederte Elegie. Das Maß der einzelnen Strophen in dieser und allen folgenden
Elegien geben die beiden ersten Abschnitte der ersten Fassung des Wanderers (siehe
1, S22 f.): 18 Verse, die in sich meistens als 3 x } Distichen aufgebaut sind. So
besteht eine innere Beziehung zwischen derh Strophenumfang und der sich ebenfalls
aus Triaden aufbauenden Strophenzahl, die auch in den Vaterländischen Qesängen 10
(Germanien und Andenken ausgenommen) beobachtet wird.
In den früheren Ausgaben ist die strophische Gliederung der zweiten Fassung des
Wanderers nicht erkennbar. Mit v.l8 schließt in Jdie Seite (}2); nach v.36 beachtet
Zinkernagel die Strophenfuge, Hellingrath aber nicht — doch bemerkt er S.}17, es sei
hier wohl ein neuer Abschnitt zu beginnen; nach v.S4 beachten beide die Fuge; mit 15
V. 72 schließt in Jwieder die Seite (36); nach v. 90 beachten beide Herausgeber wieder
die Fuge; da H^ zuv.97 dreimal untereinander ansetzt, entsteht ein größerer Zeilen-
abstand als gewöhnlich, den beide Herausgeber irrtümlich als Strophenfuge ansehn.
Die Erläuterungen der ersten Fassung gelten auch für die zweite zu den Versen 2, 14,
22, 24, 39. 20
4 Spaltend] Vgl.Patmos, 1. Fassung, v. 68-72 und die Erläuterung z. St.
5 — 9 Auffällig sind hier die Praesentia gegenüber den Praeterita der ersten
Fassung.
7 die Stime des Bergs] Vgl. (Wenn aber die Himmlischen...} v.}—f: Wohlge-
stalt stehn / Die betroifenen Berge. Gezeichnet / Sind ihre Stirnen; Wieland, 25
Aristipp, Bd.2 Brief 49:Wic\iX,' er doch, dacht' ich, wie Endymion auf der Stirn
des Latmos, nie erwachen; Goethe, Wandrers Sturmlied (gedruckt 1810) v. 94 f.:
An des Gebirgs / Sonnebeglänzter Stirn; Pindar nennt im l.Pythischen Siegs-
gesang einen Berg selbst, den Aetna, die Stirn der Erde; in Hölderlins Übersetzung
V. S4f.: auf diesem Gebirge, Der frücbtereichen Erde Stirn. 30
1 6 vom wandernden Vogel der Heimath] Das heißt: dem Storch (vgl. v.l2).
17 auch hier sind Götter] Vgl. Aristoteles, de partibus animalium 1, S: xal
xa&dnBQ, 'Hqdxlenov Xiyexai ngdg rovg ^hovg dneiv rovg ßovXofiivovg evxvxelv
avTw, Ol BTietör] TiQoaiovreg slöov avrdv •&SQ6ßevov Jigög rm aivco sartjoav {ixiXeve
yoQ avroiig elaihai &aggotnrrag • elvaiyÖQxaievrai^&a&eovg). . . (undwieHeraklit 35
572
Der Wanderer SO-Si
zu Fremden, die ihn besuchen wollten und nach ihrem Eintritt stehen blieben,
weil sie ihn sich am Herde wärmen sahen, gesagt hohen soll (er forderte sie
nämlich auf, ungescheut hereinzukommen, denn auch hier seien Götter^...); Les-
sing' setzt über sein dramatisches Gedicht Nathan der Weise das Motto: Introite,
5 nam et heic DU sunt! mit der Quellenangabe: apud GeUÜtm. CGellius, Noctes
Atticae, praef.l2: in einigen älteren Ausgaben zur Ausfüllung einer Manuskriptlücke
vermutungsweise eingesetzt, wo nach der richtigen Überlieferung ein andres Wort des
Heraklit,frg. 40 Diets, stehen muß: nolv/ia&lrj vow oi öiödaxei.)
1 8 Spanne] Vgl.Hymne an die Muse v, IIS; Diotima, mittlere Fassung, v. 103
10 (1, 219); siehe Jesaja 40, 12: Wer misset die Wasser mit der Faust, und fasset
den Himmel mit der Spanne... ?
1 9 die Rede] Die Rede der Menschen, das Gerücht.
2 0 herauf] Vgl. Der Archipelagus v. 78 und die Erläuterung z. St.
3 0 wie der Tod] Zu verbinden mit ist ja fu.
15 3 4 Sui;cAt ist die entbundene Welt, OJ/cÄt das Licht.
39.40 die vertrauten / Offnen Bäume] Die Bäume der Kindheit sind dem Heim-
kehrenden so vertraut, daß sie ihm offen entgegenzukommen scheinen wie vertraiüe
Menschen. Die entgegengesetzte Eigenschaft wird der Heimat beigelegt in der Wan-
derung, V. 92 f.: Unfreundlich ist, und schwer zu gewinnen, / Die Verschlossene,
20 der ich entkommen, die Mutter. Belege für das »Lieblingswort« offen zählt
Kempter Arm. 70 auf.
4 9 Thal des Rheins] Die Landschaft wird deutlicher als in der ersten Fassung be-
zeichnet; auch v.S) wird dem dunkeln Gebirg der ersten Fassung der Name beige-
legt: der Taunus.
25 5 5 Tagslicht] In der ersten Fassung (v.S3), wo der Hirsch aus dem Walde ans
freimdliche Tagslicht geht, war das Sonnengestim selbst noch nicht gemeint.
Tagslicht steht für »Sonne« auch Dichterberuf v. SO; Kolomb v. 1}3.
6 0 Die Änderung dieses Verses — vgl. v. S8 der ersten Fassung - ist notwendig, da
nun einBild des Abends dargestellt werden soll; siehe auch v. 62: heimkehrend, v. 64:
30 die Wolken sind roth.
7 9 am Ruhme derMänner] Vgl.Homer, Rias 9,189: xUa dvdQ&v (ebenso 9, S24;
Odyssee 8,73).
8 0 — 8 2 und das bis Gewalt'gen! Ach! ] Parenthese, wodurch die Wanderung des
» Wanderers « gewissermaßen motiviert ist. Der mit indeß fortfahrende Nebensatz ist
35 anv. 79 W o ich lag, und den Muth erfreut'... anzuschließen. Das Pronomen euch
573
80 —SS Der Wanderer. Der Gang aufs Land
V. 80 meint die Männer und ahnenden Schiefer ^ von denen der im Bachverstech unauf-
findbare Knabe ohne Aufhören begeistert die Sagen (die Berichte, die Pieisebeschrei-
bungen) gelesen hatte.
8 9 in heilige Fremde dahin] Das heißt: in's unbekannte Land (Das Schiksaal
V.84), sie sind gestorben. Vgl.Hölty, {An Damon} v.l7 f . (1, 96 Michael): Ein 5
Mißverhängniß bannte / Sie in ferne Gefilde. Diese Worte sind, entgegen der An-
merkung Michaels 2, 69, ebenso zu verstehen.
9 8 Vater des Vaterlands! mächtiger Aether! ] Gemäß dem römischen Ehrenna-
men pater patriae wird hier der Aether so genannt, der auch sonst Vater heißt:
An den Aether v. 2, 7, 28, 40, S1 (vgl. die zu diesem Hymnus hervorgehobene 10
Literatur über die Bedeutung des Aethers für Hölderlin 1, S12); Brod und Wein
v. 65, lS4. — Heinse zitiert im Ardinghcllo, 4.Auflage Leipzig 1924, S.279 Aristo-
phanes, Wolken v.!69 f.: Und Aristophanes... ruft eben so aus : »Unser Vater
Aether, heiligster, aller Lebengeberl« Auf S.)20 wiederholt Heinse: Vater
Aether, aller Lebengeber! 15
DER GANG AUFS L A N D
A N L A N D A U E R
Diese unvollendete Elegie wird im Herbst 1800, in Landauers Hause zu Stuttgart,
niedergeschrieben und nicht erst, wie Hellingrath will, im Frühjahr 1801 zu Nürtin-
gen, weil sonst die unmittelbare Hinwendung zu dem angeredeten Freund, mit der das 20
Gedicht anhebt, unverständlich wäre. Der erste Anfang (H^) liegt allerdings später
als der erste Entwurf zu Brod und Wein; doch wird auch diese Elegie von Hellingrath-
zu spät angesetzt.
Überlieferung
H^ : Stuttgart 114 S.3 (s. die Beschreibung S. S91f.): Überschrift^ und (nicht be- 25
nutzter) Entwurf des ersten Verses.
H^ : Stuttgart 110: Doppelblatt 20 (19,})x24,) (24,0) cm, aus einem Einzel-
blatt gewonnen, obere Kanten beschnitten; gelbliches, feingeripptes Papier;
Wasserzeichen: Gekröntes Wappen mit aufgehängtem Posthorn C & I HONIG.
S.2—4: Entwurf; S.l: Verworferur Anfang eines undatierten Brief es: Ich be- 30
dauerte es, verehrungswürdiger Freund! daß ich Sie neulich nicht an-
traff, da ich Ihnen ; darunter: Heimkunft v. lOS-108 (H^).
H^ : Stuttgart I 9: Doppelblatt 22,2 (21,5) x i5,7 cm, obere Kanten beschnitten;
574
Der Gang aufs Land 84 —8S
die rechte obere Ecke des Vorderblattes ist mit Textverlust abgerissen: die obere
Kante ist links 6,2 cm breit erhalten geblieben, die rechte Kante unten 30,3 cm
hoch; bläuliches, feingeripptes Papier; Wasserzeichen: I. Zwei zu einem Oval
zusammengeordnete Zweige mit Blättern und kugeligen Früchten oder Knospen
5 umrahmen einen Baselstab; II: Vase mit Blumen.
Vorläufige Reinschrift, nach v.}4 Entwurf, auf S.) und 4 nur wenige Worte
(siehe die Lesarten zu v. 40a).
Überv.l von Kerners Hand: (Einzelnes schön. Das Ganze scheint keinen
rechten Zusammenhang zu haben u. hat kein Ende. Es kommen spezi-
10 alitaiten drin vor z. B. der Name Stuttgart.)
H* : Stuttgart I 28 S.l u.2 (s. die Beschreibung S. S6S): Entwurf der Strophe
(V. } f f f . ) .
Erster Druck (v.1-18): Gedichte vonFriedrich Hoelderlin. {Hg. von Ludwig Uhland
und Gustav Schwab.) Stuttgart und Tübingen 1826, S. 120-121: An L.jFrag-
15 ment; (erweitert bis zu v.S4): Hölderlins gesammelte Dichtungen, hg. von Berthold
Litzmann, Stuttgart (1896), I 241-242.
Lesarten
Überschrift: Der Gang aul(s) Land. / An Laudauer (Schreibfehler) tP
fehlt H^ Die vorläufige Reinschrift hatte eine andre Überschrift, von der, da am
20 oberen Rand ein Streifen abgerissen ist, nur ein geringer Rest übrig ist: ast Da
der Riß wenig links davon steil zur oberen Blattkante hinaufgeht und die darunter
stehende Widmung (An / Landauer.^ in zwei Zeilen angeordnet ist, kann sie nur
kurz gewesen sein; vermutlich lautete sie (vgl. in den Lesarten den ersten Vers der
4. Strophe): Das Gasthaus. H^
25 1 : Erster Entwurf, zu beiden Seiten der Überschrift: Aber was wollt ich dir sagen ?
(1) Kom (2) K o m m , daß ich dir etwas vertraue. H ^
1 . 2 : eng verknäulter Entwurf:
I : und (1) der Berge
( 2 ) u
30 (3) des Waldes
Gipfel , und leer (a) ruht (a) heute die Luft.
(ß) von Schwalben die Luft,
(y) von Gesänge
(5) und eng
575
S4—S ! Der Gang aufs Land
(h) von Gesang/e / enge der H immel {uns) ein.
I I : Trüh ists heut (1) und fast will
Mir es (a) dünken
(b) scheinen als (a) wäre
(ß) war es wie 5
(y) war wieder die bleierne Zeit
(2) nicht aufgegangen die Berge
Noch sind nach Wunsch
III: 1 : (1) Kom 10
(2) K o m m ! ins Offene, Freund! zwar (a) leuchtet derTag noch
W e n i g u m
(b) glänzet es (a) sparsam
(ß) heute
(cj glänzt einWeniges heute 15
2 : Nur herab und eng (1) s
(2) schließet der H immel uns ein. t P
3 W e d e r die] (1) Noch [sind] (2) W e d e r der (5) Text H^
5 : (1) Aber
(2) Trüb ists heut, ( a ) Rechtgläubige schlaget der Eine 20
(a) Tag nicht nieder mid
(ß) Stunde
(b) es schlummert die Stadt und die Straßen
(c) es schlummern die (a) Pfad
{ß) Gang und die Gassen und 25
fast will H ^
6 sei,] sei
7 : (1) Aber
Auch nicht weit ist der Gang,
(2) Dennoch gelinget derWvmsch; Rechtgläubige zweifeln u m Eine I-P 30
8 Stimde] Stunde, (Schreibfehler) H^ 10 ers aus es H^ weigert aus
wenig H ^ gönnet den Kindern zulezt.] (1) es den (2) gütig dan (n ) gönnt,
( 3 ) T e i t i J 2 11 Nur nacfc^citr. A u c h n u c h über der Zeile H^
12 : Wer th (1) Gewinn,
(2) der Gewinn, 35
576
Der Gang aufs Land 84 —8S
(3) das Gewonnene,
(4) der Gewinn und Ca^ ja de
(b) daß AVahj-es
(c) ganz (wahr) das (a) Gewonnene
5 (ß) Erfreuliche
(y) Ergözliclie sei. H ^
13 lioff ich über: glaub' ich H^ werde ] (1) werde (2) müsse (3) möch -
te H^ (4) werde H^ 1 4 und erst üicr g-ejfr.; das Herz H^
1 5 : (1) d
10 (2) das und aufgegangen das Herz ist,
(3) Und gefunden das W o r t und aufgegangen das Herz ist, H ^
16 : später als das nächste Distichon, am linken Rand:
(1) Und \ms höher Besinnen entspringt,
(2) Und von (a) seeliger
15 (b) heiterer
(c) trunkener Stirn' /uns / höher Besinnen entspringt,
1 7 : (1) Und vieleicht und des Himmels Blüthe fa^ begonnen,
(b) gekommen.
Schon auch heitert sich mir
20 (2) Daß
(3) Da nun
(4) W e r d e (a) heut
(b) zugleich des Himmels Blüthe beginnen,
(5) Heut
25 (6) Mit der unseni zugleich vorgefügt H^
18 Blik ü6er Aug H ^ der Leuchtende scyn.] (1) das sejTi. (2) das
Lebende seyn. (3) Text H^
1 9 : (1) ein gutes W e r k
(2) Denn fa^ nichts Gewaltiges / Aber
30 (b) nicht Mächtiges (a) zwar, doch
(ß) ist
(y) ist was
(5) ists, [do] zum Leben aber gehört es
H 2 35 2 0 : (1) Schiklich W u n d
577
S 4 — S ! Der Gang aufs Land
(b) zugleich für je i t
(c) zugleich
(2) schiklich ( a ) löbliches W e r k
(b) freudig zugleich
(3) Was wir (a) haben mir 5
(b) wollen und scheint freudig und schikliches Werk . H'
freudig zugleich, aus; freudiges W e r k .
2 1 : (1) Sieht vor der Zeit,
(2) I m m e r
(3) Aber (a ) immer doch (a) d 10
(ß) auch oft die
(b) kommen doch auch oft seegenbringende Schwalben H^
2 2 : (1) Kommen
(2) Ehe der Sommer kommt , einige
(3) Ein 15
(4) I m m e r (a ) einige noch ehe der Sommer
(b) ein wenig noch ehe der Sommer ins Land. H^
2 2 a : Zu dem hier fehlenden dritten Distichon des ersten Strophendrittels wird
(v.22 ist an den untersten Rand der Seite gedrängt) anscheinend auf der
angebogenen Seite am inneren Rand neben v.26 und 27 des offenbar schon 20
da stehenden II. Ansatzes ein (sonst nicht unterzubringeruier) Anfang ent-
worfen :
Hat mit anderem ja f l ^
(Bei der Anfertigung der Reinschrift H^ wird dieser unvollendete Vers üier-
sehen.) 25
2 3 — 35 : I : der oberen Hälfte der Seite, eng verknäulter Entwurf:
2 3 : Nemlich (1) zu seegnen das droben
(2) droben zu weihen (a) mit guten den Boden
(b) bei guter Rede den Boden
2 4 : W o den Gastein (Schreibfehler) das (1) Haus ein Mann. 30
(2) Haus (a) bauet
(b) baut der ver-
ständige W i r t h
2 5 : Daß sie kosten und schaun das Schönste, die Fülle des Landes
2 6 : (1) Und das gesellige Mahl 35
578
Der Gang aufs Land 84 —8S
(2) Und
(3) Offen
(4) Deßhalb gehen wir so wie es jeglicher wünscht
2 7 : (1) bis er wohl nennend
5 (2) Offen daß
(3) wie das Mahl und der Tanz und Stutgard(s) Freude gekrönt sei,
2 8 : Deßhalb
Jetzt wird weiter unten (II) zu einer ordnenden Reinschrift angesetzt,
die schließlich in Entwurf übergeht; oben wird nur noch ein Motiv
10 versucht das unten entworfene Schlußdistichon der Strophe
in fast endgültiger Form angefügt und endlich auch der Beginn der
3. Strophe festgehalten:
3 1 : (J) oder an
(2) "Wohl mag nachher, wenns andern / gefällt,
15 3 3 : WiederderZimmermannvomGipfeldesDachcs(l)den
(2) den Spruch thun.
3 4 : W i r , so gut es gelang, haben das unsre getha^n.)
3 5 : (1) Schön der Ort.
(2) Schön ist wahrlich (der) Ort.
20 (5) Aber vorgefügt H^
I I : in der unteren Hälfte der Seite:
2 3 : Nemlich droben zu weihn bei guter Rede den Boden
2 4 : W o den Gästen ein Haus baut der verständige Wir th ,
2 5 : Daß {sie) kosten und schaun das Schönste, die Fülle des Landes,
25 2 6 : (1) Und
(2) Daß, wie das Herz es {wünscht,) (a) offen das Mahl und
der Tanz,
(b) unserem
(c) offen {dem) Geiste
30 gemäß
2 7 : Offen das Mahl und der Tanz und Stutgard<j Freude) gekrönt sei,
2 8 : Deßhalb wollen wir dort wünschend den Hügel hinauf.
2 9 : (1) Mag fa ;nach< ; t ) e<r>
579
S4—S ! Der Gang aufs Land
(b) hernach ein freundliches Wort das (d) Gesellige
(ß) gesellige Mai-
licht
(2) Mög ein Besseres (noch) das menschenfreundliche Mailicht
3 0 : Drüber sprechen, von selbst (1) Gästen 5
(2) bildsamen Gästen erklärt,
3 1 : Oder wie sonst, wenns (1) anders
(2) andern gefäl(i)t, denn (a) lange
(b) alt <ist> die Sitte
V. }2—}4 in dem freien Raum über v. 23 (II): 10
3 2 : (1) und freundlich
(2) Und es schauen so oft lächelnd die Götter auf uns,
3 3 : ( l ) M ö g e
(2) Wieder der Zimmermann vom Gipfel des Daches den Spruch
thun, 15
3 4 : Wir, haben das unsre gethan H ^
I I I : Text H^
2 3 Nemlich droben zu] fehlt (mit dem Streifen am oberen
Rand abgerissen) H^ 2 4 W o den] fehlt (ebenso) W
2 8 wollen über gehen H^ 2 9 Mög' aus Mag H^ 3 1 ist 20
fehlt H^ 3 2 uns,] uns H^
3 5 : I : siehe oben (23-3S I) W
I I : Keimworte für die mit diesem Vers beginnende 3. Strophe:
fur das erste Drittel: friedlich (1) der Nekar
(2) die Arme des Nekars 25
Die Insel
für das zweite Drittel:
indessen oben
und der volle Saal.
für das dritte Drittel: 30
Da, da
auf der Rückseite:
(1) jeit, jeit, jezt,
ruft
daß es helle werde, 35
580
Der Gang aufs Land 84 —8S
(2) darüber: Höret
(3) wieder eine Zeile höher beginnend: Ein Strom
(a) und
(b) weder h ö r e ( n ) noch sehen
S daß nicht zu Wasser die Freude
Werde , kommt ,
ihr himmlischen Gratien
[d] und der Nahmenstag (a)
der Freudengötter [ d ] ist dieser!
10 (ß) der hohen,
der himmlischen Kinder sei dieser! H''
I I I : Entwurf, an die Reinschrift der Ferse 1-34 anschließend:
35 : (1) Aber schön ist der Ort. und wenn, in Tagen des Frühlings
(2) Feier vor Tagen über der Zeile H^
15 3 7 : (1) Gärten und Weiden und W a l d und der ("a; Duft aufwal</)t ,
(h) seidene Duft wal</>t,
(2) Weiden grünend (und PFald) und (a) die schwanken Bäume des
Ufers
(b) zahllos
20 fc^ all die grünenden Bäume
3 8 : (1) Woogen in spielender Luf t
(2) Zahllos, blühend (a) glänzen
(b) weiß, wallen in wiegender Luft
3 9 : (1) Und de (2) Aber
25 (3) Aber mit Wölkchen bedekt (a) die rothen Berge der Weinstok
(b) am rothen Berge
f c j an rothen Bergen
(d) {die) (a) rothe
(ß) rothen Berge
30 fe^ an Bergen herunter der Weinstok
4 0 : (1) Warm und knospet und
(2) Dämmert und (a) wächt
(b) wächst und erwärmt unter dem (a) seidenen
(ß) sonnigen
35 Duft. H ^
581
S 4 — S ! Der Gang aufs Land
4 0 a : anschließend an die 1. Fassung (Ansatz III) v. 3S: Aber schön ist
der Ort. (mit Punkt dahinter!):
(1) Schöner Ca muß
(h) freilich muß es wenn
(2) Schöner freilich muß es werden, 5
Liebende in den
entgegentönt
auf der nächsten (dritten) Seite:
sie sinds, sie haben die Masken
Abgeworfen 10
auf der vierten Seite, etwas unter der Mitte:
Kommen will ich H ^
Den Entwurf der 4. Strophe überliefert die vierte Seite der Handschrift H^, 7J cm
unter dem oberen Rand beginnend (in dem freien Raum darüber steht cm vom
Rand entfernt, umgekehrt, nur das PFort DochJ; 15
1 : Aber fraget mich eins, was sollen Götter ini Gasthaus ?
2:
3: Dem antwortet, sie sind, wie Liebende, feierlich seelig,
4: Wohnen bräutlich (1) erst
(2) sie erst nur in den Tempeln allein 20
S: Aber so (1) lange nicht ein (a) drittes sie
(h) Kleineres jenen vereinet,
(2) lang ein Kleineres noch nach jenen genannt {ist,)
6: Werden sie nimmer (1) s werden
(2) und nimmer die Himmlischen uns 25
7: Denn entweder es herrscht ihr Höchstes (1) oder
(2) blinde gehorcht dann
8: Anderes
9: Oder so (verschrieben statt: sie^
(1) lie 30
(2) leben in Streit (a) wie kann der bleiben
(b) der bleibt nicht oder (a) sie
(ß) es möcht
(y) es schwindet
10: (1) Alles 35
582
Der Gang aufs Land 84 —8S
(2) Wie beim trunkenen Mahl, alles
11: (1) Beides verbeut
(2) Jedes verbieten
(3) Diß auch verbeut sich selbst, (a) es ist
5 (b) auch Götter bindet ein Schiksaal
12: Denn die Lebenden all bindet (1) b
(2) des Lebens Gesez. H ^
Quer am linken Rand dieses Entwurfs:
Singen wollt [wollt] ich leichten Gesang, doch nimmer gelingt mirs,
10 Denn (es) (1) macht
(2) machet (a) m
(b) das
(c) mein Glük nimmer die Rede mir (leicht). H'^
Erläuterungen
15 Zur Gesamtdeutung i^gl.Friedrich Beißner: Deutung des elegischen Bruchstücks Der
Gang aufs Land (Hölderlin. Gedenkschrift zu seinem 100. Todestag, hg. von Paul
Kluckhohn, Tübingen 1943, S. 247-266).
I ins Offene] Vgl.die von Kempter Anm. 70 gesammelten Belege für dieses »Lieb-
lingswort«. Siehe auch besonders v. 18.
20 6 in der bleiernen Zeit] Vgl. den Entwurf zu dem Chorlied in der Fassung des
Empedokles (Neue W e l t - . J ; und es hängt, ein ehern Gewölbe / der Himmel
über uns; ferner den Brief an Schiller vom 4. September 17 9S: So eisern mein Him-
mel, so steinern bin ich.
I I der Schritt] gen. plur. - also: der Schritt'.
25 2 2 Nach diesem Vers fehlt wahrscheinlich ein Distichon; vgl. die Lesarten, v.22a;
auch Brod und Wein, 7. Strophe.
2 6 . 2 7 dem Geiste gemäß... Freude] Vgl. die Erläuterung zu Menons Klagen um
Diotima v. 107.
2 9 . 3 0 Möge im kommenden Frühling die Maiensonne das dann vollendete Gasthaus
30 in noch schönerer Gestalt erstrahlen lassen, als wir sie ihm heute wünschen können;
den bildsamen Gästen wird sich die Gunst des Himmels, die darin offenbar wird,
von selbst als ein wortloser Segenswunsch erklären.
32 Die Beobachtung schuldloser alter Sitte ist denGöttern wohlgefällig; deshalb schauen
sie bei solchen Gelegenheiten lächelnd und Anteil nehmend auf die Menschen herab.
583
84-89 Der Gang aufs Land. Stutgard
4 0 Zu dem in der Handschrift noch folgenden Entwurf (siehe die Lesarten) vgl. die
umschreibende Erklärung in der eingangs genannten Gesamtdeutung.
S T U T G A R D
Die Elegie ist vermutlich im Herbst und Winter 1800 entstanden, die Überarbeitung
(H^"', J) wesentlich später. Der Plan, dem Freunde Siegfried Schmid ein Gedicht zu 5
widmen, wird vielleicht schon imFrühjahrlSOO gefaßt: vgl. Bruchstück )2. Der Dank
in Schmids Brief vom Februar 1801 kann, muß aber nicht unbedingt auf Stutgard
bezogen werden: Das waren wieder köstliche Worte des hohen Geistes, hervor-
gequollen aus der heiligen Tiefe, wo das unvergänglich jugendliche Leben sich
regt, —und sie haben aufLebengetroffen, das widertöuend von ihnen erzitterte. 10
Überlieferung
W (v. 104-108): Stuttgart 15 S.S.
Stuttgart IS: Zwei ineinandergelegte Doppelbldtter und ein in der Mitte liegen-
des Einzelblatt 2i,8 (23,4) X 37 cm, alle Kanten (außer der Innenkante des
Einzelblattes) ursprünglich unbeschnitten, jetzt zur besseren Erhaltung mit 15
Streifen unterklebt; gelbliches, feingeripptes Papier; Wasserzeichen: Gekröntes
Wappen mit aufgehängtem Posthorn C & I H O N I G ; C & I H O N I G .
Inhalt: S.1-4: Heimkunft H^; S. S oben: StutgardH^ (v. 104-108); einDop-
pelblatt mit v. 1—103 ist zwischen S. 4 und S verschollen, schon von Kemer ver-
mißt, der oben aufS. S vermerkt: Diese Verse gehören nicht hieher, sondern 20
in das Gedicht »Herbstfeyer« an Siegfr. Schmied; unmittelbar unter dem
Schluß der Elegie Stutgard beginnt Brod und Wein H^ und reicht bis S.IO unten.
H^: London, Nachlaß Stefan Zweig: Zwei ineinandergelegte Doppelblätter
20,S X 2S cm, alle Kanten unieschnitten; weißes, feingeripptes Papier; Was-
serzeichen: J W H A T M A N /1794. S. 7 und 8 leer. 25
Faksimile der ersten Seite bei Christian Waas: Siegfried Schmid aus Friedberg
in derWetterau, der Freund Hölderlins, Hessische Volksbücher Bd.66—69,
Darmstadt 1928, nach S. 310.
H^ : Homburg F 11-lS (s. die Beschreibung S. 380).
H^": Späte Änderungen mit dunkler Tinte in H^. 30
J: Musenalmanach für das Jahr 1807. Herausgegeben von Leo Freiherrn von
584
Stutgard 86-89
Seckendorf. Regenshirg, in der Montag- und JVeißischen Buchhandlung.
S. }~12, unterschrieben: Hölderlin.
Eigentümlichkeiten der Schreibung: Glück, geschicklich, vollgcschmückt,
deckt, Schicksal; Blüte, Anmut, Not, Heimat; Geduld; wolgeleitet,
5 Gastmal; Efeu; geschäftig; Segen, Gabe; Gräme; sein (statt seyn).
Seckendorf an Kerner, 7. Februar 1807: Hölderlins Schicksal geht mir sehr
nahe, aber wie alle Welt soll er ohne Umgang, ohne Aufsicht, ohne Be-
friedigung für sein gequältes Herz durch Erquickungen der Freund-
schaft lurecht kommen? Das ist sehr traurig — gerade die tötende Ein-
10 samkeit, das ewige Brüten hat ihn so zerstört! Grüßen Sie ihn doch
recht herzlich von mir, wenn er der Erinnerung empfänglich.ist — kann
er vernehmen und Antheil nehmen? Er weiß nichts, daß von seinen
Gedichten etwas im Almanach gedruckt ist, denn als ich Sinklair davon
schrieb, war er unzugänglich. Ich habe sie mit äußerster Schonung,
15 aber doch hie und da verändern müssen, um nur Sinn hineinzubringen.
(Justinus Kemers Briefwechsel mit seinen Freunden, Stuttgart xmd Leipzig
1897, Bd. 1 S.IO.)
Lesarten
Oberschrift, Zeile 1: Die Uerhstieiei. J Zale 2: vgl. Bruchstück }2.
20 1 - 1 0 3 : fehlt H^
1 ist fehlt J 4 Beegen] Segen J erfrischt] erfrischt, ÜT® 5 Ge-
wächsen, es] Gewächsen. Es J Bach'] Bäch, J 7 Hain ist] Hain ist, f f ^
8 zufriedenen Kindern] zufriedener Schaar Kinder J 9 Gerne] Gern J
sich,] sich H^ 1 0 Sorgenlos,] Sorgenlos J 11 an, und zu athmen die]
2S an und zu athmen die H^ an in lieblicher J 15 Laub bei sich] Laub,
bei sich, J 1 6 von Tage] von Tag W 17 freiem Wilde] Hirschen und
Rehen J 1 8 voran] voran, J 2 0 Götter] Geister i J ^ " J gemacht?]
gemacht; J 2 2 Nebst] (1) gestr.: Nebst aus dem Ansatz zu Nelbs<t>
{2) "Nelhst (Schreibfehler) H^ Neben J Weine noch auch] Wein'uns noch /
30 Beeren] Blumen H^ Beeren Ober nicht gestr. Blumen H^ (Tinte und Duktus
der Reinschrift, also nicht etwa der späten Änderungen!) Beeren J 2 3 Fest-
gesängen] Festgesängen, J kühl und] kühl und/und/ H^ 2 5 spars] spar
es J 2 7 Anderes] anderes J komm' über der Zeile H^ 2 9 Vaterland]
Vaterland, J Opfers aus Of H^ 3 0 sein Eigenes] das Eigene J
585
86-89 Stutgard
3 1 mis,] uns J 3 3 Diß] Dies J 3 4 ihn,] ihn. J 3 5 Diß] Dies J
Klang,] Klang H^ J 3 8 soglcich aus dem Ansatz zu sol H^ sogleich,]
sogleich / 4 1 Heilig ist mir] Seeligen lieb ist H^" J Ort,] Ort J
4 3 uns;] uns, H^ J Licht!] Licht, H^ J zuerst mich] zuerst einst J
4 4 gefühlteren] gestaltenden 4 5 . 4 6 Leben von neuem; Aber des] 5
Leben. Was ist es Aber? des ü/ ' ' « J 4 6 seh'] seh J ich und] (1) ich,
und (2) ich. Und H^"' ich, und J 4 8 mir] mir, J Kunst] Kunst, J
4 9 : Andres erwacht (1)! ich muß die (a) h ( ? )
(b) Landesheroen ihm nennen, H^
(2) Landesheroen 10
als mißfallend unterstrichelt
(3). Jezt muß ich des Landes Blüthen ihm nennen (a)\
(4) I ch /Ürgcstr . Jeit H ^ «
(5). Ich muß des Landes Blüten ihm nennen, J 15
4 9 nennen,] nennen! H ^
5 0 Barbarossa!] Barbarossa (1), (2). dich auch] Dich auch J güti-
ger] als mißfallend unterstrichelt H^" treuester J Kristoph] Christof J
5 1 Konradin!] Conradin! H ^ Konradin. H ^ " wie du i .i Epheu] (1) Wie
(2) So (a) jung ("i^armistdes {a) Ansatz zu.Mun((i) (ohnevL-üogen) {ß)'Wo\'ks 20
Mund. Aber der Epheu H^'^ (3) So arm ist des Volks Mund. Aber der Efeu J
5 3 : (1) Doch Vergangenes ist, wie Künftiges, heilig den Sängern H ^
(2) Doch Vergangenes ist, wie Künftiges heilig den Sängern, H ^
(3) Und Vergangenes ist, und Künftiges fürstlich den Sängern,
(4) Und Vergangenes ist und Entschiedenes fürstlich den Sängern, J 25
5 4 Und] Reich H^"' Tagen] ohne Ersatz gestr. LP"' uns] aus H^ J
5 5 Gewaltgen] Gewalt'gen H~ gedenk] gedenk, J herzerhebenden]
(1) ernst u. n&{he... (?)) (2) emst(m) rau(c)ndigen H^'^ (3) ernst ankün-
denden J Schiksaals,] Schiksaals H^ J
5 6 Thatlos] Schlank auch selber,] selber H " leicht] jung H ^ « 30
Aether doch auch] lauteren Gott H^'^ 5 7 Angeschauet imd fromm,]
(1) Angeschauet und weiß, (2) Auch gleich Rossen weiß, (5) Auch geschaut
und dahin H^"' 5 8 Freudigen gestr. H^" Dichter] danach über der Zeile:
(1) [des Schiksaals die] (2), heimischen Lichts H^" 5 9 : Wirtemberg
ists. Dort von den uralt deutsamen Bergen 35
586
Stutgard 86-89
5 6 — 5 9 : Welches sie Vorbild hieß schwächerem Enkelgeschlecht!
Aber geschaut, und dahin! wie die Alten, die göttlich erzognen
Dichter, heimischen Lichts, ziehen das Land wir hinauf.
Wirtemberg ist's. Dort von den uralt deutsamen Bergen J
5 6 1 Bäche,] Bäche H^ J 6 2 und Nacht] und bei Nacht J nieder] nie-
der, J bauen] biegen H^® J 6 3 die Mitte] in der Mitte H^ die (aus
in; Mitte H^ 6 4 Ziehet aus D H^ Nekarstrom,] Nekarstrom H^
den Seegen] der Seegen H^ herab] hinab J 6 6 Ihre Wolken,] Unge-
heures, J^"'® prächtige] krankende J:/' '" 6 6 : Prischungen, aber zugleich
10 brennende Sonnen mit ihm. J 6 7 die gewaltge] die Gewalt mit H^" J
(darüber: wie Geistesgewalt uns li^'^) 6 8 Fülle, denn hieher ward, hier]
Güterfülle, denn hier ward H^'^ J 6 9 Lieben] lieben H^ 7 0 an Ber-
gen dort ihnen] im Oberland denen J Wein] Wein, H^ J 71 die
fehlt H^ 72 Wanderern] Wanderen H^ 7 3 durch wandeln, über gestr.
15 betrachten, H^ 7 4 Trunkenen,] Trunkenen J 7 6 Die] Sie, die J
gepriesene,] gepriesene H^ 7 8 : Hoch in den seeligen Duft purpurner
Wolken empor. J 7 9 hold!] hold, J Heimath!] Heimat, J 8 0 Stut-
gard, nimm] Stutgard! Nimm J Fremdling] Sänger J 8 2 Wie ich
glaub'] Fröhliche du! J Geschwäz und] Geschwäze, J 8 3 Geiste,]
20 Geiste - J
8 4 : (1) Drum erfreuest du auch gerne den Sängern das Herz. H ^ H ^
(2) über gerne einsetzend: Garten erfreuet
(3) Auch der Garten erfreut (a) immer die
(b) freund (/ic^i)
25 (c) gütig des Fürsten das Herz. H^"
(4) Gerne gedenkst du der Zeit, wo es noch wurde vergönnt. J
8 5 Größeren] Tapfersten H^" J 8 7 Nacht] Nacht, J herrscht]
herrscht, f p J 9 0 Mündig] Kündig J steht nach gestr. stehlt H^
der besonnene Mensch - ] ein gemütliches Volk, H ^ " eingemütliches
30 Volk, J 9 1 Engel des Vaterlands!] Genien des Landes! H^ 9 2 Sei's]
Seis stark] stark, J 9 5 den] sie, J 9 7 kommt! laß] kommt.
Laß J 9 8 noch! voll] noch. Voll / kurz nach gestr. d / / • ' kurz,]
kurz. J 1 0 0 Schmidt!] Schmidt, / beide] Beide J 101 bring']
bring H^ J (davor gestr. Ansatz zuicQi) H^) 103 rein! luid] rein. Und J
35 1 0 4 nur.] nur, H^H^ 1 0 5 nicht - o] nicht. 0 J kommt!] kommt, J
587
86-89 Stutgard
wahr ! ] wahr, J 1 0 6 T r a u m ? ] Traum! J 1 0 7 Lieben, ] Komma aus
Ausrufzeichen H^
Erläuterungen
Überschrift: Es läßt sich nicht bestimmt sagen, ob die Überschrift Die Herbstfeier
schon vom Dichter über die später dann als Druckvorlage des ersten Druckes (J) be- 5
nutzte Handschrift gesetzt worden ist oder ob erst Seckendorf an dem schlicht benen-
nenden Eigennamen Anstoß genommen — wie auch Kerner am Gang aufs Land
ähnliche »spezialitoeten« rügt (vgl.S. S7S Z. 8—10),
Über den Adressaten der Elegie siehe Christian Waas: Siegfried Schmid aus Fried-
berg in der fVetterau, der Freund Hölderlins (1774—1859), Hessische Volksbücher 10
Bd. 66-69, Darmstadt 1928.
3 Saal] Vgl. die Erläuterung zu Brod und Wein v. S7 f .
5. 6 alle gebundnen FiUige] Vor dem erfrischenden Regen hatten sich die Vögel
ermattet und gelähmt in Schlupfwinkeln geborgen — vgl. Der Gang aufs Land v.4:
leer ruht Ton Gesänge die Luft. 15
8 Sprachwidrige Änderung Seckendorfs (J) zur Beseitigung eines metrischen An-
stoßes — vgl. die Erläuterung zu v.l6 der ersten Fassung des Wanderers (1, S22).
Seckendorf hat wahrscheinlich auch in v. 78 aus demselben Grund eingegriffen.
12 die geschikliche] Vgl. Thronen v. 2.
1 3 —18 In wundersam transparenter Andeutung ersteht hier das mj-thische Bild 20
eines bacchantischen Zugs mit dem heiligen Stab, dem Thyrsos, und den Wagen ,
bespannt mit f r e i em Wi lde (vgl.Der Einzige, I.Fassung, v.Si—SS), ohne daß es
ausdrücklich gezeichnet würde: der mit Trauben und Laub voll geschmückte Stab ist
die aus den schönsten Trauben zusammengefügte Riesentraube, die bei des Herbstes
alter Sitte (v.27 f.) vorangetragen wird. Die Linien der Berge werden auch sonst als 25
Bewegung erlebt: Rijkkehr in die Heimath v. S; Der Rhein v. 74 f .
18 traget] Das heißt: istträge, zögert, säumt; Hermann Fischer, Schwäbisches Wör-
terbuch 2, S07, verzeichnet das im Mittelhochdeutschen noch ganz lebendige schwache
Verbwn »trägen, tragen..: träge sein«. — Aus demselben Verbuni bildetKlopstock das
mit Verhalt gleichsinnige Wort Tragung; Der Bach (1766)v.l9. — Grimms Deut- 30
sches Wörterbuch XI, 1,1,1 OS 6 nennt zwar Belege für die Wendung »der Weg trägt
jemanden da- und dorthin« im Sinne des starken Verbums »tragen« (portare), darunter
auch einige ohne Objekt, doch keinen für einen so gänzlich absoluten Gebrauch, daß
auch noch das Xicl des Weges verschwiegen würde. — Das schwache Verbum bringt
hier statt einer nichtssagenden Häufung den farbigen Wechsel in das Bild. 35
588
Stutgard 86-89
2 0 die Götter] Zu der späten Variante die Geister (•/f"« J) stimmt es, daß in
den Sophokles-Übersetzungen des öfteren &eoi oder öalfiOveg ebenso wiedergegeben
sind; siehe Friedrich Beißner: Hölderlins Übersetzungen aus dem Griechischen,
Stuttgart 19n, S. 17! f .
5 2 6 Freier beglüket der Mai] Dieser sprichwörtlich klingende Satz gründet sich
auf keine volksmäßige Überlieferung. Vielmehr gilt der Mai in allen Gegenden als
unschicklich und wenig glückbringend für die Heirat. Siehe Hanns Bächtold-
Stäubli, Handwörterbuch des deutschen Jberglauhens, Bd.IV, Berlin und Leipzig
1931119S2, Sp.l6S f . (die einzelnen Literaturnachweise sind dort nachzulesen):
10 » . . die Verpönung der Maihochzeit, an der die Kirche... teilhat, dürfte tiefere Gründe
haben als jenen, daß der Volksglaube vor dem ,Leichtsinn der Frühlingszeit' ein so
wiclttiges Geschäft bewahren wollte. Maibraut wird der Ehe nicht froh. Maiehen
werden unglücklich, schon nach Ovid (fast.S, 490). ,Zwischen Ostern urul Pfing-
sten heiraten die Unseligen'. ,hn Maien gehn Huren und Buben zur Kirchen',
15 - ,Knappcn- und Pfaffen-Ehen werden im Maien gemacht und dauern nur einen
Sommer'.« — Vgl. auch besonders Hermann Fischer, Schwäbisches Wörterbuch 4,
139S: »Das Sprichwort ist gewßlich wahr: Was freit im Mai, hat kein gut Haar«
(das heißt: an dem ist kein gutes Haar, der taugt nichts). — Oder denkt Hölderlin
nicht an die Eheschließung, sondern an die Brautwerbung? Dann wäre hinzuweisen
20 auf dm schwäbischen Brauch des Maiensteckens: in der Nacht zum I.Mai steckt der
Bursch dem geliebten Mädchen einen Maien (ein grünes Reis oder Bäunichen) ans
Haus (s. Fischer, Schwäbisches Wörterbuch 4, 1598).
3 1 der gemeinsame Gott] Vgl.Der Einzige, 3.Fassung, v.7S—98 Ansatz Uv.l9
(Lesarten): Gemeingeist Bacchus.
25 3 2 wie Perlen] Vgl. dieOdeEmpedoklesv.S f.unddieErläuterungz. St.(l,SS6).
39—46 Der G eburtsort Lauffen am Neckar lag darruds an der nördlichen G renze
des Herzogtums Württemberg, das erst im Jahr 1803, bald darauf zum Kurfürsten-
tum erhöht, um die alte Reichsstadt Heilbronn und 180S um die noch weiter nördlich
gelegenen geistlichen Gebiete (Horneck) vergrößert worden ist. — Die Insel des
30 Stroms, der ragende Fels, trägt Garten iind Haus der alten Burg (v.S2), die damals
Sitz der Oberamtsbehörde war. In diesem Haus erlitt Hölderlins Vater am S. Juli 1772
den tödlichen Schlaganfall. So erklärt es sich, daß sogleich (v.46) des Vaters G rab
erwähnt wird, das sich hoch am linken Ufer des Neckars auf dem Regiswindiskirchhof
befand. — Die Wendung an beiden Ufern wird verständlich, wenn man we\ß, daß
35 der Neckar den Ort Lauffen in zwei deutlich unterschiedene Hälften teilt: in die
589
86-89 Stutgard
»Stadt« auf dem rechten (östlichen) Ufer und das »Dorf« auf dem linken. Der hier
mündende Zaberbach scheidet vom » Dorf« nördlich noch das » Dörfle « mit dem alten
Klostergut, der Geburtsstätte des Dichters.
4 9 Andres erwacht! ] Kennzeichnendes Beispiel für die der Elegie eigentlich frem-
den, hymnischen Sprünge, an denen der Übergang zum hohen Pindarischen Gesang, 5
für den sich der Dichter schon rüstet, recht deutlich wird. Dem entspricht auch die
nur Hölderlin eigene, von der lyrischen Gattung herühergenommene strophische
Gliederung der Elegien.
50 . 5 1 Barbarossa zählt als Staufer zu den Landesheroen, ebenso Konradin, der
Letzte dieses schwäbischen Kaisergeschlechts, der sechzehnjährig zu Neapel im Jahr 10
1268 unter dem Richtschwert des siegreichenFeindes fiel. fBarbarossa und Conradin
werden auch in Bruchstück 47 (v.l2f.) und 48 (v.2 und 14) erwähnt.) — Kristo^h,
1SSO—1S68 Herzog von Württemberg, Schöpfer des württembergischen Landrechts
(156S), Erweiterer des Tübinger Stiftes, Förderer des allgemeinen Schulwesens.
5 1 So aTm ist des Volks Mund (Lesarten)] Hellingrath 4, 321 zitiert eine Strophe 15
aus Sinclairs Hymne An mein Vaterland (Seckendorfs Musenalmanach für das
Jahr 1808, S.106): Es sagte wol einer jüngst: Arm sei des Volkes Mund,
Weil es seine Helden vergässe. Doch er sagte es im guten Mute, Und
schmähete nicht. Denn man gedenket der Stralau nicht, Die in leuchtender
Nacht Einsamer Hoheit wirkend gehn. Der vom Himmel, der leuchtenden 20
Stralen.
5 3 fürstlich (Lesarten)] Vgl.Der Einzige, 3.Fassung, v.75—98 Ansatz H v.l9
(Lesarten): Wie Fürsten ist Herkules; s. die Erläuterung z. St.
5 5 des ernsten mündigen Schiksaals (Lesarten H^")] Diese Deutung wird
gegen Hellingraths auch mit den Schriftzügen nur schwer in Einklang zu bringende 25
Entzifferung (4, 320: des emstunmündigen Schiksaals^ rwch gestützt durch das
Gedicht Der Winkel von Hahrdt, worin die durch ein groß Schiksaal geweihte Stätte
mit betonender Litotes nicht gar immündig genannt wird. Auch die Lesart des
Druckes (J) sagt das genaue Gegenteil von Hellingraths Entzifferung.
5 9 von den uralt deutsamen Bergen (Lesarten)] In der Pindar-Übersetzung 30
(Pyth. 4.66) schreibt Hölderlin für ßthhtxa daifioviav die Scholle die deutsame.
6 1 hundert geschäfftige Bäche] Vgl. Die Wanderung v. 4: Von hundert Bächen
durchflössen.
6 5 Italiens Lüfte] Vgl.Rükkehr in die Heimath v.l: Ihr milden Lüfte! Boten
Italiens! 35
590
Stutgord. Brod und Wein 86-9/
65.66 die See schikt Ihre Wolken] Fgl. Der ^rchipelagus v. 4}f.
7 0 Keiner an Bergen dort] Die Fassung des Druckes (J) sagt deutlicher: Keiner
im Oberland.
7 1 die glühenden Bäume] Von der Farbe des reifen Obstes, auch wohl des herbst-
5 liehen Laubes.
77 den Rebenstab imd die Tanne] Mit Weinbergen und Wäldern sind die Höhen
rings vm Stuttgart gekrönt.
7 8 ygl. die Erläuterung zu v. 8.
8 0 Fremdling] Siegfried Schmid.
10 82 . 8 3 ygl. die Erläuterung zu Brod und Wein v. S6. — Die Prägung der Mühn /
Süße Vergessenheit klingt aus der Pindar- Übersetzung herüber: Pyth-l, 86: der
Mühen Vergessenheit.
8 7 in heiliger Nacht] Vgl. Lehenslauf v. f und die Erläuterung z. St.
9 1 J^us den Genien des Landes (H^), das sind die Landesherofin, des Landes
l.'i Blüten (v.49), die Gewaltgen (v.SS), die Größeren, Tapfersten, die Frohen
(v. 8S), die Väter droben (v. 89), werden schli^lich die Engel des Vaterlands;
vgl. den Schliißsatz der Widmung der Trauerspiele des Sophokles: Sonst will ich,
wenn es die Zeit giebt, die Eltern vmsrer Fürsten und ihre Size und die Engel
des heiligen Vaterlands singen. — In der Elegie Heimkunft (v. )8, 90, 91) treten
20 die Engel in der endgültigen Fassung an die Stelle der Götter. Dort sind also nicht
die Landesherofin gemeint, sondern die guten Genien des Jahres und des Haußes
fv. 90 f.).
9 5 den] Das ist Siegfried Schmid, der Freund, den der Dichter eben jetzt hält und
hat (siehe v. 47). Seckendorf setzt aus Mißverständnis ein allgemeines sie ein, wodurch
25 der Schluß des Verses sinnlos wird,
1 0 6 Vgl, Menons Klagen um Diotima v. 14 und die Erläuterung z. St.
B R O D U N D W E I N
A N H E I N Z E
Begonnen schon vor dem Gang aufs Land (sieheH'), vollendet im Winter 1800 jOl,
30 Überlieferung
H^ : Stuttgart 114: Doppelblatt 23(21 )x 36 cm, unbeschnitten; bläuliches, fein-
geripptes Papier; Wasserzeichen: I: Zwei zu einem Oval zusammengeordnete
591
90-9f Brod und Wein
Zweige mit Blättern und kugeligen Früchten oder Knospen umrahmen einen
Baselstab; II: Vase mit Blumen.
Auf S. S am oberen Rand diese Vermerke (die beiden letzten bestimmt später als
der Entwurf zu Brod und Wein): Menons Klagen um Diotima / Seitenstük
zum Wandere(r) / Der blinde Sänger. / Empedokles auf dem / 5
Ätna. / Der Gang aufs Land H^ (vgl. S. S74) / Oceaniden. (Bruchstück 36).
H^ : Stuttgart ISS. S-10 (s. die Beschreibung S. SM).
H^": Reinschrift.
H^^ : Änderungen mit Bleistift.
H^" : spätere Änderungen mit Tinte (wahrscheinlich bei der Anfertigung 10
der Reinschrift H^").
H^ : Homburg F S-10 (s. die Beschreibung S. 380).
H^": Reinschrift.
H^^ : späte Änderungen mit Tinte,
h (v.1—18): Schwerin, Mecklenburgische Landesbibliothek: Gedichtsammlung 15
der Prinzessin Auguste von Homburg, Lage 17 Blatt 2^—3' (s. die Beschrei-
bung 1, 324-326).
J (v. 1—18): Musenalmanach für das Jahr 1807. Herausgegeben von Leo Frei-
herm von Seckendorf. Regensburg, in der Montag- und Weißischen Buch-
handlung. S. 90—91, unterschrieben: Hölderlin. 20
Vgl. die S. S8S, 6—17 angeführten Sätze aus Seckeruiorfs Brief an Kemer
vom 7. Februar 1807.
Eigentümlichkeiten der Schreibung (Jund h): Fackeln, geschmückt, Glocken;
wol; geschäftig," vielleicht.
Erster Druck (nachH^): Carl Müller-Rastatt: Friedrich Hölderlin. Sein Leben 25
und sein Dichten. Mit einem Anhange ungedruckter Gedichte Hölderlins, Bremen 1894,
S.179-182; (nach H^): Hölderlins gesammelte Dichtungen, hg. von Berthold
Litzmann, Stuttgart (1896), I 2S3-2S8.
Lesarten
Überschrift: DerWeingott / An Heinze. H^ Der Weingott. / An / Heinze. 30
B r o d u n d W e i n . / A n / H e i n z e . H « » / / ' ' Die Nacht. / A
Strophennumerierung: fehlt H^ J h von fremder Hand mit roter Tinte H^
eigenhändig H^
1 - 1 9 :
592
•v i ' "
Ül , ( A' " i'. ...
^ - / y
' fr'
y-"^ ' j L i f ^ y y . /• y . • rr •
i',
Brod und Wein 90-95
I : die Wagen der Gasse,
die Früchte des Marktes
und die (1) schwäi-merische,
(2) träumerische, die Nacht steigt
5 prächtig und traurig herauf.
Wunderbar
Die letzten Keimworte werden vom wachsenden Entwurf mehrmals über-
wuchert und dann immer, zusammen mit weiteren, (nach der Niederschrift
der Verse 7, 10 und 15 — siehe unten) aufs neue gesetzt.
10 I I : 1 : still wird die erleuchtete Gasse
2 : Und mit Fakeln geschmükt rauschen die^Vagen hinweg
3 : (1) Und gesättiget gehn von des Tages Freude die Menschen
(2) SattvonFreudendesTags,Ca^ gehn heim
(b) heim gehn zur Ruhe dieMenschen
15 4 : (1) wiegt den Verlust und Gewinn.
(2) Und Verlust und Gewinn (a) wägt ein besonnenes
(b) wäget ein sinniges Haupt
5 : (1) i{ezt)
(2) Still im (a) Hauße der St<ad£>
20 (b) Hauße, daheim, und leer von Früchten und
6 : Und von Werken der Hand (1) schweigt
(2) ruhtdergeschäfftigeMarkt.
7 . 8 ; Aber das Saitenspiel tönt fem aus Gärten, (1) die Br\innen
Rauschen an duftendem Beet
25 die Gloken
ein Wehen
Und (a) es (b) jezt glänzet der Mond
das Schattenbild
der träumenden Erde
30 und die schwärmerische die Nacht
(2) vieleicht
(3) vieleicht {daß)
593
9 0 - 9 f Brod und Wein
Dort ein Liebendes spielt, ( a ) und da
(b) oder
Cc) oder ein einsamer Mann
9 : Ferner Freunde gedenkt, und der Jugendzeit {; und die Brunnen)
10 : Immerquillend und frisch rauschen (1) d (2) an duftendem Beet 5
die Gloken
ein W e h e n
prächtig u. traurig herauf
Wunderbar
1 1 : (1) in schwüler Luft 10
(2) am schwrilen Himm^W)
(3) Hoch in dämmriger Luft ertönen geläutete Gloken
12 : (1) Ud (2) Und der Stunde gedenk, rufet ein Wächter die Zahl.
13 : (1) Und
(2) Jezt entstehet 15
(3) Und
(4) Und
(5) Jezt auch kommet ein W e h n , und regt die Gipfel des Hains auf,
14 : (1) Aber
(2) Sieh! und das Schattenbild ( a ) glän 20
(b) unserer Erde, der Mond,
15 : (1) Wandelt
(2) K o m m t mm auch
(3) Kommet geheim nun auch und die schwärmerische die
Nacht k o m m t 25
prächtig und traurig herauf.
16 : Voll mit Sternen (1) glänzt, / Über den Schlafenden, s
(2) sie glänzt, / (a) Unge
(b) Angestaunet von uns
(c) Wenigbesorgtumuns 30
(3) und wohl wenig bekümmert u m uns
1 7 : (.Glänzt) die Erstaunende (1) w
(2) dort, die (a) Fremdlingen
(b) Fremdlingin imter
den Menschen 35
594
Brod und Wein 9 0 - 9 5
18 : Über (1) den Bergeshöhn
(2) Gebirgeshöhn prächtig und traurig herauf.
19 : (1) Mancher stehet jedoch in
(2) Wunderbar ist die Gunät der Hocherhabnen, und niemand H ^
5 I I I : Text H^ H^ J h mit folgenden Abweichungen und Ändenmgen:
1 Stadt; still] Stadt. Still / Ä 2 Und, mit Fakeln geschmükt, ] o^ine
Kommata H^ Jh 3 h e i m ] he im, Jh ruhen] ruhen, Jh 4 Und
Gewinn] Und den Gewinn J h 7 Gärten; vieleicht, daß] Gärten —
vicleicht daß I-P 8 spielt] spielt, J h 9 Jugendzeit;] Jugend-
10 z c i t - ü / ® Brunnen]Brunnen, 13 r e g t ] r e g e t A 14 Schatten-
bi ld] Ebenbild J h 15 auch; ] auch, Jh Schwärmerische]
schwärmerische J h k o m m t , ] kommt H^ 1 6 Sternen] Ster-
nen, J h uns, ]uns Jh 18 Gebirgeshöhn] Gebirganhöhn Jh
1 9 : fehlt Jh
15 1 9 - 1 6 0 : fehlt Jh
2 0 - 3 6 :
1 : 2 0 : W e i ß , von wannen, und (1) wann
(2) was einem geschiehet von ihr
2 1 : (1) Denn
20 (2) So bewegt sie (a) das Herz
(b) die W e l t und hoffende Seele der Menschen,
2 2 : (1) Unvermeidlich ist diß,
(2) Und
(5) Selbst kein Weiser verstehts, was sie bereitet, denn so
25 2 3 : W i l l es der oberste (1) der dich auch
(2) Gott der sehr dich liebet, und darum
2 4 : (1) Ist
(2) Sei noch l ieber, wie sie, dir der (a) besuchende
(der be unierstr.)
30 (b) entschieden<e> Tag.
2 5 : Aber zuweilen (1) doch liebt ein klares den
(2) liebt auch klares Auge den Schatten
2 6 : (1) ver
(2) V
35 (3) Und versuchet zur Lust, (a) ehe die [No ]
595
9 0 - 9 f Brod und Wein
(b) eh[ej es die Noth ist, den
Schlaf,
2 6 a : u m der Todten willen
2 7 : Auch bli ein treue<r) (1) J (2) Mann in die Nacht hin
2 8 : Und es ziemet sich, ilir Kränze zu weihn und Gesang 5
2 9 : W e i l den Irrenden (1) sie geheiliget vai{d)
(2) ja geheiligt ist
(3) ja sie geheiligt ist und den Todten
3 0 : (1) Und der seeligste Gott ( a ) selbe<r>
(b) selbst 10
(c) sie an die Seite sich sezt.
(2) Sie (unterstr.: der see^ nicht weitergeführt
31—36 : 1: Darum rief ich dich her denn (1) sie
(2) deine Todten, ( a ) die Alten
Jene ruhen in gö t t l i che ( r ) Nacht 15
(b) du edle<r>
2: Alter! wie lange schon ruhn sie in göttlicher Nacht,
J: noch trauert der H immel
4: ' u. traue(r )n wird, bis
und (1) die 20
(2) das W o r t
(a)i
(b) und die That
der Geist H ^
I I : Text H^ H^ mit folgenden Abweichungen und Änderungen: 25
2 0 geschiehet aus ei (ohne i-Punkt) H^ 2 3 Wil l aus W o H^ liebet,]
liebet H^ 2 4 a : gestr.: Oder es blikt auch gern ein treuer Mann in
iH^ 29 ist H^" über gestr. sind H^" 3 1 der zaudernden Ws 3 2
sei, H^'' aus: dem Dunkel ein Tagen, / Daß in der finsteren Zeit eini-
ges Menschliche sei, f : Jer Pentameter unteritn'cWf) 3 1 zaudern- 30
den aus zaudernder H^"
3 7 - 5 4 :
I : 3 7 : Kom^m)! wir (1) fesseln
(2) bergen umsonst das Herz im Busen, umsonst nur
3 8 : Fesseln die Seele wir (1) V C ? ; 35
596
Brod und Wein 9 0 - 9 5
(2) Männer und (a ) noch jezt.
(b) Schüler, noch jezt.
3 9 : W e r mags hindern und w e r / , / mag uns die Freude verbieten?
4 0 : (1) Treiben die Himmlischen doch alle bei Tag u. bei N a c h t / ! /
5 (2) Ja! und (die Himmlischen all treiben bei Tag u. bei Nacht,}
4 1 : Auftubrechen, so kom(m)! (1) pp.
41 a: o k o m m an den Isthmos (Hexameterschluß!)
(2) daß wir das Unsrige schauen
4 2 : (1) Ansatz zu W ( ? )
10 (2) Daß wir heiligen, was heilig den Unsrigen ist.
a : 4 3 : Ists noch i m m e r die (1) Zeit (: unterstr.)
(2) [Stund] und die Stunde der Zeit nicht ?
4 4 : W e r kanns wissen und (1) wer
{2) wo fehlt das Gemessene nicht?
15 4 5 : Vor der Zeit! ist Beruf (1), (2) der heiligen Sänger und also
4 6 : Dienen und wandeln sie großem Geschike voran.
Die beiden letzten Distichen werden jedes durch einen diagonalen Strich zu Be-
ginn als mißfallend angemerkt. Zu einerÄnderung wird indes nur angesetzt:
b : 4 3 : (1) Oder
20 (2) Fest u. habe ge lemet
4 4
4 5
4 6
4 7
lu Lebenden oder zu Todten
(1) Und wir spotten des Spott ( j ) fa^ frohlokender
25 (b) wenn wie frohlokender Wahnsinn
Uns ergreift
(2) Drum! undspottendes Spott (s ) mag gern frohlokender Wahnsinn
4 8 : Wenn er in heiliger Nacht (1) ergreift.
(2) plözlich die Sänger ergreift.
30 4 9 : Hin an den Isthmos!(1) dort wo (a) wo
(b) das — Meer rauscht
(2) hin
(3) k o m m dort wo das offene Meer rauscht
49a.b: (1) d (2) dort auf den Cithäron,
35 und Ismenos rauscht und
597
9 0 - 9 f Brod und Wein
5 0 : A m Parnaß, und der Schnee delphische/n/ Felsen umglänzt,
5 1 : Dort ins Land des Olymps, dort auf die Höhe Ci thäron( i ) ,
5 2 : Unter die Fichten, dort unter die Zauber, von wo
5 3 : Thebe , drunten und Ismenos (1) rauscht und die Quelle der Dirce
5 4 : Glänzt 5
(2) glänzt B ^
I I : Text H^H^ mit folgenden Abweichungen und Änderungen:
y i umsonst Ji'i 3 8 wer ] (1) umsonst nur / Fesseln die Seele wir,
Männer und Schüler, noch jeit. (2) unterstrichelt, dann geän-
dert; umsonst nur / Halten den Math noch wir , Männer und Knaben, 10
denn wer 3 9 Möcht ' es] (1) W e r mags H^" (2) unterstr.,
dann darüber: Möcht' es H^'' m ö c h t ' ] (1) mag i / ^ o (2) unterstr.,
dann darüber: möcht ' H^^ möcht ' uns] darüber: würd uns H^''
4 0 Göttliches Feuer auch treibet,] (1) Ja! und die Himmlischen all
treiben iiT^» (2) all unterrtr. (3) Göttliches Feuer auch trei- 15
bet, H^'^ (4) Herrliches Feuer (5) Zeichen des Himmels auch
(a) treiben (b) singen Nacht , ] Nacht H^ 4 1 Aufzu-
brechen. S o ] ( l ) Aufzubrechen - so H ^ (2) Aufzubrechen. So H ^ " '
(3) Neues geschieht. So (4) Witterungen So H ^ ^ das Offene]
(1) das Unsrige i / 2 o (2) unterstrichelt, dann: das Offene H^>> 20
4 2 : (1) Daß wir heil igen, was heil ig den Unsrigen ist. i^®« (2) Daß
ein Eigenes wir (a) finden (b) suchen, so weit es auch ist. H^^
(5) Text H^'^ (4) Lebendiges üier^ertr. E i g e n e s 4 6 k o m m t ]
k ö m m t H^ 4 7 Wahnsinn,] Wahnsinn H^
5 3 . 5 4 : (1) Thebe drunten und Ismenos rauscht und die Quelle der 25
Dirce,
Dort ist das Sehnen, o (a) dort schauen zu Göttern
wir auf. H ^ "
(b) unter strichelt
(c) dort schauen 30
(a) zum Lichte wir auf.
H2b
(ß) zufrieden wir auf.
(2) Thebe drunten und Ismenos [glänzt] rauscht,
(a) [und die Quelle der Dirze], 35
598
Brod und Wein 9 0 - 9 5
Dort ist das Sehnen, o dort schauen zufrieden wir auf.
(h) im Lande des Kadmos
Dorther kommt und (a) zurük deutet der kommende
Gott . H ^ " '
5 (ß) da lac)iet verpflanzet, (der)
Gott .
5 5 - 7 2 :
I : 5 5 : (1) S
(2) Freue dich, Griechenland! du Haus der Himmlischen alle!
10 5 6 : Würd ig dessen und sonst heiliger Nahmen reich!
5 7 : Festlicher Saal! der Boden ist Meer ! und Tische die Berge!
5 8 : {\) Ansatz zu k (,7)
(2) Wahr l i ch zu hei l igem Brauche {a ) gebaut.
(h) vor Alters gebaut.
15 5 9 : Aber die Thronen? wo? die[n] Tempel? und wo die Gefäße
6 0 : (1) Voll mit heiligem Wein? die Lust der Himmlischen?
(2) W o mit Nektar gefüllt Göttern zu Lust, der Gesang?
6 1 : W o , wo sind ( l ) d (2) sie denn nun die fernhintreffenden Sprüche,
6 2 : Delphi schweiget, (1) und das große Geschik,
20 (2) u. wo {a ) reget
(b) theilet
f c ; lebet
{d ) tönet das große Geschik,
6 3 : (1) F f ? ;
25 (2) Unte<r>
(3) W o ist das schnelle? (a ) und der freudige Donner aus
hel lem / Himmel
(b) wo tönt dein Donner aus heller
Luft , [mi t ] voll (a) bli
30 (ß) billigen Glüks,
(c) wo meint
(d) wo brichts allgegenwärtigen
6 4 : Donner[nd], aus heiterer Luft , über die Völker herein?
65-10: fehlt
35 71 : (1) denn so
599
9 0 - 9 f Brod und Wein
Kehren die Himmlischen ein, und wo die heilige Anmuth
(2) Also Kehren die Himmlischen ein,
72 : fehlt W
I I : Text H^ H^ mit folgenden Abweichungen und Änderungen:
57 Berge, ] Berge W 5 9 die Tempe l , und wo die Ge fäße , ] 5
Geseze der (1) Erde, (2) Erd, und {die) Schritte 6 0 Lust]
Dank H^^ dann, beginnend über Göttern; schreitend in W i n -
keln 6 1 leuchten] gestr.; darüber: bedeuten H^^ f e m -
hintrelfenden] gestr.; darüber: bäurisch sinnigen H^^ 6 2 Delphi
bis 6 3 schnelle?] darüber: Schaale ist Delphi , (1) wo greift , trift 10
dich {das große Geschik?) (2) begreifts [kindlich] besser, erfüllet
es sich / Daß es (a) einhält, (b) wahr wird. Denn H^'' 6 4 hei -
terer aus heiteter i ^ ^ o Augen] Völker H^ 6 5 riefs H ® " über
rufts flog H^" aus fliegt H^" Zunge] Zunge, H^
6 6 ertrug H^" aus erträgt H^" allein;] allein, H^ 6 7 g e - 15
tauschet, mit Fremden, ] (1) gegeben, genommen (2) geerbet
von Eltern H-" (3) geerbet vo H^" (4) getauschet, mit Frem-
den H^" (5) TextH^» 6 8 schlafend H^" über gestr. a l t e m d f f ^ «
6 9 . 7 0 : (1) Vater Aether und hallt, so t ief , so ewig die Nacht ist, /
So vermessen die Noth, siegend imd schaffend hinab. U^" (2) Text 20
ff2c ffSa 7 1 t ie fschüttemd bis 72 herab] (1) so steiget in
Nächten / Vorbereitet herab H^'^ (2) so steiget (a) den Nächten /
Abgerungen herab (b) aus Schatten i i /^" (3) t iefschüttemd gelangt
so / Aus den Schatten herab H ^ " H ^ " '
6 5 und flog bis 72 Tag . ] 25
verzehrt und strebt, wie Flammen, (1) F ( ? ) (2) zur Erde ,
6 6 : Kommet der Gott . (1) [ l ieget] wie Rosen, / Ist vergänglich
(2) Unt(OT) l iegt wie Rosen, der Grund
6 7 : Himmlischen ungeschikt, vergänglich, aber wie Flammen
6 8 : Wirke t von oben, imd prüft Leben verzehrend, uns aus. 30
6 9 : (1) Aber Seher
(2) Die aber deuten (a) [dorthin] [und]
(h) dort {und) da und heben die Häupter
7 0 : Menschen aber, gesellt, theilen das blühende Gut,
71 : Das Verzehrende. So kom(m)t Himmlisches 55
600
Brod und Wein 90-95
72 : {Aus den Schatten herab unter die Menschen) sein {Tag.)
JJSb
7 3 - 9 0 :
I : (1) daß
5 (2) dam
(3) damit nicht sie erdrüke der Seegen von ihnen
I I : erst unempfunden, und kaum weiß er
Sie zu nennen (1) der
(2) wenn schon /schon]der freudige Halbgott
10 (a) Von den Mächtigen
(b) von ihnen, der schöpferische, den Muth
füllet, daß er und weissagt,
u. was er anrührt, der verschwenderische,
I I I : 1: .Unempfunden kommen sie erst, (1) es
15 (2) fast müssen ihnen entgegen
2: Streben gewaltig
Den(ri) schwer k()m<m)t und gewaltig das Glük,
1: (3) es stre/u/ben /ihnen/
2: (a) In
20 (b) Ihnen entgegen zu schwer köm(m)t zu gewaltig das Glük,
J; Darum (1)
4: -
S: Daß er der Schöpferische,
dann aber in Wahrhei t
25 h (2) kaum weiß Ca zu nennen
(b) zu sagen ein Halbgott
4: Wie sie heißen, wenn schon von ihnen (a) Muth
{ß) der Muth
S: Dann aber in Wahrhei t kommen sie selbst,
30 6: Daß er der Schöpferische,
7; -
auf der sonst leeren Rückseite, 7 cm unter dem oberen Rand:
S: Jezt
6 cm tiefer:
35 9: Nun aber II'
601
9 0 - 9 f Brod und Wein
lY : Text H^ H^"' mit folgenden Abweichungen und Änderungen:
7 5 Halbgott,] Halbgott 7 9 ward / / « c ^ier wird H ^ "
8 2 selbst] selbst, H^ Glüks] Glüks, H^ 8 4 welche,] welche
H^ H^" genannt,] genannt H^ H^" 8 6 beglükt;] b e g l ü k t - H ^
8 7 So bis 8 9 zuvor;] 5
(1) So ist der Mensch; nicht (a) anderes
(b) Anderes kanns; es fördert das
Andre
Freundlich und feindlich nur heilige Tiefen heraus;
Denn der Karge verbargs; Z /®" 10
(2) nicht Anderes bis heraus; unterstrichelt H^^
(3) wie
(+) wo
(5) wenn da ist das Gut, es sorget mit Gaaben
(a) Aber 15
(b) Selber ein Gott für ihn (a) kennt er es nicht
{ß) kennet und sieht er es
nicht. H^b
(6) So ist der Mensch; unterstrichelt, aber unverändert
(7) Denn der Karge verbargs; unterstrichelt; darüber: Tragen muß 20
er, zuvor, H ^ '
V : (aus H^" beibehaltene Worte sind hier kursiv wiedergegeben):
73 : Unempfuruien kommt es zuerst, es streben entgegen
7 4 : Diesem die Kinder. Fast triffet den Rükken das Glük
IS l Bernes scheut sie der Mensch. {!) 7(7) 25
(2) Darum CaJ sieht mit Augen
(b) [auch] siehet mit
Augen
7 6 : Kaum ein Halbgott; (1) trüb
(2) und ist Feuer ("aj und 30
(b) um diesen imd
Schlaf
7 7 : (1) Denen
(2) Ihnen aber ist groß der Muth vollfüllen das Herz ihm
7 8 : (1) Sie 35
602
Brod und Wein 9 0 - 9 5
(2) Diese mit Freuden aber er sieht [sieht,] aus Feuer in
(a) Gluthen,
(b) den Gluthen,
7 9 : Aber es steht in Gränze die Erde
5 8 0 : (1) Aber es [stehet] reißt fa ; [das]
(b) in die Nacht das
Geschik
(2) Aber (a) ewig
(b) zu ruhn, reißt hin ewig in Nacht das Geschik
10 8 1 : (1) Aber die Himmlischen
(2) Selbst bevestigen das die Himmlischen (a ) selber
(b) aber (a) wenn
(ß) wo
anders
15 8 2 : (1) Nicht
(2) Die nichts [nicht] irrt
8 3 — 8 6 : ohne Änderungen
8 7 : (1) Schwer und viel
(2) Lang und schwer ist das W o r t von dieser Ankunft aber
20 8 8 : (1) Helle der
(2) W e i ß ist der Augenblik. Diener der Himmlischen sind
(V. 87 u. 88 werden durch einige auf und ab gezogene
Striche getilgt)
8 9 : (1) Und verstehen die Erd, und
25 (2) Aber, kundig der Erd, ihr Schritt ist gegen den Abgrund
9 0 : (1) der Menschen
(2) Menschen, doch Finstres
(3) Dieser
(4) Jugendlich menschlicher doch das in den Tiefen ist alt.
30 H ^ "
91-160: fehlt W
9 1 ehren nach gestr. Ehren Götter, ] Götter H^
91.92: (1) Denn
(2) Aber
35 (3) Nun behalten sie ( a ) dann die Lichter des Geists
603
9 0 - 9 f Brod und Wein
(h) sie die Seeligen und (a) Geister
(jS) die Geister
Alles wahrhaft {muß) kündigen deren ihr Lob. H^^
9 3 gefället,] gefalle, H^ gefället, aus: gefalle, 9 5 würdig] darüber:
zeitig H^^ dann, nach Gegenwart einsetzend: deß eine Weule (: verschrieben 5
stattWeile) H^'' 9 6 herrlichen] darüier; Tuskischen H^'' auf aus
ein üT^a 9 7 Untereinander] Untereinander, H^ Städte] danach, wieder
^cstr..-und bedeutend H^'' 9 8 Vest und edel] gestr.; darüber: Je nach Gegen-
den H^'' Gestaden] darüber: den Küsten H^^ 1 0 3 die alten heiigen
Theater?] dafür, zunächst irrtümlich eine Zeile zu tief einsetzend: die [heiligen] 10
dann, eine Zeile höher: (1) lieiligen (2) heiigen Handlungen, damals, H^''
1 0 7 Oder] darüber: Aber H^'' auch] darüber: dann H^^ Gestalt aus des
an] an, H^ 108 vollendet'] vollendet H^ tröstend] Umlautzeichen
verdeutlicht H^b Fest.] Fest? H^
1 0 8 - 1 2 4 : späte Fassung (H^b) siehe unten! 15
1 0 9 spät. Zwar] spät; zwar H ^ Götter,] Götter H^'^ I I I wirken]
wirkten (t eingeklammert) H^"' scheinens] über ei versuchsweise ie H^"'
112 schonen] vor e über der Zeile versuchsweise t H^" 1 1 5 Leben. Aber]
Leben, aber H^ 117 Biß] Bis H^ Helden] untmfr. E^" ehernen] unter-
Str. H^" 118 wie sonst] untmtr. W 1 1 9 öfters] öffters H^ 1 2 0 Besser] 20
Besser, H^ 1 2 1 sagen,] sagen H^ 122 nicht] nicht, H^ 123 sie nach
du sagst H^"' Weingotts üier^cstr. Evios H^"' 1 2 4 von Lande zu
Land] (1) von Land zu Land (2) von Land zu Lande (3) Text H^^
Die 7. Strophe hat ein Distichon zu wenig. Hölderlin hat das selbst erst ganz spät,
nämlich nach Vollendung der Reinschrift H^ bemerkt, oder richtiger: nur vermutet. 25
Er zählt darum mit eingetunkter Feder die Distichen der 6. Strophe nach (Punkte vor
den Hexametern) und dann ebenso die der 7. Strophe: dabei erhält versehentlich auch
der Pentameter v.114, der zufällig über und unter sich einen etwas breiteren Zwischen-
raum hat als gewöhnlich, einen Punkt, so daß schließlich auch die 7. Strophe auf neun
Punkte kommt. Der Irrtum wird auch später nicht entdeckt. 30
1 0 8 - 1 2 4 : über den Zeilen:
108 : (1) über der unterstrichelten ersten Hälfte v. 108: In Ephesus
(2) A (: über dem Beginn v.108)
(3) Aergemiß ist (: über dem Beginn v. 109)
(4) über tröstend v. 108: [Aergemiß] aber ist Tempel und Bild, 35
604
Brod und Wein 9 0 - 9 5
(5) ein Acrgerniß (: unter v. 108) also:
ein Aergemiß aber ist Tempel und Bild,
1 0 9 : (1) Aber bis spät.] unterstrichelt
(2) Narben gleichbar. zu Ephesus. (a) auch
5 (b) Auch Geistiges leidet,
1 1 0 : Himmlischer Gegenwart zündet wie Feuer, zulezt.
111 : (1) Trunkenheit ists, (a) [und] Leidenschaft
(b) eigener Art
(2) Eine Versuchung (a) ists,
10 (b) ist es. Versuch, wenn Himmlische da sind
112 : (1) Eine Kunst
(2) In
(3) Sich sein Grab sinnt, doch klug mit den Geistern, der G eist.
113 : Auch die Geister, denn immer[hin] hält den Gott ein Gebet auf
15 1 1 4 : Die auch leiden, so oft diesen die Erde berührt.
115 : (1) Aber grün in den
(2) Nimmer eigenen Schatten und die süßen Pfade der Heimath
1 1 6 : Regeln; Gebäuden gleich stehen die Bäum und Gebüsch
117 : Nimmer, und goldnes Obst, und eingerichtet die Wälder,
20 1 1 8 : Aber auf weißer Haide Blümlein,
1 1 9 : Da es dürr ist; (1) auch Grün
(2) das Grün [auch] aber ernähret das Roß
120 : Und denWolf, in derWildniß, (1) aber (a) des Ursprungs
(a) Denkt man schwer
25 (ß) Eines Reinen denkt
(b) des Todes denkt Einer
(c) der Palmen
(d) der Wunder denket
(2) der Geheimnisse denkt man
30 1 2 1 : schwerundder[Haus]JugendHaus (1) fasset
(2) fassendieSehernichtmehr.
121 a : (z. T. ebenfalls über v. 121):
Aber doch etwas gilt, (1) [lebende]
(2) auch , in reiner Regel
35 (3) für sich, allein auch die Regel, die Erde.
605
9 0 - 9 f Brod und Wein
122 : (1) Daß
(2) Eine Klarheit, die Nacht, (a) das ihr Feindliches kennt
(h) das und das Ruhige kennt
1 2 3 : Ein Verständiger wohl, ein (1) V
(2) Fürstlicherer, und zeiget 5
124 : (1) Daß ihr Göttliches wohl sei
(2) Göttliches, ihrs auch sei lang, wie der Himmel und tief. H ^ ^
1 2 9 Als] gesir.; darüber: Und zu lezt] zulezt H'^ 1 3 0 verkündet']
verkündet H^ 133 wir nach gestr. ims H^"' 1 3 4 Freude, mit Geist]
unterstrichelt H^'' 1 3 4 Denn iis 135 Menschen] unterstrichelt H^^ 10
1 3 4 - 1 3 6 :
1 3 4 : (1) kaum, eh und es gehet das Schiksaal
(2) Aber (a) sehr
(b) es bricht kaum reuend und reißet zurük
(c) wie Waagen bricht, fast, eh es kommet, das Schiksaal 15
(3) Aber, wie Waagen bricht, fast, (a) es
(b) eh es kommet,
(c) eh (ej) kommet das Schiksaal
1 3 5 : (1) Eine Wüste,
(2) Daß (a) entschlüpft 20
(h) sich krümmt der Verstand daß nimmer das Forschen
Aufgeht,
(3) Auseinander beinah, (a) daß
(h) und Untheilbares zu deuten
1 3 6 : Vor Erkentniß, auch lebt, aber (1) errettet, ein Dank. 25
(2) es sieget der Dank.
1 3 7 ists vom Lichte geseegnet,] ists auch Gaabe des Lichtes, H^ vom nach
gestr. auch H^" 138 donnernden] unterstr. 1 4 0 Zeit,] Zeit H°
1 4 1 den Weingott] (1) den Herbstgeist (2) des Weinsgeist (: verschrieben
itaK Weins Geist; H ^ ^ 30
143 &\iS,]aMsH^ 1 4 6 liebt,] liebt i / a 1 4 7 bleibet aus bleibt i / ^ «
selbst nach gestr.: die Spur H^"'
1 4 7 bleibet bis 148 bringt.]
(1) Götterlosen unterstrichelt; darüber: Vaterlosen H^^
(2) Götterlosen unterstrichen H^'' 55
606
Brod und Wein 9 0 - 9 5
(5) bleibet indeß die (a) Vcstc der
(b) erkrankte Erde der Gott hält
Langsam donnernd und Lust unter das Finstere bringt. H ^ ' '
(4) bleibet. Vergnügt ist nemlich der in der Wildniß
5 Auch. Und süßer Schlaf bleibet und (a) Garten
(b) Bienen und Mahl. (später)
149.150 : (1) Was der Alten Gesang von künftigem Leben geweissagt,
Siehe! wir sind es, wir; Orkus, Elysium ists. H ^ "
(2) künftigem Leben unterstr.; darüber: Kindern Gottes
10 die erste Pentameterhälfte wird zu unterstricheln angefangen, dann
ganz unterpunktet; Orkus, Elysium unterstr. u. gestr.; schli^lich
Hesperien über Elysium H^'
(3) Text W
151 ists als an Menschen erfüllet,] ists, als an Menschen, erfüllet; H ^
15 152-156: I : 1 5 2 : Glaube, wer es geprüft! aber so vieles geschieht,
153 : Keines wirket, denn wir sind herzlos, Schatten, bis unser
154 : Vater Aether erkannt jeden und allen gehört.
155 : Aber indessen kommt, als Freudenbote, des Weines
20 156 : Göttlichgesandter Geist unter die Schatten herab. . T^o
I I : 152 geschieht] unterstr.; darüber erscheint H^^
153. 1 5 4 beide Verse unterstrichelt
153 : {Keines wirket), bei uns bis der ätherische Vater
1 5 4 : Unter Donnern dann (jeden und allen gehört.) H^^
25 Zu Beginn der beiden Verse zwei diagonale Tilgungsstriche mit
Bleistift, die wohl den Bleistiftänderungen gelten, da diese von
der Reinschrift H^ nicht berücksichtigt werden.
I I I : 152 aber so vieles] unterstr. H^' 155 Freudenbote] unterstrichelt;
dann darüber einsetzend: Fakelschwinger des Höchsten / Sohn,
50 der Syrier,
I V : 152 : Glaube, wer es geprüft! aber so vieles geschieht
1 5 3 : Keines- wirket, denn wir sind herzlos, Schatten, bis unser
154 : Vater Aether erkannt jeden und allen gehört.
155 : Aber indessen kommt als Fakelschwinger des Höchsten
35 156 : Sohn, der Syrier, unter die Schatten herab, i^^«*
607
9 0 - 9 f Brod und Wein
V : 152 aber Kl 154 gehört . ] u n f e r i t r . 1 5 5 Aber indessen k o m m t ]
unterstrichelt H^^ indessen k o m m t ] darüber: mit allen H i m m -
lischen k o m m t H^^ (früher als die folgende Variante)
V I : 152 : {Glaube, wer es geprüft!) nemlich zu Hauß ist der Geist
153 : Nicht i m Anfang, nicht an der Quell. (1) [Das Lebenslicht] 5
(2) Ihn zehret die Heimath
1 5 4 : Kolonie[n] l iebt, und tapfer (1) Ver
(2) Vergessen der Geist.
155 : Unsere Blumen erfreun imd die Schatten
(: verschrieben statt Schatten^ unserer Wälder 10
1 5 6 : (1) Den (a) Entschlafnen und
(b) Entschlafnen. Und fast (a) wäre der Seher gebrannt.
(ß) hätte
(2) Nun
(3) DenVerschmachteten. Fast wär der Beseeler verbrandt . i^ ' " ' 15
1 5 9 . 1 6 0 : So lang währt' es. Aber es ruhn die Aug[e]en der Erde.
Die allwissenden auch schlafen die Hunde der Nacht. H ^ ^
Erläuterungen
Vgl. die für die Zeit ihrer Entstehung erstaunliche Gesamtdeutung von Emil Petzold:
Hölderlins Brod und Wein. Ein exegetischer Versuch (Sprawozdanie dyrehcyi c. k. 20
gimnazyum Arcyksiezniczhi Elzbiety w Samborze 1896, 1897; SO u.llO Seiten). -
Petzold druckt 1896 S.9-1! den Text nachH^ genauer ab als Müller- Rastatt.
Widmung: Gemeint ist Wilhelm Heinse (1746—180S), dem ursprünglich auch
Der Rhein gewidmet war (vgl. dort die Lesarten zur Widmung und zu v.212). Das
Motto der Hymne anßie Göttin der Harmonie ist Heinses Ardinghello entnommen 25
(vgl.l, 439, 21—26). Diesem Roman verdankt der Hyperion viel. — Im Sommerl796
reiste Hölderlin mit Diotima und Heinse, um dem Kriege auszuweichen, über Kassel
nach Driburg (vgl. die Erläuterung zu Emilie vor ihrem Brauttag v. 191 (1, 602 f.).
— Noch die späten hymnischen Entwürfe gemahnen immer wieder an Heinse; vgl. nur
{An die Madonna') v.l09, {.. der Vatikan...} v.1—11, Griechenlarui, I.Fassung, 30
v.lS f . und die Erläuterungen z. St. — Über Hölderlins Verhältnis zu Heinse siehe
Theodor Reuß: Heinse und Hölderlin, Diss. Tübingen 1906.
Die Elegie baut sich deutlich aus 3x3 Strophen auf. Die Strophen sind zumeist in
sich wieder in 3 x 3 Distichen gegliedert.
608
Brod und Wein 9 0 - 9 5
1—18 : y^on Seckendorf willkürlich als selbständiges Gedicht abgetrennt und ver-
öffentlicht (J), nicht aber für sich und früher entstanden als die übrigen Strophen:
das geht aus dem Entwurf (H^) deutlich hervor - vgl. die Lesarten.
Pie erste Strophe hat als Gedicht mit der Überschrift Die Nacht auf Clemens Bren-
5 tano tief gewirkt: vgl. seinen Brief an Philipp Otto Runge vom 21. Januar 1810,
Gesammelte Schriften, hg. von Christian Brentano, Bd. 8, Frankfurt a.M. 18SS,
S. 139; femer den Brief an Luise Henscl vom Dezember 1816, Gesammelte Schriften
8,216-218; Gockel, Hinkel und Gackeleia, Gesammelte Schriften, Bd.S, 18S2,
S. 181: denn, horch, jetzt kam aucli ein Wehen und regte die Wipfel des Hains
10 auf; sieh, und das Ebenbild unserer Erde, der Mond, kam da geheim nun auch;
die Schwärmerische, die Nacht kam, trunken von Sternen und wohl wenig be-
kümmert um uns glänzte die Erstaunende dort, die Fremdlingin imter den
Menschen, über G ebirgsanhöhn traurig und prächtig herauf! - Über Hölderlins
Einfluß auf Brentano siehe Walther Rehm: Brentano und Hölderlin, Hölderlin-
15 Jahrbuch 1947, S.127-178.
Die Begegnung mit dem Fragment Die Nacht in einem Schullesebuch bezeichnet
Hermann Hesse als den Augenblick, der ihn vielleicht zum Dichter hat werden
lassen. Er bekennt: Nie mehr; so viel imd so begeistert ich auch als Jüngling las,
haben Dichterworte mich so völlig bezaubert, wie diese damals den Knaben.
20 Und später... fiel... jenes erste Erstaimen meiner Knabenseele vor der Kunst
mir wieder ein (Die Nürnberger Reise, Berlin (1927), S. 61-63).
1 Rings um ruhet] Vgl. Die Muße v.23: ringsum ruhen;/crner Abendphantasie
v. 6-8.
2 rauschen] Vgl. die Erläuterung zu Heidelberg v. 8.
25 l O Immerquillend] Fgl.Palinodiev.l6 (Lesarten): quillte; (Versöhnender der du
nimmergeglaubt...), l.und 2.Fassung, v.l7: quillten; Germanien v.74: sie (juil-
len. Analogiebildung nach der 2. und 3.Person Singularis Praes. (quillst, quillt) statt
quellen, quellend, quollen. Vgl. Wieland, Hermann (Akademie-Ausgabe Abt.I Bd.l
S.137—217), I.Gesang v. 327 f.: hier siehst du Vor deinen Augen die Ströme
30 versprochner Vergnügungen qvillen; 2.Gesang v.8Sl: ein qvillender Bach;
Oberen 8, 22: daß... Balsam... quille; Goethe, Faust v.l210 f.: schon fühl'
ich, bei dem besten Willen, Befriedigung nicht mehr aus dem Busen quillen;
V.1663: Aus dieser Erde quillen meine Freuden; v. 3791: Regt sich's nicht quil-
lend schon... ?
35 17 die Erstaunende] Vgl.Chiron v.4: die erstaunende Nacht. - Transitiv, im
609
9 0 - 9 f Brod und Wein
Sinne von »erstaunlich«: nicht die Nacht erstaunt über etwas, sondern sie erstaunt
die Menschen, ruft Erstaunen in ihnen hervor.
Fremdlingin] Vgl. Hyperion 2, 97: nun gieng sie (Diotima), eine Fremdlingin
Vinter den Knospen des Mais; DerTod des Empedokles, I.Fassung, letzte Szene:
(Pausanias: Er sandte mich hinweg...) Die edle Fremdlingin, die ihn / Nur 5
Einmal sieht, ein herrlich Meteor; {An eine Fürstin von Dessau) v.2S: heilige
Fremdlingin!; Am Quell der Donau v.40; Grimms Deutsches Wörterbuch IV1, 1,
Iii bringt einen sehr frühen Beleg: Harnisch aus Fleckenland, d. i. Don Kichote de
la Mantzscha, aus dem Spanischen ins Hochteutsche versetzt durch Pahsch Basteln
von der Sohle, Hofgeismar 1648, S.164: Frembdlingin in derWelt; vgl. auch 10
Schiller, Maria Stuartv.2364f.: Ihr habt mich stets als eine Feindin nur Und
Fremdlingin betrachtet (Schiller schreibt schon im Venuswagen v. 229: Lüst-
linginj.
1 9 der Hocherhabnen] Anaphorisches Attribut der Nacht v. 1S, ebenso wie die Er-
staunende r. i 7. 15
2 3 dich] Heinsc ist angeredet. Siehe auch v. 109: Freund l; v. 12}: sagst du.
3 1 in der zaudernden Weile] Hier zuerst wird der Begriff der Nacht, des Finstem
(v. 32), ausdrücklich erweitert auf die Zeit zwischen dem griechischen Göttertag und
dem künftigen.
3 4 das strömendeWort] Vgl. Stutgardv. 1 ö2;undheiligersoll sprechen das küh- 20
nere Wort. Siehe auch in Brod und Wein v.)/ den Komparativ: kühneres Leben.
3 5 Schlummerlos] Prädikat zu dem auf Wort bezüglichen das v.)4. Die inetrische
Stellung, zu Beginn eines neuen Distichons, gibt dem Wort einen besondem Ton.
3 6 Gedächtniß] Gewisse Einschränkung der Vergessenheit v.ii, jedoch kein
Widerspruch — vgl. Stutgard v. 82f.: der Miihn / Süße Vergessenheit bei gegen- 25
wärtigem Geiste; wachend zu bleiben; nicht bloß als finaler Infinitiv mit Ge-
dächtnii3 zu verbinden, sondern resümierend auf den ganzen Zusammenhang zu be-
ziehn; gleichzeitig eine positive Entsprechung und Steigerung der an sich schon
stark betonten Negation Schlummerlos. So wird der — zuweilen (v.2S) — rück-
wdrtsgewandte Blick des seherischen Dichters gerechtfertigt: das Gedächtniß des 30
Vergangenen (in dieser Elegie: Griecherüands) ist hier geradezu das Mittel, sich
wachzuhalten für die Aufgaben der Zukunft; vgl. Der Rhein v. 206—209.
3 7 - 4 1 Petzold (1897 S.41) führt aus Schleiermachers Reden Über die Religion
bedeutsame Parallelen an, z.B.: Nur daß die Zeit der Zurükkhaltung vorüber sei,
und der Scheu. Die Religion haßt die Einsamkeit, und in ihrer Jugend zumal, 35
610
Brod und Wein 9 0 - 9 5
welche ja für alles die Stunde der Liebe ist, vergeht sie in zehrender Sehn-
sucht (Sämmtliche Werke, Erste Ahtheilung, Bd.l, Berlin 1843, S.438); Warum
sollten sie sich auch etwas verbergen gegenseitig? (S.3fS).
3 9 Freude] Vgl. die Erläuterung zu Menons Klagen um Diotima v.l07. Die
5 Freude ist in Brod und Wein oft genannt: v. 3, 39, 78, 104, 133, 134, 136, 138;
IS5 fi-"»; vgl. die Lesarten).
4 0 . 4 1 Zeichen des Himmels auch singen bei Tag und bei Nacht, Witterun-
gen (H^^: vgl. die Lesarten)] Das Wort Witterungen ist in einem engem Sinn
zu verstehn, als Ableitung von wittern, wie es in dem Brief an die Schwester vom
10 4. Juli 1798 gebraucht ist: wenn es reegnet tmd wittert. Vgl. Germanien v. 6—11;
(.Was ist der Menschen Leben...} v.7—11; die Erklärung des Pindar-Fragments
Vom Delphin: Der Gesang der Natur, in der Witterung der Musen, wenn über
Blüthen die Wolken, wie Floken, hängen... (siehe Friedrich Beißncr: Hölder-
lins Übersetzungen aus dem Griechischen, Stuttgart 1933, S.S3 f.). Zeichen ist
15 wohl nicht als Akkusativ und Objekt aufzufassen, sondern als Nominativ und Prä-
dikativ: r>Als Zcichen... singen Witterungen«. Das Subjekt des Satzes ist mithin
Witterungen, und singen steht absolut, im Sinne des lateinischen canere: ver-
künden, weissagen.
4 1 Aufzubrechen] Durch die metrische Stellung, zu Beginn eines neuen Distichons
20 und am Erule des Satzes, stark betont. Vgl.v.3S Schlummerlos. — Siehe auch die
vierstrophige Ode Lebenslauf v. 16.
das Offene] Kempter Anm.70 sammelt die Belege für dieses »Lieblingswort<t
Hölderlins.
4 2 Eigenes] Gegenüber der zu Zeiten notwendigen sich ins Allgemeine verströmen-
25 den Vergessenheit (v.33), also kein Widerspruch zu Stutgard v.29 f .
4 7 spotten des Spotts] Vgl. Jean Paul, Hesperus (Akademie-Ausgabe Abt.IBd. 3)
116, 2: spottend über den Spott.
Wahnsinn] Die göttliche, musische Begeisterung, von der Plato im Phaedrus 24 Sa
spricht: daid MovaCm xaioxaixT^ te xal fiavia.
30 4 8 in heiliger Nacht] Vgl. v.124 und Lebenslauf v.S und die Erläuterung z.St.
4 9 Isthmos] Gemeint ist der Isthmos von Korinth. Der Parnaß bei Delphi liegt
am Nordufer des Golfs von Korinth nur wenig landeinwärts. Hyperion schildert im
ersten Brief den Blick von den Höhn des Korinthischen Isthmus und erwähnt auch
den Parnaß. Zu dem Schnee vgl.Menons Klagen um Diotima v.114 und dieErläu-
35 terung z. St.
611
9 0 - 9 f Brod und Wein
51 des Olymps] Doch wohl des Berges, auch wenn dieser Name aus dem engeren
Umkreis der sonst an dieser Stelle genannten etwas weiter nach Norden führt. Ge-
meint ist das ganze Griechenland. Petzolds Erklärung, es handle sich hier um die-
selbe Metonymie wie im Wanderer (vgl. dort die Erläuterung zu v.2 der ersten Fas-
sung), ist wenig wahrscheinlich. 5
Cithäron] Ein Gebirge an der Südgrenze Böotiens gegen Megaris und Attika, Schau-
platz der van Theben ausgehenden bacchischen Orgien, natllS... ad Sacra Cithae-
ron (Ovid, met. 2, 22S); vgl. Am Quell der Donau v. S7.
53 Thebe] Diese Nymphe (Quellgöttin) ist die Geliebte des böotischen Flußgottes
Asopos; sie wird von Ovid, amor. S, 6, }), erwähnt: Martia Thebe. 10
Ismenos] 'la/irjvög, ein Fluß in Böotien bei der Stadt Theben, ebenfalls bei Ovid
vorkommend, met. 2, 244 (Phaethon): Et celer Ismenos cum Phlegiaco Ery-mantho. Vielleicht ist die Iktierung des Namens in diesem Vers (Ismenös) daran
schuld, daß Hölderlin den Namen, den er nach sonst beobachteten Grundsätzen auf
der mittleren Silbe betonen müßte, hier als Daktylus behandelt. Auch bei Euripides, 15
Bacch.v. S, steht der Name so im Vers wie bei Ovid; Hölderlin übersetzt daher: Bin
ich bei Dirzes Wald, bei Ismenos Gewässer; entsprechend Oed. Tyr. v. 21.
Kadmos] Gründer der Burg der späteren böotischen Stadt Theben (vgl.Sophokles,
Oed, Tyr.v.l, in Hölderlins Übersetzung: O ihr des alten Kadmos Kinder, neu
Geschlecht;. 20
die Quelle der Dirze (vgl. die Lesarten)] Nordwestlich der Stadt Theben. — Es sei
darauf hingewiesen, daß der Übersetzungsfehler aus denBakchen: Wald /ür vdßaxa
statt » Quelle(n)« (Verwechselung mit VBßog: Hain — so von Hölderlin, Ajax v. 413,
übersetzt) nicht weitergewirkt hat. Vgl. auch Antigonä v. 107.
54 der kommende Gott] Dionysos, der Weingott (vgl. die ursprüngliche Über- 25
Schrift dieser Elegie), kommt aus dem Lande des Kadmos, aus Theben. Seine
Mutter ist Semele, die Tochter des Kadmos. Dorthin, in seine Heimat Theben (Baccho
Thebas... insignis: Horaz, carm.l, 7,3) deutet der Weingott zuiük; ihr gelte dar-
um das Gedächtniß (v.S6) während der Zeit, bis unser Vater Aether erkannt
jeden imd allen gehört (v.lS3 f.); denn so lange ist Dionysos der kommende 30
Gott: siehev.141 f., auch besonders v.lSf f . in der ursprünglichen Fassung (H^"):
Aber indessen kommt, als Freudenbote, des Weines Göttlichgesandter Geist
unter die Schatten herab. — Die 4.Strophe richtet den Blick dann sogleich wieder
von dem engem Umkreis Thebens auf das ganze Griechenland, wie es die Wendung
vom Land des Olymps (v.Sl) schon vorbereitet hatte. 55
612
Brod und Wein 90-95
57 . 5 8 Man darf wohl nicht, um den Vergleich des Landes mit einem Saal deutlich
zu machen, Stutgard v. 3 heranziehn, wie es Petzold tut; denn dort ist wirklich der
Saal eines Hauses gemeint, dessen Läden und Fenster wieder offen sind, nachdem der
Regen die Luft abgekühlt hat. Auch besteht eine Abhängigkeit von dem Lied der
5 Parzen in Goethes Iphigenie auf Tauris nur scheinbar; denn dort sind v.17 34—17 36
die Stühle oberhalb der Menschenwelt auf Klippen und Wolken , um goldene Tische,
die nicht durch die Berge oder Klippen dargestellt werden, bereitet — hier aber ist das
Land selbst ein festlicher Saal, ein Haus der Himmlischen, und die Berge seihst
sind Tische (vgl. die letzten Fassungen des Patmos-Gesangs, wo v. 30 von Tischen
10 die Rede ist, während die erste Fassung von Gipfeln spricht). Darum können die
Thronen v.S9 keinesfalls mit den Stühlen in dem Parzenlied in Beziehung stehen.
Es sind keine Riesenstühle zu den bergehohen Tischen. Der Vergleich ist vielmehr mit
V.S8 zu Ende, und von v.S9 an gilt wieder der gewöhnliche Maßstab.
5 9 Aber ] Vgl. die Erläuterung zu v. 99.
15 Thronen] Diese Pluralform (statt der heute allein gebräuchlichen »Throne«) war
früher nicht selten; vgl.Hyperion 2, 103: die Thronen der Ältesten; Goethe, Die
natürliche Tochter V.9S2: an dem Fuß der festen Thronen. - Es ist nicht auszu-
machen, ob Königssitze oder die Sitze der Götter in den dann genannten Tempeln
gemeint sind. Diese Tempel sind wohl nicht, wie Petzold will, Apposition zu den
20 Thronen, ebensowenig ist »der Gesang als Ge fäße auf den Tischen« zu verstehn.
Die Gefäße sind ganz unbildlich die gottesdienstlichen Geräte in den Tempeln wie
in dem Gesang Der Mutter Erde v.58 f . die Schaale des Danks Und Opfergefäß
und alle Heiligtümer. Die Wendung mit Nectar gefüllt ist nicht mit den Gefäßen
zu verbinden, sondern mit dem Gesang; so sagt Pindar, Olymp.?, 7—9: xai iyd)
25 vixTQQ xvröv, Moiaäv ööaiv, äe&7iog)6ootg ävÖQdaiv nißJtcov, yZvxvv xagndv
g)Qev6g, IXdaxOßai: »und ich, flüssigen Nektar (das heißt: meinen Gesang, mein
Gedicht), der Musen Gabe, kämpf preistragenden Männern sendend, die süße Frucht
des Geistes, mache sie mir geneigt«. Hölderlin hat dieses Gedicht Pindars zwar nicht
übersetzt, doch kannte er es genau; denn er beruft sich in der Abhandlung (Über den
30 Unterschied der Dichtungsarten) darauf (an den Fechter Diagoras^. - Vgl. Am
Quell der Donau v. 107: Ihr aber würzt mit Nectar uns den Othem.
6 1 die femhintreffenden Sprüche] Das folgende Delphi erläutert sie als Sprüche
des delphischen Orakels; femhintreffend ist bei Homer eines der stehenden Beiwörter
des delphischen Gottes Apollo (ixrjßdXog).
35 6 3 das schnelle] Vgl. Virgil, Acn. 12, S07: fata Celerrima. Auch die Göttin-
613
90-9f Brod und Wein
nen des Geschiks sind schnell: Elegie v. 67 (Lesarten): von schnellen Parzen er-
griffen. Siehe auch Pindar, Olj-mp. 2, 73, wo Hölderlin dfet' 'Egivvvg übersetzt:
die schnelle Erinnis; femer Jntigonä v. IISO (1103) f.: Denn in Kürze faßt
den Schlimmgesinnteu Die schnellgefüßte Züchtigung der Götter (•&eä>v
nodutneiQ.. BMßm). 5
6 5 Vater Aether ] Der hier dargestellten Vergangenheit entspricht v.lSS f . die er-
hoffte Zukunft. — Vgl. im übrigen die Erläuterung zu v. 98 der zweiten Fassung des
Wanderers.
6 6 es ertrug keiner das Leben allein] Vgl. Die Titanen v.46: Denn keiner trägt
das Leben allein; auch Stutgard v. 94: Daß sie tragen mit i h m all die beglüken- 10
de Last.
6 7 Ausgetheilet] Vgl.Emilie vor ihremBrauttag V.S6S—S68: Doch gerne theilt
Das freie Herz von seinen Freuden aus, Der Sonne gleich, die liebend ihre
Stralen An ihrem T a g ' aus goldner Fülle giebt ; Ermunterung v.22 f.: W o sie,
des Himmels Sonne sich ausgetheilt I m stillen Wechse l sieht (ähnlich in der 15
I.Fassung).
6 8 schlafend] Die einigeruie Begeisterung des Volkes, zu dem die Himmlischen ein-
kehren, wächst und erstarkt von selbst; die Gewalt des einigendenWortes nimmt nicht
etwa mit der Zeit ("alternd H^") ab, sie wächst schlafend, ohne besondres Zutun.
6 9 Vater! he i ter ! ] Das einigende W o r t ist Vater Aether - vgl. v.lS3 f.; für 20
Aether wird dann (vgl. die Lesarten) endgültig heiter eingesetzt. Hölderlin mochte
nicht nur eine klangliche Verwandtschaft dieses Wortes mit Aether (dv&ifjQ) emp-
finden, sondern auch eine bedeutungsmäßige - wie Heinse, in dessen Hildegard von
Hohenthal (Sämmtliche Werke, hg. von Carl Schüddekopf, S.Band, Leipzig 1903,
S:39) es heißt: Er {Lockmann) hatte den Tag Bewegung genug gehabt, und 25
ging, als schon die Lyra über i h m durch das blaue Heiter der Luft glänzte,
nach Hause.
6 9 . 7 0 das uralt Ze ichen] Apposition zu dem wachsenden W o r t . An dem Zeichen
erkennen sich die Zusammengehörigen. — Die Verwendung des endungslosen (sub-
stantivischflektierten) Adjektivs in attrihutiver Stellung nach bestimmtem Artikel ist 30
zu Hölderlins Zeit schon selten (»ein« uralt Zeichen wäre, als Neutrum, auch heute
nicht anstößig). Ahnlich verwendet er das endungslose adjektivische Attribut auch
beim Possessivum in dem Entwurf (,. der Vatikan...y v.ll: Mein ehrlich Meister ;
entsprechend beim Masculinwn des unbestimmten Artikels in dem Entwurf ( . . meinest
du I Es solle gehen...y v. 14: Ein ehrlich Meister. 35
614
Brod und Wein 9 0 - 9 5
7 3 Unempfunden] Die Gegenwart der Himmlischen wird den Menschen nur all-
mählich hewußt: kämen sie sogleich in Wahrheit (v.81) selbst (v.82), so wäre das
den Menschen gefährlich; vgl. den ersten Ansatz zur S.Strophe (H^): damit nicht
sie crdrüke der Seegen von ihnen; Der Archipelagusv.2)l—244, II. Ansatz (H'">)
5 Zeile 9 f.: damit . . . die Gewalt nicht / Hoch her s tün ' und zertretend auf Trüm-
mer falle der Seegen.
streben entgegen] Petzold (1897 S.62) weist wieder — s. die Erläuterung zu
V. 37—41 — auf Schleiermachers Reden Über die Religion hin. Jedoch scheint er
Hölderlin und Schleiermacher mißzuverstehn, wenn er das Entgegenstreben (bei
10 Schleiermacher 184 S S.424) als ein Widerstreben deutet und Apostelgeschichte 7, 51
als Parallele anführt. Schleiermacher meint, es sei die ursprüngliche Anschauung des
Christentums, daß alles Endliche der Einheit des Ganzen zustrebe, und Hölderlin
will sagen, daß zunächst nur die unmündigen Kinder unbewußt den Himmlischen zu,
ihnen entgegen streben. Wollte man eine Bibelstelle nennen, so wäre an die Geschichte
15 von Christus und den Kindern zu denken (Matth. 19,14; Marc.10,14; Lüh. 18,16).
7 7 der Muth von ihnen] Der van ihnen ausgehende, den Menschen eingeflößte
Mut.
8 2 — 8 6 Diese Stelle ist durch irreführeruie Interpunktion der bisherigen Ausgaben,
die V. 84 außer dem in den Handschriften (H^, H^) nach Derer stehenden Komma
20 nur eines nach genannt, nicht aber auch nach welche gesetzt haben, immer wieder
dem heillosesten Mißverständnis begegnet: schon längst Eines und Alles genamit
wurde nicht als Parenthese erkannt, und so findet man gelegentlich Zitate, die mit
V. 84 abbrechen (z.B. bei Böhm II S34); unter demselben Blichzwang ist Bochmann
S.S60 genötigt, das Antlitz Derer als die Gesichte (Visionen) der Halbgötter zu ver-
25 stehen, die etwas »als ,Eines und Alles'' erkannt haben«, was doch ganz unwahr-
scheinlich ist. Übrigens hat Petzold (1896 S. 8) schon die deutlichere Interpunktion
vorgeschlagen. — Eine Umschreibung mag den Sinn der Verse ganz deutlich machen:
Die Menschen werden des schweren Glücks und des anfangs zu hellen Tags endlich
gewohnt, sie werden gewohnt, die bisher verborgenen Himmlischen, die nun offenbar
30 sind, zu schauen, werden gewohnt, das Antlitz derer zu schauen, welche (sie sind
schon längst von den Menschen mit der pantheistischen Formel Eines und Alles,
iv xai näv,genannt worden)die verschwiegeneBrust desEinzelnen mit freier Genüge
erfüllt haben; diese nämlichen göttlichen Mächte, bisher unpersönlich pantheistisch
erfühlt, erscheinen also nun in Wahrhei t (v. 81), persönlich als sie selbst (v. 82),
35 als Gestalten, und die dann nicht mehr vereinzelten Menschen schauen sie von Angesicht
615
9 0 - 9 f Brod und Wein
zu Angesicht, als Gemeinde, als Volk, das sich nun in der Gegenwart der Himm-
lischen in herrlicher Ordnung aufrichtet (v. 9S f.).
9 7 die schönen Tempel und Städte] Vgl.DerArchipelagus v.S8: mit den schö-
nen Tempeln und Städten; auch im nächsten Vers begegnet hier wie da das Wort
Gestade; sie v. 98 meint die Tempel und Städte. 5
9 9 Aber wo sind sie ?] Hier ist der Gedankengang wieder, auf einer höheren Ebene,
dort angelangt, wo er v.S9 unterbrochen worden ist. Inzwischen ist das Sein durch
das Werden dargestellt, das Wesen der Götter durch die allmähliche Auswirkung ihrer
Einkehr hei den Menschen. Dabei ist zu beachten, daß sich die Erwägung mehr und
mehr von Griechenland entfernt hat: die 5, Strophe spricht eigentlich nicht von der vor 10
Jahrtausenden geschehenen Epiphanie der griechischen, sondern von der in neuer
Zeit möglichen und erhofften Einkehr der kommenden Götter. Erst da die Schilderung
wieder bis zum Höhepunkt der Beziehung zwischen Menschen und Göttern gediehen
ist, wendet sich der Blick wieder nach dem vergangenen Griechenland. So wird in
echt elegischer Weise Gegenwart und Vergangenheit, Wirklichkeit und Ideal zuein- 15
aruler in Beziehung gesetzt.
die Bekannten, die Kronen des Festes] die Bekannten ist ein an sich adjektivi-
sches, aber nach Hölderlins Art verselbständigtes, darum auch groß geschriebenes
Attribut; vgl. v.lS: die Schwärmerische, die Nacht. — Mit den Kronen sind die
in den folgenden Versen genannten Städte gemeint, erhabene Sinnbilder der festlich- 20
sten Zeit des Griechentums; es ist nicht etwa auf ein bestimmtes Fest hingedeutet (man
dürfte allenfalls an das Brautfest der Menschen und Götter denken — Der Rhein
v.lSO; vgl. auch Brod uTul Weinv.lOS: das himmlische Fest^; wahrscheinlicher ist
die Deutung nach der von Klopstock gegebenen Regel, man solle die Benennung statt
des Beiwortes brauchen (siehe die Erläuterung zu v. 1 der Weisheit des Traurers 1,402), 25
und in der Tat klänge die (metrisch sogar bessere) Wendung »die bekannten fest-
lichen Kronen« nicht nur trivial, auch nähmen sich die Beiwörter gegenseitig den
Ton, so daß keines mit der vom Dichter gewollten Eindringlichkeit wirken könnte. —
Griechenland heißt schon v. H ein festlicher Saal.
1 0 0 Thebe] Die singularische Form Qrißr] (statt 0?jj3at ; ist für das böotische The- 30
ben eigentlich nicht gebräuchlich, wird aber schon von griechischen Dichtem auch
auf diese Stadt übertragen.
rauschen] Vgl. die Erläuterung zu Heidelberg v. 8.
1 0 7 . 1 0 8 Die erste Erwähnung Christi in diesem Gedicht — an bedeutsamer Stelle:
am Schluß der mittleren Trias und im Übergang zur dritten — geschieht unendlich 35
616
Brod und Wein 9 0 - 9 5
zart und verhüllt, so sehr, daß Petzold sie nicht bemerkt, sondern erwägt, welche Tra-
gödie des Euripides mit einer Gotteserscheinung am Ende hier gemeint sein könnte:
der Hippolyt oder die Eakchen. Christus erscheint damit so recht als Angehöriger der
Olympischen, als der Letzte ihres Geschlechts und das Kleinod ihres Hauses (Der
5 Einzige, I.Fassung v.ii f., 2.Fassung v. iS f.). Das Wort tröstend kehrt bei der
zweiten Erwähnung Christi v. 130 wieder.
1 0 9 —124 Diese Strophe hat ein Distichon zu wenig — vgl. die Lesarten; auch den
Gang aufs Land v. 22a (Lesarten).
1 0 9 Freund! ] J/eirtie ist ang'eredct.
10 1 1 0 iiher dem Haupt] Vgl. Die Liebe V.7 f .
112 schonen] Mit einem Anflug von Ironie gesagt; vgl. Dichterberuf v. 64 und die
Erläuterung zu v.S}-64. - Vom schonenden Verhalten der Himmlischen ist auch
sonst, ohne Ironie, die Rede: vgl.Heimkunft v. 2S f.: kundig des Maases, Kundig
der Athmenden auch zögernd und schonend der Gott ; (Versöhnender der du
15 nimmergeglaubt...), I.Fassung, v. 44—49; 2.Fassung, v. Sl—Sh Denn schonend
rührt, des Maases allzeit kundig Nur einen Augenblik die Wohnungen der
Menschen Ein Gott an. - Petzold weist hin auf Joh. 16, 12 f.: Ich habe euch
noch viel zu sagen, aber ihr könnet es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener, der
Geist der Wahrhei t , kommen wird, der wird euch in alle Wahrhei t leiten.
20 1 1 6 Hil ft , wie Sch lummer ] F^/.J/jpcrion Der T o d ist ein Bote des Le -
bens, und dafl wir jezt schlafen in unsem Krankenhäusern, diß zeugt vom
nahen gesunden Erwachen.
stark machet die Noth] Vgl. Das Schiksaal v. 2S-56 (1,184 f.).
1 1 7 in der ehernen W i e g e ] In der Not und der Nacht der Zeit vor dem neuen Göt-
25 tertag. — Von der Zeit geheimnißvoller W i e g e spricht schon die Hymne Dem
Genius der Kühnheit v. 71.
118 Dieser Vers, genau parallel dem vorigen, ist ebenfalls von der Konjunktion Biß
daß abhängig.
123 sagst du] Heinse ist angeredet wie v. 23 und 109. — Von der sonderlichen Auf-
30 gäbe der Dichter in dürftiger Zeit, währerui Baukunst und Bildnerei mehr urui mehr
an selbstverständlicher Ausdrucksmöglichkeit verlieren, mag in Gesprächen mit Heinse
oft die Rede gewesen sein, gemäß etwa Demetris Lobpreis der Dichtkunst im Ardin-
ghello, worin es (4. Auflage Leipzig 1924, S.194) heißt: Ich glaube, daß, wenn die
goldnen Zeiten der Griechen länger gedauert hätten, sie endlich alle Statuen
35 würden ins Meer geworfen haben, um des unerträglich Todten, Unbeweg-
617
90-9! Brod und Wein .
l iehen einmal ledig zu werden. — Des Weingotts heilige Priester sind auch in
der Ode Dichterberuf Vorbild für den Dichter, welcher der Eroberung Recht habe,
wie Bacchus, indem er als des Tages Engel die jetzt noch Schlafenden wecke und
ihnen die Geseze gebe und Leben. — Vgl. auch den Aphorismus, der mit dem Satz
beginnt: Meist haben sich Dichter zu Anfang oder zu Ende einer Weltperiode 5
gebildet. —Weingotts steht übergestr. Evios (H^'^): dieAnverwandlung.des mytho-
logischen Namens gelingt erst später durch die deutsche Wortendung — vgl. die Er-
läuterung zu v.S) der ersten Fassung des Einzigen: des Eviers. — Zu beachten ist die
in zwei aufeinanderfolgenden Versen an gleicher Stelle betonte Wiederholung des
Attributs he i l ig ; vgl. dazu v. S1 der zweiten Fassung des Wanderers: des heiligen 10
Tranks.
1 2 4 in heiliger Nacht ] Vgl. v. 48; ferner Lebenslauf v. S und die Erläuterung
z.St.
1 2 5 N e m l i c h ] Die ganze S.Strophe stellt die Begründung dar für die Bedeutung
des Weingotts und seiner Priester in der Zeit der Nacht. Wieder nennt genau der 15
vorletzte Vers (141) den Weingott , der ursprünglich auch in der Überschrift allein
genannt war. Erst als sein Bruder Christus v.lSS f . (H^', H^'')für ihn eintritt,
wird auch die Überschrift dem schon v.l} 1—138 berührten christlichen Sakrament
des Abendmahls angepaßt.
1 2 6 sie all] Die Götter. 20
1 2 9 ein stiller Genius] Christus wird hier zum zweiten Male erwähnt — vgl. v.
107fundlSff.
1 3 0 welcher des Ta^s Ende verkündet'] Vgl.Joh.9,4: I ch muß wirken die
W e r k e des, der mich gesandt hat, so lange es Tag ist; es k o m m t die Nacht, da
niemand wirken kann; Joh.l2, }f: Es ist das Licht noch eine kleine Zeit bei 25
euch. Wandelt , dieweil ihr das Licht habt, dai3 euch die Finsternis nicht über-
fal le ; auch Luk. 24, 29: Bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der
T a g hat sich geneiget. — Die Bezeichnung des von Christus am »Abend« des grie-
chischen Göttertags gestifteten Sakraments, des »Abend«.-Mahls, gewinnt also einen
ausdrücklichen Sinn. 30
1 3 1 er] Das ist der himmlische Chor, das Subjekt des Hauptsatzes. Die Gaaben
werden durch die Vermittlung Christi zurückgelassen, aber auch des Weingotts
(v.141).
1 3 3 wie sonst] Keineswegs, wie Petzold rügt, ein »recht unpassendes« »Flick-
wort«: Brot und Wein geben dem von den Göttern verlassenen Menschengeschlecht 35
618
Brod und Wein 9 0 - 9 5
die Möglichkeit, sich wenigstens dieser Abschiedsgaben wie sonst zu freuen, als die
Gegenwart der Himmlischen noch die Freude an allem erhöhte.
1 3 4 Freude, mit Geist] Vgl. die Erläuterungen zuv.}9 und zu Menons Klagen
um Diotima v.107; hierauch noch Römer 14,17: Denn das Reich Gottes ist nicht
5 Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit , und Friede, und Freude in dem
heiligen Geiste.
das Größre ] Was größer ist als die scheinbar geringen Ahschiedsgaben des h i m m -
lischen Chors; zu groß ist das geworden, weil es der menschlichen Freude nicht
mehr erreichbar ist wie sonst.
10 1 3 5 die Starken] Die v.117 f . genannten Helden und Herxen, die an Kraft den
Himmlischen ähnlich sind.
1 3 6 Dank] Petzold sammelt (1897 S. 82 f.) Belege für dies »von Hölderlin häufig
und eigentümlich gebrauchte Wort«: Die scheinheiligen Dichter v. 4; Emilie vor
ihrem Brauttag v. SS7—564; Der Prinzessin Auguste von Homburg v. 27 f.; (fleh
15 unter, schöne Sonne. ..)v.l0—16; Der Archipelagus v. 276;Heimkunft v. 42; Dich-
terberuf V. 47 und S8; Brief an die Mutter, im Juli 1800: so fühle ich eine Zufrie-
denheit und Ruhe, die ich lang entbehrte, und ich hoffe, es soll so bleiben, und
dieser Zustand werde einen vesten und frohen Dank gegen die theuem Meini-
gen und gegen meine Freimde in mir erhalten.
20 138 vom donnernden Gott ] Der heilige Bacchus, der Sohn des Zeus und der Se-
mele, ist die Frucht des Gewitters (QVie wenn am Feiertage...) v. S3). Vgl. auch
den Tod des Empedokles, }.Fassung, in der großen Rede des Greises: Denn wie die
Rebe / Von Erd ' und Himmel zeugt, wenn sie, getränkt / Von hoher Sonn',
aus dunklem Boden steigt, / So wächst er auf, aus L icht und Nacht geboren.
25 1 5 0 Frucht von Hesperien] In diesem Distichon eignet der Dichter begeistert dem
Aberulland das Erbe der Alten zu: wir, wir seien die Träger des geweissagten künftigen
Lebens (sieheli^'*). Orkus, Elysium ists; so lautete ursprünglich die zweite Penta-
meterhälfte. Das bedeutet: die Herrlichkeit des Griechentums ist nicht im freudlosen
Orkus untergegangen (vgl. noch den Archipelagus, v. 241!), ist nicht ohne Hojf-
30 nung der Wiederkehr vernichtet, sondern ist, leberjdig erhalten, in ein schöneres Da-
sein entrückt. Orkus ist Subjekt, Elysium Prädikativum: »was Orkus zu sein schien,
ist in Wahrheit Elysium, hat sich nun als Elysium erwiesen«; vgl.Hymne an die
Menschheit v.47: Auf Gräbern hier Elysium zu stiften; und auf einer andern
Ebene Wieland, Oberon 5, 8S: Nacht ist nicht Nacht für sie; Elysium / Und
35 Himmelre ich ist alles u m und um. — Hesperien, im Gedicht An die klugen Rath-
619
9 0 - 9 f Brod und Wein
geber v.lO (vgl. dort die Erläuterung 1, S}8) mit den Äpfeln der Hesperiden (vgl.
die Erläuterung zu v. 4 der Hymne an die Menschheit 1, 4S4) in Zusammenhang
gebracht, ist das Abendland. Horaz versteht carm. }, 6, 8 Italien darunter, ebenso
carm. 4, S, 38, während carm.l, i6, 4 Spanien Hesperia ultima heißt . Auch
Virgil begreift im engern Sinne Italien unter diesem Namen. Vgl. Rlopstock, Die 5
Trümmern (1794) v. 21: Drache ward der Gott , den u m Heilung Hesperien
anrief; auch in den Oden Der Bach (1766) v. 41 und An die rheinischen Republi-
kaner (1797) v. 8 ist Italien gemeint. Heinse preist die Zeiten des Saturnus von
Hesperien (Ardinghello, 4. Auflage Leipzig 1924, S. 91) und meint damit die
glückliche Vorzeit im außer griechischen Bereich. Bei Hölderlin tritt der zeitliche 10
Gegensatz, der Gegensatz zwischen alter und neuer Zeit hinzu: Griechenland bezeich-
net also den vergangenen Göttertag, Hesperien den künftigen Göttertag des Abend-
lands, im besondren Germaniens, Deutschlands.
152 —156 Zur endlichen Verwirklichung der so geivonnenen Hoffnung muß noch
eine Vorbedingung erfüllt sein: der Vater Aether muß von allen erkannt sein und 15
allen gehören, er muß eine in ihren Strebungen geeinte Gemeinde, ein im Angesicht
gemeinsamer Götter einiges Volk göttlich uinfassen. Bis dahin tröstet uns, als der
Bote künftiger Freuden, des Weines / Göttlichgesandter Geist (H^"). An die
Stelle des fVeingotts tritt dann in neuer Fassung Christus: des Höchsten Sohn, der
Syrier, aZi Pakelschwinger. Es geht kaum an, den Syrier mit Petzold (1897 S.93) 20
auch als den Weingott anzusehn; Petzold selbst deutet im folgenden an, daß Christus
hier an die Stelle seines Bruders, des Eviers (vgl. Der Einzige, I.Fassung v.SS,
2. Fassung v.S2, S.Fassung v.SS), getreten sein könnte. Der frohlokende Sohn
des Höchsten ist Christus in dem Gesang Fatmos, 1. Fassung, v.181. Die schlagende
Parallele aber konnte Petzold noch nicht kennen: {Versöhnender der du nimmerge- 25
glaubt...}, 2. Fassung, v. S9-42: aber o du, / Der freundlich ernst den M e n -
schen zugethan / Dort unter syrischer Palme / W o nahe lag die Stadt am
Brunnen gerne weiltest.. . — Die späteste Fassung (H^^) verdrängt dann die Ge-
stalt Christi wieder und setzt im Anschluß an den Aufruf Glaube, wer es geprüft !
ein ganz neues Bild an die Stelle der nächsten viereinhalb Verse. Zu dessen Erläuterung 30
vgl.Friedrich Beißner: Hölderlins Übersetzungen aus dem Griechischen, Stuttgart
19}}, S.147—184. Christus kann in dieser Fassung keinen Platz mehr haben, weil sie
den Beginn des künftigen Göttertags vorwegnimmt, ihn schon als vorhanden darstellt.
Das letzte Distichon blickt dann auf die Zeit der Nacht zurück: So lang währt' es
(V.1S9, H^'>). - Wilhelm Michel (S. 409) versteht unter dem Geist V.1S2 den 35
620
Brod und Wein. Heimkunft 90-99
»Geist der Antiken, der sich nach Hesperien als in eine Kolonie begebe. Das würde
dann besagen, daß der Geist nicht bei sich selbst zu Hauß sei, sondern bei uns Deut-
schen l u Hauß als ein Gast; wäre das nicht gar zu gezwungen? Siehe aber die Les-
arten zu Mnemosyne, 2. Fassung, v. 4-8: denn wo eines kehret zu sich / und es
5 findet eine Heimath / Der Geist. Der Brief an Böhlendörf vom 4. Dezember 1801
ist der beste Kommentar zu diesen schwierigen Versen, und ihm gemäß sind sie so zu
deuten: »Im Anfang, an seiner Quelle, am Beginn des Weges zu seiner Bildung ist
der Geist eines Volkes nicht bei sich zu Hause. Um das Eigene zu lernen, muß er sich
in die Fremde, in die Kolonie begeben, muß dort anfangen, muß tapfer vergessen,
10 und dazu kann dem deutschen Geist der griechische helfen, er ist ihm sogar unent-
behrlich. « Deutlich ist auch v.lS5 von unseren Blumen und den Schatten unserer
Wälder die Rede und nicht von den bei Michcl zitierten aufschießenden Ranken, die
in der Burg des Kadmus den Dionysosknaben vor dem Verbrennen geschützt hätten. -
Vgl. auch Martin Heidegger: Andenken (Hölderlin, Gedenhschrift zu seinem
15 100.Todestag, Tübingen 194), S.267-)24), S. 27 f-279.-Die von Hans-Georg
Gadamcr (Hölderlin und das Zukünftige, in den Beiträgen zur geistigen Über-
lieferung, Godesberg 1947, S. S)-85, besonders S. 66 f.) versuchte Deutung
muß, ohne Einbeziehung der in dem Brief an Böhlendorf auseinandergesetzten An-
schauungen, den Sinn verfehlen.
20 1 5 9 Titan] Das Wort wird zu Hölderlins Zeit allgemein auf der ersten Silbe be-
tont (vgl. noch die Lucan - Übersetzung v. 416 und S40). — Vor den Kämpfen zwi-
schen den Göttern und den Titanen, von denen der im Entwurf steckengebliebene Ge-
sang Die Titanen künden sollte, hat der Geist des Weins, des Eviers, und auch seines
Bruders Christus, die Macht, die im Abgrund gebundenen Titanen einzuschläfern imd
25 festzuhalten, Ja sogar den Wächter des Orkus, den neidischen Cerberus (v.l60):
so vermag Christus die Toten zu erwecken (Patmos, I.Fassung, v. 184 f.).
H E I M K U N F T
A N D I E V E R W A N D T E N
Wohl bald nach der Heimkunft von Hauptwil entstanden. Gonzenbachs Kündigungs-
30 schreiben ist auf den 11. April 1801.datiert,das Zeugnis auf den 1}. April. Von den
in der Heimat dann geschriebenen Briefen ist als frühester der am 2. Juni 1801 aus
Nürtingen an Schiller gerichtete erhalten. - Seckel (S. 162-168, 187-189) macht
es sehr wahrscheinlich, daß Heimkunft die letzte Elegie ist.
621
96-99 Heimkunft
Überlieferung
H^ (v. lOS-lOS): Stuttgart 110'' (s. die Beschreibung S. 574) .
H^ : Stuttgart ISS. 1-4 (s. die Beschreibung S. S84).
J: Flora / Teutschlands Töchtern geweiht. Eine Quartalschrift von Freunden
und Freundinnen des schönen Geschlechts. Zehnter Jahrgang. Viertes Viertel- 5
jähr.Tübingen, 1802. Inder J.G.Cotta'sehen Buchhandlung. S. 21-27, ohne
Unterschrift (nur Stimme des Volles ist als letztes der vier in diesem Almaruich
hintereinaruier gedruckten Gedichte Holderlins unterzeichnet).
Eigentümlichkeiten der Schreibung: Gaben, Regen, segnen; Glück, zu-
rück (auch: zurük^; ergreift ; Namen ; draussen, grossen; vielleicht. 10
H^ : Homburg F 1—4 (s. die Beschreibung S. )80): Reinschrift der endgültigen
Fassung, später als J (vgl. die Lesarten zu v. 18, 43, 72, 73).
H^": Späte Änderungen inH^ (S. 624 f . besonders verzeichnet).
Lesarten
Überschrift: Heimkunft. / An die Verwandten, H^ Heimkunft / an / die 15
Verwandten. H ^
Keine Strophengliederung J
1 - 1 0 4 : fehlt H'
1 Nacht ] Nacht, H^ J W o l k e , ] Wolke H^ J 2 Freudiges dichtend,
sie dekt] Freudiges dichtend sie dekt über nicht gestr.: Dekt, die träumende 20
wohl H^ dichtend,] dichtend H^ J 5 eilt und] eilt es und H" J
kämpft ] kämpft , H^ J 7 gährt] gähnt J Schranken/ür gestr. Schrak H ®
9 wächst] wächt Jalir]Jahr, hei igen] hei l 'gen H « 1 0 geord -
net , ] geordnet H^ 11 Ge^vittervogel] Gewittervogel, J 12 Bergen, ]
Bergen H^ J er] er, J 13 Dörf le in] Dörf lein, J 16 Stürzenden] 25
stürzenden H^ J 1 7 Echo aus C H^ umher , ] umher H^ J die über der
Zeile W 18 und Nacht ] und bei Nacht i i / « J Nacht aus h{ei) H^
2 1 höher am hin H^ 2 3 allein] allein, J 2 5 wenn,] wenn H^ J
Maases,] Maases H^ 2 7 Wohlgediegenes] Wohlgedungenes J (in H^
über ie mit Bleistift un wohl von derselben späteren fremden Harul, die auch v. 28 in 30
dem Wort Reegen ein e, v. 88 in dem Wort Gaaben ein a einklammert und v.ii
winkt über wirkt schreibt — in allen vier Fällen offenbar nach J) 2 7 Häußern]
Häusern, J 2 8 brütende] brutende / W o l k e n , ] Wolken H^ J
3 0 Traurige aus traxirige H^ 3 1 erneut,] erneut H^ J 3 3 wirkt]
622
Heimkunft 96-99
winkt J 3 4 l iebet, ] liebet H^ J beginnt aus L H^ 35 k ö m m t ]
komt H^ kommt J 3 7 denn,] denn H^ J sinnen] sinnen, H^ J
3 8 singen] sinnen (Schreilfehler) W Engeln] Göttern H^ J 3 9 zu l ieb]
zulieb J 4 0 uns einst] uns nicht einst förucÄ/eWcr^ J Geist ; ] Geist. J
5 4 2 Flüchtlinge auj Flüchte (mim C? ; ) i / ^ 4 3 Landesleute!] Landesleute
iiJer g-citr.; Theure Verwandte, H^ Theure Verwandte, J 4 5 : W e i t in
der Ebene wars Ein leuchtend freudiges Wal len , H^ J 4 7 A lpen] Al -
pen, J 4 9 hier] hier, J Thale , ] Thale J 5 1 gesellt] gesellt, J
schon,] schon J 5 7 Sohn,] Sohn J wellenumrauschten] Wel len u m -
10 rauschten J wellenrauschten H^ 5 8 T h o r ' ] Thor H^ J d i ch . ] dich
H^ J 6 0 d iß ]d ies J 6 3 Ebnen] Ebene J 6 4 : (1) ffejtr.; Oder hinab,
wie der Tag wandelt, den offenen See. (siehe v.66) (2) Text H^ 6 4 aus
Felsen] aus den Felsen J 6 6 S e e ; ] Semikolon für urspr. Punkt H^
6 7 P for te ! ] Pforte, H^ J 69 die fehlt H^ 7 1 Buchen, ] Buchen J
15 7 2 Bergen] Bergen üJcr g-cstr. H ü g e l n H ü g e l n / n immt . ] n immt
73 mich . O St imme der Stadt, der Mut ter ! ] m i c h (1), ( 2 ) - o ("a; süße
St imme der iVTeinen! (b) St imme der Stadt, der Mutter ! H^ m i c h - o
süsse St imme der Meinen! J 7 4 Langegelemtes m i r ] Langevergangenes
aus langevergangenes H^ langevergangenes J 7 5 Dennoch] Und doch
20 H^ J es ijber der Zeile H^ 7 7 Es gedeihet] es gedeiht H^ J keines]
keine ( i ) (bei der Unterklebung und Beschneidung des eingerissenen Randes abge-
trennt) H" keiaes, J 78 yVasjWer J du über der Zeile H" 8 0 gespart]
gespant J 8 1 red] red' H^ J künftig] künftig, H^ 8 3 Baums, ]
Baums H" J M Red ' und hof f ' ] Red und hoff J L ieben ! ] Lieben, J
25 8 7 erfrischt,] erfrischt W J Gebirgen] Gebirgen, H^ J 8 8 bald aus
bat H^ h immlische aus h immlischen H^ 8 9 viel] viele J Geister. 0 ]
Geister - o H^ J n icht , ] nicht J 9 0 Erhaltenden] danach ein Komma
getilgt H^ Erhaltenden ihr ! Engel über gestr.: ihr Freundlichen, ihr, G ö t -
ter H^ (nach'EiYieltenden ein Korruna getilgt H^) und ihr , ] und ihr H^
30 9 1 Engel üJer^ertr. Götter i J ^ Haußes] Hauses / 9 3 Adle ! ver jünge! ]
Adle, verjünge, H^ J 9 4 Frohen über gestr. Götter H^ 9 6 gehört über
gestr. gebührt H^ (i>gl. die im nächsten Abschnitt verzeichnete späte Änderung
dieses Wortes in H^) sei.] sei, J 9 8 Leben vor gestr. vom U^ b r ing ' ]
b r i n g 9 9 Nenn ' ] Nenn H « 1 0 0 Hein nach gestr. gei H^ 1 0 1 Nah-
35 men , ] Namen. J 102 schlagen] schlagen, H^
623
96-99 Heimkunft
105-108: 1 : 105 : Das bereitet und so auch ist
1 0 6 : (1) Die (2) Daß (3) Nich<(>
107 : (1) (2) Sorgen, wie diese, (^a) trägt oft gern ein Sänger (o/t C?J) 5
ungern
Q)) muß , g e m / e / (a) nicht
{p) oder nicht
108 : Tragen ein Sänger andere
I I : 106: (1) mitten ins 10 (2) unter {a) das Freudige kam.
{b) die Freuden mir kam.
I I I : Das bereitet und so [auch] ist (1) be (2) auch beinahe die Sorge
Schon befriediget , (rfi'e) unter die Freuden mir kam.
Sorgen, wie diese, muß , gemfe] oder nicht 15
Tragen ein Sänger und oft aber die anderen nicht. H ^
1 0 7 diese,] diese H ^
Späte Änderungen in der letzten Fassung (H^'^)
Die späten Änderungen, die keine neue Gesamtfassung darstellen, sind hier gesondert
verzeichnet, damit sie in ihrer Eigenart besser zu erkennen und überblicken sind. 20
6 5 he l le ] breite 6 8 blühende W e g e ] W e / e / g e mit Beeren
6 9 < die) schönen Thale ] (1) {die) kalte[n] Erde (2) die rothen Ufer
7 0 he i l iger ] luftiger gern] dann 71 : (1) Sich die Eiche gestr.
(2) blauen über stillen (danach, wohl als Erläuterung zu blauen; die Tannen-
farbe^ (3) Tannenfarbe (4) Tannenfarb' ist gesellt (a) u. (b) zu Buchen (a) 1 25
(ß) ekig und Birken H^" 7 2 in Bergen ein] vielseitiger f P « 75 die
Freud' euch] das Festlicht H^o hel ler] unterstrichelt W 7 7 Es bis 7 8
lasset die] das (1) Männliche. (2) Ständige. Viel ist, doch nichts, was / Liebt
und berühmt ist, läßt beinerne H^'^ 7 9 Aber das Beste, der Fund, der]
(1) [Deutsche] üÄcr unterstr. Beste (2) Blutlos, üter Aber (3) Aber der Schaz, 30
das Deutsche, der 8 2 das lebende] den Hof und das 9 0 Er-
haltenden] Bescheidenen H^'^ Jahres] Alters 9 1 Haußes]
(1) [Fremdlings] (2) Jünglings. H ' ' » Adern] Kammern/ /• '<• 9 2 A l l e l s
9 3 damit] Daß sie helfen, zugleich gehen die Maase der Last / Al le ! jauch-
624
Heimkunft 96-99
zende daß 9 4 Frohen] Wachen 96 gehört] gebührt
(vgl. die Lesart H^) 9 7 wen darf ich nennen] wie kann ich sagen H^"
(auch am Rand vor den Fersen 104—106: wie / kann / ich j sa/a/gen H^")
9 8 vom Leben des Tags] (von) Tages [Gewalt ] gewalt H^" 9 9 Hohen]
5 Lautem H^'^ Unschikliches] Unfürstliches H ^ "
101.102: 1 0 1 ; Aber Erfindungen (1) auch sind, wo (a ) Einfälle das Haus hat
(b) aber
(2) gehn, als wenn (a ) unbesonnen
10 (b) durcheinander ein Haus
spricht
102 : (1) Heimlich
(2) Zärtlich
(3) Peinlich
15 (+) Hehlings, fa^ wie sichs giebet eigenen Sinn
(b) Arm ist der Geist Deutscher.
(a) Ein höherer Sinn
(ß) Ein zärtlicher Sinn
(y) Geheimerer Sinn H^'^
20 103 jeder Stunde] allen Stunden t P "
Erläuterungen
Martini!eideggerentwickelt, aus »einerNotwendigkeitdesDenkens x^andieserElegie
seine Philosophie: Anderiken an den Dichter. »Heimkunft / An die Verwandten«, in
seinen Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung, Frankfurt a.M.{l 944), S. S—29.
25 Eine Heimkunft ist auch der Gegenstand der Elegie Der Wanderer, indes nur eine
gedachte. Hier aber ist es eine wirkliche Heimkunft , mit allen Einzelheiten des Wegs
und des Ziels, und doch ist sie durch die dichterische Darstellung viel mehr ins Mythi-
sche erhoben. Dem entspricht, in kühnen Sprüngen und Unterbrechungen, die zum
Hymnischen überleitende Diktion. Auch die Gedankenführung ist weiträumiger als in
50 den andern Elegien: sie greift häufiger Uber die Grenze des Distichons hinaus, oft auch
von einer Distichen-Trias in die andre (die Verse 2i-}6 z.B. sind ein einziger Satz);
eirunal (v. 90 f.) geht der Satz sogar über eine Strophenfuge hin.
1 - 1 8 Vgl.Lothar Kempter: Hölderlin inHauptwil, St.Gallen {1946), S. 66-72.
1 helle Nacht] Das Oxymoron bezeichnet recht den Zwischenzustand, da die Tiefe
625
96-99 Heimkunft
des gähnenden Thals vom vollen Licht des Morgens noch nicht erreicht ist. Auf die-
selbe IVeise drücken auch in den folgenden Fersen enggekoppelte Gegensätze den
eigentümlichen Reiz der weichenden Morgendämmerung aus: v. 4: glänzet und
schwindet; v. S: Langsam eilt; v. 6: liebenden Streit.
2 Freudiges] Vgl. v. S, 25, U, 4S, 7 / , Sl, 92, 9S, 100, 104, 106 und die Er- 5
läuterung zu Menons Klagen um Diotima v. 107.
dichtend] Das Wort hängt zusammen mit dem mittelhochdeutschen t ichen; schaf-
fen, ins Werk setzen (entsprechend griech. noieiv, noltjaig). Vgl. I.Mose 6,S; 8,21.
Im Jrchipelagus v. 38 heißt die Sonne die Dichtende. — Die Wolke wird bezeich-
nenderweise nicht als lästige Hülle des Morgenlichts oder schöner Landschaft auf- 10
gefaßt, sondern als Freudiges dichtende Anzeige des Reichtums ({Was ist der
Menschen Leben...) v.ll); der Ausdruck brütende Wolken v. 28 ist in demselben
positiven Sinn gemeint; vgl. auch den von Wolken verhangenen, ahnungsvollen
Himmel in der ersten Strophe des Gesangs Germanien und zu Beginn der Elegie Der
Gang aufs Land; ferner Die Titanen v. 20f 15
3 die scherzende Bergluft] Indem sie dahin, dorthin, also in immer andrer
Richtung, weht, scheint sie zu scherzen, zu necken. Vgl. An den Frilling v. 7 ; scher-
zender Lüfte.
5 Langsam eilt] In den Morgennebeln ist heftig eilende, tosende und stürzende
(v.}) Bewegung, und doch weichen sie als Ganzes nicht auf einmal, sondern allmäh- 20
lieh, eben langsam.
6 Jung an Gestalt] Auch dies ist ein im Sinne der bereits hervorgehobenen Oxymora
gewagtes Paradox: das freudigschauemde Chaos (v. S) bezeichnet nicht, was nach
dem Wortsinn sonst darunter zu verstehn ist, das leere Klaffen und Gähnen, sondern
das schöpferische Brodeln, das nach Gestalt drängt — es ist also nicht mehr bloß 25
Chaos, sondern, in diesem reizvollen Zwischenzustand, schon bis zu einem gewissen
Grade Gestalt geworden, das Chaos der hellen Nacht läßt schon die junge Gestalt
des Morgens ahnen. Das ist das Werk des Lichts, des Strals (v. 4) — vgl. die späte
Änderung des v. 44 der Elegie Stutgard (J), die für die gefühlteren Stralen des
Lichts die gestaltenden Stralen einsetzt. 30
liebenden Streit] Vgl.Hyperion 2, 124: W i e der Zwist der Liebenden, sind die
Dissonanzen der Wel t . Versöhnung ist mitten i m Streit imd alles Getrennte
findet sich wieder. In der Elegie ist die aus dem Streit, der Dissonanz hervorgehende
Versöhnung und Harmonie noch stärker betont, indem vom Chaos gesagt wird, es
feiere diesen Streit: er wird also von Anfang an nicht als wirklicher Streit genommen, 35
626
Heimkunft 96-99
weil die Dissonanz notwendig zur Harmonie führt. Der liebende Streit, der in sich
schon die Versöhnung beschließt, wird darum täglich heim Heraufziehn des Morgens
wie ein Gottesdienst gefeiert, zelebriert.
9 . 1 0 Das Jahr wächst mit jedem Tag; aber dort im Gebirg ist der Gewinn täglich
5 größer, weil die Nacht und das Chaos tiefer, unendlicher sind und das Tagen sich
kämpferischer, bacchantischer vollzieht als in der Ebene. Die Stunden und Tage
sind kühner geordnet, das heißt: die Kühnheit überschreitet die Grenze der Ordnung
fast bis zur Ordnungslosigkeit, so daß sie chaotisch werden, gemischt. Diese Vorstel-
lung findet sich in wörtlichem Anklang wieder in der letzten Strophe des Rheins
10 (v. 219—221): Bei Nacht, wenn alles gemischt / Ist ordnungslos und wieder-
kehrt / Uralte Verwirrung (^das ist das Chaos/) . — Die Ordnung muß sich im Ge-
birg jedesmal neu herstellen wie im Urbegirm: Tages - und Jahreszeiten folgen nicht
im selbstverständlichen und gleichmaßigen Wechsel aufeinander wie in der Ebene.
11 der Gewittervogel] In der Ode Rousseau heißt es v. 37-)9: Und fliegt, der
15 kühne Geist, wie Adler den / Gewittern, weissagend seinen / Kommenden
Göttern voraus; Antigonä v.1080(1040) der DonncrvogelfürdenPlural ol Zrjvdg
aleiol.
13 Jezt auch] Ebenso beginnt in Brod und Wein das letzte Drittel der ersten
Strophe.
20 16 den Stürzenden] Den Wasser<juellen. Das adjektivische Attribut wird von
Hölderlin gern durch Großschreibung verselbständigt; vgl.Brod und Wein v.lS: die
Schwärmerische, die Nacht ; v.l7: die Erstaunende; v.l9: der Hocherhab-
nen; V. 99: die Bekannten, die Kronen des Festes.
19 die silbernen Höhen] Vgl. den undatierten Hauptwiler Brief an den Bruder
25 f l e h fühle es.. •): Hier in dieser Unschuld des Lebens, hier unter den silbernen
Alpen; Menons Klagen um Diotimav.114: von silbernen Bergen Apollons; Der
Rhein v.l7: unter den silbernen Gipfe ln ; Die Wanderung v. 9—11: wie drin-
nen / Aus silbernen Opferschaalen / Der Quell rauscht; Patmos v.}8 f.: aber
i m Lichte / Blüht hoch der silberne Schnee; Klopstock, Der Zürchersee v.l7:
30 silberner Alpen Höh.
2 0 Rosen] Der Abglanz der Morgenröte; dasselbe Bild für den Abendhimmel:
Abendphantasie v. 14.
2 4 Der ätherische] Das ist der ätherische Gott; damit ist erklärt, wer der über
dem Lichte wohnende reine / Seelige Gott (v. 21 f.) ist: der Vater Aether, der auch
35 in Brod und Wein v. 1S3 (H^^) der ätherische Vater genannt wird.
627
96-99 Heimkunft
2 6 Aihmendcn]Menschen;vgl.Lebensalterv.7;DasNächsteBeste,2.Fassung,v.6f.
schonend] KgZ. Brod und Wein v. 112 und die Erläuterung z. St.
2 7 Wohlgediegenes] gediegen ist das alte partic. perf. von gedeihen.
2 8 brütende Wolken ] Vgl. die Erläuterung zu v. 2.
3 0 mit langsamer Hand] Das heißt: vorsichtig und allmählich, entsprechend dem 5
zögernd imd schonend v. 26.
3 1 die Zeiten ] Die Jahreszeiten, aber auch die Zeiten der unter Menschen wirk-
samen Götter — vgl. die Ode Ermunterung; daß der Vater Aether die Zeiten erneut,
sagt besonders eindringlich Brod und Wein v.lf} f.; vgl. auch Elegie v.ß9, zumal
Ansatz II (Lesarten). 10
35 . 3 6 Auch diese beiden Verse hängen noch, als Nebensätze, von der Konjunktion
Wenn v.31 ah, die ihrerseits das wenn v. 25 wiederaufnimmt: v. 23—36 sind ein ein-
ziger Satz.
3 5 gegenwärtiger Geist] Vgl. Stutgard v. 83.
3 7 i h m ] Dem ätherischen Gott. 15
Dichtende] Vgl. Dichterberuf v.l3 und die Erläuterung z. St.
3 7 . 3 8 sinnen / Oder singen] Vgl. Pindar, Pyth.l, 177: Den Sinnenden und
den Sängern.
3 8 den Engeln] Vgl. Stutgard v. 91 und die Erläuterung z. St.
4 0 plözlich] Das plötzliche Erscheinen der Himmlischen, des Geistes wäre für die 20
Menschen unerträglich; vgl. v. 25 f . und 30, auch Brod und Weinv.112 und die Er-
läuterung z. St.
4 2 Dank] Vgl.Brod und Wein v.l36 und die Erläuterung z. St. — Der heil ige
Dank hält in den Flüchtlingen, die das götterlose Vaterland unruhig und ungeduldig
verlassen haben, das Gefühl der Zugehörigkeit wach und bringt sie schließlich, so wie 25
jetzt den Dichter selbst, den Daheimgebliebnen nachsichtig lächelnd zurück. — Siehe
auch Der Mutter Erde v. 77 und die Erläuterung z. St.
4 6 die Stadt] Lindau (v. S9).
4 8 ruht] Abhängig auch von dem Adverb wohl v. 47. Die Inversion und (wohl)
ruht nun.. . das Schiff ist also ohne Anstoß und kann daher die Deutung, die Bock- 30
mann und ihm folgend Beck den Versen 12—14 der Hymne An den Frilling (1, 202:
und tönt dir Feiergesänge.. . der Strom^ geben, nicht stützen (siehe Iduna 1944,
S.106 Anm.; auch in der andern dort angeführten Stelle, Brod und Wein v.S f., ver-
ursacht ein adverbialer Ausdruck ganz natürlich die Inversion: Und von Werken
der Hand ruht der geschäfftige Markt^. 35
628
Heimkunft 96-99
5 7 wie ein Solin] Auch die Stadt Lindau möchte der Dichter, liebende Nahmen
für sie suchend, Mutter nennen — wie Heidelberg; vgl. die Ode Heidelberg v. 1 f .
6 0 des Landes] Das ist: Schwabens, nicht etwa des damaligen Herzogtums fVürt-
temberg. Lindau war, bis es 180 f an Bayern fiel, freie Reichsstadt.
5 61 Reizend] Dazu einladend, verlochend; vgl. v. 67.
6 2 das göttliche W i l d ] Vorweggenommene Apposition des Rheins (v. 63). Bei Pin-
dar heißt (Pyth. 4,211) Chiron q)^Q&eiOQ. Zur Gleichsetzung des Stroms mit dem
Centauren vgl. das von Hölderlin erläuterte Pindar-Fragment Das Belebende: Der
Begriff von den Centaiiren ist wohl der vom Geiste eines Stromes, sofern der
10 Bahn und Gräme macht, mit Gewalt, auf der ursprünglich pfadlosen auf-
wärts wachsenden Erde. Es findet sich in Hölderlins Erläuterung noch ein wört-
licher Anklang an v. 6S der Heimkunft, wenn er vom Strom sagt: eh' er sich eine
Bahn riß.
65 nach Komo] Die berühmte mittelalterliche Haruiclsstraße von Augsburg nach
15 Mailand führte über Lindau, Chur, den Julierpaß, Chiavenna und Como.
6 6 hinab, wie der Tag wandelt] Die IVanderung nach Komo ginge rheinauf-
wärts nach Süden. Die andre Richtung, in die der aus der Pforte Hinausgehende
gewiesen wird, geht von Osten nach Westen, das ist: wie der Tag wandelt, den See
hinab (der hindurchströmende Rhein bestimmt oben und unten).
20 7 3 Der versus spondiacus (Hexameter mit einsilbiger Senkung im S. Fuß) kommt
bei Hölderlin selten vor — andre Beispiele: Auf einer Haide geschrieben v.l7; {An
einen Baum} v. 9; Lucan- Übersetzung v. 81,264, 28S, SOS; Nisus und Euryalus
V. 16.
7 4 du regst . . . auf] Hölderlin und seineZeitgenossen (besonders auch Goethe) wen-
25 den das Wort anders als der heutige Sprachgebrauch noch in der buchstäblicheren
Bedeutung an (»etwas nach oben bewegen«), und zwar nicht nur psychologisch wie
hier (und z.B.Palinodie v. 4 f.: was regt ihr mir Vergangnes auf^, sondern auch
im Bereich des Greifbaren: vgl.Brod und Wein v.lh und regt die Gipfel des Hains
auf; An Eduard v.37: Es regt sein Sturm die Schwingen dir auf; Anmerkung zu
30 dem Pindar-Fragment Das Belebende: regte das müßige Leben der Haide auf;
in den Sophokles- Übersetzungen steht aufregen für x w / i a f w (Oed. Tyr. v.lOO),
ragdaaeiv (Oed. Tyr. v. 490 (483), iyegrl xtvsiv (Ant. v. 429 (413)).
7 9 der Fund] Am 9. November 179S schreibt Hölderlin an Ebel über Sinclair: Sie
werden mit mir überzeugt seyn, daß eine so frühe Reife des Verstandes, wie
35 sie diesem Menschen eigen ist, mid noch mehr eine so unbestechliche Reinig-
629
96-99 Heimkunft
keit des Gemüths in unsrer W e l t ein seltner Fund ist. — Vgl. Weckherlin,
Gedichte Von dem Urtheil, So der Troanische Jüngling, Paris, Mit dem Apfel gege-
ben, V. 3SO (2, iSS Fischer): Und daß allein in mir ist aller Schönheit Fund.'
79 . 8 0 des hei l igen Friedens Bogen] Der Regenbogen, den Gott nach der Sint-
flut als Zeichen seines Bundes mit der Erde in die Wolken gesetzt hat; vgl. I.Mose 9, 5
12—17; Hyperions Jugend, 2. Kapitel: diese Ruhe und Regsamkeit, wo alle
Kräfte ineinander spielen, wie die stillen Farben am Bogen des Friedens; JVag'-
ment von Hj-perion (Thalia 200): wie der Bogen des Friedens nach dem Sturme,
gieng ihr ganzes himmlisches Wesen wieder auf in m i r ; Klopstock, DieFrüh-
lingsfeyer v. 108: Und unter i h m neigt sich der Bogen des Friedens! - Hölderlin 10
meint hier einen ganz bestimmten Friedensschluß, den von Luneville im Frühjahr
1801, in den er große Erwartungen setzte, wovon vor allem im Dezember 1800, kurz
vor dem Aufbruch nach Hauptwil, der Nürtinger Brief an den Bruder CIch habe Dei -
nen Brief erhalten...^ ergreifend zeugt. Unter dem unmittelbaren Eindruck der
Nachricht von dem geschlossenen Frieden schreibt er aus Hauptwil am 2Februar 15
1801 an die Schwester: I ch glaiJje, es wird nun recht gut werden in der Wel t .
Ich mag die nahe oder die längstvergangene Zeit betrachten, alles dünkt mir
seltne Tage, die Tage der schönen Menschlichkeit , die Tage sicherer, furcht-
loser Güte, und Gesinnungen herbeizuführen, die eben so heiter als heil ig, imd
eben so erhaben als einfach sind; und ungefähr gleichzeitig an Landauer ( I c h 20
wollte Dir erst schreiben. . .^; I ch denke, mi t Krieg und Revolution hört auch
jener moralische Boreas, der Geist des Neides auf, imd eine schönere Gesellig-
keit , als nur die ehernbürgerliche mag rei fen! - Siehe auch den Gesang {Ver-
söhnender der du nimmergeglaubt...).
8 0 gespart] Vgl. den Nürtinger Abschiedsbrief (Dezember 1800) an den Bruder 25
("Ich habe Deinen Brief erhalten.. .^; Du bist erhalten, gespart; der Sturm
gehet h inweg, sei froh, daß Du in sicherer Verborgenheit ihn fern gehört und
Deine Seele rein und liebend furchtlos für die bessere Zeit bewahrt hast; Der
Rhein v. 76; Brief an Seckendorf vom 12. März 1804: Beunruhigen uns die Feinde
des Vaterlands, so ist ein Muth gespart, der uns vertheidigen wird gegen das 30
andre, das nicht ganz zu ims gehört ; {An die Madonna) v. 1S2; auch Johann Peter
Hebel, Der Bettler v. 49 f . (Allemannische Gedichte, Carlsruhe 180}, S.lSl):
Gott het mer willfahrt, und het m e r mi Fi-iedli und het mer en gspart.
8 5 vom großen Vater] Vater Aether, welcher die wandernde Zeit Droben in
Höhen erfrischt (v. 86 f . - vgl. v. 21-36). 35
630
Heimkunft 96-99
9 0 . 9 1 Engel ] Vgl Stutgard v. 91 und die Erläuterung z. St.
9 1 in die Adern alle des Lebens] Zu verbinden mit: theile das Himmlische
s ich! Vgl.An den Aether v. 8 f.: Und es drängt sich und rinnt aus deiner ewigen
Fülle Die beseelende Luft durch alle Röhren des Lebens.
5 9 3 Adle ! ver jünge! ] Keine Imperative, sondern Konjunktive wie theile. . . sich
V. 92; gemeinsames Subjekt aller drei Prädikate ist das Himmlische, Objekt der bei-
den letzten: Alle v. 92. Das sich in alle Adern des Lebens teilende Himmlische soll
alle Menschen freuen, adeln und verjüngen.
9 4 die Frohen] Anaphorisches Attribut der erhaltenden Engel des Jahres und der
10 Engel des Haußes.
9 6 W i e es gehört für sie] Vgl. die Erläuterung zu V. 21 (1 f ) des Lieds der Freund-
schaft (1, 409); dazu noch den Brief an die Schwester vom Sommer 1800 ( I ch
scheine mein gegebenes W o r t . . . ) : .. kann also künftig leichter und öfter eine
Stunde gewinnen, die für Dich gehört; /ern^r fVieland, Agathon III 3 (Aka-
15 demie-Ausgabe Abt.I Bd. 6: 71, 1}): daß sie nicht f ü r u n s gehört ; Mörike,
Maler Nohen S4, 9; 187, 16 f.; 189, 26; S42, 32 Maync; auch Günther 1, S1
Krämer v. 16.
97—100 Ist der kommende Gott nicht zu groß und zu hoch, um beim täglichen
Tischgebet und Abendsegen genannt zu werden ?
20 9 9 Unschikliches liebet ein Gott nicht ] Vgl.Brod und Wein v.94: Vor den
Aether gebührt müßigversuchendes nicht.
1 0 0 Ihn zu fassen, ist fast unsere Freude zu klein ] Vgl.Brod und Wein v.l34f.:
Denn zur Freude, mit Geist, wurde das Größre zu groß Unter den Menschen.
105 Das bereitet] Imperativ: »bereitet das Saitenspiel!«
25 1 0 6 die imter das Freudige k a m ] »die das Freudige verstören wollte*.
1 0 7 . 1 0 8 Sorgen, wie diese, muß . . . Tragen ein Sänger] Vgl. die Pindar- Über-
setzung, Olymp. 14, 26: In Sorgen der Sänger.
631
EINZELNE FORMEN
Die in dieser Übergangs- und Zwischengruppe zusammengefaßten fünferlei Gedichte
sind nicht zeitlich geordnet: Der Archipelagus am Beginn sucht den Anschluß an die
vorangehenden formverwandten Elegien, der früher entstandene Entwurf { Wie wenn
am Feiertage...) leitet am Ende über zu den Vaterländischen Gesängen. Die Einord- 5
nung der kleinen Gedichte in diesen Rahmen ergibt sich von selbst: wegen seines Vers-
maßes folgt dem Hexameterhymnus das Epigramm, dem sich dann das einzige Reim-
lied zuordnet, weil es demselben Freund gewidmet ist; die drei spät zu lyrischen Ein-
drucksbildern geformten hymnischen Paralipomena füllen die Lücke — das dritte,
Hälfte des Lebens, hängt ja mit dem unmittelbar folgenden Entwurf (,Wie wenn am 10
Feiertage...) eng zusammen.
D E R A R C H I P E L A G U S
Wohl im Frühjahr ISOO entstanden. — Hölderlin wollte den Hymnus in Tiecks
Poetischem Journal veröffentlichen, dessen erster Jahrgang 1800 bei Frommann in
Jena erschienen war. Vermehren schreibt am 4.Mai 1801 an Hölderlin: Ich stehe 15
mit Tieck in keiner Verbindung. Da Sie aber den Archipelagus in dessen
poetischem Journale gemer sehen, so will ich mich durch Fr .Schlegel, mit
dem ich genau Hirt bin, erkimdigen, ob es in seinem Plane liege, größere Ge-
dichte von fremden Mitarbeitern aufzunehmen. Seine Vermittlung konnte nicht
zum Erfolg führen, weil das Journal nicht fortgesetzt wurde. 20
Überlieferung
H' (v.14-32, JS-S7, 41. 42, 98-124, 241-246, 278-280): Stuttgart 1 ih
Doppelblatt 19,2x23,2 cm, aus einem Einzelblatt gewonnen, alle Kanten
632
Der Archipelagus 103-112
beschnitten; schwach bläuliches, feingeripptes Papier; Wasserzeichen:
D & C B L A U W .
Die Handschrift enthält, außer dem auf allen vier Seiten stehenden Entwurf
zum Archipelagus, noch durchweg früher anzusetzende Aufzeichnungen; S.2
5 am linken Rand: Umordnung der durch ihre Anfangsworte gekennzeichneten
StrophenvonHoraz,carm.3,21 (vgl.Bd.S); oben: Bruchstück 28; TinianH^;
Seite 3 am oberen Rand und in der unteren Hälfte: Bruchstück 29.
fP (v. 278-237 Gip(feln)): München, Frau Marie von Hellingrath (Nachlaß
Norbert von Hellingrath): Einzelblatt IS,8 (lS,6)x22,3 cm, alle Kanten
10 beschnitten; gelbliches, feingeripptes Papier; Wasserzeichen: Posthorn, an
einer Schleife aufgehängt (ohne Wappenschild). Rückseite leer.
Echtheitsbestiitigung vom S.April 1844 durch G. Schwab.
W : Homburg C 1-16.
S.l-S: zwei ineinandergelegte Doppelblätter 19 (19,S) x 23,S (24) cm, obere
15 Kanten beschnitten; grünliches, feingeripptes Papier; Wasserzeichen: Segel-
schiff über dem zweizeiligen Namen: J O H A N N E S K R E Z I N G E R .
S. 9-12: Doppelblatt 19x24 cm, alle Kanten beschnitten; gelbliches, fein-
geripptes Papier; Wasserzeichen: Posthorn, an einer Schleife aufgehängt;
darunter: E B R E N N E R & C O M P / B A S E L .
20 S. 13—16: Doppelblatt 19x23 cm, alle Kanten beschnitten; gelbliches, fein-
geripptes Papier; Wasserzeichen: Gekröntes Wappen mit aufgehängtem Post-
horn, C & I H O N I G .
H* : Berlin, Frau Emma Eitzbacher: vier ineinandergelegte Doppelblätter und ein
angeklebtes Einzelblatt 18,8x23 cm, alle Kanten beschnitten; gelbliches,
25 feingeripptes Papier; Wasserzeichen: Gekröntes Wappen mit aufgehängtem
Posthorn, C & I H O N I G . Die letzten anderthalb Seiten sind leer.
H*'*: spätere Änderungen mit Blei;
H*^: spätere Änderungen mit Tinte.
J: Vierteljährliche Unterhaltungen. Herausgegeben von L. F. Huber. Drittes
30 Stück. 1804. Tübingen, in der J.G.Cotta'sehen Buchhandlung. S.168-191,
unterschrieben: Hölderlin. (Exemplar der Stadtbibliothek Bern.)
Eigentümlichkeiten der Schreibung: W o g e , wogen, Segen, gesegnet, selig,
Irrsal, Schicksal, Gaben (aber: Schaaren, Schaale^; Strahl (auch: Stral^,
mähl ig ; Namen; sey; Schooß ; süssen, heissen, Vliesse, sassen (aber:
35 Großes, Füßen;,- Flut (auch: Fluth; , Blüte; Locke, gelockt, Rücken,
633
103-112 Der Archipelagus
zurück, Blick, weckt (aber: frohlokt, Beken) ; ergrif, ergreifet, schaft,
Geschäft , Schif fSchifTes, Schiffe) , Hofnung; sitzt, erhitzt, jetzt, zuletzt;
todtverachtend; entbrannter; Heroen.
Lesarten
\-\i: fehlt H^ 1-211: fehlt H^ 5
1 dir,] dir? H^ 2 L a u f ? ] Lauf, W 3 Fluth,] Fluth? H^ Delphin, ]
D e l p h i n / / ^ 4 gelokt, ] gelokt 5 Blüht cuj Blühet lon ien? ]
lonien, H^ ists] ist es H^ denn]Denn / 6 Aen]CieTm(Schreihfehler)H^
erneut] erneut, J 1 erwacht] erwacht, J goldner] goldener J Zeiten
über gestr. S\xmAen H^ 8 K o m m ' ] K o m m H^i iT^ dir] dir, J 10
8 a : g-«i<r.; Der Archipelagus. H ^ ^
1 0 Jünglingsarmen] Jünglings-Armen J 11 Land, ] Land H^ H^ Va-
t e r ! ] Vater, J 12 blühenden,] b l ü h e n d e n / f ^ Blühenden, J 13 steht]
steht, J L o r b e e m ] Lorbeom (verschrieben) aus Lorber H^
1 4 - 1 8 : 15
I : W o h n e t Faros, und (1) noch von i m m e r seeligen Hügeln
Quillt der (a) Cype
(b) Cyprische
(c) Cyprier Trank, und von Kalauria tönen
Silberne [wie] Bäche, wie einst, hinab (a) in die 20
(ß) zur W o o g e des Vaters.
(2) Lesbos glüht
H'
I I : Text H^H*J
15 Haupt,] Haupt H^ H* 17 Cypriertrank,] Cypriertrank H^ H* 25
1 9 die Heroenmütter, die Inseln,] die schönen Inseln, wäe vormals / [Sie die
Mütter] 2 0 Blühend unter g^crtr. uripr. Neugebor<m) Jahr, und]
Jahr und H *
2 0 und wenn bis 2 1 Gewitter , ] xmd wenn sie schlafen (1) und altem / Und
(2) so wachst du 30
W e n n der unterirrdische Tod , [auch] die gährende Flamme H ^
2 1 Gewitter , ] Gewitter 2 2 'E.ine nach gestr. B.\mg{e) H^ hol-
den] Holden J ergriff,] ergriff H^H* Sterbende aus sterbende H ^
2 3 Gött l i cher ! du,] Alter Vater! Göttl icher, du, I f '^ 23 . 2 4 dun-
634
Der Archipelagus 103-112
kein Tiefen] (1) ewgen (2) weiten Wassern (3) dunkeln Tiefen H '
2 4 auf] auf- J
2 4 a : (1) mit spitzem Gerät, ohne Tinte, in das Papier geritzt: Der Archipelagus
(2) g'ejtr.: Der Archipelagus.
5 2 5 Von hier an hellere Tinte H^
2 5 - 3 2 : 1: (Deine Gespielen, auch sie, die immerblühenden Sterne)
2: (1) die Himmlischen auch, die höheren Kräfte
(2) Siehe! mit Bleistift vorgefügt
S: (1) die stille waltend den heiteren Tag u.
10 (2) Sie, mit Bleistift für gestr. die
4: süßen Schlummer, [u.] und Leben und Hofnung
f: (1 ) Uber (a) die St(erblichen) (b) das Hau<pt)
(2) Femher bringen (a) über das Haupt
(b) über der Zeile eingefügt, nochmals; b ringen
15 6: der ahndenden Menschen, aus (1) ewiger Fülle der
(2) der mit Bleistift über gestr.
ewiger
7: Freuden, sie, die hohen [Gespielen] (1) immer
(a)s f i^ regen Gespielen,
20 (2) /
S: dichterischen Gespielen, wohnen, [mi t ] wie einst
9 ; mit dir u. (1) wenn (2) oft wenn am dämmernden Abend
10: vou (1) Asiend
(2) Asiens {unterstrichelt: dunkelnj Bergen herein, das [ein-
25 11.12: same] Mondl icht kömmt, und (1) mit i h m die
Id i e ] Sterne, die Brüder alle sich in deiner
(2) mit Bleistift geändert:
die
/ d i e / Sterne mit ihm, die Brüder sich in deiner
30 I h W o o g e begegnen, [und] leuchtest auch du vom himmlischen
2 5 Auch die Himmlischen, sie, aus: Siehe! die Himmlischen auch, H^
2 6 Ahnung] Ahndung H^ Ahnung aus Ahndung H^ Ahnung J 2 8 G e -
spielen,] Gespielen H^H* 2 9 Abend, ] Abend WH* 3 1 K ö m m t ]
K ö r n t / / ä Kommt , / Am über der Zeile H^ Glanz,] Glanz
35 32 Glanz, bU 3 4 wieder. ] fehlt H^
635
103-112 Der Archipelagus
33 Wechse ln] aus W a H^ Wachsen J dir] danach über der Zeile, wieder
gestr.: auch H^ 3 4 Nachtgesang,] Nachtgesang H^ H^
3 5 - 3 7 : mit Bleistift.•
I : Er des Orients
I I : 35 : W e n n die allverWärende dann die Sonne des Tages 5
3 6 : (1) Wunderthätig eT(scheint)
(2) Sie die Wunderthätige naht, (a) des L i c h ( t o )
(b) und alle Sterblichen sich in
Orients vergessen
(3) D 10
(4) Sie, des Orients Kind, (a) des goldnen Träumers )
(b) die wunderthä(tig'e) (a) nahet
{ß) nähret
(y) da ist,
3 7 : Und die Ster(6) l ichen sich i m (1) Zauberlichte vergessen 15
(2) Nacht ( ? ) W
I I I : mit Tinte: Text H^H*
3 7 all ' ] all H^H* Lebenden all über gestr.: Sterblichen sich H^
goldenen] goldnen j F / ^ / / ^ beginnen üter g'crtr vergessen H ^
3 5 unter dem Schluß des Verses, des letzten auf Blatt 1mit Bleistift ein abteilen- 20
der schräger Strich H^"
3 8 - 4 0 : fehlt H'
3 8 Den] Denn (Schreibfehler) H* stets über gestr. gern H^ 3 9 f roheren
unterstr. H*" Zauber,] Zauber H* 4 0 L icht ist unterstr. H*'^ n icht ]
nicht, H ^ 25
4 1 . 4 2 :
I ; (wieder mit Tinte:)
4 1 : (1) Denn die (a) Gol
(b) Glorie ,
(2) Denn 30
(5) Als (a) den
(b) der (a) purpurne Kranz/ey, der glühende, de(n)
(ß) glühende
(y) blühende
4 2 : um die (1) dun<AZe> 55
636
Der Archipelagus 103-112
(2) schattige Loke
(3) schattigen L o k e ( n ) (a ) dir windet
(h) [sie]
I I : 4 1 : Denn die (1) Glorie, die der dir [zum] ein Zeichen der Liebe
5 (2) [hohe] Glorie, die (a) der dir aus
(b) ein göttlich Zeichen der Liebe
4 2 : (1) Von der Holden gereicht, die schattige Loke vergüldet
(2) Lächelnd von ihr
(3) Von der [der] Holden H ^
10 1 1 1 : 4 1 : Denn die Ansatz zu C(lorie)
42: fMt IP
I V : Text W
4 1 der unterstr. H*" den aus denn 4 2 am Ende des Verses ein
abteilender schräger Strich H^"
15 4 3 - 9 7 : fehlt H^
4 3 MmPiingt unterstr. I-P" nicht , ] nicht Wolken , ] Wolken H^
4 4 Boten,] Boten H^ 4 5 Höhe] Höhe, J du unterstr. H^" 4 8 Mäan-
der] ( 1 ) M ( 2 ) M ä a (3) j Mäander (die beiden ersten Ansätze verwirren sich mit den
Unterlängen des darüberstehenden Vcrsschlusses Sohn gle ich ) H^ 4 9 enteilt]
20 enteilt, J 5 0 entgegenfrohlokt] entgegen frohlockt J Erstgeborne]
erstgebome J 51 izt] jetzt J 5 2 aus] von H^ Waf fen , ] Waffen J
5 3 k ö m m t , ] kömmt H* kommt, J sehnende aus sen H^
5 3 a : (1) mit spitzem Gerät, ohne Tinte, in das Papier geritzt: Der Archipelagus
(2) gestr.: Der Archipelagus. H^^
25 5 4 d i r ; ] dir (1) , (2); (3), IP dir, H* dir; J 5 5 Fels,] Fels öf -
ters] öfter J 5 6 H immel . ] Himmel , H^H* 5 7 edlen] edeln H*
5 8 dich aus die H* 5 9 bekränzt,] bekränzt H^H*
6 1 a : (1) mit spitzem Gerät, ohne Tinte, in das Papier geritzt: Der Archipelagus
(2) gestr.: Immer Archipelagus. H*^
30 63 den üÄcr i-citr. deinen H^ Ufern,] Ufern H^ 6 4 G o t t ! ] Gott , /
dir ganz über gestr.: auch sie H^ zusammengesunken,] zusammen gesim-
ken? J 6 5 istnöch]<iarütcr, lüiWerg-ertr..-woist H^ 6 6 W e n n ] darunter,
auf dem Rand beginnend, mit Tinte ein kurzer abteileruier Querstrich H^ vor-
überkommt] vorüberkomt H^ vorüber kommt J 6 7 empor] empor, J
35 leuchteten aus leuchten H^ 69 Volks, die] die aus d e ( s ) H* stürmisch-
637
103-112 Der Archipelagus
bewegte] stürmisch bewegte J 70 her,] her H^(über der Zeile H^)
eilten] eilt' es J 7 1 zu geseegnetem] zum gesegneten / herunter?]
unter dem Schluß des Verses, des letzten auf Blatt 2®, mit Bleistift ein abteilender
schräger Strich H*" 7 2 Siehe unter gestr. Sie (he); der so entstehende Abstand
gegen v. 71 wird durch eine Klammer am linken Rand aufgehoben H^ 73 auch 5
i h m ] i h m auch J i h m über der Zeile H^ Luf t ] Luft , J 7 4 er] über der
Zeile H^ aus d(ie) H^ 7 5 ausglich] ausglich, J 7 6 Cypros über gestr.
Kypros H^ 7 9 Stadt,] Stadt H^ öfters] öfter J 8 2 einsamer] sinnen-
der üier ^csfr. e i n s a m e r 8 3 W e i l t ] W e i l t , / belauscht,] belauscht
ahndet] ahnet H^ H* Ernste,] Ernste H* 8 5 Lauschet aus dem Ansatz 10
zuS{izet) H^ sizt,] sizt H^ H^ Meergott . ] gott. über gestr. undeutl. gott H^
unter dem Schluß des Verses mit Tinte ein abteilender Querstrich H^ mit Bleistift
ein abteilender schräger Strich H^'^
8 5 a : (1) mit spitzem Gerät, ohne Tinte, in das Papier geritzt: Der Archipelagus
(2) ^estr.; Archipelagus. 15
85 . 8 6 : Der ursprüngliche Abstand zwischen den beiden Versen wird durch eine
Klammer am linken Rand aufgehoben H^^
8 7 schon,] schon 8 8 Lands] nac/ig-csfr. Volks iiier^festr. Volks
Lands, J 8 9 Spiel,] Spiel i J ^ / / ^ noch , ] noch / 9 0 innige] einige J
Volk, ] Volk W 9 1 W o r t ] W o r t , H^ 9 5 nun,] nun J städteverwü- 20
stend] raacfc^ejtr. sp Städte verwüstend ^ 9 7 herrl iche, ] h e r r l i c h e / / ^
98—103 : 1: 1: von den Bergen [zurük] die fliehende Greise, nach
2: den väterlichen Mauern zurük und freundlichen
h Tempeln , aber [schon] es (1) wekte
(2) wekt die St imme 25
4: (1) die
(2) der Söhne (a) die (a) T r ü m m e r
(ß) theuern
(y) stillen
(S) heiigen 30
(e) s tummen
(b) die gestürzten [die] T r ü m m e r nicht
m e h r (a) imd frolokkend
(ß) die stummen
(c) die Asche nicht mehr und frolokkend 35
638
Der Archipelagus 103-112
( 1 ) z o g
(2) zieht mit der Beute der Perser vorüber. H ^
I I : mit dunklerer Tinte (H^"') später hinzugefügt und geändert:
2: väterlichen Mauern] darüber: Wohnenden jamme^r)n H^"
5 (Schreibfehler statt "Wohnungen?) S: zieht mit] darüber: aus
dem H^" Feisci] geändert in PcTse U^" voriibel.] darüber:
von hinnen, iif^® (dann mit Bleistift gestr.)
I I I : Text
99 Tempeln ; ] Tempeln , f f ' ' 1 0 1 im Thal nac/i ^rcsrr.
10 der T<oii> H^ 102 dahin,] dahin H^ und bis erndten,]
fehlt H^ 103 Z ieht , ] Zieht J
101 unter dem Schluß des Verses, wieder getilgt, mit Bleistift ein abteilender schrä-
ger Strich H*'^ 103 unter dem Schluß des Verses mit Bleistift ein abteilender
schräger Strich H*"
15 103 a . b : und schmählich (1) war die Wo(og '€)
(2) dienete des (a) Archilagus
(b) Archipelagus W o o g e
(1) Wei tumher vom Ruder
(2) vom Persischen Ruder
20 (3) Wei tumher vom Persischen Ruder gebändigt. H ^
1 0 4 kein Absatz H^H* J vor dem Beginn des Verses mit Bleistift (wie am
Schluß des Verses 103) ein abteilender schräger Strich H^"
104-124 : Entwurf:
1: (1)A<«>
25 (2) o Tag an Salamis Ufern!
2: An Salamis Ufern j stehn die Athenischen
3: ( l ) J u n f
(2) Jungfraun imd die Mutter mi t dem g e -
4: (1) f lüchte/te /t en
30 (2) retteten Söhnlein, und (a) harren
(b) harret des Ausgangs,
und die St imme des Meergotts (1) weissagend
(2) tönt weissagend
6: herauf! | indessen wankt, ein (1) lan(g')sam
639
1 0 3 - 1 1 2 Der Archipelagus
(2) Ung
(3) richtend Gewitter
7 ; (1) über
(2) dor<f>
(3) dahin 5
(4) über den (a) schäumenden
(b) tode(svollen (?)}
(c) blutigen Wassern [hin u. wieder]
8 : die Schlacht! und schon steht hoch der Mittag
9.10: üher (1) den glühenden Häuptern (a). (b), 10
(2) mit Bleistift:
dem Haupte den Kämpfern (a) weiter mit Tinte:
jezt jezt donnert
es auf! es (a) donnern u. taumeln die Schiffe,
(ß) rennen [u. ] es taumeln 15
(b) un<d>
(c) aber
(d) imd näher
fallen (a) in
(ß) sich in die Seiten die 20
11: geflügelten Schiffe, daß ihre Mäste taumeln,
12: u. (1) der (a) Boden
(b) eherne Boden
(2) ihr tiefer eherner
(3) {der} t i e f e / r / eherne vestgez imme(r ) te Boden unter (a) der 25
(b) den
Füßen
I h der Kämpfer bebt, H ^
1 0 4 - 1 0 7 :
I : siehe den Entwurf (H^) 30
I I : Aber o Tag (1) am (2) an Salamis Ufern! an Salamis Ufern
Stehen, harrend des Ends, die Athenerinnen, die Jungfraun,
Stehn die Mütter und halten i m A r m das gerettete Söhnlein,
Harrend des Ends, doch schallt zu ihnen die St imme des Meergotts
H^ 55
640
Der Archipelagus 103-112
I I I : Aber o Tag an Salamis Ufern! an Salamis Ufern
Stehn und harren des Ends die Athenerinnen, die Jungfraun,
Stehn die (1) Mutter
(2) Mütter, ( a ) haltend
5 (b) wiegend im Arm das gerettete Söhnlein,
Doch den Harrenden (1) schat
(2) schallt aus Tiefen die St imme des Meergotts
H*
r V : Aber o T a g an Salamis Ufern, an Salamis Ufern
10 Stehn und harren des Ends die Athenerinnen, die Jungfrau/e/n,
Steht die Mutter, wiegend im A r m das gerettete Söhnlein,
Doch den Harrenden schallt aus Tiefen die St imme des Meergotts
J
V: Text H^"
15 1 0 8 - 1 1 0 : Heilweissagend herauf; denn sieh! vorm Auge den Armen
Wankt seit Tagesbeginn, wie langsamwandelnd Gewitter, H ^
108 es nach gestr. xmd H^ schauen] schaun i f ^ 1 1 0 Wankt ] Wankt,
langsamwandelnd] langsam wandelnd J Gewitter , ] Gewitter H^ I I I Dort
auf] Über H^ Dort auf über gestr. Über H^ Schlacht,] Schlacht H*
20 112 den Kämpfern] der Kämpfer J Käm^piem.] unter dem Schluß des Verses
mit Bleistift ein abteilender Querstrich Z/^»
1 1 3 - 1 1 6 :
O und (1) izt
(2) jezt, ihr Lenker des Kampfs, ihr fa^ Helden
2ä (b) Männer des Volkes,
Blikt mi t hel lerem Aug ' , ihr Heroenenkel, ihr Edeln,
Denkt des (1) beschiedenen
(2) längstbeschiedenen Glüks, ("a^ izt
(b) jezt zähmet den hohen
30 Todverachtenden Genius nicht, o Attikas Kinder! H ^
1 1 5 es über gestr. ]ezt H* Athenes] Athen's J 1 1 6 todverachtenden,]
todverachtenden H* jezt nicht über gestr. n immer H* nicht . ] nicht; H*
1 1 7 dasau ida l H* 1 1 7 W i l d Ws 118 erhebt] Ungeheuer des Waldthals
Noch zulezt verwandelt sich hebt H^ 1 1 9 Jäger] Helden H^ erschrökt;]
35 erschrökt, H^ erschreckt; J kehrt jezt] so erwacht H^ 1 2 0 furcht-
641
103-112 Der Archipelagus
bargesammelt] furchtbar gesammelt , / Wi lden , ] Wi lden / 1 2 1 Unter-
gang] Untergang, H^ einmal.] einmal, H^ 122 beginnts;] beginnts: J
Männer] Männer, H ^
1 2 3 . 1 2 4 : Fassen die Schiffe sich an, (1) daß ins Gewässer die Mäste
Taumeln und fürchterlich da und dort der krachende Boden 5
Unter den Streitern bricht , hinab der geschmetterte Kiel sinkt.
(2) später, am unteren Rand:
in d i e W o o g e (a) taumeln die Mäste
(b) taumelt das Steuer
Unter H ^ 10
124 Boden,] Boden H^ sinkt.] kein Absatz H^ H* J unter dem Schluß
des Verses mit Bleistift ein abteileruier Querstrich H^"'
1 2 5 - 2 4 0 : fehlt H^
1 2 5 : (1) Und
(2) Aber vom (a) Ansatz zu S 15
(b) Liede der Schlacht in schwindelnde/n/ Träume ge -
sungen
(3) mitten darunter: vom Liede des (a) Tags
(b) Tages H^
125 gesungen,] gesungen H* 1 2 6 Blik; ] Blik, H^H* 1 2 7 er , ] 20
er H^H*(ü},erderZeileH*) f leht , ] fleht frohlokt, ] frohlokt /
Boten.] Boten, H^ Boten H^ 128 D o c h ] (1) Aber (2) Doch (3) Aber
(4) Doch H^ 1 2 9 Heers,] Heers H* Schiffe , ] Schiffe H^ 1 3 0 i h m
zahllos,] zahllos i h m J W o o g e , ] W o o g e H^H^ 1 3 1 A r m e , ] A r m e H*
132 Flucht,] Flucht H^ gerissen,] gerissen H^ 1 3 4 Geschmeid ' i h m / ü r 25
^cit/-.; G e s c h m e i d i h m 1 3 5 erreicht ' ] erreicht J Rüstung.] unter <i«m
Schluß des Verses, des letzten auf S.7, mit Tinte ein abteilender Querstrich H^
deutlicher Absatz H^ J unter dem Schluß des Verses mit Bleistift durch einen ab-
teilenden schrägen Strich noch mehr verdeutlicht H^" Absatz durch eine Klammer
am linken Rand aufgehoben H*^ 30
1 3 6 zurük nach gestr. li(ebend) H* einsamharrenden] einsam harren-
den J 1 3 7 Volk] Volk, J 1 3 9 Tha l , ] Thal ; H* 1 4 0 verloren-
geachtete] verloren geachtete J 1 4 1 die Brüste] den Busen J Jüng-
l ing, ] Jüngling. J 1 4 2 gewelkt] gewelkt, J 1 4 3 K o m m t ] K ö m m t
über gestr. Hönt H^ hoffnungsmüden] Hofnungsmüden J 1 4 4 l iebende 35
642
Der Archipelagus 103-112
über gestr. dankende H^ geredet; ] geredet, H^H^ unter dem Schluß des
Verses mit Bleistift ein abteilender Querstrich H^" 145 Kommenden aus
Kommendet H^ 1 4 6 Denn über gestr. Und H^ 148 Inseln] Inseln,
t-P J 1 4 9 Wiederkehrt ' ] Wiederkehrt ' , J Athene] Athene, H'
5 1 5 0 femherglänzend] fernher glänzend J 151 Gassen] Gassen, H^
152 Agora, ] Agora H^ 1 5 3 gestürzt] gestürzt, J 1 5 4 bewegt , ] be -
wegt H^H* und der Treue] und Treue H ^ freuend,] freuend H*
155 Biuide] Bund J wieder.] unter dem Schluß des Verses mit Bleistift ein ab-
teilender Querstrich H*'^ 1 5 6 Haußes] Hauses J 1 5 7 Mann; ] Maim, J
10 Halse,] Halse H* 158 Schlummerstäte] Schlummerstätte J W e i b aus
W e i b t 1 6 0 Haußes] Hauses / 162 wieder fehlt J 163 lufti-
gen] lüftigen J Hügeln.] unter dem Schluß des Verses mit Bleistift ein abteilen-
der Querstrich H^" 1 6 6 Vögeln] aus Vögln H^ Völkern J Berge]
Berg J Berg ' ] Berg H^ J 1 6 7 weitumirrenden Stromes] weitumirren-
15 den Stroms J 168 sonst,] sonst J Muttererde] Mutterde H^ Mutter-
erde auj Mutterde / f ^ 1 6 9 Volk, ] Volk 171 Wehn,] Wehn
172 herüberrauscht,] herüberrauscht H^ H* herüber rauscht, J ver-
kündend,] verkündend H^ 173 Thaten,] Thaten H^H* 1 7 4 tönt]
tönt, J Lieblingen aus dem Einsatz zu Liebl ich H^ 175 blühn] blühen J
20 goldnen,] goldnen H* 1 7 6 gewartet,] gewartet J 1 7 7 auf, und] auf
und H^ H* Kolonos] Kolonas J
178 a : gestr.: Archipelagus.
1 7 8 . 1 7 9 : am linken Rajid zwischen den beiden Versen mit Tinte ein abteilender
Querstrich H^ deutlicher Absatz H* kein Absatz J
25 1 7 9 Ehren] Ehren, J 1 8 0 izt] jetzt J 181 Sichergegründet] Sicher
gegründet J W e r k , ] W e r k ; J denn] den J 1 8 3 immerrege ] i m m e r
Rege J 1 8 4 . 1 8 5 den andern Bergen] dem andern Berge J 1 8 5 Pen-
tele über der Zeile H^ Erze, ] Erze. J 1 8 6 f roh] froh, J herrl ich]
herrl ich, J 187 Händen,] Händen H^ H* 188 empor ] empor, J
30 1 9 0 U n d ] Aber iüerg-estr. Vni H* Helden] Helden, J 191 ragt]
ragt, J 192 stehn] stehen J 193 heil igkühner] heilig kühner J
Gedanke] Gedanke, H^ J Komma getilgt H* 1 9 4 Steigt,] Steigt J nah]
nach J in nach gestr. 6. H^ 1 9 7 empor] empor, J 198 dir,] dir
H* 1 9 9 Vorgebirge aus Vorb W
35 1 9 9 a : gestr.-. Archipelagus.
643
1 0 3 - 1 1 2 Der Archipelagus
2 0 0 : über dem Anfang des Verses zur Verdeutlichung des Absatzes mit Tinte ein
doppelter Querstrich H^
2 0 0 O die] unterStr. H*'' Glüks,] Komma aus Ausrufzeichen H^ f r o m -
m e n ] Frommen J 2 0 1 den Vätern] den Väter (Schreibfehler) H* da-
he im, ] daheim H^H* vergessen,] vergessen H^H* 2 0 2 Lethestrom,] 5
Lethestrom wieder ?] wieder, / / • ' i / ^ 2 0 3 Sieht üier grestr. S i e h e t / / ^
2 0 5 Suchende ] suchende J 205 . 2 0 6 die Sprache, Darum die Sage]
umgestellt durch die Nummer 1 über Sage und 2 über Sprache H^ 2 0 7 m i r ]
nur J euem] euren J 2 0 9 ^Vo unter gestr.: kher na. (versehentlicher An-
satz nochmals zu v. 208) H^ Haupt] Haupt, J 2 1 0 i ch , ] i ch H^H* 10
2 1 1 dort] dort, J 2 1 2 i ch , ] ich J 2 1 3 Grün,] Grün m 2 1 4 ihr ]
Ihr J a l l ! ] all, J 2 1 5 hangenden] hängenden H^ 2 1 6 wohnen]
w o h n e n , / / ^ N a h m e n ! ] Nahmen, 2 1 7 rufen] rufen, i f ' ' ihr]
Ihr J 2 1 9 f r o m m e m aus f r o m m e n H* Gesang] Gesang, H^ sühnen]
söhnen J Schatten!] Schatten, J 2 2 0 Bis] Bis, H^ 2 2 1 dann] 15
dann, 2 2 2 hohen] ewigen H i m m e l s , ] H i m m e l s ! 2 2 5 Sternen
nachgestr.U H* Lüfte , ] Lüfte i f < 2 2 6 Rath , ] Rath / / • ' i / ^ n i m m e r ]
immer , J 2 2 7 Dodonas aui Dodonos H* 2 2 8 S tumm] Stum H^ H^
G o t t , ] Gott H* 2 3 0 : unter dem Schluß des Verses mit Tinte ein abteilender
Querstrich H* 20
2 3 1 - 2 4 4 : I : Text H^H^J
2 3 1 Menschen,] Menschen H^ 2 3 3 ihr] Ihr J 2 3 4 ihr ]
Ihr J 2 3 5 es über der Zeile H^ Herzen;] Herzen, H^
2 3 6 Kräfte,] Kräfte H^ 2 3 7 Mann] Mann, W 2 3 8
Aether, ] Aether H^ 2 3 9 Volk] Volk, H^ 2 4 1 wohnt, 25
wie i m Orkus,] wohnet, wie Orkus, J 2 4 2 Geschlecht.
Ans aus: Geschlecht, ans H^ Ans eigene Treiben] Aus
eigenen Trieben J 2 4 3 allein,] allein H^
I I : später mit blasser Tinte am unteren Rand des Blattes 7unter
V. 2^3, und weiter auf Blatt 7 ^ über den Zeilen (Zeile 1-3 unter 30
V. 233, Zeile 4undS über v. 234, Zeile 6-8 über v. 235-231 -
die 2.Fassung des Schlusses der Zeile 8 unter dem Schluß v. 237 —,
Zeile9-11 überv. 239-241,Zeile 12 undl3 überv. 243 und244):
1 : Also sagt i ch : es hatt' in Lüften des Abends
2: Eine W e h m u t h seelig und süß den Sinn mir ergriffen 35
644
Der Archipelagus 103-112
3: Undich traumete fort die Nacht hindurch. Da wekte der Hahnschrei
4 : Plözlich mich auf, und die Loken ergriff, von Sternen gesendet
Wunderbar ein kühlender Hauch, die Donner des Höchsten
6: Hatten zuvor im Ohre getönt, fernher,
5 7 : denn noch glüht der Sommer noch izt nicht.
8: Aber hört, das W o r t ist gewiß, und haltet mit Zweifeln
9: Mirs, ihr Alten, nicht auf, damit die Gewalt nicht
10: Hoch her stürz' und zertretend auf Trümmer falle der Seegen.
11: Drüben sind der Trümmer genug i m Griechenland und die hohe
10 12: Romal i eg t , s i emachtenzusehrzuMenschend ieGöt ter ,
13: Aber gewaltiger kommt, H^''
Lesarten:
I ha t t ' in Lüften aui; hatte W e h m u t h H*^ Abends aus
hheni H*^ 3 XSndi gestr. H^^ traumete] vielleicht zu schrei-
15 Jen traumete C.'^ hindurch.] h i n d u r c h 4 die über gestr.
ein H*^ von Sternen gesendet] (1) von gesendet (2) vom
Höchsten gesendet (3) von [den] Sternen gesendet H ^ ^
S Höchsten liJcrg-crtr. Vater (.5> H^^ 6 iuvot nach gestr.
ich. H^^ fernher auj ferh fem\ier,vorgestr. Aer H^''
20 7 denn noch] DcrscÄneim statt denn es 8 imd haltet mit
Zweifeln] u. (1) griffe der Tod (2) haltet mit Zweifeln H*'>
9 Mirs i u auf,] Mirs (1) nicht auf, (2), ("a; ihr Lieb<m>
(•j; ihr Alten nicht auf, H^'' 10 stürz'aus stürze H^''
II Drüben aus Drunten i i f^ ' ' 12 Koma] darüber ein waage-
25 rechter Strich Ii
2 4 1 - 2 4 6 : Entwurf:
1 : W e h e ! wie im Orkus, lebt
2 : (1) das Menschengeschlecht, ans eigene Treiben
gesch[ie]miedet
30 (2) ohne Götter das Menschengeschlecht, an/s / die eigene
3: Kunst, an eigenes
4: Wissen allein, u. die eigenen Triebe
S: geschmiedet, und in der tosenden
6: Werkstatt, (1) hört
35 (2) höret jeder nur sich.
645
103-112 Der Archipelagus
7 : u. Tag u. Nacht arbeiten die Geister.
8: Aber umsonst, u. [und] unfruchtbar, wie
9: die Furien, ist die Sorge und Mühe der
10: Armen. Demi H^
2 4 1 - 2 4 4 : Text H^ H* J (Lesarten siehe oben bei v. 2S1-244!) 5
246 bleibt] bleibet J
247-270: fehlt H^
2 4 7 Bis,] Bis ängstigen] ängstlichen J Traum, ] Traum J 2 4 9 vor-
mals] v o r m a l s , o f t , ] oft J 2 5 0 Zeit ] Zeit , J 2 5 1 femherwandelnde]
aus f emherwal H^ fernher wandelnde J 2 5 2 Stilleweilend] Stille weilend J 10
2 5 3 A c h ! ] Ach , J gött l ichgebomen aus göttll H^ 2 5 4 als] all' J
2 5 6 Unbesungen aus Unbesugen H^ 2 5 7 schon hör ' ich ferne des] darüber:
ich weiß ja, wo H*'' ferne] F e m e J 2 5 8 Chorgesang auf grünem]
darüber (über den beiden letzten Buchstaben des ersten Wortes einsetzend): u. den Ort
H^^ Geb irg ' ] Gebirg H^ J 2 6 0 i m freieren Lied , ] in freierem Lied J 15
261-268: I : Text Hm^ J
2 6 1 he i l ig ; ] heilig. J 2 6 2 hinauseilt,] hinaus eilt J
2 6 3 Lands,] Lands H^ 2 6 5 auch,] auch (über der Zeile)
H * 2 6 6 Menschlicher Wohnung ] Menschlichen W o h m m -
gen W 2 6 7 Denn] Denn, H^ 2 6 8 Kindern] Kindern; J 20
I I : später mit blasser Tinte über den Zeilen (außer v. 262):
1: Aber weil so nahe sie sind die gegenwärtigen Götter
2: M u ß ich seyn, als wären sie f e m , und dunkel in Wolken
3: M u ß ihr Nähme mir seyn, niu' ehe der Morgen
4: Aufglänzt, ehe das Leben i m Mittag glühet 25
S: Nenn' ich stille sie mir , damit der Dichter das seine
6: Habe, wenn aber hinab das himmlische Licht geht
7 ; Denk' i ch des vergangenen g e m , und sage — blühet indeß
H*»
Lesarten: 30
1 sie über mir 2: (1) Darf ich (2) M u ß ich f a ; reden,
w i e w e ( n n ) fi^ seyn, als wären sie f e m , (a) nu und dun-
kel in Wolken } ehe nach gestr. wenn H<"> 6 Habe, ]
danach, über der Zeile, ein Kreuz (siehe die Bemerkung zu v. 271a)
H*l> hinab]hiniJ:>, H^l» das aus die H^l» 7 blühet indeß] 35
646
Der Archipelagus 1 0 3 - 1 1 2
Damit ist anscheinend der Anschluß an v. 278 hergestellt, so daß
die sieben Verse als Ersatz für v. 261—278 aufzufassen wären.
2 6 9 und,] und J Quellengebirg,] Quellengcbürg J
2 7 0 a . b : An dieser Stelle ist vielleicht ein für sich stehender, unausgeführt ge-
5 bliebener Soti des Entwurfs einzuordnen:
Und wandelst du einsam
Nimmer droben Gestirn? H ^
271-277 : fehlt H'
2 7 1 : (1) Dann, ihr Freuden Athens! ihr Männerthaten in Sparta!
10 (2) Dann, dann o ihr Freuden Athens! ihr Thaten in Sparta! H ^
2 7 1 a : am unteren Rande des Blattes S ' , unmittelbar unter v. 271:
und weissagend redet meine Seele von euch H ^ ' '
Vielleicht sollten diese (mit derselben blassen Tinte geschriebenen) ?Vorte
in V. 6 der späten Variante zu v. 261 - 26S (278) eingefügt werden. Doch
15 fehlt hier das Kreuz, das dem oben, nach Habe, gesetzten entspräche.
Wahrscheinlich ist die anfangs geplante Einfügung dann wieder verwor-
fen. Jedenfalls brächte die nicht weitergeführte Apostrophe von euch einen
fremden Ton in den Zusammenhang, der die Götter sonst in der }. Person
erwähnt.
20 2 73 k ö m m t ] kömt / J ^ kommt J wenn ihr ] wenn Ihr J Vorwelt ! ] Vor-
welt J 2 7 4 Wiederkehret öui dem zu Wiederkehrt H^ nahe! ]
nahe, J 2 7 5 Dann erhalle] (1) Dann, dann feire (2) Dann, erhalte H^
2 7 6 Volk, ] Volk H^ H^ 2 7 7 stolze aus dem Ansatz zu F ( ? ) H*
277a: ^crtr .Archipelagus. H ^ ' '
25 278-287: I : 2 7 8 : Blühet indessen, ihr Myrthen (1) Ii (2) loniens!
2 7 9 : Und schlummert sanft unter
2 8 0 : Ihr Kinder des (1) Kl (2) Glüks! H '
281-281: fehlt Hl
30 II: Text HOH«H* J
2 7 8 unsre Früchte] andre Blüthen H ^ unsre Früchte über gestr.: andre
Blüthen H^ 2 7 9 Blüht aus Blüt H^ loniens! ] loniens J nur,] mir ,
H^ Tiva,ausm\rH^ mir H^ 2 8 0 verhergi] danach ein Komma getilgt H^
Tage ] Tag J Trauer ! ] Trauer / f « 2 8 1 Lorbeerwälder ! ] Lorbeer-
35 Wälder, J 2 8 2 Todten] Helden H^ Todten über gestr. Helden H^
647
103-112 Der Archipelagus
hei über gestr. ecai H^ 2 8 3 Siegend] Siegens ("Sc/ireiJ/eWerJ H^ star-
ben, ach! dort] starben und dort H'^ starben [und] ach ! dort H ^
2 8 4 ins Blut] hinaus J 2 8 5 dort, dort] o dort i / » 2 8 6 dort aus s W
2 8 7 : G ip W (damit bricht die Handschrift ah) 2 8 7 ihr ] Ihr J W a s -
ser,] Komma aus Aasrufzeichen H^ H* 5
2 8 8 - 2 9 6 : fehlt W W
2 8 8 der aus dem Ansatz zu G H* 2 9 2 üb ' , ] üb ' H* J Göttersprache,]
G ö t t e r s p r a c h e / / ' ' / 2 9 3 versteh',] versteh' versteh, J 2 9 4 Zu
ruich gestr. Einst H^ ergreifft] ergreift , J
2 9 6 a : Hölderlin. H* J 10
Erläuterungen
Zur Gesamtdeutung vgl. Friedrich Gundolf: Hölderlins Archipelagus, Heidelberg
1911; wiederabgedruckt in dem Buch: Dichter und Helden, Heidelberg 1921, 2. Aufl.
192), S.S-22.
Die Form des hexametrischen Hymnus, schon früher erprobt in den kürzeren Hymnen 15
Die Eichbäume, An denFrüling (nicht vollendet) und An den Aether, dann wieder
versucht in dem hymnischen Entwurf Dem Allbekannten, gelingt hier ein einziges
Mal. Sie ist vermöge ihrer metrischen Verwandtschaft mit der Elegie besonders ge-
schickt zu diesem Thema, dem Rückblick auf Griechenland. So leitet der Archipelagus
auch formal über von der Elegie zum eigenrhythmischen Hymnus, zum Vaterländi- 20
sehen Gesang, wie ja auch Hölderlins Elegien schon manchen hymnisch-lyrischen
Zug aufweisen: in ihrer strophischen Gliederung und (zum Beispiel Menons Klagen
umDiotima, Stutgard, Heimkunft) in hymnischen Aufschwüngen am Ende.
Überschrift: Der nicht antike Name(niXayoq ist überdies neutrum) bezeichnet eine
Inselgruppe, zumal die Inseln des Ägäischen Meers. Die Herleitung ist umstritten. 25
The Encyclopaedia Britannica zählt (Bd. 2,1910, S.S69) verschiedene Etymologien
auf: 1) it is a corruption of the ancient name, Egeopelago (Alyalov niXayog);
2) it is from the modem Greek, 'Ayio neXayo, the Holy Sea; 3) it arose at the time of
the Latin empire, and means the Sea of the Kingdom (Arche); 4) it is a translation
of the Turkish name, Ak Denghiz, ArgonPelagOS, the White Sea; S) it is simply 30
Archipelagus, Italian, arcipelago, the chief sea. - Hölderlin denkt nicht so
sehr an eine geographische Größe wie an eine göttliche Wesenheit, den Meergott ,
den Alten, Gewaltigen, den Vater der Inseln.
1 - 8 Die eigentümliche Unruhe, die diesen einleitenden Versen durch die liebend an-
648
Der Archipelagus 1 0 3 - 1 1 2
drängenden Fragen verliehen wird, vertieft sich noch dadurch, daß die metrische
Gliederung zuerst der syntaktischen widerstreitet.
1 Kraniche] Vgl. Die Wanderung v. 66 und die Erläuterung z. St.
8 Stille] Dies die Präambel abschließende Motiv klingt auch im letzten Vers
5 des ganzen Hymnus noch einmal an.
13 Salamis grünt] In Hyperions Schilderung der Insel (1, 8) f.) heißt es aus-
drücklich: Der Boden ist grüner geworden.
15 Delos] Hyperion erzählt von einem goldnen Tag , den er mit Adamas auf den
Höhen von Delos, auf dem Cynthus verbracht (1, 22—24).
10 17 icT Cy^T\eilrsJi)ii'\Vgl.T?atmos V. 57 f . und die Erläuterung z. St.
Kalauria] Diese Heimatinsel Diotimens wird von Hyperion (1, 85—89) besonders
liebevoll geschildert.
3 4 Nachtgesang] Die Himmlischen, die Kräfte der Höhe (v. 25), sind zwar in
neuerer Zeit ferne; doch birgt der brüderliche Archipelagus eine Erinnerung ihrer
15 wirkenden Gegenwart. Auch in der Zeit der Nacht zwischen den Göttertagen tönt so
der Gesang der Götter in seinem l iebenden Busen wider. In diesem Sinn, als An-
zeichen göttlichen fVirkens auch in der Nachtzeit, als Ankündigung und Gewähr
eines neuen Göttermorgens, bezeichnet Hölderlin in dem Brief an Wilmans vom
Dezember 1803 die in dessen Taschenbuch für das Jahr 1805 veröffentlichten
20 Gedichte als Nachtgesänge (Chiron, Thränen, An die Hoffnung, Vulkan, Blödig-
keit, Ganymed, Hälfte des Lebens, Lebensalter, Der Winkel von Hahrdt).
4 3 . 4 4 die Wolken, Deine Boten] Vgl. Stutgard v. 65 f.: die See schikt / Ihre
Wolken .
4 8 Mäander] Durch seine Mündung in das Meer enteilt dieser kleinasiatische
25 Fluß seinen Irren, das sind die sprichwörtlichen Krümmungen und Windungen, die
den Eindruck erwecken, als gehörten sie gar nicht zusammen, als wären es tausend
einzelne Bäche (Ovid, met. 2, 246: qui... recurvatis ludit Maeandrus in undis). —
Zur Artikellosigkeit des Namens (auch im nächsten Vers Kayster und v.171 Ilissus^
vgl. die Erläuterung zu v. 37 des Gesangs Am Quell der Donau.
30 4 9 Kayster] Vgl. Die Waruierung v. 65 und die Erläuterung z. St.
5 0 der Erstgeborne] Hesiod nennt in der Theogonie v.338 unter den Flüssen, die
Tethys dem Okeanos gebiert, als ersten den Nil.
5 1 Der zu lange sich barg] Ovid (met. 2, 254-256) erzählt, der Nil sei, als
Phaethons Sturz die Welt in Flamme setzte und die Flüsse austrocknete, voller Schrek-
35 ken in die äußerste Ferne geflohen, sein Haupt verbergend, so daß seine Quelle den
649
103-112 Der Archipelagus
Menschen immer noch unbekannt sei; seine sieben Mündungen seien wasserlos ge-
worden: Nilus in extremwn fugit perterritus orhem occuluitque caput, quod adhuc
latet; ostia Septem pulverulenta vacant, Septem sineßumine valles.
5 3 die offenen A r m e ] Die Mündungsarme des Deltas.
5 6 gei[üge\te'Wooge] Die aus dem Meer empordunstende Wolke (vgl. v. 4) f.). 5
6 0 . 6 1 Vgl. V. 2iS; Der Rhein v. 109-114 und die Erläuterung z. St.
6 8 Burg] Die Akropolis; vgl. v. 149.
7 0 Agora] Von Hölderlin auf der zweiten Silbe betont. Vgl. v.lS2; Griechenland.
An St. V. 7 und die Erläuterung z. St. (1, 481).
72 Kaufmann] Vgl. Schiller, Der Kaufmann (Nationalausgahe 1, 2i7). 10
7 7 hinauf und hinab] Nach Norden, das auf der Landkarte oben, und nach Süden,
das unten liegt. Vgl.Hyperion 1, 21: .. wenn wir . . . an den Athos hinauf . . .
schifften . . . und dann hinab an die Ufer von Rhodus; Der Wanderer, 2.Fassung,
V. 20: F e m zum nördlichen Pol kam ich in Schiffen herauf; {Der Istcr) v. 29:
am Olympos drunten. 15
8 0 Herkules Säulen] Die Meerenge von Gibraltar.
zu neuen seeligen Inseln] Vgl.Elegie v.lll und die Erläuterung z. St.
8 6 des Genius Feind] Vgl.Abschied v.i; {Götter wandelten einst.v.lO.
Perse] Vgl. v.l03. — Alte Form (statt »Perser«), von Andreas Gryphius ausschließ-
lich gebraucht: LeoArmenius 1,11. 3)0. 3S0. 4SI; 2,60; 3,44; 5,112; Catharina 20
von Georgien, passim.
8 7 Jahrlang] Vgl. {Hyperions Schiksaalslied) v. 24; Andenken v. 4S; {Versöhnen-
der der du nimmergeglaubt...), I.Fassung, v. Sl; 2.Fassung, v. 64.
8 9 wie ein T r a u m ] Er hatte keine klare Vorstellung von den Kräften, die das in-
nige Volk, vom Göttergeiste gerüstet, unüberwiruilich machen. 25
9 1 - 9 4 Aetna] Vgl. Pindar, Pyth. 1, 34-S2 in Hölderlins Übersetzung.
9 6 Ekbatana] 'Exßdrava (alle drei a-Laute sind kurz), Sommerresidertz der persi-
schen Könige. Hölderlin betont den Namen auf der vorletzten Silbe, ebenso Wieland,
Aspasia v. 9—12: Es hatte zwar zu Ekbatane / . . . die Oberpriesterin / Der stets
jungfräidichen Diane / Die Majestät von einer Königin. 30
1 0 4 - 1 3 5 Salamis] Im Jahr 480 v.(^hr. - Vgl.Hyperion 1, 83 f : Da . . . les' i ch
auch auf meiner Höhe droben v o m alten herrlichen Seekrieg, der an Salamis
einst i m wilden klugbeherrscKten Getümmel vertobte, imd freue des Geistes
mi ch , der das vnitende Chaos von Freunden und Feinden lenken konnte und
zähmen, wie ein Reuter das Roß . 35
650
Der Archipelagus 1 0 3 - 1 1 2
1 0 9 an den bebenden U f e m ] Vgl. v.131.
1 3 4 Geschmeid] Im Althochdeutschen ist gismidi das Sammelwort zu smlda; Metall
(vgl. schmieden) wieGehirgezuBerg. Dannhezeichnet es alles aus Metall Geschmiedete,
zumal Waffen und Rüstung. Schließlichwird das Wort eingeschränkt auf den vom Gold-
5 Schmied verfertigten Schmuck. Hölderlin verwendet es in der alten weiteren Bedeutung.
1 3 6 zum einsamharrenden Strome] Der Ilissus harrt einsam, weil er allein un-
versehrt aus der allgemeinen Vernichtung übriggeblieben ist.
1 3 9 — 145 Zum Bau des Gleichnisses vgl.Der Einzige, I.Fassung, v. 92—103 und
die Erläuterung z. St.
10 1 6 7 die Fürsten des Forsts] Die ersten Siedler, die den Forst roden, heißen Für-
sten im ursprünglichen Sinn des Worts: eben als die Führenden, Vorderen, die Ersten;
vgl.Der Einzige, ).Fassung, v.7f—98, Ansatz II Zeile 19: W i e Fürsten ist Her-
kules (Lesarten); (Wie Vögel langsam ziehn...) v.h — Die sicheren Pürsten des
Forsts begegnen auch in der Anmerkung zu dem Pindar-Fragment Das Belebende,
15 wo es gewiß in der Erinnerung an diesen Vers des Archipelagus (.. und des weit-
umirrenden StTomes) vorher auch heißt: In solchen Gegenden mußt ' ursprüng-
lich der Strom umirren, eh ' er sich eine Bahn riß. Vgl. auch . der Vatikan...)
v.19: Den Meister des Forsts.
171 Ilissus] Zur Artikellosigkeit des Namens vgl. v. 48 f . Mäander und Kayster'
20 und die Erläuterung zu v. 37 des Gesangs Am Quell der Donau.
1 7 7 Kolonos] Attischer Demos, nahe bei Athen: KoAwvdg (Hölderlin betont nach
lateinischer Regel die vorletzte Silbe), durch seine Pferdezucht berühmt. Das erste
Stasimon im Oedipus Coloneus des Sophokles (v. 668—719) beginnt deshalb: eibmov
^he raade ^xov rä xq&tuna yäg &iav?.a, töv dgyijTa Ko^wvöv - in IIöl-
25 derlins Übersetzung: In des pferdereichen Landes / Trefl ichen Höfen / Auf
Kolonos w e i ß e m Boden / Bist du angekommen, / 0 Fremdling dieser Gegend.
1 8 5 der Pentele] Der wegen seines Marmors, des Pentelischen, berühmte Penteli-
sche Berg (rd IJevTehxdv SQog) nordöstlich von Athen, so genannt nach der an sei-
nem Fuß liegeruien Ortschaft TTevteA^ (fem.). Der ursprüngliche Name des Berges
30 ist Brilessos. Hölderlin betont den Namen vermutlich auf der mittleren Silbe und faßt
ihn als Masculinum und eigentlichen Namen des Berges auf. Vgl. Hyperion 1,150:
Die Marmorfelsen des Hymettus und Pentele.
1 9 0 . 1 9 1 gleich festlichen Helden / A m gemeinsamen Kelch] Vgl. Lied der
Freundschaft, 2.Fassung, v. 1 f.: W i e der Held am Siegesmahle / Ruhen wir u m
35 die Pokale; Stutgard v. 33-36.
651
103-112 Der Archipelagus
192 Prytanen] Der nqvraviQ (wörtlich: Fürst, Erster - vgl. Tig&TOg) war in Athen
der Inhaber eines hohen Staatsamtes. Die SO Senatoren einer jeden der zehn Phylen
(Stämme) wurden, nach dem Lose wechselnd, einmal im Jahr für Tage (in
Schaltjahren 38—^9 Tage) Prytanen und erlosten unter sich täglich den Vorsitz im
Rat und in der Volksversammlung. Sie speisten in der Prytanen Gemach , dem 5
TiQVravBiOV, dem Stadthaus, worin der Herd der Stadt stand und wo auch auswärtige
Gäste und besonders verdiente Bürger bewirtet wurden.
Gymnasien] Ein yvßvdaiov war ein Platz, wo Knaben und Männer nackt (yvßvol)
Leibesübungen betrieben, wo sich auch Philosophen einfanden zu Lehrgesprächen,
wo die Herzen Sokratcs gewann (Griechenland u. 4). 10
1 9 4 OlymTpion] Vgl.DerMain v.lO und die Erläuterung z. St.; femer Hyperion 1,
137: 0 Athen! rief Diot ima; ich habe manchmal getrauert, wenn ich dahin-
aussah, und aus der blauen Dämmerung mir das Phantom des Olympion auf-
s t ieg ! ; 1, 1S3: die sechzehn Säulen, die noch übrig stehn vom göttlichen
Olympion. 15
1 9 6 dein herrlicher Hügel] Die Akropolis. Nachdem die Burg von den Persern 480
unter Xerxes und im folgenden Jahr unter Mardonius völlig zerstört worden war,
wurde sie unter Perikles (inden Jahren 449—429) schöner denn je wiederaufgebaut:
so erstanden der Parthenon, die Propyläen, der Niketempel, das Erechtheion.
1 9 8 Gott der Woogen und dir] Auch dem Poseidon blühte nach Hölderlins 20
Meinung die Akropolis: er will den Gott der W o o g e n versöhnen, welcher der Athene
erfolglos den Besitz Attikas streitig gemacht; vgl.Herodot 8, SS; Plutarch, Themi-
stokles 19; Pausanias 1, 24, S; 26, S; Apollodor S, 14, 1; Ovid, met. 6, 7S-82;
Hygin,fab.l64.
1 9 9 am Vorgebirge] Gcmcmtut&r Tempe/auf dem Vorgebirge, auf Suniums 25
grüner Spize (Hyperionl, 151). Vgl. Der Main v. 9 und die Erläuterung z. St.
2 0 1 vergessen] Vgl. Der Abschied v. 30 und die Erläuterung z. St.
2 0 4 Pfade der grünenden Erd'] Vgl. Elegie v.lOl.
2 1 0 Zum Pamassos will ich] Vgl. Kolomb v.30 und die Erläuterung z. St.
2 1 1 Kastalias Quelle] Im heiligen Bezirk zu Delphi, am Fuß des Parrmssos. Vgl. 30
Die Wanderung v. 73 und die Erläuterung z. St.
2 1 5 T e m p e ] Das reizende vom Peneios durchströmte Tal in Thessalien, zwischen
Olymp und Ossa.
2 1 8 Pf lug] Vgl. Gesang des Deutschen v. SO f .
2 2 6 - 2 3 0 Drei Stätten werden genannt, wo die Götter einst den Menschen Rat 35
652
Der Archipelagus. Die Entschlafenen 10}-11}
gaben: 1) Dodona, das älteste griechische Orakel in Epirus, wo die Priester aus dem
Rauschen der Eichen weissagten; vgl. Homer, Ilias 16,2} 3—23 S ;0dysseel4, 327 f.;
Hesiod, Eoeaefrg.134 (156) Rzach; Aeschylus, Prometheus v. 829-8}2; So-
phokles, Trach. v.l71 f . und 1166-1168; Ovid, trist. 4, 8, 4}; auch Fragment
5 von Hyperion 212: Mir war, als hätt' ich die Priesterin zu Dodona gehört ; Hy-
perion 2, 2}: Ich wandere durch diß Land, wie durch Dodonas Hain, wo die
Eichen tönten von ruhmweissagenden Sprüchen. - 2) Delphi. — }) Die Stadt
des redlichen Sehers; gemeint ist Theben, der Wohrwrt des Sehers Teiresias, dessen
Schatten Odysseus (im 11. Gesang der Odyssee) noch im Hades befragt, der auch in
10 den beiden von Hölderlin übersetzten Sophokleischen Tragödien bedeutsam auftritt -
vgl. den Schluß de.' 1. Kapitels der Anmerkungen zum Oedipus.
2 3 1 — 2 4 4 Zu der über diesen Versen überlieferten späten Variante (H^^) vgl. Iduna
1944, S. 57-61.
2 5 3 - 2 7 7 Vgl. Menons Klagen um Diotima v. 71-82.
15 261—268 Zu der über diesen Versen überlieferten späten Variante (H^ vgl. Fried-
rich Beißner: ... damit der Dichter das Seine habe. Die Pforte 1, Urach 1947,
S. 102-106.
281— 2 8 7 Nachdem in dem Hymnus an den Archipelagus, den Meergott, die See-
schlacht bei Salamis ausnehmend gefeiert worden, ist hier gegen Ende noch dreier
20 entscheidender Landschlachten Erwähnung getan: der bei Marathon (im Jahr 490),
bei Chäronea (338) und bei den Thermopylen (480), dem zwischen dem Oeta und
der Küste gelegenen Engpaß. Wieder wird, wie bei der Nennung der drei Orakel
V. 226-230, der dritte Name nicht direkt gegeben. (Vgl. die Erläuterung zu Pin-
dar, Pyth. 11, f f ) .
25 2 8 4 ins Blut] Vgl. Schubart, Friedrich der Große v.l3 f.: .. Hörte Kleist, der
für Friedrich Mit der H a r f ins Blut stürzte.
2 9 3 die reißende Zeit] Vgl. Der Zeitgeist v. 2 und die Erläuterung z. St.
2 9 6 Stille] Vgl. V. 8.
in deiner T ie f e ] Attributiver Ausdruck, zu verbinden mit der Stille.
30 D I E E N T S C H L A F E N E N
Nach Christoph Schwabs Zeugnis in Landauers Haus zu Stuttgart, im Herbst 1800,
entstanden.
653
113-114 Die Entschlafenen. An Landauer
Überlief erung
B^ : Friedrich Hölderlin^ sämmtliche Werke, hg. von Christoph Theodor Schwab,
Stuttgart imd Tübingen 1846, 11, 88.
Lesarten
3 Doch ihr Schlafenden wacht] Doch , Ihr Schlafenden, wacht 5
Erläuterungen
In der seiner Hölderlin-Ausgabe von 1846 (B^) angehängten Lebensbeschreibung
berichtet Christoph Schwab (Bd.2 S. 306): Bei Landauer fühlte er sich wohl und
bezeugte ihm seinen Freundesdank... auch durch ein auf ein kleines D enkmal
eingeschriebenes Epitaph, unter dem Ti te l ; » D i e Entschlafenen«. (Vgl. die 10
Erläuterungen zu dem Lied (.An Landauer) S. 6S1 Z. 24—26.)
5. 6 des göttlichen Geistes Freude] Vgl.Menons Klagen um Diotima v.107 und
die Erläuterung z. St.
<AN L A N D A U E R )
Kurz vor dem 11. Dezember 1800, Landauers 31. Geburtstag, entstanden (siehe die 15
Erläuterungen).
Überlieferung
H: Stuttgart I 6 Bl. 24 23 ® (s. die Beschreibung S. 377): Entwurf,
h : Stuttgart, Landesbibliothek cod. poet. 4» Nr. 196 Bl.122: Abschrift von der
Harul Gustav Schlesiers. 20
Eigentümlichkeiten der Schreibung: erkohren, sein, glücklich, Du, Dir.
B^ : Friedrich Hölderlin's sämmtliche Werke, hg. von Christoph Theodor Schwab,
Stuttgart und Tübingen 1846, II 3flf.
Eigentümlichkeiten der Schreibung: sey, seyd, seyn, glücklich, selig, Du,
Dir. 25
Lesarten
Überschrift: fehlt H Zum Geburtstag seines Freundes Christian Landauer, h
1 froh! Du] froh, du H gute] edle H
2 : (1) Dir
(2) Das rechte Leos 30
654
An Landauer 114
(3) ist der
(4) Und ( a ) treu
(b) tief u. treu ward eine Seele dir, H
3 Der Freunde Freund zu seyn, bist du über: Zum Freund und Vater wurdest
5 Am H geboren /eWt H 4 : Und Vater', dich (nicht weiter ausgeführt) H
Diß ] Dies h Dieß B^ 5 Und seelig, wer ] W o h l i h m , der so H i m
eignen Hauße aus: am eignen Heerde fHauße gestr. u. unterpunJctet) H Hauße]
Hause h B^ Frieden,] Frieden H 6 : Und Lust u. L ieb und Fülle, sieht,
wie du, H 7 : (1) Des Lebens sichre IMitte (2) Das Schiksaal ist (5) Viel
10 andre sind wie (a) Tag (b) L icht und Nacht verschieden, H
9 — 2 4 : Die drei nächsten Strophen (v. 9—20) werden später in schmaler Kolumne
in der rcchten unteren Hälfte der gegenüberliegenden Seite (Bl. 23") entworfen;
auf S. 24' schließt sich unmittelbar an v. 8 das Folgende an:
14: (1) Des Waldes Haupt
15 (2) Und wie den W a l d die goldne W o l k e krönt
I f : So sind u m (1) dich (2) uns die Schatten deiner Lieben
16: Die Seeligen
17; O s c h ü z e t i h n !
21: (1) W i r feiern heut (a) wir
20 (b) imd heben fröhlich Morgen
(2) W i r so<. . .?>
(3) So sei es heut, der Schiffer hebet Morgen
(a) Des Lebens
(b) (Die) alte Fahrt auf (a) schwanken Woogen an.
25 {ß) Woogen wieder an.
(4) Das Fest verhallt
(5) Aus Freude des Herzens
(6) Doch sieh! aus Freude singen wir von Sorgen,
(7) aus Freude (a) L ieber !
30 (b) Vater! singen wir von Sorgen,
(8) witer V. 24: Und sieh! aus Freude sagen wir
22: (1) Denn •
(2) W i e dunkler W e i n , gefällt auch emster Stmg,
(3) Doch freut W i e dunkler W e i n
35 (4) W i e dunkler W e i n , erfreut auch emster Sang,
655
114 An Landauer
2 } : Das Fest verhallt, und jedes gehet morgen
24: Auf (1) schmalem
(2) vestem Pfade
(3) schmaler Erde seinen Gang. H
9 - 2 0 : Zu diesen drei Strophen steht auf Bl. 23^ der folgende Entwurf: 5
9: Dir (1) gl (2) scheint (3) glänzt die Sonn in wohlgebauter Ha<Zie>
10: (1) Die Sonne rei ft am Berge dir den
(2) darunter: A m Berge reift die Sonne dir den W e i n
11.12: (1) Getreu ist dir das Schiff
(2) Ein 10
(3) Der kluge Genius
(4) Der kluge (a) Genius (b) Gott dir aus und ein.
(5) Glükf (oder: Glüks ;
(6) Glükbringend
(7) Und i m m e r glüklich führt die Güter alle 15
Der kluge Gott dir aus u. ein.
13: (1) Und Kind (a) und Mutter
(b) gedeiht Uber gestr. und
(2) Das Kind die Mutter u m den Gatten
14: Und wie den Wald die goldne W o l k e krönt, 20
I S : So seid auch ihr u m ihn geliebte Schatten
16: Ihr Seeligen! an ihn gewöhnt.
17: O seid mi t i h m ! den<n) W ö l k und (1) W
(2) Lüfte
(5) Winde 25
18: (1) [und] o f t i m m e r
(2) Unruhig öfters über Land tmd Haus
19: (1) Und gerne ruht der Mann nach schweren Tagen
(2) Doch liebend ruht das Heri bei allen Lebens
20: I m (1) treuen 30
(2) heiigen Angedenken aus H
1 0 W e i n , ] W e i n h 1 9 be i ] von B^ 2 2 W e i n , ] W e i n h
656
An Landauer 114
Erläuterungen
Gustav Schlesier hat im Jahr 184S das Folgende aufgezeichnet (Stuttgart, Landes-
bibliothek cod. poet. 4» Nr. 196 Bl. HO f.):
Kriegsrath v. Landauer. 1845.
5 1.) Anfang Junius.
Da ich in den Höl((i)erlinischen Papieren oft den Namen Landauer u. selbst
einige Briefblätter von diesem gefunden, so wollt ' i ch schon längst Gelegen-
heit nehmen, den Kriegsrath Landauer, den ich öfter in Gesellschaft sehe,
zu fragen, ob das etwa sein Vater geweseii sei?
10 Ich that es endlich. Er b e j a h t e es. Sein Vater sei mit Hold, ganz intim ge -
wesen. Eine Zeit lang (1800) wohnte er in dessen H a u s e - i . besaß damals
das Ostcrtag'sche Haus der Hauptwache gegenüber - ; er selbst habe damals
schon Unterricht bei H. gehabt.
Sein Vater sei mit all den damaligen lit. Celebritäten befreundet gewesen, mit
15 Neuffer, der besonders gern gut gegessen u. getrunken habe, mit Haug, mit
Conz etc. An jedem Geburtstage seien so viel Gäste geladen /ge /worden, als der Vater
Jahre gezählt habe, u. eben so viel Lichter angezündet worden.
Der Vater ist jetzt sehr alt, seit einiger Zeit beinahe blind u. nähere sich täg-
20 lieh seinem Ende.
Auf meine Frage, ob er nicht vielleicht für mich erkunden könne, ob sich
nicht noch etwas von G e d i c h t e n o d e r B r i e f e n von H. in seines Vaters Pa-
pieren finde, erklärte er sich aufs freundlichste dazu bereit.
Er sagte mir sogleich von einem kürzeren Gedicht von H., das er für seinen
25 Vater gemacht u. das sich auf einem Basrelief eingegraben finde. Davon
wolle er, sagte L., mir gleich selber eine Abschrift machen.
2) Einige Tage später sagte er mir , daß von diesem Gedichte sich schon
Chr. Schwab durch einen seiner Anverwandten, der in seines Vaters Hause
{wohne), i ch glaube, den Assessor Schwab, Abschrift verschafft habe. Da er
30 glaubte, daß mir, wenn der es schon benutzt, nichts weiter daran liegen werde
es zu haben, so habe er keine Abschrift davon genommen.
Sein Vater habe übrigens nichts davon wissen wollen, daß sich noch Briefe
vonH. in seinen Papieren vorfänden; er glaube es aber doch; der alte Mann
scheine nur diese Sachen nicht gerne aufrühren zu wollen. Er selbst würde
657
114 An Landauer
gelegentlich in den Papieren suchen, u. was er iinde, mir gern zur Einsicht
mittheilen. Ich bat ihn angelegentlich u m diese Güte.
Übrigens hat L. schon, als er dieser Tage in dieser Absicht einige alte Con-
voluta der Papiere seines Vaters durchgegangen, ein Gedicht von H. gef im-
den, das derselbe auf seinen Vater gemacht habe. Dieses habe er sogleich zu
sich genommen, u. er wolle es mir in diesen Tagen mittheilen.
5) Den 11. Juli.
Ich hatte schon längst dem Kriegsrath Landauer — seiner eigenen Einladung
gemäI3 —einen Besuch machen wollen, u m dessen Bilder zu sehen. Ich be -
schloß daher heute zu ihm zu gehen, u m dies zu thun, eigentlich aber, u m 10
das Gedicht vonH., das er mir angekündigt selbst abzuholen.
Die Bilder konnte ich heute nicht sehen, da die werthvolleren gerade in der
Kunstschule waren, die sie zu einer Ausstellimg sich erbeten hatte. Das Gedicht
aber händigte er mir ein, mit der Erlaiibniß, eine Abschrift davon nehmen
zu dürfen. 15
4) Dieses Gedicht — ein recht hübsches Festgedicht auf einen Geburtstag
seines Vaters - dürfte nach Kriegsrath Landauer's Meinung etwa 1797 oder
1798 ab- / (g'e)faßt worden sein.
Ich sagte i h m aber ein paar Tage, nachdem er es mir überg(ej )en, daß i ch
das Gedicht ins J. 1800 setze, wo sich, H. in seines Vaters Hause aufge- 20
halten. 1795 sei er zwar schon mit diesem bekannt gewesen, aber wohl nicht
so nahe. Von 1 7 9 6 - 1 8 0 0 sei H. aber nicht in Stuttgart gewesen, und doch
war er, ohne Zweifel , selbst anwesend bei dem Feste. Dies scheint auch das
Gedicht selbst deutlich anzudeuten; ja es spielt auch wohl auf i^ . ' s Abgang
nach Hauptwil an. - Landauer gab das zu, u. bemerkte dabei, daß er (das 25
einzige Kind) damals 4 Jahre alt gewesen {sein) würde. (Freilich könnte das
Gedicht auch vom Dez. 1801 sein; ich glaub' es aber nicht) .
Der 11. Dez. war der Geburtstag des Kaufmann Landauer. Vergl. auch das
Gedicht von Neuffer in dessen Taschenb. für 1800. S. 2 0 8 - 9 .
NB. Die Überschrift des Gedichts rührt von mir her. G{ustav). S(chlesier). 30
(Vgl. die Lesarten: h.)
Den 6. Juli 1845 starb Kaufmann Christian Landauer i m 76ten Jahre.
Schwab's Ansuchen bei Kriegsrath Landauer u. meine Erklärung gegen die-
sen, cfr. Tageb. 11. Juli 1845.
658
An Landauer. Lebensalter 114 — 115
In dem vorstehenden Abdruck sind die verhältnismäßig häufigen Korrekturen nicht
vermerkt. Schlesier schreibt S. 6S8 Z.20f. abgehalten ifatt aufgehalten. Das Datum
des 11. Juli (6S8,7) scheint nicht irrig zu sein — wird es doch in dem Hinweis auf
das (anscheinend verschollene) Tagebuch Schlesiers wiederholt (6S8,34; Schlesier
5 hat die fragliche Erklärung offenbar gelegentlich seines Besuchs bei Landauer abge-
geben). Dann muß aber auffallen, daß nicht schon in diesen Aufzeichnungen (6SS,
7—IS) der fünf Tage zuvor erfolgte Tod Christian Landauers erwähnt wird.
Das Lied, sicherlich nach einer bestehenden Melodie in geselliger Runde von den
31 Festgästen gesungen, verwendet den lang entwöhnten Reim, der dann erst in den
10 spätesten Gedichten wiederaufgenommen wird.
Die Strophe ist einfach: drei fünffüßige Jamben werden durch einen vierfüßigen,
ebenfalls jambischen Vers abgeschlossen; die Wechselreime, (ab ab) sind klingend
und stumpf.
Vgl. die arxdem an Landauer gerichteten Gedichte: Das Ahnenbild, Der Gang aufs
15 Land, Die Entschlafenen.
12 der kluge Gott ] Merkur, der Gott der Kaufleute.
15 geliebte Schatten] Vgl. Das Ahnenbild und Die Entschlafenen.
17 W ö l k ' u n d W i n d e ] Kriegerische Ereignisse.
21 . 2 2 Vgl. den Tod des Empedokles, gegen Ende der zweiten Fassung (Fanthea):
20 Nicht in der Blüth und Purpurtraub Ist heilige Kraft allein, es nährt Das
Leben vom Laide sich, Schwester! Und trinkt, wie mein Held, doch auch
A m Todeskelche sich glüklich!
L E B E N S A L T E R
Einer von den »Nachtgesängen«, die im Dezember 180} für den Druck durchgesehn
25 werden.
Überli eferung
J: Taschenbuch für das Jahr 1805. Der Liebe und Freundschaft gewidmet.
Frankfurt am Mayn, bei Friedrich Wilmans, S. 85—86.
Eigentümlichkeiten der Schreibung: seyd, jetzt, sitz', Reh's .
659
IIS Lebensalter
Erläuterungen
Dieses Gedicht und das nächste sind vielleicht auf ähnliche Weise entstanden wie
Half te des Lebens (vgl. S.66Sf.), das heißt: hymnische Paralipomena, zu selbständi-
gen lyrischen Kleingebilden abgerundet.
2 Palmyra] Palmyra in einer Oase der syrischen Wüste, im Alten Testament Tha- 5
mar {I.Könige 9, 18; Hesekiel 47, 19; 48, 28: '^OlJ = Palmenstadt) oder
Thadmor (2. Chron. 8, 4: IVxXI), eine der prächtigsten Städte des Orients, Haupt-
stadt des kurzlebigen palmyrenischen Reichs unter dem König Odaenathus (ermordet
266167 n.Chr.) und dann seiner tatkräftigen Witwe Zenobia (Bat Zabbai), welche
ihre Herrschaft, eine immer selbständiger werdende Nebenregierung neben der römi- 10
sehen, über Aegypten und Kleinasien auszudehnen verstand; die Stadt wurde schließ-
lich im Jahre 27 i von den Römern unter dem Kaiser Aurelian gänzlich zerstört und
ist jetzt ein armseliges Wüstendorf unter ragenden Trümmern der herrlichen Kolon-
naden. — Hellingrath z. St. weist hin auf das Gedicht Die Ruinen von Palmyra
(nach dem Englischen des Hole) im I.Band (1793) der von Ludwig Schubart her- 15
ausgegebenen Englischen Blätter (S. 227 f.), das Hölderlin sehr wahrscheinlich ge-
lesen hat (vgl. den Brief an die Freunde vom 30. Dezember 1793). Überflüssig zu
sagen, daß zu dem Gedicht selbst keinerlei Beziehung nachweisbar ist. Über Palmyra
konnte Hölderlin auch aus andern Quellen schöpfen, z.B. Plinius, nat.hist. 2S.
3 Säulenwälder] Ruinen von Säulen, die wie Wälder beieinanderstehn. 20
5 Kronen] Die untergegangenen Kapitelle, das Gebälk und die Dächer sind für die
Säulenschäfte dasselbe wie die Kronen der Bäume für die Stämme.
6 . 7 »Weil ihr die Grenze des menschlichen Bezirks überschritten habt.« Die Men-
schen heißen Athmende auch in der Elegie Heimkunft v. 26 und in dem hymni-
schen Entwurf Das Nächste Beste, 2. Fassung, v. 6S. 25
8. 9 der Rauchdampf und . . . das Feuer] Vgl. {Einst hob ich die Muse ge-
fragt...) V. 21: und Feuer imd Rauchdampf. - Siehe Apostelgeschichte 2, 19:
Und ich will Wunder tun oben im Himmel , und Zeichen unten auf Erden,
Blut, und Feuer, imd Rauchdampf (Luther setzt R a u c h d a m p f / ü r griech. drßlg
xajivov); entsprechend Joel 3,3: Und will Wunderzeichen geben i m Himmel 30
und auf Erden, nämlich Blut, Feuer und Rauchdampf ( J l l ' i B ' J l l
eigentlich: Feuer und Rauchsäulen). — Klopstock: Der Messias, 20. Gesang
(Werke, Oktavausgabe, 6.Band, Leipzig 1800, S. 207 v.l f.): Geh unter! geh
unter, Stadt Gottes! / In Kriegsschreyn! in Rauchdampf! imd Glutstrom! —
Auch bei modernen Schriftstellern begegnet das- Wort Rauchdampf noch: Alexander 35
660
Lebensalter. Der Winkel von Hahrdt l l S - 1 1 6
Lernet-Holenia, Die Abenteuer eines jungen Herrn in Polen, Berlin 19)1, S. 21 :
W i e unter den Hufen der Geschwader nun der weiße Feldstaub aufquoll und
mit dem Winde flog, so schien es ganz so, als brennte, in Feuer und Rauch-
dampf aufgehend, das dürre Land; Hans Carossa, Aufzeichnungen aus Italien,
5 0 . 0 . 1 9 4 7 (Insel-Verlag), S. 120: Nun aber drückte heft iger W i n d den Rauch-
dampf nieder.
10 Jezt aber siz' i ch ] Angelpunkt des Gedichts, Gegensatz und Abstand bezeichnend.
1 0 . 1 1 (deren / Ein jedes eine Ruh ' hat e igen) ] Unverständlich, anscheinend
durch Textverderbnis. Entweder fehlt nach eine ein Wort: deren / Ein jedes eine
10 (zur) Ruh ' hat eigen (wobei eine mit deren zu verbinden und auf die Wolken zu
beziehen wäre), oder es muß statt deren; darin geschrieben werden (will man einen
Lesefehler des Setzers nicht für möglich halten, so könnte der Korrektor einen Setz-
fehler * daren ohne Vergleichung des Manuskripts wohl in deren abgeändert haben).
Beide Textherstellungen ergäben denselben Sinn: alles Vergangene ist in die Wolken
15 gerettet, es ruht dort verborgen, und der Gedanke des unter den Wolken Sitzenden
schafft in schwermütig heiligem Angedenken sich die Gestalten der aufgehobenen
Vergangenheit neu - wie Chiron (v. 19-22); vgl. besonders die Wendung: Nun siz'
i ch still allein dort v.l9 mit v. 10 dieses Gedichts: Jezt aber siz' ich.
D E R W I N K E L V O N H A H R D T
20 Einervonden »Nachtgesängen«, die im Dezember 180} für den Druck durchgesehn
werden. Überlieferung
J: Taschenbuch für das Jahr 180S. Der Liebe und Freundschaft gewidmet.
Frankfurt am Mayn, bei Friedrich Wilmans, S. 86.
25 Eigentümlichkeiten der Schreibung: nämlich, Schicksal.
Lesarten
Das Inhaltsverzeichnis des Taschenbuchs S. (IV} bietet in der Überschrift Hardt statt
Hahrdt. Das ist auch die heute gebräuchliche amtliche Schreibung. Im Brief an den
Bruder vom D.Oktober 1796 schreibt Hölderlin jedoch Hahrd. (Christoph Schwab,
30 in dessen Ausgabe von 1846 der Brief allein überliefert ist, Bd.2 S. )S f., ändert al-
lerdings in der Überschrift des Gedichts, Bd.2 S. H2: Der Winkel von Hart. ;
5 unmündig.] unmündig J
661
116 Der Winkel von Hahrdt
Erläuterungen
Dieses Gedicht und das vorige sind vielleicht auf ähnliche Wzise entstanden wie das
nächste (Hälfte des Lebens), das heißt: hymnische Paralipomena, zu selbständigen
lyrischen Kleingehilden abgerundet.
Überschrift: Der Ulrichstein in dichtem Mischwald bei Hardt (zwischen Nürtin- 5
gen und Denkendorf) besteht aus verrutschten Rhätsandsteintrümmem, die dort am
Steilhang der Filder über dem Aichtal auf Mergel stehengeblieben sind. Zwei riesige
Platten lehnen gegeneinander und bilden einen engen Spalt, einen Schlupfwinkel
oder, schwäbisch, einen Winkel . (So nennt man auch den schmalen Durchlaß zwi-
schen zwei Häusern.) In diesem Winkel hielt sich, wie die Sage meldet, Herzog 10
Ulrich im Jahr IS 19 nach dem Verlust seines Landes verborgen, nachdem er mit dem
Pferd von der Köngener Brücke gesprungen war. Seine Verfolger drangen in das
Versteck nicht ein, weil eine Spinne über Nacht ihr Netz vor den Eingang gespannt
hatte. So war des Herzogs Leben und damit die Zukunft des Landes gerettet. — Höl-
derlin liebte den schiksaalskundigen Fels von Kind auf. Eines seiner ersten Ge- 15
dichte, » das jedoch mit vielen andern durch die Nachlässigkeit eines Freundes verloren
gegangen seyn soll«, war nach Christoph Schwabs Bericht (in der seiner Hölderlin-
Ausgabe von 1846 angehängten Lebensbeschreibung 2, 267) eben dem Winke l von
Hahrdt gewidmet. Am Ii.Oktober 1796 erinrurt Hölderlin seinen Bruder brieflich
an den schönen Maitagnachinittag, wo wir in dem Walde bei Hahrd bei einem 20
Kruge Obstwein auf dem Felsen die Hermannsschlacht (von Klopstock) zusam-
men lasen.
1—4 Die am Steilhang nach unten, einwärts hängenden dicht belaubten Zweige des
Unterholzes entziehen dem Blick den Grund des Aichtals, der unter den Blättern
verborgen ist wie die Blüte in einer Knospe. (Vom warmen Grunde / Des Haines 25
spricht auch der hymnische Entwurf Tinian v.lO f.)
5 Nicht gar unmündig.] Obwohl im Druck der Punkt fehlt, wahrscheinlich auf
Grund zu heziehn. — Genau in der Mitte des Gedichts beschließt dieser Vers das Land-
schaftsbild UTUI leitet zugleich, wie ein Doppelpunkt, über zu der Deutung des sich
hier aussprechenden Schiksaals. Deswegen ist der Grund des Aichtals, durch das der 30
Herzog über Nürtingen und Güterstein auf die Alb floh, nicht ganz unmündig; er
weiß etwas zu erzählen, obgleich er so unscheinbar sich darstellt.
7 — 9 Von dem geschehenen, vorübergegangenen Schiksaal haftet an übrigem
(übrig gebliebenem) Orte für alle Zeit etwas, das nachzusinnen scheint über die Spur
(den Fußtritt^ des großen Ereignisses, das die unscheinbare Stätte eingeweiht hat, 35
662
Der Winkel von Hahrdt. Hälfte des Lebens 116-117
und es ist bereit, dem Empfänglichen, nicht gar unmündig, davon zu künden. —
Fußtritte im Sinne von »Spuren«: Antigonä v. 267 (2f7). — Johann Heinrich
Voß seUt in der zweiten Fassung (178!) der Idylle Der siebzigste Geburtstag
Fußtr i t te /ür ursprüngl. (1781) Spuren (v. 37).
5 H Ä L F T E D E S L E B E N S
Einer von den »Nachtgesängen«, die im Dezember 180) für den Druck durchgesehn
werden.
Überlieferung
H: Stuttgart I 6 Bl. 17^ (s. die Beschreibung S. 377).
10 Faksimile: Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke und Briefe, kritisch-histori-
sche Ausgabe von Franz Zinkernagel, S.Band, Leipzig 1926, nach S. SS4.
J: Taschenbuch für das Jahr 180f. Der Liebe und Freundschaft gewidmet.
Frankfurt am Majrn, bei Friedrich Wilmans, S. 8f.
Lesarten
15 Das kleine Gedicht verdankt seine Entstehung dem zufälligen Nebeneinander ver-
schiedener Entwürfe. Zuerst wird der Entwurf zu dem Schluß des Gedichts {.Wie wenn
am Feiertage...) auf die Seite (17^) geschrieben:
etwa 10 cm unter dem oberen Rand:
W e h mir !
20 / cm tiefer:
Und sag ich gleich,
wieder 2 cm tiefer:
Ich sei genaht, die Himmlischen zu schauen, usw. (vgl. S. 120 Z. 68—70)
Dann werden, nachdem die Vollendung des Entwurfs aufgegeben ist, mit spitzerer
25 Feder und in lässigerem Duktus am oberen Rand drei Überschriften nebeneinander
gesetzt:
Die Rose Die Schwäne. Der Hirsch.
Unter die erste wird, offenbar gleichzeitig, geschrieben: holde Schwester! Dieser
Entwurf wird später weitergeführt, mit breiterer Feder wieder und in strafferem Duk-
30 tus, indem um W e h m;ir! herum und darunter (so daß die Zeile Und sag i ch gleich,
überwuchert wird und gestrichen werden muß) ein Gedanke festgehalten wird, auf den
663
117 Hälfte des Lebens .
die unmittelbar darunter niedergeschriebenen Schlußzeilen des Entwurfs {Wie wenn
am Feiertage...y sichtlich einwirken:
W o nehm ich, wenn es Winter ist
die Blumen, daß ich Kränze den Himmlischen
winde ? 5
Dann wird es seyn, als wüßt ich n i m m e r von Göttl ichen,
Denn (1) wenn (2) von mir sei gewichen des Lebens Geist ;
Wenn ich den Himmlischen die Liebeszeichen
Die Blumen i m [nakten] kahlen Felde suche
u. dich nicht finde. 10
(Die Rose ist angeredet.) In der mittleren »Spalte« der Seite, unter der Überschrift
Die Schwäne., steht, abermals später geschrieben, mit sperriger Feder und dunklerer
Tinte:
und trunken von
Küssen taucht ihr 15
das Haupt ins he i -
l ignüchteme kühle
Gewässer.
Als Überschrift der solchermaßen zu einem Gedicht zusammenschießenden Motive
wird zuerst erwogen: 20
Die lezte Stunde.
Diese Überschrift setzt über Schwäne im Duktus des Motivs und trunken .. (Zeile
14—18) ein; die endgültige ("Hälfte des Lebens^ ist handschriftlich nicht über-
liefert.
In der dritten Spalte CDer Hirsch.^ steht das Bruchstück }7; im unteren Seitendrittel, 25
eher als dieses Bruchstück, der Entwurf zu den Versen 13—24 (II) der Ode An die
Deutschen.
Erläuterunge n
An der metrischen Form fällt die durchgehende Kürze der einzelnen Verse gegenüber
den viel längeren Zeilen des Entwurfs (jVie wenn am Feiertage...} auf. Das streng 30
in zwei siebenzeilige Strophen gehälftete Gedicht ist also von vornherein mit ganz
andrer künstlerischer Absicht gestaltet als der hymnische Entwurf, dem seine Motive
teilweis entnommen sind. Das wird auch daran deutlich, daß es einige mit betonter
Silbe einsetzende Verse enthält, wie sie in den Vaterländischen Gesängen nicht vor-
kommen. 35
664
117 Hälfte des Lebens .
Schon früh äußert Hölderlin das Gefühl, in der Hälfte seines Lebens zu stehn,
nämlich am 11. Februar 1796 in einem Brief an den Bruder: Es war auch Zeit,
daß ich m i c h wieder etwas verjüngte, ich wäre in der Hälfte meiner Tage
zum alten Manne geworden. Im Dezember 1800, vor der Abreise nach Hauptwil,
5 heißt es in dem Abschiedsbrief an den Bruder CIch habe Deinen Brief erhalten. . . )
in der freudigen Erwartung des Friedens: diß ists, was vorzüglich mit Heiterkeit
mich in die zweite Hälfte meines Lebens hinaussehn läßt. Kurz zuvor, am
11. Dezember 1800, schreibt er der Schwester dagegen, auch im Hinblick auf die
Hälfte seines Lebens, ganz niedergeschlagen: Ich kann den Gedanken nicht er-
10 tragen, daß auch ich, wie mancher andere, in der kritischen Lebenszeit, wo
u m unser Inneres her, mehr noch als in der Jugend, eine betäubende Unruhe
sich häuft, daß ich , u m auszukommen, so kalt und allzunüchtem und ver-
schlossen werden soll. Und in der That, ich fühle m i c h oft , wie Eis, und fühle
es nothwendig, so lange ich keine stillere Ruhestätte habe, wo alles was mich
15 angeht, mich weniger nah, imd eben deßwegen weniger erschütternd bewegt.
Diese beiden Sätze umschreiben die Angst der kritischen Lebenszeit, der Hälfte
des Lebens. Vgl. auchPatmos, Bruchstücke der späteren Fassung, v. 18S f .
1 Birnen] Christoph Schwab schreibt in seiner Ausgabe von 1846 (H 341) Blu-
men. Die richtige Lesart wird erst von Hellingrath (4, 60) wiederhergestellt. Im
20 19. Jahrhundert zitieren den echten Wortlaut anscheinend nur Hermann Kurz in
seinem anonymen Aufsatz über » Gedichte von Hölderlin« in Cottas Morgenblatt für
gebildete Leser 32 (1838) Nr. 103 vom 30. April, S. 409f. und, allerdings abge-
wandelt, Bogumil Goltz: DieBildung und die Gebildeten, Berlin 1864,193-9f (vgl.
Lothar Kempter: Bogumil Goltz zitiert Hölderlin, Hölderlin-Jahrbuch 194811949,
25 S. 188—192). Hellingraths Anmerkung z. St. läßt noch die Möglichkeit eirxes Setzerirr-
tums offen. Aus Chr. Schwabs Abschrift der »Nachtgesänge« des Wilmansschen
Taschenbuchs (Stuttgart Vg Nr. 7 a Seite 8) geht aber deutlich hervor, daß er allein
an den unglücklichen »Blumen« die Schuld trägt, und zwar hat er sogleich Blu-
men geschrieben, nicht etwa als »Verbesserung« über gestr. Birnen. Es ist durchaus
30 möglich, daß er sich bei den sehr kleinen Typen des Taschenbuchs überhaupt nur ver-
lesen urui also die Änderung ganz unbewußt vorgenommen hat.
4 Ihr holden Schwäne] Die Anrede steht genau in der Mitte der Strophe. See v. 3
urui Wasser v.7 bezeichnen den Schluß der vorangeher\den und der nachfolgenden
drei Zeilen: Kühlung des hochsommerlichen Landes und der Trunkenheit der
35 Schwäne.
665
117 Hälfte des Lebens .
6 Tunkt] Die seltenere Form wird für taucht (s. die Lesarten) wohl wegen des
Anklangs an trunken v.S eingesetzt; tunken kommt bei nord-, mittel- und süddeut-
schen Dicktern vor: Moriz Heynes Deutsches Wörterbuch ( } , 1078) bietet Belege aus
J.H.Voß, Eichendorff und Wieland (vgl. auch Hermann Fischers Schwäbisches
Wörterbuch 2, 469). 5
7 heilignüchterne] Vgl. Deutscher Gesang v.l8: des heiligen nüchternen Was -
sers (die kennzeichnende Prägung hei l ignüchtem ist also nicht von Anfang an da!).
In den eingangs angeführten Sätzen aus dem Brief an die Schwester vom 11. Dezem-
ber 1800 fürchtet Hölderlin dagegen, daß er allzunüchtem werden solle; vgl. auch
Elegie v. 69. 10
4 —7 Clemens Brentano läßt diese Verse anklingen am Schluß seirur sechszeiligen
Grabschrift, die er in dem Brief an Rahel Varnhagen vom 2S. Juni 181) entwirft:
Aber es tauchet der Schwan ins hei l ignüchteme Wasser / Trunken das Haupt,
und singt sterbend dem Sternbild den G r u ß ! - Vgl. Walther Rehm: Brentano
und Hölderlin. Hölderlin-Jahrbuch 1947, S. 127-178, besonders S. 169. 15
1 1 Und Schatten der Erde] Es mag zunächst befremden, daß in diesem Gegen-
bild zu dem frühen Reifen und späten Blühen der ersten Strophe auch um den Schat-
ten geklagt und gefragt wird. Sollte der Mangel des Winters nicht eindringlicher
im Fehlen nur der Blumen und des Sonnenscheins fühlbar werden ? Der Schatten,
noch dazu in der genauen Mitte, auf dem Gipfelpunkt der Strophe und am Ende der 20
einzigen Frage des Gedichts stark betont, scheint die Deutlichkeit zu verwischen. Das
Thema der ersten Strophe ist indes nicht einfach der Gegensatz des Winters — das
wäre die Sonnenglut der Afrikanischen dürren Ebnen (Der Wanderer v. 1 f.), son-
dern die Kühlung in der Trunkenheit liebenden Reifens und Blühens, die jedoch das
allzunüchteme Extrem meidet und hei l ignüchtem genannt wird. Deshalb muß 25
dem Sonnenschein sogleich der mäßigende und mildernde Schatten, der überhaupt
erst das Wachstum ermöglicht, beigesellt werden. — Was der ersten Strophe die Aus-
gewogenheit verleiht, muß hier fehlen. Die Frage wird trostlos beantwortet. Der
Winter, die zweite Hälfte des Lebens, ist allzimüchtem, ist sprachlos und kalt.
1 4 Fahnen] Irrtümlich oft als Fahnentücher aufgefaßt, z.B. van Rudolf Maczu- 30
rat in seinen ^Variationen Hier Verse Hölderlins« (Atem des Sieges, Berlin {1942),
S. Sl): Fäuste haben die Fahnen eingerollt. — Gemeint sind indes Wetterfahnen;
vgl.Hyperion 2, 27: es soll ein ziemlich Feuer werden. Ha! mags doch reichen
bis an die Spize des Thurms und seine Fahne schmelzen; Mörike, Maler Nol-
ten (2, 423 Maxnc): .. imd auf dem Dache klirrten die Fahnen zusammen. 35
666
Hälfte des Lebens. Wie wenn am Feiertage... 117-120
Lesarten 664,7 von mir sei gewichen des Lebens Geist] Vgl.Herder 16, 122
Suphan: Der Genius, der von i h m gewichen schien, kehrt zu rechter Zeit zu-
rück (von HölderJin im Juli 1794 für Neuffer im Brief abgeschrieben).
< W I E W E N N AM F E I E R T A G E . . . )
5 Dieser einzige Versuch eines triadisch gegliederten Gesangs mit silbengenauer metri-
scher Entsprechung wird in den letzten Monaten vor der Jahrhundertwende unternom-
men; vgl. die allgemeinen Erläuterungen S. 677.
Überli eferung
H^ : Stuttgart I 6 Bl. U^-IS" (s. die Beschreibung S. 377).
10 (v. 10-27): Stuttgart I 8 (s. die Beschreibung S. 40}).
H^ : Stuttgart I 6 Bl. 16^-17^ (s. die Beschreibung S. 377).
Erster Druck: Deutsche Dichtung, herausgegeben und eingeleitet von Stefan George
und Karl Wolfshehl. Dritter Band: Das Jahrhundert Goethes. Zweite Ausgabe.
Georg Bondi, Berlin 1910, S. 48-SO.
15 Lesarten
Überschrift: fehlt H
Erste Keimworte, vom Prosa-Entwurf (nach dessen 6. und S.Zeile) überwuchert:
Fragt die
Sie, sie mein ich Aber wie nenn ich sie
20 / A b e r / Hier i m H ^
Der Prosa-Entwurf (H^), der sich unmittelbar an Die Bacchantinnen des Euri-
pides (vgl. Band S) anschließt, wird hier unter Beibehaltung der Zeilenbrechungen
und mit eigenem Lesartenverzeichnis abgedruckt:
B1.14^
25 W i e wenn der Landmann am Feiertage das Feld
zu betrachten hinausgeht, des Abends, wenn
aus heißer Luft die kühlenden Blize fielen
den ganzen Tag , und f e m hin hallet der Donner,
5 und wieder in sein Ufer der Strom sinkt,
30 aber frischer grünet die Wiese u. der Komhalm richtet
667
118 — 120 Wie wenn am Feiertage...
sich auf, vom erquikenden Reegen des H i m m e l ( s )
u. glänzend stehn in stiller Sonne die Bäume des Hains,
So stehen jezt unter günstiger Witterung
10 die Dichter, die kein Meister allein, die wunder-
bar, allgegenwärtig, erziehet, in leichtem 5
Umfangen, die mächtige, die göttlich schöne Natur.
Drum, wenn zu schlafen sie scheint in Zeiten
des Jahrs, am Himmel oder unter Pflanzen oder den
15 Völkern, trauert der Dichter Angesicht auch. Sie scheinen allein zu seyn.
Und wie des Helden Auge siegverkündend, von mächtigen 10
Gedanken entzündet, so ist jezt entzündet
an den Thaten des Lebens ein Feuer in der Seele
der Dichter u. was zuvor geschah, doch kaum gefühlt uns Schlafenden,
20 was täglich noch geschiehet, in göttlicher Bedeutung
ist / es / offenbar / geworden / u. eine neue Sonne / scheinet über ims, / 15
es blühet anders denn zuvoi* / der Frühling, wie Waldes Rauschen,
von göttl ichem Othem bewegt,
Bl. IS'(am oberen Rand)
so tönet {der) geschäfftiglärmende Tag u m ims, imd
25 lieblich der Schlaf der Nacht, denn siehe nur 20
Bl.lS^ (untere Hälfte)
Und wir sängen
und wann der Wohl laut einer W e l t in uns
wiedertönte, so sollt es klingen, als hätte der
Finger eines Kindes, muthwill ig spielend, 25
30 das Saitenspiel des Meisters berührt? 0 schonet
nicht sein Saitenspiel, u. spottet
selber des Meisters, doch wenn sein Geist,
u. so wir tönen,
so hört e ( r )s n icht ! doch 30
35 andre werden es hören das Lied, das g le ich
der Rebe , der Erd ' entwachsen ist u. ihren
Bl.W (unten)
[sei das Lied
668
Wie wenn am Feiertage... IIS — 1 2 0
der Erd u. ihren/ Flammen u. der Sonne (des) Himmels
u. den Gewittern, die in der Luft u. die
40 Geheimnißvoller bereitet, h inwander(n)d
Zwischen Himmel u. Erd, unter den Völkern, sind,
5 Gedanken sind, des göttlichen Geistes,
Still endend in der Seele des Dichters,
Bl.lS'' (unter Zeile 2S)
daß sie getroffen, von Alters ruhen(rf) in
iS Unendlichem bekannt, Ton langen Erinnerungen
10 Erbebt in ihrer eigenen Tie fe ,
Und ihr, von göttl ichem (Feuer) entzündet.
Die Frucht, in Liebe geboren.
Des Himmels und des Menschen W e r k
50 Der Gesang entspringt, damit er zeuge von beiden
15 So traff
( / cm Zwischenraum)
Und alle trinken jezt ohne Gefahr das himmlische Feuer
doch ims, ihr Dichter uns gebührt
Mit entblößtem Haupt, imter
20 55 Gottes Gewittern, zu stehen, und des
Vaters Stralcn, sie selbst, sie selbst
Zu fassen, und eingehüllet, u. gemildert,
i m Liede den Menschen, die wir lieben, die h i m m -
lische Gaabe zu reichen. Denn sind wir reinen Herzens
25 60 nur, den Kindern gleich sind schuldlos oder gereiniget von Freveln
unsere Hände, dann tödtet dann verzehret nicht das heilige
und tieferschüttert bleibt das innere Herz doch fest, mit -
leidend die Leiden des Lebens, den göttlichen
Zorn der Natur, u. ihre Wonnen, die der Gedanke
30 65 nicht kennt. Aber wenn von
Bl.lS" (oben)
selbgeschlagener Wunde das Herz mir blutet, und tiefverloren
der Frieden ist, u. freibescheidenes Genügen,
Und die Unruh, und der Mangel mich treibt zum
669
118 — 120 Wie wenn am Feiertage...
Überflusse des Göttertisches, wenn rings u m m i c h
(etwa S cm Xwischenraum)
70 und sag i ch gleich, i ch wäre genaht, die H i m m l i -
ischen zu) schauen, sie selbst sie werfen
mich I tief unter die Lebenden alle, | den 5
falschen Priester hinab, daß ich, aus Nächten herauf, |
das warnend ängstige Lied | den Unerfahrenen singe.
Lesarten des Prosa-Entwurfs (H^)
2 betrachtennacÄg^ejtr. s e h ( m ) h i n a u s g e h t , a i / i h i n a u s , 2 . 5 wenn
aus] (1) wenn es d (2) wenn/^es/aus H ^ 4 hin üicr noch H ^ 5 Ufer 10
nach gestr. Gest(a<ic) H ^ 6 aber aus d H ^ frischer grünet die Wiese
aus: die Wiese frischer grünet H ^ u.] (1) u. (2) d (3) u. H^ der über
der Zeile H^ 7 sich nach nicht gestr. r ichtet (Dittographie) H^ 1 vom
erquikenden bis 8 Hains,] (1) u. der Weinstok imd die Bäume / träufeln vom
(2) und die Bäume des Hains, (3) Text H^ 9 stehen aus stehn H^ jezt 15
über gestr. jezt H^ Witterung vor nicht gestr. jezt H^ 10 Dichter, die
kein] (1) Dichter. Deim keiner (2) die aus Denn H^ 11 allgegenwärtig
nach gestr. erziehet H'^ 1 1 . 1 2 in le ichtem Umfangen aus: die leicht u m -
fangende H^ 12 die mächt ige] die die machtige H^ göttl ich über der
Zeile H^ 13 wenn vor ^estr. wenn 14 Pflanzen] Planzen a w Pa i ! /^ 20
15: Diese Zeile ist später eingefügt, die letzten drei Wörter vorn am Rand vor v.l6
H^ 16 -wie am A H^ Helden iiier g'ertr. Mannes ü f ' siegverkündend üicr
feuriger aui freud(ig-er) H ^ 18 an den iis 19 geschah,] ipäter i! /- '
18 in aui de H^ 19 uns Schlafenden üJcr der Zei7e H^ 21—25: am linken
und am unteren Rand neben und unter dem schon früher niedergeschriebenen Ent- 25
wurf der Zeilen 37—4} H^ 21 es vor gestr. ihnen H^ 22 wie nach gestr.
der H ^ 25 l iebl ich] (1) süßer (2) heil ig (3) l ieblich H ^ denn] davor
ein Kreuz H^ 26 liniL\davoreinKreuz H^ 28 sollt] (1) so</ft> (2) könnt
(3) sollt H^ der] des (Schreibfehler) H' 31 nicht vor gestr. selb H^
3 1 . 3 2 spottet selber des] s p o t t e t d e s / s e l b e r des 33 n. aus dem An- 30
satzzus H^ 34: (1) er fragt euch nicht? so (2) Text H' 36 Rebe ü6er
gestr. P(f)\aiize H^ entwachsen ist u . ] (1) entwachsen, u. (2) entwachsen,
istu. H^ 37 sei aus Aen H^ 38 der Sonne] des Sonne fScWift/eWer; i / ^
39 Luft u. ] u. aui d i e 4 1 Völkern, üJer^cstr. Menschen 42 G e -
670
Wie wenn am Feiertage... IIS — 1 2 0
danken aus Gel (davor: (1) Und (2) Zu zeugen^ H^ sie aus e H^
46 in aus ih I-P
\7-. (1) bis
(2) Und ihr, (a) entzündet,
5 (b) von {a) ia{nigem?y
(ß) \iim.(mlischem}
(c) von (a) Pe(ucr)
iß) göttl ichem [J (Feuer) entzündet, I/^
48 Die nach gestr. Und H^ 49 W e r k aus d H^
10 5 1 . 5 2 : (1) Und alle trinken je i t das himmlische Feuer
Ohne Gefahr, doch uns, ihr (a) G (h) Dichter ist es / Gesagt,
(2) Und alle trinken jezt Ohne Gefahr, das himmlische Feuer
doch f a ; unser/s/ (a) W(erk?)
iß) Thei l ihr Dichter
15 (b) uns, ihr Dichter uns gebührt H^
55 Gottes] Gottes ÜT-' 56 Stralen aus s 57 \md vor gestr. \m (Ansatz
zu: und? zu einem Wort mit der verneinenden Vorsilbe un? zu: umhüllend?) H^
eingehüllet] (1) einh<u//cni) (2) eingehüllt (3) eingehüllet H ^ 58 i m
Liede über der Zeile H^ 59 zu reichen über der Zeile H^ 60 nur, den Kin-
20 d e m gleich über der Zeile H^ 61 dann verzehret über der Zeile H^ 62 das
innere Herz] (1) das Her l (2) über der Zeile: (1) wax{me) (2) ewige (5) in-
nere H^ doch fest über der Zeile H^ 62. 63 mitleidend nach gestr.
wenn H ' 65 Aber t>or g^cjtr. weh mir ! H ^ 6 5 . 6 6 von seUjgeschlagener
W u n d e ] (1) von anderem Pfeile (2) über gestr. Pfei le ; selbgeschlagenerfaui selb-
25 g e g ; W u n d e jy - ' 69 Überflüsse]UferflüssefScAraft/eWer; i f - ' 69ei(etwa)cm
unter Zeile 69): gestr.: weh mir ! [ m i c h ] o daß ich dann nicht sage, dazu zwi-
schen Zeile 70 und 71, ebenfalls gestrichen: den ialschenT?ii(ester) H' 71 sie
selbst nach gestr.: es stoßen H^ 72—74: Die Versabteilungsstriche in diesen
Zeilen sind von Hölderlin selbst eingesetzt H^ 72 tief ous den 73 fal-
30 sehen über der Zeile H' Priester aus Prief H^
74: (1) das warnend
(2) ein wamehdes Lied,
(5) das warnend ängstige Lied, | den Unerfahrenen singe. H ^
671
118 — 120 Wie wenn am Feiertage...
Lesarten der metrischen Fassung (H^H^j
1 - 9 : fehlt H^
2 Ein aus DctH^ Morgens über Abends (aus Abens) U^ wenn] wenn, i i /^
3 Aus heißer Nacht ] (1) Aus heißer Luft (2) Nacht über unterstr. Luft
(3) über dem Anfang, wieder gestr.: Nach dun<A/er) H^ 4 Die ganze Zeit ] 5
(1) A ( m ) (2) Den ganzen Tag (3) ganze aus ganzen und Zeit über Tag H^
tönet nach gestr. ba.{llet) H^ 6 der Boden iiier ^esir.; die Wiese [n] H^
7 des fehlt H^ Himmels aus Donnern H^ erfreuendem] erfreundem aus erqui-
kendem H^ 8 trauft] traunft (Schreibfehler) H^ 9 stehn über der Zeile W
1 0 stehn sie] steht (aus stehnj ihr H^ stehn sie aus: steht ihr H^ gün- 10
stiger] günstige ü f ' ' 11 Sie] Ihr ü f ^ die üier g-ertr. welche i" /^ 12 Al l -
gegenwärtig aus Allgewärtig H^ Allgegenwärtig] darüber mit fast tinten-
leerer Feder: jezt H^ erzieht] aus erziehest) H^ erziehet aus dem Ansatz zu
erzieht H^ 14 Drum ous D e n ( n ) H^ zu aui s H^ schpint /cWt H^
J&brslJahiX (Schreibfehler) H^ 15 unter den Pflanzen] unter P f l a n z e n , 1 5
'Voi^era aus dem Ansatz zuM. (?) {Menschen?) H^ 1 7 scheinen] scheinein
H ^ 18 : (1) W e n n aber es tagt, (2) Jezt aber tagt es (3) Und ahnend
(4) Denn ahnend ruhet sie selbst die Natur H^ 1 9 tagts! ] aus tags H^
tagts, aus: tagt es H^ harrt xmd über selber H^ 2 0 das nach gestr. ver H^
W o r t . ] W o r t ! £ 1 Ater^danachein Komma getilgt H^ '&\ter, H^ denn 20
die] denn alle (darüber: all[e] ihre[n] ; H^ 2 2 Und nach gestr. Über H^
über die Götter] alle Götter aus: all ihre H^ und Orients] und des Orients
ist,] ist H ^
2 3 - 2 7 :
2 3 : (1) Sie (a) ist mit Waffenklang erwacht, 25
(b) selber
(c) selbst die Natur
(2) Es ist,
(3) Die Natur selber ist mit Waffenklang erwacht, (a) und hoch /
V o m Himmel 30
(h) I 2 4 : Und hoch vom Aether bis zum A b g n m d (1) , [(a) fühet,
(b) fühltt] fühlt
(2) nieder,
(3) , fühlt 35
672
Wie wenn am Feiertage... IIS —120
2 5 : (1) Aus (a) heiligen
(b) hei l igem (a) Chaos geboren, / Die
{ß) neuversühn(e)ndem Chaos / Geboren,
(2) Nach ( a ) altem
5 (b) vestem Geseze, wie einst, aus heil igem Chaos geboren
2 6 . 2 7 : (1) Fühlt f a ; die
(b) neu die alllebendige Begeisterung sich.
(2) Fühlt (a ) die
(b) neu die Begeisterung (a) e
10 (ß) allerschaffend sich. H^
2 5 Nach aus dem Ansatz zu Nah H^
2 6 . 2 7 : (1) Fühlt neu die Begeisterung sich, die Allerschaffende wieder.
(2) Versabteilungsstrich nach sich, H^
2 8 - 7 4 : fehlt I-P
15 2 8 : Und wie (1) ein Feuer
(2) i m Aug ' ein Feuer dem Manne glänzt, H ^
29 : (1) Von (a) gött(lichen)
(b) siegenden Entwürfen (a) sich
(ß) so ist / Ein Feuer
20 (2) Bei
(3) Von
(4) W e n n hohes eT(a) entwirft;
(b) entwarf; so ist H^
3 0 . 3 1 : (1) En<f2iin(ict>
25 (2) Ein Feuer
(3) Entzündet an den Zeichen,
(4) Von (a) an
(b) neuem an den Zeichen, den Thaten der W e l t jezt
ein Feuer (a) in der Seele
30 (ß) lebend
(y) angezündet in Seelen der Dichter.
H^
3 4 : (1) Es scheint, wie sonst
(2) Und die uns
35 (a) Das Feld gebaut,
673
118 — 120 Wie wenn am Feiertage...
(b) Das auch der Sonne, wie Blumen, u. dunkler Erd / K
(das Feld, worauf sich das Relativum bezieht, sollte in dem noch
unvollendeten vorangehenden Vers erwähnt werden)
(3) Und die uns (a) {in) Knechtsgestalt, den Aker gebaut
(b) lächelnd den Aker gebauet, H^ 5
35 erkannt,] (l)k('P; (2) e r k a n n t , / d i e / 3 6 Göttei aus dem Ansatz zu
Hiimmels ?} (der kann in Hölderlins Schrift, mit der verkürzten Form des Schluß-s,
auch des bedeuten) H^
37 : (1) Vernehmlich (a) sind (a) w ( ? )
iß) die Hohen 10
(b) ist (ihr) Geist, im Geiste des Lieds,
(2) Erfragst (a) sie!
(b) du sie? (a) es athmet
(ß) im Liede wehet ihr Geist H^
38 : Weun es (1) von Flammen der Erd (a), und 15
(b) entwä(cfcj()
(2) derfa; Sonn' es
(b) Sonnte) des Tags {und} warmer Erd H^
39 Entwächst] Entwacht (immer wieder vorkommender Schreibfehler — vgl. An den
Aether v.38 H^; Rousseau v. 17; Die Liebe v.l7 H" Hv.l7 u.lS H^; Der Gang 20
aufs Land v. 40; Heimkunft v. 9 H^; Patmos v. 3 H'; {An die Madonna) v. 19) H^
und Wettern] u. Wettern über gestr. Gewittern H^ in aus u H^ andern über
gestr. jenen H^ 40< der über der Zeile H^
41 : Und deutungsvoller, u. (1) näher bei und
(2) vernehmlicher uns H ^ 25
42 : (1) Zwischen imd unter den Völkern
(2) Hinwandeln (a) über
(b) zwisch^en)
(3) Himme</)
(4) Hi<n)wandeln zwischen Himmel u. Erd imd unter den Völkern H ^ 30
43 Des gemeinsamen Geistes] (1) Des (2) Dem (3) Des Geistes (4) Text
H^ 44 Dichters,] Dichters. H^ 45 Daß aus Die H^ schnellbetroffen]
schneelbetroffen H^ 45. 46 Unendlichem / Bekannt seit langer Zeit,]
(1) von Alters her / (a) Unendlichen (b) Unendlichem bekannt, (2) seit rmch
Unendlichem über der Zeile (3) Text (über der 1. Fassung; nach Bekannt oder nach 35
674
Wie wenn am Feiertage... IIS — 1 2 0
der 2. Silbe des IVortes Unendlichem in der 1. Fassung ein senkrechter Strich, wohl
um anzudeuten, daß an dieser Stelle metrisch eine Wortgrenze liegen soll — deshalb
die Änderung ) H^ 47 und ihr über gestr.: in (1) eige (2) eigner Tiefe H^
4 9 : (1) Da<iLiWC?;>
5 (2) Der Gesang (a) entspringt, (a) damit beeide)
{ß) und von den
(y) und jenen beiden zeugt, / So
(b), damit er beiden (a) zeugen
(ß) zeuge, glükt. m
10 5 0 : So (1) trafen, wie (a) die
(b) eine Sage spricht,
(2) fiel, wie (a) Dig
(b) Dichter sagen, da sie sichtbar H^
5 1 : (1) De
15 (2) Den gegenwärtigen Gott einst Semelas
(3) Den Gott zu sehen (a) s
(b) begehrte, sein Bliz auf Semeies Haus H^
52 die] dariiber Ansatz zu einer nicht ausgeführten Variante: Asche H^ gött-
lichgetroffne] göttlichgetroffne/n/ (über göttlich ; tödtli<c/i>} H^ 53 Die
20 Frucht] (1) Den Sohn (2) Die Frucht (3) Frucht gestr. u. unterpunktet; Sohn
zum zweiten Mal gestr. H^ 54 daher nach gestr. alle H^
56 : (1) Uns aber, ihr Dichter gebührt es, unter Gottes Gewittern / Mit
(2) Doch uns (a) geziemet
(b) gebührt es, unter Gottes Gewittern H^
25 57 stehen aus stehn H^ 58 Vaters aus Str H^
59 : Zu fassen und (1) gehüllt / I<nj Lied)
(2) ins Lied
(3) dem Volk über der Zeile eingefügt H^
60 reichen.] reichen H^ 61 nur über gestr.:, den Kin(dem gleich,) H^
30 Herzens,] Herzens H^ 62 Hände,] Hände W
6 3 - 6 6 : Vor diesen Versen am Rand: Die [höhere] / Sphäre / die höher / ist,
als / die des Menschen / diese ist / der Gott H ^
63 : (1) Dann tödtet nicht der heilige Stral
(2) Der heiige
35 (3) Des Vaters Stral, (a) er (a) ti(ifft)
675
IIS —120 Wie wenn am Feiertage...
(ß) töde
(y) tödtet,
(b) v{ersengt)
(c) der reine versengt (a) uns
iß) es nicht H^ 5
6 4 - 6 7 : I : Und eines Gottes Leiden
Mitleidend, bleibt das ewige Herz doch fest.
Doch weh mir!
II: 64 : [Und] tieferschüttert, (1) eines (a) Lei 10
(b) Gottes Leiden
(2) de{s)
(3) die Leiden des Stärkeren
65 : Mitleidend, (1) sie
(2) in tönenden Stürmen 15
(3) des Gottes ge{(ährliche Stürme (?)}
('!•) des Stürme
(5) im unaufhaltsamen
(6) in (a) der
(b) den (a) fer<ra> 20
(ß) hochherstür(zen)den (Stürmen)
66 : Des Gottes, (a) das
<.(b) wenn er nahet, das Herz doch fest.
67 : Doch weh mir! wenn von H ^
68 —74 : auf BL17^ zusammen mit andern Entwürfen (vgl. die Lesarten zu der 25
Hälfte des Lebens, S. 66? f.) H^
69 sag aus sah I/^ 71 tief] danach ein Komma getilgt H^ die aus L H^
72 Priester, ins Dunkel, daß] (1) Priester hinab, daß (2) Text H ^ 73
Das] (1) Das (2) Ein (5) Das W Lied aus Lid H^ den aus Ge H^
Erläuterungen 30
Zur Gesamtdeutung vgl. Martin Heidegger: Hölderlins Hymne »Wie wenn am
Feiertage...«, Halle a.d.S. {1941); dazuFranz Dornseiff: Wie wenn am Feier-
tage das Feld zu sehn ein Landmann geht... (Geistige Arbeit, 9. Jahrgang Nr.19
vom S. Oktober 1942, S.S).
676
Wie wenn am Feiertage... IIS —120
Das Gedicht nimmt vor den Vaterländischen Gesängen eine besondre Stellung ein: es
ist das einzige durchFindars SiegsgesängeangeregteGedicht, das im Stuttgarter Folio-
buch (16) steht, während die späteren Gesänge zum größten Teil in der jetzt zu Hom-
burg verwahrten Handschriftengruppe überliefert sind; es ist auch in seiner metri-
5 sehen Form dem Pindarischen Forbild stärker verpflichtet, jedenfalls einem ersten und
noch ungefähren Verständnis dieser Kunstform, und unterscheidet sich darin gründ-
lich als einzelner Versuch von den dann nach andern Regeln geformten Vaterländi-
schen Gesängen; es ist weiter stofflich beeinflußt durch die unmittelbar im nämlichen
Duktus vorangehende Übersetzung der Bacchantinnen des Euripides (v.l—24; 31.14'
10 und 14^ der Handschrift Stuttgart 16), was die nach Findars Weise v. S0—J3 einge-
fügte Mythenerzählung von Semele bezeugt. Die Euripides- Übersetzimg hat Hölder-
lin, den griechischen Trimetern genauer entsprechend, in sechsfüßigen Jamben ge-
schrieben, nicht in dem später für die endgültige Fassung seines Sophokles bevorzugten
Blankvers, und sie muß daner zu einer Zeit entstanden sein, als er beim Übersetzen
15 die metrische Gestalt seiner Vorlagen noch sorgfältig nachahmte; das war in den
letzten Monaten vor der Jahrhundertwende.
Der Entwurf { Wie wenn am Feiertage...) bedeutet nun, wie bereits gesagt, einen Ver-
such, die eigentümliche Strophenresponsion der griechischen Chorlyrik in einem
eigenen Gedicht nachzubilden, allerdings nicht ganz genau: Findar läßt nämlich
20 auf zwei metrisch gleich geformte Strophen (Strophe und Antistrophe) eine abwei-
chende Epode folgen ( a ab, a ab...), während Hölderlin jeweils drei metrisch ver-
schiedene Strophen zu einer Gruppe zusammenfaßt (ab c, ab c...). Es sind also nach
demselben Versschema gebaut — oder richtiger (da der Versuch ja nicht zu Ende geführt
worden ist): es sollen nach demselben Versschema gebaut werden die Strophen 1,4,7,
25 nach einem zweiten Schema die Strophen 2, S, {S) und nach einem dritten die Stro-
phen 3, 6, (?). Die (auch in den Elegien zu beobachtende) triadische Gliedenmg hat
Hölderlin auch in den meisten Vaterländischen Gesängen beibehalten (vgl. S. 680f.
dieses Bandes), nicht aber die genaue metrische Entsprechung der einzelnen Verse.
Diese kann nach dem vorliegenden Entwurf für die erste Strophe der drei Triaden — bis
30 auf ganz geringe Unebenheiten, die sich aus dem Entwurfscharakter des Versuchs er-
klären - in diesem Schema anschaulich gemacht werden:
677
IIS —120 Wie wenn am Feiertage.
Von der zweiten Strophe der Trias können, da nur zwei Strophen (2 und S) für einen
Vergleich zur Verfügimg stehen, nur vier Verse in ihrer endgültig gemeinten Form
festgestellt werden, nämlich der erste, zweite, vierte und sechste:
1 w — ^ — ^ — ^ ^ — ^^ — 10
i 4 ^ - ^ - ^ - ^
5
15
Und von der dritten Strophe der Trias fünf:
1
3
4 20
/ - ^ -
6
Für den genaueren Nachweis der metrischen Entsprechung vgl.Friedrich Beißner:
Hölderlins Übersetzungen aus dem Griechischen, Stuttgart 19}}, S. 96—10}; dazu
die Kontroverse: Eduard Lachmann: Hölderlins Hymnen in freien Strophen. Eine 25
metrische Untersuchung, Frankfurt am Main 19}7, S. 127-129; Beißner: Be-
merkungen zu Eduard Lachmanns Buch über Hölderlins Hymnen. Das Versmaß in
Hölderlins Entwurf »Wie wenn am Feiertage« (Dichtung und Volkstum }8, 19}?,
S. }49—}SS); Lachmann: Holderlins erste Hymne (Deutsche Vierteljahrsschrift für
Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 17, 19}9, S. 221-2S1; Beißner: 50
Geschichte der deutschen Elegie (Pauls Grundriß der germanischen Philologie,
Bd.l4), Berlin 1941, S. 2}6.
678
Wie wenn am Feiertage... IIS — 1 2 0
1 - 9 Vgl. die ersten Strophen der Ode Die Unsterblichkeit der Seele (1, U).
22 über die Götter... ist] »Die an Macht und Alter die Götter... übertrifft«; vgl.l. Kö-
nige 8,16: David aber habe ich erwählet, daß er über mein Volk Israel sein sollte.
26. 27 Die Allerschaffende ist Attribut der Begeisterung; »Die allerschaffende
5 Begeisterung fühlt sich (Akkusativ!) wieder neu«,
30 Thaten der W elt] Die französische Revolution und die Koalitionskriege. —
Vgl.Dichterberuf V. 2S: Ihr ruhelosen Thaten in weiter Welt!; Patmos, I.Fas-
sung, V. 299: Die Thaten der Erde.
34.35 den Aker gebauet In Knechtsgestalt] Vgl. Dichterberuf v. 49: Wenn ihnen
10 der Erhabne den Aker baut. — Apollo diente, um für die Tötung des delphischen
Drachens Python zu büßen, als Knecht und Hirte dem Admet (siehe Euripides,
Alkestis); vgl. femer Philipper 2, 7: .. sondern entäußerte sich selbst und nahm
Knechtsgestalt an; dazu Jesaja 42,1; 49, S; /J, }; 2. Korintlier 8, 9.
45 sie] Das ist die Seele des Dichters (v. 44).
15 50 — 53 £s seien einige der Dichter genannt, die den Mythus der Semele über-
liefern: Homer, Ilias 14, )2) und )2S; Hesiod, Theog. v. 940-942; Pindar,
Olymp. 2, S9-S0; Pyth. S,176f. (beide von Hölderlin übersetzt); Euripides, Bacch.
V. 1—42 (bis v. 24 von Hölderlin übersetzt); und besonders Ovid, met. 3, 2S9-31S.
56 unter Gottes Gewittern] Vgl. den Brief an Böhlendorf vom 4.Dezember 1801:
20 Denn unter allem, was ich schauen kann von Gott, ist dieses Zeichen mir das
auserkorene geworden.
61. 62 Michel S. 381 f . weist hin auf Psalm 24, } f.: Wer wird auf des Herrn
Berg gehen? Und wer wird stehen an seiner heiligen Stätte? Der unschuldige
Hände hat, und reines Herfens ist.
25 65 in den hochherstürzenden Stürmen] II. 2S1—244, An-
satz Uv.9f. (H*'>).
6 6 Die Gedanken, die in den nicht mehr gestalteten weiteren 2) Versen (S-i- 9 + 9)
ausgedrückt werden sollten, sind in den Zeilen 67—74 des Textes, mehr aber noch in
den letzten Sätzen des Prosa-Entwurfs (H^ Zeile 65—74) bereitgestellt. — Es sei
30 nachdrücklich betont, daß Böhms Behauptung (II 402), der Schlußabsatz werde
schließlich von Hölderlin »ganz gestrichen«, irrig ist; denn von einer Streichung
ist in der Handschrift nichts zu bemerken. Der einmalige Formversuch wird wohl
deshalb nicht zu Ende geführt, weil Hölderlin inzwischen bei fortschreitender Arbeit
am Pindar gewahr wird, daß dessen Kunstcharakter durch wesentlichere Merkmale
35 bestimmt wird als durch die metrische Responsion.
679
DIE VATERLÄNDISCHEN GESÄNGE
Das hohe und reine Frohloken vaterländischer Gesänge, solcher Gedichte, deren
Inhalt unmittelbar das Vaterland angehn soll oder die Zeit, tief unterschieden
vom müden Flug Uoßer Liebeslieder in herkömmlich lyrischer Schreibart, dieser
neue Ton beschwingt das Gefühl des Dichters, und es ist berechtigt, daß er wie in den 5
Briefen an JVilmans vom Dezember 1803 so auch sonst von den erhabensten Gebilden
seiner Kunst als von etwas Besondrem spricht. Wenn es die Zeit gehe, wolle er — ge-
lobt der Übersetzer in der Widmung der Trauerspiele des Sophokles an die Prinzessin
Auguste von Homburg - die Eltern unsrer Fürsten und ihre Size und die Engel
des heiligen Vaterlands singen. Das hat er in den ganz eigenen Gedichten getan, 10
die in dieser Gruppe vereinigt sind und zum Ausdruck ihrer Eigenart auch einen be-
besondren Namen statt einer abgegriffenen Gattungsbezeichnung verlangen. Des-
wegen heißen sie hier Die Vaterländischen Gesänge.
Ihre Form ist ohne Vorbild in der deutschen Dichtung. Die sogenannten freien
Rhythmen Klopstocks (in der ersten Fassung der Frühlingsfeier und ähnlichen 15
Hymnen) wie auch Goethes und geringerer Nachahmer unterscheiden sich gründlich
durch den Mangel einer strophischen Gliederung von Hölderlins Gesängen, die also
nicht nach inhaltlich-syntaktischen Notwendigkeiten ungleiche Abschnitte bilden,
sondern nach Pindars bedeutendem Beispiel formal-metrisch geregelte Strophen in
Dreiergruppen zueinanderordnen. Doch befreit sich Hölderlin nach jenem Versuch, 20
die metrische Responsion, wie er sie begriffen hatte, im einzelnen durchzuführen
({Wie wenn am Feiertage...)), wieder von dan allzugenauen Anspruch des Musters.
Metrische Kunststücke, wie sie Platens Rigorismus in den Festgesängen vollbringt,
liegen ihm ganz fern. Doch behalt er den Aufbau in Dreiergruppen bei, wie er inzwi-
schen ja auch seine Elegien unter dieses Formgesetz gestellt hatte — entspricht es doch 25
dem in ihm zutiefst angelegten, sich im Dreischritt von Thesis, Antithesis und Syn-
thesis vollziehenden Denkgesetz. Dieser Afbau wird in einigen Gesängen dadurch
680
Der Mutter Erde 123-12S
noch betont, daß innerhalb der Triaden die Strophenumfänge nach einer gewissen
Regel wechseln. Germanien und Andenken sind nicht triadisch gebaut. Auch hierfür
bietet Pindar Vorbilder (Olymp. 14; l'yth. 6; 12; Nem. 2; 4; 9; Isthm. 7).
Die einzelne Verszeile wird, nachdem der Entwurf {IVie wenn am Feiertage...} liegen
5 gelassen, nicht mehr nach wiederkehrender Regel metrisch durchgeformt. Jedoch
waltet keineswegs gänzliche Willkür: bis zu den ersten Fassungen des Patmos-Ge-
sangs und des Einzigen hin, auch noch in Andenken, gibt es nur steigende Verse.
Wo dennoch einzelne Zeilen mit betonter Silbe einzusetzen scheinen (wie z.B. Der
Rhein v.60), ist schwebende Betonung angezeigt. Maß und Grenze solcher Möglich-
10 keiten erweisen Odenverse wie Rousseau v.l}, Natur und Kunst v.9, Chiron v.4f,
Xhränen v.l3. Sicherlich ist es kein Zufall, wenn in den Vaterländischen Gesängen
auf eine scheinbar regelwidrig mit stärkerem Ton gesprochene Anfangssilbe niemals
nur eine unbetonte Silbe folgt, sondern stets deren zwei, wodurch erst die versetzte Be-
tonung möglich wird. Besonders lehrreich ist die Änderung in Patmos, 1. Fassung,
15 V. 10 f . (siehe die Erläuterungen S. 789, 3-S).
Auch hat die Länge oder Kürze der Verszeilen einen spürbaren Einfluß auf den
Kunstcharakter. Es fällt auf, daß die spätesten Gesänge in längeren Strophen die
einzelne Zeile zu kürzen suchen. Ebenso ist der Wechsel zwischen durchgehends alter-
nierenden Versen und solchen mit Doppelsenkungen nicht müßig — vgl. die Erläute-
20 rung zu Germanien v. S}. An gewichtigen Höhepunkten der Rede oder in Strophen-
schlüssen fällt immer wieder der arunutigeVers desTy-pus AutleichtgehsiUetcnBriäiCTi
ins Ohr. Daß er zuweilen mit einer deutlichen Absicht geformt wird, zeigt zum Beispiel
V. 28 der Wanderung die Synkope sei'n oderv. 39 desselben Gesangs die Änderung der
stumpf ausgehenden Form genannt in die klingende genennet (siehe die Lesarten).
25 DER MUTTER ERDE
Vermutlich schon im Herbst 1800 entstanden.
Überlieferung
H (v. 1-77): Homburg H}S<'-36": Doppelblatt 22,S(21,3) x 3S,4 (3S)cm, un-
beschnitten; rauhes, gelbliches, geripptes Papier ohne Wasserzeichen.
30 (Prosa-Entwurf der Fortsetzung): Homburg J 16: Einzelblatt 24(24,S) x
36,S cm, unbeschnitten; schwach bläuliches, geripptes Papier; Wasserzeichen:
I C, mitten darunter: G
681
12S-12S Der Mutter Erde
Erster Druck: Hellingrath 4,1S4-1S7; 2}S. 239.
Lesarten
Überschrift: Der Mutter Erde. / (1) von Ottmar und Horn und Tello. (2) Ge-
sang der Brüder / /von/ Ottmar [und] Hom [und] Tello. H
4 Anfang. Aber freudig] (1) Anfang. Freudig (2) Anfang, aber Freudig H 5
4 emster his 6 Töne] (1) emster
Neigt über die Harfe der Meister
Das Haupt und die Töne so viele derer sind
(2) emster
Neigt über die Harfe bald 10
Der Meister Das Haupt \md die Töne
(3) Text H
7 Bereiten ous Bereitet i J 8 So \ie\e sie siai. später vorgefügt H 11 Doch
wird aus: Ein & H VI Harfe] darüber, wieder gestr.: Saiten H Klang aus
H 13 Gesang] darunter eine Wellenlinie H 15
1 4 - 2 0 : I : etwa S,f cm unter v. 13:
Und unaussprechlich (1) war
(2) wohnt'
(3) war und einsam
In seinem Dunkel umsonst, der doch 20
Der Zeichen genug und Wetterflammen
Und (1) Wasser
(2) Fluthen in seiner Macht
Wie Gedanken (1) d
(2) hat, der heilige Vater 25
19 : Und nirgend fand er wahr sich unter den Lebenden wieder
20 : Wenn zum Gesänge nicht (1) hätte
(2) hätt ein Herz die Gemeinde.
I I : Text, V.14 in weitem Abstand neben v.lS, v.lS—17 in der Lücke
unter V. 13, V, 18 zwischen den Zeilen Hier V. 19 der I.Fassung H 30
(-14 Volks.] Volks H 15 der Zeichen] der /der/ [der w]
Zeichen H 16 Und ausW H 20 Gesänge] danach über
der Zeile Ansatz zu einer nicht durchgeführten Umstellung: ein
Herz H)
682
Der Mutter Erde 12i-12S
23 der Fels über gestr. Gebirg H 24 schattiger aus den H 25 Erde,]
Erde,/die/ H 28 schon aus erst H 31 schon'] schon H 38 so vor
gestr.: zu danken H 39 auch.] auch H 42 Rüstungen an] Rüstungen,
an ("an wohl später hinzugefügt) H 48 Gott] danach versehentlich ein Wort
5 ausgelassen (keine Lücke!) H 51 Tempelsäulen] Tempesäulen / / 52 . Ta-
gen <jui <iem ./iniatz zu d ÜT 53 Nordsturms] Nordsturm aus Nordsturch i /
56 Moos aus wa H 63 Ni indefl] so H (etwa zu ergänzen: Ni(cht zie-
met es sich)) 64 tönende aus T H 67 Zeiten aus Sch H 6 8 : Wie Ge-
birg,/das hochaufwoogend/("aZs tezter 'crs au/«^er Seite.' H 73 schweifet
10 aus schweifef H Höhen,] Höhen H
Für die Fortsetzung vermutlich dieses Gesangs werden die folgenden GedarJten fest-
gehalten (die Zeilen sind so gebrochen wie in der Handschrift):
O Mutter Erde! du allversöhnende, allesduldende!
hüllest du nicht so u. erzählest
15 (2 Zeilen Zwischenraum)
und wie um jenen Erstgebornen
dai3 ich
Gemildert ist seine Macht, verhüllt in den Stralen
u. die Erde birgt vor ihm die Kinder
20 ihres Schooses (in) den Mantel, aber, wir erfahren ihn doch,
und kommende Tage verkünde, da
Viel Zeiten sind vorübergangen, und oft hat einer von
dir ein Herz im Busen gefühlt. Geahndet haben
dieAlten,die frommen Patriarchen, da sie wachten bis jezt und im Verborgnen
25 haben, sich selbst geheim, in tiefverschloßner Halle dir
auch verschwiegne Männer gedienet, die Helden aber,
die haben dich geliebet, am meisten, und dich die Liebe genannt,
oder sie {haben) dunklere Nahmen dir, Erde gegeben, denn es schä-
met, sein Liebstes zu nennen, sich von Anfang der Mensch, doch
30 wenn er Größerem sich genaht, und der Hohe hat es geseegnet, dann
nennt {er), was ihm eigner ist, beim eigenen Nahmen,
und siehe mir ist, als hört' ich den großen Vater sagen,
dir sei von nun die Ehre vertraut, und
Gesänge sollest du empfangen in seinem Nahmen,
683
12i-125 Der Mutter Erde
und sollest indeß er fem ist und alte Ewigkeit
verborgener \md verborgener wird,
statt seiner seyn den sterblichen Menschen, wie
du Kinder gebahrest und erzog(st) für ihn, so will er wenn
die erkannt ist, wieder senden sie und neigen 5
zu die Seele der Menschen.
Lesarten des Prosa-Entwurfs der Fortsetzung
S. 055 :14 hüllest aus so/J' 16 umvorgestr. deß II ]encn] danach ein Komma
getilgt H 18 verhüllt nac/i g-estr.; doch sie H 19 u. nac/i g'cjtr. doch H
21 kommende] kömmende H 22 und aus o(/t) H 23 gefühlt. Geahndet] 10
(1) gefühlt, u. die (2) gefühlt, (a) Geh (h) Geahndet H 24 die frommen]
die aus f ÜZ da sie wachten bis jeit später eingefügt (statt wachten verschrie-
ben: nachtcn) H 25 haben] (iarüJer; Bei II tiefverschloßner] ver aus u
26 auch über gestr. die H verschwiegne aus verschwiegnen H gedienet,
aus gedient, II die aus u. II aber,] aber,/die/ II 27 dich geliebet ü icr 15
der Zeile II 28 oder nach gestr. den(n) H Erde nach gestr. E i / 28 : über
dieser Zeile und dem Anfang der nächsten: und (statt dessen verschrieben: uns) was
die Patriarchen versucht, das wird erfüllet / werden. H 30 Größerem sich
genaht aus: Größeres fand H Hohe hat es geseegnet, ixber: Höchste billig
geheißen, II 31 eigner] eigner, H ist] darüber: u. es H 32 großen 20,
über der Zeile II S. 684: 1 sollest aus sosi II Ewigkeit aus Ewike II 2 ver-
borgener und nach gestr. den H verborgener (: aus verborgner) wird, vor
gestr.: (1) den (2) bei sterblichen I M H 4 gebahrest] gebährest H
wena über gestr. ]ezt II 5 die aus der / / wieder nac/i ^estr..-dir sie i /
senden sie] sie über der Zeile H und nach gestr. zu H 25
Erläuterungen
Das Gedicht ist ein auf dreimal drei Strophen angelegter Wechselgesang nach dem
Forbild der beiden im Jahr 1767 entstandenen Oden Klopstocks: Der Hügel, und
der Hain (Ein Poet, ein Dichter, und ein Barde singen) und Hermann (durch die
Barden Werdomar, Kerding, und Darmond). Die Namen Ottmar, Horn, Teile 30
sind keinesfalls, wie man meinen könnte, Ossianisch, entsprechen auch gar nicht dem
Typus der gälischen Namen; auch sollte man sich vor unbeweisbaren Etymologien
hüten.
684
Der Mutter Erde 12S-12S
Der Gesang ist nicht zu Ende gediehen: es fehlen nicht nur am Schluß die andert-
halb Strophen - auch das Niedergeschriebene ist, bis auf die Anfangsstrophe, lücken-
haft und noch nicht ganz durchgeformt. Anscheinend sollte jede Strophe zehn Verse
zählen. - Die Vollendung ist vielleicht nur deswegen nicht gelungen, weil Entwurf
5 und Ausführung in ein Mißverhältnis gerieten: es war in dem notwendig neun-
strophigen Gesang unversehens kein Platz mehr für die reichen Gedanken, die im
Prosa - Entwurf (S.6S3f.) noch bereit standen; oder man müßte annehmen,
die drei Brüder hätten in einer abschließenden Strophentrias (Strophe 10—12) ihre
Stimmen zu einem Unisono-Anruf der Mutter Erde vereinen sollen.
10 1 Statt offner Gemeine] Das bedeutet, wie aus den Anfängen der beiden nächsten
Strophen deutlich hervorgeht, daß die Gemeine jetzt noch nicht vorhanden ist: auch
Ottmar singt also, wie seine Brüder, einsam, doch in der Erwartung des künftigen
Gemeindegesangs.
9 Des Wekenden] Vgl. Am Quell der Donau v. 28: wekend.
15 17 Wie Gedanken] Die Finthen und Wetterflammen stehen ihm so leicht zu
Gebote wie Gedanken.
1 8 - 2 0 Vgl.Der Archipelagus v. S9-61; Der Rhein v. 106-11}.
21 Noch aber] Zu ergänzen etwa: ».. ist die Zeit nicht gekommen, daß der Chor
des Volks den heiligen Vater preist«; die Fortsetzung dann (v. 2}—30) betont, daß
20 der Gott gleichwohl von Uranfang schon gewirkt, ein reines Gesez geschaffen und
reine Laute gegründet hat (v, 29 f.).
28 er] Der Gott, der heilige Vater, der in der Lücke v. 21 f. genannt werden sollte.
29 ein reines Gesez] Vgl. (An die Madonna) v. 98.
31—60 Die drei Strophen Horns lenken den Blick von der erhofften Zukunft auf die
25 Gegenwart, die Zeit zwischen den Zeiten, die dürftige Zeit (Brod und Wein v. 122),
da der Dichter einsam singt (v. 32).
36 Des alten Priesters Gesänge] Sie geben eine Vorstellung davon, wie sich der
Mensch in erfüllter Zeit mit dankender Seele (v. 39) den Göttern naht.
40—47 Vgl.Friedrich Leopold Graf zu Stolberg: Das Rüsthaus in Bern (Gesam-
30 melte Werke der Brüder Christian undF.L.Grafen zu Stolberg, Hamburg 1827, Bd.l
S. 98 f.), besonders v. 7 f.: Ich lege traurig ungespannt Den Bogen aus der
schwachen Hand.
48 Das nach Gott offenbar ausgelassene Wort ist schwer zu erraten. Der Sinn ist
vermutlich dieser: »Wie (= sobald als) ein Gott sich von der Erde abkehrt, sinken
35 die Arme der {betenden) Menschen«.
685
12}-129 Der Mutter Erde. Am Quell der Donau
58 — 60 Die Geräte des Tempeldienstes sind vergraben worden und so vor dem Feind
gesichert.
63 Ni(c?it ziemet es sich, (?)}•
65 er] Das ist der v.6} genannte Höhere, dem der Eine v. 66 noch übergeordnet
ist, nämlich der schöpferische Gott, der zwar irrmer und ewig lebt, dessen Wirken unter S-
den Menschen aber nur in dem Auf und Ab der erfüllten und der Zwischenzeiten sichtbar
wirdwie der Wechsel dervonMeerzuMeerhochaufwogendenGebirgsgipfel(v.68-70);
der Genetiv des Schaffenden v. 67 kann als masc. oder neutr. aufgefaßt werden.
69 hochaufwoogend] Vgl. Riikkehr in. die Heimath v. 3: Ihr woogenden Gebirg!
77 So] Mit dieiem Wort sollte die Anxuendung des vorangehenden Gleichnisses ein- 10
geleitet werden. Den unruhigenErscheinungen müßigen Zeiten, den Wanderern
(v.71; vgl. die Elegie Der Wanderer und den Gesang Die Wanderung), dem irrenden
Wild und der schweifenden Horde (die Deutung der bisherigen Ausgaben, »Herde«,
ist orthographisch unmöglich, weil Hölderlin Heerde schreibt) — diesen unruhigen
Erscheinungen steht das unbeirrte, treue Bleiben und Wohnen des Hirten gegenüber 15
(vgl. Heimkunft v. 41 f.).
AM QUELL DER DONAU
Vermutlich der erste der im Jahr 1801 entstandenen Gesänge, dessen Vollendung
gelingt.
Überlieferung 20
H^ : Stuttgart I 17: Doppelblatt 23,8 (23,3) x 36 cm, alle Kanten beschnitten;
schwach bläuliches, geripptes Papier; Wasserzeichen: I C mitten darunter G;
Traube unter einer Krone. S. 1 u. 2: Deutscher Gesang; S. 3 u. 4: Am Quell der
Donau; S. 4 untere Hälfte leer.
Faksimile der 3.Seite: Friedrich Hölderlin, Gesammelte Werke, hg. von Wil- 25
heim Böhm, 10.-13. Tausend {4. Auflage), Jena 1924, nach S. 340.
H^ (v. 2S-117): HomburgJ Doppelblatt 23,7 x 38,S cm,unbeschnitten;
gelbliches, feingeripptes Papier; Wasserzeichen: Gekröntes Wappen mit auf-
gehängtem Posthorn C & I HONIG; auf dem andern Blatt: C & I H O N I G
; Reinschrift mit blasser Tinte; 30
H^'': spätere Änderungen mit Bleistift;
; späte Änderungen mit dunkler Tinte.
Erster Druck: Hellingrath 4, 1S8-161.
686
Am Quell der Donau 126-129
Lesarten
Der erste Entwurf (H^) streut zunächst (Ansatz la) Keimworte über die ganze
Seite und füllt, mehrfach hier und da ansetzend, allmählich die Zwischenräume aus.
Die zeitliche Folge ist nicht überall mit ganzer Sicherheit zu erschließen.
5 Vorderseite:
Am Quell der Donau.
I : 1: Mutter Asia!
2: Dich grüß (1), (2) ich, nicht aus eig/n/ener Lust allein,
3: Denn daß ein Gruß dir würde, berief zu Gesänge mich
10 4: Der Genius derer, von denen, wie von heiligem Berge,
und fernhin, (1) ehe
(2) eh (a) all
(b) es alles (a) geschieht,
(ß) geschiehet
15 (1) verkünd'
(2) Verkünd' ich (a) dir, und sage:
(b) dirs.
a : 7; Und siehe
20 9: (1) Nun
(2) Doch endlich, endlich (a) mit
(b) ko(mm«)
(c) kehrt mit der Donau Woogen, wenn
10: (Die Antwort, Mutter Asia)
25 b : 7; Denn, (1) gleich
(2) wie wenn hoch im prächtigen Saale
8: von (1) Thüre zu Thüre rollt der melodische
(2) später mit hellerer Tinte:
Halle zu Halle
30 9: Strom bis rings in allen (1) das
(2) Kammern das Haus erfüllt ist
687
126-129 Am Quell der Donau
10 So donnert, so tönt, o Mutter
11: hör ich, das Echo von dir
12: dein Wohllaut, es wandelt
I h die menschenbildende Stimme,
14: Und (1) ein 5
(2) sieh! ein Staunen fesselt (a) der (a) Sterblichen
(j3) Leben((fen)
(h) {die) Seele der Getroffenen
all, und lange sannen
IS: (1) wir, was uns das fremde Zeichen bedeute, denn vieles 10
(2) die, was {ihnen) das fremde Zeichen bedeute, denn vieles
16: vermag, denn überwindet mit Kunst der Mensch
17: und achtet (1) den Tod nicht,
(2) der Blize nicht, aber es steht vor (a) Götte(rn)
(b) Göttlichem 15
(c) Göttlichstem
18: der Starke nieder(^c)schlagen
19: und (1) gleicht
(2) gleichet dem Thier, das
20: rastlos über die Berge, schweift, und die eigene Kraft 20
21: fühlt in der Hizze des Tags,
(über der Zeile: imd die Augen büken scharf in die Ferne)
doch um die Abendstunde,
22: wenn das feierliche Gestirn
2h und überwunden von himmlisch 25
24: zarter Gewalt, erliegt es im (1) seeligen
(2) erquikenden Schlaf, so
2S: ruheten / , / (1) sie
(2) wir, und es (a) erloschen
(b) erlosch das (a) Auge[l]nlicht 30
iß) Licht {der) Augen
allen, die da
26: sahen in den heiligen Abgrund, aber die Wildesten ruhten zulezt
27: als über uns die Macht der Zeiten erfüllt war,
28: Jüngst 35
688
Am Quell der Donau 126-129
C: 7—10: unverändert
10a: Denn (1) rings unter
(2) mit<ten>
(5) unter (a) griecliischen (a) Berge^n)
5 iß) Ge
(b)d
(c) des Grieclienlandes Gebirgen
10 b. am Kithäron hör
11: und an Pamassos Felsen hör ich, das Echo von dir; [es] und
10 12: (1) am Kapitol
(2) es bricht sich dein Wohllaut am Kapitol, es wandelt
Ii: (1) über die Alpen die menschcnbildende Stimme,
(2) über die Alpen die Erwekerin
(5) die Erwekerin über die Alpen die menschenbildende Stimme,
15 IJa.b: am linken Rand:
Denn Romas Donner (1) . . wie Geschosse Reegen
(2) kommen vereint (über den beiden Punk-
ten eingefügt)
Das Wort aus Osten
20 14a: ebenfalls am linken Rand:
und Nacht wars über den Augen der Besten, indeß ein ander[s]
Geschlecht
14—28: unverändert
Rückseite:
25 Nachdem die Keimworte des Ansatzes la überwuchert sind, werden die
folgenden auf der Rückseite noch einmal gesetzt:
Nun endlich, endlich
6 cm tiefer:
genug
30 3 cm tiefer:
Und mit der Donau Woogen,
Hier werden sie nun von dem wachsenden Entwurf abermals überdeckt:
29: und (1) d
(2) zu sehen übten die Augen (a) und
35 (b) sich und zu lesen
689
126-129 Am Quell der Donau
(a) die Schriften,
(ß) die Sylbe der Schriften,
}0; (1) was T
(2) Manche sind von Menschen gesch(r)ieben. Die andern
(1) schre 5
(2) schriebA/
31: Die Natur. Aber die Dichter
32: Und deine Propheten, o Mutter Asia
33: sie, die Helden, welche furchtlos (1) die Starken, die
(a) Gewaltigen 10
(b) des Geistes gewiß
die dort unter
(2) standenaufeinsamemBergevor
den Zeichen des Weltgeist^i)
34: die (1) froher 15
(2) in froher Seele (a) zuerst es vermochten, (a) allein
{ß) ganz allein zu
reden zu Gott
(b) die geheimnißvolle Sprache vernehmend,
der Starken welche 20
3S: des reinen Verstandes gewiß.
36: Doch anders kömmt schon übt in ihrer
37: Wiege, sehen ringt (1) d
(2) wie des Meers Fluth wenn es an seine
Gestade auswärts die Gewässer 25
(3) mit sterblichen Kräften die Begeisterung
edler und edler sich
38: In Wolken des Gesangs thront, her<[r)schet über die
39: Völker, über die Fürsten ein Gott, (1) der Donnerer
(2) doch keiner wird {den) 30
Donnerer nennen.
40: Denn wie zu Frühlingsanfang
Forderseite: I I : Zeile 2 und 3 des I, Ansatzes werden geändert:
690
Am Quell der Donau 126-129
Dich Asia, nenn ich, nicht aus eig/n/ener Kraft allein.
Denn daß ein Dank bei Zeiten dir würde, Mutter Asia berief lu Gesänge
mich
I I I : 1: Dich Mutter Asia! grüß ich,
5 2: und (1) im
(2) fem im Schatten der altenWälder ruhest, und deiner Thaten
3: denkst,
4: der Kräfte, da du, (1) jugendlich, himmlischer Feuer voll,
(2) tausendjahrCa>tark
10 CJ_)alt voll himmlischer
Feuer, u. trunken ein
unendlich
S: Froloken (1) begannst
(2) erhubst daß (a) noch
15 (h) uns nach jener Stimme das Ohr
noch jezt, o Tausendjährige tönet,
6: Nun aber ruhest du, imd wartest, ob vieleiclit dir aus lebendiger Brust
7; ein Wiederklang (1) dir
(2) der Liebe dir begegne,
20 S—1 h rechts neben Zeile S und 6 des I. Ansatzes:
S: mit (der) Donau [Woogen], wenn herab
9: (1) vom Haupte sie dem
/(2) (von) iem (.Schwarzwald (?))J
10: Orient entgegengehen (: verschrieen statt entgegengeht^
25 11: und (1) den Ort sucht
(2) die Welt s(ucht) und (a) Schiffe
(b) deh c?;
(c) gerne [die Schiffe/
12: die Schiffe trägt, auf kräftiger
30 13: Wooge komm'ich lu dir H^
Der III. Ansatz stellt den Stoff für die beiden Strophen bereit, die in der Reinschrift
(H^) verloren gegangen sind.
Lesarten der Reinschrift (H^'^) und spätere Änderungen (H^^^H^'):
Oberschrift: fehlt 1 - 2 4 : fehlt H^
691
126-129 Am Quell der Donau
25-27 : 25 : Denn, wie wenn (1) süß (2), einsmals von silbernscheinender Orgel
26: (1) Am
(2) Das Vorspiel
27 : (1) Hell quillet 5
(2) Aufgehet aus den unerschöpflichen Röhren H ^ "
28 wekend] darüber: (1) [Morgens] und (2) tröstend (3) prächtig H^'
2 9 . 3 0 : (1) nun (v. SO) unterstr.
(2) Und groß hervor,
(3) Und brausend her von Halle zu Halle, 10
(a) Voll Lebens
(b) Allmächtig (a) ein erfrischender
(ß) der erfrischende/r/ Strom rinnt, H^"
31 den kalten] unterstr. H^"
31. 32 : Kalt aber unten im Hauße 15
(1) Die
(2) Im schaurigen Hause, die Schatten sind H ^ '
3 3 : (1) Doch
(2) Bald aber wächst
(b) entbrennt, bald (a) erwärmend 20
iß) glühend ihr, H^o
35 Chor] Gedanke H^" 37 a n a u i a m / / « " Felsen] Fels J^«" mid am
Kithäron hör' ich sp^er angefügt H^" 37a : gestr.: Und am Kithäron hör'
ich, wieder inzwei Verse geteilt H^' und am] und (1) merldich (2) nahend
am H ^ " 39 Am aus Vom 40 : Kommt vor der Zeit eine Fremdlingin 25
die Furchtbare sie H^" 43 Da] Und es Seele] danach ein Komma
getilgt 45 War] danac/i iiier der Zci/c; oftmals wieder gestr. H^'
47 Feuersgewalt auch] Feuersgew(a/t) au(c/i)('aJ^erisseraJ H^ 58 heilige
Licht] (1) heilige untersfr. (2) darüier; Abendlicht H^^ 62 Soil's63 Gaben,]
(1) die über gestr. wir Denn manchen erlosch unterstr. (2) über der Zeile: 30
(a) Die (b) Denn (c) Den(n) schwer ist (a) die Hand {ß) göttliches Gut. Die
Eltern aber, denn es [hat] / Hat eine Zeit (a) s{ich) (b) her sich zum Neuen
der Vater gewendet, H^' In diesen Zusammenhang gehören wohl auch dieWorte
unter ti. öS, dem/etzten der 5c!tc; Es versuchte Gott. H^" 70 Kampfspiel aus
dem Ansatz zu Kap H^'^ sonst unsichtbar über der Zeile H^'^ 35
692
Am Quell der Donau 126-129
70 wo bis 72 Kinder.] Diese zweieinhalb Verse werden durch einen diagonalen
Strich getilgt und dann folgendermaßen ersetzt:
(1) unter wo beginnend: [An]
(2) über Geheim; An Pytlios Bäumen
5 (3) hinter v. 70, also an Kampfspiel, anzuschließen:
an des Alpheus Bäumen
Wo beschattet die glühenden (a) d (b) Wagen (a) und die Sie(ger)
{ß) des Mitta<^i>
Und die Sieger glänzten und lächelnd die Augen des Richters. H^''
10 73 ists] ist es 74 wohlgeschieden] wohl geschieden 78 alt
aus aid H^'^ 8 9 - 9 1 : durch drei diagonale Striche getilgt, ohne Ersatz
ain unteren Rand (v.91 ist der letzte auf der Seite) wird später ein Ersatz versucht:
Denn Naturgang ändert / Nicht aber /aber/ und wenn. H^" 95 fremde.]
fremde FP 101 Waffen über Schalen i^^o JQS dann] danach über der
15 ZciVc; mein Konz i-i^'' 107 Ihr aber würzt] Sie aber würzen 109 ei-
n e n ] ü b e r der Zeile mit einer Klammer nach aber eingefügt H^^ (also
offenbar bei der Reinschrift vergessen; es ist übrigens deutlich wenn geschrieben,
nicht wen) - die Bleistiftbearbeitung ändert dann den Satz wenn bis liebt; lieben
sie aber einen zu sehr 110 nicht über der Zeile H^"^ euer] ihrer ii/^''
20 I I I mich] ihn i /2 ' ' 112 ich] er H^'' möge aus dem Ansatz zu mögen
Erläuterungen
Die beiden Anfangsstrophen sind verschollen. Das darin Gesagte ist ebenso wie die
Überschrift dem Entwurf (H^) zu entnehmen. Der Gesang ist triadisch gebaut. Der
Umfang der Epoden ist veränderlich, aber von dem festgelegten Umfang der übrigen
25 Strophen verschieden: {12, 12,) 15; 12, 12, 16; 12, 12, 14. (Die letzte Fassung
macht die mit v. 2S beginnende Strophe sechzehnzeilig wie die zweite Epode — vgl. die
Lesarten v. 57 B^".)
Die Donau wird nur in der Überschrift genannt und in der verschollenen zweiten
Strophe (siehe die Lesarten: IIL Ansatz, Zeile S-li). In derselben Weise ist auch in
30 dem Gesang Der Rhein von v.90 an, nach der sechsten von 1S Strophen, vom Rhein
nicht mehr die Rede; in Palmos wendet sich der Gedankengang schon am Schluß der
fünften von 15 Strophen von dem die Überschrift bestimmenden Ausgangspimht ab.
Vom oberen Donautal geht auch der Gesang {Der Ister} aus.
28 wekend] Vgl. Der Mutter Erde v. 9: Des Wekenden.
693
126-129 Am Quell der Donau
3 7 Parnassos] Der zweigipflige, Apoll und den Musen heilige Berg in Phokis, an
dessen Fuß Delphi liegt. — Die Artikellosigkeit (des Genetivs) gibt dem Namen hier
eine besondre fVürde. Vgl. Der Archipelagus v.171: IMssus imd viele andre Beispiele.
Vielleicht liegt hier ein Einfluß des Hebräischen vor, das den Artikel bei Gebirgs- und
Flußnamen nicht kennt - wie die Namen der Berge des Heiligen Landes in Lessings 5
dramatischem Gedicht Nathan der Weise offenbar in Nachahmung dieser hebräischen
Eigenheit durchgehends ohne Artikel stehen, z.B. auf Sinai (I.Aufzug v. 59 S; 2. Auf-
zugv.132), auf Libanon (1,662; 2,119), auf Quarantana (4,SSS), auf Tabor
(4, S69 u. S7i). - Vgl. femer Klopstock, Der Zürchersee v.li: Uto. - Siehe auch
Keppler v. 29 und die Erläuterung z. St. (1,384). lo
Kithäron ] Das einst von mächtigen Wäldem gekrönte Grenzgebirge Böotiens gegen
Megaris und Attika, der Schauplatz der von Theben, der Heimat des Dionysos, aus-
gehenden bacchischen Orgien. — Vgl. Brod und Wein v. S0—S4.
3 9 Kapitol] Das Capitolium im engem Sinn ist der von den Tarquiniern (im
6. Jahrhundert v. Chr.) erbaute, in der Folgezeit, besonders von Augustus, immer 15
prächtiger ausgestaltete Juppitertempel zu Rom, im weiteren Sinn der Hügel, worauf
neben dem Tempel auch die Burg (arx, Tarpeia) stand.
4 0 Fremdlingin] Vgl. Brod und Wein v. 17 und die Erläuterung z. St.
4 6 - 5 1 Vgl. das von Hölderlin übersetzte erste Stasimon in der Antigone des So-
phokles (noXXä rä öeivd). 20
5 2 — 6 7 Die Menschen, welche die menschenbildende Stimme unvorbereitet trifft,
gleichen dem Wild, das seine besten Kräfte in der Mittagshizze schweifend (vgl. Der
Mutter Erde v. 7 3) erschöpft hat und die Erquickungen des Abends, den freudigen
Geist, nicht genießen kann, weil es dann schon wachenden Schlaf schlummert. Sie
kümmern sich nicht um die Überlieferungen der vergangenen Götterzeiten (lonien, 25
Arabia), die für den Geist Hesperiens die Kolonie (vgl.Brod und Wein v. 1S4 Ansatz
VI — Lesarten) darstellen, worin er sich kräftigen kann für die Begegnung mit dem
Göttlichen. Vgl. auch Der Einzige, 3. Fassung, v. !7—60 und die Erläuterung z. St.
6 8 wandelten] Die wenigen Wachenden wandelten, indem sie dem griechischen
Bilde der theuem Lehr' und auch der holden Gesänge (v.66) nachlebten, im Geiste 30
unter den Griechen, deren gotterfülltes Leben die Verse 70—7 3 schildern. Dieses Leben
will die späte Fassung noch individueller gestalten — vgl. die Lesarten zu v. 70—72:
Beim Kampfspiel an des Alpheus Bäumen {in Olympia) W o beschattet die
glühenden Wagen des Mittags Und die Sieger glänzten und lächelnd die Au-
gen des Richters. (Vgl. auch Der Frieden v. 49-S2.) 35
694
Am Quell der Donau 126-129
74 woVilgeschieden] Trotz der möglichen geistigen Versenkung sind die Wirklich-
keiten des Griechentums und der götterlosen Zeit doch wohlgeschieden. Diesen Ge-
danken betonen deutlicher die beiden Anfangsstrophen des Gesangs Germanien. —Vgl.
auch An Quell der Donau v. 86, wo von Asias Patriarchen und Propheten genau so
5 schroff gesagt wird; Die ruhn Tom; femer Die Wanderung v. 86 f. und 91.
75 Isthmos] Die Landenge von Korinth, der Schauplatz der Isthmischen Spiele.
76 Cephyß] Der Krjcpiadg, ein Fluß bei Athen —vgl. Der Gott der Jugend v. 39 und
die Erläuterung z. St. (1, 492).
Taygetos ] Vgl. Die Wanderung v.71: Tay get; das Gebirge, an dessenFuß Sparta lag.
10 77 Kaukasos] Vgl.DieWanderwigv.2S. —Das GrenzgebirgezwischenEuropaund
Asien leitet nun zu dem Lobpreis der Mutter Asia zurück, von dem der Gesang ausge-
gangen war. Der Name der Mutter Asia steht also am Beginn der letzten Strophen-
trias, wie er, nach Ausweis des Entwurfs, die erste eröffnet haben wird.
82 Und den Himmel auf Schultern] Vgl.Der Rhein v. 157 f . und die Erläute-
15 rung z. St.
83 Taglang auf Bergen gewurzelt] Vgl. 2.Mose 24, 16-18: Und die Herrlich-
keit des Herrn wohnete auf dem Berge Sinai, und deckte ihn mit derWolke
sechs Tage, und rief Mose am siebenten Tage aus der Wolke. Und das An-
sehen der Herrlichkeit des Herrn war wie ein verzehrendes Feuer, auf der
20 Spitze des Berges, vor den Kindern Israel. Und Mose ging mitten in die Wolke,
und stieg auf den Berg; und blieb auf dem Berge vierzig Tage und vierzig
Nächte. — 2. Mose 34, 28: Und er war allda bei dem Herrn vierzig Tage und
vierzig Nächte, und aß kein Brot, und trank kein Wasser. Und er schrieb auf
die Tafeln solchen Bund, die zehn Worte.
25 86 Die ruhn nun] Vgl. die Erläuterung zu v. 74.
86 — 91 Aber wenn ihr bis Göttlichgebome ] Dieser Satz ist von den meisten Deu-
tern nicht als ein syntaktisches Ganzes erkannt worden; denn immer wieder begegnet
man dem herausgerissenenZitat derVerseS9—91. Der (konzessive) Nebensatz schließt
nämlich v.89 Wir nennen dich noch ein, und mit heiliggenöthiget beginnt erst
30 der Hauptsatz. Die Alten all ("u. 88), das sind Asias Patriarchen und Propheten, aber
in erster Linie doch die Griechen, überliefern uns die Heiligtümer, die Waffen des
Worts (v. 101), die heilige und heilende Welt ihrer theuem Lehr' vmd auch der
holden Gesänge (v. 66), die den hesperischen Geist für die Begegnung mit seinen
Göttern stärken und ihn dazu vermögen, wachend zu bleiben bei Nacht (Brod und
35 Wein v. 36). Aber wenn uns nun auch die Alten nicht sagten, woher wir den Namen
695
126-129 Am Quell der Donau
für die überlieferten Heiligtümer nehmen, woher wir sie nennen könnten, so müß-
ten wir sie Natur nennen; denn nach Hölderlins Überzeugung entspricht das, was
die Griechen auf der Höhe ihrer Bildung, ihrer »Kunst«, am Ende eines langen
Weges erreicht haben, unserm Eigenen, Nationellen, unsrer »Natur«. Diesen Ge-
dankenführt besonders der Brief an Böhlendorf vom 4. Dezember 1801 aus. 5
Begänne mit den Worten Wir nennen dich v. 89 ein neuer Satz, so wäre die Ellipse
woher ? unverständlich und unwahrscheinlich. Zu Hölderlins Zeit setzte man häufig
in umfangreicheren Satzgefügen das Fragezeichen der Deutlichkeit halber gleich hin-
ter das Interrogativum; vgl. Der Rhein v. 43—45; ähnlich auch Hymne an die Muse
V.1S(1,1JS). 10
Zu der Apostrophe der Alten und der Natur in einem und demselben Zusammenhang
vgl. Die Nacht v. 7 und die Erläuterung z. St. (1,3 31); ferner Dichterberuf v.17—19:
. .ihr Himmlischen .. und .. / Ihr Quellen und ihr Ufer und Hain' und Höhn, /
.. als du ...
Wenn die Verse 89—91 später mit Bleistift getilgt werden, so bedeutet das nicht (wie 15
Hellingrath z. St. erklärt), daß dem Dichter der Name Natur nicht mehr genügt
hätte: vielmehr wollte er den Sachverhalt nur deutlicher und eindringlicher darstellen.
Die noch spätere Tintenvariante (vgl. die Lesarten) gibt jedenfalls das Wort nicht
auf. Sie sollte wohl v. 86 (nach: Die ruhn nunj einsetzen und ist sinngemäß etwa so
zu ergänzen und zu umschreiben: »Denn der Gang der Natur ändert nicht uns zulieb, 20
er verwandelt nicht Totes in Lebendiges. Die Patriarchen und Propheten ruhn nun
ebenso wie die Heroen und Dichter Griechenlands. Dennoch ist dies zu Ende Ge-
diehene für uns der Anfang, diesem Alten entsteigt für uns das Neue, dieses Alte ist
unser Neues, diese Kunst unsre Natur.«
92 — 95 Vor dem Neuen und seinem Anspruch fühlen wir uns wohl zuweilen verlas- 25
sen; es ist zwar das Alte und doch anders, wir müssen uns dem Kommenden gegenüber
doch anders verhalten als gegen den festen und sichern Buchstaben einer überschau-
baren Überlieferung, den wir jetzt noch pflegen (vgl. den Schluß des Patmos-Ge-
sangs). Aber eben diese Pflege wird nicht umsonst gewesen sein. Sie wird uns das
Gefühl der Unsicherheit, der Fremdheit, der Blödigkeit (vgl. die so überschriebene 30
Ode) nehmen, weil wir uns als Kinder des Hauses wissen. Vgl. Hölderlins Anmer-
kung zu dem Pindar-Fragment Untreue der Weisheit, über die Fähigkeit der ein-
samen Schule für die Welt; Hyperion 1,102: Auch wir sind also Kinder des
Hauses, ... sind es und werden es scyn. (Zu dieser Prägung vgl. Schillers drama-
tisches Bruchstück Die Kinder des Hauses; Wallenstein v.S917f.: Sie alle waren 35
696
Am Quell der Donau 126-129
Fremdlinge, du warst Das Kind des Hauses; Über Anmut und Würde (Säkular-
Ausgabe 11, 219): Womit aber hatten es die Kinder des Hauses verschuldet,
daß er nur für die Knechte sorgte?; ferner Galater 4, 7; Also ist nun hier kein
Knecht mehr, sondern eitel Kinder. Sind es aber Kinder, so sind es auch Erben
5 Gottes durch Christum.^
96 Sie leben dreifach] Nämlich den gegenwärtigen Augenblick der Zwischenzeit,
die erfüllte Vergangenheit, indem sie deren Werte pflegen, und das künftige Reich
des Göttlichen, dessen Artbruch sie innig erwarten — ebenso wie das Geschlecht, das in
der Morgendämmerung des griechischen Göttertags lebte.
10 99 Treue'] Dieser Zug der bewahrenden Liehe zur Überlieferung wird besonders
herausgegriffen, da er das Thema des Gesangs darstellt: das Wort aus Osten (v. )6),
dem der Westen, von den Wogen der Donau geleitet und angeregt, nun bald ant-
worten wird. ,
100 Eures] Angeredet sind die Schiksaalssöhne, die guten Geister fu. 103 f.) der
15 östlichen, besonders der griechischen Überlieferung. Die Pflege der Heiligtümer ist
kein einseitiges Nehmen, es ist auch ein bewahrender Dienst an den objektiven Werten
der Vergangenheit.
102 .103 scheidend... zurükgelassen ] Vgl. Brod und Wein v. IH f .
105 dann] Nach diesem Wort wird später mit Bleistift die Anrede mein Konz ein-
20 gefügt (vgl. die Lesarten), wodurch dann der ganze Gesang diesem gewidmet ist
(siehe die Anreden Schmidts in der letzten Strophe, v.lOO, der Elegie Stutgard,
Sinklairs in der letzten Strophe, v. 212, des Gesangs Der Rhein, des Landgrafen von
Homburg, begreiflicherweise nicht mit Namen, in der vorletzten Strophe des Gesangs
Patmos). Die Zueignung des Gesangs Am Quell der Donau an Carl Philipp Com, der
25 zu Holderlins Zeit Repetent am Tixbinger Stift war, ist deswegen besonders sinnvoll,
weil Conz vornehmlich dem jungen Hölderlin die guten Geister der griechischen
Überlieferung nahegebracht hat (vgl.Betzendörfer S.21—24). — Gleichzeitig fügt
eine Bleistiftbearbeitung des Gesangs Die Wanderung in dessenletzter Strophe, v.lOS,
die Widmung auch an einen Tübinger Lehrer, nämlich Gottlob Christian Storr, ein
30 (vgl. Betzendörfer S.S4—S6) — oder es ist der Nürtinger Oberamtmann Wilhelm
Ludwig Storr gemeint, der am 2S. September ISO2 Hölderlins Paß für die Reise
nach Regensburg ausgestellt hat.
107 Nectar] Vielleicht sind hier die mit Nektar gefüllten holden Gesänge (v. 66)
gemeint—vgl. Brod und Wein v. 60 und die Erläuterung z. St.
35 109 —112 Die allzusehr hingegebene Pflege des griechischen Buchstabens ist ge-
697
126 — 137 Am Quell der Donau. Versöhnender der du nimmergeglaubt...
f ährlich: sie nimmt dieFreiheit — wie es in dem Brief an Schiller vom 2. Juni 1801
heißt: Ich habe mich seit Jahren fast ununterbrochen mit der griechischen
Literatur beschäfftiget. Da ich einmal daran gekommen war, so war es mir
nicht möglich, dieses Studium abzubrechen, bis es mir die Freiheit, die es zu
Anfang so leicht nimmt, wieder gegeben hatte, und ich glaube, im Stande zu 5
seyn. Jüngeren, die sich dafür interssiren, besonders damit nüzlich zu werden,
daß ich sie vom Dienste des griechischen Buchstabens befreie und ihnen die
große Bestimmtheit dieser Schriftsteller als eine Folge ihrer Geistesfülle zu
verstehen gebe. — Der Dichter bittet v.lll f . die guten Geister, ihn nicht in die
himmlische Gefangenschaft (vgl.Der Einzige v.! f.) zu nehmen, ihn vielmehr 10
leicht zu umgeben, damit er bleiben möge für seine große Aufgabe: denn noch ist
manches zu singen. In der Widmung der Sophokles- Übersetzungen gelobt er der
Prinzessin Auguste von Homburg, dcß er sich nicht an die immerhin notwendige
Pflege des in festen und historischen Gesezen gebundenen Übersetzungsgeschäfts
gänzlich verlieren wolle: Sonst will ich, wenn es die Zeit giebt, die Eltern unsrer 15
Fürsten und ihre Size und die Engel des heiligen Vaterlands singen.
1 1 3 - 1 1 7 Vgl.Der Einzige, I.Fassung,v. 84-86. - Die gaten Geister der Über-
lieferung haben ihn in diesem Gesang nicht bloß leicht umgehen: sein Herz war zu
stark beteiligt — von Anfang her —, als daß er jetzt fortfahren dürfte. Die weiche
Stimmung ist dem großen Gegenstand nicht angemessen. — Daß der Dichter auch 20
im erhabensten Hymnus plötzlich eine gewissermaßen private Betrachtung anstellt
über sich selber und sein Tun, ist ganz Pindarisch — vgl. etwa unter den von Hölder-
lin übersetzten Pythischen Siegsgesängen 8, 40-47; 10, 99-104; 11, SS-66 (die
Versnummem nach alter Zählung).
(VERSÖHNENDER 25
DER DU NIMMERGEGLAUBT.. .)
Der Gesang, dessen drei Fassungen (oder Ansätze) augenscheinlich nicht weit aus-
einander liegen, wird unter dem unmittelbaren Eindruck der Nachricht vom Friedens-
schluß zu Luniville (Februar 1801) konzipiert; vgl. die in der Erläuterung zu v. 79 f .
der Elegie Heimkunft angeführten Brief stellen. 30
Überlieferung
H: Homburg 19'-12": Zwei für sich liegende Doppelblätter 21,Sx3S cm, unbe-
698
Versöhnender der du nimraergeglaubt... 1^0 — 137
schnitten; festes, gelbliches, geripptes Papier; Wasserzeichen: Gekrönter
Schild mit Schrägbalken, von zwei Greifen gehalten; PEL.
Erster Druck: Hellingrath 4, 162-166.
Lesarten
5 Von dem in drei Fassungen nicht zu einer endgültigen Reinschrift gediehenen Ge-
dicht sind nicht alle Vorentwürfe erhalten.
Bl.lO^ überliefert einen Prosa-Entwurf, der die verhältnismäßig früheste Nieder-
schrift darstellt und hier mit genauer Beibehaltung der Zeilenbrechungen und mit
eigenem Lesartenverzeichnis abgedruckt wird:
10 Ein Chor nun sind wir. Drum soll alles
Himmlische was genannt war, eine Zahl
geschlossen, heilig, ausgehen rein aus unserem Munde.
Denn sieh! es ist der Abend der Zeit, die Stvmde
5 wo die Wanderer lenken zu der Ruhstatt. Es kehrt bald
15 Ein Gott um den anderen ein, daß aber
ihr geliebtestes auch, an dem sie alle hängen, nicht
fehle. Und Eines all in dir sie all, sein,
und alle Sterblichen seien, die wir kennen bis hieher.
10 Darum sei gegenwärtig, Jüngling. Keiner, wie
20 du, gilt statt der übrigen alle. Darum haben
die denen du es gegeben, die Sprache alle geredet, und da
selber hast es gesagt, daß in Wahrheit wir auf
Höhen und geistig auch anbeten werden in Tem-
15 peln. Seelig warst du damals aber seeliger
25 jezt, wenn wir des Abends mit den Freunden
dich nennen und singen von den Hohen imd rings
um dich die Deinigen all sind. Abgelegt
nun ist die Hülle. Bald wird auch noch anderes klar
20 seyn, und wir fürchten es nicht.
30 Lesarten des Prosa-Entwurfs
1 darüber, mit blasserer Tinte:
699
1 S0—l}7 Versöhnender der du nimraergeglaubl...
Darum sei gegenwärtig Jüngling,
(2 Zeilen Zwischenraum)
Da (1) s
(2) du selber gesagt, in Tempel H
nun sind wir] (1) sind wir nun (2) durch Nummern umgestellt: Text H Drum 5
aus Darum H soll nach gestr. gehe H 2 Zahl nach gcstr. geschlossene H
ausgehen rein] (1) ausgehu (2) rein ausgehn (3) Text H Munde.] Danach ist
durch einen senkrechten Strich der Jbsatz gekcnnze'i'chnet. H 4 Zeit, aus T(age(PJ)
(Komma aus Punkt) H 5 lenken zu der Ruhstatt. ](l)na<c;i> (2) zum Hauße
(3) lenken {a) zum Hauße (a). und all (y). (b) zu der Ruhstatt. H kehrt 10
über der Zeile H 6 anderen] (1) andere(ra) (2) andern (3) anderen H ein,
daß] (1) ein, und (2) ein. (3) ein, daß H aber üfcer g-cstr. auch H 7 ihr
aus das / / hängen] hänge H 8 Eines vor g-cstc. seien H all in aus alle ii/
11 statt tior g-es<r. sta<(t) üf übrigen alle, üjcr Menschen. / / 12 denen du
es gegeben über: du [,] /die/ liebtest H geredet,] Komma aus Punkt H 15
14 werden üier sollten üf 16 iezt,] Komma aus Punkt H wenn über gestr.
da H 17 und rings] und ousri(n|rs) H 18 Abgelegt nac/i ^estr. Aber H
19 wird] wir H anderes über der Zeile H 20 seyn nach gestr.: &m Tag H
Lesarten der ersten Fassung
Der Zusammenhang der ersten (siebenstrophigen) Fassung auf den vier Seiten eines 20
Doppelblattes (11'—12^) wird, abgesehn von dem durchgehenden Duktus der Hand-
schrift, erwiesen durch die Nummer 5. zu Beginn der fünfien Strophe (v.SO). Die
Fuge zwischen der sech.ten und der siebenten Strophe (v.74j7S) wird durch einen
waagrechten Strich am linken Rand angedeutet; darunter steht dann irrtümlich die
Nummer 6. (statt: 7). 25
Überschrift: fehlt H 1 Versöhnender der du] (1) Versöhnender, (2) Ver-
söhnender (a) du der (b) der du JI nimmergeglaubt aus nimmergel H
4 ich] danach eine Lücke H 6 Und aus D / / 7 himmlischer vor gestr.
Bote H 10 oäeT aus er{hellen) H 11 Der fehlt H 21 gewachsen, ror
^cstr.; die Sorgen i 7 22 stillten uor^estr.: und die Z<u)i;i/"c/> H 24 breitetet 30
vor gestr. ihr H 28 wsors.] Punkt nach ursprüngl. Komma H 30 Ströme]
Strome H 36 daß unter gestr. ursprün^/.; ihr Freunde H 37 Kränze] Kranze H
38 a —g im Strophenabstandunterv. 38,verworfener, in der zweiten Fassung wieder-
aufgenommener Ansatz zur Fortsetzung:
700
Versöhnender der du nimraergeglaubt... 1^0 — 137
38 a : Und manchen möcht ich laden
b : aber o du,
C : im goldnen l)ekan(n)t,
d : [freundlich emst] am Brunnen,
5 e : Es leuchtet zugethan den (1) fr
(2) Menschen freundlich ernst
f : unter den (1) si
(2) syrischen Palmen, und die liebe(7iFrcunii')umhüllten
g : dich das treue Gewölk, H
10 39 gegenwärtig] (1) gewärtig (2) gengewärtig (3) gegenwärtig H 44 Des
Maases] [Und] des Maases H schonender] schönender H 45 Menschen
vor ertr.; ein Gott an Ii 46 Augenblik aui Augeb H mxr vor gestr. an Ii
50 Und] davor; 5. Ii 52 DieMühn] (1) Das Laid (2) Mühn üicr Laid Ii
(slnrtMiilin könnte oiic/t Mühe gelesen werden; doch wäre der i/iat Mühe erst sehr an-
15 stößig) 58 Versöhnender aus Versöhnderi/60 sein] seyn/ / 62 ausgeathmet
aus oMSgch Ii 63 DaauiDas Ii 73 wie nach gestr.maQ, H 74 selbstausE
H 75 Wenn ] darüber, weil die Strophenfiige versehentlich nicht durch breiteren Ab-
stand angedeutet ist, ein waagrechter Strich; davor: 6. (irrtümlich statt: 7.) II 75 :
dieser Vers wird ganz früh, wohl als erster auf der mit v. 6S beginnenden Seite 12^,
20 weiteruntenniedergeschrieben— vgl.v. 80a II 78 festliches auj t / / an] danach
ein Punkt getilgt Ii SO Im aus ZH 80 a : [Wenn aber die Stunde schlägt] Ii
Lesarten der zweiten Fassung
Der unter der dritten Strophe der ersten Fassung (v, }Sa—g) zunächst verworfene An-
satz wird jetzt auf BIS'" ausgeführt. Die drei ersten Strophen bleiben also unver-
25 ändert. Die vierte Strophe der ersten Fassung wird durch zwei andre (v. 39—62) er-
setzt, die ursprünglich fünfte, nunmehr sechste Strophe von v.66 (S3) an umgestaltet,
weil das Motiv des durch heilige Wildnis milder scheinenden Strahls nun schon in
der vierten Strophe vorkommt. Die Umgestaltung geht bald, von v.71 an, in Prosa
über und bleibt, ohne Übergang zu den Schlußstrophen, im Entwurf stecken.
30 Auf El. findet sich ein Vorentwurf der beiden neuen Strophen (v. 39—62):
4 4 - 5 0 :
I : 4 4 : (1) Geb
(2) Geweihete (a) B
(b) Gebirge,
701
1 S0—l}7 Versöhnender der du nimraergeglaubl...
45 : Und die lieben Freunde, das treue Gewölk,
46 : Umhüllten dich, daß wie durch heiige Wildniß
47 : (1) Dein
(2) Der reine Stral gemildert schien den Menschen,
In den nächsten fünf Zeilen wird die Übernahme eines Motivs aus der er- 5
sten Fassung (v. 39—41) erwogen:
(O sei jezt gegenwärtig)
Von dorther sei mir (1) 1 (?) (2) gegenwärtig Jüngling
(1 Zeile Zwischenraum)
Jezt erst, denn ehe noch /du/ 10
Du ausgeredet, rief es herab, und schnell
[Und schnell] verhüllt war jenes Freudige, das du reichtest.
I I : 4 5 : (1) Un<<i)
(2) Und die lieben Freunde, das treue Gewölk
46 .47 : Umschatteten dich auch, (1) daß (a) wie durch heilige / Wildniß 15
(b) milde durch die Widlniß (".'iier-
Der (a) reine schrieben)
(ß) weise kühne kam, von oben der Stral [d] zu Menschen
(2) damit der (a) eine
(b) reine kühne 20
Durch Wildniß mild der Stral von oben (a) käme
(ß) kam zu Menschen.
4 8 : Ach! dunkler (1) überschattete
(2) aber überschattete, (a) noch ehe / Du an
(b) noch 25
(c) mitten im Wort dich
49 : (1) Ein (a) furchtbar
(b) tödtlich Verhängniß.
(2) Furchtbar (a) gebietend
(b) entscheidend Ein tödtlich Verhängniß. So ist 30
schnell
50 : Vergänglich alles Himmlische; aber umsonst nicht.
51-53 : I : 5 1 : Den(n) schonend rührt die (1) Won
(2) Wohnungen der Menschen, 35
702
Versöhnender der du nimraergeglaubt... 1^0 — 137
52 : Nur(l) e (2) E (3) einen Augenblik, ein Gott an, (a) ungesehn,
(b) unversehn,
53 : Geheim, und keiner weiß es wann.
I I : später als V. 61 (1):
5 51 : Den<n) schonend rührt (1) die
(2) des Maases allzeit kundig
5 2 : Nur einen Augenblik, (1) die
(2) ein Gott dieWohnungen/DerMenschen an
(3) die Wohnungen (der Menschen}
10 53 : Ein Gott an unversehn,Geheim ist er, keiner weiß es wann.
54: (1) D
(2) Und drüber hin darf alles Freche (a) fahren,
(b) gehn,
5 5 - 5 7 : 15 I : 5 5 : (1) Und heiß imd kalt, und
Betasten [darf] [ma(^)] das Heilige (a) muß
(b) mag
(a) Das Wild
(ß) Unzählig Wildes
20 (2) Und (a) ferne von den Enden (a) kommt zum heiigen
(ß) kommen darf zum heiligen
Ort das Wilde
(b) kommen darf zum heiigen Ort das Wilde
56 : Und übet [de<fi>] (1) bi
25 (2) blindbetastend
57: (1) D
(2) Sinnlos den (a) Wahn,
(b) sich(eren)
(c) frischenWahn, (a) und trift daran sein Schiksaal,
30 (ß) damit es lind' ein Schiksaal.
I I : 5 5 - 5 7 : am linken Rand:
Das Wilde zu dem Ort (1) und übet
(2) zu üben blindbetastend
Ca) Das Sinnenlo(sc)
35 (b) Am Heiligen den (a) frischen
{ß) sicheren Wahn.
703
1 S0—l}7 Versöhnender der du nimraergeglaubl...
5 8 : Kein (1) ü f ? ;
(2) Dank[t] folgt auf dem Fuße göttlicher Gaabe.
59 : Denn schwer ist solche zu fassen
60 : Und wäre der sie giebt
6 1 : (1) Nicht (a) alles 5
(b) seines Maases kundig,
(2) Nicht sparsam, längst
(3) oben auf Bl. 9":
Nicht sparsam
(a) Läst 10
(b) Längst hätte H
Es folgt dann, auf Bl. 9", die Ausführung der beiden Strophen mit diesen Lesarten:
40 freundlich aus he H 42 weiltest aus weiltet H 43 Das Kornfeld aus:
Und Um H rings vor gestr. rings H 4 6 Umschatteten] (1) Um di(e/i)
{2) Vmsdh'ä-tteten (Schreibfehler) H 47 o Jüngling! üJer; zu Menschen. H 15
50 'Rimralisch.e-,] Sariikolon fiir ursprilngl. Punkt H 51 schonend auj schö-
nend H des] das (Schreibfehler) H allzeit aus alle H 53 an über der
Zeile H 55 muß üier darf üf 56 Von Enden fem, ous; Von fernen Enden
her, H blindhetastend aus bil H
56 übt iü 58 Geschenke.] (1) übt / fa} Am Göttlichen den Wahn, 20
(b) den Wahn Am Göttlichen,
(2) übt den Wahn
Am Göttlichen, und (a) fin(det)
(b) trift (a) daran ein Schiksaal.
Kein Dank folgt auf dem Fuße göttlicher Gaabe 25
[ß) ein Schiksaal darin. (1) Aber
(2) Doch
(3) Doch
(4) Dank
folgt (a) niemals 30
(b) nimmer auf dem Fuße solchem Geschenke. H
59 luüber gestr. Denn H jenes über solche H 60 Denn üicr^estr. Und i J
62 Gipfel ü&er Dach H
704
Versöhnender der du nimraergeglaubt... 1^0 — 137
65 DieMühn] (1) Das Laid (2) Mühn üJcr Laid H (vgl. die Lesart zu v. S2
der ersten Fassimg)
66—77 : zwischen den Zeilen der ersten Fassung (v.S3—63) H
66 Eigentum geworden aus: eigen geworden H 67 darf nach gestr. nennen
5 Ii 68 göttliche vor gestr. Gaabe H nennen aus men H 70 Geschenk,]
Geschenk,/und/ H 71 dann später eingefügt H das Gefährliche] (1) die
Gefahren (2) liehe durch die letzten beiden Buchstaben hindurchgeschrieben H
72 das trunkenvibermüthige über gestr. verstanden einsetzend H göttlichem
aus göttlichge(g'e)benem H 77 die liebste] vielleicht, da genau unter das
10 nächste gesetzt, eine nicht ausgeführte Variante dafür: die liebste (Gaabe)
Lesarten der dritten Fassung
Die Verse 14-)} der beiden ersten Fassungen werden eingeklammert. Dadurch werden
v. 28—H als Motiv frei für den Gesang Der Rhein (vgl. dort besonders v.77-80).
Diese Übernahme in das spätere Gedicht ist ein Beweis dafür, daß hier v.14—33
15 wirklich getilgt werden sollen. (So übernimmt z.B. auch die Hymne an die Göttin der
Harmonie die Anfangsstrophe der nicht veröffentlichten Hymne an die Unsterblich-
keit — vgl.Bd. 1 S.116 und 130.) Die Nummer 4. vor v. 28 deutet an, daß hier die
vierte Strophe der dritten Fassung beginnt. Mit den Nummern S und 6 in der ersten
Fassung besteht kein Zusammenhang, da kein durchgeführter Übergang vorhanden
20 ist und zumal von der auf Bl.lO'^ einsetzenden dritten Strophe (v. 19) an, worin das
in der fünften und sechsten Strophe der zweiten Fassung gestaltete Motiv nun zusam-
mengefaßt und gestrafft erscheint, ein ganz andrer Duktus sich abhebt. Die zweite
Hälfte der zweiten Strophe ist nicht mehr ausgeführt viorden. Die vierte Strophe ver-
liert sich von v.39 an in entwerfende Prosa. Die Zeile 43 vertritt wohl fürs erste einen
25 ganzen Sinnzusammenhang, der dem ersten Prosa-Entwurf (S. 699 Zeile 13—18) zu
entnehmen ist. Auch v. 44 —S1 haben noch nicht ihre endgültige Gestalt gefunden.
19 Des aus Der H 21 und Boden] und (der) Boden H
22 : (1) Denn menschlicher (a) n
(b) Weise,
30 (2) Vielmehr (a) ist
(b) das nur auf
(3) Denn nur auf menschliche Weise, nimmermehr H
23 fremden] fremde H 25 denn] du (Schreibfehler) H
705
1 S0—l}7 Versöhnender der du nimraergeglaubl...
25 gleichen iiV 27 Gesänge.] (1) gleichen.
Vom Alllebendigen [ , ] aber ist
Der Nächste dir, (a) / Und Gesänge von ihm
(b) und die Freuden von ihm.
(2) gleichen / . / 5
Dem Alllebendigen von dem
Viel Freuden sind und Gesänge. H
2 8 - 3 3 : 4. ( l )In
(2) Ist einer ein[er] Sohn,
Am Herzen kennen wir ihn, 10
(4 Zeilen Zwischenraum)
Ist räthselhaft der Ruhigmächtige nimmer.
(3) Ist einer ein Sohn, ein Ruhigmächtiger ist er.
Denn nun erkennen wir ihn
Co) Viel 15
(b) Da
(1 Zeile Zwischenraum)
Und Feiertage zu halten
(c) Jext da wir keimen den Vater,
Und Feiertage zu halten 20
Der (a) Herr der Zeit
(ß) Geist der Welt
(y) Hohe sich der Geist
(1) Sich zu den Menschen geneiget.
(2) Sich froh geneiget zu Menschen. 25
(3) /Sich/ froh zu den Menschen geneigt hat. H
33 a : [Darum] sei H
3 3 b : [Und] H 3 4 : (1) [Längst]
(2) Der Herrscher 30
(3) Zur Herrsch{o/t) war der immer zu groß H
35 : (1) wenn er schon
(2) Und geringer denn er, Ca) auch sein Feld
(b) so weit (a) auch gereichet sein Feld
(ß) es auch gereichet sein Feld H 35
706
Versöhnender der du nimraergeglaubt... 1^0 — 137
35 a : (1) [AU]
(2) Des
(3) (Denn sieh es ist der Abend der Zeit) H (vgl. v. 4})
3 6 : ( l ) [Aber]
5 (2) [Doch]
(3) Es mag ein Gott (a) , gleich den Sterblichen
(b) auch, Sterblichen gleich H
37 alles über der Zeih H 4 0 tritt aus d(onn (?)) H dann aus um H
41 geringer und größer, über der Zeile H andres aus ande H 42 alle die
10 wandelnden Menschen] (1) alle die Menschen (2) die wandelnden noc/i emcm
imdeutbaren Ansatz über der Zeile H
44 — 51 : später an den unteren Rändern der Seiten 10' und 9" H
44 Liebenden nocfc g estr. den üf 5 0 . 5 1 : (1) seit ein Gespräch wir sind und
hören können voneinander. (2) verdeutlichend wiederholt und in zwei Verse (mit
15 grqßen Anfangsbuchstaben) geteilt H
Erläuterungen
Alle drei Fassungen sind noch so sehr Entwurf, daß die beabsichtigte Strophenform
nicht erkennbar wird. Auch ist nicht auszumachen, ob der Gesang triadisch gegliedert
sein sollte oder nicht.
20 Erste Fassung:
8 Friede] Der im Februar 1801 geschlossene Friede von LunÄJille. Vgl. Heimkunft
V. 79 f . und die Erläuterung z. St.
1 0 - 1 3 Vgl. Pindar, Pyth. S, 13f-139 in Hölderlins Übersetzung.
14 — 27 Der Begrüßung des seelenbefreienden Friedens folgt ein Rückblick auf die
25 dumpfen Zustände der Jugend, die durch die Sonntagsfeiem aufgehellt waren: was
solche aufhellenden Freuden im kleinen waren, das bedeutet nun der Friede im grqßen.
17 (juillten] Vgl.Brod und Wein v. 10 und die Erläuterung z. St.
20 Gealtert] Dogmatisch verhärtet sind die Sprüche, die einst gewaltiger waren;
dennoch vermochten sie Sorgen und Zweifel zu stillen.
30 28 ZuvoTbestimmtwaTs]Vgl.Pindar, Pph.l, 104.-Aber zuvorbestimmt wars
(noiqlöiov); Olymp. 8, 44: es war für sie zuvorbestimmt (jisngcbfiivov).
28—31 Die Dumpfheit der Jugendhatte aber ihren von Gott zuvorbestimmten Sinn (vgl.
Stimme des Volksv. ilf.). —Die spätereTilgung derVerse 14-)} macht diesMotivfrei
für den Gesang Der Rhein. Vgl. die Vorbemerkungen zu den Lesarten der drittenFassung.
707
1 S0—l}7 Versöhnender der du nimraergeglaubl...
32 Hier wird wieder der Friede angeredet, den es nun durch Gastmahl und Ge-
sang, xmd Kränze genug und Töne (v. 37) zu feiern gilt.
39 Jüngling] Mit dieser durch den vorigen Vers angeregten Benennung ist Christus
gemeint, hier in der ersten Fassung noch fast zu sehr verhüllt, in der zweiten deut-
licher. Das Freudige, das er zu künden hatte, mußte schnell durch das Verhängniß 5
seines frühen Todes, das ihn mitten im Wort (2. Fassung v. 48) unterbrach, um-
schattet werden, weil die Menschheit nur zu Zeiten göttliche Fülle erträgt (Brod und
Weinv.114). Das begründen die nächsten Verse ( 44—49) — vgl. dazu Brod und Wein
V. 112 und die Erläuterung z. St.
51 jahrlang] Vgl. Der Archipelagusv. 87 und die Erläuterung z. St. 10
55 heilige Wildniß] Vgl. (An die Madonna) v. 96-107 und die Erläuterung z.St.
56 Die V.39 ausgesprochene Einladung wird hier wiederaufgenommen. Die Zeit des
Irrsaals (v. f2; Brod und Wein v.llS) und der Mühn ist vorüber. Christi Bedeutung
ist jetzt allgemein erkennbar. Er wird v. S8 nun mit demselben Wort Versöhnender
angeredet wie v.l der Friede; denn auch er bringt als himmlischer [Bote] (v.7) 15
Frieden und wird darum von den feiernden Jünglingen genannt und gesungen zu-
sammen mit den andern Göttern (v. 60): der Dichter weiß, daß Christus unter dem
Segen des neuen Friedens die der strengen Kirchenlehre widersprechende Einbe-
ziehung auch der griechischen Götter in den frommen Lohpreis gutheißen, daß er
versöhnt (v. S8) sein wird — vgl. besonders v. 82—86 dieser ersten Fassung. Gedan- 20
kengdnge des Gesangs Der Einzige kündigen sich hier schon an, wie sie vorher schon
in Brod und Wein v. 12S-132 angedeutet sind.
6 1 - 7 4 Diese Strophe führt aus, was in Brod und Wein v.lfS f. von Christus als
dem Fakelschwinger angedeutet ist. Er hält das heilige Feuer lebendig, doch nicht
mehr zu allgemeinem, festlichem Gottesdienst: vielmehr entwickelt sich die Haltung 25
des Einzelnen vor der Gottheit zu immer größerer Vereinzelung und Selbstgenügsam-
keit (v. 68). Das äußerste Ziel dieser Entwicklung soll dann das Zeichen eines neuen
Beginns sein. Das hat Christus, der ja sterben mußte, ehe er ausgeredet (v. 39), zwar
verschwiegen; aber es ist jetzt am Ende offenbar geworden. So war er größer als sein
Feld (v.73): seine Sendung meinte mehr, als er zunächst verkünden und wirken 30
konnte.
7 6 er] Das ist der Götter Gott (v.73), der denneuen Feiertag derWelt einleitet,
wenn das Werk der Zwischenzeit geleistet ist (vgl. Brod und Wein v. 117 f.).
81 Vgl. die Erläuterungen zu v. 34 und 41 der dritten Fassung.
82 du] Christus ist noch angeredet. 35
708
Versöhnender der du nimraergeglaubt... 1^0 — 137
86 Einer ist immer für alle] Damit wird zurückgelenkt auf V.S7-60: sei... ver-
söhnt daß... neben dir noch andere sein ( = seien).
87— 89 »0 Göttlicher (das ist Christus), sei mir am Abend deiner Tage, am Ende
deiner ausschließlichen Geltung, gegrüßt wie das untergehende Sonnenlicht! Und
5 möge es uns Menschen beschieden sein, daß wir unter dem Segen des Friedens ein
Bleiben im liehen finden« (vgl.Der Frieden v. 44; Mein Eigentum v.37—40;
Dichterberuf V. S4: Damit wir bleiben mögen; Am Quell der Donau v.ll2: Damit
ich bleiben möge,- Der Adler v. 23: Wo wollen wir bleiben?; von den stillen
Ruhestätten im Schicksal neuer gottmenschlicher Begegnung handelt auch die An-
10 merkung zu dem Pindar-Fragment Die Asyle — siehe die Erläuterung bei Friedrich
Beißner: Hölderlins Übersetzungen aus dem Griechischen, Stuttgart 193 3, S. 38—42).
— Ein Vergleich Christi mit der Sonne findet sich auch im Patmos-Gesang, I.Fas-
sung, V.180 f.; vgl.Der Einzige, 2.Fassung, v.77. — Ahnlich bekennt Goethe am
11.März 1832 in dem letzten von Eckermann aufgezeichneten Gespräch, es liege
15 durchaus in seiner Natur, die Sonne ebenso zu verehren wie Christum.
Zweite Fassung:
1—38 Diese drei Strophen lauten mit der ersten Fassung gleich.
4 0 - 4 2 Der... weiltest] Andre Beispiele für die Auslassung des Personale der
2.Person im Relativsatz: Wieland, Lobgesang auf die Liebe v.182 f. im ersten
20 Druck (Akad.-Ausg. Abt. IBd. 1 S.134): du weist es, die unsre harmonische See-
len Sich zu lieben, so zärtlich erschufst; Krates und Hipparchia (Bd. 20 S.210,
3—S): du, der... eisgrau geworden bist; Goethe, Hermann und Dorothea (Elegie)
v.13 f.: Denn du bist es allein, die noch mir die innere Jugend Frisch erneuest;
Die natürliche Tochter v. 1970—1972: Unselige! die mir, aus deinen Höhen, Ein
25 Meteor, verderblich niederstreifst. Und meiner Bahn Gesetz berührend störst;
Faust v.117S6—117S8: Drum jammert ihr so ungeheuer. Unglückliche Ver-
liebte! die, verschmäht, Verdrehten Halses nach der Liebsten späht.
41 imter syrischer Palme] Vgl.Brod und Wein v.lS6, wo Christus der Syrier
heißt.
30 42 die Stadt] Sichar in Samaria. Christi Gespräch mit der Samariterin am Brun-
nen Jacobs und die Bekehrung der Samariter sind aufgezeichnet im Ev. Joh. 4,4—42.
43 Das Kornfeld rauschte rings] Joh. 4, 3S: Siehe, ich sage euch: Hebet eure
Augen auf, und sehet in das Feld, denn es ist schon weiß zur Ernte.
45 Gewölk] Vgl. Chiron v. 4S und die Erläuterung z. St. - Während Hölderlin an
709
1 S0—l}7 Versöhnender der du nimraergeglaubl...
einigen dort genannten Stellen von wnglänzendem Gewölk spricht, erscheint hier die
Funktion des Bildes eigentlicher und notwendiger: das umschattende Gewölk der Jün-
ger mildert die verzehrende Wirkung des Strahls von oben, der Heilshotschaft, ebenso
auch das noch dunkler umschattende Todesverhängnis, das zuerst zwar als furcKtbar
entscheidend empfimden wird, sich aber nun als weise Maßnahme der schonenden 5
Gottheit erweist — vgl. die Erläuterungen zuv.39 und 61—74 der ersten Fassung.
47 Wildniß] Vgl. I.Fassung v. !f; Die Titanen v. 22: Und es wurzelt vielesbe-
reitend heilige Wildniß.
51—62 Ausführung des in der I.Fassung v. 44—49 angedeuteten Motivs; vgl. dort
die Erläuterung zu v. 39. 10
55 Ort] Vgl. Der Einzige, 3.Fassung, V. 60 und die Erläuterung z. St.
57 trift ein Schiksaal] Vgl.Der Einzige, 2.Fassung, v.S7 f . und die Erläuterung
z. St.
59 schwer... zu fassen] Vgl. Patmos, I.Fassung, v. 2.
64 —77 Vgl, V. SO—SS der ersten Fassung. 15
76 das nächste] Was über die Bewältigung der Naturkräfte hinausgeht, das Eiru
das not ist (Lukas 10, 42).
Dritte Fassung:
1—13 Diese Strophe lautet mit den ersten beiden Fassungen gleich.
14—18 Gleichlautend mit v. 34—38 der ersten beiden Fassungen. 20
19 — 27 Diese Verse stehen in Parallele zuv. 63—77 der zweiten Fassung und müs-
sen von daher verstanden werden: v. 19—2S fassen zusammen, was dort v. 69—7S
etwas breiter gesagt war; die letzten zweieinhalb Verse der Strophe (2S-27) formu-
lieren das in der zweiten Fassung v. 76 f. nur Angedeutete. Die Hoheit des Allleben-
digen, des Vaters, bei dessen Feier der Mensch zu sonst unmöglichen Freuden und 25
Gesängen befähigt wird, ist ihm doch unerreichbar. Indes erkennt er von daher den
Sohn. Das wird in der nächsten Strophe ausgeführt.
29 Denn nun erkennen wir ihn] Dies ist der vom christlich dogmatischen Stand-
punkt blasphemische, weil synkretistische Gedanke, daß Christus als Sohn nun nicht
des christlichen Gottes erkannt ist, sondern des Vaters, der schon im griechischen Got- 30
terhimmel der Höchste war: Christus ist der Letzte des olympischen Göttergeschlechts,
das Kleinod des Hauses, dessen Kinder auch die griechischen Gottheiten sind; vgl.
Brod und Wein und Der Einzige. Diese Sohnesschaft gibt ihm in Hölderlins Augen
erst die wahre Bedeutung: als Sohn dieses Vaters ist er ein Ruhigmächtiger (v. 28)
710
Versöhnender der du nimraergeglaubt... 1^0 — 137
von vornherein, er braucht sich nicht erst zu beweisen, er wird von allen erkannt und
anerkannt, die den Vater kennen.
32 Der Hohe ... der Geist] Das ist der Vater. Er hat jetzt durch mancherlei Zei-
chen, vor allem durch den Frieden, kundgetan, daß er mit den Menschen wieder einen
5 Feiertag halten will wie ehemals mit den Griechen.
34 der] Christus; er war zu groß zur Herrschaft unter den Menschen, zu hoch und
zu göttlich, als daß er die Menschen zu einer heiter-gemeinsamen Feier des Lebens
und des hellen Tages hätte führen können wie die griechischen Götter, und war doch
geringer denn er, denn der Vater, eben weil er dies nicht vermocht hat. Sein Feld hat
10 zwar weiter gereicht, als es, nachdem er mitten im Wort durch das Verhängnis sei-
nes frühen Todes unterbrochen war, zunächst den Anschein hatte; derm seine Sendung
erschöpfte sich nicht darin, des Tags Ende zu verkünden und dann zu schwinden
(Brod und Wein v.liO) — vielmehr ist jetzt offenbar geworden, daß es sein Amt war,
die Menschheit bis an die Schwelle eines neuen Beginns zuführen, das heilige Feuer
15 in den Herzen, auch wenn sie sich mehr und mehr in Selbstgenügsamkeit vereinzelten,
lebendig zu erhalten. — Nicht ganz abwegig wäre vielleicht die Vermutung, Hölder-
lin habe hier griechische und christliche M^the in eins sehen wollen; denn im Pro-
metheus des Aeschylus v. 907—910 heißt es, Zeus werde gering werden durch einen
größeren Sohn, der ihn aus seiner Herrschaft stürzen werde (fi [irjv iri Zevg xal-
20 neQ av&dSri q>Qovä>v Sarai Toneivög, olov iiaQxvsrai ydfiov yaßelv, Sg avrdv ht
Tvgamiöo; fißövcov r' äunov ixßaMl), und Christus sagt (Joh. 14, 28), der Vater
sei größer als er: .. Sti 6 narf/Q ßel^cov fiov iariv.
37 theilen alles das Schiksaal] In der götterlosen Zeit, im Tagewerk vor dem
neuen Feiertag, hat jeder Mensch ein eigeneres Schicksal. Es sind nicht mehr aller
25 Blicke auf das eine gemeinsame Ziel der Gottheit gerichtet. So erfahren die Menschen
einander. Aus dieser chaotischen Unruhe und ordnungslosen Verwirrung (Der Rhein
V. 220 f.) entsteht schliißlich doch wieder die Stille, aus dem Durcheinander der Ak-
zente des Bedürfnisses (Anmerkung zu dem Pindar-Fragment Vom Delphin) doch
wieder eine Sprache (v. 39), eben die Sprache der Liebenden, die dann der Laut
30 des Volks sein wird (Die Liebe v. 26—28). Im Folgenden (v. 44—46) wird es noch
deutlicher gesagt, daß die Geseie..., die unter Liebenden gelten, den Bau der
schöneren Welt bestimmen werden. Hier wird die Bedeutung des Diotima-Erlebnisses
für Hölderlins Verkündigung sichtbar.
41 geringer imd größer] Das ist nun auf den Vater bezogen und in fast zu spitzer
35 Antithese gegen v.34 f . umgekehrt. Dort hieß es vom Sohn, er sei zu groß und
711
130 — 141 Versöhnender der du niramergeglaubt... Die Wanderung
(doch} geringer als der Vater. Jetzt heißt es vom Vater, er sei geringer und größer
als der Sohn: geringer, weil seine Göttlichkeit ihm nicht verbietet, gemeinsam mit den
Menschen Feiertage zu halten, undeben darum wieder größer (vgl. l.Fassungv. 81).
47. 48 Das ist mit ursprünglicher Frömmigkeit und ohne alle bilderstürmerische
(vgl.Bruchstück 41) Freigeisterei gegen die christliche Lehre von dem einen Gott ge- 5
sagt; denn offenbar meint der Ausdruck andere v. 48 mehr als zwei, so Aj/? hier nicht
etwa — was auch der Zusanunenhang in keiner Weise nahe legt — an die christliche
Dreifaltigkeit Gottes gedacht ist, sondern an einen durchaus unchristlichen Götter-
himmel (Germanien v. )0—S2), von dem aber Christus der Einzige nicht ausge-
schlossen ist. 10
5 0 . 5 1 Vgl. V. 37-40.
DIE WANDERUNG
Vermutlich im Frühjahr 1801 entstanden. Sinclairs Brief an Hölderlin vom T.No-
vember 1802, worin er ein Gedicht von Pindarischem Schwung loht und beson-
ders die goldnen Pfeile der Liebe hervorhebt, wird sich auf diesen Gesang beziehn 15
(vgl. V. 104), und zwar auf den damals wohl eben erschienenen ersten Druck (J^).
Überlieferung
H: Homburg Hl-S.
Auf sieben Blättern (S. 1—14), nämlich drei für sich liegenden Doppelblättern
(S. 1-12) und einem Einzelblatt (S. I i 114), schreibt Hölderlin die beiden Ge- 20
sänge Die Wanderung und Der Rhein (H^) nacheinander ins Reine. Die letzte
Strophe der Wanderung steht auf S. S; unmittelbar darunter beginnt Der Rhein
( Überschrift und 7 Verse, das'übrige auf S.6—14). Das Format des gelblichen,
feingerippten Papiers ist durchgehends 23,7 x 38,6 cm, unbeschnitten bis auf
die linke Kante des Einzelblattes; Wasserzeichen: Gekröntes Wappen mit auf- 25
gehängtem Posthorn C & I HONIG; auf dem andern Blatt: C & I HONIG
H": Reinschrift;
H'': spätere Änderungen mit Bleistift;
H " ; späte Änderungen mit dunklerer Tinte.
i / " wird nur angeführt, wo eine Unterscheidung von H ^ undH" 30
notwendig ist — sonst heißt es stets nur H; dagegenwerden die Änderun-
gen mit Bleistifi und dunklerer Tinte sämtlich verzeichnet (H^ und
712
Die Wanderung 138-141
H") — Nichterwähnung bedeutet hier also nicht Übereinstimmung mit
dem Text.
J^ : Flora / Teutschlands Töchtern geweiht. Eine Quartalschrift von Freunden
und Freundinnen des schönen Geschlechts. Zehnter Jahrgang. Viertes Viertel-
5 jähr. Tübingen, 1802. In der J. G. Cotta'sehen Buchhandlung. S. 27-32, ohne
Unterschrift (nur Stimme des Volks ist als letztes der vier in diesem Almanach
hintereinander gedruckten Gedichte Hölderlins unterzeichnet).
Eigentümlichkeiten der Schreibung: zusammt, der Zurükgestossene.
J^ : Musenalmanach für das Jahr 1807. Herausgegeben von Leo Freiherrn von
10 Seckendorf. Regensburg, in der Montag- und Weißischen Buchhandlung.
S.S5-60, unterschrieben: Hölderlin.
Vgl. Seckendorf s Brief an Kerner vom 7. Februar 1807- S. S8S Zeile 6-17.
h: Schwerin, Mecklenburgische Landesbibliothek: Gedichtsammlung der Prin-
zessin Auguste von Homburg, LagelS Blatt bis Lagel7 Blatt l^(s. dieBe-
15 Schreibung 1, 324-326): Abschrift aus J^.
Eigentümlichkeiten der Schreibung (J^ und h): Glückselig, weisblühend, rötlich,
Opferschalen, Neckar, der Zurückgestoßene, sein (statt: seyn), Bündnis (h:
Bündniß;. Lesarten
20 1 Suevien] Swevien h Mutter,] Mutter! J^h 4 hundert aus b h
durchflössen!] durchflössen, J^h 6 tiefgriinenden] tiefgrünendes J^h
voll] voll, H voll — J^h 7 : Und Alpengebirg auch überschattet H'^
vor Alpengebirg über der Zeile [das] H'' der Schweiz über der Zeile H^
überschattet] überschattet, J^h 8 Benachbartes] Benachbartes H'' über
25 Uraltes i ? « Benachbartes, Ph Haußes] Hauses J^ J^h 10 silbernen
vor gestr. Quellen h 14 Krystallenes Eis] Kristallenes Eis, J^k 18 die
Treue] danach über der Zeile: der Schweiz noch H' verläßt,] verläßt HJ^h
19 wohnet] geändert in: wohnt solch ehrlichem H" 20 Städte,] danach:
Heidenheim, Nekars Ulm H' 21 weithindämmemden] weithin däm-
30 niemden J^h 22 Weiden,] danach über der Zeile: Thills Dorf u. H'
Rheine,] Rheine H 26 hört'] hört Hh 27 Lüften:] Lüften HJ^
28 sei'n, nach gestr. seien, 29. 30 : (1) Auch hat in jüngeren Tagen /
Sonst Eines mir (a) erzählt, (unterstrichelt) (b) vertraut, H" (2) Text H^
29 ohnediß] ohnedies J^ J^h 30 Eines] einer J^h 31 seien] seien,
35 J^h Zeit] Zeit, / « Ä 32 Eltern] Unsrigen H" darüber: Eltern H'>
713
1S8-141 Die Wanderung
das deutsche] ein sinnig H" darüJer.-das deutsche H'' das scharfe J^h
33 fortgezogen] fortgezogen, J^h Donau] Donau, J^h
34 — 36 : Dort mit der Sonne Kindern
Am Sommertage, da diese
Sich Schatten suchten zusammen H 5
Dort mit der Sonne Kindern
An strengstem Tage, staunendes Geistes, da diese
Sich Schatten suchten, zusammen J^h
37 gekommen;] Semikolon für ursprüngl. Komma i / ® gekommen, J^h
38 sei über ward H" diß] dies J^J^h 39 genennet, aus genannt. 10
40 Denn,] Denn J^h sie erst sich angesehen,] (1) ihr Staunen vorüber
(a) war (b) gewesen ÜT« (2) nach Unterstrichelung des ganzen Verses: sie erst
sich angesehen H^ angesehen,] angesehn, J^h 41 Anderen erst;]
(1) a (2) Andern zuerst; H Andern zuerst. J^h dann] Dann J^h saz-
ten] (1) sezten (2) sazten H ^ 15
42—44 : Die Unseren sich neugierig unter
Den Ölbaum. Doch, als nun sich ihre Gewände
Berührt, und keiner vernehmen konnte J^h
44 'koreaX.e'\ danach ein Korrma getilgt H 45 wohl] fast J^h 4 9 breitet,
und] breitet; und (Semikolon für ursprüngl. Punkt) H breitet. Und J^h 20
50 auf, dann] auf. Dann J^h 52 all] all' h 53 Haußes,] Hauses, J^
Hauses; J^h 54 auch und] auch. Und J^h 56 Beim] Bei'm J^ den
aus der h 57 heiligvermählten] Heiligvermählten J^h 58 schöner,]
schöner J'h Alles,] danach: staatsklüger auch / Denn Alles H° 60
nannt'] danach über der Zeile: und Wilden H" auf über der Zeile W^ 6 0 . 6 1 25
Wo, / Wo aber wohnt aus: Wo aber. Wo wohnt H"' 62 wiederbegehn]
wiederbegehn, HJ^h (: aus wiederg h) 63 theuem] theuren J^h ge-
denken?] gedenken. J^ 65 Kaisters] Kaüstros J^h Kaisters,] danach:
an den Grotten der See / Des Tenedos gegenüber (1), (2) die (3) der am rech-
ten Rand neben v. 66, nachbreiterhücke: der (a)^.^)^ fi^Muskatellertraube H' 30
66 Kraniche] danach über der Zeile: die H" 67 femhindämmemden]
(1) ferne dämmernden H" (2) fernhin aui ferne H^ (5) irrenden über gestr.
dämmernden ff" Bergen;] Bergen, HJ^h 68 wart] wohnt J^ (in
H könnte wart als wont gelesen werden; der Herausgeber oder der Korrektor der
Flora wird die in der Druckvorlage ähnlich aussehenden Schriftzüge ebenso gedeutet 35
714
Die Wanderung 138-141
und das vermeintlich fehlende h eingefügt haben) 69 mit Wein bekränzt,]
(1) mit Weinlaub wohl bekränzt II" (2) laub wohl gestr. H^ bekränzt aus
beg h 70 wohnten aus wohne h 71 Tayget] Taüget J^h Himettos]
Himmettos J^ Hümettos J^h 72 Die blühten] Und diese[n] blühten H
5 Und blühten J^h zulezt aus zug H zulezt; doch] zulezt. Doch J^k
73 Tmolos aus Tmolus h 75 ewiges] ewig HJ^h Lied; so] Lied. So
J^h 75. 76 rauschten / Damals die Wälder] (1) rauschten / Die heil'gen
Wälder i / » (2) rauschten damals / Die heiligen Wälder H^J^h 77 Sai-
tenspiele zusamt] darüber (nach Unterstrichelung des ersten Wortes): Leiern und
10 die Cymbeln / / ' zusamt] zusamt, J^h 78 gerühret.] gerühret, h
80 Kirschbaum] Kirschbaum, H J ^ h wenn] wenn, J^h 81 gesandt]
gesandt, HJ^h 83 vieles erzählend] vieleserzählend H 86 Gedenk']
Gedenk H J ^ h lonia, dein! doch] lonia! dein. Doch J^h 88 Gekom-
men,] Gekommen H sehn,] sehn J^h und euch,] und euch H 89 Mün-
15 düngen] Ründungen J^ o ihr] g-estr. H'>H' Thetis,] «ianacfc.-euch H'
90 : (1) Ihr Meereswoogen, imd Idas Wolken imd Tempes Fels, H'^
(2) darunter: euch und euch, ihr Wolken des Ida! / / "
(3) Ihr Wälder vorgefügt H'>
(4) Ihr Meereswoogen ihr vorgefügt (vorWalder) H"
20 91 ich.] ich, J^h 92 Unfreundlich] Unbiegsam J^h ist] ist, H ge-
winnen] gewinnen, H 94 Söhnen] Söhnen, h 95 wollt'] wollt H
schwand] schwand, J^h 96 wohin,] wohin HJ^h 97 seyn,] seyn H
sein J^h 98 nur,] nur J^h einzuladen,] einzuladen HJ^Il eingeladen,
J^ 99 Gratien] Grazien J'^h 100 Himmelstöchter,] Himmelstöch-
25 ter! J^h gegangen H^ aus gewandert 101 Daß,] Daß HJ^h
weit] fem J^h
lOi-lll: fehlt
103 Lüfte,] Luft J^ (aber: athmen J^!) 105 Allzugedultigen] Allzu-
geduldigen J^ 107 Uns nacA g-cstr. Uns (•; aus UndJ H 108.109 sagen,
30 wie kommt / Ihr, Charitinnen] (1) sagen, wie kommt,/ Ihr Charitinnen i i / "
(2) sagen, mein (a) Freimd (b) Storr, / Wie kommt Ihr Charitinnen H^
(3) Text J^ 112 Göttlichgebome] Göttlich geboren J^ 113 ihm,]
ihm J^ 115 Gewalt;] Gewalt. H 1 1 6 : Oft überrascht es den,
117 gedacht H'> üicr g-estr. gehofft
715
1S8-141 Die Wanderung
Erläuterungen
Der Gesang ist streng triadisch gebaut: 12, 12, IS; 12, 12, IS; 12, 12, IS.
1 Gliikseelig Suevien, meine Mutter] Fon den Vaterländischen Gesängen begin-
nen drei mit einem begeisterten Anruf. Diese Art des Beginns ist in der Wanderung am
ausgeprägtesten: der innig erhöhte Lobpreis in der Form eines erweiterten Vokativs 5
(ohne finites Verbum) füllt vier Verse. Die Gesänge Am Quell der Donau und {Der
Ister} beginnen mit vollständigen Sätzen, stellen auch den Vokativ, der hier nur
Feuer!, dort Mutter Asia! lautet, nicht unmittelbar an den Anfang. — {Versöhnen-
der der du nimmer geglaubt...) hält mit der freudigen Anrede in gedämpftem Ton und
ruhiger Satzführung die Mitte. Die meisten Gesänge aber setzen mit leidenschafts- 10
loser Schlichtheit ein: Der Mutter Erde, Der Rhein, Germanien, Der Einzige, Pat-
mos, Andenken, Mnemosyne. — Schon früh verwendet Hölderlin die lateinische
Namensform für Schwaben: vgl.Keppler v.S}: Mutter der Redlichen! Suevial;
vgl. V. 16, H; An Thills Grab v. 13; Die Tek v. 61, 6S, 66, 69, 71.
2 Auch du] Zu verbinden mit v. 4. 15
3. 4 Lombarda... Von hundert Bächen durchflössen] Vgl.Heinse: Ardinghello
und die glückseeligen Inseln, (hg. von Carl Schüddekopf,) 4. Auflage Leipzig 1924,
S. 89: .. aus dem fruchtbaren großen Thale der Lombardey, von hundert
Flüssen durchströmt, das seines gleichen in der Welt nicht hat.
7 der Schweiz] Später mit Bleistift eingefügt; entsprechend wird v. 8 Benach- 20
hartes für Uraltes eingesetzt. In der ursprünglichen Fassung waren also die neueren
Staatsgrenzen nicht beachtet. Die vorletzte Strophe zeigt deutlich, daß der Dichter
zuerst den Zusammenhang des alten Herzogtums Schwaben im Sinne hatte; denn
dort nennt er v. 94 den Rhein einen Sohn der Mutter Suevien. Zur Zeit der Staufer
gehörte das gesamte Quellgebiet des Rheins mit Zürich im Westen, Chur und auch 25
(seit 11S7) Chiavenna im Süden zum Herzogtum Schwaben.
überschattet] Trotz der singularischen Form Prädikat auch der Bäume v. S f .
8 nah dem Heerde des Haußes] Das ist nah der Mitte, dem Ausgangs- und Sam-
melpunkt heiliger Kräfte; vgl. v. 19: nahe dem Ursprung.
10 Aus silbernen Opferschaalen] Vgl. Heimkunft v. 19 und die Erläuterung z. St. 30
15 Vom leichtanregenden Lichte] Das Wort anregen hat in der schwäbischen
Mundart noch heute die sinnliche Bedeutung des körperlichen Berührens. — In der
Antigonä v.1084 (1043 f.) heißt es: Gott regt kein Mensch an (griech. nialveiv).
2 0 Städte] Ganz spät werden (s. die Lesarten) Heidenheim (an der Brenz, im
Osten des Landes) und Nekars. Ulm (gemeint ist Neckarsulm, im Norden) noch 35
716
Die Wanderung 138-141
besonders genannt, als weitere Koordinaten des gemeinten Raumes neben den Städten
im Süden (am See, das ist der Bodensee, das »Schwäbische Meer«), iri der Mitte (an
Nekars Weiden^ und im Westen (am Rheine^. - Zu Thills Dorf, in v. 22 einge-
fügt,vgl. die Erläuterungen zu der Ode An Thills Grab (l,38f).
5 22 am Rheine ] Auch hier wird (wie v. 7 und 94) deutlich, daß der Dichter an ein
weiteres Suevien denkt.
25 Kaukasos] Vgl. Am Quell der Donau v. 77; ferner Kolombv. SO und die Erläute-
rung z. St.
28 wie Schwalbcn] Vgl.Dem Allbekannten v. 1: Frei wie die Schwalben, ist der
10 Gesang.
3 1 - 3 9 Zu der von Katharina II. im Jahr 1770 veranlaßten Auswanderung schwä-
bischer Siedler ans Schwarze Meer will der Ausdruck vor alter Zeit v. i i nicht recht
passen. Sie könnte mit dichterischer Freiheit zurückverlegt sein. Wer mit den Kindern
der Sonn' v. }6 gemeint ist, läßt sich noch schwerer sagen. Doch ist die Begegnung
15 zweier Extreme, deren jedes den Ausgangspunkt des andern zum Ziel hat CSonn' und
Schatten^, ziemlich genau auf die Homburger Aufsätze, zumal auf den Grund zum
Empedokles, zu beziehn.
32 ein sinnig Geschlecht ( / / " j ] Vgl.Thronen v.l} und die Erläuterung z. St.
33 fortgezogen] Nicht als Aktiv undßnites Verb aufzufassen, sondern als passives
20 Partizip des Perfekts.
39 Das gastfreundliche] Das Schwarze Meer, ursprünglich das »uruuirtliche«
(IIÖVTOS ä^sivog) geheißen wegen seiner wilden Anwohner, hieß später das gäst-
freundliche (Hövrog süSeivog), nachdem seine Küsten von Griechen besiedelt waren.
41 sazten] Die ursprüngliche Form des Präteritums mit »Rückumlaut«, wie sie
25 heute noch in »nennen, nannte« vorhanden ist; übrigens hat Hölderlin v. }9 auch
noch das normal umlautende genennet (aus metrischen Gründen statt ursprüngl. ge-
nannt - J. die Lesarten), wofür sich heute in der Hochsprache die nach der Analogie
des flektierten Partizips (ahd. ginantir: genannter) rückwnlautende Form »genannt«
durchgesetzt hat (umgekehrt als bei »gesetzt«!). — In der Lucan- Übersetzung v. 46S
30 steht für eine praesentische Form die Analogiebildung besazend.
43 Gewände] Vgl. Die Unsterblichkeit der Seele v.lS und die Erläuterung z.St.
(1, 3SS).
45 Die eigene Rede des andern] Die dem andern eigentümliche Rede, die dem
Fremden eigen, seltsam vorkommt.
35 60 — 63 Die Nachkommen der schwäbischen Auswanderer und der östlichen Sormen-
717
1S8-141 Die Wanderung
kinder, seine Verwandten, hofft der Dichter auf seiner Reise donaudbwärts nach
Südosten nicht so leicht zu finden. Die Frage ist denn auch bloß rhetorisch. Nicht um
dieser Verwandten willen hat er die Fahrt angetreten. Die theuem Ahnen (v. 63)
sind ihm nur in den Sinn gekommen, weil sie einst so wie er jetzt von IVellen der
Donau still fortgezogen worden sind. Indem er deren Fahrt berichtet, vollzieht er 5
gewissermaßen seine eigene und erreicht so sein Ziel. Und jetzt genügt im hymni-
schen Stil nach Pindars Vorbild (vgl.Pyth.ll, 23 und die Erläuterung z. St.) die
Gleichheit des Ortes, der südöstlichen Landschaft, um in leichter Überleitung auf das
eigentliche Thema zu kommen. Dort, wo sich Schwaben mit asiatischen Sonnenkin-
dem verbunden haben, dort wart auch ihr, ihr Schönsten! Das sind die Griechen. 10
Wie am Beginn (und gegen Schluß) des Gesangs von einem größeren Suevien die
Rede ist, so steht ihm hier auch ein größeres Hellas vor Aigen, unter Einbeziehung
auch Kleinasiens, dessen Landschafien (lonia, Ebenen des Kaisters v. 6S) als den
griechischen Kolonien an den Küsten des gastfreundlichen Pontus benachbart zuerst
genannt werden, vor dem eigentlichen Griechenland. — Wären, wie man gemeint hat, 15
die Schönsten v. 68 und die lieben Verwandten v. 61 dieselben, handelte es sich
also um dieselben Menschen und verschiedene Örtlichkeiten (statt um verschiedene
Menschen und dieselbe Örtlichkeit), so müßte v. 68 doch lauten: »Dort wart ihr
auch...« und nicht: Dort wart auch ihr..., mit dem Ton au/ihr.
65 Ebenen des Kaisters] Der Kayster (dreisilbig zu sprechen: Kdiiargog — Hol- 20
derlins Schreibweise erklärt sich aus seiner itazistischen Aussprache des Griechi-
schen —) ist ein Fluß in lonien, der auf dem Tmolos (v.7 3) entspringt, die Kaystri-
sche Ebene (Kavargtov neölov: Xenophon, Anabasis 1,2,11) zwischen dem Tmolos-
und dem Messogisgebirge (vgl.Patmos, 1. Fassung, v. 36) durchströmt und bei Ephe-
sus mündet. Die Kraniche (v. 66) am Kayster werden im 2. Gesang der Ilias v. 460 25
erwähnt; Hölderlin übersetzt die Stelle so: Wie wann grose Heere von fliegenden
Vögeln, von Gänsen, oder Granichen, oder langhalsigten Schwänen auf Asiati-
schen Wiesen an des Kaystrus Ausfluß hier und da Timherfliegen mit jauch-
zendem Flügelschlag, und lärmend sich niederlassen, daß die Wiese erzittert...
(vgl. Ovid, met. 2, 2S2 f.). — Den Namen Kaister betont Hölderlin nach lateini- 30
scher Regel auf der zweiten Silbe; siehe den Archipelagus v. 47—SO: daß bald... mit
den tausend Bächen Mäander / Seinen Irren enteilt und aus der Ebne Kayster /
Dir entgegenfrohlokt. Die von femhindämmemden Bergen (v. 67) umschlos-
senen Ebenen des Kaisters werden auch schon im Hyperion (1,34) erwähnt: Da
lag es offen vor mir, das ganze paradiesische Land, das der Cayster durch- 35
718
Die Wanderung 138-141
strömt, durch so manchen reizenden Umweg, als könnt' er nicht lange genug
verweilen in all' dem Reichtum imd der Lieblichkeit, die ihn umgiebt. Wie
die Zephyre, irrte mein Geist von Schönheit zu Schönheit seelig umher, vom
fremden friedlichen Dörfchen, das tief unten am Berge lag, bis hinein, wo die
5 Gebirgkette des Messogis dämmert.
71 Tayget] Ta&yexov, Hochgehirg in der Peloponnes, an dessen Fuß Sparta lag.
Die verkürzte Form (ohne Endung) trägt den Ton auf der dritten Silbe.
Himettos] Jfymdttos fF/iJ/rrds^, ein Gebirgszug in Attika, südöstlich von Athen,
vielgepriesen wegen seines Marmors und seines Honigs.
10 73 Pamassos Quell] KaaraXla, die dem Apoll und den Musen geheiligte Kastali-
sehe Quelle in Delphi. Vgl. Pindar, Pfth. 1,74-76 (alter Zählung): Awae xal
AdXoC ävdaacov Oolße, UaQvaaov re xgdvav KaaraMav (pdiwv — in Hölderlins
Übersetzung (v. 71-7 }): Lykischer und auf Delos Herrscher / Phöbus, und Par-
nasses Quelle/DieKastalischeliebend.—.liuc/i hier steht derNameVamassos ohne
15 Artikel wie Am Quell der Donau v. }7 — s. dort die Erläuterung. — Kastalias Quelle
wird auch erwähnt im Archipelagus v. 210—214. — In seinem Lebensabriß berichtet
Magenau, Hölderlin habe bei einem Gesellschäftchen im Garten des Tübinger
Lammwirts begehrt, die Freunde sollten sich, bevor sie Schillers Lied an die Freude
sängen, an der Kastalischen Quelle von allen ihren Sünden reinigen, kein Unreiner
20 dürfe das Lied singen; der Kastalische Quell war der dem Garten benachbarte Philo-
sophenbrunnen, an dem sich alle nun Gesicht und Hände feierlich wuschen.
73.74 zu des Tmolos Goldglänzenden Bächen] Vgl. Euripides, Bacch. v.lS4f.:
TßMov xQvooqöov fiihterce x6v /Sidwaov(»Mit des goldströmenden Tmolos
Glanz feiert den Dionysos!«). - Gemeint ist der goldene Paktol; vgl. Der Nekar
25 v.lS und die Erläuterung z. St.
78 gerühret] Vgl. (^Hyperions Schiksaalslied) v. 4—6. — Das Verbum rühren ist
in den Verbindungen »die Trommel rühren, das Spiel rühren« noch heute der Um-
gangssprache geläufig; ungewöhnlich bei Matthias Claudius: Als C. mit dem L.
Hochzeit machte v.lS f . (im }.Teil der Sämmtlichen Werke des Wandsbecker
30 Bothen,1778): Und ich will hier an ineinem Ort Trompet' und Paucke rüh-
ren; »das Saitenspiel rühren« ist sehr selten geworden — vgl.Grimms Deutsches
Wörterbuch 8,1460; dort ist ein Beleg aus Paul Gerhardt (91, 81 Goedeke) ange-
führt: Rühre stets für Gottes Thron Deines Dankens Saitenspiel;/emer Not-
ker, Psalm 104, 2: unde selten ruörent imo; Goethe, Übersetzung aus Ossians
35 Tcmora (7. Buch) v. 1 (Weimarer Ausgabe, Abt. I Bd. S.1S2): Rühr Saite du
719
1S8 -141 Die Wanderung
Sohn Alpins des G'sangs; Erwin und Elmire v. ISS f.: wenn unter meinem
Fenster Er seine Cither rührte.
79 Land des Homer] Der Blick wird hier, nach der Betrachtung des ganzen
Griechenlandes in der vorigen Strophe, wieder auf lonia, den Ausgangspunkt der
Betrachtung (v. 6S), eingeschränkt. Daß mit dem Land des Homer wirklich nur 5
lonia gemeint ist, beweist die Wiederaufnahme der Anrede v. 86.
82 Pfirsiche] Sie sind von lonia, von Südosten, vom vorderen Asien gesandt, wie
schon ihr Name (mala Persica: persische Apfel) bezeugt.
8 6 . 8 7 doch Menschen Ist Gegenwärtiges lieb] Vgl.v.91. — Am QuellderDonau
V. 74 und die Erläuterung z. St. 10
89 Hallen der Thetis] Schon in der Phaethon- Übersetzung v. S4f. begegnen die
Hallen der Thetis, ohne Forbild bei Ovid: Mit Angst erwartet Thetis oft den
Gast, Für seinen Sturz besorgt, in ihren Hallen. Hölderlin verwechselt hier Tethys
(Trf&vg), die Schwester und Gattin des Okeanos (vgl. die Erläuterung zu v. 3 f . der
Ode Der gefesselte Strom), mit Thetis (0erii), der Mutter des Achill und Tochter 15
des Nereus; bei Ovid steht nämlich (met. 2, 69): Neferar in praeceps, Tethys solet
ipsa vereri. — In der Lucan - Übersetzung heißt es ebenfalls Thetis statt Tethys
V. 414 und SS4. - Vgl. auch Paul Fleming, Oden 4, 4} v.lf. (1, 382 Lappenberg),
wo dieselbe Verwechslung vorliegt: Steh' auf, steh' auf aus Thetis feuchten Armen,
o güldner Phaeton. 20
90 Wälder... des Ida] Die Wälder des Ida durchstreift Hyperion (1, 61) mit
Alabanda-vgl. Der Nekar v. 16 und die Erläuterung z. St. fllions WaldJ.
91 Vgl. V. 86 f . und die Erläuterung zu v. 74 des Gesangs Am Quell der Donau.
94 — 96 Vgl, die Erläuterung zu v.7. — Der Rhein, der Sohn Sueviens, stürzt ans
Herz der Mutter auf seinem Lauf nach Norden, von dem Knick bei Chur an bis zur 25
Mündung in den Bodensee. Darm geht er seitwärts hinweg ({Der Ister} v. 48 f.). —
Die anfängliche Ostrichtung des jungen Rheins wird in dem Gesang Der Rhein
V. 34—37 mythisch ausgedeutet.
99 Gratien] Die Xdqirei, v.109 Charitinnen genannt - vgl. dort dieErläuterung.
— Im Hyperion 2,112 ist vom Glük der heiligen Grazien die Rede, in dem Ent- 30
Wurf zur Fortsetzung der Elegie Der Gang aufs Land von den himmlischen
Gratien (siehe S. S81 Z. 7); vgl. Pindar, Pyth. 8, 30 (Hölderlins Übersetzung).
105 Uns Allzugedultigen] Die wir allzulange mit dem Schicksal zufrieden waren,
in dürftiger Zeit (Brod und Wein v.122) zu leben. Vgl. (Der Ister} v.S8. - Die
Form gedultig (mhd. gedultec^ ist die alte und ursprüngliche. 35
720
Die Wanderung. Der Rhein 1} 8-148
106 Gewölke blühn] Vgl. den Entwurf {Was ist der Menschen Leben. ..)v. 6 f.;
Wie Blüthen sind ja / Silberne Wolken.
108 Widmung an Storr (s. die Lesarten)] Vgl. die Erläuterung zu v.lOS des Ge-
sangs Am Quell der Donau. - Die anfängliche Fassung der Anrede, mein Freund,
5 macht es wahrscheinlich, daß ein Angehöriger der eigenen Generation, also der Nür-
tinger Oberamtmann, gemeint ist. An den einstigen Lehrer wäre nur zu denken unter
der Voraussetzung, daß mit dem Freund zunächst ein andrer oder überhaupt kein be-
stimmter Adressat angeredet sei.
109 Charitinnen] Die drei Grazien (XdiQirec) Aglaia, Euphrosyne und Thalia,
10 die fördernden Hüterinnen des Götilichgcmeinsamen unter den Menschen; ohne die
heiligen Charitinnen bestimmen die Götter, wie Pindar im 14.Olympischen Sieges-
lied singt, nicht ihre Reigentänze und Gastmähler. Wenn Hölderlin sie v.llO als
Dienerinnen des Himmels bezeichnet, so ist das eine deutliche Entlehnung aus
Pindars Gesang v. 9f.: ndvrcov raßlai Igycov iv ovgav<p — in Hölderlins Übersetzung
15 V.13 f.: alle / Ausrichtend die Werke im Himmel. Zugleich redet Pindar die
Kinder des Mächtigsten der Götter (v. 20 alter Zählung), nämlich des Zeus, v. 3 an:
ihr sängereichen königlichen. — Die Namensform mit der deutschen Feminin-
endung ist in der deutschen Dichtung sehr verbreitet und stets auf der ersten und der
dritten Silbe betont: Johann Christian Günther 6, 6S Krämer v. 12: Und weist mir
20 die Gestalt der holden Charitinnen; Wilhelm Heinse: Laidion, Anhang,
29. Stanze (III 1, S. 206 Schüddekopf): Wir wachten auf voll Schaam, und um
uns lagen / Die Götterchen der Charitinnen schon; Goethe, Achilleis v. 85:
Euch allein ist gegeben, den Charitinnen und euch nur; v.i42: .. die Chari-
tinnen und Hebe; Schiller, Xenion 2SS (Nationalausgabe 1, 340).
25 DER RHEIN
Der Gesang ist noch im Frühjahr 1801 zu Hauptwil konzipiert, vollendet wohl erst
im Sommer. — In der Zeitung für Einsiedler sind am 20. April 1808 (Nr. 6) Spalte 42
ohne Überschrift die Verse 204-209 aus J abgedruckt, unterschrieben: Hölderlin. —
Die Rezension des Seckendorfischen Musenalmanachs (J) in der (Höllischen) All-
30 gemeinen Literatur-Zeitung vom 7. Juli 1808 (Nr.198) erwähnt nur den Namen
Hölderlins, ohne seine Beiträge zu beurteilen.
721
142-148 Der Rhein
Überlieferung
H^ (v. 1-31, lOS-122): Homburg H 6", 6 <>: Einzelblatt 21,Sx)f cm, linke
Kante beschnitten; festes, bräunliches, geripptes Papier; Wasserzeichen: Ge-
krönter Schild mit Schrägbalken, von zwei Greifen gehalten. (Das Blatt ist
nach H Sj6 eingeklebt — vgl. die Beschreibung S. 712.) 5
H" (v. 46-9S, 180-221): Marbach I S17: Doppelblatt 21,fx}Scm, unbe-
schnitten; festes, bräunliches, geripptes Papier; Wasserzeichen: Doppeladler
unter einer großen Krone, in den Fängen Scepter und Krwrmschwert, unter
den Fängen: I P, mitten darunter: R; der andre Bogen ohne Wasserzeichen.
H^ : Homburg H S-14 (s. die Beschreibung S. 712). 10
h (v. 186-221): Berlin, vormals Preußische Staatsbibliothek: Abschrift von
fremder Hand (Sammlung Vamhagen).
J: Musenalmanach für das Jahr 1808. Herausgegeben von Leo Freiherrn von
Seckendorf. Regensburg, in der Montag- und Weißischen Buchhandlung.
S. 94-102, unterschrieben: Hölderlin. 15
Eigentümlichkeiten der Schreibung: Efeu; sass, Grösserer, lässt, muss;
Vermuten, Rätsel, Not,Glut; selig, Segel,Schicksal; glücklich,Wickel-
bande, Stricke, Unglück; anfingst, gibt; Gabe; wol, Name, Gastmal;
Gedächtnis; Gränze; Heroen; sein (statt: seyn); Geschäfte, gehäuft.
Vgl. Seckendorfs Brief an Kemer vom 7. Februar 1807 - S. S8S Zeile 6-17. 20
Lesarten Überschrift: fehlt W H" h
Widmung: fehlt H^ H^ h An Vater Heime, (mit spitzem Stift oder nicht zu-
geschnittener Feder ohne Tinte in das Papier eingeritzt: Dalberg über der Wid-
mung, darunter: Hainm) H^ An Isaak von Sinclair. J 25
1 - 4 5 : fehlt H^ 1 - 1 8 5 : fehlt h
1 : Über dem Anfang des Gedichts, am oberen Rande der Seite, die stark unter-
strichene spätere Bemerkung (die letzten drei Wörter in besonderer Zeile unter Pforte
v. 1 einsetzend): Das Gesez dieses Gesanges ist, daß die zwei ersten Parthien der
Form {nach) (über der Zeile: dxach) (1) Proß (2) Progreß u Regreß entgegen- 30
gesezt, aber dem Stoff nach gleich, die 2 folgenden (a) dem S (b) der Form
nach gleich dem Stoff nach entgegengesezt sind die lezte aber mit durch-
gängiger Metapher alles ausgleicht. H ^
1 ich fehlt H^ 2 e b e n j e b e n / Mittag,] Mittag 3 herunter-
722
Der Rhein 142-148
kam] herunterkam, H^ herunter kam J
5 - 7 : Das (1) göttlich gebaut,
(2) aus der (a) T (b) d(unkeln (?)) (c) Tiefe gehöhlt,
Und gebaut von oben herab
5 Die Burg ist, wo von Alters her H ^
5 göttlichgebaute] göttlich gebaute J 6 heißt] heißt, J 8 manches
nach gestr. ent H^ 9 von da] von da H^ J so mit Blei über gestr.:
von d a 1 0 Vermuthen] Vermuthcn, / 13 manches nac/i g'ejtr. b
14 zu geschweift] lugeschweift, J
10 15 : (1) Und an die Küsten (a) des Meeres.
Ci;mitB/ei;Moreas H ^
(2) Und Ca an die Küsten Moreas.
(b) über der Zeile, mit Blei: fernhin H^
(3) Und fernhin an die Küsten Morea's. J
15 16 aber rorg^ertr.; hört ich iy^ aber,] aber 17 Gipfeln] Gipfeln, J
1 8 : Und unter gla (nicht weitergeführt) H^ 19 schauernd aus d H^ zu
ihm,] hinab, H ^ zu ihm H ^
2 0 - 2 3 : I : 1: Und die Felsen unver^vandt
2: Die Häupter (1) senken,
20 (2) beugen, dort
3: (1) In
(2) Im kalten Abgrund, [jammern]
4: "Den (1) jungen Strom,
(2) Jüngling
25 (3) gefangenen Jüngling
Hört ich jammern ge
I I : 1: Und die Ha(e)upte<r) übereinander
2: (1) tr(aurig)
(2) traurig schaue(n)
30 (3) Hinabschaun, unverwandt
3: Im kalten Abgrund, (1) hörte
(2) /dort/
4: Hört ich dor^t) um Erlösung (1) ich
(2) /ihn/
35 Den gefangenen Jüngling, H '
723
142-148 Der Rhein
2 4 - 3 1 :
I: 1: Ihn jammern, es hörten ihm ("; ucrscÄn'eicn statt ihn_), in der Tiefe
2: Gefallgen war er
3: Denn
4: das Rasen des Halbgotts 5
I I : 24 : Ihn jammern, es hörten (ihn), wie er zürnte
25. 26 : Und die Mutter Erd (1) verd
(2) anklagte,
(3) anklagt', u. den Donnerer, derihn gezeugt,
27. 28 : Erbarmend die Eltern, aber die Sterblichen flohn 10
29. 30 : Fernhin ron dem Ort, denn furchtbar war
später am linken Rand: da lichtlos er In den Fesseln sich wälzte
3 1 : Das Rasen des Halbgotts. H ^
24 tobt',] tobt' J 25 anklagt',] anklagt' H^ 29 war iiber der Zeile H^
-im-, fehlt Hi 15
32 wars] war's J 33 freigeborenen] freigebomen J 35 Rhodanus,]
Rhodanus H^ 43 ist Jehlt J
44 wissen bis 45 gegeben.] (1) wissen, von wannen
Noch auch wohin, in die Seele gegeben.
(2) wissen, wohin 20
in die unerfahme Seele gegeben. H ^
48 bleiben,] bleiben. H^ 52 Lichtstral, der] Lichtstral der, H^ 54 ei-
ner, vor gestr. wie H? 57 erfüllen,] erfüllen H^ 58 günstigen] himm-
lischgünstigen H^ (himmlisch)günstigcn H^ wie der Rhein,] fehlt H^
später angefügt H^ 59 aus fehlt H^ heiligem] reinestem H^ heiligem 25
über gestr. reinestem H^ 60 Glüklich] Schuldlos H^ 61 Wort.] Wort,
H^ Punkt für ursprüngl. Komma H^ 63 weinen;] weinen weinen, J
6 4 . 6 5 : (1) Und weim die Ufer sich ihm / An die Seite schleichen, die krum-
men, H^ H^ (2) geändert wie im Text H^ 64 Denn wo] Denn, wo J
65 Seit ihm] Seite ihm J 66 ihn,] ihn H^ 67 Unbedachten,] Unbe- 30
dachten H^ 68 behüten] danach ein Komma getilgt H^ begehren] (1)
de<nAcn> (2) gedenken (3) begehren IP 69 Zahne,] Schlünde, H^ Zahne
iücr gestr. Schlünde (das hierauf folgende Komma ist nicht getilgt) H^ Zaume J
lachend] aus lachel W lachend, J 71 Beut] Beut', J Eil'] Eil H^
72 Ein nach gestr. Ih<n> H^ zähmt,] zähmt H^ 55
724
Der Rhein 142-148
73 Ihn bis 74 spalten,]
Ihn wachsen läßt, (1) wie
(2) er muß, wie der Bliz / Die Erde spalten,
(3) wie der Bliz / Muß er Die Erde spalten, H ^
5 (4) wie der Bliz, / Muß er die Erde spalten,
(5) wie der Bliz, muß er / die Erde spalten, H ^
74 Bezauberte] bezauberte H^ 75 nach] nach, J zusammensinkend]
zusammensinkend J 7 6 : (1) Doch sparen mag den Söhnen ein Gott spä-
ter: (2) Drum (3) Text H^ 77 Leben] Leben, H^ lächelt,] lächelt W
10 78 unenthaltsam,] unenthaltsam H^ 79 Alpen nach gestr. ihm H'' 80
wie jener,] wie jener üher der Zeile H^ 82 geschmiedet,] geschmiedet H^
83 ists] ist's J d r a u f , ] d r a u f 83a : (Stillwandelnd sich,) W 84 die
Berge] die theuem Berge H^ verlassen,] verlassen H^ 85 Stillwandelnd
aus I(m) H^ deutschen] teutschen J 86 Begnüget] Begnüget, J das
15 fehlt H" 87 guten] (1) stillen (2) lieben (3) guten H^ baut] baut - J
88 Rhein] später über der Zeile H^ Rhein — J 89 gegründet] gründet J
91 vergehn,] vergehn H^ J 93 Tag der Menschen] Tag der der Men-
schen H^ 93 ehe bis 94 dürfte] ehe denn einer / Vergessen dürfte, H^
94 Ursprung] Ursprung, J
20 %-119 fehlt W
97 verderbt] verderbt, J 102 : Die Sterblichen verachtend J 103 er-
wählt] erwählt, J
105-120: I : Geradeblikend
25 I I : Vo(m) Anfang an die Siegerischen
Gehn diese die Bahn, und immer ist gleich
Die That und der Wille bei (1) diesen. (2) Göttern. (3) denen.
I I I : 105 : Denn irr[e]los gehn, geradeblikend [die]
106 : (1) An (2) Vom Anfang zum vorbestimmten Ende
30 107 : Die Siegerischen und immerhin
108 : Ist gleich Die That und der Wille bei denen.
109 : Drum fühlen es die Seeligen selbst/,/ nicht (,)
110 : Doch ihre Freude (1) sind (2) ist
I I I : Die Rede der Menschen. Die
35 112 : Unruhig geboren, die (1) leidende (2) immer leidende Seele
725
142-148 Der Rhein
113 : Besänftigen am Glüke der (1) Hohen (2) selben
114 : (1) Von ferne schauend, wenn aber (a) [einer] (b) [der Sterbli]
(2) Femahnend aber doch ihr Gericht ist furchtbar
115 : Daß (1) der zerbreche sein eigenes Haus
Und auch sein Liebstes nicht schone 5
Der selber wie sie seyn {will), der,
(2) sein eigenes Haus
1 1 6 : (1) Zerbreche der
(2) Zerbrech (a) u. unbar(m)her2ig sein Liebstes
Begrabe unter den Trümmern (a) d(«r) 10
(ß) wer
Ungleiches nicht erdulden (: aus erdu{Z)ten^
(y) u. Vater und Kind
Erliege unter den Trümmer(n)
(b) den 15
(c) u. /den/ sein Liebstes
117 : Wie den Feind schelt' u. {Fater und Kind)
118 : Sich begrabe imter den Trümmer(n, wer)
119 : Wie sie, seyn will, und nicht
1 2 0 : Ungleiches dulden, der Wilde. H ' 20
1 0 5 - 1 1 4 :
1 : 105 : Denn irrlos gehn, geradeblikend die
106 : Vom Anfang an zum vorbestimmten End'
107 : Und immer siegerisch und immerhin ist gleich
1 0 8 : Die That und der Wille bei diesen. 25
109 : Drum fühlen es die Seeligen selbst nicht,
110 : Doch ihre Freude ist
I I I : Die Sag und die Rede der Menschen.
112 : Unruhig geboren, sänftigen die
113 : Femahnend das Herz am Glüke der Hohen; 30
114 : DiI3 lieben die Götter;
I I : immer über den Zeilen:
1 0 5 : Es haben aber an eigner
1 0 6 : Unsterblichkeit die Götter (1) und (2) genug und bedürfen
107 : Die Himmlischen (1) etwas (2) eines Dings, 35
726
Der Rhein 142-148
108 : So sinds Heroen und Menschen
109 : Und Sterbliche sonst. Denn weil
110 : Die Seeligsten nichts fühlen von selbst,
111 : Muß wohl, wenn solches zu sagen
5 112 : (1) Erbaut (Schreibfehler)
(2) Erlaubt ist, in der (a) Na (b) Götter Nahmen
113 : Theilnehmend fülilen ein Andrer,
114 : Den[n] brauchen sie; H ^
108 Menschen] Menschen, J 113 Andrer,] Andrer — /
10 116 der] der, J 119 will] will, J 120 Schwäimer. über Wilde. H^
1 2 1 : (1) Wohl ihm, der lebend fa; fang (b) {ani W (2) Wohl ihm, der
lebend fand (3) über Wohl bis lebend; Drum wohl [dem] ihm welcher
1 2 3 - 2 2 1 : fehlt H^
1 2 3 Wo aus Wenn jy^ 127 mag] mag, J Cremen] Gränzen, J 130
15 seeligbescheiden] selig bescheiden J 135 denk'] denk J jezt] jezt, J
139 : (1) Wem aber, wie dir (2) mit Blei eingefügt:, Rousseau, W (5) Wem
aber, wie Rousseau! dir, J 140 Seele] Seele, J 142 Sinn] Sinn, J
144 Teien] dartach ein Komma getilgt H^ Fülle] Fülle, J 145 der Wein-
gott mit Blei über gestr. Bacchus H^ Weingott,] Weingott J thörig] thö-
20 rieht, J 146 sie] sie, J Reinesten giebt] Reinesten, gibt, J
148.149 : Die Achtungslosen (1), die allentweihenden Knechte
Mit Blindheit schlägt, wie soll ich nennen den Fremdling?
(2) mit dunklerer Tinte:
mit Blindheit schlägt
25 Die entweihenden Knechte, wie nenn ich
(3) mit Blei:
en über der 2. Silbe des Wortes Fremdling H^
148 schlägt] schlägt, J 149 entweihenden] entweichenden J nenn]
nenn' J 150 sind,] sind J Mutter,] Mutter J 153 auch] auch, / 154
30 schrökt ] schreckt J 158 bedenket; ] Semikolon für ursprüngl. Komma
H^ bedenket. J 159 Beste,] Beste H^ 163 : (1) In frischer Grüne zu
seyn, (2) mit Blei vorgefügt: Am Biclcrsce H^ 163 Bielersee] Bielersee, J
164 sorglosarm] sorglos arm J 167 Erstehen] Erstehen, J Kühle nac^
gestr. kü H^ 169 entgegenzugehn,] entgegen zu gehn. J 170 gebaut]
35 gebaut, J 174 .175 : (1) Das stimdenlange, der Herrscher / An goldnen
727
142-148 Der Rhein
Seilen gelenkt hat, (2) darüber, mit dunklerer Tinte: othemarme, wie Seegel /
Mit seinen Lüften 174 othemarme] odemarme J
1 7 6 - 1 7 9 : (1) Auch ruht imd vor der Schülerin jezt
Der Bildner, vor der Braut
Der herrliche Pygmalion, 5
Der Tagsgott vor der Erde sich neiget.
(2) mit Blei v.177 u.l78 durch je zwei straffe nach rechts ansteigende
Unterstreichungen als mißfallend gekennzeichnet, desgleichen das
Wort Tagsgott v.179.
{i) mit Blei: 176 zu über vor i 77 Versöhnend zu Der Bild- 10
ner, vor i75 Bildner sich iiier; herrliche Pygmalion 179
zu unserer über: vor der H^
(4) Text J
180 Dann feiern das] Da feiern ein J Götter,] Götter i f 3 181 all,]
all. Komma für ursprüngl. Punkt W 183a : [Ist eine 15
Weile das Schik] W 184 Heerberg,] Heerberg H^ Herberg', J 185
Schlummer] Schlü(l)l (2)ss (3)mmer H ^ Tapfem,] Tapfem H ^ Tap-
fem. J 186 aber] nur, H^ aber mit Blei nach gestr. nur H^ 188
Hauße] Hause hJ freuet] freut H^ freuet aus freut H^ 189 Unschäd-
licher aus Unschli/2 Gluth] Glut , / t / 190 umsäuselt aus u m a t h < m e f > 2 0
191 umgewandelt] umgewandelt, h eilen] eilen, hJ 192 reichen,]
reichen 193 freundliche üier heilige 194 Hinunter-
geht] Hinuntergeht, h 196 Diß] Dies hJ
1 9 7 a . b : (Wohlihnen, die es immer behalten.)
Denn gleich [den Gotte] (: Ansatz zu Göttern^ H^ 25
199 allzeit;] allzeit, W hJ 199 bis in tu 200 auch] aber (1) auch
Menschen (2) ein Mensch/en/ [auch] / [Ist] Kann bis in den Tod / [Das]
[Beste] 199 Tod] Tod, hJ 201 behalten,] behalten. H^ 204 ist]
ist, hJ 205 schwerer] schwer H^ Glük.] Glük H^ 206 aber der
Zeile H^ vermocht] vermocht' J 208 erglänzte,] erglänzte H^ 209 30
Gastmahl] Gastmale hJ
2 1 0 - 2 2 1 : (1) eingeklammert:
Dir mag auf heißem Pfade oder
Im Dunkel des Waldes, gehüllt
In 35
728
Der Rhein 142-148
(2) unterstrichen (dazu quer am linken Rand: Diese letzten Zeilen
wurden ohne Zweifel vom Verf. selbst unterstrichen.
lVI<öriAc).;.-
Und du sprichst ferne zu mir,
5 Aus ewigheiterer Seele,
Was nennest du Glük,
Was Unglük? wohl versteh' ich die Frage, ^
5 Mein Vater! aber noch tost
Die Welle, die mich untergetaucht
10 Im Ohr mir, und mir träumt
Von des Meergrunds köstlicher Perle.
Du aber, kundig der See,
10 Wie des vesten Landes, schauest die Erde
Und das Licht an, ungleich scheinet das Paar, denkst du,
15 Doch göttlich beide, denn immer
Ist dir, vom Aether gesendet
Ein Genius um die Stime. H ^
Lesarten dieser Strophe: 1 sprichst] spricht H^ ferne zu mir üicr; bei dir
selbst H^ 2 Aus über gestr. In H^ 8 köstlicher Perle aus: köstlichen Per-
20 len H ^ 10 Wie des vesten Landes aui; Wie vestes Landes H ^ schauest]
dauor; (du) H ^ 11 Und das Licht] das Ü6er.-(schauest) H ^ 11 Paar Ks
12 Doch] (1) Paar, / Denkst du, doch (2) Paar, denkst du / doch H ^
12 beide bis 13 gesendet] beide, (1) so
(2) / So
25 (3) so lehrte
/Gesandt/ (a) vom ruhigen Aether gesandt,
(b) vom hohen
(c) vom stillen
(d) (von) deinem
30 (e) vom Aether gesendet
(4) denn immer [giebt,]
Ist dir, vom Aether gesendet
14 Stime aus di H^
210 Dir über gestr. Dann Pfade] Pfade, h 211 Eichwalds] Eich-
35 walds, hJ 212 Sinklair!] später üJcr; Heinze! i/''Sinclair! hJ Gott]
729
142-148 Der Rhein
(1) ein Gott (2) dir ein Gott (5) Gott H^ erscheinen] erscheinen, hJ
2 1 3 - 2 1 5 : (1) In Wolken, du kennst ihn,
Und nimmer ist dir verborgen
Das Lächeln des Herrschers
(2) In Wolken, du kennst ihn, da du kennest 5
Des Guten Kraft Und nimmer ist dir /verborgen/
Verborgen Das Lächeln des Herrschers H ^
215 Herrschers] Herrschers. J 217 fieberhaft] fieberhaft, h 220
ordnungslos] ordnungslos, hJ
Erläuterungen 10
Die Strophen des triadisch gebauten Gesangs zählen in regelmäßigem Wechsel 1S,
16 und 14 Ferse. Nur die mittleren Strophen der zweiten und der fünften Trias sind,
vielleicht versehentlich, um einen Vers zu kurz. Die letzte Strophe hatte ursprünglich
nach der Regel 14 Verse (vgl. die Lesarten), wird aber in der endgültigen Fassung
um zwei Zeilen gekürzt. 15
Zur Gesamtdeutung vgl.Otto Olzien: Hölderlin: Der Rhein (Gedicht und Gedanke,
hg. von Heinz Otto Burger, Halle (Saale) {1942), S. 176-201); Lothar Kempten
Hölderlin in Hauptwil, St.Gallen {1946), S.7}—78, besonders auch die dort ge-
gebenen Zitate aus dem Tagebuch einer Reise durch die östliche, südliche und italieni-
sche Schweiz von Friederike Brun (Kopenhagen 1800) und aus Johann Gottfried 20
Ebels Schilderung der Gebirgsvölker der Schweiz (2. Teil, Leipzig 1802).
Den Aufbau erläutert Hölderlin selbst folgendermaßen (vgl. die Lesarten, zu Be-
ginn): Das Gesez dieses Gesanges ist, daß die zwei ersten Parthien der Form
nach durch Progreß imd Regreß entgegengesezt, aber dem Stoff nach gleich,
die zwei folgenden der Form nach gleich, dem Stoff nach entgegengesezt sind, 25
die lezte aber mit durchgängiger Metapher alles ausgleicht.
Diese Randbemerkung ist schon dadurch bedeutsam, daß sie einen Begriff davon gibt,
wie Hölderlin sich in den triadisch gebauten Gesängen nicht mit einer bloß zahlen-
mäßigen, äußerlichen Entsprechung der Parthien begnügt, sondern darin eine
innerliche Dialektik der Verschiederun höchsten Prinzipien sich ausdrücken läßt. So 30
sind der Stoff und seine Mannigfaltigkeit einerseits und andrerseits die Form und
ihre Identität nicht bloß, wie man meinen könnte, Agentia eines transzendentalen
Aktes, als dessen Produkt dann der Grund oder die Bedeutung des Gedichts als sein
Geistigsinnliches oder Formalmaterielles erschiene (sich isolierte), sondern beide
730
Der Rhein 142-148
Prinzipien sind im Gedicht selbst in einem dynamischen Vollzug wirksam. Die Lehre
vom Wechsel gewinnt hier entscheidende Bedeutung. Die kurze Randbemerkung über
das Gesez dieses Gesanges ist nur auf dem Hintergrund der Homburger Aufsätze,
zumal des über {Die Verfahrungsweise des poetischen Geistes), verständlich, woraus
5 eine einzige Stelle herausgegriffen sei, die sich zu der Bemerkung verhält wie Theorie
zu ihrer Anwendung. Da wird von der Begründung und Bedeutung des Gedichts,
die zwischen dem Ausdruck, dem Dargestellten, eigentlich Ausgesprochenen, dem Stoff
und der Form, dem Geist, der idealischen Behandlung mitten inne liege, gesagt, daß
sie nicht fortschreitet durch Entgegensezung in der Form, wo aber das erste
10 dem zweiten dem Gehalte nach verwandt ist, sondern durch Entgegensezung
im Gehalt, wo aber das erste dem zweiten der Form nach gleich ist, so daß
naive und heroisclie und idealische Tendenz, im Object ihrer Tendenz, sich
widersprechen, aber in der Form des Widerstreits und Strebens vergleichbar
sind, und einig nach dem Geseze der Thätigkeit, also einig im Allgemeinsten,
15 im Leben.
Weil sich am Prinzip des Stoffs die künstlerische Darstellung am greifbarsten demon-
strieren läßt, sei noch kurz darauf hingewiesen, daß es also kein Zufall ist, werm
an den durch jene Randbemerkung deutlich bezeichneten Stationen der Entwicklung
eine Parallelität im Motivischen sich offenbart. Der Stoff schreitet zunächst durch
20 die ersten beiden Parthien, die den Lauf des Rheins darstellen, gleichsinnig, ohne
Entgegensetzung fort und beschreibt dann in den beiden nächsten Parthien, auf
halbem Räume oder in halber Zeit, zwei entsprechende Entwicklungslinien, indem die
dritte Parthie die allgemeine Anwendung der mit naiver Tendenz gestalteten Natur-
erscheinung (des Stromlaufs), das Schicksal des Vorkämpfers schlechthin, mit heroi-
25 scher Tendenz bringt und die vierte, ebenfalls mit heroischer Tenders, die besondre
Anwendung, das Schicksal des Vorkämpfers Rousseau. An den drei sich ergebenden
Endpunkten oder Stationen taucht notwendig das gleiche Motiv des gestillten Seh-
nens und der Beruhigung auf (v. 89, 134, 179). Die letzte Parthie nun, die mit
durchgängiger Metapher (das heißt: Übertragung, Vmkehrung) und idealischer
30 Tendenz alles ausgleicht, geht (v.180) von eben diesem Motiv aus und endet mit
dem Motiv, womit der Gesang bisher dreimal eingesetzt hatte: dem Motiv der wachen
Unruhe des Einzelnen in Übergangszeilen. — Auch darf man rein theoretisch in der
Fuge zwischen erster und zweiter Parthie als dem Wendepunkt zwischen Progreß
und Regreß der Form die Bedeutung, den Grund des Gedichtes als dessen Formal-
es materielles oder Geistigsinnliches suchen und findet sie auch praktisch dort am klar-
731
142-148 Der Rhein
sten, in der Gestalt einer Pindarischen yvwfir), ausgesprochen: Ein Räthsel ist
Reinentsprungenes (v. 46).
4 Treppen des Alpengebirgs] Am 2).Februar 1801 schreibt Hölderlin aus Haupt-
wil an die Schwester: .. wie vom Aether herab die Höhen alle näher und näher
niedersteigen bis in dieses freundliche Thal; vgl. auch Hyperion 1, 19: wo sind 5
denn deine hundert Arme, Titan, wo dein Pelion und Ossa, deine Treppe zu
des Göttervaters Burg hinauf; 1, 84: wie Stuffen gehn die Berge bis zur Sonne
unaufhörlich hinter einander hinauf; {Wenn aber die Himmlischen...) v. 80-82.
5. 6 die göttlichgebaute, / Die BurgjFgZ. Homer, Ilias 8, Sl: deoSft^rcov ini
nvgycov; Pindar, Olymp. 6,59: AäXov •&sodßdTag; Olymp. 3, 7; toüto ^eööfiaTOv 10
Xgiog - in Hölderlins Übersetzung (v.l2): dieses göttlichgebaute Geschafft;
Pyth.9,11 f.: &Eod/idr(i)V d/icov- Cu.i7^;diegöttlichgebautenWagen;Pafmoi
V. 4S: Die göttlichgebauten Palläste; {An die Madonna) v. 97: Wildniß göttlich-
gebaut.
7 - 9 In dem zu v. 4 angeführten Brief heißt es: Du würdest auch so betroffen, 15
wie ich, vor diesen glänzenden ewigen Gebirgen stehn, und wenn der Gott der
Macht einen Thron hat auf der Erde, so ist es über diesen herrlichen Gipfeln.
15 Morea] Dieser seit dem 13. Jahrhundert gebräuchliche Name für die Peloponnes
(ursprünglich d MoQeaQ, rov Moneojg — dann »J Mogia) ist slawischer Herkunft und
bedeutet »Küstenland«. Er ist zunächst der Westküste von slawischen Einwanderern 20
beigelegt worden und dann auf die gesamte Halbinsel übergegangen. Vgl.Jakob
Philipp Fallmerayer: Geschichte der Halbinsel Morea während des Mittelalters,
Stuttgart und Tübingen 1830j36, Bd.l, S. 240-248. - Fragment von Hyperion
(Thalia 196): die heiligen Höhn und Thale von Morea stimmen oft recht
freundlich in die reineren Töne meiner Seele; (.. der Vatikan) v. 32. 25
17 unter den silbernen Gipfeln] Vgl. Heirrütunftv.l9 und die Erläuterung z. St.
24 Jüngling] Vgl. Heidelberg v. 13 und die Erläuterung z. St.
35 Dem Tessin und dem Rhodanus ] Der Name Tessin ist aus metrischen Grün-
den und auch gemäß süddeutscher Mundart auf der ersten Silbe zu betonen. Die
Rhone wird mit ihrem (auf der ersten Silbe zu betonenden) lateinischen Namen ge- 30
rmnnt, um als Bruder des Tessins und des Rheins erscheinen zu können.
37 Nach Asia] Der junge Rhein fließt zuerst in östlicher Richtung. In der ent-
sprechenden Strophe (Epode) der zweiten, dem Stoff nach gleichen Parthie wird
(v.76—S0) der göttlichvorbedachte Sinn des Hemmnisses gedeutet. — In der Wande-
rung V. 94—96 ist die dann eingeschlagene Nordrichtung mythisch bedeutsam. 35
732
Der Rhein 142-148
40. 41 Die Blindesten aber Sind Göttersöhne] Die Blindesten ist Prädikats-
nomen.
4 1 - 4 5 ygl. Matth. 8, 20; Luk. 9, S8: Die Füchse haben Gruben, und die Vö-
gel unter dem Himmel haben Nester; aber des Menschen Sohn hat nicht, da
5 er sein Haupt hinlege.
4 8 - 5 3 Vgl. Goethe: Urworte. Orphisch, 1817 entstanden, 1820 von Goethe
selbst kommentiert (Weimarer Ausgabe Abt.I Bd. 41^ S. 21S-221); vgl. besonders
S. 216: Der Dämon bedeutet hier die nothwendige, bei der Geburt unmittelbar
ausgesprochene, begränzte Individualität der Person, das Charakteristische,
10 wodurch sich der Einzelne von jedem andern bei noch so großer Ähnlichkeit
unterscheidet;/cmer Pindar, Pyth.l2, 49-56 (alter Zählung), von Hölderlin
übersetzt; Pyth. 2, 1)1: Werde, welcher du bist erfahren (yivoi', olog iaai
ßa&dtv).
60 Glüklich] Gemäß dem metrischen Baugesetz der Vaterländischen Gesänge, das
15 nur steigende Verse kennt (vgl. S. 681), ist dies Wort mit schwebender Betonung zu
sprechen — wie in den Gedichten mit festem Silhenmaß z. B. Rousseau v.l3: Klang-
lös; Chiron v. 4S: örtlich. Irrstem.
6 1 - 7 5 Vgl. (Der Ister) v. 60-66: ein anderer (v. 6)) ist eben der junge Rhein.
69 Im eigenen Zahne ] Zahn wird, pars pro toto, für Schlund eingesetzt — vgl. die
20 Lesarten. Wenn die Ufer also den jungen Strom zichn und behüten wollen, so ist
ihre wahre Absicht, ihn zu verschlingen, sein stolzes Wesen zu vernichten.
70 Zerreißt er die Schlangen] Wie der junge Halbgott Herakles schon als Säug-
ling die beiden von der eifersüchtigen Hera gesandten Schlangen zerriß; vgl. Theo-
krit, Herakliskos (Idyll. 24) v.11-63 (v. S8: yeXdaa^ — entsprechend bei Hölderlin
25 V. 69: lachend;; Apollodor 2, 4, 8 (2, 62 Wagner).
73 wie der Bliz] Zum Hauptsatz gehörig —vgl. die Lesarten (2).
74 spalten] Vgl. Der Wanderer, 2.Fassung, v. 4; Patmos, I.Fassung, v.70; femer
die Arunerkung zu dem Pindar-Fragment Das Belebende, wo es unter anderm heißt,
daß der Strom die Kette der Gebirge verlassen und ihre Richtung queer durch-
30 reißen mußte; {Der Ister) v. 68: Es brauchet aber Stiche der Fels.
7 6 - 8 0 Vgl. Stimme des Volks v. 29-32. - Das Motiv ist mit wörtlich überein-
stimmenden Fügungen schon vorbereitet in den beiden ersten Fassungen des Gesangs
(Versöhnender der du nimmergeglaubt...) v. 28—31; die dritte Fassung tilgt es imd
macht es dadurch zu anderweitiger Verwendung frei — vgl. die Vorbemerkungen zu
35 den Lesarten der dritten Fassung S. TOS.
Tb'b
142-148 Der Rhein
76 sparen] Vgl. Heimkunft v. 80 und die Erläuterung z. St.
8 8 . 8 9 liebe Kinder nährt In Städten] Es wäre wohl dem hymnischen Stil nicht
angemessen, wollte man hier die Kinder nicht wirklich als die in den Städten woh-
nenden Menschen, sondern als Metapher für die Städte selbst auffassen. In Städten
ist also als Ortsbestimmung gemeint und nicht so, daß der Rhein seine »Kinder in 5
Gestalt von Städten« nährte.
96 - 98 Vgl. den ersten Entwurf (B^miestre^ae) zu der Ode An Eduard (S. 462):
Verflucht die Asche des der zuerst / Die Kunst erfand aus Lie-
bebanden / Saile zu winden.
99 des eigenen Rechts] Abhängig von gewiß v. 100. 10
103 Verwegnes] Vgl. (An die Madonna) v. 64.
106 —109 Das einzige, dessen die Götter allenfalls bedürfen, sind solche Wesen,
die (vgl. die Lesarten:) nicht irrlos gehn, nicht geradeblikend... vom Anfang an
zum vorbestimmten End' (ein Ende ist also auch den Göttern vofbestimmt!), bei
denen die That imd der Wille nicht gleich sind, und das sind Heroin (Halbgötter) 15
und Menschen, überhaupt alle sterblichen Geschöpfe. Die Begründung dieses Bedürf-
nisses wird in den nächsten Versen (109—114) gegeben. — eines Dings bedeutet
nichts weiter als den Genetiv des neutralen Pronomens »irgendetwas« (lat. aliquid:
alicuius rei).
109 - 1 1 4 Vgl. (Wenn aber die Himmlischen...) v. S1-S6; Der Einzige, l.Fas- 20
simg, V.71; Kolomb v.127—129. — Die Götter können von selbst nichts fühlen, weil
die unbedingte und unabhängige Selbstgenügsamkeit nichts außerhalb ihrer selbst
wahrzunehmen vermag — nicht anders als das Fichtische »absolute Ich«, das Hölder-
lin am 26. Januar 17 9 f im Brief an Hegel ad absurdumführt, weil es wegen seines
Anspruchs auf alle Realität objektlos sein müsse, darum kein Bewußtsein haben könne 25
und also, als Ich, nicht sei. — Vgl. auch die Einwände gegen die absolute Monarchie
in dem Brief an Sinclair vom 24. Dezember 1798: Es ist auch gut, und sogar die
erste Bedingung alles Lebens und aller Organisation, daß keine Kraft monar-
chisch ist im Himmel und auf Erden. Die absolute Monarchie hebt sich über-
all selbst auf, denn sie ist objectlos; es hat auch im strengen Sinne niemals 30
eine gegeben. Alles greift ineinander und laidet, so wie es thätig ist, so auch
der reinste Gedanke des Menschen. — Die Wendung Den brauchen sie, die
eigerulich nur den Satz und bedürfen... v.106—109 rekapituliert, hat nun doch
einen andern Ton: es handelt sich nicht, wie es zuerst schien, um eine an sich über-
flüssige Zugabe zu der Seligkeit der Himmlischen, sondern um eine unausweichliche 35
734
Der Rhein 142-148
Notwendigkeit — emsthafter als etwa im Archipelagus v. 60 f . und 2iS oder auch in
Goethes Prometheus v.12—20: Ich kenne nichts Ärmeres Unter der Sonn', als
euch, Götter! Ihr nähret kümmerlich Von Opfersteuem Und Gebetshauch
Eure Majestät Und darbtet, wären Nicht Kinder und Bettler Hoffnungsvolle
5 Thoren. - Fgl. Kempter, Hölderlin und die Mythologie, Awn.Iii (S. 134).
115 - 1 1 8 Vgl.Marc.IS, 12: Es wird aber überantworten ein Bruder den an-
dern ium Tode, und der Vater den Sohn, und die Kinder werden sich empören
wider die Eltern, und werden sie helfen töten; Lvk.l2, Sl-Sh. Meinet ihr, daß
ich hergekommen bin, Frieden zu bringen auf Erden? Ich sage: nein, sondern
10 Zwietracht. Denn von nun an werden fünf in Einem Hause uneins sein: drei
wider zwei, imd zwei wider drei. Es wird sein der Vater wider den Sohn, und
der Sohn wider den Vater; die Mutter wider die Tochter, und die Tochter
wider die Mutter; die Schwieger wider die Schnur, und die Schnur wider die
Schwieger.
15 116 der] Derselbe wie einer v.119 und der Schwärmer v. 120, der aufbrechende
Mensch, der die zu Stricken gewordenen Lieheshande überlebter Bindungen zerreißen
und trotzig im Bewußtsein des eigenen Rechts, des Rechts auf ein eigenes Leben,
ein Leben nach eigenen Antrieben und mit eigenen Zielen, die gewöhnlichen Pfade
der Sterblichen verlassen muß und so in Gefahr gerät, das menschliche Maß verwegen
20 zu überschreiten: so will er den Abstand der Menschen van den Göttern nicht an-
erkennen, nicht Ungleiches dulden (v.ll9 f.), will den Göttern gleich werden
(v.104 und 119). - Vgl.Mnemosxne v. 4S-S0; Matth. 18, 7: Es muß jaÄrgemis
kommen: doch weh dem Menschen, durch welchen Ärgernis kommt.
125 Gestade] Es ist nicht etwa das Ufer des Rheins gemeint, von dem nur in den
25 beiden ersten Parthien (bis v. 89) die Rede ist, sondern das Gestade des Meeres.
Das Bild ist so zu verstehn, daß sich der Seefahrer aus den Gefahren des Meeres auf
das sichere Gestade gerettet hat.
135 Halbgötter denk' ich jezt] Betont neuer Einsatz am Beginn der vierten
Parthie, die der dritten dem Stoff nach entgegengesezt ist. — Das Verbum denken
30 gebraucht auch Klopstock, Wingolf 1,W, transitiv: Urenkel denkend; ebenso
Goethe, Iphigenie auf Tauris v.1764 f.: Der Alte... Denkt Kinder und Enkel.
Vgl. die Erläuterung zu v. 1 des Gedichtes An M. B. (1,332); besoruiers noch Die
Stille V. 23 f . Lesarten (1, 360), Sogar im Brief ist dieser Gebrauch zu beobachten:
an Seckendorf, 12. März 1804: Ich flenke einfältige und stille Tage, die kom-
35 men mögen.
735
142-148 Der Rhein
1 3 9 Rousseau] Vgl. den ersten Absatz der Erläuterungen zu der Ode Rousseau.
1 4 6 gesezlos] Vgl. Klopstock, WingolJ 1, 6-8: Wil lst du (Haingesang) ge -
setzlos, Ossians Schwünge gle ich, . . . Frey aus der Seele des Dichters
schweben ?
148 Die Achtungslosen] Vorausgenommenes und verselbständigtes Attribut der 5
Knechte v. 149; vgl. Brod und Wein v. 1S: die Schwärmerische, die Nacht.
1 4 9 den Fremden] Das Beziehungswort, von dem der lange, v.lS9 mit W e m
aber einsetzende Relativsatz abhängt, ist steil ans Ende des Satzgefüges und der
Strophe gestellt. - Als Fremder erscheint der Halbgott den gewöhnlichen Men-
schen. 10
1 5 7 . 1 5 8 auf die Schultern gehäufft . . . die Last] Vgl. Mnemosyne, h Fassung,
ü./—S; Und vieles W i e auf den Schultern eine Last von Scheitern ist Z u b e -
halten; An Hiller v.ll f.: und wenn sich ein Jahrhundert, W i e eine Last, auf
seiner Schulter häuft ; Am Quell der Donau v. 82: Und den Himmel auf Schul-
tern und alles Schiksaal; femer Goethe, Torquato Tasso v. 20S3-20S5: Dein 15
Lorbeer ist das fürstliche Vertraim, Das auf den Schultern dir, als liebe Last,
Gehäuft imd leicht getragen ruht.
1 6 3 Bielersee ] Rousseau beschreibt die Petersinsel im Bielersee, wo er im Jahr 176S
für eine kurze glückliche Zeit Zuflucht fand, im S. Spaziergang der Träumereien
(Les confessions, suivies de reveries du promeneur solitaire, Genf 1782; cinquieme 20
promenade. Band 2, S.131—1S8); vgl. besonders S.132: ily a aussi plus de verdure
naturelle, plus de prairies, d'asyles ombragis de boccages; S.134: Ony trouve des
champs, des vignes, des bois, des vergers, des gras päturages ombrages de bosquets, et
bordes d'arbrisseaux de taute espece dont le bord des eaux entretient lafraicheur; S.136:
Je compte ces deux mois pour le tems le plus heureux de ma vie, et tellement heureux, 25
qu'il m'eüt suffi durant toute mon existence, sans laisser nattre un seul instant dans
man ame le desir d'un autre äat. (Der Schilderung in den Riveries entspricht eine
ähnliche im 12. Buch der Confessions.)
166—169 JVenn die Gefahren der Übergangszeit vorüber sind, kommt durch
Wi ldn iß mi ld der Stral von oben ({Versöhnender der du nimmergeglaubt...), 30
2.Fassung, v. 47); vgl. auch Am Quell der Donau v. 16-60; Patmos, I.Fassung,
V. 191-196.
1 7 0 . 1 7 1 Vgl. {Wenn aber du Himmlischen...)v. 1-4.
176—179 Daß die Schülerin, das heißt: die Erde, die heutige Erde, zugleich auch
das Werk des Bildners ist und nun seine Braut wird, die Braut des Tagsgottes, zeigt 35
736
Der Rhein 142-148
deutlicher die erste Gestalt dieser Verse (vgl. die Lesarten): der Tagsgott, der sich
anschickt, das Brautfest zu feiern, heißt dort der herrliche Pygmalion (vgl. Der
Wanderer v. 24 und die Erläuterung z. St. 1, 522). — Eine Zwischenfassung (5)
fügt das Wort Versöhnend ein und stellt so eine Beziehung her zu dem Gesang, der
5 zu Beginn den Frieden und zugleich Christus den Versöhnenden nennt und dieselbe
Weltstunde unmittelbar vor dem Ausgleich des Schiksaals meint, vor dem Brautfest,
das Menschen und Götter feiern.
1 9 0 - 1 9 4 Vgl. Matth. S, 23 f.: Darum wenn du deine Gabe auf dem Altar
opferst, und wirst allda eindenken, daß dein Bruder etwas wider dich habe, so
10 laß allda vor dem Altar deine Gabe, und gehe zuvor hin, imd versöhne dich
mi t deinem Bruder; Epheser 4, 26: Zürnet und sündiget nicht; lasset die
Sonne nicht über eurem Zorne untergehen.
1 9 5 . 1 9 6 Doch einigen eilt Diß schnell vorüber] Vgl.£rod und Wein v. 82:
gewohnt werden die Menschen des Glüks; v. 87 f.: So ist der Mensch; wenn
15 da ist das Gut, und es sorget mit Gaaben Selber ein Gott für ihn, kennet und
sieht er es nicht.
2 0 5 schwerer das Glük] Vgl.Germanien v. 6S f.: ein schweres Glük Bist du
zu tragen stark geworden; i. auch dort die Erläuterung.
2 0 6 - 2 0 9 Dieser Weise ist Sokrates und das Gastmahl dasselbe, das Plato in
20 seinem so überschriebenen Dialog (Symposion) schildert. Am Schluß (pag. 223b—d)
wird der Bericht des Aristodemos wiedergegeben: wie Erj-ximachos und Phaidros mit
einigen andern das Gastmahl beim Eindringen einer großen Schar von Nacht-
schwärmern eilig verlassen hätten, weil man in dem allgemeinen Durcheinander ge-
zwungen gewesen sei, viel Wein zu trinken; er selbst. Aristodemos, sei vom Schlaf
25 übermannt worden, und er habe sehr lange geschlafen und sei erst gegen Morgen
beim Hahnenschrei erwacht; da habe er denn gesehn, daß die andern schliefen oder
gegangen waren, nur Agathon, Aristophanes und Sokrates seien allein noch wach
gewesen und hätten aus einer großen Schale rechtsherum getrunken. Sokrates habe
sich mit ihnen unterhalten. Was im einzelnen gesprochen sei, wußte Aristodemos
30 nicht zu sagen, habe er doch nicht von Anfang an teilgenommen, auch sei er unter-
dessen immer wieder eingedämmert; in der Hauptsache aber habe Sokrates sie ge-
nötigt zuzugeben, daß ein und derselbe Mann sich darauf verstehn müsse, eine Ko-
mödie und eine Tragödie zu machen und daß ein erfahrener Tragödiendichter auch
Komödiendichter sei. Damit also habe er ihnen zugesetzt, aber sie hätten nicht mehr
35 recht folgen können und seien eingeschlummert, zuerst sei Aristophanes eingenickt.
737
142-152 Der Rhein. Germanien
bei Tagesanbruch auch Agathon. Dann sei Sokrates, nachdem er sie in den Schlaf
gesprochen, aufgestanden und gegangen; er, Aristodemos, habe ihn nach seiner Ge-
wohnheit begleitet. Sokrates habe sich zum Lykeion begeben, gebadet, und habe dort,
wie sonst auch, den ganzen Tag zugebracht bis zum Abend und sei dann zu Hause
schlafen gegangen. (Vgl. auch pag. 176c und 214a.) 5
2 1 0 - 2 2 1 Die ursprüngliche Schlußstrophe (vgl. die Lesarten), die Heinse be-
sonders innig: Mein Vater! anredet und damit auf die ursprüngliche Widmung An
Vater Heinze zurückweist, mußte wohl getilgt werden, weil in ihr das Gedicht zu
heiter und harmonisch ausklang. An ihre Stelle tritt dann eine Strophe, deren Er-
wägung zu allererst schon begonnen war (siehe die Lesarten H^ (1 . 10
2 1 2 Sinklair!] Der Name wird später, vermutlich auf die Nachricht von Heinses
Tod am 22. Juni 1803, für Heinze! eingesetzt (vgl. die Lesarten).
2 1 7 . 2 1 8 fieberhaft und angekettet das Lebendige ] Bei Tage sind die chaoti-
schen Mächte der Übergangszeiten im Abgrund gefesselt, doch warten sie ungeduldig
auf den Augenblick, da sie wieder ungebunden die Herrschaft der Götter bekämpfen 15
dürfen. So wird die Erstarrung verhütet: eben die Mächte des Untergangs und Über-
gangs erhalten das Leben lebendig, sie heißen darum geradezu das Lebendige. Vgl.
auch Die Titanen v. 67—74: W e n n aber. . . Und in die T ie fe greifet Daß es
lebendig werde Der Allerschütterer, meinen die (Titanen) Es komme der
Himmlische Zu Todten herab und gewaltig dämmerts I m ungebundenen A b - 20
grund I m allesmerkenden auf.
2 1 9 - 2 2 1 Vgl. Heimkunft v. 10 und die Erläuterung z. St.
G E R M A N I E N
Der Grundsatz der triadischen Gliederung ist in diesem Gesang (wie später noch in
Andenken) verlassen. Doch ist aus der Art der Sprachfügung mit einiger Sicherheit 25
zu vermuten, daß er noch im Jahr 1801 entstanden ist.
Oberlieferung
W : Homburg F S9-63 (s. die Beschreibung S. }80).
H" (v. 1-97): Homburg G 12'-13 Doppelblatt 23,7 x 38.Sem, unbeschnitten;
gelbliches, feingeripptes Papier; Wasserzeichen: Gekröntes Wappen mit auf- 30
gehängtem Posthorn C & I H O N I G ; auf dem andern Blatt: C & I H O N I G
738
Germanien 149-1!2
Erster Druck: (v. 49 f . und 62-64): Carl C. T. Litzmann: Friedrich Hölderlins
Leben. In Briefen von und an Hölderlin, Berlin 1890, S. 620; (vollständig): Höl-
derlins gesammelte Dichtungen, hg. von Berthold Litzmann, Stuttgart (1896),
1271-274.
5 Lesarten
Über den einzelnen Strophen mit dunklerer Tinte die Nummern 1. bis 7. H^
1 Nicht] danach ein Komma getilgt H^ 5 anders,] anders H^ 10 ist er
fehlt H^ er später eingefügt H^ 15 ists,] ists H^ 18 Zeiten!] Zei-
ten. H^ 20 ist,] ist H^ 24 Grabesflammen,] Grabesflammen H^
10 25 hinüber,] hinüber. tP 30 uns,] uns H^ 33 ja, im Vorspiel] (1) ja,
für sie erzogen ein (2) Text LP 36 WeitofFen] Weit offen H^ propheti-
sche aui p r o p e B e i g e , ] Komma für urspr. Punkt H^
38 : (1) Der Mann und ihn der Wandlungen viele bewegen.
(2) von dort nach ihn über der Zeile eingefügt H^
15 (3) Der Mann und ihn der Wandlungen viele bewegen.
(4) am unteren Rand, später mit dunklerer Tinte (eigenhändig?) gestrichen:
ihn (: aus der^ von dort die Wandlungen H^
4 5 Italias,] Italias H^ A6 geübter bis 47 er] darüber später mit dunklerer
Tinte, nachdem geübter und Alte unterstrichen sind: auf beiden Seiten / Den
20 Fittig spannend, mit gespaltenem Rüken H^ 47 überschwingt] danach ein
Komma getilgt H^ 4 8 Zulezt die Alpen] später durch Nummern umgestellt:
die Alpen Zuleit W 4 9 Priesterin, die stillste] Priesterin, stillste H^
Gottes,] Gottes H^ 50 die zu gern] die über der Zeile H^ schweigt,]
schweigt H^ 51 Auges] Augen H^ schaute,] schaute H^ 53 Todt-
25 'drohend aus Todtt 56 selbst,] selbst 58 schnell üJcr Zci7e i / ^
erkennend,] erkennend H ^ 59 unzerbrechliche] unzerbrechtliche
(Schreibfehler) H^ 60 laut,] laut 61 Jugendliche aus jugendliche
62 —64 ohne Anführungszeichen H^ 62 auserwählt,] auserwählt H^
64 stark aus w H ^ geworden,] (1) geworden H ^ (2) geboren. (3) wor-
30 den über den beiden letzten Silben H^ 65 . 66 blühendem Mohn / Voll süßen
aus: blühendem / Mohn, voll des H^ 6 8 Stolz] Stolz, H^ staunten]
staunten, H^ 70 Meß ich] in derselben Zeile nach breiter Lücke und über dem
nächsten Fers von ganz später Hand, mit dunkler Tinte und klecksender Feder: ein
Bräutigam / wo viel Fieber /uns/(er) unser harrten, Sänften der Creatur, H ^
55 76 allem,] allem, und den Abgrund trägt H^ Cden Abgrund später unterstr.)
739
149-152 Germanien
allem 7 7 Menschen,] Menschen H^-^ 7 9 voll über der Zeile H^
8 2 bist,] bist H^ 8 3 ist,] ist. H^ 8 5 bleiben,] bleiben W 8 7 Denn
Sterblichen] Den Sterblichen H ^ geziemet] gebühret H ^ Schaam,]
Schaam W 8 8 Zeit , ] Zeit W 8 9 Göttern.] Göttern m 9 1 ernst]
Er(n)st H^ geworden ist] ist worden H^ H i m m e l , ] H i m m e l H^ 9 2 5
Tag aas N H^ 9 3 erscheinen.] PurAt aus Komma H^ 9 7 Tochter ]
danach ein Komma getilgt H^ du fehlt H^
9 8 - 1 1 2 fehlt H^ Erläuterungen
Der Gesang gliedert sich in sieben sechzehnzeilige Strophen, ist also nicht triadisch 10
gebaut.
1 die Seeligen] Im Rhein v. 110 heißen die Götter die Seeligsten.
2 in dem alten Lande] Griechenland.
8 umschattet] Vgl. Heimkunft v. 2 und die Erläuterung z. St.
12 Und rükwärts soll die Seele m i r n i c h t f l iehn] Vgl.Die Wanderung v. 86 f.: 15
Doch Menschen Ist Gegenwärtiges l ieb ; Am Quell der Donau v.74: Und wohl-
geschieden; V. 86: Die ruhn nun.
14 euer schönes Angesicht] Nur in erfüllten Zeiten ist es dem Menschen mög-
lich, die Offenbaren, das Antliz (Brodund Weinv. 8S) der Götter zu schauen. Vgl.
Griechenland, 2. Fassung, v. 22-29(5.256); femer Rilke, Duineser Elegien 1,4-7: 20
Denn das Schöneist nichts/ als des Schrecklichen Anfang, den wirnoch grade er-
tragen, / imd wir bewundem es so, weil es gelassen verschmäht, / uns zu zerstören.
2 5 Ein goldner Raucl»] Vgl. Patmos v. 27: Im goldenen Rauche.
2 9 Die Alten, so die Erde neubesuchen] Das Göttliche bleibt von Ewigkeit zu
Ewigkeit; die Erscheinungsformen der Götter wechseln (vgl. v. 18). 25
3 1 Göttermenschen] Die Götter heißen hier wohl deshalb so, weil sie jetzt bereit
sind, den Menschen in einer Gestalt zu erscheinen, die ihnen nicht gefährlich ist.
3 3 Es ist zu beachten, wie von dieser Strophe an das auffallend alternierende Silben-
maß, das in den beiden Anfangsstrophen die fünffüßigen Jamben überwiegen läßt,
hörbar aufgegeben wird. Nur die Verse 49—58 greifen den alternierenden Ton noch 30
einmal auf. Darm trägt die beschwingtere Versart endgültig den Sieg davon.
3 3 i m Vorspiel rauherer Ze i t ] Vgl. Brod und Wein v. 115-118.
3 6 prophetische Berge ] In der letzten Fassung der Elegie Stutgard ist v. 59 von
den uralt deutsamen Bergen die Rede. Asias Propheten haben taglang auf Ber-
gen gewurzelt (Am Quell der Donau v. 83). 35
740
Germanien 149-152
4 0 Das treue Bi ld ] Das Bild, das nun das schreckliche Antlitz des Gottes mit
Kunst deckt; vgl. Griechenland, 2. Fassung, v. 2S (S. 256).
4 1 es tönt im innersten Haine] Wie einst in den prophetischen-Hainen D o -
donas (vgl. Der Archipelagus v. 227 und die Erläuterung z. St.).
5 4 2 - 4 8 Der Weg des Adlers ist auch der, den die menschenbildende Stimme geht
(Am Quell der Donauv. 35—42). Vgl, auch denhymnischenEntwurf Der Adler v.l—2 h
4 2 Indus] Vgl. Der Adlerv. 10.
4 3 . 4 4 des Pamassos Beschneite G ip f e l ] Vgl.Menons Klagen um Diotimav. 114
und die Erläuterung z. St.
10 4 6 D e m Vater] In griechischer Zeit mit dem Namen Zeus genannt; nicht wie
sonst sucht der Adler Beute, da er in Griechenland schöne Jünglinge wie Garvpned zum
Olymp entführte. Jetzt fliegt er, geübter im Fluge / Der Alte, weiter in die Welt.
4 9 Die Priesterin] Germania wird mit der Bezeichnung ihres erst künftigen Berufs
(siehe v. 110) eingeführt.
15 5 0 die zu gern in tiefer Einfalt schweigt] Vgl. Gesang des Deutschen v.llf.
52 . 5 3 ein Sturm / Todtdrohend über ihrem Haupt] Die Wirren der Revo-
lutionskriege.
5 4 ein Besseres] Das heißt: besser als die Errungerischaften der Schlachtfelder.
5 8 Drum sandten sie den Boten] Das sind die Götter weit i m Himmel (v. 55).
20 5 9 unzerbrechliche] Germania ist von Krieg und Kriegsgeschrei in ihrem inner-
sten und eigensten Wesen unberührt gehlieben. Sie vernimmt nur ein ander W o r t
(v. 60), das Wort von dem schweren Glück, das sie, auserwählt, zu tragen stark ge-
worden ist.
61 Der Jugendliche] Der Adler, der v. 47 noch der Alte hieß, hat sich an seiner
25 begeisternden Sendung verjüngt. Er ruft die Botschaft der Götter jugendlich — vgl.
Der Rhein v. 21), wo ebenfalls die Erscheinung des Gottes den Betroffenen jugend-
lich findet.
6 3 ein schweres Glük] Vgl. Der Rhein v. 205; in dem Brief an Gonzenbach vom
Januar 1801 CErlauben Sie, daß i c h . . . ) erwähnt Hölderlin die schwerste und
30 schönste aller Tugenden, die, das Glük zu tragen.
6 5 Die wörtliche Rede des Adlers geht weiter bis zum Schluß des Gesangs.
71 Am Mittag] Germania hat in der Mittagshizze (Am Que// der Donau v.54)
schlummernd ihre geheimen weitreichenden Kräfte gespart, um sie jetzt im
Augeriblick der Berufung wachend zu entfalten (Nürtinger Abschiedsbrief an den
35 Bruder, Dezember 1800).
741
149-1S2 Germanien
72 Die Blume des Mundes] Die Sprache.
7 4 quillen] Vgl. Brod und Wein v. 10 und die Erläuterung z. St.
7 7 Die Verborgene] Vgl. den Entwurf zur Fortsetzung des Gesangs Der Mutter
Erde, besonders S. 683, Zeile 24 und 28, S. 684, Zeile 2.
8 9 von Göttern] Abhängig von reden; »Der Mensch ist weise, der die meiste Zeit 'i
so, das heißt: schamvoll, von Göttern redet — nur selten ist ihm erlaubt, das Göttliche
offen zu nennen.«
9 1 der Zorn an dem H i m m e l ] Das Zeichen für die Wiederkehr der Götter; vgl.
z.B. Die Titanen v.83.
9 3 Einsmals] Mundartlich für »einmal«; vgl. Mörike 2, S8S, 29; 41S, 37 10
Maync (Maler Nohen); i, 12S, 37; 128, 1; 160, 16 Maync (Das Stuttgarter
Hutzelmännlein).
9 4 — 9 6 Der Name des Heiligen darf jedoch nicht ausgesprochen werden. So scheuten
sich die Juden, den Namen ihres Gottes zu nennen oder zu schreiben: 2.Mose 20, 7;
S.Mose S, 11. 15
9 7 nenne] Derselbe Imperativ steht schon v. 83 und wird hier verdeutlicht.
1 0 0 Vergangengöttliches] Aus griechischer Zeit —vgl. v.l3: Vergangene!
1 0 3 in der Mitte der Ze i t ] Im gegenwärtigen Augenblick zwischen Vergangenheit
und Zukunft.
105 der Aether] Erst wenn der Vater Aether von allen erkannt ist, kann Gött- 20
liches wieder unter Menschen wirken; vgl.Brod und Wein v.lS3 f.; Der Wanderer,
2. Fassung, v. 98 und die Erläuterung z. St.
1 0 6 zur Erinnerung] Die griechischen Göttergestalten werden, selber dann ohne
Anspruch auf Verehrung, unbedürftig (v.l07), gastfreundlich an den Feiertagen
der künftigen Götter, an Germanias Feiertagen, an ihrem Delos, ihrem Olympia 25
(Gesang des Deutschen v.S7), teilnehmen und sich dabei der vergangenen Feste
Griechenlands erinnern: vgl. Der Archipelagus v. 271—277.
1 1 1 wehrlos] Siehe die Einleitung zu den Erläuterungen des Gesangs des Deutschen.
1 1 2 Den Königen und den Völkern] Altgeheiligte Rechtsformel: vgl. Livius 21,
43, 11: populi regesque. Auch bei Goethe ist, in Wilhelm Meisters Lehrjahren 30
8, S(Weimarer Ausgabe Abt.IBd. 23:200, 4-6), die Redevon jenen hohenFeier -
l ichkeiten, wenn Könige und Völker zu Zeugen ihrer Verbindungen die Göt -
ter am Altare anrufen; vgl. femer ConradFerdinandMeyer, Der Heilige, 1 S.Ka-
pitel: und daß niemand daran zweif le , verkündige i ch Königen und Völkern,
daß i ch m i c h lossage von me inem Vater. 35
742
Der Einzige- IS3-164
DER E I N Z I G E
Dieser und der folgende Gesang (Patmos) mögen, nach Hellingraths ansprechender
Vermutung (4, )61), noch vor der Abreise nach Bordeaux, also im Herbst ISOl, ent-
worfen worden sein. Ihre endgültige Gestalt finden die ersten Fassungen (Der Ein-
5 zige reift allerdings nicht zu gänzlicher Vollendung) wohl im Herbst 1S02, nach
der Regenshurger Reise, von deren günstiger Wirkung der Brief der Mutter an
Sirwlair vom 20. Dezember 1802 ausdrücklich zeugt. — Die zweite und die dritte
Fassung sind vermutlich im Sommer und Herbst 1803 entstanden.
Überlieferung
10 Erste Fassung:
H^ : Homburg F lf-19 (s. die Beschreibung S. 380).
Zweite Fassung:
H^ : Spätere Änderungen in H^ (feine Feder, blasse Tinte).
H^ (v. Si—91): Warthausen beiBiberach (Riß), Sammlung desFreiherm Koenig
15 von und zu Warthausen: Einzelblatt 24,7 x }8()8,4) cm, obere und linke
Kante beschnitten; gelbliches, feingeripptes Papier; Wasserzeichen: Ge-
kröntes Wappen mit aufgehängtem Posthorn C & I H O N I G .
H* (v. 92-97): Homburg G 8' (s. die Beschreibung S. 766 - Patmos H'):
Rest der endgültigen Reinschrift.
20 Dritte Fassung:
H" : Späte Änderungen in H^ (breite Feder, dunkle Tinte).
H^ : Homburg G 14'-1S^: Doppelblatt 21 (21,S) x iScm, unbeschnitten; festes,
bräunliches, geripptes Papier; Wasserzeichen: Doppeladler unter einer grqßen
Krane, in den Fängen Scepter und Krummschwert, unter den Fängen: I P,
25 mitten darunter: R.
Bis V. 74 erulgültige Reinschrift, dann Grundlage für die Umgestaltung
durch W .
W (v.7 S-88): Homburg J lS:Einzelblatt28,5 (29) xl) ( 1 ) ) cm, alle Kanten
beschnitten; gelbliches, feingeripptes Papier; Wasserzeichen: Gekröntes Wap-
30 pen mit aufgehängtem Posthorn, darunter in drei Zeilen: HONIG &
<Z>OONEN.
743
I S ) - 1 6 4 DerEimige
Erster Druck: I.Fassung (v.lS-SO und 84-91): Carl C. T.Litzmann: Friedrich
Hölderlins Leben. In Briefen von und an Hölderlin, Berlin 1890, S. 619-621;
(vollständig): Hölderlins gesammelte Dichtungen, hg. von Berthold Litzmann,
Stuttgart (1896), 1268-271. - 2.Fassung (v.S)-97); Corona X(1941) S.270-
272. - 3. Fassung: Hellingrath 4, 2)1-2)4 und )S9f. 5
Lesarten der ersten Fassung (H^)
1 es leicht unterstrichen (vgl. v. 2 u. S) H^ 2 alten leicht unterstrichen H^
5 v/ic leicht unterstrichen H^ in nac/i g'eätr.; verkaufft bin ich H^ 8 Kö-
nigsgestalt aus Königst H^ 10 Sülm' in aus: Söhne zeugt in H^ Art nach
gestr. Weis(e) H^ 15 des aus der 2 6 . 2 7 Und gesungen Gottes Bild / 10
Hab' ich aus: Und gesagt hab' ichs, Von Gottes Bild, H^ 38 du fehlt H^
39 da vor gestr. ich H^ 41 und vor gestr. die H^ 43 Und nach gestr.
Jezt H^ ist voll aus; ist / Voll H^ 50 an] danach ein Komma getilgt H^
52 kühn vor gestr. ich H^ 54 An aus D H^
64 Derselbe der,] danac/i eine L ü c A e B i s zum unteren Rande der Seite (17) 15
bleibt nach Maßgabe der gegenüberliegenden Seite 16 noch Raum genug für die an
der vollzähligen Strophe (Epode) fehlenden sechs Verse. Die nächste ausgeführte Zeile
(v.71: Denn nimmer. . . J steht oben auf Seite 18 und eröffnet also die 7. Strophe. Für
deren übrige elf Verse wird bis zur 8. Strophe genau bemessener Raum frei gelassen.
85 nemlich über mir H^ 86 : Gut machen will ich den (1) Fei (2) Fehl 20
später aus: Gut will ich aber machen / Den Fehl, mit nächstem Cnächstem als
mißfallend schräg unterstrichen) H^ Diese Änderung, mit andrer Tinte und
Feder als die Niederschrift der Verse 71a —o und sicherlich früher, beseitigt nicht
nur die anstößige Wendung mit nächstem, sondern spart auch einen Vers ein, und
dadurch wird die in der Handschrift allerdings nicht ausdrücklich vollzogene, offen- 25
bar aber beabsichtigte Herübernahme des Verses 94 möglich, der in erster Nieder-
schrift oben auf Seite 19 die 9. Strophe eröffnet. Nun hat diese auch 11 Verse wie
die erste Epode (v. 2S—)5); auch erscheint die jetzt mit dem Beginn der Parenthese
V. 9S—102 zusammenfallende Strophenfuge rhythmisch befriedigender.
96 fürchteten über gestr. wunderten H^ 97 Dieweil nach gestr. Wei l H^ 30
101 er vor gestr. axil H^ 102 Lüften,] Lüften iJ^ 105 weltlich'seyn]
unterstrichelt H^
Mit steilerer und kleinerer Schrift wird später, aber noch vor den Änderungen zur
zweiten und dritten Fassung, in den für die nicht ausgeführte 7. Strophe frei ge-
744
Der Einzige- IS3-164
lassenen Raum, ohne Rücksicht auf die strophische Gliederung des Gesangs, die fol-
gende Erweiterung eingefügt (v. 71 o steht zwischenv. 8) undS4 der ersten Fassung):
71 a : Und weiß nicht alles. Immer stehet irgend
b : [Ein] Eins zwischen Menschen und ihm.
C : Und treppenweise steiget
d : Der Himmlische nieder.
e : Es hänget aber an Einem
f : Die Liebe. Ohnediß ist
g : Gewaltig immer und versuchet
10 h : Zu sterben eine Wüste voll
i : Von Gesichten, daß zu bleiben in unschuldiger
k : Wahrheit ein Leiden ist. So aber
1: Lebt die. Aus und ein geht Himmlisches,
m : Ein anders rüstet sich anders. Nemlich es fängt an alt
15 n : ZuwerdeneinAuge,dasgeschauetdenHimmelthronendunddieNacht
o : Vom Griechenlande. Jener aber bleibet. Dißmal H ' "
C treppenweise aus Treppenweise g Gewaltig] Gewältig (Schreib-
fehler) H'«
g und vorsuchet bis k aber] und (1) berauschet
20 Von Gesichten, daß zu bleiben
daß
(2) vermuthet
(3) versuchet
Zu sterben eine Wüste voll
25 Von Gesichten, daß zu bleiben in unschuldiger
Wahrheit ein Leiden ist ("aj und / Daß man
(b) . So aber H"
1 ein aus eing //•'<» Himmlisches vor nicht gestr.: Anders rüstet
n Auge aus dem Ansatz zu S (?) U^" O Dißmal] damit ist an das Wort
30 Diesesmal v. 84 erster Fassung der Anschluß hergestellt; in v. 8! wird ahei für
nemlich eingesetzt. H^'*
Von derselben Hand werden auch noch v. 89.90 erster Fassung geändert:
745
I S } - 1 6 4 Der Einzige
Nie treffen, wie sie wünschen, Männer das Maas
Ein Gott weiß aber
Lesarten der zweiten Fassung (H^, H^, H*)
Bis zu V. Si der ersten Fassung weichen die drei Fassungen des Gesangs rmr in ein-
zelnen Wendungen voneinander ab. Dann setzen in der zweiten und der dritten Fas- 5
sung Umgestaltungen ein, die sowohl mit der ersten Fassung als auch untereinander
nur wenig Berührungspunkte haben. Die mit H^ bezeichneten Änderungen zur zwei-
ten Fassung in der Handschrift der ersten (li^) werden hier lückenlos angegeben.
Aus H^ werden nur die Abweichungen vom Text angeführt.
1 — 5 2 : fehlt H^ (Die Handschriß setzt mit v.S} ein, das Vorangehende ist nicht 10
etwa verloren.)
1 - 9 1 : fehlt H* (Dieser Teil der Handschrift ist verloren.)
5 himmlischer H ^ fauj himmlische jF/-*) 6: (1) Gefangenschaft ver-
kaufft H ^ (2) Gefangenschaft verkaufft, in flammender Luft H ^ (3) gebükt
üfterverkaufft 7 vro] danach ein Komma H^ wie Steine sagen üÄer cfer 15
Zeile W 10 Söhn W (aus Söhn' B^)
2 8 — 3 0 : I : Den Menschen, aber dennoch H ^
I I : über der Zeile:
denn (1) fast in der Jugend (a) zählbar
(b) das Himmlische zählbar 20
(2) sehr dem Raum (a) gl
(b) gleich ist
unter der Zeile:
Das Himmlische (1) gegenwärtig, zählbar, aber dennoch
(2) reicht 25
(5) reichlich, in der Jugend H ^
I I I : am rechten Rand:
Den Menschen, denn sehr dem Raum gleich ist
Das Himmlische reichlich in
Der Jugend zählbar aber dennoch H ^ 30
3 1 : O du der Sterne Leben und all unter v. 29 erster Fassung H^ 32 des
Lebens H^ (unter: der Götter H^)
50 — 52 : In der Handschrift ist an der Gestalt der ursprünglichen sechs Ferse
(4S~Si) erster Fassung nichts verändert. Wahrscheinlich waren sie in der (bis auf
746
/ /
ij / /
i/Co Au VAV». .
. u f
T • VW
v i L / j ^ A
•i. i • Ij. J i i A (iwtlii
MJ ^ •
^ /I /J.
^ ^ V V a
•HJ
' ?
Der Einzige- IS3-164
die Schlußzeilen verschollenen) endgültigen Reinschrift der zweiten Fassung (H*)
zu drei Fersen zusammengefaßt, wie es im Text versucht worden ist, so daß eiru
Strophe von 12 Versen entsteht. Vielleicht ist diese Strophe auch als Epode der zweiten
Trias aufzufassen. Dann hätte man sich nach v. 49 noch eine Antistrophe einge-
5 schoben zu denken. Jedenfalls sind die drei letzten (in H^ an v. 61 anschürenden)
Strophen mit dem betont neuen Einsatz v. 62 und den Enjambements in den beiden
nächsten Strophenfugen so deutlich als Trias gestaltet, daß man für die endgültige
Reinschrift (H*) durchgehenden triadischen Aufbau annehmen darf.
5 2 Eviers mit zwei schrägen Parallelstrichen leicht unterstrichen H^
10 5 3 : Dieser Vers setzt in H^ an dem sehr schmalen linken Rand genau neben v. S4
erster Fassung (An den Wagen spannte) ein und nicht auf der noch ganz leeren
rechten Hälfte der Seite, die viel mehr Raum geboten hätte. Diesen Raum machen
sich dann auch einige weitere Entwurfsverse der zweiten Fassung ebenso wie später
etliche Verse der dritten Fassung zunutze. Der Ort, wo der Vers Die Todeslust... zu-
15 erst versucht wird, beweist, daß hier die zweite Fassung des Einzigen fortfährt. So
erklärt sich auch das scheinbare Durcheinander der ersten Entwürfe zur Fortsetzung
der zweiten Fassung auf Seite 17 der Handschrift (vgl. das Faksimile): der Schltfß
des nächsten und einige weitere Verse werden weiter oben im Strophenzwischenraum
und dann unbekümmert darunter zwischen den Teilen 48—S) erster Fassung nieder-
20 geschrieben, spätere Motive in der rechten Spalte und am oberen Rande der Seite — da
war aber schon das Blatt H^ angelegt, auf das also zunächst die Verse S3—61 in vor-
läufiger Reinschrift übertragen und dann die folgenden niedergeschrieben werden,
nach gelegentlichen Zwischenentwürfen auf Seite 17 der Handschrift H^ (die hier,
wie ausdrücklich nochmals betont sei, lückenlos verzeichnet werden) und sicherlich
25 noch auf einem andern, nicht mehr vorhandenen Blatt.
5 3 - 6 1 :
I : lirtks neben v. S4—S9 erster Fassung:
5 3 : Die Todes - / lust der Völker / aufhält und zerreißet / den Fallstrik,
5 4 : Fein sehen die / Menschen
50 über v. 48 erster Fassung:
daß sie
5 5 : (1) Zu weit nie gehen
(2) Nicht gehn den W e g des Todes und hüten das Maas, daß einer
links vor und zwischen v. 49—!4 erster Fassung:
35 5 6 : Etwas / für sich ist, den Augenblik
747
153-164 Der Eindge
57 : Das Geschik der großen Zeit auch
58 : Ihr Feuer fürchtend, treffen sie, und wo
5 9 : (1) Zu weit
(2) Des AVegs ein anderes geht, da sehen sie
60 : Auch, wo ein Geschik sei, machen aber 5
61 : Das sicher (1) den
(2) wie I P
(An dieser Stelle nun wird das Blatt H^ angelegt.)
I I : Text m
c59 Des Wegs iiier ^«itr.: (1) In (2) Zu weit i / ' ' 61 gleichend aus 10
gleich f P ;
67 auch über der Zeile H^ 71 klanglos nach [das] [das] H^
74 : (1) in der rechten Spalte, neben v. SS. S6 erster Fassung:
der Tag
Von dieser Zeit, [und] stillschaffend H ^ 15
(2) Text H^
76—78 : (1) in der rechten oberen Ecke, über v. 44 erster Fassung:
[und] unterhält
Und Kriegsgetön, die Fahne des Kreuz(cs)
Und Pilgrime gehn. 20
(Vielleicht soll unterhält nach Kriegsgetön eingefügt werden.)
in der rechten Spalte, neben v. 46. 47 erster Fassung:
Geschik, die Sonne Christi, geheilet
und Geschichte von dem.
Der Helden H^ 25
(3) Text H^
82 kommen, das sind väterliche Fürsten aus: kommen, vaterlicher Für-
sten H^ 83 Gottgleicher aus G'ö{ttlicher) H^ 86 Loken.] Punkt für ur-
sprüngl. Komma H^ 87 s\c\\ über der Zeile H^ 89 freuet uor ^ertr.;, in-
deß H^ 91 gerettet nach gestr. ger H^ gerettet, H^ (in der linken 30
oberen Ecke, über v. 44 erster Fassung)
95 Zahllose aus Zahle H*
86 — 97 : Wenn die zweite Fassung, wie es wahrscheinlich ist (vgl. die Bemerkung
zu V. S0—S2), in der endgültigen Reinschrift (H*) als triadisch aufgebauter Gesang
ausgestaltet worden ist, so haben die letzte und die viertletzte Strophe dort wohl auch 35
748
Der Einzige- I S 3 - 1 6 4
nicht 12, sondern 13 Verse gezählt wie die Epode der ersten Trias (v. 2S-)7). Dadic
erste Fassung offenbar die Epoden von 11 Zeilen gegen die zwölf zeiligen Strophen
absetzt, auch die dritte Fassung deutlich 12, 12, IS; 12, 12, 1}; 12, 12, (IS) Verse
abwechseln läßt, kann man nicht gut annehmen, daß die zweite die Epoden nicht
5 unterschieden haben sollte. Ein Irrtum in der vorläufigen Niederschrift der letzten
Strophe (H^) ist jedenfalls wahrscheinlicher als in der deutlichen Korrektur der
Epode (v. 2S—S7), d. h. der Erweiterung von 11 auf IS Zeilen durchH^.
Lesarten der dritten Fassung
Der dritten Fassung liegt zunächst die zweite in der Gestalt von H^ zugrunde. Bis
10 iuv. SS werden nur einzelne Wendungen geändert, werden auch alle Neuerungen der
zweiten Fassung übernommen mit einziger Ausnahme der Verse S1 und S2, die wieder
mit der ersten Fassung übereinstimmen. An derselben Stelle, wo die zweite Fassung
von der ersten stärker abzuweichen beginnt, schlägt auch die dritte einen durchaus
neuen Weg ein. Grundlage des Textes sindH^ und, von v.7S an,H^. Die mitH^
15 bezeichneten Änderungen zur dritten Fassung in der Handschrift der ersten (und
zweiten —H^ undH^) werden hier lückenlos angeführt.
1 - 7 4 : fehlt I-P
6 dem Tag nach sprechend] dem Tag nach sehend/:/® (über: in flammender
Luft W ) 12: (1) Der Hohe unter den Menschen? H^ ( = H^) (2) Der
20 Hohe stumwcilcnd (3) Stum weilend unter den Menschen? H ^ (+) Stum
f a ; , weild ("j; weilend unter den Menschen? H® 1 3 . 1 4 : Der hohen Ge-
danken sind / Doch aber viele H^ 15 Gekommen aus H^ (über Entsprun-
gen I-P) des aus den 18 Und H^ fuor Gehöret FP) 2 0 : (1) Ge-
standen oben auf dem Parnaß, H^ ( = H^) (2) Gestanden (a), trauernd an
25 Quellen, (b) immerdar, an Quellen, bei dem Parnaß, H^ (3) Gestanden im-
merdar, an Quellen, auf dem Parnaß H^ 21 Isthmus aus Ists H^
28 Raum aus Rauch H^ 31. 32 : abweichend von der zweiten Fassung gleich
v. 29. SO erster Fassung H^ 33 einen Einen C= i / « ; 37 be-
wahret W verberget H ^ 4 2 sähe, mitten,] (1) fragte
30 C= hP) (3) gestr.; darüber: [sähe] sähe mitten I-P (5) sähe, mitten, IP
Geistern, den Alten]- (1) Alten, f f^ (= I p ) [1) darüber: Geistern danach: den
A l t e n / f « (3) Geistern, den Alten i j « 53 Wiewohl] Wiewohl, i f «
55 cinsichtlich, vor Alters] (1) klarschauend (2) mit Augen (3) einsichtlich,
vor Alters, (1.) Text IP
749
I S } - 1 6 4 Der Einzige
5 6 - 6 1 :
1 : 5 6 : (1) die Irre gerichtet
(2) A m Boden zagend die Irre gerichtet
(3) Die verdrossene Irre gerichtet
5 7 : Der Erde Gott und (1) d 5
(2) beschieden
5 8 : (1) Das Thier , das ohne / Die Nahrung schweift und
(2) Die Seele dem Thier , das lebend
5 9 : V o m eignen Hunger schweift und der Erde nach gieng,
60 : (1) W a h 10
(2) Und (a) W e g e
(b) rechte W e g e (a) gebot er,
(/S) gebot , mi t Einem mal und Orte,
Und {den Grimm) versöhnte (der Völker.)
(3) Aber re / e / chte W e g e gebot ( a ) , mit 15
(b) er, mi t Einem mal
6 1 : Die Sachen auch bestellt er von jedem. H ^
I I : Tezt i / «
65 . 6 6 Vater ist / Derselbe. N e m l i c h ] Vater, ist / Derselbe; nemlich H ^
(aus: Vater, / Derselbe der, H^) 20
6 6 Christus bis 7 4 aber]
I : er hat ja
Auch Eines gehabt, a :
der Ort war aber
Die Wüste. 25
b : das ihn hinweg/we/gerissen
(1) Ein Schiksaal. Das ist.
(2) Und groß über dem Haupt
Des Meinns. Eng aber ist es u m ihn. ( a ) Ein jeder
(a) Derselben hatt' ein 30
(/?) Von jenen hatt' ein Schiksaal. Das ist.
(b) Jeder nemlich hat
71 72 73
Ein Schiksaal. Das ist. I m m e r strebet die W e l t
Hinweg von / v o n / dieser Erde, daß sich die
Entblößet. Aber es bleibt eine Spur 35
750
Der Einzige- IS3-164
74 : Doch eines Wortes; die ein Mann erhaschet. (1) Sein
(2) Der Ort war aber
I I : Christus (1) hat doch auch / Sichtbar
(2) (ist) ja auch
5 6 7 . 6 8 : Gestanden unter freiem (1) Himmel und Gestirn,
Freiwaltendem, über das Ein(^e)sezte
(2) sichtbarem Himmel und
Gestirn, sichtbar
Frei waltendem, über das Ein(g'e)seite / Mit Erlaubniß von Gott,
10 6 9 - 7 4 : Wenn H "
I I I : Text H«
(69 Und nach gestr. Nicht H^ 71 überwächst] nicht unbedingt
sicher, da an dem abgewetzten unteren Rande des Blattes (IS') sich nur die
Oberlängen des Wortes erhalten haben H^ 73 hält.] Punkt für getilgtes
15 Komma iJ® 74 erhaschet aus erhä H^)
75-98: 1: 1: Die Wüste. So sind jene sich gleich. (1) Aber der Streit ist
2: f o ) Deßwegen, weil es scheint
(•JJ Deßhalb, weil die Zeichen an
20 ) : Sich haben. Gemeingeist Bacchus.
4: Christus aber ist
Das Ende. Wohl ist der noch andrer Natur.
(2) Erfreulich. Herrlich grünet
2: Ein Kleeblatt. Schade f a ; war .
25 (b) nemlich war es, (a) wenn
Von solchen [n im] nicht sagen iß) könnte
(y) dürfte von solchen
3: Nicht sagen unser einer, daß es
30 4: Heroen sind. Viel ist die Ansicht. Himmlische sind
/ ; Und Lebende (1) die gan^ze Zeit)
(2) beieinander die ganze Zeit, ein großer Mann
6: Im Himmel auch, (1) kennt
(2) begehrt zu einem auf Erden. Immerdar
35 7 ; Gilt diß, daß alltag ganz ist die Welt . Oft aber (1) /Scheint
(2) scheint
751
I S } - 1 6 4 Der Einzige
S; Ein Großes nicht (1) zusamment(au^€n)
(2) zusammemutaugen
9: Zu Großem. Allzeit aber stehen
10: Die schaiT<cndm ( ? ) )
Das Folgende gegenüber in der rechten Spalte der Seite 16: 5
11: Jene drei sind aber (1) daß sie sind
(2) /
12: Das, daß sie unter der Sonne
IS : W i e Jäger der Jagd sind oder
14: (1) Ein Akersmann oder Bettler. / Nicht so sind andere Helden 10
(2) Ein Akersmann, (a) der Ton Ar(beit)
(b) der athmend von der {Arbeit)
IS: Sein Haupt entblößet H^
I I : 1: Die Wüste. So sind jene sich gleich. Erfreulich. Herrlich grünet
2: Ein Kleeblatt. Schade war'es, dürfte von solchen 15
S: Nicht sagen unser einer, daß es
4: Heroen sind. Viel ist die Ansicht. Himmlische sind
S: Und Lebende beieinander (1). (2), die ganze {Zeit}. Ein großer Mann,
6: Im Himmel auch, begehrt zu einem, auf Erden. Immerdar
7: Gilt diß, daß, alltag, ganz ist die Welt . Oft aber scheint 20
8 : Ein Großer nicht zusammenzutaugen
9: Zu Großen. (1) Allzeit
(2) Die stehn allzeit, als an einem Abgrund, einer neben
10: Dem anderen). Jene drei sind aber
11: Das, daß (1) unter 25
(2) sie unter der Sonne
12: Wie Jäger der Jagd sind, oder
IS : Ein Akersmann, der athmend von der Arbeit
14: Sein Haupt entblößet, oder Bettler.
1S: Nicht so sind andere Helden. (1) Aber der Streit ist / Deßwegen, weil 30
(2) der Streit ist aber, der mich
16: Versuchet dieser, daß aus Noth als Söhne Gottes
17: Die Zeichen jene an sich haben. Denn es hat noch anders, räthlich,
18: Gesorget der Doimerer. Christus aber (1) wahret
752
Der Einzige- IS3-164
(2) reget
(3) bescheidet sich selbst.
19: Wie Fürsten ist Herkules. Gemeingeist Bacchus. Christus aber ist
20: Das Ende. Wohl ist der noch andrer Natur; erfüllet aber
5 21: Was noch an Gegenwart
22: Den Himmlischen gefehlet an den andern. Diesesmal
H«
I I I : Tert H l
C76 war über der Zeile H^ 77 sagen nach gestr. lan H'' schlechten
10 über gestr. langen H'' 79 Aber nach gcstr. Sehr H'' 84 heiligen
nach gestr. Sch H^ 88 diß] davor ein Komma getilgt H^ 93 daß
aus das W 96 Schön nach gestr.: (1) Freundlich (2) L(ieblich) W )
<99 - 1 1 1 > : Die beiden letzten Strophen inH^ werden in.der Absicht umgestaltet,
drei daraus zu machen. Die abschließende Epode nun ist entweder nicht ausgeßihrt
15 worden oder verschollen. (Die beiden Strophen v. 7S—98 füllen genau Vorder- und
Rückseite des Einzelblattes W.) Der Grundriß für v. (99-111) liegt in den Ver-
sen IS-22 des II. Ansatzes (H^) bereit.
Erläuterungen
Der Gesang ist, wie sich vor allem, aus der dritten Fassung schließen läßt, triadisch
20 geplant. In der unvollendeten ersten Fassung sollten die Strophen vermutlich nach
dieser Regel wechseln: 12, 12, 11; 12, 12, {11); (12), 12, 11 (vgl. in den Les-
arten die Bemerkungen zuv.64 und 86). — Die Reinschrift der zweiten Fassung ist
bis auf die 6 letzten Verse verschollen. Die acht aus den Entwürfen zu gewinnenden
Atrophen zählen bis auf die dreizehnzeilige dritte (die Epode der ersten Trias!)
25 durchweg 12 Verse. Doch wird der metrische Aufbau der Reinschrift mit dem der drit-
ten Fassung übereingestimmt haben (vgl. in den Lesarten dieBemerkung zu v. 86—97).
— Die dritte Fassung, nicht ganz vollendet, ist deutlich triadisch gebaut: 12, 12, IS;
12,12, n; 12,12,(1}).
Fallende Verse (siehe S. 681 Z. 4—IS) komrrten in der ersten Fassung noch nicht vor,
30 sind aber in den beiden andern nicht mehr vermieden; vgl. in der zweiten Fassung
v,7 3, in der dritten v. 79.
In der ersten Fassung und den nur geringfügig abweichenden Anfangshälften der
beiden andern fällt eine Vorliebe für kurze Verse auf, während in den späten Bearbei-
tungen ungewohnt lange Verse sich häufen.
753
I S } - 1 6 4 Der Einzige
Erste Fassung:
7. 8 Apollo . . . In Königsgestalt] Fgl. Sophokles, Oedipus der Tyrann v. 80;
Jias vJOh äva^ 'AnöUtav, in Hölderlins Übersetzung: König Apollon; Homer,
Ilias 1, S6; Aeschylus, Agamemnon v. 51) und sonst.
10 Zevs] Allermeistens gibt Hölderlin, entsprechend dem allgemeinen, vom Neu- 5
griechischen ausgehenden Brauch seiner Zeit, altgriechisches EV nicht, wie heute
üblich, mit eu wieder, sondern mit ev; vgl. Evangelium (eHayyiXiov), Levkoie
(?MVx6tov).
12 Der Hohe] Vgl, (Der Ister} v. 56 und die Erläuterung z. St.
16 große Seelen] Durch Gottesbegeisterung wird im Menschen die fieyakiipvxla 10
bewirkt, der hohe Sinn, Seelengroßheit, Hoheit der Seele (vgl. Klopstock: Ein
Gespräch von der wahren Hoheit der Seele; Werke, 11.Band, Leipzig 1816,
S. 2SS-292; femer Goethe, Torquato Tasse v.liSl: Der Seele Hoheit ; -
Winckelmann nennt solche Sinnesart erhabenes Denken (vgl. Wolf gang Schade-
waldt: Winjckelmann und Homer, Leipziger Universitätsreden 6 (1941), S.19—21). 15
19 Elis] Die peloponnesische Landschaft (mit der Hauptstadt gleichen Namens
am Peneus), worin Olympia liegt, der Schauplatz der panhellenischen Kampf spiele,
die dem Zeus geweiht waren.
20 Parnaß ] Der dem Apoll und den Musen heilige Berg bei Delphi, dem Schauplatz
der Pythischen Spiele. 20
21 Isthmus] Auf dem Isthmus von Korinth fanden zu Poseidons Ehren die Isthmi-
schen Spiele statt. (Das vierte Nationalfest, die zu Nemea in der nördlichen Argolis
ebenfalls dem Zeus daxgebrachten Kampfspiele, erwähnt Hölderlin hier nicht.) —
Auf den Höhn des Korinthischen Isthmus gibt der liebe Vaterlandsboden dem
Hyperion (1,7) zum erstenmal wieder Freude und Leid. 25
23 Smyrna und 24 Ephesos stehen für lonien; vgl.DerArchipelagus v.f;279;
Die Wanderung v.6S; 86. —Hyperion 1, }l—66 (Smyrna), besonders 1, 66: Dort
hinein auf den Tmolus (östlich von Smyrna} war ich gegangen in einsamer Un-
schuld; dort hinab, wo Ephesus einst stand in seiner glüklichen Jugend imd
Teos und Milet, dort hinauf ins heilige trauernde Troas war ich mit Alabanda 30
gewandert.
33 den lezten eures Geschlechts] Christus erscheint als Letzter des olympischen
Göttergeschlechts auch in der Elegie Brod und Wein v. 129 f .
36 Mein Meister und Herr] Fgl. v. 92. - Joh. 1}, 13: Ihr heißet mich Meister
und Herr, und sagt recht daran, denn ich bin es auch; Matth. 23, 10: Und ihr 35
754
Der Einzige- I S 3 - 1 6 4
sollt euch nicht lassen Meister nennen; denn Einer ist euer Meister, Christus.
4 5 eifertet] Das Pronomen ist dem unmittelbar folgenden Vokativ sinngemäß zu
entnehmen. — eifern mundartlich für »eifersüchtig sein«; vgl.Hermann Fischers
Schwäbisches Wörterbuch 2,S68; auch 4. Mose f,14; Sprichw. Sal. 6,34; Jes.
5 Sirach 9, 1 (Adelungs Wörterbuch 1, IS32).
ihr Himmlischen] Diese ganz ernst zu rühmende Anrede bezeugt, dqß die Bezeich-
nung Christi als des Einzigen die griechischen Götter nicht im Sinne des christlichen
Dogmas ausschließt, sondern ihn aus ihrer Mitte heraushebt, ihn auszeichnet wegen
seiner einzigen Bedeutsamkeit für die Zeit zwischen den Zeiten, als die übrigen
10 Himmlischen nicht wirksam, nicht stark (Diotima v.l8; 5. 28) waren.
5 1 Herakles Bruder] Hier wiederholt der Dichter sein Bekenntnis, daß er sich mit
dem griechischen Heros verwandt fühlt; vgl: {An Herkules) v. 41—48, wo er sich dem
Sohn Kronions an die Seite stellt wie ein sterblicher Kastor seinem unsterblichen
Bruder Polydeukes — siehe die Erläuterung zu v. 47 f . der Hymne an die Freund-
15 Schaft (1, 46S f.). (Hölderlin betont den Namen Herakles auf der zweiten Silbe;
vgl. die Erläuterung zu Chiron v. S2.)
5 3 des Eviers] Vgl. 1, 462, 4—6. Aus dem bakchischen Kultruf evot entwickelte
sich das Adjektiv EÜiog als Bezeichnung des Dionysos und seines Kultes (Euripides,
Bacch. v. 1S7: e&a r6v eütov dycd^/ieim &s6v; v. 238: rsAeräe . • • eitovg).
20 Zum Eigennamen verselbständigt ist das Wort bei Euripides, Bacch. v. S66 und 579 :
EÜIOQ - vgl.Brod und Wein v. 123 (H^"): Evios; Oedipus der Tyrann v. 216 (211):
olv&na Bdxxov eSiov: Den berauschten Bacchus, den Evier; Aruigonä v.lOOl
(964): eßiöv re nUg: und das evische Feuer. — Auch bei lateinischen Dichtem
heißt Bacchus Evius (z.B. Horaz, carm.l, 18, 9; 2,11,17), in neueren Ausgaben
25 Euhius geschrieben. — Zur Wiedergabe des griechischen v durch v vgl. die Erläute-
rung zu v. 10.
6 2 Die weltlichen Männer] Männer sind die Halbgötter, Söhne des Gottes und
einer menschlichen Mutter, wie Christus und der Evier und Herakles, der in der Ode
Chiron v.l8 der gerade Mann genannt wird. Die griechischen Halbgötter sind die
30 weltlichen im Gegensatz zu dem geistlichen, christlichen Jesus. Der anschließende
unvollendete Satz will die Schaam als unbegründet erweisen: die drei Männer, die
beiden weltlichen wie auch Christus, haben doch einen und denselben Vater — vgl.
die dritte Fassung v. 64-66; dort wird Christus wieder ein Mann genannt (v.74).
71 Denn nimmer herrscht er allein] Halbgötter sind immer als Mittler'zwischen
35 dem höchsten Gott und den Menschen notwendig. — Siehe in den Lesarten die spätere
755
I S } - 1 6 4 Der Einzige
Erweiterung v.71 a—o. Dort ist der Wechsel in den Erscheinungsformen des Gött-
lichen deutlich gemacht. Immer stehet irgend / Eins zwischen Menschen und
ihm (v.71a.b) —irgend Eins, also nicht immer dasselbe; in griechischer Zeit waren
es der Evier und Herakles, in denen der Himmlische treppenweise (v.71c) zu den
Menschen hemiederstieg, in neuerer Christus, der keinen gleichaltrigen Halbgott 5
neben sich hat. Wie die Liebe der frommen Griechen an mehreren Halbgöttern als
Mittlem des Höchsten hing, so hängt in neuerer Zeit die Liebe der Christen an
Einem (v.71e und 8S), an dem Einzigen, dem jüngsten, dem lezten (v. }}) unter
den tapfern Söhnen der Götter (v. 30). Diese Liebe erhält dem Frommen in Über-
gangs- und Zwischenzeiten, in Zeiten der Wildniß (Die Titarun v. 22; {Wenn 10
aber die Himmlischen...) v. 41) und der Wüste voll / Von Gesichten (v.71 h.i)
das Leben: So aber / Lebt die (v. 71 k.l) — nämlich die v.83 f . genannte Liebe,
während das haltlose und bindungslose Denken, das in unschuldiger Wahrheit
nicht zu bleiben vermag, immer versucht ist zu sterben (v.71f—k). — Abermals wird
der Wechsel der gotterfüllten Zeiten betont: Aus imd ein geht Himmlisches (v.711) 15
— vgl. Der Mutter Erde v. 67—70; und weiter der Wechsel der jeweiligen Erschei-
nungsformen des Göttlichen: Ein anders rüstet sich anders (v.71m). Der an-
schließende Satz bringt die Anwendung auf den griechischen Aeon: das Auge, das
den Höhepunkt (den Himmel thronend^ und das Absinken ("die Nacht^ der grie-
chischen Götterherrlichkeit geschauet, fängt an alt / Zu werden, es ermüdet an dem 20
alten Bild und verlangt, ein neues zu sehen, eine andre Erscheinungsform des Gött-
lichen — Jener aber bleibet (v.71o), das ist der Höchste, der Vater, der hier in
heiliger Scheu nxir mit i^m Demonstrativum genannt ist.
84 — 88 Denselben Fehl beklagt der Schluß des Gesangs Am Quell der Donau. —
Hellingrath weist (S. 359) darauf hin, daß der Fehl schon in dem Gesang Patmos 25
gutgemacht ist, wo die Person des Dichters fast ganz zurücktritt.
92 —103 Wie im Homerischen Gleichnis werden zwischen den Wie-Satz (v. 92—
94) und den So-Satz ("Dem gleich. . . v.103) als Parenthese syntaktisch selbstän-
dige, inhaltlich aber zum Wie-Satz gehörige Sätze eingeschaltet — vgl. statt vieler
andrer die beiden unmittelbar einander folgenden Gleichnisse vom Löwen und vom 50
Esel: llias il, S48—56S. Dagegen ist zu beachten, daß in den Gesängen {Wie wenn
am Feiertage...} v.1—9 und Am Quell der Donau v. 25—3S der Wie-Satz noch
durchgehends s;pitaktisch von dem wie wenn abhängt. Vgl. aber den Hymnus Der
Archipelagus v. 139—14S, Stimme des Volks, 1 .Fassung, v. 3 3—36 und den Entwurf
{Wie Vögel langsam ziehn...). 35
756
Der Einzige- IS3-164
9 2 der Meister] Christus; vgl. v. 36.
95 . 9 6 Und viele.. . fürchteten sich] Im Evangelium des Lukas wird im An-
schluß an die Berichte von Christi Wundem (in denen der Vater durch seinen Sohn
sein Äußerstes that — v. 97) fast stets von der Furcht des Volkes gesprochen; vgl.
5 4 ,36 :Undes kam eine Furcht über sie alle... ; S,26: Und sie entsetzten sich
alle, und priesen Gott, und wurden voll Furcht, und sprachen: Wir haben
heute seltsame Dinge gesehen; 7 ,16 : Und es kam sie alle eine Fvircht an, und
priesen Gott, und sprachen: Es ist ein großer Prophet unter uns aufgestanden,
und Gott hat sein Volk heimgesucht. Vgl. auch Marcus S, 33 und 42; femer
10 6, SO: Denn sie sahen ihn alle, und erschraken. Aber alsobald redete er mit
ihnen, und sprach zu ihnen: Seid getrost, ich bin es, fürchtet euch nicht; 9, IS:
Und alsobald, da alles Volk ihn sähe, entsetzten sie sich, liefen zu, und grüßten
ihn.
1 0 0 betrübt] Vgl. Matth. 26, 38 und Marc. 14,34: Meine Seele ist betrübt bis
15 an den Tod; ferner Joh. 11, 33; 13, 21.
103 Helden] Gemeint sind die weltlichen Männer (v. 62), so Bacchus und
Herakles, deren Seele während ihres Erdenwandels gleichermaßen gefangen war.
1 0 4 . 1 0 5 Die den Anteil der geistigen, der christlichen Dichter an weltlichen,
heidnischen Dingen begründende Schlußgnome ist kennzeichnend für Hölderlin, der
20 gern am Ende des Gedichts vom Beruf des Dichters spricht: Der Prinzessin Auguste
von Homburg; (,An eine Verlobte"); Unter den Alpen gesungen; Stimme des Volks,
2. Fassung; Heimkunft; Patmos.
Zweite Fassung:
2 8 — 3 0 Der Einschub, der den v. 28 der ersten Fassung auf drei Zeilen erweitert und
25 so den Umfang der Epode van 11 auf 13 Verse erhöht, spricht von der unbeküm-
merten Sicherheit, womit der Mensch in der Jugend das unendlich schwer zu deu-
tende Bild Gottes und das Himmlische schlechthin wie einen m^baren, zählbaren
Gegenstand der Raumlehre zu überblicken vermeint. — Die Deutung, welche die
Jugend auf das Himmlische bezöge, so daß dem jugendlichen griechischen Poly-
30 theismus ("reichlich, zählbar^ der christliche Monotheismus folgte, wäre wohl zu
gezwungen. Auch wäre dann das Ich des Dichters, dem ja dieser Gesang zu sehr vom
eigenen Herzen geht (v. 84—86 erster Fassung), gar nicht berücksichtigt.
3 1 . 3 2 Für die Götter der ersten Fassung wird hier der Sterne Leben und das
Leben eingesetzt. Dadurch wird das Pronomen euch v.34 unklar; denn es meint ja
757
I S } - 1 6 4 Der Einzige
nicht blqß die Söhne des Lebens, also die Halbgötter oder Heroen. Übrigens ist v.47
der Plural ihr Himmlischen (vgl. die Erläuterung zu v. 45 erster Fassung) stehen
geblieben. — Die dritte Fassung stellt den Wortlaut der ersten wieder her.
52 du bist Bruder auch des Eviers, der] Das Relativum bezieht sich gramma-
tisch — wie in der ersten Fassimg ganz eindeutig — auf den Evier, nicht auf den 5
Bruder. Es ist also der Evier, der die Todeslust der Völker aufhält und zerreißet
den Fallstrik. Aber Christi Bruderverhältnis zu ihm besteht eben darin, daß er die
gleichen Funktionen hat. Durch Bacchus wie durch Christus wirkt der footer der Erde
(siehe v. 87 und 96) für die der Todeslust stärker ausgesetzten Menschen der hesperi-
schen Zeit als der eigentlichere Zevs, der nicht nur, wie für die Griechen, zwischen 10
dieser Erde und der wilden Welt der Todten innezuhalten braucht, sondern den
ewig menschenfeindlichen Naturgang, auf seinem Wege in die andre Wel t ,
entschiedener zur Erde zwingen muß, indem er das Streben aus dieser Wel t in
die andre... zu einem Streben aus einer andern Welt in diese umkehrt: siehe
die Anmerkungen zur Arvtigonä, wo Hölderlin auch ausdrücklich betont, daß in 15
hesperischer Vorstellungsart im Ernste statt Zeus Vater der Zeit (also nicht mehr
Sohn der Zeit, Kronion, Sohn des Chronos — vgl. Natur und Kunst oder Saturn und
Jupiter V. 26 f.!) oder Vater der Erde gesagt werden müsse. — Die paradoxe Auf-
fassung des doch transzendenten Christus (Joh.18, 36) wie auch des schweifenden,
fortreißenden Bacchus (Horaz, carm.}, 25, 1) ist des Nachdenkens wert. Hölderlin 20
sieht die beiden Halbgötter wohl eben wegen dieses ihres Wesens für geschickt an, die
Todeslust aufzuhalten: sie kommen der Todeslust scheinbar entgegen, vermögen
sie darum aufzufangen und die Menschen vor der gänzlichen Auflösung, dem gänz-
lichen Untergang in der wilden Wel t der Todten zu bewahren. — Christus tritt in
der Elegie Brod und Wein leicht an die Stelle seines Bruders, des Weingotts (siehe 25
dort die Lesarten zu v. 155f.).
53 — 9 7 VgLFriedrich Beißner: Ein Hymnenbruchstück aus Hölderlins Spätzeit.
Corona X (1941) S. 270-289. (Die dort versuchte Deutimg muß, da ihr die ge-
nauere Kenntnis der gesamten handschriftlichen Überlieferung des Gesangs noch
mangelt, den Zusammenhang des Warthäuser Fragments (H^) mit dem Einzigen 30
verkennen — siehe besonders S. 27 5.)
53 Todeslust der Völker] Vgl. Stimme des Volks v. 21 (2. Fassung v. 18 f.).
Fallstrik] Vgl. Lukas 21,35: Denn wie ein Fallstrick (lig nayig) wird er kom-
men {der Tag des Weitendes) über alle, die auf Erden wohnen; Jesaja 8, 13—15:
Heiliget den Herrn Zebaoth. Den laßt eure Furcht und Schrecken sein: So 35
758
Der Einzige- I S 3 - 1 6 4
wird er eine Heiligung sein; aber ein Stein des Anstoßens, und ein Fels der
Ärgernis den zweien Häusern Israels, zum Stricke und Falle den Bürgern zu
Jerusalem, daß ihrer viele sich daran stoßen, fallen, zerbrechen, verstrickt
und gefangen werden.
5 57t 58 Das Geschik. . . treffen sie] Fgl. die Anmerkungen zur Antigojw: die
Haupttendenz der Griechen sei es, sich fassen zu können, weil darin ihre Schwäche
lag, da hingegen die Haupttondenz in den Vorstellungsarten unserer Zeit ist,
etwas treffen iu können, Geschik zu haben, da das Schiksaallose, das öva iOQOV,
unsere Schwäche ist; femer (^Versöhnender der du nimmergeglaubt...), 2.Fassung,
10 V. S1: und trift ein Schiksaal darin.
5 9 Des W e g s ] Zuerst hieß es: Zu weit — siehe die Lesarten, auch zu v. SS.
61 sicher] Das Opfer des einzelnen Heroen, der das Geschick trifft, der Geschick
hat, indem er des Wegs, indem er zu weit geht, ist nicht vergebens: die andern er-
kennen, wo ein Geschik sei, das SvanOQOV wird ihnen so abgenommen; doch sie
15 machen das an dem Einen, dem Einzigen erfahrene Geschick sicher, daß es nicht
mehr tödlich und gefährlich wirkt — so gleicht das Unmenschliche, Leben- und
Menschenfeindliche und Ungesetzliche schließlich Menschendingen oder Gesetzen.
62 Zorn] Vgl.Germanien v. 91; Die Titanen v. 82 f.: Wunderbar / Im Zonie
kommet er drauf. Vom Zorn Gottes in der Übergangszeit predigt Johannes der
20 Täufer (Matth. 3, 7; Luk.3, 7). Vgl. auchLuk. 21, 2} und besonders Joh. 3, 36.
63 Zeichen] Apostelgeschichte 2, 19: Und ich will Wunder tun oben im Him-
mel, und Zeichen auf Erden, Blut, und Feuer, und Rauchdampf. Matth. 24, 30:
Und alsdann wird erscheinen das Zeichen des Menschensohnes im Himmel.
6 4 Leiter] Vgl. v.7Ic.d erster Fassung (Lesarten): Und treppemveise steiget /
25 .Der Himmlische nieder.
67 das Lebende] Vgl.Der Gang aufs Land v.lS (Lesarten), wo vorher von des
Himmels Blüthe die Rede ist und dann die Hoffnung sich ausspricht, es möge dem
offenen Blik offen das Lebende (später: der Leuchtende^ seyn; auch Der Rhein
V. 217 f . und die Erläuterung z. St.
30 6 8 heiliggeseztes] Gemeint ist das Gottliche. Denn in den Sophokles - Übersetzun-
gen schreibt Hölderlin: o du / Der eingesezten Götter König für: c5 &eüv... fivaf
(Ajaxv.697 f.);zum geseztenHeerd der Stadt (Antigonä v.1128) für: £<TTioilxov
ig nöhv (v.1083: in die Stadt, die den Herd hat, das heißt: in die heimatlich-ge-
heiligte Stadt); im 2. Kapitel der Anmerkungen zur Antigonä: das Ehren Gottes, als
35 eines gesezten. Vielleicht bringt er (nach Herodot 2,S2) ^eög etymologisierend mit
759
I S ) - 1 6 4 Der Einzige
der Wurzel von Ti&hai: setzen (-•^E-) zusammen. - Vgl. v.6S dritter Fassung: das
Eingesezte.
72 Ungebundenes] Vgl. Stimme des Volks, 2.Fassimg, v. 18; Die Titanen v. 3
und 73; Mnemosyne, 3. Fassung, v.l); Patmos, Bruchstücke der späteren Fassung,
v.72—74; Griechenland, 2. Fassung, v.lS(S. 2S6);femer QVenn aber die Himmli- 5
sehen...) v. 94—96: Denn es hasset / Dersinnende Gott / Unzeitiges Wachstum;
Griechenland, S.Fassung, v. 40f.: Ungemessene Schritte / Begränzt er aber.
73 —75 Von dieser stillschaffenden und ihres Weges ohne die Götter gehenden
Zwischenzeit wird der hassende Zorn des Vaters ferngehalten durch den Tag, der die
verheißungsvolle Blüthe der Jahre einer neuen fruchtbaren Gemeinsamkeit und 10
Beziehung zwischen Göttern und Menschen sein wird. Vgl.Joh. 8, 56: Abraham,
euer Vater, ward froh, daß er meinen Tag sehen sollte; und er sähe ihn, und
freuete sich; Ejih. 4, 30: Und betrübet nicht den heiligen Geist, damit ihr
versiegelt seid auf den Tag der Erlösung; 2.Kor. 6,2: Denn er spricht: ich
habe dich in der angenehmen Zeit erhöret, und habe dir am Tage des Heils 15
geholfen. Sehet, jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils (vgl.
auch Jes. 49,8). — Siehe den Schluß des Briefes an Ebel vom 9. November i 7 9 / ; Sie
wissen, die Geister müssen überall sich mittheilen, wo nur ein lebendiger
Othem sich regt, sich vereinigen mit allem, was nicht ausgestoßen werden
muß, damit aus dieser Vereinigung, aus dieser unsichtbaren streitenden 20
Kirche das große Kind der Zeit, der Tag aller Tage hervorgehe, den der
Mann meiner Seele, (ein Apostel, den seine jezigen Nachbeter so wenig ver-
stehen, als sich selber) die Zukunft des Herrn neimt. — Hölderlin meint
Paulus, der iml.Brief an dieThessalonicher des öfteren von der noQOvaig. rot} xvglov
fjtuäv 'iTjtjov XqiOtov spricht (2,19; 3,13; 4,IS; S, 23). Doch nicht nur bei Paulus 25
kommt diese Prägimg vor, sondern auch in andern Episteln, z.B. l.Joh. 2, 28;
Jac.S,8; 2.Petr. 1,16; 3,4; Petrus erwähnt in dieser Epistel (3,12) auch rijv
noQOvalav Tfjq TOV fieoU •fjfiiQo;. — Vgl. femer denEntwurf (AndieMadojina) v. SS:
Die keimenden Tage.
76 — 82 Nicht nur der künftige Tag hält und unterhält den Vater, sondern auch 30
genug des Gegenwärtigen vermag den Haß Gottes gegen das Ungebundene zu be-
sänftigen.
76 Kriegsgetön] Vgl. Die Titanen v. 33-39.
77 Die Sonne Christi] Vgl. Patmos, 1. Fassung,«. 179-181.•Wennnemlich hö-
her gehet himmlischer / Triumphgang, wird genennet, der Sonne gleich / 35
760
Der Einzige- IS3-164
Von Starken der frohlokende Sohn des Höchsten; (Fersöhnender der du nimmer-
geglaubt...I.Fassung, v. 87 und die Erläuterung z. St.
Gärten der Büßenden] Das mittelalterliche Klosterwesen.
78 Wandern. . . der Völker] Die Völkerwanderung oder die Kreuzzüge, die Fahrt
5 derEdelleutenachJerusalemCPatmos,Bm;/iJtücÄe(fer ipötcrcnFajJun^, v.lS9f.).
78 .79 des Wächters Gesang] Sinnbild für das Wachende, das Bewahren gött-
licher Kräfte in gottfemen Zeiten: wachend zu bleiben bei Nacht (Brod und Wein
V. }6; auch v.l2). Vgl. auch Bruchstück 46 v. S f . (Lesarten): und das Horn des
Wächters bei Nacht; Bruchstück 48 v.l7: Höret das Horn des Wächters bei
10 Nacht.
80 Des Barden] Klopstocks? — Man könnte vielleicht auch an Ossian, denBarden
ohne seines gleichen, Homers großen Nebenbuhler, denken, wie Hölderlin ihn
im Frühjahr 1787 in einem Brief an Nast fEine Neuigkeit!.. .^ nennt.
Afrikaners] Des Augustinus?
15 82 väterliche Fürsten] Wie der Landgraf Friedrich Ludwig von Hessen-Horn-
bürg, dem der Patmos-Gesang gewidmet ist. Ruhmloser v. 80 ist gen. plur. — vgl.
die Lesarten. ,
8 6 Loken] Das sind Kinderlocken — siehe v. 88.
91. 92 gerettet, als / Auf schönen Inseln] Vgl.Elegie v.lll: auf seeligen
20 Inseln und die Erläuterung z. St. Atch ist der Insel Kos zu gedenken, die den väter-
lichen Heros Peleus aus dem Schiffbruch vestgehalten und gerettet hat (Patmos,
Bruchstücke der späteren Fassung, v. IS}—ISS; siehe auch die letzte Fassung).
92 Gelehrt sind die] Prägnant statt: »die sind durch Erfahrung klug geworden«;
vgl. Christian Weise: Masaniello, hg. von Robert Petsch, Haller Neudrucke
25 216-218, 1907, S.S: Was helffen die rauhen und harten Geberden? Ein
frölicher Wechsel der machet gelehrt.
Dritte Fassung:
56 Die verdrossene Irre gerichtet] Entsprechend heißt es in dem Entwurf
{Wenn aber die Himmlischen...) v. 41: die unbeholfene Wildniß; gerichtet be-
30 deutet nicht etwa iudicavit, sondern ordinavit oder direxit.
57 der Erde Gott] Vgl. die Erläuterung zu v. S2 der ersten Fassung.
5 7 - 6 0 Vgl. Am Quell der Donau v. S2-S6; (Wenn aber die Himmlischen...)
V. 48; (Vom Abgrund nemlich...) v.1—10 und Bruchstück 6Sv.} f.: gleich / Dem
Hirsch, der schweifet in der Hiz ie ; siehe auch schon Hjrperion 1, 37: es läuft
761
I S } - 1 6 4 Der Einzige
das Wi ld umher in der Hizze des Tags und seine Augen suchen den Quell. -
Der Evier hat wie Christus dem Menschen, der gleich dem hungrigen Tier ziellos
schweifend der Erde nach gieng, das heißt; <ierTodeslust (2. Fassung v.S}) nach-
geben wollte, die menschliche Seele zurückgewonnen, hat dem Schweifenden rechte
Wege geboten und Orte; das bedeutet hier Ziele, Enden der Wege — vgl. Unter den 5
Alpen gesungen v. 19 und die Erläuterung z. St.; femer {Versöhnender der du nim-
mergeglaubt...), 2.Fassung, v.SJ: Und kommen muß zum heiigen Ort das
Wilde.
6 6 Derselbe] Wie der Vater des Herakles und des Eviers.
Christus] Die v.S8 einsetzende und bis v.6S durchgehaltene Anrede Christi wird 10
hier mitten im Vers schroff in die dritte Person verwandelt. In der zweiten Fassung
vollzieht sich der Übergang wvnerklich: von v. S3 an steht kein Pronomen der zweiten
Person mehr und erst v.77 wird Christus in dritter Person erwähnt.
66 —75 Diese Verse begründen ausführlicher als die beiden ersten Fassungen das
Bruderverhältnis Christi zu den beiden weltlichen Halbgöttern, beginnend mit Nem- 15
lieh (v. 66) und schließend mit einem Quoderat demonstrandum: So sind jene sich
gleich (v. TS).
6 8 das Eingesezte] Vgl. die Erläuterung zu v. 68 zweiter Fassung.
69 —75 Mit Und V. 69 beginnt ein neuer Gedanke: Das in gotterfüllten Zeiten
sicher Gewußte und Gekannte, die Kenntnisse, werden in der verdrossenen Irre der 20
Übergangszeiten unverständlich; in dieser Unverständlich keit bekunden sich die
Sünden der Welt , ihre Absonderung vom Göttlichen; zu der Absonderung kommt es,
wenn das Beständige überwachsen wird vom Geschäfftigen der Menschen. Diese
Sünden der Wel t waren ebenso ob ihm (Christo) wie der Muth des Gestirns, das
zürnende Himmlische: beides versöhnt er miteinander wie der neue Retter, von dem 25
der Greis in der dritten Fassung des Empedokles spricht: Doch was von oben
flammt, entzündet nur Und was von unten strebt, die wilde Zwietracht. Der
Eine doch, der neue Retter faßt Des Himmels Stralen jnihig auf, und liebend
Nimmt er, was sterblich ist, an seinen Busen, Und milde wird in ihm der
Streit der Welt. Die Menschen und die Götter söhnt er aus. — Die Welt v.71 30
ist in demselben Sinn gemeint wie v. 69; sie jauchzet hinweg von dieser Erde in der
halt- und wurzellosen Todeslust (2. Fassung v.S3). Das Menschliche vermöchte
ihr einigen Halt zu verleihen; aber die Wel t gleicht dem seelenlosen Thier, von dem
V. SS f . die Rede war. — Dennoch bleibt in aller Seelenlosigkeit eine Erinnerung an
den ursprünglichen Zusammenhalt: diese Spur eines Wortes, das zum wahrhaft 35
762
Der Einzige- IS3-164
menschlichen Leben gehört wie das Brot und das durch den Mund Gottes geht, gibt
dem Einzigen die Möglichkeit, die Todeslust aufzuhalten und den Fallstrik zu zer-
reißen (2.Fassung v.f}) — der Halbgott, der auch hier ein Mann genannt wird (vgl.
die Erläuterung zu v. 62 erster Fassung), erhascliet die Spur des Wortes in der
S Wüste , wo ihn der Teufel versucht - Matth. 4, 1-4.
7 6 Kleeblatt] Die drei Halbgötter Herakles, Bacchus und Christus.
Ungestalt] Dieses Wort wird für wsprüngl. Schade eingesetzt (siehe die Lesarten).
7 7 gelehrt i m Wissen einer schlechten Gebets ] Das Subjekt des Bedingungs-
satzes, das anfänglich nur unser einer lautete; schlechten steht für wsprüngl.
10 langen: die Bescheidenheit des frommen Dichters wird so noch deutlicher betont, der
sein Wissen um das Wesen der Heroen, der Fe ldherm im Kampf gegen die titani-
schen Mächte des Abgrunds, nicht von ungefähr hat, sondern durch langes, durch
schlechtes Gebet erworben.
7 8 Deß dürfen] »Dessen bedürfen«.
15 8 3 . 8 4 Mittelbar / In heiligen Schri f ten] Fgl. Patmos, 1. Fassung, v. 194.
8 6 W e n n gleich {ein grqßer Mann oder eine große Seele sich) im Himmel (be-
finden, so regt sich in ihnen doch der Wunsch,) zu einem auf Erden (in Beziehung
zu treten). Vgl. die früheren Fassungen, etwa Ansatz U: Ein großer Mann, I m
Himmel auch, begehrt zu einem, auf Erden.
20 8 7 Immerdar bis 8 9 W e l t . ] »Himmel und Erde bilden immerdar ein Ganzes, sind
aufeinander angewiesen.«
9 0 . 9 1 Ein Großer (im Himmel)... Zu G r o ß e m (auf Erden).
9 1 d i e ] Das ist das Kleeblatt der Halbgötter, Jene drei (v. 92).
9 4 — 9 6 Man ist versucht, die drei Vergleiche auf jeden einzelnen der drei Heroen
25 gesondert zu beziehen — dergestalt, daß Bacchus vorzüglich einem Jäger gleicht,
Herkules einem Äkersmann (in Anbetracht der zwölf Arbeiten), Christus einem
Bettler. Damit ist indessen das Wesen der Halbgötter rwch nicht erschöpft. Sie haben
diese Zeichen nur aus Noth an sich (siehe die Lesarten, Ansatz U, v.lS—17), sie
haben sich gewissermqßen aus Noth vermummt; denn die Halbgötter müssen immer
30 grqßer sein als ihr Feld ((Versöhnender der du nimmergeglaubt... ),l.Fassung, v. 7 )).
Der Vater, der Domierer, hat noch anders gesorgt: v. 18—20 des H. Ansatzes (H^)
versuchen, das größere Feld, die eigentliche Aufgabe eines jeden der drei Heroen an-
zudeuten. Dabei wird Christus, dessen Name zweimal vorkommt, besonders hervorge-
hoben, auch in den folgenden Schbißversen (20-22). - Das Wort Fürst ist im ety-
35 mologischen Sinn als der Vorderste, der Beginnende zu nehmen wie im Archipelagus
763
1S3-187 Der Einzige. Patmos
V.167: die Fürsten des Forsts und in dem Entwurf S. 204; W i e Vögel langsam
l i e h n / E s büket voraus /Der Fürst...; auch der Entwurf (?fenn aber die Himm-
lischen. ..) spricht V. 72-78 von dem Beruf des Reinigers Herkules zum Neubeginn:
Ein rein Schiksaal / Eröffnend. — Bacchus heißt in der Elegie Stutgard v. der
gemeinsame Gott; das Wort Gemeingeist begegnet auch in dem Nürtinger Brief 5
vom Dezember 1800 an den Bruder f l eh habe Deinen Briei: e r h a l t e n . . w o sich
die Freude darüber ausspricht, daß in dem bevorstehenden Frieden Gemeingeist über
alles in allem gehen werde; vgl. auch Bruchstück 62 v. 4.
P A T M O S
Vgl. die Bemerkungen zur Entstehung des Einzigen S. 743. — Am 6.Februar 1803 10
meldet Sirwlair, er habe dem Landgrafen das PVidmungsexeinplar (H^) überreicht,
dieser habe das Gedicht »mit vielem Dank undFreude aufgenommen « und freue sich dar-
auf, den Dichter in Homburg zu sehen. — Die späteren Bearbeitungen sind wohl, ebenso
wie die späten Fassungen des Einzigen, im Sonuner und Herbst 1803 entstanden.
Überlieferung 15
Erste Fassung:
H^ : Homburg G i ö ' - i l « ; Doppelblatt 21 (21,f) x 3Scm, unbeschnitten; festes,
bräunliches, geripptes Papier; Wasserzeichen: Doppeladler unter einer großen
Krone, in den Fängen Scepter und Krummschwert, unter den Fängen: I P,
mitten darunter: R; der andre Bogen ohne Wasserzeichen. 20
H^ : Homburg F 19-28 (s. die Beschreibung S. 380).
H^ (v.1-21): HomburgGl': Einzelblatt 23,7 x 38,fern, unbeschnitten; gelb-
liches, feingeripptes Papier; Wasserzeichen: C & I H O N I G ; Rückseite leer.
H^: Homburg G 2^-6^: Drei ineinander gelegte Doppelblätter (Bl. 2-7) 23,7 X
38,S cm, unbeschnitten; gelbliches, feingeripptes Papier; Wasserzeichen: Ge- 25
kröntes Wappen mit aufgehängtem Posthorn C & I H O N I G ; auf dem andern
Blatt: C & I H O N I G ; Bl. 6®,nur zu einem Drittel beschrieben, Bl.7''^ leer.
H^ : Darmstadt, Staatsarchiv, Hausarchiv Abt. XI, Conv. 6S: Drei ineinanderge-
legte Doppelblätter 23,7 x 38,S cm, unbeschnitten; gelbliches, feingeripptes
Papier; Wasserzeichen: Gekröntes Wappen mit aufgehängtem Posthorn 30
C & I H O N I G ; auf dem andern Blatt: C & I H O N I G ; S. 10 zur Hälfte
beschrieben, S. 11 und 12 leer.
764
Patmos 165-W
Auf S.IO unten ein Tintenvermerk: Gedicht von Hölderlin, (laut Auskunft
des Archivdirektors Dr. Clemm von der Hand der Prinzessin Elisabeth, Tochter
des Prinzen Wilhelm von Preußen und der Prinzessin Marianne von Hessen-
Homburg).
5 Faksimile: Hölderlin, Patmos, dem Landgrafen von Homburg überreichte
Handschrift. Schriften der Friedrich - Hölderlin - Gesellschaft, Band 1, Tü-
bingen 1949.
h^ : Schwerin, MecklerJmrgische Landeshibliothek, Nr. 4: Vier ineinander gelegte
Doppelblätter 17,9x25,7 cm; die letzten S Seiten leer: Abschrift von der
10 Hand der Prinzessin Auguste von Homburg, nach H^. (Die Abschreiberin
ahmt in v. 81 Geheimnisse und v. 84 Güte Hölderlins eigentümliches G
nach, während sie sonst stets die neuere Form dieses Buchstabens anwendet.)
h^: Cologny bei Genf, Sammlung Martin Bodmer: Doppelblatt 17,fx21,7 cm,
in 7'/2 Spalten beschrieben: Abschrift von der Hand Sinclairs.
15 Auf der ersten Seite findet" sich ein nicht ganz ausgeprägter runder Stempel:
(£ X) E I B L . I. F. H. S C H L O S S E R . Kon Schlossers Hand stammt wahr-
scheinlich der Vermerk am Schluß der Abschrift: Dieses mir durch HE. v.
Sinclair mitgetheilte Gedicht von Hölderlin ist fehlerhaft im Seckcn-
dorfschen Musenalmanach 1808 abg-edruckt. Mitgetheilt ward es mir
20 ungefähr 1806.
Von derselben Hand ist in der Sammlung Vamhagen (vormals Preußische Staats-
bibliothek zu Berlin) eine Abschrift des Gesangs überliefert, die zuverlässig auf
h^ beruht, was einmal aus der Gleichheit der Handschrift mit der des Schluß-
vermerks in h^ hervorgeht, sodann aus vielen übereinstimmenden Abweichungen.
25 Die Lesarten dieser Berliner Abschrift werden hier also nicht verzeichnet.
Eigentümlichkeiten der Schreibung (h^): Gastmahl, damahls, einmahl,
verlohren, Strahl; Todt, Todteshelden; Grosentschiedenes; Staab; Blizz,
plözzlich.
J: Musenalmanach für das Jahr 1808. Herausgegeben von Leo Freiherm von
30 Seckendorf. Regensburg, in der Montag- und Weißischen Buchhandlung.
S.79—87, unterschrieben: Hölderlin.
Eigentümlichkeiten der Schreibung: Brücken, goldgeschmückte, blicktc,
Schicksal; selig, Schale, Losungszeichen; gib, ging, hing; vermutet,
Heimat, Rätsel; geheimnisvoll, Gedächtnis; Efeu, Triumf, fest; Zc -
35 dem; nehmlich, wiewol; Weizen; ergreift; sein (statt: seya).
765
16f-187 Patmos
In der Zeitimg für Einsiedler sind am 4. Mai 1808 (Nr. 10) Spalte 73 unter der
Überschrift Entstehung der deutschen Poesie die Verse 212-226 aus J abge-
druckt undamll.MailSOS (Nr.l2)Spalte 89 f . ohne Überschrift die Verse 1 f . und
im unmittelbaren Anschluß, ohne Kennzeichnung der Lücke, die Verse 197—211.
Beide Bruchstücke sind unterschrieben: Hölderlin. 5
Ludwig Achim von Arnim teilt im Anschluß an seinen Aufsatz Ausflüge mit Hölder-
lin (Berliner Conversations-Blatt für Poesie, Literatur und Kritik 1828 Nr. 31-34)
eine verkürzte und andrerseits durch Einfügungen und Umdeutungen (wenn auch
in bester Absicht) arg entstellte Umdichtung mit, unter Auflösung der Versform als
»Prosa* gedruckt: Pathmos. An den Landgrafen von Homburg. Von Hölderlin, mit- 10
getheilt von L.A.v. Arnim. (Conversations-Blatt 1828 Nr. 35). Er legt dieser Umfor-
mung nicht etiua, wie zwei Jahrzehnte zuvor (er selbst oder Brentano?) in der Zeitung
für Einsiedler, Seckendorfs Almanach (J) zugrunde, sondern eine »undeutliche Ab-
schrift« (Nr. 34, S.13S), die, nach gemeinsamen Textfehlem zu. schließen, sehr
wahrscheinlich keine andre ist als die in der Berliner Staatsbibliothek verwahrte, ver- 15
mutlich von Schlosser herrührende (s. S. 76S, Zeile 21—2S).
Die Amimsche Umdichtung geht dann über in die von Arthur Mueller herausge-
gebenen Modemen Reliquien, Berlin 184S, Bd. 1 S. 36S-368.
Hellingraths »erste Niederschrift« (Bd. 4, S. 190—198) kontaminiert eine frühe
(nicht die erste!) Niederschrift, die noch keinen durchweg lesbaren Text bietet, und 20
eine spätere Bearbeitung, der z.B. die dritte Strophe angehört (in der frühen Nieder-
schrift steht an deren Stelle ein lückenhafter Entwurf). Nintmt man die ausgeführte
Strophe als ersteFassung, so gehören auch die von Hellingrath (S. 369) so genannten
»Varianten zur spätem Fassung « folgerecht hinein.
Vorstufe einer späteren Fassung: 25
H^ : Späte Änderungen in H^.
Bruchstücke der späteren Fassung:
/f®» (v. 61-7!): Entwurf am Rande von H^ (W).
W : Homhirg G Doppelblatt 23,7 x 38,S cm, unbeschnitten; gelbliches,
feingeripptes Papier; Wasserzeichen: Gekröntes Wappen mit aufgehängtem 30
Posthom C & I H O N I G ; auf dem andern Blatt: C & I H O N I G
Auf der ersten Seite oben sind die 6 Schlußverse der zweiten Fassung des Ein-
zigen (H^) überliefert; die vorangehenden Blätter sind verschollen. Patmos
766
Patmos 16S-W
H^ schließt sich unmittelbar an. Über die zwischen den beiden inneren Seiten,
nach V. 37, anzunehmende Lücke siehe die Lesarten. Am unteren Rande der
vierten Seite steht v.l9S; der Rest des Gedichtes ist verschollen.
Ansätze zur letzten Fassung:
5 H^: Spätere Änderungen in H''.
Erster Druck der späteren Bearbeitungen: Hellingrath 4, )80-38S; 227-2)0,
nSf.; }S6f.
Lesarten der ersten Fassung h^, A®, J)
Überschrift: fehlt H^ Patmos. H^ Patmos. / D e m Landgrafen von H o m -
10 bvirg. h^ Pathmos. D e m LandGrafen von Homburg h^ Pathmos.
D e m Landgrafen von Hessen Homburg J
1 - 1 2 1 : fehlt W (vgl. die Bemerkung zu den Versen 122-226)
5 I m Finstem aus: In Klüften H^ 6 Adler ] Adler , h^J und aus dem
Ansatz zu i(fjrchtlosy H^
15 1 0 . 1 1 : Die Gipfe l der Zeit ,
Und die Liebsten nahe wohnen (1) auf
(2) ermattend auf H ^
Die Gipfe l der Zeit
Und die Liebsten nahe wohnen, ermattend auf H ^
20 Die Gipfel der Zei t ,
Und die Liebsten nahe wohnen, ermattend auf H *
Die Gipfel der Zeit , und die Liebsten (liebsten J)
Nah wohnen, ermattend auf H^ h^-^ J
1 4 Sinns] Sinns, J 15 Hinübcriugehn] Hinübenugehn, J wiederau-
25 kehren.] wiederzukehren! H ^
16 entführte] entführt h^ 1 7 vermuthet] vermuthet, J 19 m i c h
fehlt J 2 0 H a u ß ' . ] H a u ß ! h^ Haus, h^ Haus'. J 2 1 Zwiel icht , ]
Zwielicht h^ g i eng ] gieng, J
2 2 : Die sehnsü H^ (ein Vers irrtümlich übersprungen; die als Reinschrifi ange-
30 legte Handschrift bricht ab) 22-226: fehlt H^
2 2 W a l d ] W a l d , / 2 3 Bäche über gestr. Wasser H^ 2 4 kannt'] kannt
H^ Länder; ] Länder. H^ Länder, J
2 5 — 4 5 : Doch ba ld , in fr ischem Glänze
767
165-187 Patmos
I: (Zwischenraum für etwa 8 Zeilen)
Und geblendet sucht'
Ich eines, das ich kennete,
Denn ungewohnt war i ch
Der breiten Gassen, wo herab 5
Vom Tmolus fährt
Der goldgeschmükte Pactol
Und (1) der Horizont
Ein silbern Geländer
(2) hochgehoben, ein silbern Geländer 10
Die feierlichen.
Die göttlichgebauten Palläste.
I I ; 'später, im Zwischenraum und am rechten Rande der Seite 20:
Geheimnißroll,
a : Mit breiten (1) Gl 15
(2) Gipfeln, duftend
Und reich
(Zwischenraum für etwa 4 Zeilen)
(a) Wucht (verschrieben stattWuchs) schnell
(b) Stieg (a) Asia 20
(ß) schnellwachsend Asia auf.
b : Ini goldnen Rauche (1) kam duftend
Schnellaufgewachsen
[Mit tausend Gipfeln]
Mi t Schritten der Sonne 25
Mit tausend Gipfeln blühte
(2) blühte
Schnellaufgewachsen
Mit Schritten der Sonne
Mit tausend Gipfeln duftend 30
Mir Asia auf, u. geblendet sucht'
Ich eines, das ich kennete, denn ungewohnt
War ich der breiten Gassen, wo herab
768
Patmos 16 S-187
Vom Tmolus fährt
Der goldgeschmükte Pactol,
a : Und Mcssogis steht, (1) und (a) immergrün
(b) immemeu
5 (a) Vom Lorbeer ist, hoch aber / Im'Lichte
(ß) Der Garten wächst
(2) voll der Boden i nd immeiigrün}
Im Garten der Epheu ein stilles Feuer
b : in der linken unteren Ecke:
10 und voll von Blumen
der
C : zwischen a und b :
Und Taurus stehet und Messogis
Und voll von Blumen
15 Der Garten, ein stilles Feuer
Hoch aber (1) blüht
(2) blühet
Der silberne Schnee,
Und der Zeug' unsterblichen Lebens
20 fa j Uralt, an unzugan^)baren
(b) An (a) unzuganb
(jS) umugangbaren V^änden
Der Epheu wächst u. getragen sind [von leb/
Von lebenden Säulen, Gedern u, Lorbeem H ^
25 I I I : Text H^ (auf S. 21 oben, am rechten Rand) H*-^ h' '^ J
(26 Geheimnißvoll aus Geheimnv (?) H^ 27 Rauchp,] Rau-
che H^H^ 28 Schnellaufgewachsen,] Schnellaufgcwachsen
H^H*J 29 Sonne,] Sonne H^H^l Sonn' h^ Sonn', /
30 duftend,] duftend H^ H* 32 kennete] kannte J 35 Pac-
30 toi] Pactol, H^ Paktol, h^J 36 Taurus] Teneus /i® stehet]
steht h^ stehet, J Messogis] Messagis J 37 Garten,] Gar-
ten i f 2 38 Feuer; aber] Feuer. Aber H^H* 3 8 . 3 9 aber 6is
Schnee;] (1) Aber hoch / Im Lichte blühet der Schnee; (2) Aber
im Licht / Blüht hoch der silberne Schnee; H^ 39 Schnec;]
35 Schnee, J 40 Zeug] Zeug' h^-^ J 41 unzugangbaren] uniu-
769
16S-1S7 Patmos
ganbaren H" 4 2 Uralt der Epheu] (1) Der Ephcu (2) Uralt
vorgefügt H^ wächst] wächst, H^ h^ J 4 3 Lorbeern] Lor -
becrn, h^ J 4 4 fe ierl ichen,] Feierlichen, h^ feierlichen h^
4 5 göttlichgebauten] göttlich gebauten h^ J)
4 6 Asias T h o r e ] Asia's Thore , J 4 8 Meeresebene] Meeres Ebene h^ 5
Meeresebne, J 4 9 Straßen] Wasser h^ (Lesefehler) genug,] genug.
51 hörte] hörte, H^J 5 2 nahegelegenen] nahegelegen H* Nahegele-
genen J 5 3 Patmos] Pathmos J 5 4 sehr,] sehr H^H* 5 5 Dort
einzukehren und dort] versehentlich zweimal untereinander; das Versehen wird erst
später bemerkt: so wird, da dieser Vers auch doppelt gezahlt war, die Einfügung des 10
V.S8 notwendig zur Herstellung der regelmäßigen Verszahl H^ einzukehren]
einzukehren, J 5 6 Der aus Denn I / ^ dunkeln] dunklen h^ J
57—59 : (1) Denn nicht, wie Cypros oder
Der anderen eine
(2) Denn nicht, wie Cypros 15
Die quellenreiche oder
Der anderen eine H^ (vgl. die Bemerkung zu v. SS)
5 7 nicht, wie Cypros,] nicht, wie Cypros h^ nicht wie Kypros, J 5 8
quellenreiche,] quellenreiche h^ 6 0 Patmos,] Patmos H^ H^ Patmos.
h" Pathmos. J 20
62 Hauße] Hause J 6 3 dennoch] dennoch, H^ H* dennoch. J 6 4
Schif fbruch] Schif fbruch, J klagend über gestr. trauernd H^
6 8 - 7 3 :
I : Der Fremden, hört sie es gern
Das W o r t und ihre Kinder (: dieser Vers als mißfallend unterstrichelt) 25
Die felsbewohnenden Lüfte
Und die Felsen hören ihn
Und liebend tönt es wieder
Von den Klagen des Mann[e]s . So pflegte
I I : Der Fremden, hört sie es gern, imd ihre Kinder 30
(1) Die Laute
(2) Die Stimmen des heißen Haines
Und wo der Sand fällt und (a) des Feldes Fläche / Sich spaltet,
(b) sich spaltet
Des Feldes Fläche, die Laute 35
770
Patmos 1 6 f - l S 7
Sie hören ihn Und liebend tönt /es wieder /
Es wieder Von den Klagen des Mann[e]s . So pflegte H ^
6 8 es aus g H* gern , ] gern; H^ gern h^ Kinder] Kinder, J
6 9 Hains,] Hains A« 7 0 fällt , ] fällt i f 71 Laute] Laute, J 7 2 ihn ]
5 ihn, H* h^ J 7 4 gottgelicbten,] gottgeliebten h^
75 : (1) Des Sehers, der,
(neue Strophe:)
In seeliger Jugend gegangen
(2) Des Sehers, der, in seeliger Jugend war H ^
10 75 Sehers,] Sehers h^
7 6 - 8 2 : [War er] gegangen mit
Dem Sohne des Höchsten (1) .
[Und sähe noch ziilezt]
Denn es liebte
15 Der Herrl iche
Und sähe noch lulezt
Das Angesicht
Da sie
A m Gastmal
20 zwischen den Zeilen des ersten Ansatzes:
(2). Denn es liebte
Der Herrliche
(3), unzertrennlich. Denn
Es liebte Der Gewittertragende die Einfalt
25 Des Jüngers und es sähe der achtsame Mann
Das Angesicht des Gottes genau
Da, be im Geheimnisse des Weinstoks, sie
Zusammensaßen, zu der Stunde des Gastmals, H ^
771
16S-1S7 Patmos
7 7 unzertrennlich,] uniertrennlich; h^J 7 9 Jüngers] Jüngers, J
8 1 Da , ] Da h^J Weinstoks,] Weinstocks J 8 2 Zusammensaßen,] Zu-
sammensaßen J Gastmals,] Gastmals Gastmahls h^ 8 3 : U n d -
in der großen Seele ruhig ahnend den Tod — J 8 3 in der großen Seele,
ruhigahnend] (1) ruhig ahnend in der großen Seele (2) in der großen Seele 5
ruhig ahnend 8 4 Aussprach der Herr und] Aussprach (1) imd [nicht ]
(2) der Herr und H^ Herr ] Herr, H^ h^ 8 5 Hatt ' ] Hatt aus Hätt H^
8 6 Der W o r t e , ] Der Worte h^ Die W o r t e J 8 7 Ers ] Er's Ä V sähe,]
sähe h^
8 8 . 8 9 : Denn alles ist gut. (1) 10
Drauf starb er.
Und es sahn ihn, wie er siegend blikte
(2) Drauf starb er fa^ , u. es wäre vieles
(b). Vieles wäre
Zu sagen davon. 15
es sahn ihn aber, wie er siegend blikte
8 9 bl ikte] Blikte h^ blickte, J 9 0 Freudigsten] Freudigsten, J zu-
lezt,] zulezt. H^ zulezt H* h^ 9 1 : (1) Es trauert' aber dennoch u m ihn
(2) Doch trauerten sie, da nun H^ 9 2 erstaunt,] erstaimt H* 9 3 Denn]
Die h^ (Lesefehler) 20
93.94 : Denn Großentschiedenes hatten (1) in der Seele
(2) die in der Seele
(3) in der Seele
(a) Die Seele
ft,) Die Männer, aber sie liebten unter der Sonne H ^ 25
9 5 Leben] Leben, h'-^ J
97.98 : Und der Heimath. (1) Eingepflanzet
[Und ihn ] ( en ) und ihnen gieng
(2) Eingetrieben (a^
W i e Feuer i m Eisen wars 30
(h) war [es]
W i e Feuer i m Eisen das und ihnen gieng H ^
9 7 war,] war 9 8 i m ] in h" Eisen,] Eisen h^ 9 9 Schatte] Schat-
ten J Lieben nac/i ^cstr. Lebens h^ 1 0 0 sandt'] Simdt h^ \\menvor ge-
str. den H^ 101 Geist , ] Geist H^ f re i l i ch ] feierlich / 102 Haus] 35
772
Patmos 16S-187
Haus, h^ 104 da, schwersinnend] da, schwersinncnd, H^ da sich ver-
sinnend J 105 Todeshelden,] (1) Helden (2) Todes vorgefügt H^ 106
Izt,]Je2t, h' Jezt h^J 108 izt]jezt J Tag] Tag, / 109 Königliche]
Königliche, A^ königliche, J 110 geradestralenden,] geradestralenden iiT'
5 111-122: I: Entwurf auf der zweiten Seite des Doppelblattes H^, über und in dem
Entwurf zu den Fersen 167—171, sicherlich später als dieser:
a : Zu rechter Zeit. Es erlosch aber
Die Freude der Augen mit ihm.
10 b : Zu rechter Zeit, [eh]
Denn wiederkommen sollt' es. Nicht war es gut
Gewesen später und (1) sper (: verschrieben statt ster{blich (?)))
(2) sc\\n{ellabbrechend (?))
(3) schroffabbrechend ein sterblich Werk H ^
15 I I : 1: Den Zepter, womit
2: Er hatte geherrscht, von Asia her,
} : Seit unerforschlichen Zeiten. Es erlosch
4: Die Freude der Augen mit ihm.
f: (1) Denn (2) Und Freude war es
20 6: Von nun an,
7; Zu wohnen in liebender Nacht imd (1)
S: Zu schaun Abgründe der Weisheit.
(2) zu halten
8: Einfältigen Sinns Abgründe der Weisheit. Zwar
25 9: Es leuchten auch im Dunkel blühende [Bl] Bilder.
10: Doch furchtbar ist, wie da imd dort
11: Unendlich hin zerstreuet die Liebenden Gott. H^
I I I : 1: Den Zepter, göttlichleidend von selbst
2: Denn wiederkommen sollt es
30 h Zu rechter Zeit. Nicht war es gut
4: Gewesen, später, und schroffabbrechend, (1) ein sterblich Werk.
(2) untreu
Der Menschen Werk und Freude war es
6: Von nun an.
773
16S-1S7 Patmos
7; Zu wohnen in liebender Nacht und bewahren,
8: In einfältigen Augen unverwandt, Abgründe der Weisheit.
(1) Und auch
(2) Und tief
9: An Ca Bergen 5
(b) den Bergen grünen auch (a) len
(jS) lebendige/n/Bi
(3)
9: Und tief ("ö) An den Bergen
• (i^ an ze(r)rissenen ( : als mißfallend unter Str.) 10 Bergen grünen auch
10: Lebendige Bilder. Furchtbar aber
11: Zerstreut unendlich hin (1) die Lebenden
(2) das Lebende Gott. H ^
I I I ZeT^ter, vorgestr. se h^ göttlichleidend] göttlich leidend J 112 sollt] 15
sollt* A » / 113 war] w a r ' i / ^ A 2 / 114 Gewesen,] Gewesen h^ 116
an,] an h^ 117 Nacht,] Nacht i:/^ A« 118 In] Die / Augen,] Augen
H* 120 Bilder,] Bilder. H* J
122 — 2 2 6 : Erster Entwurf , der zunächst den Gedankengang nur andeutet, zum
Schluß aber, als Übergang schon zur nächsten Stufe, der endgültigen 20
Fersgestalt sich nähert. Der auch für die ersten acht Strophen sicherlich
in dieser Form anzunehmende Entwurf ist nicht erhalten. (Der An-
satz I zu den Fersen 111-122 gehört nicht mehr dem ersten Entwurf
an, sondern steht zwischen H^ und H^: auf einem andern Blatt lag
der erste Entwurf vor, und auf dem daneben befindlichen Blatt wird 25
nun die anfangs noch fragliche Fersgestalt der beiden Sätze, vor der
Niederschrift inH^, abwägend versucht.) Der erste Entwurf wird hier
der bessern Übersicht wegen im ganzen Zusammenhang abgedruckt.
Die Zeilenbrechungen der Handschrift werden beibehalten. Die Ziffern
vor den Zeilen stellen die Beziehung her zu den Fersen der ersten Fas- 30
sung.
Seite 1:
122 Unendlich hier oder dorthin
Zerstreuet die- Liebenden Gott
774
Patmos 16 S-187
(1) Und weinen möcht ich,
Wenn
(2) Denn schon das Angesicht
zu lassen,
5 (1) Ist un
12S (2) Und fernhin über die Berge zu gelin,
(Zwischenraum für 2 Zeilen)
1 )6 Wenn aber stirbt,
(Zwischenraum für 4 Zeilen)
10 140 Und wenn sie die
142. 14} Zusammenlebten im Gedächtniß,
[Und]
Und nicht den Staub nur, oder
Und die Tempel
15 wenn die Ehre
Des Halbgotts und der Seinen
Verweht, und selber sein Angesicht
(1) Das
(2) Der Himmlische (a) birgt, daß nicht
20 (b) wendet, daß nirgend ein
ISO Unsterbliches mehr
was ist diß?
Seite 2:
152 Es ist, der Wurf
25 wenn er faßt mit der Schaufel den Waizen
und [mit ] ans Ende der Tenne
die Spreu fällt, ihm zu Füßen,
160 Denn göttliches Werk auch gleichet dem unsem.
162 Zwar so lange
30 (Zwischenraum für 2 Zeilen)
167 Wenn aber (1) ein Knecht
(2) einmal sich Unheiliges
170 und die Edeln un nachahmet ein Knecht,
Dann kommen, im Zorne sichtbar die Götter,
35 17} denn gütig sind sie, [aber] ihr Verhaßtestes aber
775
16 S-187 Patmos
ist, so lange sie herrschen, das Falsche. (1) [Darum]
(2) [Denn]
17S [und] es gilt dann Menschliches unter Menschen nicht
mehr, und unverständlich wird (1) vor [sterblichen]
(2) und gesezlos vor Augen 5
der Sterbliches (: verschrieben statt Sterblichen^
ihr (1) ge
(2) eigenes Leben, denn sie (a) nicht
(b) walteten nicht
mehr, es waltet (1) der Fernhinzielende 10
(2) über dem Fernhinzielenden und mit der
allversöhnenden Erde (1) alldurchdringende Gott, bis
(2) der [ immer reiche] [unzerbrüchliche]
imerschöpfliche
(3) der alldurchdringende unerschöpf- 15
liehe Gott,
(1) der hält lebendige Treue. Drum
(2) (die) halten treu endlos. So schreitet fort
der Götter Schiksaal (1) voll
(2) vnmdervoll u. voll desTodes und Lebens 20
(1) [bis befruchtet von ihrem Gewitter den Menschen] auch
(2) (Zwischenraum für 3 Zeilen)
bis wieder die Himmlischen
beim rechten Nahmen (a) sind
(b) genan(fi)t sind (a) dann ist d 25
(/?), siehe!
dann ist
(3) unter Zeile 21 einsetzend:
177 [und] [wenn] dann weichen und es wandelt ihr Werk von
selbst, und [schnelle] eilend geht es zu Ende. Nicht alles, was 30
(a) sie ergriffen wenn
(b) geheiliget war, (a) in ihren
(ß) das ihre Hand ergriffen, u.
(1) ruhig nun,
(2) da sie ruhig 35
776
Patraos US-187
(a) dem
(b) in ihren Thaten erkannt, wieder die Himmlischen
182 beim rechten Nahmen genan(n)t sind, siehe!
dann ist
5 Seite L-
Dann ist
(Zwischenraum für 2 '/^eilen)
Dann ist die Zeit des Gesangs
Sie kommen aber zusammen zum
10 Gesänge wie jezt,
Ve
(Zwischenraum für 6 Zeilen)
197 Und wenn die Himmlische(n) izt,
W i e ich es meine, mich lieben
15 Wie vielmehr dich ?
Denn Eines weiß ich von dir,
201 Daß nemlich
(Zwischenraum für etwa 8 Zeilen)
Seite 4;
20 (An oberen Rand Raum für etwa S Zeilen)
Zu lang zu lang schon (1) war (2) ist
Die Ehre der Himmlischen unsichtbar
Denn fast die Finger müssen (sie)
[Denn] Uns führen, und schmählich
25 Entreißt das Herz (uns) eine Gewalt.
(1) Und (2) Denn Opfer will der (a) Himmlisches. (Schreibfehler)
(b) Himmlischen jedes
Wenn aber eines versäumt ward,
(1) Es hat
30 (2) Nie hat es Gutes gebracht.
W i r haben (1) de (2) gedienet der Mutter Erd
Und haben jüngst dem (1) Sonnenlichte
(2) Tagesgotte gedient,
Unwissend, so wars (1)
35 Doch jene haben wir
777
16 J-187 Patmos
Und diesen.
Der Vater aber liebt
A m meisten (a) bejad
(b) bejahenden Dank.
(2) der Vater liebt 5
Der über allen waltet
A m meisten, daß gepfleget werde
Der Feste Buchstab und Bestehendes (a) gu(t)
CJ; wohl
Gedeutet (a) werde. 10
{ß) . D e m folgt deutscher Gesang. H'
1 2 4 t h e u e m ] theuren J lassen] lassen, J 125 gehn] gehen H^
1 2 6 - 1 3 5 :
1 2 6 : ( l ) V o n
(3) Allein, ( a ) wenn zwiefach 15
1 2 7 : Erkannt war, einstimmig
[Und gegenwärtig der Geist , ]
1 2 8 : Der Geist,
1 2 6 : (b) wo zweifach (a) stärkerer Geist
1 2 7 : Erkannt war, 20
iß)
1 2 7 : Erkannt, einstimmig
128 : W a r himmlischer Geist - imd nicht geweissagt, sondern
1 2 9 : Die Loken (1) gegenwärtig
1 3 0 : Ergreifft der Geist, wenn ihnen plözlich 25
131 : Femeilend zurük büket
1 2 9 : (2) ergriff es gegenwärtig
1 3 0 : wenn ihnen plözlich
131 : Femeilend zurük blikte
132 : Der Gott , und schwörend [sie] ( ; dieser Fers als mißfallend unter- 30
strichelt)
1 3 3 : Damit er halte, wie an Seilen golden
1 3 4 : (1) Gebunden (a) der Gott
(b) hinfort
(2) Hinfort Gebunden 35
778
Patmos 16S-1S7
135 : Das Böse nennend, sie die Hände sich (1) reichten —
(: die 4 letzten Wörter als mißfallend untcrstrichelt)
(2) hielten
i / 2
5 126 wo] ist J 128 War ] Wie J Geist;] Geist, h^ 129 es, gegen-
wärtig,] es, gegenwärtig H^ es gegenwärtig, h^J 131 zurük] zumal J
132 Gott] Gott, h^J schwörend,] schwörend H^ 133 an Seilen golden
fehlt J Seilen] Seilen aus Seiten H^ Seiten h^ Saiten h^ 135 nen-
nend,] nennend J reichten—] reichten,— 136 als denn] als denn h^
10 alsdann J 137 meisten vor g-citr. von Ä ® 138 Gestalt üfter Schön-
heit m
139-145: 1 3 9 : Ein Wunder war und
139a : Ergözend sich die Himmlischen gedeutet
15 140 : Auf ihn, und wenn (1) nicht fassen können
Sic, die zusammenlebten im Gedachtniß,
(2) ein Räthsel ewig (a) füreinander
(h) sie füreinander
141 : Sie sich nicht fassen können
20 1 4 2 : Einander. (1) mehr, sie
(2) die zusammenlebten
143 : Im Gedachtniß, und nicht den Sand nur oder
1 4 4 : Die Weiden (1) hinwegw
(2) es hinwegnim(m)t
25 (5) es ergreift und die Tempel
145 : (1) Entwurzelt,
(2) Erschüttert wenn die Ehre H ^
139 war] war, h^J 140 wenn,] wenn h^J füreinander] für einander
h^J 147 Verweht] V e r w e h t , / i 148 Köc^iste nach gestr.m{mmlische) 30 H^ wendet] wendet, H^ H* 150 mehr/eftft J am Himmel zu sehn]
(1) am Himmel zu sehn (2) durch Nummern umgestellt: zu sehn am Himmel H^
151 Erde, was] Erde was W diß] dieß h^ dies J 152 der
fehlt H^ Säemanns] Saemanns h^ Sämanns J 153 Mit nac/i ^cstr.: Die
\Va(izenkörner) H^ 35 154 : Und wirft (1) ihn an das Ende schwingend über die Tenne.
779
16S-187 Patmo3
(2) ,dem [Äußersten] Klaren zu ihn schwingend über die
Tenne. H ^
154 dem Klaren zu] den Kleien zu h" fehlt J Tenne.] Tenne, J
155 : (1) Die (a) Spreu
(b) Schaale fällt, i h m zu Füßen, aber 5
(2) I h m fällt die Schaale vor (a) den Füßen,
(b) die Füße, aber H^
156 Ans] An's k o m m e t ] kommt J Korn , ] Korn h^
1 5 7 . 1 5 8 : Und (1) nicht ein Schaden ists, wenn
(2) nicht ein Übel ists, 10
(3) Übel istS nicht .
W e n n Einiges verloren ( a ) geht,
(b) gehet u. von der Rede H.^
157 ein fehlt H^ ists] ist's A V 158 gehet] gehet, A ^ / v o n ] wenn A V
1 6 0 unsem, ]unsem. 1 6 1 wil l aus wollen 1 6 2 Z w a r ] 15
Zwei J traget] trägt J Schacht,] Schacht h^ 1 6 3 Ätna aus Ätnä H^
Ätna,] Aetna h^ Ätna. J 164 : (1) So hätt' i ch Reichtum (2) So hätte
ich Beute 1 6 4 Re i ch tum] Reichthum 165 ^in nach gestr.: Z\x
suchen, daß H^ bi lden,] bilden H^H* 1 6 6 schaun] schauen J
Christ,] Christ H^ h^ Geist. J 20
1 6 7 - 1 7 0 :
167 : Wenn aber einer spornte (1)
Sich selbst,
168 : Und traurig redend, (a) unterwegs,
(b) unterweges, wenn 25
Ich wehrlos wäre,
1 6 9 : M i c h überfiele, u.
1 6 7 : (2) sich selbst.
1 6 8 : Und traurig redend, unterweges, (a) wenn i ch wehrlos wäre
1 6 9 : M i c h überfiele, daß ich staunt' 30
1 7 0 : Und den Freiesten nachahmen möchte der Knecht , -
1 6 8 : (b) da
780
Patmos 16 S-187
169 : Ich träumte Mich überfiele, daß ich staunt' und von dem Gotte
170 : Das Bild nachahmen möchte der Knecht, - H ^
167 selbst,] selbst h^ 168 redend] endend J unterweges aui unterwegs
h^ unterwegs J wäre] wäre, J 169 Mich aus I H'^ staimt'] staunt', J
5 170 möcht'] möcht H^ 171 sah'] sah H^ h^ J einmal] einmal kom-
men H" einmal [kommen] H* 172 nicht,] Nicht, nicht h^ sollt]
sollt' H^H^ h^J etwas,] etwas H^ h^ 174 So lange] Solange Ä«
Falsche,]Falsche. H ^ Falsche h^
174 und es bis 175 mehr.]
10 (1) Denn CS gilt [dann] f.- Tilgungsstrich nur angedeutet)
Dann Menschliches unter Menschen nicht mehr, (: der ganze Satz als
mißfallend unter strichelt)
(2) über dem Schluß des v. 174:
und es gilt /dann/ H ^
15 175 Menschliches] menschliches h^ 176 Deim sis'] als mißfallend unter-
str. H^ sia gesperrt J nicht Her der Zeile H^ walten aus waltet H^ 177
Unsterblicher] Unsterbliches h ^ J Schiksaal] Schicksal, ^i®/ 178 selbst,]
selbst H* Ende.] Ende, J
179-181: 20 1 7 9 : Wennneml ich ( l )
und gleich der Sonne
gen/n/en(re)et der (a) Sohn
(b) frohlokende Sohn des
Höchsten.
25 (2) hoch
(5) fernhin [von] [der]
(4) größers wagend
(5) höher gehet himmlischer
1 8 0 : Triumphgang, (1)
30 Da wird gen/n/ennet (a) für die
(b) um die Tapfern
(2) wird gen/n/ennet, (a) den
(b)d
(c) der Sonne gleich
35 1 8 1 : ( l ) B e i
781
16S-1S7 Patmos
(2) Der Sonne gle ich, (a ) der
(b) frohlokend der
(3) Von (a) Tapfern
(b) Starken der frohlokende Sohn des Höchsten. H^
179 neml i ch ] nehmlich h^ J nämlich h^ 181 Starken] Starken, h^J 5
182 : (1) Und dann ist die Zeit des Gesangs.
(2) Dann ist (a) die Zeit des Gesangs.
(b) , wie jezt die Zeit des Gesangs.
Und hier ist der Stab
(3) Ein Loosungsieichen Und hier ist der Stab H ^ 10
182 Loosungszeichen,] Loosungszeichen H* 183 Gesanges aus Gesangs
h^ 184 ist aus gH^ TodtenJToden J 185 noch gefangen n i cht ] nicht
gefangen, nicht h" J 1 8 6 warten] wandten J
1 8 7 - 1 9 6 :
187 : Der scheuen Auge(n) viele, durstig, nicht ( : durstig als mißfallend 15
unter strichelt)
188 : Zu schauen das Licht . Nicht (1)
Wenn ich es ihnen sage, wo(Hm)
(2) wollen
(3) gerne wollen 20
Wenn ich es ihnen erzähle, sie
[Mir ] blühen. Es träfe zu scharf.
Sonst halten sie Pfeile.
(a) W i e
(b) W o 25
(c) Wenn aber, züchtig (a) blikend
(ß) treffend
[Unwissend]
[ A m goldnen Rauche sich üben.]
Von schwellenden Augenbraunen nur 30
1 8 8 : (4)
1 8 9 : A m scharfe(n) Strale wollen [so gerne s ie /
1 9 0 : Sie gerne [ m i r ] blühen. Wiewohl den Muth hält
191 : Der goldene Zaum. W e n n , in heiliger Schrift
192. 193 : Als wie Von schwellenden Augenbraunen nur 35
782
Patmos 16 S-187
1 9 4 : (1) Stillleuchtende
(2) Nur Stillleuchtende
(3) Stillleuchtende Kraft (a) fällt
(b) trinkt, mögen (a) sie
5 A m goldnen Rauche sich üben.
iß)
195 : Der Gnade sich freuend sie
1 9 6 : A m stillen Blike sich üben. H ^
187 Der ] Die J v iele] viele, J 188 L icht . ] L i cht ! J N i ch t ] Nicht
10 gerne H* 189 b lühn] Blühn h^ 1 9 0 ^hith] danach ein Komma getilgt
H^ Muth, h^ hält ] hallt h^ 191 als] als, J 193 vergessen]verges-
sen, J 1 9 4 aus heil iger Schrift über der Zeile H* 195 freuend,] freu-
end 1 9 6 ViM^e^vom Anfangsbuchstaben des folgenden fVortes sich ist die Unter-
länge nur in ihrer unteren Hälfte sichtbar (bis zur Schreibzeile ist die Tinte ausge-
15 blieben), so daß sie wie ein Komma aussieht H^ Blike, h^ 197 j e i t ] jezt, J
198 So,] So Wh^J glaube,] glaube h^ l ieben] lieben, H^H* J
1 9 9 viel m e h r ] vielmehr h^ J mehr nac/i g'ejtr. D H^ 2 0 1 neml i ch ]
nehmlich / i ' / n ä m l i c h h^ 2 0 4 A m donnernden auj; An donnerndem
Himmel . Und] Himmel , und h^ Einer] einer h ^ J
20 2 0 4 Und Einer bis 2 0 5 Christus.] (1) Und Einer stehet
Darunter sein Lebenlang. Denn noch lebt (a) Jesus.
(b) Christus.
(2) Und Einer stehet darunter
sein Lebenlang. Denn noch lebt Christus. H ^
25 2 0 6 Söhne] Söhne, J 2 0 7 al l ] a l l ' A ^ all, h^ J
2 0 8 : (1) Von ihm. Und den schnellen Bliz erklären
(2) Von i h m , den Bliz erklären H ^
2 0 8 ihm] ihm, H* h^J
2 0 9 . 2 1 0 : Die Thaten der Erd (1), ein Wettlauf, unaufhaltsam. Er
30 Ist aber dabei. Denn seine Werke sind
(2) bis izt,
Ein Wett lauf , unaufhaltsam. Er ist aber dabei. Denn seine Werke
sind Ä"»
2 0 9 Thaten nach gestr. Erd H* izt] jezt J 2 1 0 Wett lauf ] Wett lauf ,
35 H* dabei. Denn] dabei, denn h^ 2 1 1 I h m ] Im H* 2 1 2 Zu] danach ein
783
16S-187 Patmos
Komma getilgt H^ zu aus la(ng) H^ schon über der Zeile H^ 2 1 3 unsicht-
bar.] unsichtbar h^ unsichtbar, J
2 1 4 — 2 2 6 : später in geneigterer Schrift, mit spitzerer Feder H^
2 1 5 führen] führen, h^J 2 1 6 Entreißt auj E i / i ^ G e w a l t . ] G e w a l t
Gewalt , / 2 1 7 jedes,] jedes H^ H* jedes. J 2 1 8 ward,] ward H^ 5
wird, J 2 2 0 gedienet] gedient J 2 2 0 gedienet Us 2 2 1 Und haben]
fehlt h^ 2 2 0 E r d ' ] Erd H^ H^ Erde, J 2 2 1 Sonnenlichte] Tages-
gotte H^ gedient, ] gedient H^ h^ 2 2 2 l iebt , ] l iebt H^H^ 2 2 3 waltet,]
waltet / i « 2 2 5 Buchstab,] Buchstab H " h^ bestehendes] Bestehen-
des J gu t ] wohl H^ 2 2 6 deutscher] Deutscher h^ teutscher J 10
Lesarten der Vorstufe einer späteren Fassung (H^)
Grundlage der Überarbeitung, die nur bis v, 167 gedeiht, istH^. Änderungen (H'')
werden vorgenommen in den Fersen: 1, 2, 9, 17, 20, 21, W, 31, 32, 37, 38, 39,
42, 43, 44, 62, 68, 72, 73, 74, 75, 78, 79, 80, 81, 85, 86, 88, 89, 91, 97, 100,
108, 112, 119, 120, 121, 122, 127, 128, 129, 130, 133, 138, 139, 143, 144, 15
145, 147, 148, 149, 150, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 161, 162,
163, 164, 165, 166, 167. Außerdem sind folgende Lesarten zu verzeichnen (die in
den Text gesetzten Änderungen werden also hier nicht wiederholt):
1 aber über der Zeile n^ 11 schneUei (H*) unterstr. H^ 20 Es] danach
unter der Zeile ein kurzer waagrechter Strich H'' 2 5 bald unterstr. H^ 3 1 und 20
unterstr. H^ 3 7 voll (H*) unterstr. H^ schläfrig unter strichelt W fast
o u i t r ä g W 3 8 Feuer. Aber H*^ Feuer; Aber H^ 4 2 von fehlt H^
4 3 sind, v o n / e W t H^ 52 nahegelegenen] nahegelegen (H^) bleibt un-
berichtigt H^ 7 0 der Sand fällt üJer der Zeile wiederholt H''
7 3 Eins Tages bis 7 5 Jugend,] (1) So pflegte 25
Sie einst des gottgeliebten,
Des Sehers, der, in seeliger Jugend, war
Cseeliger unterstr.)
(2) Eins Tages diente
Patmos, (a) thiergleich, [von i h m ] 30
D e m Seher
(b) dem Seher thiergleich,
(c) thiergleich, dem Seher, denn dem war es ein Übel
D e m menschenliebenden, der i m Sausen des Rohrs, war, in der Jugend, H''
784
ratmos 1 6 S - W
78 Gewittertragende (H^)] tragende unterstr. H" mochte nach gcstr.
wollte H" 80 genau (H^) unterstr. H" 83 großen (IP) unterstr. H"
ruhigahnend (H^) unterstr. H^ Und in der großen (H*)] darüber ein nicht
vollendeter Ansatz: Die große Seele aber i / ® ruhigahnend (H^)] darüber:
5 in der großen / f ® 84 Aussprach (H*) unterstr. H" 86 lu erheitern
(H^) unterstr. 97 Eingetrieben (H^) unterstr. i f « 119 Manchem
ward] (1) (Und) es ward, (2) Und manchem (3) Manchem ward, H" 120
ein kleiner] ein kleinem H^ (vielleicht zu schreiben: Sein Vaterland zu kleinem
Raum; vgl. Bruchstück 74 v. Sf.) 127 Besorget,] (1) Erkannt (H*) unterstr.
10 (2) darüber, gestr.: Verwaltet, (ß) darüber: Besorget H^ iihereins nach gestr.
genug H^ 128 nicht geweissagt (H^) unterstr. H" Bei aus bei IJ"
130 der aus des W Zomhügel über Todeshügel IP 139 und] darüber:
ein Wunder Jf® 143 nur über aber H^ wenn es den] wen es den[n] H'^
145 Aie (H^) unterstr. jF/® 1 4 7 : daneben, am rechten Rand: Aer zei-
15 het ü/® zuerst über (H^) einsetzend: ist dann deutlich vor zu mit Ein-
fügungsstrich : ist l-p 154 mr£t] danach über der Zeile: [umbiegend]
155 : (1) Ihm, fällt
(2) Viel Staub fället, Spreu Staub undenklich
(5) Ein furchtbar (a), (b) Ding, Staub fällt. H"
20 156 : (1) Ans Ende aber kommet das Kom.
(2) am linken Rand: Kom aber kommet ans Ende. H''
159 Laut.] (1) haut,H^ (2) Laut: (3) Laut. / /® 160 D e n n f / / ^ ; unterstr. W
Lesarten der Bruchstücke der späteren Fassung f//®",/:/''.)
3 wächst aus wacht / f 5 wohnen nach gestr.: (1) whn (2) wohn tP
25 37 Garten nach gestr. Go H''
Es ist nicht mit ganzer Sicherheit auszumachen, wie grqß die Lücke nach v. )7 ist.
Doch ist es wahrscheinlicher, daß in das erhaltene Doppelblatt (tP), das den Rest
(die letzten 6 Verse) der späten Fassung des Einzigen und die Bruchstücke der späteri
Fassung von Patmos in Reinschriften überliefert, ein Doppelblatt eingelegt war, als
30 mit Ludwig v.Pigenot (hAuflage der Ilellingrathischen Ausgabe, Berlin 194},
Bd. 4 S. 4}1) ein Einzelblatt anzunehmen. Auf einer Seite stehen zu Beginn der
Reinschrift 24 Zeilen, die Strophendbstände nicht mitgezählt (gegen Schluß, auf
Blatt 9 der Handschrift, werden allerdings je 2 Strophen oder 30 Zeilen auf die Seite
gedrängt). Mit den vier Seiten des verschollenen inneren Doppelblattes sind also
785
16S-1S7 Patmos
vermutlich mindestens 96 Verse verloren gegangen. Es mögen genau 98 Verse sein,
so daß aufm. mit v. 136 die zehnte Strophe einsetzen würde. Die spätere Fassung
wäre mithin gegeniiier der ersten um zwei Triaden gewachsen, und der 13.Strophe
f D o c h trauerten s ie . . . ) , die der 7.Strophe der ersten Fassung entspricht, müßten
mindestens noch acht Strophen folgen. 5
Figenot verquickt in seinem Wiederherstellungsversuch H^ und H was bedenklich
erscheinen muß, wenn man erwägt, daß H'^ zwar in den vorhandenen Parallelpartien
im ganzen H^ aufnimmt, daß sich aber H^ deutlich von H^ entfernt; denn die
Grundlage der letzten Bearbeitung ist allein die vollständig abgeschlossene Rein-
schrift H^. Ist es doch ganz unwahrscheinlich, daß Hölderlin in mehreren Hand- 10
Schriften gleichzeitig durch Varianten eine neue Fassung gestaltet hätte. Der nicht
ganz vollendete Ersatz für die S.Strophe ("O Insel des L i ch ts ! . . . } , am Rande der
Handschrift H^ (11^) entworfen, kann demnach nicht in die durch H^ vertretene
letzte Fassung gehören, sondern nur auf eine Stufe zwischen H^ undH^. Mit eini-
gem Vorbehalt darf man diese Verse unter die Bruchstücke der späteren Fassung ein- 15
reihen: die vollendete Strophe war wohl in der Reinschrift (H^) noch an manchen
Stellen ausgefeilt. In der letzten Bearbeitung (H^) aber, worin diese Strophe nicht
erhalten ist, hat man sie sich ähnlich verändert zu denken wie sonst H^ gegenüber H^.
6 1 - 6 4 :
I : O Insel des (1) I 20
(2) Lichts!
(a) Wenn
(b) in der liriken Spalte des unteren Randes:
W e n n Feste zusammenkommen
I I : weiter oben neu einsetzend: 25
O Insel des Lichts !
(1) Denn
im I. Ansatz fortfahrend:
(2) Denn weim ver und gehalten nicht mehr
Ca) gränienlos, (: unterstr.) 30
(b) schattenlos, die Pfade trauern und die Baume,
(c ) VonMenschen,schattenlos,die Pfade zweifelnund die Bäume,
Und Reiche, das (a) vergangen
{ß) Jugendland der Augen sind vergangen
("Augen unterstr.) 35
786
Patraos 16f-187
(5) in der linken Spalte des unteren Randes:
Denn wenn erloschen (a) die Augenlust
(b) ist der R u h m die Augenlust
(wegen des gleichlautenden Anfangs wohl zu u. 2 zu ziehen) H^"
5 6 9 Re ich aus Reichl ich H^" 73 Allwissende Stirnen aus: Die herrische
Stime W
1 5 1 Diesen nac/ig-cstr. Dieses i " / ' 154 kühlen nachgestr.M{eereswassem)H'^
159 Edelleute nach gestr. Edellcut<e> W 1 6 3 D iß nach gestr. Wi<r> I'P
173 von nach gestr. von H^
10 1 7 8 . 1 7 9 : Des Vcrläugnenden, (1) so
(eine Zeile frei)
Ein Jahrhundert sich biegt , nachdenklich, in der Freude deV
Wahrhei t
(2) wie wenn
15 Ein Jahrhundert sich biegt, nachdenklich, in der Freude der
Wahrhei t H ^
182 Nemlich nach gestr. Rein i / ' '
195 Schiksaals,] am unteren Rande der Seite; der Kcst ist verschollen H^
Lesarten der Ansätze zur letzten Fassung (H^)
20 Grundlage der Überarbeitung ist die Reinschrift H^. Änderungen (H^) werden vor-
genommen in den Versen: 7, 11, 2S, 29, 32, )4, 36, 136, 137, 13S,
139, 140, 141, 142, 143, 144, 14S, 146, 147, 148, 151, 152, 153, 154, 155,
156, 158, 159, 160, 161, 162, 163, 164, 165, 166, 167, 169, 171, 174, 175,
177, 181, 182, 183, 187, 188, 189, 190, 191, 195. Außerdem sind folgende Les-
25 arten zu verzeichnen (die in den Text gesetzten Änderungen werden also hier nicht
wiederholt):
2 5 erfahren über nicht gestr. mitgelitten (H^), nicht als Ersatz aufzufassen,
weil deutlich mit Einfügungsklammer hinter mitgelitten gestellt H^ Merkzei-
chen aus Maalzeichen U^
30 3 6 . 3 7 : ( l ) Und Taurus stehet-und Messogis,
Und schläfrig fast von Blumen der Garten, i J '
(2) von Gewürzen vor schläfrig über der Zeile H^
(3) Und Taurus stehet und Messogis, und von Gewürzen
Fast /von Gewürzen/schläfr ig / fast von B lumen /der G a r t e n , i / *
787
16S-1S7 Patmos
1 4 0 . 1 4 1 : (1) Sclivvaigl' er das Seufzen des Lichts,
(2) Von WaGserCaJ heilt
(b) schwaigt'
(c) stillte der, gefährlich zu denken
(3) [Von] /Wasser / stillte er {das Seufzen des Lichts, das} 5
( a ) dürstendem
(b) durstigem Thier war oder
D e m Schreien des Huhns ähnlich, jenesTages, (a) [als] (ß) [da]
(y) {als) um Syrien, verbhüt (: verschrieben statt
verblühtj H ^ 10
142 Gewimmert aus W i m m e r t H^ 1 4 4 stürzt] (1) stul oder stuk ( ? )
(2) stür<z>t I-J^ 1 4 6 Brennend ist] (1) Schwer ists H^ (2) Sch [wer ]
(5) Schwer ist (4) Brennend ist H^ 1 4 7 : (1) I m Großen zu behalten das
Große. H^ (2) I m Großen (a) ge (b) gleich behalten das Große. (3) Das
gleich behalten Im Großen das Große . H^ 152 I^astträger aus Lä H^ 15
153 gebannet, und angeblümt aus; gebannt, imd angeblümet 1 5 5 wei-
ten (H^)] darüber, gestr.: wüsten H^ 1 5 5 . 1 5 6 Aber nicht / Genug, aus:
oder Pelops. Das aber ist nicht / Genug. 1 5 9 nach] danach ein Äomma
H ^ 163 Schauen] (1) Schauen (2) Schaun (3) Schauen / f « 165 Die
l\cin\ic\X nach gestr.'&iegt(dafiir dann i&rhlv. 164) H^ 1 6 7 : ( l ) E i n a c h t - 20
samer Mann (2) Der achtsame / r /Mann H^ 175 lAchl über der Zeile H^
181 : (1) Doch trauerten sie, da nun H'^
(2) Deß ungeachtet
(5) Doch aber mußten sie traue(r)n, nun, da
1 8 7 nicht über wollten FP 188 Schläfen aus Scha 1 9 0 das. Und] 25
(1) das, und ihnen (2) das, denn ihnen (3) das. Und H^ schadend über
verderblich H ^
Erläuterungen
Alle Strophen dieses Gesangs zählen in allen Fassungen 1S Verse; nur die zehnte
(v.lS6 beginnende) Strophe hat in den ersten beiden abgedruckten Fassungen ver- 30
sehentlich eine Zeile zuviel. Die triadische Gliederung des in seiner ersten Gestalt
IS Strophen umfassenden Gesangs wird erkennbar an den Strophenenjambements
V.SO f., 7S f., lOSf. (in den Bruchstücken der späteren Fassung sowie in den An-
sätzen zur letzten kommt v. 16S f . noch eines hinzu), die alle innerhalb der Triaden
liegen. Ein einziges (leichteres und inhaltlich begründetes) Enjambement findet 35
788
Patmos 16S-1S7
(v.lSlf. der ersten Fassung und der Vorstufe einer späteren Fassung) zwischen zwei
Triaden statt.
Die erste Fassung kennt nur steigende Verse (siehe S. 681 Z. 4—IS). Bei der Um-
formung der Verse 10 und 11 inH^ muß nahe in Nah geändert werden, danüt das
5 Gesetz des steigenden Verses keine Ausnahme leide. — In den Bruchstücken der späteren
Fassung (z.B. v.l42 und 17 f ) und den Ansätzen zur letzten Fassung (z.B. v.140
und 189) ist der Grundsatz aufgegeben. — Die Vorstufe einer späteren Fassung be-
zeichnet den Übergang: ein Versbeginn wie Patmos, thiergleich (v.74) kann noch
mit Chiron v. 4S: Örtlich, Irrstem in Parallele gesetzt werden.
10 Die Insel Patmos, die dem Ganzen den Namen gibt, kommt nur in der zweiten Trias
vor; vgl. die Erläuterung zur Überschrift des Gesangs Am Quell der Donau.
Widmung: Siehe Karl Schwartz: Landgraf Friedrich V. von Hessen-Homburg
und seine Familie, 3 Bände, Rudolstadt 1878; 2.Aufl. Homburgv. d. Höhe 1888.
7 Die Söhne der Alpen] Sicherlich sind darunter nicht auch die Adler zu ver-
15 stehn, sondern die menschlichen Bewohner der Alpen. Vgl. die Einfügung in der
letzten Fassung: I m Tagewerk.
9—12 Die Vereinsamung des Individuums in götterloser Zeit wird in einem Bild von
kühner Durchsichtigkeit dargestellt, das sich unmittelbar aus den vorangehenden
Versen ergibt.
20 2 7 Im goUcncnB.auchc] Vgl. v. 19S (Lesarten); Germanien v. 2f.
2 9 M i t Schritten der Sonne] Vgl. Griechenland, I.Fassung, v. S (S. 254).
3 1 Der Name Asia, schon in dem Gesang Am Quell der Donau beschworen, strahlt
hier am Beginn der Strophe, nach kühnem Enjambement, doppelt zauberhaft; ein-
dringliches Beispiel für die Stilwirkung des Strophensprungs.
25 3 3 — 4 5 Dieselben Gegenden von Smyrna werden im Hyperion 1, 32—34 aus-
führlich geschildert.
3 5 Der goldgcschmükte Pactol ] Vgl. Der Nekar v.lS und die Erläuterung z. St.
3 9 der silberne Schnee] Vgl. Heimkunft v.l9 und die Erläuterung z.St.
4 3 Säulen] Vgl. (ßer Ister} v. 22, wo ebenfalls Bäume mit Säulen verglichen wer-
30 den; umgekehrt: Lebensalter v. 3.
4 9 Der schaltenlosen Straßen, genug] Schiffahrtswege.
5 7 - 6 0 Vgl Klop stock. Der Messias, 20. Gesang (Werke 8^, Bd. 6, Leipzig 1800,
S. 220): Unbemerkter, nicht eine der Königinnen des Weltmeers, Ruhete
zwischen Wogengebirgen die einsame Patmos.
35 57 . 5 8 Cypros, Die quellenrciche] Der Geograph stellt fest, die Zahl der (gellen
789
165-187 Patmos
Cypems sei »im Ferhältnis zur Ausdehnung der Insel nicht sehr groß« (Eugen
Oberhummer: Die Insel O^em, 1. Teil, München 1903, S. 226); nicht alle Ort-
schaften härmen mit Quellwasser versorgt werden, doch finden sich im Gebirge einige
wenige Quellen, die recht ergiebig sind (S. 229). In der antiken Literatur, wo quel-
lenreich z.B. das ständige Beiwort des Idagebirgs ist (vgl. die einleitende Erläute- 5
rung zu der Ode Ganymed), wird anscheinend Cypres niemals so genannt. Doch hat
vielleicht, wenn auch nur mittelbar, die Schilderung der cyprischen Fontana
amorosa (ßQvmg r&v 'EQc!)TCOv)inAriosts Rasendem RolandlS,l 38 f . bei Hölder-
lin die Vorstellung einer herrlich wohnenden und quellenreichcn Cypres geweckt. —
Siehe auch v.l6 f . des Archipelagus. 10
6 0 W o h n t ] Vgl. (Der Ister) v. 22 und die Erläuterung z. St.
6 8 —72 und ihre Kinder, das sind nach der ursprünglichen Fassung (siehe die
Lesarten) die felsbewohnenden Lüfte, an deren Stelle dann die St immen des
heißen Hains treten; diesen St immen gleichgeordnet sind die Laute, die dort wahr-
nehmbar sind, we kein Hain die heißen Sonnenstrahlen kühlt, wo vielmehr unter der 15
Wirkung der Hitze in dürrer Öde der Sand fällt , und sich spaltet / Des Feldes
Fläche (vgl.Fragment von Hyperion 197: Ein leises Ächzen der Erde, wenn der
brennende Strahl den Boden spaltet, hör ' ich zuweilen; Der Wanderer, 2.Fas-
sung, V. 4: Spaltend mit Stralen; auch Der Rhein v.74): diese Stimmen und Laute
sind also die vornehmsten Hervorbringungen der gänzlich reizlosen Insel Patmes, sind 20
ihre Kinder, die auch die Klage derer hören, die sich dorthin flüchten.
75 Des Sehers] Das ist Johannes; vgl. Offenb. Joh. 1,9: Ich Johannes . . . war in
der Insel, die da heißt Patmos, u m des Worts Gottes willen, und des Zeugnisses
Jesu Christi.
7 7 unzertrennlich] Joh.l3, 23: Es war aber einer unter seinen Jüngern, der 25
zu Tische saß an der Brust Jesu, welchen Jesus l ieb hatte; 19, 26: Da mm Jesus
(unter dem Kreuz) seine Mutter sähe, und den Jünger dabei stehen, den er l ieb
hatte, spricht er zu seiner Mutter: W e i b , siehe, das ist dein Sohn; vgl. femer
Joh. 20, 2; 21,7; 21, 20.
8 8 Denn alles ist gut ] Vgl.Fragment von Hyperion 196: Alles ist gut; Brief an 30
die Schwester vom 19.März 1800: Und so ists mein gewisser Glaube, daß am
Ende alles gut ist, und alle Trauer nur der W e g zu wahrer heil iger Freude ist.
8 8 . 8 9 Vieles wäre / Zu sagen davon] Vgl. (Der Ister) v. 4Sf.: Vieles wäre / Zu
sagen davon.
8 9 . 9 0 Und es sahn ihn, wie er siegend blikte Den Freudigsten die Freunde 35
790
Patmos US-187
noch lulc'it] Diese Betonimg der siegenden Freude statt des erniedrigten Lcidciu ist
in der zeitgenössischen Theologie kaum zu belegen. Es ist Klopstocks Christus-
Alffassung, der im Messias des Vollenders Freuden und des Siegers Triumph
(11, lSu.l7) zu singen sich untenuindet, und unter dessen Einfluß gewißlich auch
5 der griechenbegeisterte Pfarrer von Grünau bei Johann Heinrich Voß, Luise 2,
S10—S17, so spricht: W e g unmännliche Klag' iim den Göttlichen, der, wie die
Sünder, / Als Unsündiger starb! Wer weint' um des Sokrates Giftkelch? /
AVer um die Flamm', aus welcher, ein Gott, aufstralte Herakles? / Soll an er-
habenem Sinne der Heid' uns nehmen den Vorrang? / W e g ihr Martergebilde
10 der Kreuzigung! Er, den des Todes / Bittere Schmach nicht beugte, der Held
mit dem Siegespanier, schwebt / Freudig empor, daß wir selber aus Staub
nachstreben zum Aether! (In der Fassung von 1798 stehen diese Verse noch nicht,
sondern erst in der »vollendeten Ausgabe« von 1807.)
91. 92 Doch trauerten sie, da nun I Es Ahead, worden] Juf dem fVege nachEm-
15 maus sagt der Auferstaruieru: zu den beidenJüngern(Luk.24,17 sind das für Re-
den, die ihr zwischen euch handeltunterweges, und seid traurig.?—t/niidic Jünger
sagen zu ihm, den sie noch nicht erkennen (Luk. 24,29): Bleibe bei uns, denn es will
Abend werden. — Vgl. ferner Joh. 9, 4; 12, Siehe aiichBrodund Weinv. 130.
98 W i e Feuer im Eisen] » Wie das Feuer sogar in das harte Eisen eindringt und
20 es zum Glühen bringt« — vgl. die Bruchstücke der späteren Fassung und zumal die
Ansätze zur letzten Fassung v.l89 f.: Eingeboren, glühend / Wie Feuer roth
war im Eisen das.
108 Denn izt erlosch der Sonne Tag ] An den Pfingsten hat Christus, der Letzte
des Göttergeschlechts, die Erde endgültig verlassen, und damit begann die Zeit der
25 Nacht. Daß es wirklich der griechische Göttertag ist, den Christus abschließt, zeigt
deutlicher der Entwurf (siehe die Lesarten): Den Zepter, womit Er hatte ge-
herrscht, von Asia her. Seit unerforschlichcn Zeiten. Vgl. auchBrod und Wein
V. 12S—1}0; femer Der Einzige, J. Strophe und sonst.
113 Zu rechter Zeit] Dieser Ausdruck ist mit erlosch v.108 zu verbinden (vgl.
50 auch die Lesarten). Die Parenthese v.ll2 unterstreicht die Regelmäßighit des
Wechsels von Tag und Nacht. Das Pronomen es ist ganz unbestimmt gelassen:
»es« soll wiederkommen, das heißt: es soll so weitergehn, wie es begonnen hat
nach göttlicher Ordnung. Wäre das Ende des Tages au/später (v.ll4) hinausge-
zögert worden, so wäre es schroffabbrechend, nicht liebend verklingend, xmtreu,
55 der Menschen Werk gewesm, nicht göttliche Ordnung.
V 791
16S-1S7 Patmos
1 2 0 Bi lder] Vgl. Heidelberg v. 27 f . (H^): freundliche Bilder / Rauschten über
die Burg herab.
121—135 Mit der götterlosen Nacht beginnt auch die Vereinsamung der Men-
schen, deren äußerste Grenze in späterer Zeit v. 9—12 angedeutet war. — Denn schon
das Angesicht / Der theuem Freunde zu lassen ( , ist furchtbar,) / Und fernhin 5
über die Berge zu gehn / Allein, (.ist ebenfalls furchtbar,) wo {doch soeben noch,
im letzten Licht des Göttertags) zweifach / Erkannt (oZio nicht bloß ein Traum
des Einzelnen, sondern eine auch von andern erfahrene und bestätigte fVirhlichkeit
und Tatsache), einstimmig {das heißt: zusammenstimmend mit dem Sinn der Men-
schen) I W a r himmlischer Geist ; und nicht {bloß für künftig) geweissagt (oder 10
nur vom Hörensagen berichtet) war es, sondern / Die Loken ergriff es, gegen-
wärtig {vgl. Hesekicl S, 3; siehe Dichterbcruf v.l9 f . und die Erläuterung z. St.), /
Wenn {die zunächst noch beieinander Gebliebenen sahen, wit:) ihnen plözlich /
Ferncilend {schon, noch einmal abschiednchmend) zurük blikte / Der Gott und
wenn sie, des nun gleichzeitig mit dem Gott entschwindenden mitmenschlichen Zu- 15
sammenhalts gedenkend, die Hände sich reichten, des Willens, sich für die kam-,
mende Zeit mit goldenen Seilen aneinanderzubinden, den bösen Geist der Vereinze-
lung zu nennen und damit zu vertreiben und so den fenieilenden Gott zu beschwören,
er möge halten, anhalten, zurückkehren.
138 Schönheit] Vgl. Psalm 4S, } die auf Christus gedeutete IVeissagung: Du bist 20
der Schönste unter den Menschenkindern.
143 —147 Der Einbruch der götterlosen Zeit wird unter einem neuen Bild gestaltet:
dem eines Unwetters, einer alles hinwegschwemmenden Flut.
1 4 4 W e i d e n ] Vgl. Unter den Alpen gesungen v. 21 f.: so lange / Nicht auch
mich , wie die Weide , fort die Fluth n i m m t ; siehe auch dort die Erläuterung. 25
151 was ist d i ß ? ] Vgl. Mnemosyne v. 34.
1 5 2 - 1 5 8 Boas worfelt Gerste auf seiner Tenne; Ruth 3, 2. Das Bild des Worflers
wird in der Bibel mehrmals gebraucht: Jesaja 30, 24; Jeremia 4,11; IS, 7; Sl, 2; —
auf Christi Lehre bezogen Matth. 3, 12: Und Er hat seine Worfschaufel in seiner
Hand; er wird seine Temie fegen und den Weizen in seine Scheune sammeln, 30
aber die Spreu wird er verbrennen mit ewigem Feuer (entsprechend Luk. 3, 17).
Vgl. auch Jesaja 21,10; Arnos 9, 9.
1 6 2 . 1 6 3 Vgl. Hiob 28, 2: Eisen bringet man aus der Erde, und aus den Steinen
schmelzet man Erz.
1 6 3 Aetna] Vgl. Pindar, Pph. i, 34-S2 in Hölderlins Übersetzung. 35
792
Patmos 16S-187
165 Ein Bi ld ] Ein ehernes Standbild.
167—175 Der Dichter ist sich dessen bewußt, daß er das Bild des Gottes, selbst
wenn ihm die äußern Mittel verfügbar wären, nicht vorzeitig errichten darf — vgl.
{Wie wenn am Feiertage...) v. 67—7 J; (/Venn aber die Himmlischen...} v.94—96.
5 - Wenn aber ein Knecht sich unverantwortlich zu diesem Wagnis anspornte und ich,
in der Überrumpelung wehrlos, hilflos, es nicht verhindern könnte, so wäre des Got-
tes Zorn die unvermeidliche Folge fe in Knecht ist also nicht etwa Apposition zu dem
Subjekt i ch , sondern selbständiges Subjekt, das dem Subjekt einer v.167 entspricht;
nachahmen inöcht ' ist Person-vgl. die Lesarten H^, S. 7 SO f.). Der Haupt-
10 Satz v. 171—17} sagt nicht einfach aus »dann zürnt der Gott«, sondern b'erichtct
in wirkungsvollem Anakoluth von einer solchen Erfahrung. Der Satz selbst ist über-
dies von lapidarer Härte: der zürnende Herr des Himmels duldet nicht, daß ich
in der Zeit der Forbereitung und des Übergangs schon etwas sein, schon etwas Fer-
tiges und Gültiges darstellen sollte, sondern er will, daß ich da bin, um zu lernen. —
15 Das Subjekt des folgenden Satzes sie meint die Unsterblichen, die Himmlischen.
1 7 7 Unsterblicher] gen. plur. — Das Schiksaal der Unsterblichen, in der Zeit zwi-
schen den Zeiten die stärkste Macht, ist die 'Avdyxrj der Griechen. — Vgl, die Fassung
des Entwurfs (H^): So schreitet fort der Götter Schiksaal wundervoll und voll
des Todes und Lebens.
20 178 Ende] Das Endo der Zwischenzeit bedeutet den Anfang einer neuen erfüllten
Zeit: dann geht h immlischer Triumphgang (v.l79 f.) wieder höher, dann, wenn
— wie es im Entwurf (H') heißt —die Götter ruhig in ihren Thaten erkannt, wie-
der die Himmlischen be im rcchtcn Nahmen genannt sind (vgl.Brod und Wein
V. 89).
25 1 8 0 der Sonne gleich ] Vgl. (Versöhnender der du nimmergeglaubt...), I.Fassung,
v. 87 und die Erläuterung z. St.
1 8 0 - 1 8 2 Der frohlokende Sohn des Höchsten (vgl.Brod und Wein v.lSSf.)
wird dann als ein Loosungszeichen genannt.
1 8 2 . 1 8 3 der Stab / Des Gesanges] Dann ist die Zeit des Gesangs, sagt der
30 Entwurf (H^), also zu Beginn des neuen Göttertags — Hölderlin glaubte: in seiner
Gegenwart, wie aus der frühen Fassung H^ hervorgeht: Dann ist, wie jezt die Zeit
des Gesangs. Die Dichtung hat bei der Wiederkunft der Götter eine besondre Aufgabe
zu erfüllen. Die magische Gewalt, die ihr eignet, wird dam durch den Stab bezeich-
net; sicherlich nach Klopstocks Forbild, doch ist nicht eigentlich die von Böckmann
35 "f 448) zitierte Ode Der Bach (1766) zu nennen, da hier der Stab ersiihtlich die % 793
16 S-187 Patmos
lyrische Verszeile bedeutet: der deutsche Dichter, der lange nur das Getön des star-
ken Liedes (v.fO) zu kören vermochte und des Stabs Ende nur sah (v.S2), das
heißt: den Reim, mußte das Maaß, das Silbenmaß, verkennen, das den Vers nicht
bloß an seinem Ende gestaltet, sondern, strenger, in seiner ganzen Länge regelt, als
der Leidenschaften Ausdruck, W e l c h e r dahin mit dem Rithmus strömet (An 5
Johann Heinrich Voß, 1782, v. 2} f.). Herder, denBöchmann z.St. anführt, gibt der
Wendung Lyrischen Stabs Ende wohl absichtlich einen von Klopstock abweichenden
Sinn (S, 20S Suphan). — Das unmittelbare Vorbild für den winkenden magischen
Stab der Dichtung findet sich in Klopstocks Ode Die Maßbestimmung (1781) v.
29—32: Vermiss' i m Lied ' ich dich (die Maßbestimmung) o f t ; so entschlüpf l o
i ch , Frey nun, dem Kreis, den sein Zauber u m m i c h herzog: Und der winkt
mir vielleicht vergebens Dann mit dem mächtigen Stab. Vgl. auch Die Rath-
geberin (179S) V. 7, 2S, 29. Der magische Stab des Gesanges winkt die Himmlischen
auf die Erde hernieder, er läßt sie gestalthaft erscheinen — auf wunderbare Weise:
Denn nichts ist gemein — wie er auch die Toten aufzuwecken vermag; vgl.Menons 15
Klagen um Diotima v.74—77. Herder spricht Ober den magischen Stab der Kunst
ganz im Sirme Klopstocks und Hölderlins in seinem Adrastea-Aufsatz (1802) über
Emanuel Swedenborg (23, S77 Suphan): Die Bilderschaffende Kraft in uns und
bei andern ins Spie l zu setzen , haben wir ein eignes Vermögen. Dichter thun
es. Mahler, Tonkünstler, Redner. Ihre Kunst führet darauf, und ist daher er- 20
wachsen. W e r keine Idole hervorbringen kann, sagen wir, ist kein Dichter ; je
leichter er sie, oft nur mi t E inem W o r t hervorbringt, je natürlicher, länger
und l ieblicher sie sich bei uns, wie einst bei i h m , verweilen, desto mehr ist er
im Besitz des m a g i s c h e n Stabes.
191—196 Im scharfen Strale der ersten Zeit göttlicher Einwirkung werden die 25
scheuen Augen geblendet. Doch wird der Stral bald gemildert (vgl. ' inender
der du nimmer geglaubt...), I.Fassung, v.Sl—SS; Der Rhein i -169). Der
Blick aus dem Auge des Gottes wäre in der ersten Zeit nicht zu ^ gen; dann aber
wird er, beschattet von schwellenden Augenbraunen, zu , ,t stillen Leuchten,
zu goldnem Rauche (H^), zu einem stillen Blike, weil er nicht mehr so ungeteilt 50
der W e l t gilt wie im ersten Ansichtigwerden, er ist vielmehr der W e l t vergessen
(vgl. Der Abschied v.30 und die Erläuterung z. St.). Es handelt sich nicht mehr um
unmittelbare Gottesbegegnungen, sondern um Erkenntnisse aus heiliger Schrift
(vgl. Der Einzige, S.Fassung, v. 80—84).
1 9 9 Dich] Den Landgrafen von Homburg, dem das Gedicht gewidmet ist. — D^/^ # 794
Patmos 16 S-187
Erwähnung des Adressaten im Text gegen den Schluß des Gedichts ist typisch: vgl.
Stutgard v.lOO; Brod und tVein v.123; Jim Quell der Donau v.lOS (Lesarten);
Die Wanderung v. 108 (Lesarten); Der Rhein v. 212.
2 0 3 — 2 1 1 Still ist sein Zeichen Am donnernden Himmel; der Blitz — es ist
5 nicht mehr und noch nicht wieder die Zeit unmittelbarer Gottesqffenbarung; vgl. Der
Einzige, Fassung, v. 80-84. Einer stehet unter Gottes Gewittern, wie die Dichter
in dem Gesang {iVie wenn am Feiertage...) v. 56—60, als Mittler, das ist Christus,
dessen Wirksamkeit noch nicht beendet ist. Die Helden, die Heroen und Halbgötter,
sind ebensolche Mittler, seine Söhne, das heißt nicht: Christi, sondern des ewigen
10 Vaters (v. 202); auch heilige Schriften künden mittelbar von der Erscheinung des
Gottes (vgl. V.194), und ebenso erklären die Thaten der Erde das Zeichen des
Vaters, das, am donnernden Himmel erscheinend, den Helden und Halbgöttern des
dadurch bestimmten Aeons Raum und Gelegenheit zu ihren Taten schafft und sie zu
heiligem Eifer, zu einem Wettlauf anspornt (vgl. die Thaten der Welt in dem
15 Gesang {Wie wenn am Feiertage...) v. 30; auch die ruhelosen Thaten in weiter
Welt , Dichterberuf v. 2S). Er ist aber dahei, nämlich der ewige Vater. Der fol-
gende Satz ist, worauf Michel S. 478 aufmerksam macht, ein Bibelzitat: Apostel-
gesch.lf, 18: Gott sind alle seine Werke bewußt von der Welt her.
2 1 6 das Herz] Akkusativobjekt; eine Gewalt ist Subjekt.
20 2 2 0 der Mutter Erd'] So/ang'c der große Vater fem ist, empfängt Mutter Erde
stellvertretend göttliche Ehren - vgl. den Entwurf für die Fortsetzung des Gesangs
Der Mutter Erde (S. 683f.). DieselbeFunktion in gottfemer Zeit hat das Sonnenlicht
— vgl. {Versöhnender der du nimmergeglaubt...}, I.Fassung, v. 87 f .
2 2 2 - 2 2 6 Vgl. Stimme des Volks, 2. Fassung, v. 69-72.
25 2 2 5 . 2 2 6 Vgl.Achimv. Arnim, Gräßn Dolores(2,42 Steig): das Bestehende soll
gut gedeutet werden, sagt ein tiefer Denker (Hölderlin), dem folgt Deutsch-
land in seiner Entwick^lung. - Vgl. die Erläuterung zu v. 4 der Ode An die
Deutschen (S. 402).
2 2 6 Dem folgt deutscher Gesang] »Dem gehorcht, demgemäß verfährt der
30 deutsche Dichter.«
Vorstufe einer späteren Fassung:
1 . 2 Voll Güt'ist. Keiner aberfasset/Allein Gott. ]£)erimmerjtärAere?riZ/e zu Aär-
tester Sprachfügung ist so rücksichtslos geworden, daß er grammatische Gesetze miß-
achtet: das Subjekt des ersten Satzes ist hier aus dem Objekt des zweiten zu ergänzen.
795
16S-187 Patmos
75 im Sausen des Rohrs] Vgl. Mnemos^nev. 41 (40).
86 . 8 7 zu Schwaigen... das Zürnen der Welt] Vgl. die Ansätze zur letzten Fas-
sung V.140 (Lesarten); Lucan- Übersetzung v. 261 und 299; Oedipus der Tyrann
V. 402 (i97): Doch ich . . . schwaigte sie; Antigonä v. SJ} (804): das alles
schwaigende Bett',- v. 839 (810): Der alles schwaigende Todesgott; siehe Die 5
Stille V. 51 und die Erläuterung z. St. (1, 363).
1 1 9 . 1 2 0 Manchem ward / Sein Vaterland ein kleiner Raum] Vgl.Bruchstück
74 V. f f . : Daß siber ims das Vaterland nicht werde / Zum kleinen Raum.
1 2 1 wahrhaft] Adverbium.
1 2 9 das Heiligtum das Spiel des Moria] Der Tempel zu Jerusalem ward bei 10
Christi Tod und Auferstehung ein Spiel (das ist: Spielball, Spielzeug) des im Erd-
beben zerbrechenden Hügels Moria, auf dessen Höhe Salomo ihn erbaut hatte
(2. Chron. 3,1). Die Schrecken des behenden Moria sind in Klopstocks Messias des
öfteren dargestellt: 11, 44-Sl; 210-215; 12, 757-773; 13, 755-757.
1 3 0 der Zornhügel] Das ist Golgatha; zuerst stand (vgl. die Lesarten) der Klop- 15
stockische Ausdruck Todeshügel (Der Messias 9, 160; 421; 494; 5S3; 10, 773;
11,134; 12, 234 und sonst).
152 »Es ist das der Wurf eines Sinns«, das heißt: eines Mannes, der die im fol-
genden ausgesagte Absicht im Sinn hegt.
Bruchstücke der späteren Fassung: 20
6 2 — 6 7 Diese Verse meinen die alles in Frage stellende Übergangszeit.
6 7 - 6 9 Gott offenbart sich zuerst unmittelbar — vgl. die Erläuterungen zu v.191—
196 und 203-211 erster Fassung.
6 9 —72 eine Zeit ist Akkusativ der Erstreckung: »eine Zeitlang«, ist zweierlei un-
teilbar: erstens Gesetz, Amt, Gebet (die Hände / Zu erheben^, das heißt: die Hin- 25
Wendung zu dem Neuen, Werdenden, zweitens: die Abwendung von den hosen Ge-
danken der chaotischen Endschaft zuvor, los von ihnen zu kommen, sie zu ordnen.
Das den ersten Komplex resümierende Pronomen das v.71 bezeichnet deutlich die
Grenze zwischen den beiden unteilbaren Dingen. In demselben Sinn wird die Unteil-
barkeit des Abwendens und Anhebens in der Abhandlung über {Das Werden im Ver- 30
gehen) zu Beginn des zweiten Absatzes als Untergang oder Übergang des Vater-
landes gekennzeichnet. Darauf zielen auch die Anmerkungeri zur Antigonä, gegen
Ende, wo von der Art des Hergangs in der Antigonä die Rede ist. Nicht zufällig
steht dort auch der Anruf: 7iQoq}avr]&i deoq (»erscheine, Gott!«).
796
Patmos 16 S-187
12.Ii Grausam nemlich hasset Allwissende Stirnen Gott] Vgl.Der Einzige,
2. Fassung, V. 72 und die Erläuterung z. St.
7 4 . 7 5 »Wenn einer prophetisches Wort für irdisches erklärt«, wenn er unter
Gottes Gewittern als Mittler zwischen Gott und Menschen steht — wie die Dichter
5 in dem Gesang (,Wie wenn am Feiertage...} v. S6—60.
1 3 6 - 1 3 8 Nazaretli, der See Genezareth, durch den der Jordan hindurchßi^t,
Capernaum und Cana liegen sämtlich in Galiläa. — Der Satz, dessen Anfang ver-
schollen ist, sprach wohl von Christi ausgedehnter Wirksamkeit; vgl. Matth. 4,
2}—2f; femer Joh. 4, 4}—S4, wo erzählt wird, daß Christus bei seinem Aufenthalt
10 in Galiläa nach Cana und in die Nähe von Capernaum kam (deshalb wahrschein-
lich: an Capernaum — siehe die letzte Fassung: an Capernaum, wo sie ihn / Ge-
sucht, damit er den Sohn des Königischen heile).
1 3 9 Eine Weile] Vgl.Joh.13, )h Lieben Kindlein, i'ch bin noch eine kleine
Weile bei euch.
15 1 4 0 das Seufzen des Lichts] Vgl. Joh.l, 4: In ihm war das Leben, und das
Leben war das Licht der Menschen. Dieses Licht vertrieb nicht sogleich die Fin-
sternis. Das Seufzen der Menschen nach dem Licht, in dichterischer Übertragung
das Seufzen des Lichts genannt, wird durch Christi Wundertaten und Lehre, deren
Ruf sich weiter und weiter ausbreitet, nach und nach gestillt, tropfenweis. Am ärg-
20 sten war das Seufzen in den Tagen des Bethlehemitischen Kindermordes (Matth. 2,
16—18): die Kindlein jarrunern um Syrien; darunter ist das ganze Heilige Land
zu verstehen — Christus heißt ja in Brod und Wein v. 1S6 der Syrier. Das Seufzen
des Lichts war ebenso verzweifelt und sehnsüchtig ("durstigem Wi ld . . . ähnlich)
an einem zweiten Tiefpunkt der Heilsgeschichte: bei der Enthauptung Johannes des
25 Täufers. Sein Haupt, wie eine reife Traube gepflükt, auf der Schüssel (Matth. 14,
8—11; Marc. 6, 25-28) war aber zugleich ein Zeugnis für die Dauer (auf weilen-
der Schüssel, unverwelklicher Schrift gleich sichtbar).
148 Waide ] Die grqßm, gewaltigen Übergangszeiten, wo das lange als groß Gel-
tende oft nicht behalten werden kann, gleichen nicht einer Waide, auf der das Vieh
30 geruhsam sein Futter sucht und sich behaglich ausruht: in diesem Anfang einer neuen
Zeit darf keiner verharren, keiner bleiben, stehen bleiben. (Hölderlin unterscheidet ent-
sprechend der neueren schwäbischen Aussprache Waide (Viehweide) und Weide
(Baum), mhd. weide imd wide; vgl. etwa (Jhr sichergebaueten Alpen...) u. 1S—1S.)
1 4 9 . 1 5 0 Jezt aber / Geht dieses wieder, wie sonst] »Dann aber hat sich, bis
35 jetzt, die Zeit beruhigt.«
797
16S-187 Patmos
152 Herkules ] Jetzt wird auch in diesem Gesang (wie im Einzigen) der weltliche
Halbgott Herkules dem Einzigen an die Seite gestellt.
153 - 1 5 5 Peleus] Der väterliche Heros, Vater des Helden Achill, vertritt ebenfalls
wie Herkules in diesem Gesang, dessen frühere Fassungen rein christlich bestimmt
waren, nun auch den orbis der Alten (vgl. die Bemerkung zu v. 22—24 des Eni- 5
Wurfs Kolomb; Lesarten). Die Insel, die den Schiffbrüchigen gastfreundlich aufge-
nommen und bis zu seinem Ende beherbergt hat, ist Kos vor der südlichen Westküste
Kleinasiens (Scholion zu Euripides, Troad. v.ll28). Eine anschauliche Vorstellung
von dem aus kühlen Meereswassem geretteten Peleus hatte Hölderlin aus einem
Kupferstich in Winckelmarms Geschichte der Kunst des Altertums (Nr. IS) gewon- 10
nen, der einen geschnittenen Stein wiedergibt: Peleus, weit nach links herüber geneigt,
preßt Wassertropfen mit beiden Händen aus den fast senkrecht herabhängenden lan-
gen Haaren. Daß es sich um Peleus handelt, deuten die Buchstaben IIEAE an. Win-
ckelmann, der im 2. Kapitel d 19) des }.Buches (3,339 f . Eiselein) die dargestellte
Situation allerdings andersdeutet, fügt fo'Tizu.'Manmerke hier, in Absicht dergrie- 15
chischen Helden auf hetrurischen Werken, was Pindarus insbesondere vom
Peleus saget, daß kein so entlegenes Land und von so verschiedener Sprache
sei, wohin nicht der Ruhm dieses Helden, des Schwiegersohnes der Götter,
gekommen sei. - Vgl. Pindar, Isthm. S, 24 f . — Hölderlin erwähnt übrigens den
Peleus - Stein mit PVinckelmarms Deutung in dem einen Magisterspecimen, der Ge- 20
schichte der schönen Künste unter den Griechen.
155 —158 Der Dichter verwehrt sich selbst den Wunsch, auch die Helden aus dem
Orbis der Alten zu singen: Das geht aber / Nicht. — Im folgenden Satz ruht der
Ton au/Anders, das als Prädikativum aufzufassen ist, korrespondierend den beiden
hart angefügten weiteren Prädikaten: Wundervoller. Reicher, zu singen. Gemeint 25
ist das Schiksaal Christi und seines Zeitalters. Seit jenem v.lSS meint Christus,
den der Dichter freilich v.lfl in unmittelbarem Anschluß an die Namensnennung
Diesen heißt. Inzwischen aber sind Herkules und Peleus vorgekommen. Die Fabel
meint den Vorwurf, das Thema der Dichtung.
1 5 9 die Fahrt der Edelleute] Vgl. die späteren Erweiterungen des Entwurfs 30
Kolomb V. 20—21 a (Lesarten): und die Tempelherren die gefahren / Nach
Jerusalem Bouillon, Rinaldo, / Bougainville; Bruchstück 48 v. 1 f.: So Mahomed,
Rinald, / Barbarossa, als freier Geist; Der Einzige, 2.Fassung, v.78 und die Er-
läuterung z. St.
1 6 0 . 1 6 1 das Leiden irrend in Canossa, Und den Heinrich] Heinrich IV. 35
798
Patmos 16S-187
(1016—1106) mi{ß auf Verlangen der deutschen Fürsten 1077 sich zu Canossa (bei
Modena) vor dem Papst Gregor VII. demütigen, wn sich vom Banne zu lösen. — Kai-
ser Heinrich und sein Alpeniibergang nach Canossa wird auch im Bruchstück 48
V. } und 8—11 erwähnt.
5 161—166 Diese Verse vertiefen den V. Iff—1S8 ausgesprochenen Gedanken.
163 Morgenluft] Vgl.Germanien v. 81: O trinke Morgenlüfte.
1 7 4 . 1 7 5 Aber sein Licht war Tod] Auch den Griechen galt die Göttin des Todes
als Lichtbringerin; vgl. Plutarch, moral. 942 d: 0eQae<p6vt} x&ATjTat... t&s qJCüO-
(pÖQOS oScra. Siehe auch die eindringliche Ausdeutung in der Antigon'd v. 922—926
10 (891—894), durch den Namen derselben Göttin (UeQaifpaaaa) veranlaßt; dazu
Friedrich Beißner: Hölderlins Übersetzungen aus dem Griechischen, Stuttgart 19)),
S. 178-180.
1 7 7 - 1 8 0 gebiikt... die Gestalt / Des Verläugnenden] Gemeint ist Christus,
von dem Paulus (Philipper 2,6 f.) sagt: Welcher, ob er wohl in göttlicher Gestalt
15 war, hielt er es nicht für einen Raub, Gott gleich sein; sondern entäußerte
sich selbst (iavrdv ixh'coaev), und nahm Knechtsgestalt an. Der Satz wie wenn /
Ein Jahrhundert sich biegt erläutert das auf die Gestalt / Des Verläugnenden
zu beziehende Partizip gebükt. Die Menschengestalt Christi, auf den auch in der
). Fassung des Einzigen v. 96 das Wort Bettler zu deuten scheint, erUspricht also
20 dem Charakter des sich zu seinem Ende rüstenden Zeitalters (vgl. Heimath v. 9-12:
wenn .. . den Naken die Ähre seitwärts beugt / Dem Herbste gleich^; lulezt
aber sahen die Freunde den Sohn Gottes noch in seiner wahren Gestalt, in der
Freude der Wahrheit, den Freudigsten (so heißt er an der vergleichbaren Stelle
der früheren Fassungen, v. 89 f.), wie er siegend blikte.
25 1 8 4 Hälfte] Vgl.Mnemosyne v. 2S-)4 und die Erläuterung z. St.; femer die Er-
läuterungen' zu dem Gedicht Hälfte des Lebens.
1 9 0 Wie Feuer] Siehe die Erläuterung zur ersten Fassung v. 98.
1 9 1 wie eine Seuche] Ein Übermaß der anhänglichen Liebe zu Vergangenem und
Abgeschiedenem ist in den Entscheidungen der Übergangszeiten gefahrreich (v.l87)
30 wie eine verderbliche Seuche. Die letzte Fassung sagt es noch deutlicher: Und scha-
dend das Angesicht des Gottes wirklich / Wie eine Seuche gieng zur Seite der
Schatte des Lieben, das heißt: Christi in seiner Menschengestalt, des Verläug-
nenden (v. 178).
1 9 5 Drachenzähne] Hier wird abermals ein Mythus aus dem orbis der Alten be-
35 schworen, <ier Männer schaffende van Kadmos, der die Zähne des erschlagenen ka-
799
16S-189 PalmOS. Andenken
stalischen Drachens auf Geheiß der Pallas Athene aussäte; daraus wuchsen dann ge-
waffnete Männer (SnaQTol, Gesäte) hervor, die sich gegenseitig bekämpften; mit den
fünf Überlebenden baute Kadmos die Stadt Theben: Ovid, met. 3, 99-1W. Die Saat
des Drachens wird auch im Dionysos-Chor der Sophokleischen Antigone (v.1124 f.)
erwähnt: äyqlov t ' ini anoQg. ögdxovrog, von Hölderlin eigenwillig umgedeutet 5
(v. 1171 f.): An den Zäunen, wo den Othem / Das Maul des Drachen haschet.
— Das Pßngstgeschehn schaift gleichermaßen aus den Überresten des Vergangenen
Männer, die das Neue zu bauen vermögen.
Ansätze zur letzten Fassung:
1 4 3 . 1 4 4 des Täuffers / Sein Haupt] Diese den Zeitgenossen, zumal den älteren, 10
durchaus geläufige Form (Possessivpronomen und gen. poss.) tritt seltsamerweise erst
in Hölderlins späten Werken auf: Brod and Wein v. 92 (Lesarten): deren ihr Lob;
Antigonä v. 314 (299): der Sterblichen ihr schändlich Werk; Pindar, Pyth.2,
38: der Götter aber ihre Gebote; P^h. 3, 178: Dessen aber sein Sohn; Pyth. 10,
70: Kam Danaens einst ihr Sohn; aus ganz früher Zeit ist eine, wohl die einxige, 15
ähnliche Form zu nennen: aus dem Reisebericht für die Mutter vom 4. Junil788: der
Churfürstin ihr Sil.
1 8 8 Von Thränen und Schläfen] In der vorigen Fassung hi^ es noch: Vom
Angesichte. Der genauere Ausdruck betont, daß Christus in seiner Menschengestalt
gemeint ist. Der Schatte des Lieben, das heißt: Christi in seiner Menschengestalt, 20
der wie eine Seuche die Jünger vor den Pfingsten nicht verlassen wollte, schadete der
Göttlichkeit Christi, das zu nah geschaute und menschlich gewohnt gewordene An-
gesicht des Gottes war seiner Göttlichkeit, seinem Anspruch auf göttliche Anbe-
tung (v. 186) und Verehrung verderblich (Lesarten).
A N D E N K E N 25
Wohl im Frühjahr 1803, bald nach der Foliendung der ersten Fassung des Patmos-
Gesangs, entstanden.
Überlieferung
H (v. 49-S9): Homburg H27 " (s. die Beschreibung S. 807 {Der Ister)).
J: Musenalmanach für das Jahr 1808. Herausgegeben von Leo Freiherm von 50
Seckendorf. Regensburg, in der Montag- und Weißischen Buchhandlung.
S. 128-130, unterschrieben: Hölderlin.
800
Andenken 1SS-1S9
Eigentümlichkeiten der Schreibung: vvol, sein (statt: seyn^, gibt, Gedächt-
nis, fleisig.
Vgl. die S. SSS, 6-17 angeführten Sätze aus Seckendorfs Brief an Kerner
vom 7. Februar 1S07.
5 Lesarten
1 - 4 8 : fehlt H
12 Eichen] Eicheln J 3 0 Nicht] Licht / 37 Bellarmin] Bellamin J
4 6 Mast] Most J
4 9 : (1) Nach Indien sind (a) die Fr
10 ("ij/ Die (a) Freunde
{ß) Männer gezogen
(2) Nun aber sind zu Indiern H
5 0 gegangen,] gegangen aus gezogen H
5 1 : (1) Fernhin, wo sich endiget / Meerbreit der Strom
15 (2) Fern wo an luftiger Spize / Ca) Meerbreit sich endiget der Strom
(b) Des Rebenlandes herab /
Die Dordogne körnt,
(5) Dort an der luftigen Spiz' H
luftigen] lustigen J
20 5 2 : (1) Am Rcben[lan]lande wo (2) An Traubenbergen, wo herab H
5 3 kommt] komt H 5 4 ; (1) Zusammen (2) Und Zusammen mit der
prächtgcn H
5 6 : (1) Sich endiget
(2) Ausgehet der Strom. / Wohl nehmet und giebt
25 (5) Ausgehet der Strom. Es nelimet aber und giebt H
57 . 5 8 : Gedächtniß die See (1) imd (a) d
(b) /Die
(2). / Und die fa; Auge<n>
(b) Lieb (a) heftet/Die Augen mit
30 (jS) auch heftet fleißige
Augen. H
5 9 : (1) Ein Bleibendes aber
(2) Was bleibet aber stiften die Dichter. H
801
188-189 Andenken
Erläuterungen
Der Gesang ist nicht triadisch gegliedert. Die fünfte Strophe zählte ursprünglich wie
die übrigen vier auch 12 Zeilen, wird aber dann in der Handschrift um eine Zeile ver-
kürzt (siehe die Lesarten zu v.S6). Das Versehen, das hier vermutlich vorliegt, wird
•aber auch bei der Anfertigung der (verschollenen) Reinschrift nicht bemerkt. — Das 5
Gesetz des steigenden Verses (siehe S. 681 Z. 4-lS) ist noch nicht aufgegeben.
Martin Heidegger nimmt das Gedicht zum Anlaß, seine Philosophie zu entwickeln:
Hölderlin. Gedenkschrift zu seinem 100. Todestag. Im Auftrag der Stadt und der
Universität Tübingen hg. von Paul Kluckhohn, Tübingen 1943, S. 267-324.
Hellingrath 4, 303 tut diesem Hymnus unrecht, indem er ihn zu »den im engern 10
Sinn lyrischen Gedichten« zählt und demgemäß in die Gruppe »Lyrisches« einord-
net mit der Begründung, dies Gedicht habe »im Gegensatz zu den Hymnen person- ,
liehe Erlebnisse des Menschen Hölderlin (nicht des Dichters) zum Gegenstand«:
auch die andern Gesänge sprechen von »persönlichen« Erlebnissen, sagen ich und
meinen es im allerpersönlichsten Sinn, und sind doch Hymnen. Die Unterscheidung 15
des Dichters und des Menschen ist überdies bei Hölderlin wohl von vornherein wie bei
keinem andern fehl am Platze. Auch dieser Hymnus soll, was Hellingrath bestreitet,
wie die andern unmittelbar das Vaterland angehn (an Wilmans, 8. Dezember
1803). Das erkennt man, ohne deswegen »Geheimnisse« darin zu suchen. Freilich
ist die Sageweise gegenüber den größeren Gesängen verändert, doch läßt sich das auch 20
an den (von Hellingrath als dieser Gattung zugehörig anerkannten) Hymnen {Der
Ister} und Mnemosyne und an späteren hymnischen Entwürfen beobachten.
1 Nordost] Vgl. Das Nächste Beste v. 32. Dort macht der Nordost den Staaren, die
im Frühling auf feuchter Wiese der Charente die Heimath spüren, scharf-
wehend die Augen waker. 25
5 Geh aber nun] Der Nordost weht nach Südwesten, das bedeutet vom Ort des
Dichters aus: nach Bourdeaux.
7 Bourdeaux] So lautet die ursprüngliche Form des Namens, die von Zedlers Uni-
versal-Lexicon 1733 noch als einzige genannt wird.
8 am scharfen Ufer] Das heißt: am steilen, schroff abschüssigen Ufer, von dem 30
der mündende Bach tief in den Strom hinabfällt; das Strombett ist tief eingeschnitten
— sch.ari gehört ja mit Pflugschar, Schere etymologisch zu dem indogermanischen
Stamm *(s)qer—: schneiden.
13 Noch denket das mir woh l ] »Ich erinnere mich rwch gut daran«. Die heute
nicht mehr allgemein gebräuchliche Wendung ist in der schwäbischen Mundart leben- 35
802
Andenken 1SS-1S9
dig geblieben. - Vgl. Schiller, Don Carlos v.3543: Solang mir denkt; Mörihe,
Der Bauer und sein Sohn (zu Beginn): - und denkt m ir doch nicht, daß ich Hän-
del hatte; Idylle vom Bodensee 2,39 f.: die Stiegen / Fehlen, so lang es mir
denkt; Emil Strauß, Der Skorpion (in der Sammlung Der Schleier, München
5 (1931)) S. 229: und seit es uns denkt, war der Hof dieses lange Viereck; auch
Stefan George, Goethes lezte Nacht in Italien v.37 (Das Neue Reich S.IO): so
denkt es mir. — Mit dem Akkusativ: Lessing, Nathan der Weise, 2. Aufzug v. 248:
M i c h denkt des Ausdrucks noch recht wohl; C.F.Meyer, Das begrabene Herz
V. 1: Mich denkt es eines alten Traums.
10 1 6 Feigenbaum] Der Feigenbaum wird auch in dem Gesang Mnemosyne v. }f
(36) genannt. In der Übersetzung aus den Bacchantinnen des Euripides steht er v. 11
für arpcöv (Heiligtum), verwechselt mit avxov (Feige) oder amea,avxfj (Feigen-
baum).
19 Auf seidnen Boden] Akkusativ des Singulars oder Dativ des Plurals (der ur-
15 sprünglich nicht umlautet). Vgl. Hugo v. Hofmannsthal, Arabella, 2. Aufzug
(Mandryka): .. so kommen Sie mit mir und seien die Herrin. /Sie werden Pfau-
en weiden auf seid'nem Boden. - Vom seidenen Duft m Feiertagen des Früh-
lings ist im Gang aufs Land die Rede: siehe S. SSI Z. 16 und 33; ferner 344,32.
22 über langsamen Stegen] Über Fußsteigen, auf denen man, besinnlich, lang-
20 sam geht.
2 6 Des dunkeln Lichtes ] Das ist: des dunkelroten, duftenden Bordeauxweins, des-
sen Dunkelheit doch das Licht der Freude und des Andenkens in sich birgt: Wie
dunkler Wein, erfreut auch emster Sang ((An Landauer) v. 22).
2 8 . 2 9 Vgl.DieTitanen v. 5—7: gieb in Feierstunden/Und daß ich ruhen möge,
25 der Todten / Zu denken. — Ebenso sind hier die Schatten der Abgeschiednen ge-
meint; der Schlummer ist deren heil'ges Angedenken, worin das Herz bisweilen
bei allen Lebensmühen ausruht ((An Landauer) v. 19f.).
31 . 3 2 Seellos von sterblichen Gedanken] Die hohe Aufgabe verlangt zwar den
unverwandten Blick auf das Künftige, auf die Erscheinung des neuen Gottes, sie ver-
30 langt, daß der Berufene das Liebste wie den Feind schelt' (Der Rhein v.llSf),
gemäß dem harten Anspruch des Evangeliums (Lvk. 9, 62): Wer seine Hand an
den Pflug legt, und siehet zurück, der ist nicht geschickt zum Reiche Gottes.
— Dennoch ist es dem Menschen gelegentlich—in Feierstunden (Die Titanen v. S) -
erlaubt, in sterblichen Gedanken von der Anspannung auszuruhn. Der folgende
35 Satz CDoch gut ist...^ gibt die positive Entsprechung.
8 0 3
1SS-1S9 Andenken
3 3 Gespräcli] Dies Wort hat bei Hölderlin einen eigentümlichen Klang; vgl.
Ganymeä, v.24: himmlisch Gespräch ist sein nun; Brief an Seckendorf vom
12.März 1S04: Ich wünschte Dich wirklich einmal in Stutgard zu sehen und
Gespräch mit Dir zu heiben (ohne Artikel! so auch zuerst im Ganymed — siehe dort
die Lesarten); ferner Menons Klagen um Diotima v. Sl; Der Abschied v. 29; Stutgard 5
V. 24; in der Pindar- Übersetzung steht das Wort für öanoi; (Pyth.l, 184; 4, 244);
siehe auch Oed. Tyr. V.14S6 (14S7): AVo ich mit Menschen ins Gespräch nicht
komme.
3 4 Des Herzens Meinung] Vgl. die Briefe an die Mutter vom 11.Dezember 1798:
Aus dem, was Ihnen bisher von meinen Arbeiten in die Hände gefallen seyn 10
mag, werden Sie es schwerlich errathen, was mein eigenstes Geschafft ist,
und doch hab ich auch in jenen unbedeutenden Stüken von ferne angefangen,
meines Herzens tiefere Meinung, die ich noch lange vieleicht nicht völlig sagen
kann, unter denen, die mich hören, vorzubereiten; vom Januar 1799 ("Ich
muß mich schämen...); ich wollte, ich dürfte überall meines Herzens Mei- 15
nungso offen und rein heraussagen, als ich es bei Ihnen kann; rfen Hauptwiler Brief
an den Bruder (Ich fühle es.. .) ; Vor allem bitte ich Dich.. . , daß Du mir über al-
les... Deines Herzens Meinung sagst und meine Reden brüderlich aufnimmst.
35. 3 6 Den Tagen der Lieb' und den Thaten, welche geschehen, entsprechen
genau, in umgekehrter Folge, rficFeldherm in alter Zeit / Und schöne Frauen und 20
Dichter in dem Entwurf Die Titanen v. 8 f .
3 7 W o aber sind die Freunde?] Die Freunde, mit denen ich das Andenken der
Vergangenheit feiern könnte — sie sind nicht mehr da. So heißt es auch in dem Ent-
wurf Die Titanen v. 12: Ich aber bin allein. - Die Freunde sind auf das Meer hin-
aus. Das sagen die nächsten Verse. 25
Bellarmin] Der Freund, dem Hyperion seine Briefe geschrieben hatte. Auch die Ode
An Eduard wollte schon diesen Namen erneuern — siehe dort die Lesarten zur Über-
schrift. Ob auch hier Sinclair gemeint ist, läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. -
Vielleicht muß es im nächsten Vers den Gefährten heißen und nicht wie im ersten
Druck dem Gefährten; denn der Ausdruck Die Männer (v.SO) läßt an eine Viel- 30
heit, nicht an ein Paar denken. Daß diese Männer eben die Freunde sind, beweisen
die Lesarten zu v. 49. Hölderlin kann sich also mit dem Gefährten Bellarmins nicht
etwa selber meinen, da er ja hier ist und nicht zu Indiern gegangen. Der Dichter ist
seinen Gefährten voraus, ist schon aus der Kolonie heimgekehrt und unterwegs zur
Quelle (vgl. die Erläuterung zu v. i9). 35
804
Andenken 1SS-1S9
3 9 an die Quelle zu gchn] Im Anfang ist der Geist nicht zu Hauß, nicht an der
Quell (vgl.Brod und Wein v.iS2—lS6 Ansatz VI — Lesarten); erst ganz zuletzt
darf die verbotene Frucht des Vaterlandes gekostet werden (vgl. (Einst hah ich die
Muse gefragt. ..)v. 6—S), daher die Schcuc. Zuuor wird die Kraft für die Begegnung
5 mit den eigenen Göttern in der Kolonie erworben (vgl. wieder Brod und Wein v. 1S2—
1!6 Ansatz VI), wird der Reiclitum auf dem Meer gesammelt, in der Ferne, der
Fremde — wie die IMaliler (v. 42) auf ausgedehnten Reisen Motive sammeln (das
Schöne der Erd'^, aus denen dann nach der Heimkehr die großen Werke entstehn;
die werden am Tage der Erfüllung im Hause des Malers gezeigt: Und der Himmel
10 ist wie eines Malilcrs Haus / Wenn seine Gemälilde sind aufgestellet (Bruch-
stück Nr. Si).
4 4 Den geflügelten Krieg] Ob an den Seekrieg oder nur an die Seefahrt, den
Kampf mit Winden und Wogen, zu denken ist, läßt sich schwer entscheiden. In der
Antigon'dv. 314(1 }6f.) setzt HölderlinfürnEOißQvyfoiai tvxbqüv vn' oIöfiaaiv(das
15 ermit olxrj/^aaiv verwechselt): In geflügelten sausenden Häußem, in der metrischen
Übersetzung des Chorlieds: in woogenumrauscliten / Geflügelten Wohnungen,
womit er die Schiffe meint, derm Flügel die Segel sind (vgl. DerArchipelagus v.Sl). -
Vielleicht ist auch nicht insbesondre der Seekrieg, sondern allgemein der Krieg ge-
meint, auf den das Beiwort geflügelt wohl paßt. Sicherlich kannte Hölderlin die
20 Meinung Winckelmanns, derzufolge auf den iiltesten griechischen Bildern...,
nach dem Pausanias {S,19), weit mehrern Gottheiten und andern Figuren
Flügel gegeben {sind), als es die Künstler der erleuchteten Zeiten unter den
Griechen thatcn ( } , 28S Eiselein); vgl. auch S, 231 Eiselein: Die Liebe ist auf
demselben (geschnittene Stein) liegend mit aufgerichtetem Leibe als spie-
25 lend vorgestellet, und mit großen Adlersflügeln, nach der Idea des hohen
Altertums fast an allen Göttern;/erner J, 300 f.; 9, 68 Eiselein. Also lag dem
Dichter das Bild des geflügelten Ares nicht fern. Die Vorstellung der geflügelten
Nike war ihm ebenso geläufig. Bei Homer heißt Ares in der Ilias immer ivieder
(elfmai) der »anstürmende«, ^OVQOQ, oder (achtmal) der »schnelle«, {^oög; in der
30 Odyssee kommen diese beiden Beiwörter nicht vor, doch ist Ares S, SSI der schnellste
(dlxihfXTOg) unter den olympischen Göttern. So wäre auch von daher gesehn das Bei-
wort geflügelt nicht imgereimt. Auch wäre auf die Parodos der Antigonä hinzu-
weisen, wo das Kriegsheer des Polynikes mit einem Adler verglichen wird — v.ll4—
118: und scharf, wie ein Adler, Schrie er und flog. Schneeweiß sein Flügel,
35 • Furchtbar, mit Waffen viel. Und Helmen, geschmükt mit dem Roßschweiff.
805
188-189 Andenken
— Schließlich konnte die Anregung zu dem Bilde vom geflügelten Krieg noch aus
einem ganz andern Bereich kommen: Jesaja 8, 8 — dott wird geweissagt, der König
zu Assyrien und alle seine Herrlichkeit würden wie starke Wasser über das Volk
hereinbrechen: Und werden einreißen in Juda, und schwemmen, und überher
gehen, bis daß sie an den Hals reichen; und werden ihre Flügel ausbreiten, daß 5
sie dein Land, o Immanuel, füllen, so weit es ist.
4 5 jahrlang] Vgl. Der Archipelagus v. 87 und die Erläuterung z. St.
4 5 . 4 6 unter / Dem entlaubten Mast] Das Beiwort soll recht zum Bewußtsein
bringen, daß der Schiffsmast ein lebendiger Baum des JV.aldes war. In Grimms Deut-
schem Wörterbuch ( ) , S67) stehen drei merkwürdige Belege aus Jean Paul beisam- 10
men, worin das Wort entlaxibt denselben übertragenen Sinn andeutet, der auch bei
Hölderlin mitschwingt: Der Jubelsenior (Akad.-Ausg.Jbt.I Bd. S) S18, 8 f.: nicht
blos dem falben Herbste unsers entlaubten Seins werden die schönsten Freu-
den aufgespart; Das Kampaner Thal (Bd.7) 41, 10 f.: ein Dunst-Universum,
auf dem aus der entlaubten verdorrten Seele ein neuer Leib ausschlage,- 15
Hesperus (Bd. }) IS, 28: eine entlaubte Jugend.
4 9 zu Indiern] Nach Indien (vgl. die Lesarten) wollte auch der Seeheld Kolomb
(vgl. den so überschriebenen Entwurf), als er westwärts über den Atlantischen Ozean
fuhr. Hier wird dies Ziel als Zeichen der äußersten Feme genannt, wo der Geist an-
fänglich Kolonie liebt (siehe die Erläuterung zu v. 39) - vom Indus her / Fem- 20
angekommen singt der Dichter in dem Gesang {Der Ister) (v.7 f.) an der Schwelle
der Heimath und ihres Göttertages.
5 1 an der luftigen Spiz'] Es ist wohl die schmale Landspitze (Bec d'Ambis) am Zu-
sammenfluß der Garonne und der Dordogne gemeint, wo die meerbreite Gironde ent-
steht, oder (weniger wahrscheinlich) die Pointe de Grave an der Girondemündung. 25
5 6 Es nehmet] Vgl. (.. der Vatikan...) v. 40; Antigonä v. 226 (218). - Diese
Form ist entweder erklärlich aus dem übers Ziel hinausschießenden Bestreben, die als
mundartlich erkannten Formen ihr nimmt, ihr begräbt, ihr hält (vgl. die Erläute-
rung zu V. 4 des Gedichts An die klugen Rathgeber — 1, S3 8) nun zu meiden (die
Grammatik nennt die sich so ergebenden Analogiebildungen »hyperhochdeutsch«; vgl. 30
OttoBehaghel, Geschichte der deutschen Sprache, S.Auflage, 1928,S. 217),oderein-
fach als sorglose Verkleidung der Mundart in ein schriftsprachliches Gewand: wie der
InßnitivnemmeinderHochsprachenehmen lautet, sowirdesnemm't zu es nehmet.
5 6 . 5 7 Es nehmet aber Und giebt Gedächtniß die See] Die See meint hier das
Schweifen und Suchen ((Der Ister) v. 9 f.) in heimatloser Fremde, in der Kolonie, 35
806
Andenken. Der Ister ISS-192
die der Geist im Anfang liebt (siehe wieder die Erläuterung zu v. 39), wie er auch
tapfer Vergessen liebt: die See, das Meer, worin die Erwerbung des Reichtums be-
ginnt, nimmt also zugleich die Erinnerung, das Gedächtniß gefährlicher heimi-
scher Anlagen und Neigungen, übt den Geist in deren tapferem Vergessen, macht
5 ihn stark für die Begegnung mit den Göttern der Heimath, die er bestehn wird in der
Erinnerung an die Gefahren und Erfahrungen ifer Kolonie, deren Gedächtniß also
die See ihm gibt. Gelehrt sind die heißt es in de,r 2.Fassung des Einzigen (v. 92)
von den wenigen, die aus den grenzlosen Versuchungen, den Stürmen der Zeit, in
denen der Erde Vater Ständiges bereitet, gerettet sind.
10 58 . 5 9 Vgl.DerTod des Empedokles, 2.Fassung, letzte Szene (bisher irrtümlich der
1. Fassung zugerechnet) - dort sagt Delia: Dich entzündet, große Seele! der Tod/
Des Großen, aber es sonnen / Die Herzen der Sterblichen auch / An mildem
Lichte sich gern und heften / Die Augen an Bleibendes; Die Titanen v. 60 f.:
und es sind nicht umsonst (in erfüllter Zeit} j Die Augen an den Boden geheftet.
15 —Es ist die Liebe, die den Menschen unter den grenzlosen Versuchungen der Über-
gangszeit in den Grenzen seines Lebens festhält; vgl. Empedokles (Ode) v.ll f.;
Lebenslauf V. If.; auch Die Eichbäume v. 16 f .
5 9 VVas bleibet aber, stiften die Dichter] Nicht schon seine Taten machen den
Helden unsterblich, sondern erst der rühmende Dichter. Achill ist unsterblich gewor-
20 den durch Homer. 0iXoao<pd)xeQov xai ajiovöau/ireQOv noiTjai; laroQlag iarlv (Ari-
stoteles, Poetik cap. 9).
( D E R ISTER)
Vermutlich im Sommer 1803 entstanden.
Überlieferung
25 H^ (v. 1-49): Homburg H 27 29®.
H^ : Homburg H 29', 28', 2S
H 27j28: Doppelblatt 19,7 (19,2) x 31,2 (30,7) cm, unbeschnitten; rauhes,
bräunliches, geripptes Papier; Wasserzeichen: Aesculap-Stab (Bl. 28 ohne
IVasserzeichen).
30 H 29: Einzelblatt 20,S (19,S)y.31 (30,6) cm, linke Kante abgerissen;
Papiersorte wie H 27/28; ohne Wasserzeichen.
Auf Bl. 27 ' steht die Schlußstrophe des Gedichts Andenken.
Erster Druck: Hellingrath 4, 220-222.
807
190-192 Der Ister
Lesarten
Überschrift: fehlt H'-^
Der Entwurf beginnt zunächst etwa 12 cm unter dem oberen Rand:
I : (1) rükwärts zu gehen scheinet der Strom.
(2) Hier aber (a) bin ich 5
(h) sind wir an den Ister
Schön (a) aber rükwärts
Scheint er zu gehen. Und
Ich mein', er komme von Osten
(ß) und es wundert 10
Mich nicht, daß ehmals H ^
Dann über Ansatz I, etwa S,S cm unter dem oberen Rand:
I I : 1: Hier aber (1) wollen wir bauen.
(2) will
2: Denn Ströme mache(n) urbar 15
J; Das Land. Wenn nemlich-Kräuter {wachsen)
4. 5: (1) An den Ufern, und es gehen
Zu trinken an denselben die Thicre,
(2) Im Sommer
(3) Und an denselben gehen 20
Im Sommer Zu trinken die Thiere,
6: So gehn auch Menschen daran.
7; Man/n/ nennet aber diesen den Ister H ^
I I I : unmittelbar unter Ansatz I: Entwurf des endgültigen Textes, v. 1—14 mit spitze-
rer Feder als V. 1S—2S und die beiden ersten Ansätze, also wohl später eingefügt 25
( auf S. 29^ fährt dann der Entwurf, von v. 26 an,mit der spitzenFeder fort) H^
1 komme aus kommen H^ 3 : am linken Rand nachgetragen H^ 4. 5 :
(1) Und wenn die Prüfung ist / An die Brutfedem gegangen (2) am linken
Rand: Ist durch die Knie gegangen H^ 5 Ist aus D H^ 7—14 am linken
Rand nachgetragen H^ 1 ahcrvor gestr.sihier) H- 7 .8 Indus her / Fernauge - 30
kommen] (1) Indus, / Femhergekommcn (2) Text H^ 11 Schwingen aus
S c h w e i g e n 1 3 Geradezu] Geradezu, i/-* 14 Seite] Seit'aus Seite
1 8 : (1) Imm<er.'>
(2) Im Sommer vmd au denselben gehn
(3) Im Sommer gestr. W 35
808
Der Ister 190-192
2 2 der Säulen Laub,] (1) der Säulen / Laub (2) Text W 24 . 2 5 : oben auf
der neuen Seite (2S^) wiederholt H^' 2 4 untereinander] unter einander H^
2 5 springt aus sieht H^ 2 9 Femglänzend,] (1) Ferntönend (2) Fernglän-
zend H^ 3 0 suchen] suchen, W 31 Isthmos] Lande H^ 32 iVTuthcs
5 über geslr. Geistes H^ 3 2 . 3 3 waren / Daselbst sie, es] (1) waren sie / Da-
selbst, es (2) Text H^
33 bedarf bis 3 4 lieber]
bedarf (1) a.u{ch)
(2) aber (a)
10 Der Kühlung auch,
(a) Damit zu Todten
{ß) Daß ungebunden zu Todten
Nicht übergehe der brennende Busen, darum
Kam jener lieber
15 (ä; der Kühlung
(c) der Geister wegen der Kühlung auch
Darum (a) kam
(ß) zog jener [ j] [hieher] lieber H^
3 5 - 4 4 :
20 I : 1: An die Wasserquellen, zum Ister
2: Er scheinet aber rükwärts zu gehen u.
} : Ich mein' er müsse (1) von
(2) kommen von Osten.
I I : 1: An die Wasserquellen, hieher
25 2: Zum Ister, aber rükwärts (1) scheint
(2) scheinet
(3) scheint der fast
J; Zu gehen [der] u. ich mein, /er müsse kommen von Osten./
4: Er müsse kommen von Osten. / Viel
30 I I I : 35 : An die Wasserquellen, hieher an die gelben Ufer
3 6 : (1) Höh (2) Hoch oben duftend u. schwarz
37 : Vom Fichtenwald, wo in den Tiefen
3 8 : (1) Ein (verkleckst)
(2) Ein Jäger gern lustwandelt des Mittags
35 3 9 : Und Wachstum hörbar ist
809
190-192 Der Ister
4 0 : (1) An (2) An harzigen Bäumen des Isters, (kein Strophenabsatz)
4 1 : Der scheinet aber fast
4 2 : Rükwärts zu gehen, u.
4 3 . 4 4 : Ich mein, er müsse kommen von Osten. H ^
4 1 : kein Strophenabsatz, doch sind die Verse 41—46 durch eine Klammer am linken 5
Rand zusammengefaßt, die offensichtlich die Verse 41—44 zur nächsten Strophe
ziehen soll; vgl. die folgende Lesart. H^
4 3 . 4 4 : (1) Ich mein, er müsse kommen von Osten.
(danach eine Zeile frei, dann: Vieles wäre
Vgl.H^; auch dort sind v. 4} und 44 noch nicht getrennt; über 10
dem nächsten Vers auch ein Zwischenraum.)
(2) später, mit hellerer Tinte, von Osten gestrichen und in den Zwischen-
raum darunter eingefügt: Von Osten (ohne Punkt dahinter); zur Ver-
deutlichung der strophischen Gliederung wird die Klammer an den
linken Rand gesetzt. H^ 15
4 5 Vieles] Viel H^ Vieles oui Viel H^ 4 6 sagen aus sägen H^ davon, vor
gestr.: Der andre H^ 4 6 . 4 7 hängt er / An den Bergen] (1) kommt er/Mit dem
Berge H^ H^ {2) darüber: Text H^ 4 9 : Hinweggegangen. Umsonst
5 0 - 7 2 : fehlt HI
5 0 - 5 2 : I : 20
5 0 : ImTroknen die Ströme, ("iiier der Zeile: Aber wie?^Siesollennemlich
5 1 : Zur Sprache seyn.
I I : Der letzte Satz wird als mißfallend unterstrichelt, und es wird eine
neue Fassung gesucht:
5 0 : Ein Zeichen braucht es 25
5 1 : (1) Unwissend, daß es Sonn' und Mond
Im Gemüthe trag', untrennbar,
(2) Einfältig
(3) am Rand vor der Zeile:
Nichts anderes 30
über der Zeile: (a) recht und schlecht, damit es Sonn
Und Mond
(b) durch Nummern (in dieser und der nächsten
Zeile) umgestellt:
schlecht und recht, damit es Sonn 35
810
Der Ister 190-192
52 : Und Mond trag' Im Gemüth', untrennbar,
Die beiden ersten Ansätze zur U.Fassung des Verses S1 sind deutlich ein-
gerückt: die Zeile wird also nicht im Zuge der vorangehenden niederge-
schrieben. Dem Sinne nach ist der Satz: Ein Zeichen... eine Variante des
5 zu tilgenden Satzes. Überdies kommt die }. Strophe so wie die beiden vorigen
auf 20 Zeilen. H^
53. 54 : (1) Und fortgeh, (a) Tag
(b) auch Tag und Nacht, und warm
Sich fühlen die Himmlischen aneinander.
10 (Beide Zeilen als mißfallend unterstrichelt)
(2) Und fortgeh, (a) Nacht und Tag
(b) Tag und Nacht auch, und
(a) Un<d>
(ß) Die Himmlischen warm sich fühlen aneinander. H^
15 5 6 - 5 8 : I :
Die Freude des Höchsten
Und gleichwie Hertha grün,
Die Kinder des Himmels.
II : 20 Die Freude des Höchsten. (1) Denn kam er sonst/Herunter?
(2) Wie
(3) Denn wie kam er
Herunter? Und wie Hertha grün.
Sind sie Die Kinder des Himmels. Aber allzugedultig H ^
25 60 spotten über unterstr. äffen
62 zu wachsen Ms 67 zufrieden;]
1 : 62 : anfängt
63 : Zu wachsen, und ein anderer schon
64 : Hoch treibet die Pracht, und (1) knirschet / In den Zaum,
50 (2) Füllen gleich
65 : (1) Kni<rie;it>
(2) In den Zaum knirscht, und (a) /
Das (a) Schüttem
(ß) Gähren weithin hören lachende Lüfte,
35 (b) weithin hören
811
190-192 Der Ister
66 : Ein unermeßlich Schüttern (1) die
(2) lustige
(3) lustig
(4) schaffend (die) Lüfte,
67 : Ist der betrübt; 5
(v. 64 und 67 unterstrichelt)
I I : 62 : zu wachsen
63 : Anfiingt, es treibet ein anderer da
64 : Hoch schon die Pracht, und Füllen gleich
65 : In den Zaum knirscht er, und weithin hören 10
66 : (1) am Rand: Das (a) Reißen
(b) Treiben
(2) unter der I. Fassung:
Das Treiben die Lüfte
67 : am Rand: Zufrieden 15
(also zu lesen: Ist der zufrieden
68 EsauiDenn 69 Erd' aw Erde 70 Unwirthbar üJer
Zu eben ff^ 70.71 Weile; / Was aber jener] (1) Weile, (a) Wab ß) Was
aber / J<mer> (2) Text H^
Erläuterungen 20
Die drei vollendeten Strophen zählen regelmäßig 20 Verse. Der Zeilensprung im
Übergang zur vierten läßt vermuten, daß ein triadischer Aufbau nicht beabsichtigt
war. — Das Gesetz des steigenden Verses (siehe S. 681 Z. 4—IS) ist nicht mehr
beachtet (vgl. nur v. 4S).
1 Feuer] Das Feuer vom Himmel, das den Deutschen (laut des Briefs an Bohlen- 25
darf vom 4. Dezember 1801) erst im Fortschritt der Bildung zuteil werden kann, am
Ende des Wegs, den sie von der ihnen angeborenen Klarheit der Darstellung bis hin
zum heiligen Pathos zurückzulegen haben, während die Entwicklung des griechi-
schen Geistes umgekehrt verläuft. — Der Dichter nimmt den Augenblick vorweg, da
der Tag (v. i) anbricht, nach der Nacht der Götterlosigkeit. 30
4 Prüfung] Ehe der Gott erscheint, müssen seine Propheten taglang auf Bergen
gewurzelt haben (Am Quell der Donau v. 8)), wie Mose vierzig Tage und vierzig
Nächte auf dem Berge Sinai stand, um das Gesetz zu empfangen (2. Mose 24, 16—18;
34, 28). Vielleicht ist auch, da die Prüfung durch die Knie geht, nicht an ein
812
Der Ister 190-192
Stehen, an eine Bewährung also der Standhaftigkeit im eigentlichsten IVortsinn zu
denken, sondern an ein Knien. Diese Deutung wird jedenfalls nahegelegt durch die
anfängliche Gestalt der Verse 4 f . (vgl. die Lesarten): da geht die Prüfung an die
Bi-utfedern — das Knien wird demnach in gewaltsamer Bildhaftigkeit mit einem
5 langwierig-geduldigen Brijten verglichen. ("Brulfedern nennt man die als Bettfedern
minderwertigen Federn von der Brust der Gans, an denen durch das Brutgeschäft die
Kiele verhärtet und die Fahnenspitzen abgestoßen sind.)
6 Waldgeschroi] Von den in Grimms Deutschem Wörterbuch 13,ll}6f. unter-
schiedenen drei Bedeutungen (Jagdrufe, Vogelsang, kunstloser Gesang) trifft am ehe-
10 sten die zweite zu, für welche zwei Belege angeführt werden: Komen sint uns diu
vogelin mit ir waltgeschreie (Minnesinger 5,22S b Hagen); Abraham a S.
Clara, Judas (1687) 1,11: Der Wachtl ihr sdilagende Halß-Uhr, deß Guggu
sein bäurisches Waldgeschrey. Wie für Chiron (v.7 f.) die Vögel die Boten des
Lichtes sind, so vernimmt auch hier der Scher den Gesang der Vögel als Zeichen des
15 Sonnenaufgangs, welcher der Götternacht ein Ende setzt. Vgl. auch Die Titanen
V. 41-4}: wo der Akersmann Die Furchen machet singeu gegen Dem Lichte
die Vögel.
7 Indus ] Der Name des Flusses steht für den Bereich der alten Kultur Asias, wo die
menschenbildende Stimme, das Wort aus Osten, den Weg angetreten hat, der
20 über Griechenland und Rom nach Deutschland führt (vgl. Arn Quell der Donau
v.U-42; Germanien v. 42-4S; Der Adler v.9-12; auch Dichterberuf v. 2; Der
Einzige v. S6).
9 Alpheus] Der heilige Bezirk von Olympia liegt in dem Winkel der Mündung des
Kladeos in den Alpheus (dreisilbig zu sprechenrnit dem Ton auf dem e — 'A}jpec6g).
25 Vgl. die Lesarten zu v.70 des Gesangs Am Quell der Donau: Beim Kampfspiel, an
des Alpheus Bäumen.
9 . 1 0 lange haben Das Schikliche wir gesucht] Vgl. Andenken v.S6 f . und die
Erläuterung z. St.
11 - 1 4 Vgl. Patmos V. 9-1S.
30 16 — 2 0 Vgl. die Deutung des Pindar-Fragments Das Belebende und die Erläute-
rung bei Friedrich Beißner: Hölderlins Übersetzungen aus dem Griechischen, Stutt-
gart 19U, S. 42-4S.
2 1 Ister] So nannten die Griechen die Donau ('lazQOg), und zwar den ganzen
Stromlauf und nicht nur, wie manche Hölderlin-Erklärer vorgeben, den unteren. Die
35 Römer freilich unterschieden den Danubius (bis zum Eisemen Tor) und den Ister
813
190-192 Der Ister
oder Hister (his zur Mündung) - vgl.Plinius, nat. hist. 4, 19. Doch gebrauchen die
römischen Dichter, anders als die Prosa, beide Namen ohne diesen Unterschied. So
nennt Horaz in zwei Gedichten, um beide Male dasselbe (die anwohnenden Daken)
zu bezeichnen, den Strom Hister (carm. 4, 14, 46) und Danubius (carm. 4, IS, 21),
und bei Ovid (ex Ponto 1, 8, 11) heißt der Hister ausdrücklich binominis, zwei- 5
namig.
2 2 Schön wohnt er] Ein Graecismus: vacerdeiv, wohnen, gelegen sein. Vgl.
Homer, Ilias 6,370: ixavs ööfiovg eiS vaisrdovrag ; Odyssee 9,22 f.: vrjaoi no}J.ai
vaiExäovai, und viele andre Stellen. Siehe auch Patmos v. 60.
Es brennet der Säulen Laub] Das Laub der Bäume brennt von der gewaltigen 10
Mittagssonne, deren Strahl dadurch abgekühlt wird (vgl.Die Launischen v.f f.), so
daß der reine, kühne / Dvirch Wildniß mild der Stral von oben zur Erde herab-
kommt (vgl. {Versöhnender der du nimmergeglaubt...}, 2.Fassung, v. 46 f.). Eine
ähnliche Vorstellung bei Grabbe: Kaiser Heinrich der Sechste, S.Akt i.Szene zu Be-
ginn: .. wo im Laub der Sonnenstrahl / Sich kühlt, das Laub dagegen sich an 15
ihm erwärmt.
2 5 Ein zweites Maas] Das Dach der kahlen Felsen ragt im oberen Donautal über
den Wipfeln noch so hoch empor, wie die Bäume, die das Maas angeben, selbst sind. —
Vgl. auch Sophokles, Philoktet v. 1262: rdaöe nergtjgeig arfyag.
2 8 Herkules] Pindar überliefert diese Geschichte im 3.Olympischen Siegeslied, 20
dessen Anfang (bis v. 34 alter Zählung) Hölderlin übersetzt hat.
2 9 Femglänzend] Vielleicht auf Herkules, den weitberühmten, zu beziehen (an-
fangs wird Femtönend gesetzt — vgl. die Lesarten), vielleicht auch auf den Ister,
der den Herkules schon von ferne angelockt hätte, als dieser sich auf dem Wege vom
Isthmos nordwärts erst am Olympos drunten befand; drunten ist der Olympos, 25
weil er vom Ister aus südlich, also auf der Landkarte unten, liegt. Vgl.Der Archipela-
gus V. 78 und die Erläuterung z. St,
3 0 Schatten ] Bei Vollbringung seiner dritten Arbeit (die goldgehörnte, ehemfüßige
Hindin der Artemis Anzufangen) fand Herkules bei den Hyperboreern, also im Nor-
den, den Ölbaum, den er dann nach Olympia brachte, als Siegespreis der von ihm 30
(nach andrer Überlieferung von Pelops)Za&soig int XQTjUVoXg 'A^(peoij (andenhoch-
heiligen Uferhängen des Alpheus — Pindar, Olymp. 3,38 alter Zählung) eingesetzten
Kampfspiele den Ölzweig stiftend, den / Grauhäutigen Schmuk der Olive
(Olymp. 3, 23 f.). Das Schattende, worauf es in Hölderlins Mythus so ausnehmend
ankommt, hebt auch Pindar zweimal hervor, nämlich v. 2S: "largov änd axuxgäv 35
814
Der Ister 190-192
nayäv,\on des Isters schattigen Quellen habe der Halbgott dm Ölbaum geholt,
v.H: axtaQ6v...((yikRVfia, das schattige Gewächs.
3 5 gelben Ufer] Merkwürdig, wie hier in eine Schilderung, die, zumal in den
nächsten fünf Versen, von innigst unmittelbarer Anschauung zeugt, eine literarische
5 Reminiszenz eingesprengt ist: Virgil, georg.), SfO: turbidus et torquensßaventis
Hister harenas.
3 9 Wachstum hörbar] Vgl. Heimath v. 9 f.: des Mittags, wenn im falben Korn-
feld / Das Wachstum rauscht; Bruchstück 47, v. 2 f.: Und es war / Das Wachs-
tum vernehmlich; Deutung des Pindar-Fragments Vom Delphin: Es ist das wel-
10 lenlose Meer, wo der bewegliche Fisch die Pfeife der Tritonen, das Echo des
Wachstums in den waichen Pflanzen des Wassers fühlt; ferner Das Nächste
Beste V. J6f.: Sehn sie... die Flamme, blühendduftend / Des Wachstums.
4 1 — 4 4 Diese Verse stellen den Keim des Gedichtes dar — siehe den allerersten Ent-
wurf in den Lesarten. Die Donau weist in den Gesängen Die Wanderung und Am
15 Quell der Donau den Weg nach Osten — hier stiftet sie die ostwestliche Rückbe-
ziehung, in der Heimkunft aus der Kolonie (Brod und Wein V.1S4 Ansatz VI, vgl.
die Lesarten) beim Anbruch des hesperischen Göttertags.
4 5 . 4 6 Vieles wäre / Zu sagen davon] Vgl. Patmos, 1. Fassung, v. 88 f .
4 8 Rhein] Vgl. Die Wanderung v. 94-96; Der Rhein v. 64-89.
20 5 0 Zeichen] Die Ströme sind ein Zeichen für die Vereinigung des sonst Getrenn-
ten: des Troknen und des Feuchten; ein Zeichen auch für die Verbindung des zeit-
lich Abfolgenden, für die Kontinuität - so trägt dies Zeichen des Fließenden Sonn /
Und Mond... im Gemüth', in der Erinnerung, das bedeutet: Tag und Nacht. Die
beiden aufeinander folgenden Worte sagen deutlich den gemeinten Sinn einer
25 »Dauer im Wechsel« aus: untrennbar und fortgeh. So vereinigen die Ströme als
Kinder des Himmels (v.fS) auch Himmel und Erde, Götter und Menschen mit-
einander und verhelfen den Himmlischen zu menschlichen Empfindungen (v. 54) -
vgl. Der Rhein v. 109 f . Auch der Umstand, daß die Ode Der gefesselte Strom zu Ga-
nymed umgestaltet wird, deutet in diese Richtung.
30 5 6 des Höchsten] Vgl.Die Unsterblichkeit der Seele v.lOO; Dichterberuf v. 14;
Stimme des Volks, 2.Fassung, v.71; Brod und Wein v. 1 SS; Mnemosyne, 1.Fassung,
v. 9; auch Heimkunft u. 99: den Hohen; Der Einzige, 1. und 2.Fassung, v. 12: Der
Hohe.
5 7 Hertha grün] Vgl.Emilie vor ihrem Brauttag v. 208: Hertha grünt; siehe dort
35 die Erläuterung (1,603).
815
190-198 Der Ister. Mnemosyne
5 8 allzugedultig] In dem Gesang Die Wanderung v.lOS ist die Rede von den
Deutschen als den Allzugedultigen (siehe dort die Erläuterung).
6 0 Freier] PVohl nicht als Komparativ, sondern als Substantiv aufzufassen. Der
junge Ister scheint allzugedultig und nicht frei im Vergleich zu dem jungen Rhein —
siehe in der nächsten Strophe V. 63—66. — Dieses unfreie Wesen scheint des Betrachters 5
fast zu spotten, scheint ihnziiäiten (vgl. die Lesarten), weil es doch eigentlich umge-
kehrt sein müßte: ungestüm in der Jugend undzuiriedenodcrhetrüht(v. 67) im Alter.
6 3 ein anderer] Der Rhein. Der Satz es treibet his Lüfte (v. 66) ist eine Parenthese.
6 8 Stiche] In der Deutung des Pindar-Fragments Das Belebende heißt es: Der
Begriff von den Centauren ist wohl der vom Geiste eines Stromes, sofern der 10
Bahn und Gränze macht, mit Gewalt, auf der ursprünglich pfadlosen auf-
wärtswachsenden Erde. Der Name Kevravgog wird schon sehr früh, worauf Boch-
mann S. >90 aufmerksam macht, etymologisch auf hivteIv stechen, xevrcuQ Stecher
usw. zurückgeführt. Es ist ferner hinzuweisen auf die häufige biblische Wendung von
dem geschlagenen Felsen, dem Wasser entströmt (2. Mose 17, 6; 4. Mose 20, 11; 15
S.Mose S,lf; Psalm 78,1}f.; PsalmlOf, 41; Psalmll4, S;Jesaja 48, 21; l.Ko-
rinth. 10,4).
6 9 Furchen] In der Elegie Stutgard (v. 63 f.) zieht Ar Nekarstrom </i'e Furchen.
M N E M O S Y N E
Vermutlich im Herbst ISO3 entstanden. 20
Überlieferung
Entwurf:
H': Homburg J 18".
J 17-18: Doppelblatt 19 (19,3) x 31 cm, unbeschnitten; rauhes, bräunliches,
geripptes Papier; Wasserzeichen: Aesculap-Stab (Bl.17 ohne Wasserzeichen). 25
Inhalt: Bl.17'': Bruchstück 69; Bl.17^>-18': Der Adler; Bl.lS^: Bruch-
stück 77; Mnemosyne.
Erste Fassung:
H^"-: Homburg F 91, 92 (s. die Beschreibung S. 380).
Zweite Fassung: 50
H^>>: Homburg F 91, 92.
816
Mnemosyne 193-19S
Dritte Fassung:
H^' : Homburg F 90,91,92 (Entwurf derl. Strophe, endgültige Fassimg der 2. und
3. Strophe).
H^^: Homburg F90 (Reinschrift der 1. Strophe).
5 Die Handschriften sind im Hölderlin-Jahrbuch 194S11949faksimiliert.
Erster Druck (unter Verkennung der Zugehörigkeit der Anfangsstrophe dritter Fas-
sung): Hellingrath 4, 22S. 226; 71.
Lesarten
Auf der Seite, die die sich durcheinander schiebenden Ansätze des ersten Entwurfs
10 überliefert,standschondasBruchstück77. Dessen Überschrift DieSchlunge.wird ge-
strichen und (4 cm vom oberen, 8 cm vom linken Rand beginnend) durch Das Zeichcn.
ersetzt.
Zum Text wird viermal angesetzt:
I: mitten auf der Seite, 16 cm vom oberen, 3 cm vom linken Rand beginnend:
15 Am Feigenbaum
Ist mir Achilles gestorben
I I : 10 cm vom oberen, 10 cm vom linken Rand (von der zweiten Zeile an },S—
5,0 cm) beginnend und bis an den unteren Rand sich fortsetzend:
1: Viel Männer möchten (1) / Daseyn
20 (2) da
2: Seyn, wahrer Sache, lang ist
3: Die Zeit, es ereig;net sich aber
4: Das Wahre.
/ ; (1) Wenn
25 (2) W o aber, liebes? Sonnenschein
6: Am Boden sehen (1) , und
(2) wir, und trokencn Staub
7: Und (1) tiefe-Schatten der Wälder
(2) tief mit Schatten die Wälder, und es (a) steiget
30 (b) blühet
S: (l)D<cr>
(2) Von
(3) An Dächern der Rauch/e/, (a) an
(b) bei alter Krone
817
19i-19S Mnemosyne
9: Der Thürme (1) xmd die Lerche girret / Verloren in der Luft,
(2) friedsam, [doch] und (a) verloren (a) / Girrt
iß) girret
(b) es girren
10: VerloreninderLuftdieLerche(n) (1) undeswaidenunterdemTag, 5
(2) unter (: verschrieben statt und^
unter demTag,waiden
11: Wohlangeführt die Schaafe des Himmels,
12: {l)Aiuch(?))
(2) Und Schnee, wie Majenblumen 10
1}: Das Edelmüthige, (1) bedeutend
(2) wo [es seie]
14: Es seie, bedeutend, (1) glä
(2) / Glänzt auf der grünen Wiese [Alpen]
(5) glänzet (a) auf 15
(b) mit
1S: der grünen Wiese
16: Der Alpen (1), da
(2) hälftig, da gieng
17: Vom Kreuze (1) sprechend, 20
(2) redend, das
IS: Gesezt (1) wird
(2) ist unterweg[e]s /einmaly
19. 20: (1) Gestorbnen
(2) Gestorbenen (a) ein Wandersmann mit 25
(b) auf tiefer
(c) auf der schroffen Stra/3' (a) /
Einmal ein Wandersmann mit
(ß) einmal
Ein Wandersmann mit 30
21: Dem andern aber was ist diß ?
22: (1) Auf tiefer
(2) Am Feigenbaum ist mein
Achilles mir gestorben
818
Mnemosyne 1 9 3 - 1 9 S
I I I : 12,5 cm vom linken, 3,S cm vom oberen Rand (also über der Überschrift Das
Zeichen.^ beginnend und auf der rechten Seitenhälfte bis hart über v. S des
II. Ansatzes sich ausdehnend:
1: aber es haben
5 2: Zu singen
3: Schön ist
4: Der Brauttag (1) aber bange
(2) bange sind wir aber
/ ; Der Ehre wegen. [Dann] furchtbar gehet
10 6: Es ungestalt, wenn Eines uns
7; Zu gierig genommen. Zweifellos
8: Ist aber der Höchste (1). Tägl ich kann er
{2);(a)t
(b) der kann täglich
15 9: (1) Es ändern
(2) Viel ändern
(5) Ändern. Kaum bedarf er
10: Gesez, (1) daß
(2) wann nemlich es
20 11: Bei Menschen bleiben soll. Viel Männer möchten da
12: Seyn, wahrer Sache, lang ist
13: Die Zeit, es ereignet sich aber
14: Das Wahre. (Vgl. v. 1-4 des II. Ansatzes.)
rV : über Sache v.l2 des III. Ansatzes beginnend:
25 Nicht vermögen
Die Himmlischen alles. Nemlich es reichen
Die Sterblichen eh' an den Abgrund. Also wendet es sich
Mit diesen. H ^
Lesarten der ersten Fassung (H^'*):
30 Überschrift: (1) Die Nymphe. (2) Mnemosyne, / f ^ « 2 . 3 : Zwischen die-
sen beiden bruchstückhaften Versen bleibt eine Zeile frei. H^"' 4 Denn schön]
Demi über der Zeile vor unterstr. Schön H"" 6 furchtbar] Furchtbar (unter-
str.) 1 0 Kaum unterstr. ff^« 12 Viel unterstr. H^« 13 Nicht
unterstr. H^" 1 6 . 1 7 ist / Die Zeit, es] ist [die Zeit] / Die Zeit, es
819
193-198 Mnemosyne
28 mit über gestr. üui H^o 41 Vom] (1) Vom (2) Am (3) Vom H^»
45 Harnisch. Und aus: Harniscli, und H^'^
Lesarten der zweiten Fassung (H^^):
1—12 : zwischen den Zeilen und am rechten Rande der ersten Fassung H^^
4 - 8 suchen.] 5
I: zwischen den Zeilen der ersten Fassung:
1: Wenn nemlich ein Streit ist über Menschen
2: Am Himmel, und gewaltige
3: Gestirne gehn, blind ist die Treue dann, wenn aber sich
4: Zur Erde neiget der Beste, [eigen] wird [dann] 10
f : Lebendiges, (1) [wo] (2) [denn wo eines kehret zu sich]
6: (1) Den Weg
(2) [Selber sich suchen.] [mid es findet eine Heimath]
7; Der Geist.
I I : am rechten, durch senkrechte Striche abgetrennten Rand, später als die Ände- 15
rungen v. 9—17:
4 ; (1) SchiH<ie;i> f.?;
(2) Wenn nemlich /Es hoch / über Menschen
5 : Ein Streit ist an dem Himmel und gewaltig
6 : Die Monde [ , ] (1) g (2) gehn so (a) erkrankt 20
(b) erkranket das Me(er)
(c) zürnet
(d) redet
7 : Das Meer (unterstr.: auchj und [die] Ströme (1) haben
(2) müssen 25
8 : Den P(fad sich suchen.)
9 Einer H^'' üicr g-estr.: der Höchste Z/^» 10 Kann täglich (fem cnts;)re-
chenden Fers der ersten Fassung vor gefügt H^^
11.12 : (1) über Viel bis Seyn
(a) Ech 30
(b) Es möchten aber / Viel Maimer
(2) unter wie nemlich es (H^"):
und die Schrift tönt und
(eine Zeile tiefer:)
820
Mnemosyne 193-19S
Eichbäume wehn dann neben
Den Fimen.
(3) unter und die Schrift tönt (H^'>):
Und CS tönet das Blatt H^' '
5 schließlich: Denn I-P!> über der Zeile vor Nicht i /^a
14 , dasEcho dem v.lS der erstenFassung angefügt H^^ 1 7 : Neben diesem
Fers, ganz am rechten Rand: Wohl ist nur die Gestalt weiter, unter Wohl mit
fast tintenleerer Feder, unsicher deutbar: Der Erd H^''
18 — 5 1 : Diese beiden Strophen stimmen mit den entsprechenden der ersten Fassw^g
10 überein.
Lesarten der dritten Fassung
Der Entiuurf beginnt:
Die Früchte
dann zweieinhalb Zeilen tiefer:
15 und vieles
wie auf den Schultern eine
Last von Scheitern, ist
2u behalten, i i /^"
1 : Reif sind, (1) genähret
20 (2) in Feuer getaucht, gekochet H ^ "
2 - 5 : (1) Die Früchte fs. oben!)
Und freundlich in Wohnungen
Und Pforten des Himmels
(2) Die Frücht und auf der Erde goprüfet und ein Gesez ist
25 links daneben neu einsetzend:
Und ein Gesez, daß (a) allein
(b) alles hineingeht
Schlangen gleich ist
Prophetisch, träumend auf
30 Den Hügeln des Himmels. Und vieHes) H^"
(Damit ist der Anschluß gewonnen an das zuerst festgehaltene Motiv.)
8 bös aus böse H^"
9 .10 : (1) Die Pfade. Nemlich
Wie Rosse, (a) durch gehn die gefangenen
821
193-198 Mnemosyne
(b) gehn unrecht H^"
(2) Text H^^
1 1 Element ' ] danach ein Punkt getilgt H^''
1 3 - 1 7 : (1) eine Sehnsucht
(2) Ins Ungebundene gehet eine 5
Sehnsucht, (a) Ah{er)
(h) Vieles aber
Ist zu behalten. Und
Noth die Treue. Vorwärts [\v] aber und rükwärts wollen wir
(a) Uns wiegen lassen, 10
(ß) vor der Zeile:
Nicht sehn. Uns wiegen lassen, wie
Auf schwanken, auf der See. H ^ '
1 5 aber] darüber, später: wiegend H^^
2 0 heimatlich die Schatten der H^" aus: tief mit Schatten die H^' 15
2 2 gut bis 2 4 Tageszeichen.]
I : über V. 23—25 der ersten Fassung:
2 2 : es gefallen nemlich (1) /
23: Die (a) Lebenszeichen,
(b) Tageszeichen, 20
(c) Jahreszeichen, hat ein Himmlisches
24: Die Sinne betäubt;
(2) hat
2 3 : Entgegnend getroffen
2 4 : fa) ein 25
(b) Ein Himmlisches die Seele, die (a) Lebenszeichen
(/?) Tageszeichen
I I : am unteren Rand:
a : 2 2 : es gefallen nemlich, hat
2 3 : (1) Entgegenredend 30
(2) F e m Entgegenredend
(3) Femher gegenredend die (a) ge
(b) Seele (a) getroffen
(ß) genommen
2 4 : Ein Himmlisches, helltönend die Tageszeichen. 35
8 2 2
Mnemosyne 19}-198
b : 2 2 : (1) wohl
(2) gTjt sind nemlich
2 3 : (a) Giegenredend}
(b) Hat gegenredend die Seele
ä 2 4 : Ein Himmlisclies (a) getroffen,
(ß) betroffen,
(y) verwoindet, die Tagesieichen. H ^ "
2 5 — 2 8 : am unteren Rand, zur Herstellung des Anschlusses an die mit v. 27 begin-
nende Rüchseite - aus dem Gedächtnis, deshalb mit unbeabsichtigter An-
10 derung der Versabteilung:
Denn Schnee, wie Majenblumen
Das Edelmütliige, wo
Es seie bedeutend, g lämet auf der grünen Wiese H ^ "
2 9 - 3 4 : (1) Der Alpen, dort geht
15 (2) Der Alpen, dort
Vom Kreuze redend, das gesezt
ist unterwegs einmal
Gestorbenen, geht auf heller Straß
(3) Der Alpen, dort
20 (4) 2 9 : Der Alpen, häl(/)tig da, vom Kreuze redend, das
3 0 : Geseit ist unterwegs einmal
3 1 : Gestorbenen, auf hoher Straß
3 2 . 3 3 : Ein Wandersmann geht zornig, (a) mit / Dem
(b) I Fem ahnend mit
25 3 4 : Dem andern, aber was ist diß? H ^ "
3 8 Grotten der See] (1) Grotten, nahe der See (2) nahe gestr. H^'
4 0 : An Schläfen Sausen ( l ) b i s t ( ? ; (2) einst, über v. 41 der ersten FassungH^'
4 1 unbewegten über heimatlichen H^" steter H^" nach gestr.
süßer H^" 4 2 , ist groß dem v. 43 der ersten Fassung angefügt H^"
30 4 5 AmKithäron Jis 5 1 Trauer.]
I : über V. 46. 47 der ersten Fassung:
Am Olympos aber lag
Elevthera
I I : Die Seele schonend sich über dem Anfang des v. fl der ersten Fassung
35 CZusammengenommen, aber er)
823
193-198 Mnemosyne
I I I : am rcchten Rand:
4 5 : (1) Ein weniges aber
(2) Am Kithäron aber lag
4 6 : Elevtherä, der Mnemosyne Stadt. (1) Die auch dam(a/i)
(2) Der auch als 5
4 7 : (1) Den Mantel ablegt'
(2) Ablegte den Mantel Gott, das abendliche nachher löste
4 8 - 5 1 : T e x t H ^ "
Bald nach Beginn der letzten Überarbeitung, nachdem schon v. 29 und 4S. 46 (I),
noch nicht aber v, 22—24 und wie auch 4S—51 (III) Gestalt gewonnen haben., 10
werden mit eingetunkter Feder die Zeilen der zweiten und der dritten Strophe sowie
des Entwurfs der ersten Strophe dritter Fassung nachgezählt (Punkte vor den Zeilen).
Der Umfang von je 17 Versen soll also auch für die dritte Fassung des Gedichts
beobachtet werden.
Erläuterungen 15
Vgl. die Interpretation von Friedrich Beißner: Hölderlins letzte Hymne, Hölderlin-
Jahrbuch 194S11949, S. 66-102.
Jede der drei Strophen zählt (von der noch unfertigen ersten Fassung abgesehn)
17 Verse. - Das Gesetz des steigenden Verses (siehe S. 681 Z. 4-1S) ist nicht mehr
beachtet (vgl. v. 7 der dritten Fassung). 20
(Überschrift: Mvrj^oavvrj (»das Gedächtnis'<), eine Titanide, Tochter des Uranos
und der Gaia (des Himmels und der Erde), gebar dem Zeus die neun Musen (Hesiod,
theog. V.13S; S3 f.; 91S-917).
Erste Fassung der ersten Strophe:
5 Brauttag] Vgl. Der Rhein v. 180. 25
9 der Höchste] Vgl. (Der Ister} v. S6 und die Erläuterung z. St.
1 2 . 1 3 Viel Männer möchten da / Seyn] Es handelt sich vermutlich um das viel-
berufne'Bleiben im Leben (Der Frieden v. 44) iji verworrenen Übergangszeiten.
Vgl. Der Einzige, 2. Fassung, v. S4—61.
13 wahrer Sache] Wohl als Beteurung aufzufassen, als allzu wörtliche Wieder- 30
gäbe der lateinischen Formel re vera. Vgl. Dichtermuth, 2.Fassung, v. 24 und die
Erläuterung z. St. ("GleichgesinnetJ.
15 Ahgnmd]Vgl.WaltherRehm:TiefeundJbgrundinHölderlinsDichtung(Hölder-
lin. Gedenkschrift zu seinem 100. Todestag, Tübingenl943,S.70-133),S.112u.ll9.
824
Mnemosyne 19}-198
Zweite Fassung der ersten Strophe:
3 in der Fremde] In der Kolonie, die der Geist im Anfang lieht (Brod und JVein
V.1S2—1S6 Ansatz VI - vgl. die Lesarten), worin er aber nicht zu lange verharren
darf, um nicht seine Eigenart zu verlieren, ein deutungsloses Zeichen, ein erstarrter
5 Buchstab zu werden, die Empfindungsfähigkeit einzubüßen, die Fähigkeit, ein Schick-
sal zu haben, ein Glück zu tragen.
4 — 8 Vgl. die Lucan- Übersetzung v. 72 - 81: Unter eigener Last fiel Roma. So
rennt, wann das Band reißt, / Und die Stunde, die so viele Jahrhunderte häuf-
te / Jene leite der Welt zum alten Chaos zurükkehrt / Durcheinandergerüt-
10 telt Gestirn an Gestirn, in die Meere / Stürzen hinab die flammenden Sterne,
die zürnende Erde, / Siehe ! sie schleudert den Sund, zu wehren ihrer Gesta-
de / Überschwemmung', hinaus, entgegen wandelt dem Bruder / Phoebe,und
müd, ihr Gespann durch die schiefen Kraise zu treiben / Heischt sie Herr-
schaft des Tags. Der ganze Bau ist entzweiet! / Auseinandergerissen das Band !
15 die Welt zerschmettert!
11 .12 Das^lati der Dichtung ümet dann, dieBücher leben (vgl. die zweistrophige
Ode An die Deutschen v. 6, Bd. 1 S. 256). Das Sterbliche und Menschliche wirkt dann
hoch hinauf, die Himmlischen bedürfen seiner (siehe den unmittelbar folgenden Satz;
vgl.Der Rhein v.105-114) — das wird im Bild ausgesagt: die Wipfel der Eichen,
20 der stärksten Bäume, wehn dann dort, wo sie gemeinhin nicht gedeihen, im Hochge-
birg neben den Firnen.
Dritte Fassung:
Die erste Strophe versucht allerdings — in der dritten Fassung deutlicher als in den
beiden andern —, zum Schluß die hymnische Stimmung in des Jahrs Vollendung
25 (Der Archipelagus v. 274) zu »verneinen« (vgl. Hellingrath 4, HO f.); die zweite
aber ruft den Menschen, der sich der Entscheidung entziehen will, zurück in seine ihm
aufgegebene Situation CSonnenschein am Boden... und trokenen Staub statt der
wiegenden See) und stellt ihn schließlich auf die hohe Straß in den Alpen; in der
dritten Strophe wird ausgleichend und bestätigend der Helden des Altertums gedacht
^0 fJMnemosyneJ, die auch in Erfüllungs- und Übergangszeiten sich bewährt haben.
1 gekochet] Vgl. Schiller, Der Spaziergang v. 119: Vfas Arabien kocht... Auch
in andern Sprachen wird dies Wort für das Reifen der Früchte gebraucht, so im
Griechischen niaaeiv (z.B. Homer, Odyssee 7,119), im Lateinischen coquere
(Plautus, Trinummus V.526: vinum... coctum; Plinius, nat. hist. 12, 2h (fruc-
825
19S-198 Mnemosyne
tus} solibus cactus; 14,5S: cvctura; Farro, res rust. 1, 7, 4; ut uvae ... coquantur;
1, S4, 1: (iwa) coquitur; Cicero, Catomaior 19, 71:poma... matura et cocta). Das
Hebräische hat ebenfalls für »reifm« und »kochen« dasselbe Wort: auf reifende
Trauben bezogen I.Mose 40, 10, auf siedendes Fleisch Hesekiel 24, S.
2 geprüfet] Vgl. {Der Ister) v. 4: die Prüfung. 5
2 — 5 A s den Lesarten geht hervor, daß Prophetisch Prädikatsnomen zu Gesez
ist: Und ein Gescz... ist / Prophetisch (in der endgültigen Fassung wird der Zwi-
schensatz (v. S) nach ist eingefügt). Vorher ist in den Lesarten von Wohnungen /
Und Pforten des Himmels die Rede, die anscheinend die Menschen der verworrenen
Zeit freundlich einladen, der Sehnsucht ins Ungebundene (v.li) nachzugeben — 10
vgl. Der Einzige, }.Fassung, v. 71-73: Nemlich immer jauchzet die Welt / Hin-
weg TOD dieser Erde,... wo das Menschliche sie nicht hält. So unausweichlich
ist A'eseTodeslust (Der Einzige, 2.Fassung, v.S); Stimme des Volks, I.Fassung,
V. 21; 2.Fassung, v.l8 f.), daß sie ein Gesez zu sein scheint, ein Gesez, das sich
vorher ankündigt, das prophetisch ist, das auf den Hügeln des Himmels (das sind 15
die Wohnungen und Pforten des Entwurfs) von seinem Vollzug »träumt«: daß
nämlichalles Sterbliche hineingeht, daß es den ewig menschenfeindlichen Natur-
gang... in die andre Welt, die wilde Welt der Todten geht (Anmerkungen zur
Antigonä). Das absolut gebrauchte hineingeht (für »stirbt«), das nahegelegt sein
mag durch die Pforten des Himmels im Entwurf, befremdet weniger, wenn man 20
erwägt,daß in der Antigonä v.92 S(894)nachAemsie weiter gangen für d^wXörcov
gesetzt ist, v. fSS (S17) ist er weiter für äXero; vgl. Goethe, Zahme Xenien v. S4:
Ist längst vorbei gegangen (gestorben); Campagne inFrankreich (Weimarer Aus-
gabe Abt.I Bd. 3) S.199 f.): die leider schon vorübergegangene Mutter. -
Schlangen gleich (v.)) soll alles hineingehn, weil die Schlangen in den engsten 25
und finstersten, für alle andern Lebewesen unzugänglichen Spalten noch ihre Schlupf-
winkel finden, auch weil »Schlangen als Verkörperungen von x&övioi aller Art, Göt-
tern der Erdtiefe, Heroen und einfachen Todten« gelten (Erwin Rohde: Psyche.
Seelerwult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen, Freiburg i.B. und Leipzig 1894,
S.224; vgl. auch das Register s. v. Schlangen). Zeus nahm, um der Persephone 30
(Deois) in und unter die Erde folgen zu können, Schlangengestalt an (Ovid, met. 6,
114). — Für die Hügel des Himmels weist Kempter S.119 hin auf Simon Dach,
Christliches Sterb-Lied 1653, v. 20: Auff die Himmels-Hügel (4, 149 Ziesemer).
5 — 8 Der Gedanke der l.Fassungv.l2f.: Viel Männer möchten da / Seyn in an-
drer Wendung, dasBleibenimljehen; hier stärker betont undv.l3 f . sogar wörtlich 35
826
Mnemosyne 193-19S
wiederholt. Zu dem Bilde der Last auf den Schultern vgl. Der Rhein v. 1 / 7 f . und die
Erläuterung z. St.
8—12 Vgl. die zweite Fassung V. S; unrecht...gehn die jonjt gefangenen, g'c-
bundenen Elemente, wie durchgehende Rosse (vgl. die Lesarten: Wie Rosse, durch
5 gehn die gefangenen...). Die Geseze der Erd sind aufgehoben, weil der Tod nicht
bloß der Erde das Irdische zurückgibt, sondern, in ungezügelter Todeslust, als Durch-
gang ins Ungebundene, in die wilde Welt der Todten, gesucht wird.
15 —17 Der Dichter möchte, auf einen Augenblick nur, sich der Verantwortung ent-
ziehn; vgl. die einleitenden Bemerkungen zu den Erläuterungen der dritten Fassung.
10 18 Wie aber liebes?] Ungeduldig-liebevolle Zurechtweisung;liehes ist Vokativ.
2 0 heimatlich die Schatten der Wälder] Vgl.Brod und PVein v. 1 SS f . Ansatz VI
- Lesarten: Unsere Blumen erfreun und die Schatten unserer Wälder Den
(in der Kolonie) Verschmachtetcn (der — siehe die 2.Fassung der Mnemosyne v. ?
- die Sprache in der Fremde verloren^.
15 2 0 - 2 2 . . . An Dächern.der R a u c h . . . ] Vgl.Die Muße v. 24f.
2 1 - 2 3 Krone / Der T h ü r m e . . . ] Vgl. (Und mitzufühlen das Leben...) v. 17 f .
und die Erläuterung z. St.
2 4 die Tagesieichen] Das sinddiein den vorigen Versen (in den beiden ersten Fas-
sungen noch ausführlicher) genannten Zeichen für die fVirklichkeit des irdischen
20 Tages gegenüber dem ungewissen, zwielichtigen Aufruhr, wenn über Menschen /
Ein Streit ist an dem Himmel (2. Fassung v. 4 f.), so daß die einzelne, schütz- und
ratlose Seele von einem gegenredenden Himmlischen angefochten, getroffen, be-
troffen (vgl. die Lesarten), verwmidet wird,
2 5 - 3 4 Ein Gleichnis voll deutsamster Bildlichkeit. Es ist die Rede vom Übergang
25 in eine andre Jahreszeit, vom Winter in den Frühling. Auf der Alpenwiese an hoher
Straße liegt noch Schnee des Winters: hälftig, das heißt: es blickt schon ebensoviel
grünes Gras hervor, wie noch Schnee liegen geblieben ist. Es ist jener kühnste M o -
ment der Hälfte, wovon die Anmerkungen zur Antigona am Anfang des zweiten
Kapitels sprechen, die Mitte der Zeit (Germanien v.lOß). Der Schnee nun ist das
30 Zeichen, das Kennzeichen der zu Ende gehenden Winterszeit. Er ist am Ende der
Zeit, die durch ihn bestimmt war, dem Untergang geweiht (vgl. Germanien v. 20—2})
als das Adlige, Edle, Edelmüthige dieser Zeit. (Die ebenso weiß leuchtenden, schnell
verwelklichen Majenblumen bedeuten dasselbe für die Maienzeit.) Auf der hohen
Paßstraße geht ein gewanderter Mann (Ganymed v.8) mit dem andern - erst die
35 S. Fassung fügt hinzu: zornig, / F e m ahnend; im Zorn wird nämlich, in Über-
827
19}-19S Mnemosyne
gangszeiten, des Himmels iJerr sichtbar (Patmos, I.Fassung, v.171 f.), wie auch
der den ubergang stellvertretend leistende und leidende Halbgott oder Heros vom
Zorn ergriffen wird: vgl. die ebenfalls aus dem Frühlingsgeschehn dichtende Ode
Ganymcd v.ll: im Zorne, v.lS: Zomtrunken (auch schon im Gefesselten Strom
v.lf heißt es: Im Zornej. — Der Wandersmann redet vom Kreuze, dem Marterl 5
für die unterwegs, auf dem Weg über den Paß, im Übergang Gestorbenen, vom
Gedächtnis CMnemosyne^ der Heroen. Diese Deutung gibt, nachdem mit der Frage
was ist diß ? auf dieselbe Weise übergeleitet ist wie auch in Patmos v.lSl, die dritte
Strophe.
35 . 3 6 Diese beiden Verse stellen den Keim des Gedichtes dar — siehe die Lesarten. 10
Die Prägung mein Achilles mir zeugt für des Dichters innigen Anteil an dieser
heldischen Jünglingsgestalt — vgl. Walther Rehm: Griechentum und Goethezeit, Ge-
schichte eines Glaubens (Das Erbe der Alten, 2. Reihe, Bd. XXVI), 2. Auflage Leipzig
1938, S.339; HajoJappe: Jugend deutschen Geistes, Das Bild des Jünglings in der
Blüte der deutschen Dichtung, Berlin 1939, S. 377—380; femer den Kommentar zu 15
dem Brief {An Kallias'), Iduna 1944, S.S1—7S. — Am Feigenbaum ist wohl eine
Reminiszenz aus Richard Chandlers Travels in Asia minor, and Greece 1,13
(3. Auflage London 1817, S. 47), wo es nach einer Beschreibung der Grabhügel des
Achill und des Patroklus wie auch andrer um Troja gefallener Helden (standing in a
vineyard or inclosure) heißt: From thence the road was between vineyards, cotton- 20
fields, pomegranate, and figtrees. — Diese Anschauung der Feigenbäume bei Achills
Grab konnte noch verstärkt werden durch den bei Homer wiederholt genannten wilden
Feigenbaum (eQtveög: Ilias 6, 433; 11^ 167; 22,14S), der als eine Landmarke unter
den Mauern Trojas stand. — Hineinspielen mag auch der im Neuen Testament häufig
erwähnte Feigenbaum. Wenn seine Zweige saftig werden, so ist der Sommer nahe. 25
Durch dies Gleichnis eines jahreszeitlichen Übergangs lehrt Christus seine Jünger,
daß das Reich Gottes nahe vor der Tür ist: Matth. 24, 32; Marc.l3, 28; Luk. 21,
29. Aus Ungeduld, daß er noch keine Früchte trägt, verflucht Christus den Feigen-
baum: Matth. 21, 19-21; Marc.ll, 13 f . (vgl. auch Luk. 13, 6-9); siehe Habakuk
3, 17. — Der Feigenbaum ist das Gleichnis des Helden auch in Rilkes sechster Dui- 30
neser Elegie. — Vgl. auch Andenken v. 16 und die Erläuterung z. St.
3 7 — 4 3 Ajax] Vgl.Hyperion 1, 83: Ich lebe jezt auf der Insel des Ajax, der
theuern Salamis; ausführlicher in den Vorarbeiten: Stuttgart III IIb: Der Ajax des
Sophokles lag vor mir aufgeschlagen. Zufällig sah' ich hinein, traf auf die
Stelle, wo der HeroK Abschied nimmt von den Strömen und Grotten und Hai- 35
828
Mnemosyne 1 9 } - 1 9 8
nen am Meere... Ihr nachbarlichen Wasser des Skamanders..Homburg A 31:
Und ich weiß nicht, Salamis hat doch eigene Reize, und die Gefährten des
Ajax hatten Recht, im Vaterlandsweh auf der fernen Küste zu rufen / 0 Sala-
mis! / Voll Ruhms, voll guten Geistes, / Draußen schwimmst du vonMeeres-
5 woogen umrausclit! — Hölderlin hat drei Stücke aus dem Äias des Sophokles über-
setzt. Die beiden in Mnemosyne v.3S f . anklingenden Motive, die hier'auch aus der
ersten der beiden genannten Vorarbeiten zum Hyperion herausgegriffen sind, finden
sich V. 412 nÜQaXd r' ävrga: und ihr Höhlen am Meer und v. 41S f . icu Zxa/xdv-
ÖQOIO ye^Tove; i5oaC: lo am Skamander, ihr Bäche.
10 4 0 An Schläfen Sausen einst ("hei Windessausenj] Vgl.Patmos, Vorstufe einer
späteren Fassung, v. 7S: im Sausen des Rohrs.
4 4 Patroklos aber {ist gestorben) in des Königes (Achilles) Harnisch. Vgl. Ho-
mer, Ilias 16. Gesang.
4 5 — 4 8 Die 3.Fassung überbietet die beiden vorigen, indem sie nicht bloß vom gött-
15 lieh gezwungenen Tode der Helden spricht, sondern gar vom Tode der Mnemosyne,
des »Gedächtnisses«, der Mutler der Musen, welche die xl.ia dvösatf singen. Von der
Notwendigkeit des Heroentodes in Übergangszeiten kündet auch die endgültige Fas-
sung noch eindringlich genug v. 50: aber er muß doch.
4 6 Elcvtherä] 'EXev&egal, einenachEleuther('E?,£t)&ijQ),demSohnApollonsund
20 der Poseidonstochter Aithusa (vgl. Apollodor 3,10, 1), benannte Stadt an der böotisch-
attischen Grenze, am Südabhang des Kithdron. Von Mnemosyne sagt Hesiod (theog.
V.S4); yoxxvotaiv 'Ehv&fjQOQ ßEÖiovaa (in den Gefilden desEleuther waltend).-Bei
Pausanias, der die Trümmerstätte von Eleutherai des öfteren erwähnt, heißt es 1,
3S, 9: 'EXev^eQÜ>v öi fpi [ih> hi tov relxovg, tfv öi xai olxuöv igeinia - öe
25 Tovroii iazl n&hi 6Uyov vnkq tov nedlov TiQog tü Ki&aigöivi olxta&elaa.
46 . 4 7 als / Ablegte den Mantel Gott ] Das bedeutet: als der griechische Götter-
tag zu Ende war. In dem Gesang {Versöhnender der du nimmer geglaubt...), 3.Fas-
sung, V. 40- 42 tritt Gott (der VaterJ, nachdem er wie ein Meister bis zum Feiertag
(und für den Feiertag) gearbeitet, aus der Werkstatt und zieht ein festliches Gewand
30 an. Vgl. auch Griechenland, 3. Fassung, v. 25-32 (S. 257 f.).
4 7 das abendliche ] Auch damit ist die Endschaft der Zeit bezeichnet, das Eschato-
logische, zugleich auch der Tod überhaupt: vgl.Oedipus der Tyrann V.1S4 (177) f.:
äyräv ngdg iandgov ßeov: zum Ufer des abendlichen/ Gottes.
47 . 4 8 löste / Die Loken] Der göttliche Todesbote trennt nach antikem Glauben
35 eine Locke vom Stirnhaar des Todgeweihten (vgl.Ludwig Sommer: Das Haar in
829
193-198 Mnemosyne
Religion und Aberglauben der Griechen, Diss. Münster 1912, S. 61—64): Euripides,
Alkestis v.74—76; Horaz, carm.l, 28, 19 f.: nullum saeva caput Proserpina fugit;
Statius, silv. 2, 1, 147: iam complexa manu crinem tenet infera luno; Virgil, Aen.
4, 702—704 (Iris zu der sterbenden Dido): hunc ego Diti {= Plutoni) sacrum iussa
fero, teque isto corpore solvo. — sie ait ei dextra crinem secat. Schiller übersetzt (Dido, 5
Stanze 128) in der Thalia 1792: Sie sagts und lößt das Haar ab; im 2. Teil der Ge-
dichte (1803) S. 30S: .. und lößt die Locke.
4 8 - 5 0 Vgl.Der Rheinv.114-120. ("die Seele schonend ist ein für sich zu neh-
mender Einschub.)
5 0 aber er muß doch] iS, 7; Es muß ja Ärgernis kommen: doch 10
weh dem Menschen, durch welchen Ärgernis kommt.
50 . 5 1 dem / Gleich fehlet die Trauer] Die Trauer (das ist der Trauemde, sind
die V. 46 der 2. Fassung genannten Traurigen) fehlt gleich dem, der sich nicht zu-
sammengenommen und den Unwillen der Himmlischen erregt hat; die Trauer begeht
denselben Fehler wie der, indem auch sie sich ohne Sträuben in den Tod gleiten läßt. 15
— Auch in der 3. Fassung, wo die wörtliche Beziehung auf v.46 nicht mehr besteht,
kann der Satz durchaus noch in diesem Sinn verstanden werden. — Der Satzanfang
dem / Gleich ist vorgebildet in der I.Fassung des Einzigen, v.103: Dem gleich ist
gefangen die Seele der Helden; vgl. auch Stimme des Volks, I.Fassung, v. 43; An-
tigonä V. 608 (586); 860 (832. 833). 20
830
HYMNISCHE ENTWÜRFE
Diese besondre Gruppe bilden Entwürfe, die sich durch großem Umfang oder be-
deutenderen Inhalt von den übrigen Plänen und Bruchstücken abheben.
DEM ALLBEKANNTEN
5 Noch vor der Jahrhundertwende niedergeschrieben, frühestens Ende 1797 (v.lS des
II. Ansatzes: Lodi Arcole.. — s. die Lesarten).
Überlieferung
W : Stuttgart 16 Bl. f (s. die Beschreibung S. i77): Überschrift und eine Zeile,
am oberen Rande der Seite, auf die später ein Teil des ersten Entwurfs zum
10 Schluß des Wanderers (zweiter Fassung) geschrieben wird (S. 570 Z. 21 —
S. 571 Z.14).
H^ : Stuttgart 16 Bl. 51' (s. die Beschreibung S. J77
Erster Druck, teilweise: Carl Müller-Rastatt: Friedrich Hölderlin, Sein heben und
sein Dichten, Bremen 1894, S.IOS f.; ergänzt durch Norbert von Hellingrath:
15 Pindarübertragungen von Hölderlin, Jena 1911, S. 45 Anm. 1.
Lesarten
Überschrift: (1) Dem Allbekannten (doppelt unterstrichen) H^ (2) Buona-
parte. (3) Dem Co Allgenannten, fi^ Allbekannten, (darunter: Hexameter
I ; imter der Überschrift Dem Allbekannten :
20 Frei wie die (1) Schwaben,
(2) Schwablcn (Schreibfehler), ist die Seele der Dichter H'
Damit bricht H^ ab.
831
201 Dem Allbekannten
I I : unter der Überschrift Buonaparte. ;
1: Gerne weil {ich) um die
2: Aber wie (1) Schwaben,
(2) Schwalben, ist frei der Gesang,
a: (etwa 4 Zeilen Zwischenraum) 6
Darum sing ich
den fremden Mann
b : h Sie wandern von Land zu Land»
4: Und suchen den Sommer
S: Und wo die Lüfte i 0
6: Da wohnen sie
7; Und nun sing ich
S: den fremden Mann
9: Er selber gönt mirs wohl.
10: Korsika. 15
11: Kindheit
12: Aber (1) wie der Helmbusch folgt der
(2) es folgt wie der Helmbusch ihm der Gesang
13: Lodi Arcole . .
14: Ha! umsonst nicht hatt (1) ges(agt} 20
(2) er geweissagt
IS: Da er über den Alpen stand
16: (1) [Und]
(2) Hinschch
(3) [Hinschauend] nach Italien u (a) b (?) 25
(b) Griechenland
17: (1) Un
(2) Mit dem Heer um ihn,
832
Dem Allbekannten. Deutscher Gesang 201-20)
IS: Wie die (1) Wetterwolke
(2) Gewitterwolke
19: Wenn sie fernhin
20: Dem Orient entgegenzieht,
5 21: Und von (1) des
(2) den Straten des bege/n/gncnden
22: Morgenlichts die Wolke (1) schimmert
(2) freudig errötliet und glüht
2h' IndeB verkündende Bliie schon H ^
10 I I I : unter der endgültigen Überschrift, zwischen den Z,eilen 1—12 des IL.Ansatzes:
Text I-F
1 Frei wie die Schwalben] (1) Fri (2) Frei wie Schwalben (3) Text IP
fliegen und wandern] (1) wandern u. fliegen (2) durch die Nummern 2
und 1 umgestellt H^ 2 Fröhlich] ohne Ersatz gestr. IP feme über
15 gestr. immer IP 5 gleichst du bis 6 ihm nicht,] (1) gleich dem
{a) Helden Q)) Ernsten / Oder (a) er (/?) g (y) gleich ihm nicht
(2) gleichst {a), er (b) du dem Ernsten / Oder gleichst du ihm [ , ]
nicht, IP 6 sprechen über gestr. sagen IP 7 gi5n(n)et gerne mein
Spiel mir. aus: gönt mir die Freude. H^
20 10 : Das bescheidene (1) Land, und an der gütigen Sonne
(2) und (a) Ansatz zu al
(b) an allernälirender Sonne IP
Erläuterungen
Erster Entwurf eines hexametrischen Hymnus auf Buonaparte. Vgl. den Entwurf der
25 so überschriebenm Ode 1, 239. — Siehe auch die Bemerkung über die Form des hexa-
metrischen Hj-mnus am Beginn der Erläuterungen zum Archipelagus (S. 648).
1 Vgl. Die Wanderung v. 28: Frei sei'n, wie Schwalben, die Dichtcr.
5 Der Vers ist metrisch noch nicht vollendet. — Vgl.Bruchstück 71, v.l6 f.: Das
neide / Mir keiner.
30 DEUTSCHER GESANG
Nach dem handschriftlichen Zusammenhang noch vor dem ersten Entwurf zu dem
Gesang Am Quell der Donau niedergeschrieben.
833
202-20} Deutscher Gesang
Überlieferung
H: Stuttgart 117 (s. die Beschreilung S. 686).
Erster Druck: Hellingrath 4, 24i-24S.
Lesarten
Überschrift: unterstr. H 1 - 3 : unterstr. H 5
1 trunken begeisternd] (1) allbcgeistemd (2) trunken ijber gestr. all H
2 Vogel aus Vögel H sein Lied über gestr.: den Gesang H 3 rascher]
(1) schneller (2) leichter (5) rascher H 4 rauhe] (1) düstre (2) rauhe
(5) wilde (4) rauhe H geht über gestr.: durch Felsen H 5 die Sonne
gewärmet. üÄcr; das himmlische Licht erwärmet, / / 6 Und der über gestr.: 10
Dann wandelt H 7 anders aus anderes H
9 : (1) Die
(2) Und (a) die Stadt und die Werkstatt
(b) der Markt die
(c) das Thor erwacht und der Marktplaz, H 15
10 von über gestr. die H 11 Der röthliche Duft steigt] Die röthliche
(1) Wölk aufsteigt {2) JS.{auch (?)) (3) Duft steigt H schweigt er allein,
aus; schweiget er noch H 12 ^ still aus tief// 1 3 : Und (1) s (2)hältsich
still in der Halle. (3) darunter: sinnt in einsamer H 13 zwischen (2) und
(5) Torentumrf (vgl. V. 6): Dann wandelt einsam H 13 a ^estr.; der deutsche 20
Dichter schweigt, (wohl auch zum Vorentwurf gehörig) H 14 Doch wenn]
danach ein Zwischenraum für etwa 4 Zeilen H
15 : dami (1) scho<e)p(f)t (a) am
(b) in kühler Abendstunde,
(2) sizt im tiefen Schatten H 25
16 Wenn vor gestr. dem H 17 Am kühlathmenden] Am kühlathmen-
dem H Bache aus: Bach, imd H
17 der deutsche Dichter bis 20 Seelengesang.]
der deutsche (1)/ Dicht<cr>
(2) Dichter 30
(a) Und schöp</>t
(b) Und (a) beginnt
(ß) beginnet, fenihin (:aus femhein_) lauschcndin die Stille,
(y) singt, wenn er des heiligen nüchternen Wassers
834
Deutscher Gesang 202-20)
Genug getrunken, fernhin lauschend in die Stille,
Den Seelengesang. H
21 ist er des] ist des H 22 Und die reine Seele] dieser Ters ist der letzte am
untersten Rand der Seite; am oberen Rand der Rückseite ist über v. 2} Raum für
5 2—) Zeilen; unter v. 23 ein Zwischenraum für 3 Zeilen H 24 Schaam]
Schaaam H 25 Unheilig jeder unter ^estr..-Denn unheilig der H
26 : Doch lächeln (1) über der Einfalt
(2) darunter:
über des Mannes Einfalt H
10 2 7 - 2 9 : Die Gestirne, (1) die vom Orient her
Weissagend weilen über den Bergen
Unseres (a) Vaterlands (b) Volks, ehe sie weiter
(2) wenn vom Orient her
Weissagend über den Bergen unseres Volks
15 Ca) Verweilen
(b) Sie Verweilen H
30 .31 : Und wie (1) ihm in den Tagen der Kindheit
(2) des Vaters Hand ihm über den Loken (a) ruhte
(b) geruht,
20 In [den] Tagen der Kindheit, H
32 So krönet, aus: So ist gekrönt, H 33 Seegen über Haupt H
3 4 - 3 8 : 1 : 1: Wenn er dich, der du bis heute,
2: Nahmlos geblieben o göttlichster (1), (2) !
h (1) Dich, Schuzgeist
25 (2) 0 guter Geist des Vaterlands
4: Im
I I : 34 : Wenn dich, der du
35 ; Um deiner Schöne willen, bis lieute
36 : Nahmlos geblieben o göttlichster!
30 37 : O guter Geist des Vaterlands
38 : (1) Sein Lied, sein
(2) Sein Wort im Liede (a) nennet.
(b) dich nennet. H
38 a . b : Je mehr Äußerung, desto [dest] [dist] stiller
35 Je stiller, desto mehr Äußerung. H
835
202-204 Deutscher Gesang. Wie Vögel langsam ziehn...
Erläuterungen
4 Die rauhe Bahn] Akkusativ. Das Subjekt des Prädikats geht ist auch der Strom;
»wenn der Strom die rauhe Bahn über den Feh rascher hinabgeht, weil ihn (den Strom)
die Sonne geivärmet« und seine nächtlich-eisige Erstarrung aufgehoben hat.
18 deshciligcn iiiicliternen Wassers] Fgl. Hälfte des Lehens v.7 und die Erläute-
rung z. St.
3 6 Nahmlos] Fgl. Gesang des Deutschen v.SO, wo das Vaterland mit neuem Nah-
men gegrüßt wird.
<WIE VÖGEL LANGSAM Z I E H N . . . )
Überlieferung 10
H: Homburg F S3 (s. die Beschreibung S. SSO ).
Erster Druck: Hellingrath 4, 2SS.
Lesarten
Überschrift: fehlt H 3 kühl aus kühn Ii
5 —7 : Es um ihn schweiget, hoch (1) in der Luft, \ 0
Schroff aber hinab
Das Land ihm liegt, und mit ihm sind
(2)
In den Lüften, lustig aber hinab
(3) 20
In der Luft, reich glänzend aber hinab
Das Gut ihm liegt der Länder, und mit ihm sind H
8 siegforschend über der Zeile I i 9 mit vor dem Ansatz zu d(cr) H
Erläuterungen
Dieses Bruchstück stellt für eirum. unbekannten größeren Zusammenhang den Wie- 2 5
Satz eines Gleichnisses bereit, und zwar in Homerischer Form insofern, als die ein-
zelnen Züge des Vergleichs (v. 2—10) syntaktisch nicht mehr von dem Wie abhän-
gen, sondern als selbständige Hauptsätze geformt sind; vgl. Der Einzige, I.Fassung,
V. 92-10} und die Erläuterung z. St.
Inhaltlich ist das Gleichnis durch ein biblisches Bild angeregt (siehe Kempter S. S6): 50
836
Wie Vögel langsam ziehn... Wie Meeresküsten... 204 - 20S
5.Mose 32, 11: Wie ein Adler ausführet seine Jungen, und über ihnen schwe-
bet; vgl. auch Hyperion 1, ih vom Marmorfelsen, der über mir hieng, wo der
Adler spielte mit seinen Jungen; (An Herkules) v. 9—12.
3 Fürst] Der etymologische PVortsinn (der Vorderste, Erste) ist hier noch unge-
brochen mächtig; vgl. Der Einzige, L Fassung, viertlctzter Vers des Entwurfs H";
Wie Fürsten ist Herkules.
( W I E MEERESKÜSTEN. . . )
Überlieferung
H: Homburg F 6S (s. die Beschreibung S. }80).
10 Erster Druck: Hellingrath 4, 401f.
Lesarten
Überschrift: fehlt H
1 : Wie Meeresküsten, wenn zu baun
2 - 4 : Anfangen die Himmlischen und herein (1) schifft, eins
15 Ums andere,
Und die Erde rüstet sich zu,
also schlägt es
das gewaltige Gut ans Ufer.
(2)
20 Schifft [unermeßlich] unaufhaltsam, eine Pracht, das Werk
Der Woogen, eins um(s) andere, und die Erde /rüstet/
5 : Sich (: gestr., wohl versehentlich)
rüstet (1), und sich drauf von dem Seeligen
(2) aus, darauf vom Freudigsten (a) kommt
25 (b) eines kommt
(c) eines
6 : Mit guter Stimmung, zu recht es legend also schlägt es
7 : Dem Gesang, mit dem Weingott, (1) vielbcdeutend,
(3) vielverheißend dem bedeutenden
30 [Zu rechter Zeit]
857
20S -206 Wie Meeresküsten... Heimath
8 : Und der (1) Gaabe des Griechend (Schreibfehler)
(2) Lieblingin
9 : Des Griechenlandes
1 0 : Der meergeborenen, (1) schiklichen
(2) schiklich blikenden 5
1 1 : Das gewaltige Gut ans Ufer. H
Erläuterungen
Das Gerüst des Gleichnisses ist dieses: Wie den Meeresküsten, so schlägt es dem Ge-
sang das gewaltige Gut ans Ufer. — Der Gesang in erfüllten Zeiten (wenn zu
baun / Anfangen die Himmlischen - vgl. den Beginn des Entwurfs Wenn aber 10
die Himmlischen haben / G e b a u t . . w i r d mit dern Handelsherrn verglichen, wie
ja auch der Handel Korinths in der erfüllten Zeit des Griechentums geblüht hat:
Hyperion 1, 7 (erster Brief); Brod und Wein v.l02; Der Jrchipelagus v.72-81:
.. der femhinsinnende Kaufmann, ... denn es wehet' auch ihm die beflügelnde
Luftund die Götter/Liebtenso, wie den Dichter, auchihn...DerWeingottunddie 15
meergeborene Aphrodite helfen dazu, daß dem Gesang so gewaltiges Gut zuwächst.
HEIMATH
Überlieferung
H: Homburg F 38. 39 (s. die Beschreibung S. 3S0).
Erster Druck.: Hellingrath 4, 400 und 2S4f. 20
Lesarten
Zuerst wird, oben auf S.38, nur die Überschrift festgehalten. Später wird, mit andrer
Schrift, auf S. 38 nur noch v. 1 niedergeschrieben (darüber Raum für etwa 2 Anfangs-
zeilen); V. 2 steht, in derselben Schrift, auf S.39 nur wenig über der Mitte. Der breite
Zwischenraum bleibt leer bis auf das späte Bruchstück in der unteren Hälfte 25
der S.38. — Aufv. 2 folgt zunächst, wohl gleichzeitig mit v. 1 und 2, ein erster Ent-
wurf der Verse 6, S—17 in der liriken Spalte. Die endgültige Fassung wird später mit
steilerer Schrift in die rechte Spalte danebengesetzt. Ganz zuletzt scheinen mit sper-
riger Feder die Verse 3—J in der liriken Spalte und v. 7 in der rechten eingefügt wor-
den zu sein. 30
858
Heitnalh 206
3 wilde nach gestr. sü(ße) H 9 Den aus Des H 13 Gewölbe aus Ge-
wülke H
6 - 1 7 : erster Entwurf:
6 : Hier, wo
5 7 :
8 : Und (1) Linden
(2) stark die
(5) süße Linden duften neben
9 : Den (1) Eichen.
10 (2) Buchen, des Mittags, wenn im (a) Kornfeld
(b) falben Kornfeld
10 : Das Wachstum rauscht, an geradem Halm,
1 1 . 1 2 : (1)
und unter hohem
15 (2) Den Naken aber die Ähre beugt
(5) Und Den Naken /aber/ die Ähre seitwärts beugt
Dem Herbste gleich, (a) wie ihm
(b) jezt aber unter hohem
13 : Gewölbe (1), wenn
20 (2) der Eichen, da ich sinn
14 : Und aufwärts frage der Glokenschlag
15 : Mir wohlbekannt
1 6 . 1 7 : Fernher tönt (1). So gehet es hin.
(2), XU der Stunde
'25 (3), um die Stunde
(4), goldenklingend um die Stunde, wenn
Der Vogel wieder wacht. So gehet es wohl.
17 a : Und an
1 7 b :
50 17 c : und an dem Abhang wachsen H
Erläuterungen
8 süße Linden duften] Vgl. {Zornige Sehnsucht) v. 20: der Linde Düfte; (Ihr
sichergebaucten Alpen...) v. 12: Linden des Dorfs.
9 im falben Kornfeld] Vgl. {Auffalbem Laube...) v.l und die Erläuterung z. St.
839
206 - 207 Heimath. Wenn nemlich der Rebe Saft...
10 Das Wachstum rauscht] Vgl. {Der hier) v. 39 und die Erläuterung z. St.
1 1 . 1 2 Vgl. die Erläuterung zu Palmas, Bruchstücken der späteren Fassung,
V.177-1S0.
13 Gewölbe] Vgl. {IVcnnncmlich der Rele Saft...yv. 4 und die Erläuterung z. St.
( W E N N N E M L I C H DER REBE SAFT. . . ) 5
Überlieferung
H: Homburg F 69 (s. die Beschreibung S. 380).
Erster Druck: Hellingrath 4, 255f.
Lesarten
Überschrift: fehlt H 2 Das milde Gewächs später in eine offen gelassene 10
Lücke eingefügt H 3 die Traube wachset über der Zeile H wachset] über
dem e verdeutlichend: e H 3 . 4 dem kühlen / Gewölbe der Blätter,] (1) dem
Laube (2) dem kühlen Gewölbe der Blätter (3) Text H 5 . 6 Diese beiden
Verse sind später eingefügt, v. 5 zwischen v. 4 und 7, v. 6 am linken Rand H
8 sie aus die H 9 Geist] mit der breiten, ausgeschriebenen Feder des auf der- 15
selben Seite stehenden Bruchstücks 67 wird angefügt:, wie eines Ammenkinds H
1 0 . 1 1 : Der Sonne (1) treibet,
Wenn aber , kehren sie
Mit Gesumm,
(2) rühret, irren [sie] ihr nach 20
(a) Sie
(•fc Die Getriebenen, wenn aber H
Erläuterungen
4 Gewölbe] Vgl.Emilie vor ihrem Brauitag v. 304f.: ins Gewölb'... / Des grünen
Ahorns; Heimath v. 13: Gewölbe der Eichen; (An die Madonna) v. 20-22: Zum 25
unzugänglichen, Uralten Gewölbe Des Waldes.
7 - 1 5 Bienen... die Eiche] Vgl. Stutgard v. 33 f.: wie die Bienen, Rund um
den Eichbaum.
840
Auf folbem Laube... Was ist der Menschen Leben... 208 - 209
(AUF FALBEM L A U B E . . . )
Überlieferung
H: Hornburg F 90 (s. die Beschreibung S. iSO).
Erster Druck: Hellingrath 4, 251 j.
5 Lesarten
Überschrift: fehlt H 1 ruhet] (1) sch</mmert f . ' } ) (2) liegt (3) ruhet H
2 Traube aus Tauben Jf 3 Der aus Des H von nach, gestr. auf H gol-
denen auj d / / 4 A m ] a m i i / Jungfrau aus 0 i J 4 . 5 Zivischm den beiden
Fersen Raum für 2 Zeilen H 5 ich vor gestr. ich H 6 'Leicht über gestr.
10 Es H sich noc/t ^cjir.; das Kälblcin H 9 Fleißig] Darüber Raum für 3—4
Zeilen, darunter für ) Zeilen H 11 eine, vor gestr. dc(s) H 13 Strik-
strumpf aus Strist II
1 6 - 1 8 : (1) aber lieblich
rauschen
15 Cn;Wie
(b) Die Küsse
(2) Am stechenden Bart [. ] eingefügt; dabei gerat das JVort Bart unter
das zu weit links, aber deutlich eine Zeile tiefer als v.l6 gesetzte
rauschen H
20 Erläuterungen
1 Auf falbem Laube] Vgl.Die Tek v.l9: du falbigte Rebe; Heimath v. 9: im
falben Kornfeld.
2-4 Vgl. Die Titanen v.Hf
(WAS IST DER MENSCHEN L E B E N . . . )
25 Nach dem S.März 1800 (s. die Beschreibung der Handschrift), spätestens wohl 1802
entstanden.
Überlieferung
I I : Heidelberg, Landgcrichtsdirektor Dr. Arnold: auf der Rückseite des Briefes der
841
209-210 Was ist der Menschen Leben... Was ist Gott?...
Diotima vom (^S.März 1800) ("Er wird deine Zimmer oben beziehen...^,
der Schluß des v. 4 ist um den Rest des Siegels herum geschrieben.
Erster Druck: Anmerkungen (von Carl Fietor} und Nachwort (von Frida Arnold)
zu den Briefen der Diotima (Beilage zum vierten Druck der Januspressc: Die Briefe
der Diotima (Leipzig 1920)), S.17. 5
Lesarten
Überschrift: fehlt H 1 ist der aus: ist da(s Leben) H 2 dem aus dem An-
satz zu il(immel) Ii Irrdisclicn aus Irdischen H 6 Denn] Den H
Erläuterungen
6 .7 Wie Blüthen sind ja Silberne Wolken] p'gl. (Geh unter, schöne Sonne...) 10
v.lS: Silberwolken; Die Wanderung v.106: leichte Gewölke blühn.
11 Anzeige] Das bedeutet: Anzeichen; vgl. Wieland, Krates und Hipparchia 31
(Akad.-Ausgabe Abt.IBd. 20: 243, 24; siehe auch 54A, 42); Goethe, Wilhelm Mei-
sters Lehrjahre 3, 9 (Weimarer Ausgabe Abt.I Bd. 21: 297,12); Schiller, Die Braut
in Trauer (Säkularausgabe Bd. S: 304, 28). 15
<WAS IST GOTT?. . .>
Überlieferung
H: Frankfurt a.M., Freies Deutsches Hochstift Nr. 329S: Einzelhlatt 21,2 x 12
(12,S) cm; linke und untere Kante beschnitten; bläuliches, geripptes Papier;
am unteren Rand ein ganz geringer, undeutbarer Rest eines Wasserzeichens. 20
Über dem Text Federproben von Zimmers Hand: Von Von ein (der Beginn
des auf der andern Seite des Blattes von Zimmer abgeschriebenen Gedichts An
Zimmern — in diesem Band S. 271). Die Federproben brauchen nicht älter zu
sein als der Entwurf darunter; dessen Schriftzüge weisen vielmehr in eine frü-
here Zeit als das Jahr 182}, in dasMörike die beiden Strophen An Zimmern setzt. 25
Erster Druck: Friedrich Hölderlin, Gesammelte Werke (hg. von Friedrich Seebaß und
Hermann Kasack), Potsdam 1921, Bd. 1 S. 27 S.
Lesarten
Überschrift: fehlt H 6 ist nach gestr. sin(d) H 7 auch vor gestr. ist II
842
Was ist Gott?... An die Madonna 210-216
Erläuterungen
4 Der Zorn. . . eines Gottes] Wohl als Prädikativum aufzufassen, ebenso wie v.6
Der Ruhm ... Gottes und v. 7 f . Das Eigentum... eines Gottes.
4. 5 Feme und unsichtbare göttliche Eigenschaften (v. 2) müssen sich darein
schiken, dem menschlichen Sinn in Gestalten (Blitz und Dormer) wahrnehmbar zu
werden, die ihnen eigentlich fremd sind.
<AN D I E M A D O N N A )
Begannen im Anschluß an die Reinschrift des Gesangs Germanien (s. die Beschrei-
bung der Handschrift).
10 Überlieferung
H (v. 1-74): Homburg F 6)-66 (s. die Beschreibung S. 380).
(V.7S-164); Homburg JU'-li^: Doppelblatt 21,S (22)xSS,f (?6) cm,
unbeschnitten; schwach bläuliches, geripptes Papier; Wasserzeichen Bl.13:
Lilie (Baselstab) in einem aus Knospenranken gebildeten Spitzoval, darunter
15 (unsicher deutbar): ICIL; Bl. 14: Blumen in einem Krug.
(derselbe Duktus wie die vorangehende Reinschrift des Gesangs Ger-
manien): V. 1-S; 9-13; (14-21 in erster Fassung); 24-f6 Denn;
ir/* .- V. 6-8; 14-23 in zweiter Fassung; 56 l ieb-164.
Erster Druck: Hellingrath 4, 212-214; 2S1-2S4; 219 (Zinkemagd stellt den
20 richtigen Zusammenhang her: Friedrich Hölderlins Sämtliche Werke und Briefe,
S. Band, Leipzig 1926, S. 132-13S).
Lesarten
Überschrift: fehlt H 3 o über der Zeile H 4 : (1) Denn, seit ich hörte von
ihm H" (2) seit ich gehöret von ihm H^ 5 Jugend;] Jugend H 6 — 8 :
25 später eingefügt H^ 7 stehen auj stehet H^ 9 : Über diesem Vers, oben auf
S. 64, bleibt für etwa 4 Zeilen Raum, der später mit dem Bruchstück SS ausge-
füllt wird. H
13 — 2 3 : Doch Himmlische, doch will ich
Dich feiern I : und ich furcht es nicht
30 Daß mir der Sinn vorgehe
843
211- 216 An die Madonna
In deiner seeligen Macht
Und wachen soll
Der heiligen Lampe gleich, die war
Bewahret von
Gehorchenden Dienern, die Freude 5
Des Tempels, seit H"
I I : und nicht soll einer [mir]
15 : Der Rede Schönheit (1) mir (2) gestr. (3) unterpunktet: mir
16 : Die heimatliche, [mir] a : vorwerfen,
17: Dem Fremden, nemlich (1) unzulänglich 10
(2) unzugänglich bist du, geheim,
18: (Im) Gewölbe des (1) Waldes
(2) uralten Waldes oder des Felsens
b : am rechten Rand:
vorwerfen 15
17 : Dieweil ich allein
18 : Zum Felde gehe, wo wild
19 : Die Lilie (1) wacht (2) wächst, furchtlos,
2 0 : Zum unzugänglichen,
2 1 . 2 2 : (1) ffeitr.; Uralten Gewölbe [Gewölbe] 20
Dem Hinterhalte
Der Himmlischen,
(2) Uralte<n> Walde
Des Gewölbes,
(offensichtlich verschrieben statt: Uralten Gewölbe / Des Waldes,) 25
2 3 : das Abendland,
3 3 gegeben aui gegegen i / " 3 7 : Ander Stelle dieses Verses stand von früher
her, mit sehr spitzer Feder und schwärzerer Tinte: Zu theuerst —; gestrichen H'^
4 2 König.] Danach und über den nächsten drei Fersen, mit sehr breiter Feder und
dunkler Tinte, später als H^: (1) Ich i{ürchte) (2) Aber ich fürchte / Eine Tu- 30
gend, schlangeng{/)att und xmschuldig, aus dem Äußersten / Der List der
Weisheit, himmlisch Feuer, betreffend / Ein seidnes Maas, des Entwurfes
nemlich weil / / 4 5 sahst uor citr. du H" 4 6 göttlichtrauemd] göttlich
unterstr. / : / « sterben aus steb H" 4 7 a : [ U n d ] / / « 4 8 : Zwischen v. 47
und 48 bleibt Raum für etwa S Zeilen.^ U"' 5 3 Königin] Königen (Schreib- 55
844
An die Madonna 211—216
fehler) Mit v. Si schließt S. 6S; v. S4 steht auf S. 66 etwa 14 cm unter dem
oberen Rand, aber unmittelbar unter dem schon dastehenden, mit schwärzerer Tinte
geschriebenen, jetzt von /-/" gestrichenen Bruchstück 44. H
5 6 Hob] Mit diesem Wort setzt H^ ein.
5 6 8 znm] danach mit spitzem Gerät in das Papier geritzt: Himmel H
7 0 Alteowt H>> 9 0 falsch i.V 91 spottend] imtmfr IP 1 0 9 . 1 1 0 ihn/
Heut, aber] ihn, /Heut aber / / ' ' 1 1 7 Uns aus Und J / ' 121 gicbt]gielt
aus get H^ 1 2 3 oder wenn mit] oder über nicht gcstr. wenn vor; [mit] wenn
mit li^ ein Himmlisches iiifr < crZei7e H^ 125 Des aus Der H^ reinen
10 vor gestr. c'mcn H^ des nahen] der nahen H^ 1 2 6 Gottes, nach unterstr.
u. gestr. Götter. H'' 1 3 0 : Über diesem Fers bleibt für etwa 11 Zeilen liaiim. H''
1 3 1 Gesang aus Gesag U ^
1 4 1 : Mit diesem Fers beginnt S.W. H'>
1 4 4 gekommen, uor^csfr.; daß ich hiitte H'' 145 Einsame,] Einsame H''
15 unverständig nac/i i^cstr. hätte H^ 1 4 7 : später eingefügt 11^
1 5 1 - 1 5 5 : (1) Waru<m>
(2) Wofür ein Wort? I : und es (a) die
(b) hätte die Schwermuth
1S2: Mir von den Lippen
20 Den Gesang genommen. Zwar
1S3; Vor Alters deuteten Him<m)lische
IS4: (1) Die
(2) Den Dichter, von selbst, (a) / W e
(b) wei
25 (c) wie /
I f f : Sic hatten die Kraft
Der Götter (1) H (2) liinvveggenommen, / Wir
I I : (n) Schwermuthiisgenommena/smi/3-
fallend unterstrichelt (zu nahe Berüh-
30 rung mit v. 9-121)
(b) als Ersatz dafür:
so meint'ich, denn es hasset die
Rede, (a) wenn
(ß) wer
35 152 : Das Lebenslicht [,] das herzernährende sparet.
845
211- 216 An die Madonna
153 : Es deuteten Vor Alters
1 5 4 : (1) Dim
(2) Die Himmlischen sich, von selbst, wie sie
1 5 5 : Die Kraft der Götter hinweggenommen. H ' '
156 aher nac/t g-ertr. zwi '' XingWj^ ohne Ersatz gestr. H'' 158 , dem 5
befreienden später eingefügt H ' darum auch ohru Ersatz gestr. H'' 1 5 9
Räthsel aus ge(im£icr) H'' Heilig unterstrichelt H^ 162 scheinen nac/i g'Mtr.
wird, H^ will üicr^rcrtr. soll H^ 163 Wie ous D H^ 1 6 4 Der aus
Die H"
Erläuterungen 10
Eine strophische Gliederung gibt der Entwurf noch nicht zu erkennen.
13 — 2 3 Diese Ferse werden von den Lesarten her verständlicher: Die heimatliche
Rede, das ist die deutsche Sprache, soll niemand dem Dichter vorwerfen, der sich,
in der protestantischen Lehre erzogen, dem katholischen, lateinischen Kult der Ma-
donna gegenüber einen Fremden nennt; ihm ist die Madonna darum eigentlich un- 15
zugänglich und geheim — wie in einer verborgenen Andachtsgrotte, im Gewölbe
des uralten Waldes oder des Felsens. Ein Hinterhalt der Himmlischen wird die
so verborgene Kultstätte genannt, worin sie verharren, bis der neue Göttertag dem
Abendland erscheint. Die Madonna vertritt in götterloser Zeit die Himmlischen auf
der Erde, bis sie wieder sichtbar wirken, sie hat in ihrer allvergessenden Liebe seit- 20
her gewallet... statt anderer Gottheit (v. 24-26). - Die Lilie (v.l9), Sinnbild
der jungfräulichen Mutter, wächst wild auf dem Felde, wie eine Ausnahmeerschei-
nung, nicht in der Hege eines Gartens mit andern Blumen zusammen: man darf
nicht vergessen, daß Hölderlin das christliche Mittelalter nicht als eine erfüllte Zeit
ansah, sondern nur als eine Zeit zwischen den Zeiten, als Nacht zwischen dem grie- 25
chischen und dem erhofften hesperischen Göttertag.
3 1 Johannes] Der Täufer; der Freundin Sohn: Elisabeth, deine Gefreundte
(")} avyyevli oov Luk.l, i6); vom stummen Vater Zacharias (Luk.l, 20) Johan-
nes genannt (Luk. 1,6}).
3 7 Zu theuerst — (Lesarten)] Diese schwäbische Wendung (soviel wie »vor allem, 30
sogar« — vgl.Mörike, Der alte Turmhahn v. 242; Das Stuttgarter Hutzelmännlein },
1 )7, 21 Majmc) konvnt bei Hölderlin noch ein einziges Mal vor: Antigonä v. S09
(489).
3 7 . 3 8 Die Donner und Die stürzenden Wasser des Herrn] Vgl. Jeremia 10,13:
Wenn er donnert, so ist des Wassers die Menge unter dem Himmel; Psalm 35
846
An die Madonna 211—216
29, h Die Stimme des Herrn gehet auf den Wassern; der Gott der Ehren
donnert, der Herr auf großen Wassern; Psalm 18, 14—16: Und der Herr don-
nerte im Himmel, und der Höchste ließ seinen Donner aus mit Hagel und
Blitzen... Da sähe man Wassergüsse.
5 4 2 ein König] Man mag an Kreon in der Antigone des Sophokles denken; dessen
im Zorne geschürften Satzungen stellt Antigone (v. 4S4f.) die ungeschriebnen...
Die festen Sazungenim Himmel (das ist: der Götter) gegenüber (Hölderlins Über-
setzung V. 471 f.). — Daß Hölderlin diese Stelle besonders vertraut war, beweist die
Abhandlung über die Religion, wo er zunächst den Ausdruck ungeschriebene gött-
10 liehe Geseze griechisch mit den Worten des Sophokles geben wollte (vgl.Dichtung
und Volkstum i9, 1938, S.}W). — Insbesondre ist der Vierfürst Herodes gemeint,
der den Täufer enthaupten li^ (Matth. 14, 1—12; Marc. 6, 16-30), wie auch die
Obrigkeiten, deren Sazungen den Tod Christi herbeiführten.
4 5 Die Beiden] Johannes der 7'äufer und Christus.
15 4 8 in heiliger Nacht] In der götterlosen Nacht der Zwischenzeit. Vgl.Lebenslauf
V. S und die Erläuterung z. St.
5 4 - 6 3 Die Madonna ist dem erhofften neuen Göttertag nicht feindlich gesinnt.
Die keimenden Tage (v.!S) entsprechen dem Tag, der Blüthe der Jahre, in der
2.Fassung des Einzigen (v.74f); sie werden größer sein als die vorhergehenden. -
20 Weiter ist v. f8—6} von der Heilsamkeit eines freundlichen Verhältnisses zwischen
den Generationen die Rede, von der älteren zw jüngeren und umgekehrt, das nur dann
gestört wird, wenn Verwegnes geschah (v. 64-70).
6 4 Verwegnes] Vgl. Der Rhein v.lOL
8 3 Zu wählen aus Vielem das beste] Vgl.Lebenslauf v.li und die Erläuterung
25 z. St.
9 0 - 9 3 Wer der Heimat falsch anklebt und der Mutter ewig im Schqße sitzt, wird
beim Erscheinen des neuen Göttertags die Freiheit nicht verstehen, aufzubrechen,
wohin er will (siehe die Schlußstrophe der Ode Lebenslauf, an die v.8} schon erin-
nerte).
30 9 6 —107 Die unter der Obhut der statt anderer Gottheit waltenden Madonna
(v. 24 f.) stehende Wildniß der götterlosen Zwischenzeit (anstatt des blühenden
Gartens—vgl. die Erläuterung zuv.l}—2}, besonders v. 19) ist doc/i göttlichgebaut
(vgl. Der Rhein v. S und die Erläuterung z. St.) im reinen Geseze, ist also nicht
sinnlos, sie ist heilig; denn durch sie scheint der hohe Stral in der götterlosen Zeit
35 milder und sengt nicht (vgl. (Versöhnender der du nimmergeglaubt...\ I.Fassung,
847
211- 216 An die Madonna
V. SS-SS; Die Titanen v. 22; Tinian v. 2): so bleiben die Kinder des Gotts (v. 99 f.)
unter der Einwirkimg göttlicher Kräfte, sie bewahren göttliches Gut, das die Götter
ihnen bei ihrer Wiederhehr nicht mit Gewalt zu nehmen brauchen wie den Knecliten
(v.lOS), den entweihenden Knechten (Der Rhein v. 149), die es verfälschen (vgl.
auch Dichterberuf v. SS—64 la—c, Lesarten). 5
1 0 8 - 1 1 5 Vgl. Erich Hock: Der Knochenberg (Zwei späte Hölderlin-Stellen. Höl-
derlin-Jahrbuch 1947, S. 78-8S).
1 0 9 Knochenberg] Hock macht sehr wahrscheinlich, daß damit der Knochen(berg)
bei Bad Driburg gemeint ist, wo Hölderlin im Sommer 1796 mit Diotima und Heinse
weilte. Teutoburg liegt dort nahe; vgl. den Brief an den Bruder vom 13. Oktober 10
1796. Die Ȇbersetzung<i des Namens Knochen(berg) in Ossa mag, worauf Hock
mit Recht hinweist, veranlaßt sein durch Heinse, der im Ardinghello (4. Alf läge, hg.
von Carl Schüddekopf, Leipzig 1924, S.SS9) den Namen Ossaja in einer Fußnote
als Knochenberg verdeutscht. Hölderlin gibt hier seiner Lust nach, die Zeiten unter-
einanderzubringen (vgl. Bruchstück 4S v.4 f.), indem er den thessalischen Berg 15
Ossa, den die Giganten im Kampf gegen die Götter mit dem Pelion und dem Olymp
aufeinandertürmten (Homer, Odyssee ll,SlSf; Virgil, Georg.1, 281f.), in Bezie-
hung setzt zu dem Knochenberg, der ebenfalls in einer Übergangszeit Schauplatz
wichtiger vaterländischer Entscheidung ward und zugleich auch von fem den Namen
Golgatha (»Schädelstätte«) anklingen läßt. Es tut dabei nichts zur Sache, daß der 20
Name Ossa etymologisch ebensowenig mit lat. os, ossis (Knochen, Gebein) zu tun
hat wie der Name des Berges Knochen, der eher mit altirisch, cnocc, altbreton.
cnoch = Hügel (vgl.mhd. knock = Nacken) zusammenhängt. Die Worte kn den
Gränzen (v.lOS) mag man mit Hock auf die von Tacitus, annal.l, 60, erwähnten
äußersten Grenzen der Bructerer (ad Ultimos Bructerorum) beziehen; es können aber 25
auch die Gränzen der Zeitalter gemeint sein. Ebenso doppeldeutig ist, worauf Hock
zum Schluß hinweist, der Ausdruck voll geistigen Wassers v.ll2: er kann auf die
Heilquellen der Driburger Gegend zielen (die Kohlensäure des Mineralwassers nannte
die alte Chemie den »Brunnengeistx) und läßt ebenso an Christi Gespräch mit Niko-
demus denken (Joh. 3, S; vgl. auch 1. Joh. S, 6—8) wie an Luthers Katechismus, wo 30
beim Sakrament der Taufe von dem Geist Gottes die Rede ist, so mit und bei dem
Wasser ist.
1 0 9 . 1 1 0 Die irrtümliche Interpunktion der Handschrift (vgl. die Lesarten) hat
Parallelen: {Adramelech) v.l6; Die Unsterblichkeit der Seele v.116; Der Tod fürs
Vaterland, Zeile S des Entwurfs (H^); Der Rhein v. S2 (H^); v. 109 (H^); DerTod 35
848
An die Madonna 211—216
des Empedokles, 3. Fassung, in der Szene mit Pausanias: Und was ich mein ' , es ist
von heute, nicht / Da ich geboren wurde, wars beschlossen (so interpungiert die
Handschrift S. 6}'- bei der Wiederholung der beiden Verse, unten auf S. 64^, fehlt
das Komma überhaupt).
5 1 1 9 Und zu sehr lu fürchten die Furcht nicht!] ^m 10. Juni 1796 schreibt
Hölderlin an den Bruder: Ich fürchte mich nicht vor dem, was zu fürchten ist,
ich fürchte mich nur vor der Furcht. - Zitat aus Montaigne. Vgl. Jean Paul,
Des Feldpredigers Schmehle Reise nach Flätz, Akad.-Ausg. Abt.I Bd. 13, S. 22
Z. 16 f . und Schreinerts Erläuterung z. St. (S. S)9).
10 1 2 7 - 1 2 9 Vgl. (Versöhnender der du nimmergeglaubt...), 2.Fassung, V.S4-S7.
142 —155 Das einsame Glük einer persönlichen inneren Befriedigung hätte mich
fast überfallen, so daß ich nicht mehr nach dem allgemeinen Schicksal des Volkes und
seiner lebendigen Götter gefragt und mich an die Schatten gewandt hätte, ohne
Einsicht in die wahren Schranken ihrer Wirkungsmöglichkeit (unverständig / Im
15 Eigentum^. Denn du, Vater aller Himmlischen, hast in der Zwischenzeit der Göt-
terfeme Sterblichen versuchend Göttergestalt verliehen, eben der Madonna, die
statt anderer Gottheit (v. 25) gewaltet hat, und so schien mir das Wort des seheri-
schen Dichters, das die Götter mit dem Stab des Gesanges niederwinkt (Patmos,
I.Fassung, v.182 f.) zeitweilig überflüssig zu sein: es war ja Göttliches auf Erden
20 vorhanden — so meint' ich, und ich wähnte, das Lebenslicht das herzemährende
gerettet, gespart (vgl. Heimkunft v. 80 und die Erläuterung z. St.) zu haben. Schon
längst wuj3tenja die Himmlischen, daß die Dichter in den Zwischenzeiten etwas von
der Kraft der Götter entlehnen und auf die Halbgötter und Sterblichen übertragen,
denen der Vater versuchend Göttergestalt gegeben: sie v.lS4 sind also die Sterb-
25 liehen v.149, welche die Kraft der Götter hinweggenommen. — Die Richtigkeit
dieser Atslegung wird durch die Lesarten bestätigt: Vor Alters deuteten Himm-
lische / Den Dichter, von selbst (sie verstanden und verziehen sein Tun), wie er
hatte (so wäre geändert worden entsprechend der Umwandlung des Plurals in den
Singular v.lS4,werm nicht vorher die ganze Stelle umgestaltet worden wäre) die
30 Kraft / Der Götter hinweggenommen. Die Umgestaltung, die notwendig wird
zur Vermeidung einer zu nahen Berührung mit v. 9—12, tilgt dann den Dichter als
eigentliches Subjekt der Handlung und setzt, allerdings nicht ganz klar, das auf die
Sterblichen v.l49 zu beziehende Pronomen sie an die Stelle. Übrigens berührt sich
der Gedanke mit v. 96—107 (vgl. die Erläuterung z. St.). — sich V.1S4 ist Dativ.
849
217-219 Die Titanen
DIE TITANEN
Überlieferung
H: Homhurg F28-}2 (s. die Beschreibung S. )80).
Erster Druck: Hellingrath 4, 208-211.
Lesarten 5
Die Überschrift wird zunächst oben auf die noch leere Seite 28 der Handschrift ge-
setzt. Als dann der Schluß des Gesangs Patmos (die letzten 10 Verse H^) noch auf
diese Seite übergreift, muß sie darunter wiederholt werden.
1 Nicht bis 5 gieb] später, in steilerer Schrift und mit dunklerer Tinte, in eine
unter der Überschrift frei gelassene Lücke eingefügt; das Folgende im Duktus der 10
vorangehenden Patmos-Handschrift, wohl in unmittelbarem zeitlichen Anschluß
daran nach einem Vorentwurf vorläufig ins Reine geschrieben H
2 Noch nac/i g'ertr. Hat i J 2 Noch ir'j 3 nicht.] später aZj die ieiiien nöc/isten
Zeilen eingefügt H
14 duftenden lifter (icr Zei7e H 15 sind.] sind H 1 6 : Mit diesem Vers be- 15
ginnt eine neue Seite (29) H 17 überblieben aus überli H 17.18 von ganz
später Hand, die auch die Verse 23—28 als mißfallend unterstrichelt, nach über-
blieben einsetzend: und manches / (1) über und neben v.l8: In des Raumes Gren-
zen Gestalten der Zeit (2) unter v.l8: In des Raumes Grenzen in Gestal-
ten der Zeit. H 22 Wildniß.] Wildniß H 32 Der Jungfrau aus Des 20
{Mädchens (?)) H 46 Denn keiner trägt] (1) Keiner erträgt (2) Denn
Keiner trägt H 47 : (1) Denn, wann (a) entzündet ist (b) ist angezündet
(2) Wenn aber ist entzündet H 4 9 an Ws 52 gVexat,] gleichzeitig (im Ge-
gensatz zu der späten Variante zu v. 17.18!) über den vorher als mißfallend unter-
strichelten Zeilen: rein das Licht imd trunken / Die Himmlischen sind / Vom 25
Wahren, daß ein jedes / Ist, wie es ist, H 59 einander,] Komma nach ur-
sprüngl. Punkt H 60. 61 und es sind nicht umsonst / Die Augen] (1) und
nicht umsonst sind / Die Augen (2) und es {sind) nicht umsonst / Die Augen
(3) gestr. Nicht vor Die (beabsichtigt also: und es sind umsonst / Nicht die Augen)
H 62 ; als mißfallend unterstrichelt (gleichzeitig) H 64 Maaße über nicht 30
gestr. Tage H 66 dasKeinesich] als mißfallendunterstrichelt (gleichzeitig) H
kenne.] kenne H 72 gewaltig aus gewäll H 78 aber t)or estr.: an den
850
Die Titanen 217-219
Schei<tc/> H 7 9 : Danach bleibt das untere Drittel der Seite (H) leer, v. 80 steht
oben auf der nächsten Seite — offenbar üierspringt der Entwurf hier eine ganze
Strophe, und die Worte und es gehet sollten dann nicht zu Beginn dieser Strophe
stehen, sondern rnitteninne; sie halten an ihrer vorläufigen Stelle nur den Fortgang
5 des Gedankens fest H lm]lhm (Schreibfehler) H
Erläuterungen
Vgl. Arthur Häny: Hölderlins Titanenmjrthos. Zürcher Beiträge zur deutschen
Literatur- und Geistesgeschichte, hg. von Emil Staiger, Nr. 2, Zürich il94S).
Die strophische Gliederung ist noch nicht genau ersichtlich. Das Gesetz des steigen-
10 den Verses (siehe S. 681 Z. 4-1 f ) wird noch beachtet.
1—7 Vgl. Friedrich Beißner: Hölderlins Übersetzungen aus dem Griechischen,
Stuttgart 19}}, S.149f. — Noch v.2 bedeutet nach der vorangehenden Negation
»und nicht«; vgl. Dichterberuf v. S7. — Die Zeit der Götter ist noch nicht da. Auch
die Titanen sind nicht unangebunden. Die Kämpfe des Übergangs haben also noch
15 nicht begonnen. Es ist noch die untheilnehmende Zeit der Pause, der Nacht, wo das
Göttliche nicht unmittelbar wirkt, nicht trift. In diesem Fall, in dieser Situation
CDann) mögen sie rechnen / Mit Delphi; das schlaue Geschlecht, das danklos alle
gütigen Himmelskräfte verscherzt und verbraucht (Dichterberuf v. 46-48), mag kalt
rechnend über Heiliges denken und reden wie der Priester im Tod des Empedokles
20 (1. Fassung), der Heiliges wie ein Gewerbe treibt — der Dichter will indessen, bis
der neue Morgen erscheint und andern Gesang fordert und ermöglicht, in Feierstunden
der Toten gedenken, der Vergangenheit.
6 . 7 Vgl. Andenken V. 28 f .
14 Die duftenden Inseln] Vgl. Der Mensch v. 2-S: und dufteten... / Die ersten
25 holden Inseln.
2 2 heilige Wildniß] Vgl. (An die Madonna) v. 96-107 und die Erläuterung z. St.
3 1 . 3 2 .. von Perlen / Der Jungfrau Hals] Vgl. (Auf falbem Laube...) v. 2-4.
3 3 — 3 9 Vgl.Der Einzige, 2.Fassung, v.76: Kriegsgetön, und Geschichte der
Helden.
30 4 0 . 4 1 Mich aber umsummet / Die Bicn] Vgl.Friedrich Leopold Graf zu Stol-
berg, An den Mai v. 9: Hier, wo die Biene mich umsummet..; Schiller, Elegie
(179S) V. IS: Um mich summen geschäftige Bienen.
4 1 der Akersmann] Vgl. Der Einzige, }.Fassung, v. 9f.
4 3 die Vögel] Sie erscheinen als Boten des Morgens, des Lichtes auch in der Ode
851
217-221 Die Titanen. Einst hab ich die Muse gefragt...
Chiron v. 8 und in Menons Klagen um Diotima v. 64 — siehe dort die Erläuterun-
gen. — Die Vögel, die den neuen Tag verkünden, helfen den Himmlischen wiederzu-
kehren und so die lange Nacht der Götterfeme zu beenden. Vgl. v. 81 f .
4 3 - 4 6 Vgl. die Erläuterung zu Dichterberuf v. S7.
4 6 Denn keiner trägt das Leben allein] Vgl.Brod und Wein v. 66: es ertrug 5
keiner das Leben allein.
5 5 - 6 1 In erfüllter Zeit ist alles Leben, auch Gewerbe und Handel, voll gött-
lichen Sinns (Der Archipelagus v. 267) — siehe das Gegeniild im Archipelagus
V. 241-246.
5 9 sinnig] Vgl. Thronen v.l3 und die Erläuterung z. St. 10
6 0 . 6 1 Vgl. Andenken v. 58 f . und die Erläuterung z. St.
61—11 Hier ist nun ausführlicher als zu Beginn vom Titanenkampf die Rede, der
dann losbrechen wird, wenn die Hirrunlischen wieder herabkommen. Vgl. Walther
Rehm: Tiefe imd Abgrund in Hölderlins Dichtung. Hölderlin. Gedenkschrift zu
seinem 100. Todestag, Tübingen 1943, S. 70-133, besonders S. IIS. 15
7 3 Im ungebundenen Abgrund] Vgl.Der Einzige, 2.Fassung, v.72 und die Er-
läuterung z. St.
8 3 Im Zorne] Vgl. Germanien v. 91; Der Einzige, 2. Fassung, v. 62.
( E I N S T HAB ICH DIE MUSE G E F R A G T . . . )
Dieser Entwurf hängt möglicherweise mit dem folgenden ((Wenn aber die Himm- 20
lischen...}) zusammen; siehe die Bemerkung S. 8SS Z. 19—24.
Überlieferung
H: Homburg F 4S. 46 (s. die Beschreibung S. 380).
Erster Druck: Hellingrath 4, 249 u. 248.
Lesarten 25
Überschrift: fehlt H
1 - 8 : 1 : 1 : (1) Oft
(2) Einst hab ich die (a) Fra<ge ( ? ) )
(b) Muse gefragt, und sie 30
852
Einst hab ich die Muse gefragt... 220-221
2 : Antwortete mir
3 : Am Ende wirst du es finden.
(2 Zeilen Zwischenraum)
3 a : Keinem gehört es daß
5 3 b : Er sagen,
II : 6 : üJc V. 3a:
Verbotene Frucht, wie der Lorbeer, (1) ist
(2) ülerderZeile,gestr.:nem\ich.
(3) aber ist
10 caber steht nach [nemlich ] in derselben Zeile, ist also dafür einzuset-
zen; wäre es nach ist einzureihen, so stünde es eine Zeile tiefer, wo nach
ist, dem letzten Wort des Verses, noch sehr viel Raum gewesen wäre)
7 : (1) Das Vaterland.
(2) Am meisten Das Vaterland, (a) Sie
15 Ci; Die aber kost'
8 : Ein jeder zulezt,
I I I : in dem schmalen Raum zwischen t>. } und 6, dicht untereinander:
4 : Kein Sterbliche^r) kann es (1) b(e^rei/en ( ? ) )
(2) verst<eAen>
20 (3) fassen.
5 : Vom Höchsten will ich schweigen. H
9 —18 : in der rechten Spalte der Seite, neben v. 8 einsetzend und bis v. 22 hinunter-
gehend, später als v. 21—2 f H
1 0 . 1 1 : Und Ende. Das lezte
25 Das lezte aber ist H
1 4 das ausa.(?) H 1 6 . 1 7 Falken, dem / Befolgt'] (1) Falken, / Dem folgt'
(2) Text H
1 9 : Darüber (bis V.8) Zwischenraum für 2-} Zeilen H 20 : Darunter Zwischen-
raumfür 2 Zeilen; dann: [Ge fäße ] Ein heimlicher Ort, H Die nicht gestriche-
50 nen Worte (Ein heimlicheTOrtJwerdenschli^lichdurchdief^erse21—2füberum-
chert (2 Verse darüber, 3 darunter) und dadurch wohl ungültig H 2 1 Rauch-
dampf aus Fe(uer) H 2 3 ungemischet danmter aus: ungemischt dabei 1/
2 4 . 2 5 : (1) Von guter Brust, die St imme quillet des Fürsten.
(2) Aus guter Brust, das Labsaal
35 Der Schlacht, die St imme quillet des Fürsten. H
8 5 3
220-221 Einst hab ich die Muse gefragt.,.
Nach V. 2S bleibt fast eine ganze Seite der Handschrift frei; v. 26—3 S stehen in der
unteren Hälfte der Seite 46. Den Zusammenhang macht das unter v. 20 gestrichene
Keimwort Gefäße wahrscheinlich.
2 8 - 3 1 : I : wenn es aber
zum Urteil (1) körnt, 5
(2) komt,
Und (a) die Lippe
hat es berührt
(h) keusch hat es die Lippe
Von einem Halbgott berührt, 10
I I : verdeutlichend rechts daneben: Text H
32 Liebste nach gestr. Heiige H
Erläuterungen
6 — 8 Die Vita Hesiodi berichtet zu Beginn (in Anlehnung an v. 22—3 f der Theo-
gonie): awißj} TÖv 'Haloöov... ngoßara iv rü 'Ekx&vi noifiatveiv. ipaai ö'wg 15
iwea rivig iMoHaai ywalxeg xai ÖQEyidfievai xA&vas ix ödqn>r]g 'Ehxcovkiöog
avTÖv eneahiaav, xal ovtw aoipiag xai noirfny.ijg sfme<p6QTp:o (Es geschah, daß
Hesiod am Helikon Vieh weidete. Da sollen neun Frauen {die Musen) zu ihm getreten
sein, die von einem Helikonischen Lorbeerbaum Zweige abbrachen und ihn damit
speisten, und so war er mit Weisheit und Dichtung kräftig genährt). Auf diese Stelle 20
bezieht sich Hölderlin in seinem Magisterspecimen über die Geschichte der schönen
Künste unter den Griechen:. . die Sage, daß ihm, als er die Heerde seines Vaters
weidete, die Musen den Lorbeer zu kosten gegeben, wird uns sehr natürlich.
Dies Motiv von dem gekosteten Lorbeer taucht deutlich in dem späten hymnischen
Entwurf wieder auf. — Zu der für das Verständnis Hölderlins entscheidend wich- 25
tigen Auffassung, das Vaterland dürfe erst zulezt den Dichter angehn, vgl. Fried-
rich Beißner: Hölderlins Übersetzungen aus dem Griechischen, Stuttgart 19 3 3,
S. 147—184: Griechenland und Hesperien.
6 Verbotene Frucht] Vgl. Der Tod des Empedokles, ). Fassung, Szene mit Manes,
am Schluß der langen Rhesis des Empedokles: Dir ists verbotne Frucht! 30
12 Das Himmelszeichen] Vgl.Der Einzige, 2.Fassung, v.63 und die Erläute-
rung z. St. Auch hier ist die Rede von dem unmittelbaren Zeichen im höchsten Augen-
blick der Gottesbegegnung und nicht von dem still gewordnen wie in Patmos, 1. Fas-
sung, V. 20) (vgl. auch dort die Erläuterung).
854
Einst hab ich die Muse gefragt... Wenn aber die HimmUschen... 220- 22S
1 4 Herkules] Der Halbgott, der als Reiniger ein rein Schiksaal eröffnet, der wie
Fürsten ist (vgl. die Erläuterung zu v. 94—96 der Fassung des Einzigen), erfährt
das reißende Himmelszeichen der Epiphanie am unmittelbarsten und am stärksten; er
fürchtet es darum auch. Der in dem lückenhaften Entwurf v. 20 und 25 erwähnte
5 Fürst scheint ebenfalls au/Herkules hinzudeuten; die Schlacht (v. 2S) wäre darm
als der Kampf mit den widergöttlichen Mächten des Abgrunds zu erklären.
15 wir träge] In den Anmerkungen zur Antigonä heißt es, die Haupttendenz der
Griechen sei es, sich fassen lu können, weil darin ihre Schwäche lag, da hin-
gegen die Haupttendenz in den Vorstellungsarten unserer Zeit ist, etwas treffen
10 zu können, Geschik zu haben, da das Schiksaallose, das dvo/iogov, unsere
Schwächeist. - Vgl. Der Einzige, 2.Fassang, v.f 7f.—Der Brief an Böhlendorf vom
4. Dezember 1801 macht unser genau gegensätzliches Verhältnis zu den Griechen
deutlich. — Die Mittelbarkeit unsrer Gottesbegegnung, die hier treffend unter dem
Bilde der Falkenbeize dargestellt ist, wird des öfieren betont; vgl. Der Einzige, i.Fas-
15 sung, V. 80—84; Patmos, I.Fassung, v. 20^—211 imd die Erläuterung z. St.; viel-
leicht auch Tinian v. 23-28.
2 1 Feuer und Rauchdampf] Vgl. Lebensalter v. 8 und die Erläuterung x. St.
( W E N N ABER D I E H I M M L I S C H E N . . . )
Der überschriftlose Entwurf beginnt etwa 11 cm unter dem oberen Rand der Seite.
20 Vielleicht setzt er, nach einer Lücke, den vorangehenden Entwurf (Einst hab ich die
Muse gefragt.. .)fort. Der Duktus der Handschrift ist derselbe. Auch wäre hinzuwei-
sen auf die motivische Berührung der Verse 18.19: Jezt aber blülit / Am armen
Ort mit dem durch die Verse 21—2S des vorigen Entwurfs überwucherten Keimwort:
Ein heimlicher Ort, (vgl. dort die Lesarten).
25 Überlieferung
H: Homburg F 47-Sl (s. die Beschreibung S. 380).
Erster Druck: Hellingrath 4, 21S-218.
Lesarten
Überschrift: fehlt H 5 ihre tjor g-ertr. ihr H trai nach gestr. sie (: aus i) H
30 6 den aus denn 1/ 1 gerade unterstr. H Tochter vor gestr. Gottes H 8
855
222-22S Wenn aber die Himmlischen...
bebender unterstr. H 10 der Aufruhr. ] das Feuer, dariiier die A^ummer 2 ("u^i.
V.12) H 12 das Feuer.] der Aufruhr, darüber die Nummer 1 (vgl. v. 10) H
13 Freude aus s i J 15 Des H i m m e l s ] Des H i m m e l ( j ) aus: Der Freude H
16 Damals im Zorne ] (1) I m Zorne (2) Damals vorgefügt H 2 2 hänget ]
darüber:l H 2 3 kühlen aus kühlet H 2 3 : Mit diesem Vers beginnt eine neue 5
Seite (48) H 2 5 Grotten] (1) Berge (2)Felse<n) (3) Grotten H 2 6 : Über
diesem Vers S Zeilen Abstand H 2 9 andere] vielleicht auch als anderer zu
deuten H
3 0 — 5 6 : Später (mit sperriger Feder) eingefügt, v. 30—48 (ersterFassung) auf der
frei gelassenen unteren Hälfte der Seite 48, v. 4S (zweiter Fassung) bis S6 oben auf 10
Seite 49 rechts neben den schon dastehenden Versen Sl—66. H
3 1 üppig oui üppiges H 3 7 schlägt aus schlaget H An der Stelle die-
ses Verses stand zuerst, weit eingerückt, das Keimwort: die unbehglfene W i l d n i ß . ;
es wird gestrichen und in der übernächsten Zeile wiederholt. H 3 9 die Pfade
nach gestr. fast H 4 0 dampfend] (1) glänzend (2) rauchend (3) damp- 15
fend H 4 3 windet aus winden H 4 4 Irre,] Irre. H
4 5 — 4 8 : Diese 4 Verse werden zuerst am unteren Rande der Seite 48 entworfen,
dann oben auf S. 49 deutlicher wiederholt. H 4 5 (erster Fassung) danach gestr.
mitH 4 8 (erster Fassung) : Und suchet dem Thier [,] gleich das H
50 einer nach gestr. gr{eiffen) H treffen über gestr. gre{iffen} H 5 3 Das unter 20
gestr. Bedürfen H ihren aus ihnen H Weg vor gestr. anzeige H
5 9 Alpen vor gestr. wohnen H 6 0 den Adler aus: der Adler Flug H 6 1
Sich aus s H sie über der Zeile H 6 2 eigenem nach gestr. z{pmigerri) H
6 4 Vogels, aus Vogel, H um unterstr. H 6 6 Und nach gestr. Die H
66 . 6 7 Abgrund / Ihm zu,] (1) Abgrund zu / Sie, (2) Abgrund zu / Dem 25
Vater Sie, (5) Text H 6 9 . 7 0 denen möchten / Es neiden, aus: denen / Es
neiden möchten, H 71 Schatten] Schatten (Schreibfehler) nach gestr. göt-
terlose H Hölle nach gestr. Scho U
72 Sie tmter gestr.: Der Hölle, ( : als Strophenbeginn gegen v.71 abgesetzt!) H
7 3 rein aus reines H Schiksaal vor gestr. gründend, H 7 4 von vor 30
gestr. der H
7 7 : Der bleibet i m m e r (1) mi ( t dem Herrscher)
(2) dienend, jezt noch,
(3) lauter, über unterstricheltem dienend, H
7 8 othembringend üier gestr.: die Dioskuren H 8 0 {von) himmlischer 35
8 5 6
Wenn aber die Himmlischen... 222-22S
Burg üier; vom Gipfel H 82 hin nuc^ g'eitr.; die Töchter des Himmels H
84 Pythagoras] Pythagorays (Schreibfehler) H Hier ist die Seite 49 der Hand-
schrift zu Ende. 85 : Über diesem Vers bleibt am oberen Rand (S. SO) Raum für
etwa 4 Zeilen, darunter bis v. 86 für etwa 10 Zeilen. H 93 : Darunter, bis zum
i unteren Rand der Seite fO, Raum für 4—6 Zeilen. H 94 - 96 : Oben auf der sonst
leeren Seite 51. H 95 sinnende aus Sinnende H
Erläuterungen
2 Gebaut] Vgl. Der Wanderer, 2. Fassung, v. 4; Der Rhein v.170.
5 Stirnen] Vgl. Der Wanderer, 2. Fassung, v. 7 und die Erläuterung z. St.
10 7 die gerade Tochter] Himmel und Erde werden von jeher als die Eltern aller Ge-
schöpfe angesehn; vgl. Hymne an die Liebe v. 29—32 und die Erläuterung z. St.; Der
Mensch v. 9—24: Mutter Erde und Vater Helios als Eltern des Menschen; femer
Der Rhein v. 25-27: dort sind die Mutter Erd' und der Donnerer die Eltern des
jungen Rheins, des rasenden Halbgotts. Merkwürdig, daß die Erde, nach Hesiod
15 (Theog. V.126 f . und 135) die Mutter und dann die Gattin des Uranos, hier als
Tochter des Donnerers erscheint. Eine ähnliche Umkehrung findet in der Auffassung
des Zeus statt, der in der Ode Natur und Kunst oder Saturn und Jupiter v. 26 f . noch
ein Sohn / Der Zeit (des Kronos oder Chronos) gemäß der antiken Mythologie ge-
nanntwird,in der Antigonä aberv. 987 (949) Vater der Zeit (für Zrjvög): so sagt
20 der Übersetzer, wie es in den Anmerkungen ausdrücklich heißt, im Ernste und um
es unserer Vorstellungsart mehr zu nähemCu^i.iVatur und Kunst v. 9 undDerEin-
zige, 2. Fassung, v. 52 und die Erläuterungen z. St.). Für die Griechen war das
Dunkle, Rauschhafte die Mutter des Hellen, Nüchternen: Bei uns ists umgekehrt
(Brief an Böhlendorf vom 4.Dezember 1801). So muß für die hesperische Vorstel-
lt lungsart der Hinmiel zum Vater der dunkeln Erde werden. Das Beiwort gerade, das
auch dem Herakles beigelegt wird (Chiron v.l8: der gerade Mann^, ist hier wohl
noch nicht endgültig und deshalb unterstrichen. Uniärtlich ist die zeugende Um-
armung in ihrer Heftigkeit. Daß dabei an vulkanische Kräfte gedacht ist, läßt die
grcße Rhesis des Empedokles in der S.Fassung des Trauerspiels (0 Ende meiner
30 Zeit!...^ vermuten:.. wenn izt, zu einsam sich / Das Herz der Erde klagt, und
eingedenk / Der alten Einigkeit die dunkle Mutter / Zum Aether aus die Feuer-
arme breitet, / Und izt der Herrscher kömt in seinem Stral... (die Erde ist hier
noch, gemäß der herkömmlichen Auffassung, die dunkle Mutter des Himmels, noch
nicht die gerade Tochter^.
857
222-22S Wenn aber die Himmlischen...
2 7 schnell, wie Rosen,] Zu ergänzen: vergehet..., in demselben Sinn wie Mein
Eigentum v. 17 f.: doch wie Rosen, vergänglich war / Das fromme Leben.
4 1 die unbeholfene Wildniß] Subjekt zu den Verben schlägt / Empor, schonet,
bedeket; ein dampfend Gewölk ist vorangestellte Apposition. Die Wildniß er-
scheint hier nicht als göttlichgebaut und heilig (vg-/. {An die Madonna) v. 96—107 5
und die Erläuterung z.St.), sondern in ihrer bösen Art, im Übermaß, imbeholfen,
als imieitiges Wachstum (v. 96), weil die Menschen der götterlosen Zeit den Scherz
des Schöpferischen nicht verstanden (v.ii—iS) — sie scheint nur göttlich (v. 42);
unbeholfen ist sie wie die Seuchen in der Antigonä v. ^79 (}63), wo es im grie-
chischenText heißt: voacov ö' d/Ut]xdvcüV gwydg, undwoinder ÜbersetzungeinDruck- 10
fehler zu bessern ist: Und die Flucht imbeholfener Seuchen (der erste Druck bietet:
unbehaltener^; vgl. Pindar, Py^h. 2, und 9S. — Das Adjektiv unbeholfen begeg-
net in dem nämlichen Gebrauch (»schädlich, hinderlich, nicht helfend, dem nicht
abzuhelfen ist«) auch bei Heine: Die Romantische Schule I (S, 22S Elster): unbe-
holfene Gewänder. 15
4 8 dem Thier gleich] Fgl.Am Quell der Donau V. S2, Der Einzige, ).Fassung,
V. 57—60 und die Erläuterungen z. St.
5 0 treffen] Die hesperische Schwäche, etwas treffen zu können, Geschik zu
haben; vgl. Der Einzige, 2.Fassung, v.S7 f., (Einst hob ich die Muse gefragt. ..)
V. 1! und die Erläuterungen z. St. 20
5 1 - 5 6 Die Himmlischen bedürfen der sterblichen Männer nicht nur, um ihren
W e g zu erkennen, sondern auch, um überhaupt zu fühlen, sich selbst zu fühlen; vgl.
Der Rhein v. 109—114 und die Erläuterung z.St. —Eines Bades bedürfen die Himm-
lischen in den Übergängen der Gezeiten zur Erneuerung — siehe Am Quell der Dorum
v. 90f. 25
5 7 andre] Das sind die Prophetischen v. 69.
5 9 — 6 9 In diesem steil drängenden Satz ist das Subjekt, Die Prophetischen, mit
Fleiß weit hinausgezögert. Die Prophetischen entsprechen dem Seher.- (An die
Madonna") v. 6. Sie wohnen über den Alpen, über dem Fluge des Adlers, der den
Dichtem Zeichen vom Vater gibt, sind über den Stirnen der Männer, die in dem 30
Gesang (An die Madonna) v. 8 die Dienenden heißen. — »Die Prophetischen wohnen
über den Alpen, über dem van ihnen gelenkten Fluge des Adlers, an den sich die Dich-
ter halten müssen (weil sie sonst gezwungen wären, mit eigenem Simu zornig zu
deuten, statt schuldlos demütig auf die Zeichen des Gottes zu merken), die Prophetischen
wohnen dort um den Thron des Gottes der Freude, während auf Erden die Zeit der 35
858
Wenn aber die Himmlischen... 222-22S
Götterfeme dauert, und decken dem höchsten Gott den Abgrund zu, worin die Titanen
sich auf die reißende Zeit des Übergangs zu einem neuen Göttertag vorbereiten; dann
sind die Prophetischen wie gelbes Feuer über den Stirnen der Männer und weisen ihnen
den Weg.« — Die Bildlichkeit des letzten Vergleichs ist wohl durch Heinses Ardin-
5 ghello angeregt, und zwar durch die Schilderung eines Sonnenaufgangs in den Alpen
(4. Auflage, Leipzig 1924, S. S4): Die Sonne kam herauf im herrlichen Licht-
kreis am Ende der Bergstrecke des Monte Baldo, und schritt kühn übers Ge-
birg bey Verona im gelben Feuer; die Stirn, womit sie sich empor warf, war
Majestät, die der Blick nicht aushielt. — Von der reißenden Zeit ist in den letzten
10 Versen des Archipelagus (v. 293) die Rede; auch im 2. Kapitel der Anmerkungen zum
Oedipus; in denen zur Antigonä, am Anfang des 2. Kapitels, vom reißenden Zeitgeist.
71 Schatten der Hölle] Die furchtsamen Seelen der Abgeschiednen sind den
Prophetischen neidisch gesannen, durch deren einen, den Reiniger Herkules (v.76 —
vgl. Sophokles, Trach. v.l012undl 061), sie von der Grenze des irdisch-menschlichen
15 Lebens zurückgetrieben worden sind. So hat Herkules zu Beginn des griechischen
Göttertags die unbeholfene Wildniß (v.41), die Irre, die augenlose (v. 44 f.),
die Welt der Toten reinlich geschieden von der Erde heiligen Tischen, an denen
die Götter als Gaste der Menschen weilten (vgl.Menons Klagen um Diotima v.71 und
die Erläuterung z.St.). - Apollodor (2, S, 12) erzählt: wie Herkules, seine zwölfte
20 Arbeit zu vollbringen (nämlich den Cerberus aus der Unterwelt heraufzuholen), bei
dem Vorgebirge Tainaron in Lakonien (dem Kap Matapan) den Eingang zur Hölle
durchschritten, seien die Seelen dort bei seinem Anblick entflohn (önrjvlxa 6i elöov
aÖTÖv ai tpvxa(, • • • Sqwyov). - Von der Furcht der Toten vor Herkules berich tet auch
Odjrsseus, der im Hades die Gestalt, das slScaXov des Herkules gesehn (während er
25 selbst ja von den ewigen Göttern in den Olymp erhöht ist): d/xqtl di (itv xXayyrj
vsxvcov f}v olcovwv ndvroa' äxv^ofihwv (Odyssee 11, 60 f f ) .
7 9 Die Dioskuren] Vgl. die Erläuterung zu v. 47 f . der Hymne an die Freund-
schaft (1, 46S f.). - Herkules bleibt immer bei dem Herrscher, dem obersten Gott,
er bleibt lauter, vermengt sich nicht mehr mit den Schatten der Hölle. Nur die
30 Dioskuren erhalten die Verbindung aufrecht, sie steigen othembringend hinunter
von himmlischer Burg (der Burg der Himmlischen; vgl. Der Rhein v.6) in die
Unterwelt; die unxugimglichen Treppen sind die Treppen des Alpengebirgs
(vgl. Der Rhein v. 4 und die Erläuterung z. St.),dieferrthinziehenden'BeTge (v.81).
8 2 die Töchter des Himmels (Lesarten)] Das sind die dann dafür eingesetzten
35 Zeiten; vgl. Elegie v. 39 (Lesarten: 11 3aß): des Aethers Töchter, die Zeiten.
859
222—227 Wenn aber die Himmlischen... Sonst nemlich, Vater Zevs...
8 4 Pythagoras ] Der Name des etwa SSO v. Chr. auf Samos geborenen Philosophen,
der in der witeritalischen Stadt Kroton den Pythagoreischen Bund zur Läuterung des
religiösen und sittlichen Lebens gründete, steht hier wohl nur als Keimwort des Ent-
wurfs: die Ausführung hätte davon gesprochen, wie die neue Gemeinschaft zwischen
Menschen und Göttern auch das gesellschaftliche Lehen der Menschen untereinander 5
formt und ordnet (vgl.Brod und Wein v. 9S—9&J. — Möglich wäre indessen auch eine
unmittelbare Beziehung noch auf Herkules (wie sie ja auch v. 8f vorliegt) insofern,
als Pythagoras hier die littera Pythagorae, das Y, meinen könnte, das Sinnbild
für den Scheideweg der Tugend und des Lasters, der den Herkules vor die Entschei-
dung stellte (der Vergleich des Scheidewegs mit dem Y stammt von Pythagoras: siehe 10
Ausonius, Idyll. XII de litteris monosyll. v. 9: Pythagorae bivium ramis pateo
ambiguis Y;vgl.Persius 3, S6;Lactanz 6, 3,6) —der prävalierende Gedanke an dasY
hätte dann vielleicht den Schreibfehler Pythagorays (vgl. die Lesarten) bewirkt.
8 5 Philoktetes] Als Herkules am Ende seines Erdenlebens auf dem Oeta in Flam-
men zu den Göttern auffuhr, hatte sein Sohn Hyllos den Holzstoß nicht anzünden 15
mögen: Philoktet, der Sohn des Poias, erwies dem Heros diesen Dienst und empfing
dafür den nie fehlenden Bogen des Herkules. Vgl. auch Der Adler v. 8 und die Er-
läuterung z.St. CLemnos^. Philoktet hat also dem Reiniger zu seiner Läuterung
und Flammenverklärung verholfen; deshalb lebt er im Gcdächtniß.
(SONST NEMLICH, VATER ZEVS ...> 20
Überlieferung
H: Homburg F 36. 37 (s. die Beschreibung S. 380).
Erster Druck: Hellingrath 4, 247 f .
Lesarten
Überschrift: fehlt H 7 und zornig Hs 10 'ii.err.'\ später eingefügt H 8 voll 25
vor gestr.: sein Angesicht H 10 Indeß] so sollte ursprünglich der Vers begin-
nen; Der Herr, ist am Rande vorgefügt H seufzt] seuzt i / vrenn vor gestr.:
sie kommt H (vor der Einfügung v. 7—10 au/Diana v. 6 bezogen; v.ll gleich-
zeitig mit der Einfügung) 12 möglich vor gestr. zvi (ohne \i-Bogen) H 13
schonen] danach ein getilgtes Komma II 14 Doch allzuscheu nicht,] (iarüier 30
ein Zwischenraum für etwa 6 Zeilen, darunter für 2 Zeilen; in diesem Raum mit fast
860
Sonst nemlich, Vater Zeve raeinest du Es solle gehen... 226 - 228
tintmleerer Feder die 1. Fassung des Bruchstücks S1 H 14 —22 : mit breiterer
Feder H 15 lieber rwch gestr. lieb H 16 der über der Zeile H 17 Le-
ben.] Danach, nicht gestr.: Denn H (mit v. 18 beginnt S. )7 der Handschrift)
2 0 ergreiffei über der Zeile H Schiksaal] Schiksaal, H 2 1 Den aus Denn
5 H 22 ergreifft fluj ergreiffet ergreifft den] ergreifft, den iif 2 3 - 2 6 :
wieder mit spitzerer Feder, doch wahrscheinlich andrer als v. 1—1} H
2 3 - 2 5 : (1) Denn alles fassen muß
Der Mensch, dem Leiden nach, indem
Er höret oder
10 (2) Denn alles fassen muß
Ein Halbgott oder
ein Mensch, dem Leiden nach,
Indem er höret, (a) fernhin, (b) allein, oder selbe(r) H
Erläuterungen
15 Der Entwurf hat zum Gegenstand die Titanenkämpfe bei der Wiederkehr der Götter.
6 Diana] Diese Göttin nahm an den Kämpfen gegen die Titanen hervorragenden
Anteil; vgl.Hygin, fabulae ISO.
16 Erinnys ] Rachegöttin, Furie. — Der Dichter erßeht zwar v. 12 f . Schonung für
sein Vaterland und für sich selbst, doch nicht um den Preis eines völligen Verzichtes
20 auf die Einkehr der Götter: alliuscheu will er nicht sein, wenn es Entscheidung gilt;
lieber will er Schuld auf sich laden, Schuld des Handelnden, an dem die Welt Ärger-
nis nimmt (Matth. 18, 7), so daß dann sein weiteres persönliches Leben unschiklich
sei und mit der Erinnys fortgehe.
^. .MEINEST DU ES SOLLE G E H E N . . . )
25 Überlieferung
H: Hornburg F 84 (s. die Beschreibung S. i80).
Erster Druck: Hellingrath 4, 264 und 408.
Lesarten
1 : (1) am Zeilenanfang einsetzend: M (2) am Zeilenschluß: meinest du H
30 1. 2 zwischen den beiden Versen am rechten Rande der Vermerk: zum Dämon H
861
228-2W .. meinest du Es solle gehen... Der Adler
2 gehen, vor wie damals, H 5 ihnen vor eitr. versäumet, i i / 1 1 wäre
aus was H 14 Meister 2>u 19 genüict,] später mitbreiter, sperriger Feder H
15 mit ous Di H 1 7 hindert noc i g-estr. .• (1) denn (2) so H
Erläuterungen
1 meinest du] Der Dichter spricht, wie der beigefügte Vermerk lehrt, zum Dämon. 5
4 Kunst] In dem prägnanten Sinn aufzufassen wie in der Ode Natur und Kunst
oder Saturn und Jupiter, Natur bezeichnet also die Herkunft, das Reich des Saturn,
Kunst die höchstentwickelte Bildung eines Volkes, das Reich des Jupiter.
5 Das Vaterländische] Das ist das Nationelle, das Angeborene, wovon der Brief
an Böhlendorf vom 4.Dezember ISOl spricht. Griechenland mußte zugrunde gehn, 10
weil die griechische Kunst sich zu einseitig auf ihr Extrem hin entwickelt und da-
bei das Orientalische, ihre nationelle Grundlage,veTliiugnethat(Bricf anWilmans
vom 28. September ISO}).
8. 9 andere Bewandtniß] Insofern, als dem Vaterländischen, dem Nationellen
der Griechen die hesperische Kunst entspricht und umgekehrt — wie es der Brief an 15
Böhlendorf vom 4. Dezember 1801 auseinandersetzt.
14 Ein ehrlich Meister] Vgl. DemFürstenv. Sl;{.. der Vatikan. ..)v.ll: Mein ehr-
lich Meister Cdas istvermutlich Heinse). - Undekliniertes maskulines Adjektiv in attri-
butiverVerwendung vor dem Substantiv—vgl.l,610Zeilel6: Geschafftighärm;femer
A. Gryphius, Pqpinian 2,186: ein verläumdend Mund; Cardenio und Gelinde 20
2,116: mein liebend Eifer; Carolus Stuardus 5; Wclch scheußlich Anblick!
15 —19 Mit Diamanten hat Hölderlin einer Lauffener Ortsüberlieferung zufolge
Inschrißen in die Fenster seines Geburtshauses eingeritzt — vgl. S. 9T9 dieses Ban-
des. Daß er es auch im Kloster (Denkendorf oder Maulbronn oder auch im Tübinger
Stift, das in Briefen wiederholt das Kloster geruirmt wird) getan hat, läßt der 25
Schluß des Entwurfs (v. 18 f.) vermuten, wenn man den Ausdruck nicht auf das Lauf-
fener Klostergut beziehen will, von dem das Vaterhaus ja ein Teil war.
D E R ADLER
Überlieferung
H: Homburg Jl^-lS' (s. die Beschreibung S. 816). 30
Erster Druck: Hellingrath 4, 22} f .
862
Der Adler 229-230
Lesarten
1 : (1) Gewandert ist mein Vater auf dem Gotthard, (2) Text H
4 : (1) Auch des (a) gerades (Schreibfehler)
(b) geraden (a) Wegen (Schreibfehler)
5 (ß) Weges
(2) Und über Auch H (geraden Weges unterstrichelt H)
5 : (1) Über den Schnee, (2) Auch üher den Schnee, H 6 : (1) Dem
OlymposzuundHümos (2) Text H 7 : (1) D (2) W o (3) Und wo [At] der
Athos [finster] bükt, (4) Text H 8 : (1) Den Höhlen in Lem<n>os zu. (2)
10 Text H 1 0 Kxis später vor gefügt H des nacÄ estr. de H 11 Starkduften-
den nach gestr. W ä H 1 8 roth aus purpurroth H Wolken aus Wolke H
1 9 stumm aus dem Ansatz zu A H
2 4 Mit diesem Fers geht der Entwurf auf die zweite Seite der Handschrift (18'')
über, und zwar wird oben ein etwa 9,f cm hoher Raum frei gelassen. Ein einseines
15 Wort hält ganz oben das hier noch auszuführende Motiv fest: V^eh. H 2 9 ein
über der Zeile H Häuslein] Hauslein oui Haub H 3 0 halte] halte CScJircifc-
fehler) H 3 3 : (1) Hast du ihn nemlich hinauf (2) einer vor hinauf über der
Zeile (3) einer ihn über gestr.: du ihn (möglicherweise auch in der Reihenfolge:
(1) (3) (2); H 3 9 wo nach gestr. du H
20 Erläuterungen
Überschrift: Der Adler ist in dem Gesang Germanien der Bote, der die Kunde des
neuen Göttertags bringt. Er kommt vom Indus, ßiegt über des Pamassos beschneite
Gipfel, schwebt über den Opferhügeln Italias und überschwingt zuletzt die Alpen
(Germanien v. 42—48).
25 1 . 2 auf dem Gotthard,/Da wo die Flüsse] .A{/?er (fon iUiein, «fem Tessin und
dem Rhodanus (Der Rhein v. 3S) entspringen auch, nach Nordwesten und Norden
ßi^end, die Aare und die Reuß auf dem St. Gotthard. Vgl. auch (..der Vatikan...)
11.2/. - Die Flüsse sind in Hölderlins Mythologie von hoher Bedeutung, als Wegwei-
ser des Göttlichen.
30 3 Hetruria] Etrurien, jetzt Toscana, steht hierfür die Opferhügel Italias (Ger-
manien v. 44f.).
4 des geraden Weges] Das heißt wohl: nach Osten.
6 Hämos] Unwirtliches Gebirge im nördlichen Thrakien (der große Balkan), da-
durch geweiht, daß in seinen Schluchten Kalliope den Orpheus geboren hat (Apol-
863
229-230 Der Adler
lanius Rhodius, Argonautica 1,23—2S). Vgl. Horaz, carm. 1,12,6; Klopstock,
Wingolf V. 26f.: von dem begeisternden Achäerhämus.
1 Athos] Hoher Berg am äi^ßersten Ende der östlichsten der drei Chalhidihe- Halb-
inseln.
8 Lemnos] Insel im Aegäischen Meer, zwischen Athos und Troja, dem Hephaistos 5
geheiligt (Sophokles, Philoktet v. 987). Hier setzten die nach Troja segelnden Grie-
chen den auf der Insel Chryse durch Schlangenbiß am Fuß ekelvoll verwundeten
Philoktet aus, der nun in einer Höhle (deshalb heißt es im Text: Höhlen in Lemnos^
zehn Jahre elend unter rasenden Schmerzen zubringen mußte. Dann holten Neopto-
lemos, der Sohn Achills, und Odysseus ihn nach Troja, weil nach dem Ratschluß der 10
Götter Neoptolemos die belagerte Stadt nur gemeinsam mit Philoktet zerstören konnte;
denn dieser besaß den nie fehlenden Bogen des Herakles (vgl. Homer, Ilias 2, 718—
725; Sophokles, Philoktet; Pindar, P:)th.l, 93-104 (in Hölderlins Übersetzung);
auch {Wenn aber die Himmlischen...) v. 85 und dieErläutemng z. St.). — Auch Here
gelangt im 14.Gesang der Ilias (v. 229f.) von Athos herunter nach Lemnos. 15
1 0 Indus] Fgl. Germanien v, 42; (Der Ister} v. 7.
13 - 2 1 Der Urahn des Adlers hat vor aller Zeit, vor der italischen (v. 3), der grie-
chischen (v. 4—8) und der indischen (v. 9—12) Kultur, den Beginn eines Aeons an-
gekündigt. Des Königes goldnes Haupt ist wohl nur ein andrer Ausdruck für den
Urahn (der Steinadler heißt auch Goldadler; vgl. Zedlers Großes vollständiges Uni- 20
Versal-Lexicon, I.Band, Halle und Leipzig 1732, Sp. 521: Seine (des Steinadlers)
Federn sind gelb oder falb, darum er bey den Alten Chrysaetos, oder der
Gold-Adler genennet wird^. Das Gcheimniß der Wasser scheint auf eine ein
noch früheres Zeitalter strafend abschließende große Flut zu deuten, das Schiff und
die Thiere (die das Schiff verlassen und noch keine Speise finden, da die Wasser 25
sich noch nicht verlaufen haben) können auf die Geschichte von Noah (I.Mose
6, 5—9,17) wie auf die von Deukalion (Ovid, met. 1, 262-415) bezogen werden; die
Wolken (v.lS) wären von den ersten der rettenden Gottheit dargebrachten Brandop-
fem gerötet (I.Mose 8, 20; Ovid dagegen sagt 1, 374 ausdrücklich: stabantque sine
ignibus arae — doch braucht dieser Einzelzug Hölderlin nicht bewußt gewesen zu 30
sein).
2 2 . 2 3 Unmittelbarer Übergang zur gegenwärtigen Situation, am grammatischen
Tempus abzulesen.
2 3 bleiben] Vgl. (Versöhnender der du nimmergeglaubt...), I.Fassung, v. 87—89
und die Erläuterung z. St. 35
864
Der Adler. Ihr sichergebauelen Alpen... 229-232
2 4 In der Lücke über diesem Fers (siehe die Lesarten) steht das Wort Reh. — vgl.
Abendphantasie Bd. 1 S. 610, 29; Allein.; auch dort wird eine Lücke gelassen, deren
Inhalt ein einzelnes Wort (ebenfalls mit einem Punkt dahinter!) zunächst andeutet. —
Hier soll »Reh.« gegenüber dem freizügigen, herrischen Adler auf das am Erdboden
haftende, jagdbare, gehetzte Tier - vgl. Die Unsterblichkeit der Seele v. SO f . (1, 32)
— hinweisen und im Bild überleiten zu der schon v. 2} gemeinten Unsicherheit des
Bleibens in aufwühlender Übergangszeit (vgl.Heimkunft v.79 f . und die Erläute-
nmg z. St.). Das Motiv wird dann v. 24—39 ausgeführt. Selbstverständlich spricht hier
der Adler nicht mehr.
10 <II-IR SICHERGEBAUETEN ALPEN. . . )
Überlieferung
H: Homburg F43.44 (s. die Beschreibung S. 380).
Erster Druck: Hellingrath 4, 2S8-260.
Lesarten
15 Überschrift: fehlt H 1 Über diesem Vers Raum für etwa 9 Zeilen H 2 Darun-
ter Raum für 2 Zeilen, in den später eingefügt wird: Das Wirtemberg; daneben am
rechten Rand:
Die Tempel und der (1) T (2) Dreifuß und Altar
Denn immer sind
20 Die Himmlischen miteinander
(2 Zeilen T^wischenraum)
Dort der guten Geister einer,
wohK/)autend von ihnen H
3 sanflblikenden] sanfblikenden iir 12 Dorfs] danach über der Zeile, später
25 eingefügt (vgl. V. 2): u. Vörden Augen H 13 blühet aus rfem cu w ("
(wächst?) H 16 Und] damit beginnt S. 44 der Handschrift; darunter Zwi-
schenraum für etwa 4 Zeilen H 1 8 ungestalt üJcr g eitr. unrein H Feinde
vor gestr. ge{mischet) Ii 19 unmächtig] gestr. (oder durch zwei vorher gesetzte
Gedankenstriche hindurchgeschrieben) Ii 2 3 Wann aber] darunter Zwischenraum
30 für etwa 3 Zeilen H 2 4 — 32 : in der rechten Spalte der Seite, Tieben v. 23 ein-
setzend und bis v. 3 S hinuntergehend Ii 3 0 Aer aus i{icK) H wieder vor esfr.
865
2)1 —2)2 Ihr sichergebaueten Alpen...
fi(nrfet) H 3 2 Stilltönend aus Wohltönend H 3 3 : nach Änderung des v. 36
vorgefügt H 3 5 Ta.ge'\ danach, nicht gestr.:-wo H 3 6 : (1) Der Spizberg
ausbeugt, (2) darüber: Text H 3 7 Und Wohlgeruch] darunter Zwischen-
raum für 4—S Zeilen H
Erläuterungen 5
Grundriß eines Preisgesangs auf Schwaben, der die Berge und die Flüsse, Dörfer und
Städte nennen sollte.
6 . 7 dieLoke / DerTannen] Vgl. An Diotima( Komm und siehe die Freude... )v.)
und die Erläuterung z. St. (1, S2Sf.).
12 Linden] Vgl. Heimath v. 8 und die Erläuterung z. St. 10
13 Pappelweide] Grimms Deutsches Wörterbuch 7, 1446 nennt Beispiele aus den
Gedichten Bürgers, Höltys, Matthissons — mit diesem Namen werde sowohl die Fel-
berweide (Silberweide, salix alba) als auch die Schwarzpappel (populus nigra) be-
zeichnet.
14 Seidenbaum ] Der weiße Maulbeerbaum (morus alba), dessen Blätter der Seiden- 15
raupe zur Nahrung dienen (Hermann Fischer, Schwäbisches Wörterbuch S, 1322).
15 Auf heiliger Waide] Hellingrath (4, 403) erwägt, ob statt heiliger nicht
südlicher zu lesen sei: das ist sehr unwahrscheinlich, da hier der kleine Querstrich
auf der Schreibzeile fehlt, mit dem in diesem Entwurf überall besonders deutlich zu
dem langen s angesetzt wird, zumal auch zu dem anlautenden. 20
2 9 Weinstaig] Straße in Stuttgart, heute die Alte Weinsteige, die zuerst in west-
licher, dann in südlicher Richtung aus der Stadt hinaus und nach Degerloch hinauf
führt.
3 6 Spizberg] Am westlichen Ausläufer des Spizbergs vorbei ging die alte Römer-
Straße (zwischen den Kastellen Rottenburg und Köngen) über Wurmlingen, Unter- 25
Jesingen, Tübingen (Herrenherger Straße) zur Neckarfurt bei Lustnau. Die in einer
Inschriftensammlung des Jahres IS 34 überlieferte Inschrift einer für Tübingen be-
zeugten Meilensäule berichtet von Germanensiegen des Kaisers Maximinus und seines
Sohnes Maximus im Jahr 236 n. Chr. Siehe Peter Goeßler: Zur ältesten Geschichte
Tübingens und seiner Umgebung, Tübinger Blätter 30 (1939), S. 6—1!, besonders 30
S.13.
3 8 Tills Thal] Vgl. die Erläuterungen zu der Ode An Thills Grab (1, 38S).
866
Das Nächste Beste 233-239
DAS NÄCHSTE BESTE
Überlief erung
H: Homburg F73.74 (s. die Beschreibung S. 380).
Zur Unterscheidung der drei Fassungen vgl. den ersten Absatz der Lesarten.
5 Erster Druck: v. 1-32; Hellingrath 4, 2S7 und 256 f.; v. 34-/1 .• Hölderlin, Hym-
nische Bruchstücke aus der Spätzeit, {hg. vcn Hermann Kasack,) Hannover 1920,
S.17 f.; V.S2—62: Hölderlin, Sämtliche Werke, historisch-kritische Ausgabe, be-
gonnen durch Norbert v. Hellingrath, fortgeführt durch Friedrich Seebaß und Lud-
wig v.Pigenot, Bd.6, Berlin 1923, S.14 f. (Vgl.Friedrich Hölderlins Sämtliche
10 Werke und Briefe, Kritisch-historische Ausgabe von Franz Zinkernagel, S.Band,
Leipzig 1926, S. 182-184.)
Lesarten
Die Zusammengehörigkeit der in den bisherigen Ausgaben mehr oder minder ver-
einzelten Teile des Gedichts erweist sich in handschriftlichen Eigentümlichkeiten der
15 drei Ansätze: die erste Fassung wird auf S.73 der Handschrift mit spitzer Feder und
dunkler Tinte in steiler Schrift niedergeschrieben; dann entsteht durch Vorfügxmg der
Überschrift und der ersten Verse auf S.73 sowie durch einige Erweiterungen aufS.74,
beides mit derselben breiten Feder und blassen Tinte, auch in derselben etwas geneig-
teren Schrift, die zweite Fassung; die dritte Fassung, mit breiter Feder und dunkler
20 Tinte und in steilerer Schrift, ergänzt auf S.73 die erste Fassung und überwuchert auf
S.74 die Ansätze zur zweiten. Zu diesen äußeren Beobachtungen treten solche des in-
neren Sinnzusammenhangs — siehe den ersten Absatz der Erläuterungen.
Lesarten der ersten Fassung: Überschrift: fehlt H 10 Mit aus D H
Freudengeschrei auj Freudens(eÄTeim ("PJ) H 1 2 a - c : gestr.: (1) Auf
25 feuchten Wiesen / Die Sonne sticht, / Im Thal (2) Und die H 2 3 blüthcn-
bekrämter] blüthcn später vorgefügt (bekräniter aus begj H 3 2 Schaif-
wehend] Schwarfwehend nach gestr.: Die A{ugen) H Augen aus d H
Lesarten der zweiten Fassung:
Überschrift: Das Nächste Beste. H
30 1 . 2 : (1) und freigelassen
d
867
Das Nächste Beste
(2) offen die Fenster des Himmels
Und freigelassen der Nachtgeist H
3 - 8 : (1) Der ungehaltene, ist Geschwäz,
Bis diese Stunde.
Das, was ich will. 5
Des Feindes Gott.
Text H mih'aiidagea] übereinander: (1) undichtrischen (2) un-
endlichen (5) imfriedlichen (4) unbündigen (5) unbändigen H
7 was aus wach H 8 Wenn neben dem nicht gestr. Anfang der
ersten Fassung: Viel thuet die gute Stunde. H) 10
9 - 3 2 : DieseVerse bleiben zunächst unverändert. H
4 0 — 65 : Die Versnummern wollen ungefähr das räumliche Verhältnis zur dritten
Fassung andeuten, die diesen Teil der zweiten überdcckt.
4 0 Kalten aus Kattes H 5 6 so bis 5 7 Gesez.] (1) wenn / Sie[b] bindet
(a) gleiches (b) ein gleiches Gesez. (2) so die Keuschen / Unterscheidet ein 15
gleiches Gesez. H
6 2 - 6 5 : I : g-esir..-Wenn
I I ; in derselben Zeile, aber in der rechten Spalte der Seite neu einsetzend:
6 2 : wenn (1) aber Tagwerk
(2) das Tagwerk aber bleibt, 20
6 3 : (1) Die Menschen
(2) Der Erde Vergessenheit,
6 4 : (1) [Der ewige Vater]
(2) [Ein Wohlgefallen aber]
(5) Wahrheit schenkt aber dazu 25
65 : (1) Der ewige Vater.
(2) am rechten Rand:
Den Athmen-/den/derewige/Vater. H
Lesarten der dritten Fassung:
1—9 : Diese Verse bleiben unverändert. H 50
10 Gasgogne] Gasgone H Orten,] (1) Orten, (2) Orte (3) Orten H
viel aus die H 1 3 . 1 4 : (1) An grasbewachsnen Wegen / Unwissend in der
Wüste (2) am linken Rand, untereinander: Spring[s]-/ brunnen / Die / Bäum U
17 wo aus u H 2 1 Sonntags] Sonntaags H 2 5 . 2 6 : {i) in der Mitte der
zweiten Zeile: wenn (2) Text H 33 um aus und H 35 die aus sie H 35
868
Das Nächste Beste
3 7 Wolken des Gesanges fern über schmälerer ursprünglicher Lücke später einge-
fügt H 4 0 mit sich üher der Zeile H 4 2 Wolan nach gestr. Sonst H
4 7 Abendlich bis 4 9 Gebirg] I : Die Burg ist, wo,
(1) Von Wien an, (a) die
5 (b) geht (a) Eine
(/3) seitwärts Eine Stadt,
(2) W o
(3) Sich
I I : Abendlich wohlgeschmiedet
10 Vom Oberlande (1), wo auf hoher Ebne
(2) biegt (a) das
(b) sich das Gebirg, wo auf hoher Wiese die
Wälder sind (a) /
Und Hirten auf der [Ebne,] bairischen Ebne.
15 (JS) an
(y) wohl an
Der bairischen Ebne. Nemlich Gebirg
(Vor den beiden letzten Zeilen, untereinander: Theresien-/ straß,^ H
51 dieses bis 5 6 aber] dieses. I :
20 2: und rauschen über spizem Winkel
Frohlokende Bäume. Gut (1), (2) ist, (a) was
(b) das geseit ist. Aber Eines
4: Das ficht uns an. (1) Barbaren auch
(2) Anhang, der bringt uns fast um heiligen Geist.
25 Barbaren/auch/
/ ; Auch leben, wo (1) die
(2) allein herrschet Sonne /und Mond./
6: Und Mond. Gott aber (1) hält uns, zu sehen einen, der wolle
(2) liii(/)t uns, wenn zu sehn ist einer, der wolle
30 7: Umkehren mein Vaterland.
I I : Text H ( 52 der aus des H 53 und
nach gestr. und H 55 die Tale und über der Zeile H)
5 7 nun über gestr. also H hatt später über einer etwas engen Lücke H
57. 5 8 : später, nach der Niederschrift auch der Verse S9—62, wird eine andre
35 Versabteilung versucht, jedoch nicht zu Ende geführt:
869
233-239 Das Nächste Beste
Gehn mags nun. Fast, unrein, hatt
Sehn lassen und das Eingeweid
Der Erde. H
5 8 aber] aber/auch/[schien] / / 5 9 "W&r auch] später ohne Ersatz gestr. H
Adler, vor gestr.: herein. H 5
Erläuterungen
Der (in manchen Anakoluthen noch unfertige) Entwurf geht aus von der winterlich-
nächtlichen Zeit zwischen den Zeiten. Der Anbruch einer neuen erfüllten Zeit nach
der vaterländischen Umkehr wird im Bilde des Frühlings gestaltet, der die Zugvögel
CStaaren^ m der Fremde Heimath spüren ("u. 24) läßt. Sie fliegen auf und ge- 10
wahren nun in der Annäherung Ek um Eke (v.33) immer Lieberes der vielge-
arteten Länder (Germanien v. 48) der Heimat. Die Zugvögel, Sinnbilder des aus
der Kolonie in die Heimath zurückkehrenden Geistes (Brod und fVein v. 152—156
Lesarten, Ansatz VI), halten sich (v. 35) genau an das Nächste; eine deutliche
Rückbeziehung auf die Überschrift und ein Beweis für die Zusammengehörigkeit der 15
drei Teile des Entwurfs.
Zweite Fassung (v. 40—65; vgl. die Bemerkung zu den entsprechenden Lesarten)
4 0 der Katten Land] Hessen. Vgl.Kolomi v. 2 (spätere Erweiterung — siehe die
Lesarten). — Hölderlin hat das Land recht kennengelernt, als er im Sommer 1796
mit Diotima und Heinse, dem Kriege auszuweichen, von Frankfurt über Kassel ins 20
Westfälische, nach Driburg, reiste.
4 1 . 4 2 des Wirtemberges Komebene ] Die gerade in den späten Entwürfen öfters
bemerkbare Einschränkung auf den engeren heimatlichen Umkreis; vgl. etwa {Ihr
sichergebaueten Alpen...y. Dem Fürsten.
4 8 der Winkel ] Das Wort ist in dem nämlichen Sinn zu verstehn wie in der Überschrift 25
des Gedichts Der Winkel von Hahrdt; vielleicht ist sogar der Ulrichstein gemeint.
6 3 Der Erde Vergessenheit] Genetivus obiectivus; vgl. Stutgard v. 82 f.; Brod
und Wein v. 33; Patmos, I.Fassung, v. 193: Der Welt vergessen; Wahrheit v. 64
ist der Vergessenheit koordiniert: indem die Athmenden durch die Gnade des ewi-
gen Vaters der Erde vergessen können, schenkt er ihnen Wahrheit. Das Tagwerk 30
bezeichnet demgegenüber den rein irdischen Bezirk.
Dritte (und erste) Fassung
1 offen die Fenster des Himmels] Biblischer Ausdruck für einen Wolkenbruch,
870
Dos Nächste Beste 23 3 -239
z.B. 1. Mose 7,11t- 8,2 (Sintflut); 2. Könige 7,2; Maleachi 3,10; Jesaja 24,18.
— Es ist die reinigende Übergangszeit gemeint.
1 0 Gasgogne] Ebenso wie die Charente (v. 28) eine Erinnerung an den Aufent-
halt in Bordeaux; siehe den Gesang Andenken. — Die Namensform (statt Gascogne)
5 begegnet auch in dem Entumrf (Vom Abgrund nemlich...) v. 30. — Die Landschaft
der Gascogne erstreckt sich südlich der Garonne.
2 8 Charente] Fluß, der nördlich der Gironde mündet.
31 . 32 waker... die Augen] Vgl. 1.Samuel. 14, 27 und 29; Sprüche Salomon.
20, 13; femer Klopstock, Die Rathgeberin (179S) v. 17 f .
10 3 7 Des Wachstums] Vgl. (Der Ister) v. 39 und die Erläuterung z. St.
Wolken des Gesanges] Vgl. v. 60: Der Himmel der Gesänge;/emer Am Quell
der Donau, erster Entwurf, Ansatz I v.38 (Lesarten): Wolken des Gesangs;
Griechenland, 2.Fassung, v. 13; 3.Fassung, v. IS: Gesangeswolken.
4 0 . 4 1 die Vögel] Vgl.Menons KlagenumDiotimav.64unddieErläuterungz.St.
15 4 4 Sie] Die Himmlischen; jie/ie V. imi 41.
4 4 . 4 5 wie die See /DieErd] So unsicher, so aufgewühlt und gestaltlos—siehe den
folgenden Vergleich der Länder mit streitenden Männern.
47—56 Das Gebirg ist wohlgeschmiedetiuze eine Rüstung (vgl. Die Muße v. 21 f.).
In erster Fassung wird es (vgl. die Lesarten) mit einer Burg verglichen, einer Burg
20 der Himmlischen (Der Rhein v. 6; (Wenn aber die Himmlischen...) v. SO f.).
Abendlich ist vielleicht als andrer Ausdruck für hesperisch zu nehmen: das Gebirg,
das sich vom Oberlande nordwärts biegt und, die bairische Ebne begrenzend, hin-
ter Amberg sich und Fränkischen Hügeln erstreckt, also der Bayrische und der
Böhmer Wald, weist nach dem Abendland, nach Hesperien, nach Deutschland und
25 wird im hesperischen Schicksal den Göttern als wohlgeschmiedete Wehr, als Burg
gegen die Mächte des Abgrunds dienen. Daß dieses Gebirg heimatlich (das heißt:
von Süden nach Norden) gerichtet (v. S3 f.) ist, das ist bedeutsam und nicht um-
sonst (v.Sl) — wie ja auch die Richtungen der Ströme nicht umsonst und zufällig
sind: vgl. Die Wanderung v. 94-96; Der Rhein v. 3 4-37; {Der Ister) v. 41-49. -
30 Die Alpen (v.S4) sind ein Wall gegen die einkehrenden Himmlischen, die vom Indus
über Griechenland und Italien nach Deutschland kommen (v. 44) wollen; die Alpen,
deren Hauptrichtung südlich an Deutschland vorbeizuführen scheint, in denen die
Täler zumeist dieser Hauptrichtung folgen und die somit die Länge lang gehn,
können die Himmlischen nicht eigentlich, nicht unmittelbar nach Deutschland ge-
35 leiten: sie sind darum der Wildniß (v. S4) der vorbereitenden Zwischenzeit zugeord-
871
2)3-239 Das Nächste Beste
net — im Gegensatz zu der früheren Erkenntnis, derzufolge die Himmlischen von
ihrer Burg auf Treppen des Alpengebirgs doch wohl unmittelbar nach Hesperien
gelangen konnten (vgl. Der Rhein v. 4—9 und die Erläuterungen z. St.). Nach der
späteren Auffassung scheint der Dichter im Zug der Gebirge ebenso den Wegweiser
der schöpferischen Mächte durch die Zeiten zu erkennen wie im Lauf der heiligen 5
Ströme: das Gebirg schwingt sich als Apennin aus großgriechischem Bereich durch
Italien, steilt sich in den Alpen, noch unklar gerichtet, als Wildniß der Zwischenzeit
auf und biegt sich bei Wien (vgl. die Lesarten) auf dem linken Donauufer in nie-
deren Ausläufern heimatlich, auf die deutsche Heimat gerichtet, seitwärts, bis es
dann in dem Böhmer Wald, hinter Amberg... und Fränkischen Hügeln, wieder 10
die Höhe einer Bm-g der Himmlischen gewinnt. — Diese neuen Deutungen der geo-
graphischen Erscheinungen sind wohl durch eigenes Schauen gelegentlich der Re-
gensburger Reise im Herbst 1802 gewachsen. Das Stichwort Theresienstraß vor
V. 48 f . (vgl. die Lesarten) ist nicht eindeutig erklärbar. Es soll wohl an eine be-
stimmte Begegnung, an eine Erkenntnis erinnern, die dem Dichter in einer Theresien- 15
Straße wurde — zu Regensburg, zu Ingolstadt oder sonstwo.
5 8 — 6 2 Diese Ferse meinen die drei Phasen des griechischen Göttertags, der bei
Ilion begann; denn Homer steht am Anfang der griechischen »Kunst«, weil er die
abendländische Junonische Nüchternheit für sein Apollonsreich,/ür die mor-
genländisch-griechische »Natur«, erbeutet hat (Brief an Böhlendorf vom 4.Dezem- 20
her ISOl). Der Adler ist der Künder der einkehrenden Götter (vgl. Germanien; Der
Adler). Bei der Arrkunft der Götter blendet das Licht die scheuen Augen, bis sich
dann der scharfe Stral zu stillleuchtender Kraft mildert, zum goldnen Rauche
(vgl. Patmos, 1. Fassung, v. 191—196 und die Erläuterung z. St.). Diese zweite Phase,
der Höhepunkt, die Mitte, stellt den Himmel der Gesänge dar. Daß an diesem 25
Himmel Wolken den scharfen Stral mildern, läßt die Wendung Wolken des Ge-
sanges (siehe v. 37 und die Erläuterung z. St.) vermuten. Es ist die Zeit, in welcher
göttliche Kräfte schöpferisch und segensreich sich im menschlichen Bereich auswirken
(vgl. Griechenland, 3. Fassung, v. 2S—32). — Die dritte Phase, die des Abends und der
Dämmerung, wird bezeichnet durch die zornigen Greise am Ufer... der Entschei- 30
dung. — Das Relativum die v. 61 meint also nicht etwa die Greise, sondern die drei
angedeuteten Phasen, die ebenso unser sind, die sich ebenso im hesperischen Schick-
sal wiederholen werden, wie sie im griechischen zu beobachten sind (das auch v. S9
bezeugt das Vorhandensein eines Vergleichs): das Licht der Adler, der Himmel
der Gesänge, das Ufer der Entscheidung. 35
8 7 2
Tinian 240-241
T I N I A N
Überlieferung
II': Stuttgart 1 3} S.2 (s. die Beschreibung S.6^2): nur die Überschrift des ge-
planten Gedichts.
5 I-P : Stuttgart I 6 Bl. S2' (s. die Beschreibung S. )77): Vorentwurf.
H^ ; Marbach 21631: Einzelblatt 2},8 x 39 cm, nur die linke Kante beschnitten;
gelbliches, feingeripptes Papier; Wasserzeichen: Wappen mit aufgehängtem
Posthorn, darunter: C & I H O N I G .
Erster Druck: Hellingrath 4, 250f.
10 Lesarten
Der Vorentwurf lautet:
Tinian. Der Schiffer.
Der Sturm am Vorgebirge. Dort
der Palme Frucht.
15 Tinian. H ^
Lesarten des umfänglicheren Entwurfs (H^):
3 : später zwischen die in gewöhnlichem Zeilenabstand untereinander stehenden
Verse 2 und 4 eingefügt tP 4 Wölfin] Wölfin, W 6 . 7 : (1) Das hei-
rnaltiche (Schreibfehler) Land / Durchirren, (2) Durchs heimaltiche Land /
20 Mir irren, FP 10 Des aus Und iiT^ 11 wiederkehrend fremde Fittige
ohne Ersatz gestr. H^ 12 ausruhend] aus[ruhend] H^
1 3 : Und an (1)'Palmenstaude
• (2) der Palmtagsstaude
(3) der gestr. IrP
25 14 : Wohlduftend später eingefügt H^ 18 Von] von H^
2 2 - 2 8 : I :
2 2 : Und (1) zu ~
(2) lustiuwandeln, zeitlos
2 3 : denn es haben [diesen]
SO 2 4 - 2 8 : a : Die Himmlischen uns diese Zierde [ge]ordnet;
873
240-241 Tinian
[Nicht daß ich darum
Und (1) das Kamp</)spiel,
(2) das
(3) die Ren<n>bahn]
b : Dem Circus gleich (1) d 5
(2) als Muttermaal,
(a)D
(b) W e ß Geistes Kind
Die (a) Abendländischen seien,
{ß} Abendländische sei, die Himmlischen 10
[Die Himmlischen/ uns diese Zierde [ge]ordnet;
C : eingefügt über v. 2h Wie Kamp</>spiel oder
am linken Rand: Dem Thierskampf gleich als Muttermaal,
I I : unter v.i7 zur Verdeutlichung des verwirrten Entumrfs neu ein-
setzend: 15
2 2 : Und lustzuwandeln, zeitlos
2 3 : denn es haben
2 4 : Wie (1) Kampspiel
(2) Kampfspiel
(3) Wagenlauff ims falkenglänzend, oder 20
2 5 : Dem Thierskampf gleich, als Muttermaal
2 6 : W e ß Geist<eä> Kind
2 7 : Die Abendlän(<ii)schen sein, die Himmlischen
(v. 28 wird nicht wiederholt) H^
3 1 lokerem] Lokerem H^ 32 Ein Widerstral] Ein Wider ohru Ersatz 25
gestr. H^ des Tages iiier der Zei'Ze H^ nicht ist] nicht ist/'es glüklich/ H^
3 3 ziemend Hier gestr. glüklich H^ pflüken ] plüken li^
3 4 — 3 6 : (1) Denn golden stehn schon,
Die imbelaubten
(2) Denn golden stehen /schon/, 30
am linken Rand für gestr. Die unbelaubten;
Unzubereitet,
Ja schon
die unbelaubten
874
Tinian 240-241
Erläuterungen
Überschrift: Vgl. Der Wanderer, 1. Fassung, v.76h imd die Erläuterung z. St.
2 In heiliger Wildniß] Vgl. {An die Madonna) v. 96—107 und die Erläuterung
z.St.
5 4 —9 Zu Anfang des geplanten Hjrmrms sollte das Bild der heiligen Wildniß
stehn, worunter die Zwischenzeit, die Kolonie (Brod und Wein v.lS4 Lesarten, An-
satz VI) begriffen wird. Dieses Bild ist hier, als die ferne Zauberinsel Tinian, ent-
schiedener als räumliche Vorstellung gedacht. Ihm sollten nicht etwa nur zwei Zeilen
gewidmet werden: das beweisen die Gedankenstriche v.}. Aus der Überschrift braucht
10 indes nicht unbedingt geschlossen zu werden, daß der größte Teil des Gedichts das
Thema der Insel Tinian durchführen sollte: es ist oft nur der Ausgangspunkt, der,
im eigentlichen Gedicht dann gar nicht mehr erwähnt, doch dem Ganzen den Namen
gibt, so den Gesängen Am Quell der Donau, Der Rhein, Patmos. (Den Inhalt der
Anfangsstrophe(n) scheint der VorentwurfH^ anzudeuten.) - Es folgt dann der Ver-
15 gleich der aus der Kolonie, der Wildniß Heimkehrenden mit den Zwillingen Romu-
lus und Remus (Livius 1, 4), die, als Findlinge (v. 9) in der Wildniß ausgesetzt,
an der Wölfin Euter die nährende Milch trinken und so zur Gründung eines heimat-
lichen Schiksaals gekräftigt werden: so trinken auch die Heimkehrenden von den
Wassern der Heimat ("Der Wasser v. 5 ist als gen. partit. abhängig von trinken
20 V. 9), die das Land urbar gemacht haben ({Der Ister) v.l6), die zuerst auf der pfad-
losenErde umirren wtd dannBahn und Gränze machen (Anmerkung zu dem Pindar-
Fragment Das Belebende) — das bedeuten hier die Worte: wilder sonst, / Und jezt
gewöhnt (v. 8f.).
1 0 . 1 1 im warmen Grunde / Des Haines] Vgl.Der PVinkel von Hahrdt v.1—4
2S und die Erläuterung z. St.
11 wiederkehrend] Abermals ein Bild der Heimkehr aus derKolonie iredieHeimath,
zur Zeit der österlichen Erneuerung der Natur. Die wohlduftenden Palmtagsstauden
(v.l3 f.) sind die blühenden Weiden; fremde Fittige sind Vögel (vgl. Der blinde
Sänger v.17 f . und die Erläuterung z. St.), die aus der Fremde heimkehren, fremd
50 geworden und noch nicht wieder heimisch (vgl.Mnemosjme, 2.Fassung, v. l-J). Mit
den Sommerrögeln (v.lS) sind Schmetterlinge gemeint (vgl. Hermann Fischer,
Schwäbisches Wörterbuch / , 1444).
17— 2 1 Die Alpen, die der Adler als Götterbote zuletzt überschwingt (Germanien
V. 47 f.), von Gott gctheilet (Das Nächste Beste, S.Fassung, v.SS), als Grenze
35 Hesperiens, des Welttheils (v.l9), dem das Glück einer schöpferischen Beziehung
875
240-245 Tinian. Kolornb
zu den Göttern verheißen ist. Gewapnct stehen sie als Burg der Himmlischen (Der
Bheinv. 6; i^Wenn aber die Himmlischen.v. SO). Fgl. Das Nächste Beste, LFas-
sung, V. 47—S6 und die Erläuterung z. St.
2 7 Die Abendländischen] Die Völker Hesperiens in neuerer Zeit, denen als Erben
der Griechen, nach der Nacht des Mittelalters, ein neuer Göttertag bevorsteht (Brod 5
und Wein v.149 f.; Der Jrchipelagus v. 247—277). — Vielleicht steht diese ganze
Stelle (v. 2S—28) in Verbindung mit den in der Erläuterung zu v.lf des Entwurfs
(Einst hab ich die Muse gefragt...} angedeuteten Gedankengängen.
2 9 — 3 7 Diese Verse meinen wohl die üppig neidige ({Wenn aber die Himmli-
schen...) V. 31) Flora dfrWildniß auf Tinian. 10
36 . 3 7 die unbelaubten (Blumen); Gedanken ist Dativ, von gleich abhängig.
KOLOMB
Überlieferung
H: Homburg F 77-S2 (s. die Beschreibung S. 380).
Erster Druck: Hellingrath 4, 262-264. 15
Lesarten
AU Text ist nur der erste Entwurf (mit spitzer Feder) abgedruckt. Die darin ausge-
sparten Zeilen lassen sich nur ungefähr auszählen; i). 1—26 stehen auf S. 77 der
Handschrift, v. 27~S2 auf S. 78, v. S3-78 auf S. 79, S. 80 ist leer, v.lOS-134 auf
S.81,V.13S-1S5 auf S.82. 20
Bevor nun, wesentlich später mit sehr breiter Feder und schwärzerer Tinte, einige
Lücken des ersten Entwurfs ausgefüllt werden, nimmt die rechte Spalte der S.77 das
Bruchstück 48 auf.
Lesarten des ersten Entwurfs: 2 2 —24 : daneben später,etwas höher einsetzend,
mit blasser Tinte, aber mit spitzerer Feder als Bruchstück 48 und also wohl ohne 25
Zusammenhang damit: Flibustiers, Entdekunssreisen (Schreibfehler) / als Ver-
suche den (1) Orbis d (2) hesperischen / orbis, im Gegensaie gegen den /
(1) ob (2) Orbis der Alten zu bestimmen, H
4 4 So du uor^cKr.; mich aber fr H 4 5 fragest ous fragst H 4 7 Heiz vor
gestr. mir H 30
1 2 0 Inseln nach gestr. Städte H 1 2 7 einsam nach gestr. nicht H 1 2 9
876
Kolomb 242-24S
eins aus eines H 132 wenig vor gestr. das H 133 das aus die (Sonne) H
134 iMond, vor gestr. darum H
141 öfters nach gestr. damals H 142 Den aus Des H Himmlischen his
143 wird] (1) Himmlischen es / Zu einsam / W<iV<i> (2) Text H 146 all-
5 zurein nach gestr.: es leidet H
Spätere Erweiterungen (die Worte des ersten Entwurfs werden, soweit notwendig,
wiederholt, jedoch eingeklammert):
2 — 1 0 : 2 : ("Und dürfte freij mit der Stimme des Schäfers, oder eines Hes-
sen, (dessen eingeborner Sprach Ces bekennen
10 3 : So war' es ein Seeheld.J Thätigkeit zu gewinnen nemlich
4 : (1) Ist
(2) Um nichts zu (a) verderben, ist das freundlichste, das
5 : Unter allen
(b) pp.
15 6 : und Ordnung, durchaus bündig
7 : Heimische Wohnung kurzgefaß(t)
zu lernen und Gestalten, dürre Schönheit
8 : In den Sand, Gefäße (1) b
(2) gebrant,
20 9 : Aus (1) Feuer
(2) Nacht und Feuer, voll von Bildern, reingeschliffenes
1 0 : (1) Seerohr
(2) Fernrohr, (a) [hohes Gesez]
(h) hohe Bildung, nemlich für das Leben H
25 (Der Klammer tor'dessen v. 2 entspricht keine schließende.)
1 5 - 2 1 a :
1 5 : fAnson und Gama^ und (1) Flist
(2) Flibustier, und Äneas
16 : Und (1) Dora
30 (2) Döria, Jason, Chirons
17 : Schüler, in Megaras (1) Grotten, und
(2) Felsenhöhlen und
18 : Im (1) Reegen
(2) zitte(r)nden Reegen der Grotte bildete sich
877
242-245 Kolomb
19 : Als auf dem wohlgestimmten Saitenspiel ein Menschenbild
2 0 : Aus Eindrüken des Walds, und die Tempelherren die gefahren
2 1 : Nach Jerusalem Bouillon, Rinaldo,
2 1 a : Bougainville H
3 2 - 3 4 i ( 4 0 ) : 5
3 2 : ( W o er^, als wenn
33 : Eines (1) Gö
(2) der Götter eines wäre
3 4 : Der Menschen Geschlecht, vieleicht 3 4 b : und wunderbar
3 4 a : Vorm Komhaus (1), von 3 4 C: Licht 10
(2) sizend, von Sicilien her
3 5 : (In süßer Jugend gewöhnet.) 3 4 d : aber man kehret
3 4 e : Wesentlich um, wie ein
3 4 f : Bildermann, der
(1) d 15
(2) stehet
3 4 g ( iS ; : Und die Bilder weiset
der Länder
3 4 h : (1) Und singt,
(2) Der Großen auch Und 20
singt,
3 4 i (40) : Der Welt Pracht, H
48 . 4 9 : (Mir reichet, wird es gehen J / Nach Brauch und Kunst H
51—55 : wie auf dem Markte
Kolumbus in eine Landcharte siehet 25
Zu Schiffe aber steigen
ils Orient rapport, etfermds maison, tu es un sais rien H
6 0 - 6 5 u :
6 0 : (Ein Murren war es, ungedultigj, denn 30
6 1 : Von we/n/gen geringe(r) Dinge
6 2 : Verstimmt wie vom Schnee war
6 3 : Die Gloke, womit
6 4 : Man läutet
6 5 ; Zum Abendessen 35
878
Kolomb 242-24S
65 a : Und sie glaubten, sie seien Mönche.
6 5 b : Und einer, als Redner
lirJts neben v. 66—70:
65 C: Auftrat und als Pfai<r)hcrr
S 65 d : Im blauen Wamms
in der rechten Spalte der Seite eine Zeile über v. 60 fortfahrend:
65 e : während daß sie schrien,
65 f : Manna und Himmelsbrod
65 g : Sauer wird mir dieses wenig
10 65 h: (1) Gel
(2) Geduld und Gütigkeit
65 i : mein Richter und Schuigott
65 k : mit Prophezeiungen und
6 5 1 : großem Geschrei (1), mit
15 (2) des Gebets, mit Gunst.
65 m : Denn Menschen sind wir
65 n : Stürzet herein ihr Bäche
65 O : Von Lieb und Gottes Gnad und Glük in seinem,
6 5 p : Kräfte zu begreiffen, o ihr Bilder
20 65 <j: Der Jugend, als in Genua, damals,
6 5 r : Das Erdreich, griechisch, kindlich gestaltest)
65 8 : Mit Gewalt unter meinen Augen
6 5 1 : Einschläfernd, kurzgefaßtem Mohngeist gleich mir
65 U : Erschien H
25 62 später setzt am linken Rand neben diesem Vers eine andre, nicht vollendete Fas-
sung ein: Die Erde lomig, und eilte daß sie H
67-69 rechts daneben, früher als 6Se-u: (1) [pon] (2) erUiere personne content de son ame difficidtes connoissance rapport tire H
75 : Das bist du ganz in deiner Schönheit H (vgl. v.lll)
30 1 1 1 : Das bist du ganz in deiner Schönheit apocalyptica. H
113-116: moments tirees hautes sommeils der Schiffer Kolumbus aber beiseit
Und seufzeten miteinander, um die Stunde,
Nach der Hizze des Tags H
35 (An linken Rand neben v.ll}-116: lui a les pleures H)
879
242-24S Kolomb
115 : darüber, zuerst am Schluß der Zeile: Hy(p)ostasirung des vorigen orbis
dann in der Mitte einsetzend: Leidenschaft zum ehrlich
schließlich wieder etwas weiter rechts: (1) Naite
(2) Naivetfe derWissenscha(/«>/-/
1 4 1 - 1 4 4 : rechts daneben Bruchstück 49 ("Ursprung der Loyotej. 5
Erläuterungen
Schon zu Beginn des Wintersemesters 1789j90 hat Hölderlin an einer Hymne auf
Kolomb gearbeitet. Siehe Bruchstück S.
Die Erläuterungen beziehen sich auch auf die in den Lesarten (S.S77—880) verzeich-
neten späteren Erweiterungen. 10
Vgl. Wilhelm Heinse: Ardinghello und die glückseeligen Inseln, 4. Auflage {hg. von
Carl Schüddekopf) Leipzig 1924, S. 92: Ich machte, wie es Tag war, einen Spa-
ziergangauf den Hügel, und besah die Lage von Genua: ein reizendes Theatej',
das von jeher seine Bewohner angetrieben hat, das Meer zu beherrschen; und
woheraus immer diegrößtenSeeheldenhervorgekommen sind. HeiligerColum- 15
bus, und Du Andreas Doria, die Ihrnun mit den Themistoklessen und Scipi-
onen in Elysium Paar und Paar herum wandelt, Euch Halbgötter unter den Men-
schen bet ich im Staube an. Ach, daß auch mir kein solches Loos bestimmt ist!
15 - 2 1 a Hier sind die Seehelden alter und neuer Zeit genannt, wie sie nach
Heinses eben angeführten Worten in Elysium Paar und Paar herumwandeln. 20
Aich hier bringt Hölderlin die Zeiten untereinander (Bruchstück 48 v.4 f.). Lord
George Anson, englischer Admiral, lebte von 1697-1762. Seine Reise um die Welt
ist beschrieben von Richard Walter: George Ansons Voyage round the world in the
years 1740—44, London 1748. Die deutsche Übersetzung von Eobald Toze erschien
1749 in Leipzig und Göttingen. — Vasco de G&ma (14S0-1S24), der portugiesische 25
Entdecker des Seewegs nach Indien. — Flibustier (viersilbig mit Ton auf der zweiten;
oft auch französisch ausgesprochen: flibüstji) nannte sich ein Seeräuberbund, der
gegen Ende des 17. Jahrhunderts die Geicässer Westindiens beherrschte. (J. W. von
Archenholz: Die Geschichte der Flibustier (Historische Schriften, 2.Band), Tübin-
gen 180 h) Die Erklärung des Namens ist umstritten: entweder leitet er sich her von 30
einem schnellen, wendigen Wasserfahrzeug, das man englisch »fly-boat« nannte,
oder er ist, wahrscheinlicher, weiter nichts als das französisch verderbte niederländi-
sche Wort »vrybuiter« (Freibeuter). Vgl. auch den neben v. 22—24 des ersten Ent-
wurfs (aber früher. als die Erweiterung v.lS—21at) gesetzten Vermerk (S. 876
880
Kolomb 2 4 2 - 2 4 S
Z. 24-28). - Äneas, et terris iactatus et dito (Virgil, Aen.l, J;, gehört zumal
wegen des Sturms, den er auf dem Tyrrhener Meer zu bestehn hatte (siehe das erste
Buch der Aeneis), zu den Seehelden. — Andreas Doria 1468—1S60), ein Genuese
wie Kolomb, war dem Dichter nicht blqß durch Heinses Ardinghello (siehe oben
5 880, 16) nahegebracht, sondern vor allem auch durch Schillers Trauerspiel Die
Verschwörung des Fiesco zu Genua; vgl. den Brief an Schiller vom September 1799
(Ich kann Ihnen den Dank nicht ausdrüken.. J ; Ihren Fiesko habe ich auch
studirt und gerade auch wieder den innem Bau, die ganze lebendige Ge-
stalt..., noch mehr als die großen und doch so wahren Karaktere... bewun-
10 dert. - Von der Erziehung Jasons, des Anführers der Argonauten, durch Chiron er-
zählt Pindar, Fyth. 4, 180-192 (in Hölderlins Übersetzung). Diese Stelle (bis
V.189) wird in der Auslegung des Pindar-Fragmcnts Untieue der Weisheit in neuer
Übersetzung angeführt. Megaras v.l7 steht wohl irrtümlich statt Magnesias. — Die
Tempelherren sind auch erwähnt in dm Bruchstücken der späteren Fassung des
15 Gesangs Patmos, V.1S9 f.: die Fahrt der Edelleute nach Jerusalem. — Gottfried
von Bouillon, Herzog von Niederlothringen (1061-1100), einer der Anführer des
ersten Kreuzzugs(1096—99),war freilich kein Seeheld, da sein Heer auf dem Land-
weg ins Heilige Land gelangte. — Rinaldo ist (wie auch Bouillon) eine Hauptperson
in Tassos Befreitem Jerusalem (Prosaübersetzung von Heinse, Mannheim 1781).
20 Er wird auch in dem Bruchstück 48 (v.l) erwähnt, der Name Tasso in den Bruch-
stücken 31 und 70. (Goethes Kantate Rinaldo ist erst im März 1811 entstanden und
181S gedruckt.) — Louis Antoine de Bougainville, Zeitgenosse Hölderlins (1729-
1811), VVeltumsegler (Voyage autour du monde, Paris 1771). Eine der Salomon-
Inseln in der Südsee trägt seinen Namen.
25 22—24 Orbis (Lesarten des ersten Entwurfs)] Vgl. dieVermerke zu v.IIS (Les-
arten) und zu Bruchstück 41.
30 Und hin nach Genua will ich] Vgl.DerArchipelagus v. 210: Zum Pamassos
will ich; Die Wanderung v.25: Ich aber will dem Kaukasos zu! - Hier wirkt
Pindars Vorbild; siehe Petzold zu Brod und Wein v. 49; Kempter Anm. )4 (»die
30 dichtrische Fahrt«),
31 Zu erfragen Kolombos Haus] Vgl. Der Main v. 9-11; Der Nekar v. 16-18.
32 — 34 Vgl. Pindar, Nem. 6,1—h "Ev MqCbv, h> &eü>v yhog'ix /Jläs 6i nvh-
ftev liaxQÖi; d.n<p6rsQ0i. Heinse, Ardinghello, 4. Auf läge Leipzig 1924, S. 279:
Und Pindar... singt stolz in lyrischer Begeisterung: »Eins das Gcschlecht
35 der Menschen! Eins das der Götter! Alle bcyde athmen von Einer Mutter.«
881
242-248 Kolomb. Dem Fürsten
5 1 - 5 5 Diese Einzelzüge wie auch die in den Erweiterungen v. 60—6Su, 67—69
und IIS—116 gezeichneten sind wohl einer Lehensgeschichte des Kolumbus entnom-
men, vermutlich einer französischen.
1 1 5 Orbis (Lesarten)] Vgl. die Vermerke zu v. 22-24 (Lesarten des ersten Ent-
wurfs) und zu Bruchstück 41. 5
1 2 0 Der schönen Inseln] Vgl.DerEinzige, 2.Fassung, v. 92: Auf schönen Inseln;
ferner Elegie v. III und die Erläuterung z. St.
1 2 7 - 1 2 9 Vgl. Der Rhein v. 109-114 und die Erläuterung z. St.
155 die Spuren der alten Zucht] Unter der Zucht begreift Hölderlin die Ge-
stalt..., worinn der Mensch sich und der Gott begegnet (Anmerkung zu dem 10
Pindar-Fragment Das Höchste). Vgl. auch das Fragment Die Asyle: .. bis sich im
Schiksaal begegnend, an den Spuren der alten Zucht der Gott und der Mensch
wieder erkennt. Siehe Friedrich Beißner: Hölderlins Übersetzungen aus dem
Griechischen, Stuttgart 19B, S. 38-62.
D E M F Ü R S T E N i5
Überlieferung
H: Homburg F S7-S8 (s. die Beschreibung S. 380).
; erste Hand — spitze Feder, steile Schrift (erste Fassung).
H^ : zweite Hand — breitere Feder, geneigtere Schrift (v. 17—21).
H' : dritte Hand-sehr breite Feder, dunklere Tinte. 20
Erster Druck: Hellingrath 4, 260 f . (und 40S).
Lesarten
Überschrift: darüber:
Predigten durch das Fenster
gehet ihr aus eurem Klugheitsjahrhundert 25
Heraus, um zusammen lu seyn Feindseeligkeitsrechte H '
13 Heiliger Schule,] diese beiden. Wörter (H°) stehen etwas höher als der Schluß
des Verses (H"), werden aber durch einen Einfügungsstrich deutlich mit diesem ver-
einigt. 17 denn] den H^ 1 9 — 2 1 am rechten Rand daneben, in zwei Zeilen:
prince lgrand homme H' 2 5 CcrsfeFosaing' Deutsche Jugend-Zom der 30
alten Staaten —] von den Versen 23—28 der zweiten Fassung überwuchert H^
882
Dem Fürsten. Und mitzufühlen das Leben... 246-249
3 6 : auf S. SS der Handschrift, darüber für etwa 7 Zeilen freier Raum ff" Bür-
ger noc/i Tcslr. Bü H " 3 9 meines] mein ff" 4 0 Der aus T / / « 4 2 Hin-
weggeschwazt aas Hing ff" 4 3 blühen] davor ein Komma getilgt ff''
4 4 im nach gestr. wie ff' Gärten] Garten ff'' 4 5 Des aus Der ff"
5 Erläuterungen
Der Gesang wendet sich an denTürsten Friedrich Wilhelm Karl (17S4-1S16), den
ältesten Sohn des (von 179}—1797 regierenden) Herzogs Friedrich Eugen von Würt-
temberg, der am 23. Dezember 1797 als Friedrich U. den herzoglichen Thron bestieg,
am 29. April 1803 (Datum der kaiserlichen Bestätigung) Kurfürst wurde (Kurfür-
10 stenbrief am 24. August 1803), später (am 27.Dezember 180!) von Napoleon die
Königswürde anrmhm. — Die Verse 23—28 gelten seinem herrischen und mißtrau-
ischen Charakter; die Anrede v. 38—42 ist vielleicht zu beziehen auf den Hochverrats-
proz<iß gegen Sinclair und Seckendorf im Frühjahr 180S (vgl. Erwin Höhle: Das
Alte Recht und die Revolution, München und Berlin 1931, S. 323-325), so daß da-
15 mit ein terminus post quem für die Entstehung des Entwurfs gewonnen wäre. — Vgl.
Werner Kirchner: Der Hochverratsprozeß gegen Sinclair. Ein Beitrag zum Leben
Holderlins. Marburg a. d. Lahn 1949.
5 1 - 5 4 Der Meislei ist wahrscheinlich Heinse (vgl. {.. der Vatikan...) v. 11 und
die Erläuterung zu v. 1—11); die Weinstadt wäre dann Aschaffenburg, wohin Heinse
20 im Jahr 17 9 S bei Verlegung der Residenz dem Mainzer Kurfürsten gefolgt und uio
er am 22. Juni 1803 gestorben war.
<UND M I T Z U F Ü H L E N DAS LEBEN.
Überlieferung
H: Homburg F 68 (s. die Beschreibung S. 380).
25 Erster Druck: Hölderlin, Hymnische Bruchstücke aus der Spätzeit, {hg. von Hermann
Kasack,) Hannover 1920, S. 21 f .
Lesarten
Überschrift: fehlt ff
Keimworte: Und mitzufühlen das
30 Und
833
249 Und mitzufühlen das Leben...
(12 cm Zwischenraum)
und verlorne Liebe H
Daß diese Keimworte zu dem dann mit breiterer Feder und dunklerer Tinte weiter-
geführten Entwurf gehören, beweist der Umstand, daß die dritte Zeile, nachdem
sie (zwischen v.16—17) von dem wachsenden Entwurf überwuchert ist, weiter 5
unten (S cm tiefer) nochmals gesetzt und zugleich erweitert wird (v. 24.25); von
diesem Platze werden die beiden Zeilen dann abermals verdrängt durch v. 19—2).
1 Leben] in der Eile des Entwerf ens gerät dies Wort vor und in den Artikel das
(ersteZeile der Keimworte) H 2 Halbgötter] Ha</)bgötter / / 4.summend-
heißes über der Zeile 5 in über gestr. ein H 10
6 - 8 : Versammelt. (1)
Ein Feuerstahl schlägt Funken, aus geschliffnem Gestein
Aus hartem wohl des Tages,
(2) Hier und die Nacht,
(3) Gerichtdes (später aZs 4d ergänzt und wieder gestrichen: 15
Gericht des Glaubens^
(4) Goldne Wüste, fa^ Oder gleich dem Feuerstahl des
lebenswarmen Heerds [gleich]
(b) Oder/Wie Feuerstahl
(c) Auch wie (a) Ansatz zuS(?) 20
{ß) Feuerstahl
cd) Oder wohlunterhalten de^m)
Feuerstahl des lebenswarmen
Heerds gleich schlägt dann die Nacht Funken, aus geschliffnem Gestein
des Tages, (a) dann noch um die Dämmerung 25
(ß) und um die Dämmenmg noch H
9 : sjiäter eingefügt H tönt] darüber, gestr.: tönt H zischt] zisch[e]t nac/i
nicht gestr. tönt H
10 —12 : Der Knall der Jagd. Die Aegypterin aber, offnen Busens (1)
Sizet im Wald, am Feuer, recht Gewissen bedeutend 30
(2) siit
Immer singend wegen Mühe gichtisch das Gelenk
Im Wald, am Feuer. Recht Gewissen bedeutend H
13 : später eingefügt H Der aus Des H 14 Rauscht vor gestr. dann H
See]Sees (Schreibfehler) aus IH 15 Lombardas]LausB ; daust spie- 35
884
Und mitzufühlen das Leben... Vom Abgrund nemlich... 249-2S1
Icn vor nicht gestr. leben H 16 Perlfrischen Lebens] (1) Reinen Lebens
(2) Perlfrischcn fa ; Himmels ("i; Lebens H 17 Der aus Von H oder der
Leichcn] der über der Zeile H rauscht so um aus: rauschet um H
Erläuterungen
5 1 mitzufühlen das Leben] Vgl. in dem Brief an Leo v. Seckendorf vom 12. März
1804: Die verschiedenen Schiksaale der Heroen, Ritter und Fürsten, wie sie
dem Schiksaal dienen, oder zweifelhafter sich in diesem verhalten, hab' ich
im Allgemeinen gefaßt.
9 Saitenspiel] Vgl. Brod und IVein v. 7.
JO 1 6 . 1 7 Gestalten / Der Meister, oder der Leichen] Der zunächst befremdlich
erscheinmde Zusatz oder {vielmehr") der Leichen (derselben^ bedeutet, daß die Mei-
ster tot sind, daß sie einer untergegangenen Zeit angehören (vgl.DcrArchipelagus
V. 62: Urnen der Meister^: die Knaben, Gegenwart und Zukunft, spielen unieküm-
mertum dieZeugen der Vergangenheit. Das nächste Bild (v. 17 f.) meint dasselbe.—
13 Auch Schiller verwendet das fVort laichen fur Dahingegangene, Verstorbene (also
nicht im Sinn des entpersönlichten Leichnams) im Vorwurf an Laura v. 68 f.: Stern
und Lorbeer neid ich nicht den Thoren, Leichen ihre Marmor nie —. Vgl. femer
Johann Christian Günther, Hochzeitscherz v.199 (l,il8 Krämer): wenn sie euch
langsam als Leichen beschaun.
20 1 7 . 1 8 es rauscht so um der Thürme Kronen / Sanfter Schwalben Geschrei]
Vgl.Mnemosyne, 2.Fassung, v. 21—2h bei alter Krone / Der Thürme, friedsam;
und es girren / Verloren in der Luft die Lerchen; Antigonä v.126 (12}): Die
Krone der Thürme (are(pdvwfia nvQycov).
(VOM ABGRUND N E M L I C H . . . )
25 Überlieferung
H: Homburg F7S.76 (s. die Beschreibung S. UO).
Erster Druck: v. 1-6: Hellingrath 4, 406 (29B) und 254 (20); v.7-12: Hölderlin,
Hymnische Bruchstücke aus der Spätzeit, (Jig. von Hermann Kasack,} Hannover
1920, S. 20; V. 18-29; ebenda, S.19; v.l)-17: Hölderlin, Sämtliche Werke, histo-
30 risch-kritische Ausgabe, begonnen durch Norbert v. Hellingrath, fortgeführt durch
Friedrich Seebaß und Ludwig v.Pigenot, Bd.6, Berlin 1923, S.16; v. W-37: eben-
da, S. 48}.
885
250-251 Vom Abgrund nemlich. . .
Lesarten
1 . 2 . 2 a - d : erster Ansatz (spitze Feder, geneigte Schrift):
Vom Abgrund nemlich haben
Wir angefangen
etwa 17 Zeilen Zwischenraum (über v. 19): 5
2a: damit sie schauen sollte
Danmter bleibt zwi'dchst bis zum unteren Rande der Seite 7 / ein
Raum von etwa 14 cm frei. Auf der Rückseite (76) steht, etwa 7cm
unter dem oberen Rand, in demselben Duktus, mit derselben Feder,
aber in Prosa: 10
2b: die Purpurwolke, da versammelt von der linken Seite
e: der Alpen imd der rechten sind die seeligen
d: Geister, und es tö(n«t, -nen (?)}
V. 2a wird dann vom wachsenden Entwurf überwuchert, der Prosa-
entwurf auf der Rückseite (Zeile 2 b—d) vergessen. 15
H 2-6: mit Blei:
imd gegangen
Dem Leuen gleich, [d]
Der lieget 20
In dem Brand
Der Wüste
("Leuen und lieget unterstrichen) H
Dann wird der Entwurf wieder mit Tinte (breitere, harteFeder, steilere Schrift) fort-
gesetzt, und zwar auf der dritten Zeile unter v. 6, später wieder gestrichen: 25
Der Schöpfer.
nach abermals zwei Zeilen Zwischenraum folgen nun v. 1 J—il Gegeben. (Lesarten
zu diesem Ansatz siehe unten.)
Später wird mit weicher breiter Feder zimächst das Stück v. 8 Bald aber (vom am
Rand einsetzend!) bis v.l2 eingefügt; dabei findet die wiederholte Niederschrift des 30
Verses 12 ihren Platz zwischen v.l} und 14. Ganz zuletzt werden v. 3 und 4 ergänzt,
V. 7 zwischengefügt, die beiden Anfangsworte v. 8 (ohne Punkt dahinter) an den linken
Rand gesetzt und v, 31 Gezähmet bis v. 37 entworfen.
2 rechts neben diesem Vers, in der Schrift des letzten Ansatzes: fia rov OQXOV H
9 Gärten] Garten H 10 denen] den fl 35
886
Vom Abgrund nemlich. . . 2S0-2S1
10—17 : rechts daneben, in der Schrift des letzten Ansatzes:
Indessen aber an meinen Schatten (1) ss
(2) stesst' (Schreibfehler statt:
stellt'; ich
5 Und Spiegel der Zimmer
Meinen Fürsten
Nicht umsonst die Hüfte unter dem Stern
nationeil H
13 aber,] danach, über der Zeile: neues zu sagen H 15 Des aus Der H
10 15 a : hart unter v.lS: Ist des Menschen, betrüblich. Aber H (damit hängt
zusammen die Notiz am unteren Rande der Rückseite (76): des Menschen Herz be-
trüblich.; 18 Hügel aber] darüber, in der Schrift des letzten Ansatzes: Ger-
mania H 19 Kirschenbäume] Kirschenbäme H
2 2 — 2 4 : am rechten Rand, zuerst neben v. 2). 24: Rechts liegt / aber der Forst.
15 dann neben V. 22: Aber (1) schweg (2) schwer Ca geben f j ; geht neben /
Bergen der Frohe weg. H (Beide Schreibfehler sind durch das jeweils folgende
fVort verursacht.)
2 3 und sich.] und sich H (vermutlich ist das (•Fort s^iiegeh ausgelassen)
2 6 nun bis 2 7 wo] wahrscheinlich später eingefügt, v. 27 am rechten Rand H
20 2 8 steigt aus steige H
2 9 bis 31 Gegeben.]
Citronengeruch auf und das ö l , aus der Provence, und (1)
Und Natürlichkeit Dankbarkeit
(2)
25 Längst auf erziehen und der Mond und Schiksaal
Und Gott, ich aber,
(3) es haben diese
Dankbarkeit mir die Gasgognischen Lande
Gegeben. H
30 31 Gezähmet] Von hier an in der Schrift des letzten Ansatzes H
3 1 Gezähmet bis 3 3 Trauben, braune]
(1) Erzogen
(2) Gezähmet aber, noch zu sehen, hat mich
Die Rappierlust und des Festtags
35 (5) und genährt V. il vor hat über der Zeile; daneben am Rand, etwas
887
2S0 - 2Si Vom Abgrund nemlich...
Koher einsetzend: gebraten Fleisch / Der Tisch ( ? ) und / braune
Trauben, braune H
3 4 : früher als die Einfügung V. 31—33 (3)H 3 7 Deutschland]/lart am unterm
Rand; davor sind mit dem abgewetzten Papier mutmaßlich zwei Wörter bis auf un-
sicher deutbare Oberlängen verloren gegangen H 5
Erläuterungen
2 Ob der beigefügte Ausruf fia rov OQXOV (vgl. die Lesarten) »Beim Eid(gott)! *
eine Beziehung zu dem Entwurf hat, läßt sich nicht bestimmt sagen. Vgl. Pindar,
Nem.ll, 24: vai /id ydg OQXOV,
6 Wüste] Damit ist die götterlose Zwischenzeit gemeint, die sonst Wildniß heißt; 10
vgl. {IVenn aber die Himmlischen...} v. 41 die unbeholfene Wildniß und die Er-
läuterung z. St.
9 Hizze] Vgl. Am Quell der Donau v.S6 und die Erläuterung zu v.52—67; femer
Der Einzige, 3. Fassung, v. S7—60 und die Erläuterung z. St.
11 Frankreich] Vielleicht mit v. 9 f . zu verbinden. Die Gassen der Gärten... in 15
Frankreich wären dann eine Erinnerung an den Bordeleser Aufenthalt, wie in dem
Gesang Andenken oder in dem Entwurf Das Nächste Beste v.lO: auf Gasgogne,
Orten, wo viel Gärten sind.
13 —16 Frankfurt] .Der heilige Ort des Diotima - Erlebnisses wird mit Delphi in
eins gesetzt, das den Griechen seit Pindar als Nabel der Erde galt; vgl. die Erläute- 20
rung zu Ganymed v. 20. — Des Menschen v.lS ist mit Gestalt v.l3 zu verbinden.
2 3 Beere] Vgl. Die Tek v. 9 und die Erläuterung z. St.
3 0 die Gasgognischen Lande] Gasgogne (statt Gascogne) heißt es auch in dem
Entwurf Das Nächste Beste v. 10.
3 5 Blüthen] Vgl. Stutgard v. 49: des Landes Blüthen (Lesarten) für urspr.: die 25
Landesheroen; siehe Pindar, Olymp. 2,14 in Hölderlins Übersetzung; Nem. 8, 9:
^QÖicov äcoTOi; Theokrit, Hylas (13) v. 27 f.: äcoTOg i^Qwcov; femer Klopstock,
Hermannsschlacht, 12.Szene (Werke, 8.Band,Leipzig 1804, S. 219): Kühne Kna-
ben!. . . Ihr Blumen des Vaterlands; Schubart, Palinodie an Bacchus v.71 f.:
Ihr Blüthen meines Vaterlandes! Ihr Jünglinge; Gottfried Keller, Der grüne 30
Heinrich, 3.Band, 3. Kapitel (f, 31 Frankel):.. so grüßte Anna mit dem beschei-
denen Anstände derjenigen, welche selbst Blumen des Landes sind.
888
..der Vatikan... 2S2-2S}
<..DER V A T I K A N . . . )
Überlieferung
H: Homburg F 89 und 88 (j. die Beschreibung S. 380).
Erster Druck: Hölderlin, Hymnische Bruchstücke aus der Spätzeit, {hg. von Her-
5 mann Kasack,) Hannover 1920, S. IS f .
Lesarten
Überschrift:fehlt H
Der Entwurf beginnt nur wenig über der Mitte der Seite; der darüber für die Ein-
gangsverse leer gelassene Raum bleibt unbenutzt. H
10 1-11: mit dunklerer Tinte als das übrige (außer der Einfügung v.7: 8) H
3 : später (aber noch mit der dwMerenTinte) zwischengeschrieben H 3 Bruder,]
Bruder H 4 allbejahend aus allj U 5 macht aus macliet H denn nach
gestr. mein H 6 ein über der Zeile H Ritter] Ritter, H gesagt] danach
ein Komma getilgt H 7 und alle bis 8 Gewissen] später, mit der helleren
15 Tinte der Verse 12-SO, am rechten Rand H 7 des Geheimnisses] (1) der Ge-
heimnisse (2) des aus der H 8 Fragt über gestr. Geht H 9 Julius aus
G{eist) H Aervreil ijiber der Zeile H welcher ü6er g'eitr. der H 11 Mei-
ster.] Meister H
12 rein aus einem undeutbaren Ansatz zu einer Oberlänge H 13 das] daß H
20 15 der ruwh gestr. daß H Büßung,] Büßung [und] H 18 den über der
Zeile H
1 9 : Den Meister des (1) Ansatz zu M oder W ( ? )
(2) Forsts, (a) den Her<m>
(b) den llim(mlischen, -mels... (?)}
25 (c) den Meister
(d) und den Jüngling [,] in der Wüste, der
von Honig H
2 1 Oben aus oben H 2 3 ich über gestr. über H 2 4 Lombarda,] Lom-
hsirda. (über der Zeile) H Pilgrims aui lie 2 5 water über der Zeile H 26
50 Vogel aus Vob H 27 Meers] dahinter h II 2 8 rufet, ausruft, i J wo das
Feuer läuft über der Zeile II 2 9 Wächters] Wächters Garden vor g'estr.
Aber II 3 0 hält über gestr. aber Gestalt aus Ga II aufrecht vor gestr.:
889
2S2-2Si . .der Vatikan. . .
hält. H 33 Türkisch, und ] ohne Lücke dazwischen H 3 4 heischem
Fraun aus: einer heischem Frau H 3 6 Aber wie] Aber wie wie H 3 7
Abends] Abens H 3 9 Eingewaid aus T{empd) H 4 0 Abschied] danach
ein Komma getilgt H 4 2 Pallästen] Pallasten H 4 6 Des aus Tönt H
4 7 Nacht] Naht H 5
Erläuterungen
1 - 1 1 Hier sind offenbar Eindrücke der Ardinghello-Lektüre traumhaft erinnert
wie auch mündliche Erzählungen Heinses, worauf v. 10 f.: und (wie auch} dort
drüben, in Westphalen, / Mein ehrlich Meister (jnündlich gesagt hat) deutlich
hinweist; in Westphalen bedeutet: in dem westfälischen Bad Driburg bei Paderborn, 10
wo Hölderlin im Sommer 1796, um dem Kriege auszuweichen, mit Diotima und Hein-
se weilte (vgl. die Briefe an den Bruder vom 6. August und vom 13.Oktober 1796).
Wenn Heinse hier Mein ehrlich Meister heißt, so findet sich eine germue Entspre-
chung in dem Entwurf {.. meinest du / Es solle gehen...} v.l4: Ein ehrlich Mei-
ster; auch in dem Entwurf Dem Fürsten v.Sl f . scheint mit dem Meister in der 15
Weinstadt (Aschaffenburg) Heinse gemeint zu sein.
6 . 7 in derlei Pallästen] Fgl. v. 42.
9 Julius] C. Julius Caesar, welcher Calender / Gemachet, das heißt: der im
Jahr 46 v. Chr. die Zeitrechnung reformiert, den »Julianischen Kalender« geschaffen
hat. 20
1 2 . 1 3 Vgl. die Anmerkung zu dem Pindar-Fragment Das Höchste.
1 9 Meister des Forsts] Vgl. die Fürsten des Forsts (Der Archipelagus v.167;
Anmerkung zu dem Pindar-Fragment Das Belebende), womit die Freien, die Alten
(Der Archipelagus v.l64) einer anfänglichen Zeit, die ersten Begründer menschlicher
Siedlungen, gemeint sind. 25
Jüngling] Johannes der Täufer, hier als Vorläufer Christi mit einem Meister des
Forsts gleichgesetzt. Matth. }, 4: seine Speise aber war Heuschrecken und wil-
der Honig (Marc. 1,6).
2 7 Eiderdünnen] Diese Form (statt Eiderdaunen oder -dunen), im Schwäbischen
ganz ungebräuchlich, mag der hamburgischen Mundart Diotimens entstammen. 50
2 8 der Adler den Accent rufet] Vgl. Antigonä v.ll 4f.; und scharf, wie ein Ad-
ler, / Schrie er. Das Wort Accent begegnet auch in der Anmerkung zu dem Pin-
dar-Fragment Vom Delphin: Accent des Bedürfnisses. Vgl. auch in Schillers
Anthologie auf das Jahr 1782, S.l60: der Akzent der sanften Philomele (mut-
890
. .der Vatikan... Griechenland 2S2-2S8
maßlicher Verf asser: Schubart); Goethe in der Rezension der Lyrischen Gedichte von
Johann Heinrich Voß (Weirnarer AusgabeAht.lBd. 40 S.266): Zugleich versam-
melt sich das game Chor von Vögeln und übertönt das Leben des Tags mit
vielfachen Accenten.
5 3 0 — 3 3 Das Bild des trauernden Kranichs/iWct sich schon in dem Gedicht Grie-
chenland V. 44 (1, 180). Vgl. auch Gesang des Deutschen v. 32 Lesarten. Morea
ist der mittelalterliche Name für Peloponnes; vgl. Der Rhein v.lS und die Erläuterung
z. St. Türkisch soll andeuten, daß Griechenland unter türkischer Herrschaft stand.
33 . 3 4 Eule] Vgl. Jesaja 122: Und Eulen (werden) in ihren (zerstörten) Palä-
10 sten singen; ferner Psalml02,7: ichbin gleich wie ein Käuzlein in denverstörten
Städten.
3 4 heischer] Vgl. Die Meinige v.H heischcrschluchzend und die Erläuterung
z. St. (1, 341); auch die Lucan- Übersetzung v. 238: zu heischem Hörnern.
4 0 nehmet] Vgl, Andenken v. 56 und die Erläuterung z. St.
15 4 4 das Brautlied des Himmels] Vgl. Der Rhein v. 180.
4 5 Vollendruhe] Vgl.Hyperion 2, 63: Es war ein großer, stiller, zärtlicher
Geist in dieser Jahrszeit, und die Vollendungsruhe, die Wonne der Zeitigung
in den säuselnden Zweigen umfieng mich, wie die erneuerte Jugend, so die
Alten in ihrem Elysium hofften.
20 4 5 . 4 6 Und die Rippe tönet / Des sandigen Erdballs] Gemeint ist die Meeresküste;
vgl. französ. CÖte. — Heinrich v. Kleist, Die Hermannsschlacht 4, 6 (gegenEnde):
Der Sturmwind wird, die Waldungen durchsausend, Empörung! rufen, und
die See, Des Landes Hibben schlagend, Freiheit! brüllen.
4 7 grüner Nacht] Vgl. Der Nekar v. 29 und die Erläuterung z. St.
25 GRIECHENLAND
Überlieferung
Erste Fassung:
W : Homburg H 30a: Einzelblatt 22,S (21 )y.21,3 (20,6) cm, rechte und untere
Kante unbeschnitten; Papiersorte wie H^.
30 Zweite Fassung:
l-J2a . Homburg H 30. 31: Doppelblatt 23,6 (23,2) x 38,6 cm, unbeschnitten; gelb-
liches, feingeripptes Papier; Wasserzeichen: Gekröntes Wappen mit aufge-
891
2S4-2S8 Griechenland
hängtem Posthorn, daran hängend eine Glocke, darunter: J H O N I G / & /
ZOONEN in dem andern Blatt: J H O N I G / & / Z O O N E N .
Blatt 31 ist leer. Die zweite Fassung steht nur aufBl. 30'. Dunkle Tinte.
Dritte Fassung:
H^^ : Änderungen, Erweiterungen zwischai den Zeilen und an den Rändern der 5
zweiten Fassung sowie Fortsetzung auf Bl. 30^. Hellere Tinte.
Erster Druck: Hölderlin, Hymnische Bruchstücke aus der Spätzeit, Qig. von Hermann
Kasack,) Hannover 1920, S. 10-14. Faksimile (Bl. 30''): Hölderlin, SämtlichefVer-
ke, historisch-kritische Ausgabe, begonnen durch Norbert v. Hellingrath, S.Band,
besorgt durch Ludwig v.Pigenot und Friedrich Seebaß, Berlin 1923, nach S. 22. 10
Lesarten
der ersten Fassung:
7 stehen über der Zeile H^ schlummernd] schummernd H^ 8 Ein-
treffen nach gestr. Doch H^ 9 sie fehlt H^ 13 Epheu aus n H^ hänget
aui hängen 14 herunter, am; herab, 2 0 : (1) Die Sonn'ihn nicht 15
(2) Die Sonne nicht H ^
2 4 . 2 5 : (1) Vor Thoren der Stadt an, wachsend
Gleich Krystallen in der Wüste des Meers. Gärten
(2) Text W
2 9 sfarea aus sparen (Nachwirkung des vorigen fVortes) LP Jahrzeit aui 20
Jahrheit H^ 3 1 ebene unter dem Ansatz zu einem Wieltmeer) beginnend H^
der zweiten Fassung:
3 der Amsel Gesang] (1) Sirenengesang (2) Amselnsang (3) Text H^'
5 Gestimmt aui Gestimmet 6 wie uor^ejtr. wenn i /^® 8 Viel nac/i
gestr. MM H'"' 25
1 0 . 1 1 : (1) Großen Gesezen nachgeht,
Und und den ganzen Himmel nachher
(2) Text H^"
1 4 . 1 5 : (1) Die Natur. W o aber
Allzusehr zum Tode sehnet 30
(2) Text m»
2 4 : später eingefügt H^"
der dritten Fassung:
2. 3 : Denn an der [Augen] Scliule Blau, (1) am Ruhme des Himmels /
892
Griechenland 2S4-2SS
Toset, (2) am Tosen des Himmels (3) wo Geist von lang her toset (4) / Fern-
her, am Tosen des Himmels H^^ 5 heitere H^''über gestr.: sichcie H^"
9 W o darauf Ks 12 sich]
1 : 1 1 : W o die Erde,
5 I I : 9 : W o darauf
die Erde,
I I I : 9 : W o darauf
10 : am linken Rand:
(1) Tönens
10 (2) Tönend, wie des Kalbs Haut
1 1 : dieErdc,vonVenv'üstungenher,Versuchung;enderHeiligen
1 2 : üherv. 13:
Denn anfangs bildet das Werk sich H ^ ' '
13 nachgehet H^^ aus: nachgeht H^" Wissenschaft H^'' über: Einig-
15 keit H^" (Ziniglieit vorher durch eint Wellenlinie als mißfallend gekennzeichnet
H2b)
14 den Himmel breit lauter Hülle nachher]
(1) den ganzen Himmel nachher
(2) b r e i t e n ü b e r gestr.: ganzen H^"
20 lauter Hülle vor nachher über der Zeile H^''
(5) breit/en/ durch Einfügungsklammer hinter Himmel gestellt H^^
1 5 - 2 2 :
I : Erscheinend ohne lu sehr zu besinnen singen
Gesangeswolken. Den(n) fest ist der Erde
25 Nabel, (1) aber fo) immer
(b) oben (a) leben
iß) lebt
Die Natur. W o aber allzusehr /sich/
Das Ungebundene (zur) Ewigkeit sich sehnet
30 (2) am linken Rand und über v. 14 der zweiten Fassung:
Strebende nemlich müssen siegen, zierend den Geist des
• Himmels aber singen daselbst Gesangeswolken
I I : Erscheinend singen [, daselbst] Gesangeswolken.
Denn fest (ist) der Erde
35 Nabel. Gefangen nemlich in Ufern von Gras sind
893
254-258 Griechenland
Die Flammen und die allgemeinen
Elemente. (1) unleserlich Getilgtes; durch dieses die beiden nächsten Wörter
hindurchgeschrieben;
(2) Lauter Besinnung aber oben lebt der Äther.
(a^ Aber wo zu sehr 5
(b) Aber silbern
(a) Ab<er>
(ß) An reinen Tagen
Ist das Licht. Als Zeichen der Liebe
Veilchenblau die Erde. 10
(v. 16—22 über v. 13—19 der zweiten Fassung, die dadurch wohl ersetzt
werden sollen)
2 5 wunderbar] daran angefügt: (1) wo (2) zu lieb den Menschen H^''
30 . 31 daß zu sehr nicht eins / Ihn über der zweiten Fassung (v. 27.28)
32 Die Seele.] daran angefügt: Denn (1) lang steht (2) lange schon steht 15
offen / Wie (a) Bücher, (b) Blätter, zu lernen, oder Linien und Winkel /die
Natur/ (: in der äußersten unteren rechten Ecke des Blattes iO') 3 4 Die
Natur oben auf S. 30" neu gesetzt
3 5 - 4 5 :
I: 1: Und (1) d 20
(2) gelber die Sonnen und die Monde,
2: Zu Zeiten aber
h thun auch
4: Die Kräfte der Seele sich zusammen
Daß lieber auf Erden 25
6: Die Seele (1) wohnet
(2) wohnt, und irgend ein Geist
7; Gemeinschaftlicher sich zu Menschen gesellet.
Unter der 2. Zeile einsetzend und zwischen den folgenden fortfahrend:
(1) Au(sgehn) 30
(2) Wenn ausgehn will die alte / B / Bildung
Der Erde, bei Geschichten nemlich
Gewordnen muthig fechtenden, wie auf Höhen führet
Die Erde Gott, ungemessene Schritte begränzet /e / (r )
Er aber 33
894
Griechenland 2S4-2S8
I I : neu einsetzend: Text H^^
C35 die Sonnen] die Sonnen die Sonnen i i^b 3 8 Der] davor und
darüber: Tafel der Erde 4 0 Gott. Ungemess ene aus: Gott,
ungemessene H^^ 42 : (1) Die Kräfte sich der Seele zusam-
3 men, (2) über der Zeile, zu Beginn: Der Seele nach Kräfte; [sich]
dan{n) vor zusammen einsetzend: Verwan(dt)schaften sich
H^O)
4 6 vonBäumenüJer; der Bäum' H^^ 4 7 sonnig aui sonnige H^'' der gestr.;
darüber, auch gestr.: ein li^'' 47 . 4 8 Weg ist / Gepflastert zur aus; Weg /
10 Gehet zur 4 8 Reisenden aus Reisd H^® wem. über gestr. Aenen H'^
5 0 blühn aus blühen
Erläuterungen
Erste Fassung
1 Wege des Wanderers] Vgl.Rühkehr in die Heimath v. 22: all ihr Pfade des
15 Wanderers.
2 - 5 Vgl. die i.Fassung v. 46-48.
6 Reegen] Goldregen — vgl. v. 11 und 14.
8 Schritte der Sonne] Vgl. Patmos v. 29.
1 4 . 1 5 Vgl. die }.Fassung v. 48-Sl.
20 1 8 . 1 9 Lorbeem / Rauschen um Virgilius] Das Grabmal Virgils wird von
Heinse imArdingheUo (Leipzig 1924, S. ^74 f.) ausführlich beschrieben. Dort heißt
es auch: Ein Lorbeer steigt in der Mitte stolz hervor; vgl. auch Matthisson, Die
Natur V. 26 (1,91 Bölsing): Beim Lorbeerbaum der Maros Grab umrauscht!
2 1 Moosrosen] Vielleicht eine Erinnerung an Klopstock, der diese Blumen sehr
25 liebte: am Schluß der Ode Die Sprache (1782) spricht er Von den Rosen, die be-
moost sind. / Sie entglühen lieblicher, als der Schwestern / Blühendster Busch,
duften süßem Geruch; / Auch schmückt sie ihr mosig Gewand, / Und durch-
räuchert ihr Gedüfte; vgl. auch Erinnmgen (1794) v.lSf.: die bemooste Rose;
Sie (1797) v. 11 f.: Blühest, wie Rosen, welche mit Moos / Gürten ihr Blatt.
30 2 6 — 31 Dieses Bild mag durch erinnerte Zeitungsnachrichten von der Vermählung
des württembergischen Erbprinzen (nachmaligen Herzogs, Kurßirsten, Königs) Fried-
rich mit seiner zweiten Gemahlin, der englischen Prinzessin Charlotte Auguste Mat-
hilde, angeregt sein, die am 18.Mai 1797 in London vollzogen und in Windsor ge-
feiert wurde. — Das Bild des hoch ziehenden Wagens ist schon in der Übersetzung
895
2S4-2SS Griechenland
der Antigonä gedichtet worden; dort heißt es (v. 874 f.): Um Thebe rings, wo die
Wagen / Hochziehen, o ihr Wälder! für ein schlichtes Adjektivattribut bei So-
phokles (v. S4S): Qilßa; z'evaoftdTov äXao;.
Zweite Fassung
3 . 4 Tönt... Der Wolken sichere Stimmung] Fgl. v. 11-1}.-Wolken des Ge- 5
sangs begegnen schon in dem ersten Entwurf zu dem Gesang An Quell der Donau,
Ansatz I Zeile 38; siehe auch Das Nächste Beste v. und 60 und die Erläuterungen
z.St.
15 Das Ungebundene] Vgl.Der Einzige, 2.Fassung, v.72 und die Erläuterung
z. St. 10
2 2 — 2 9 Diese Verse meinen die Zeit, wenn das Schiksaal ausgeglichen ist (Der
Rhein v.180—194) und die Gottheit für den Menschen das Schreckliche der ersten
Begegnung verloren hat.
Dritte Fassung
1 6 . 1 7 der Erde Nabel] Vgl. Ganymed v. 20 und die Erläuterung z. St. 15
4 6 - 4 8 Vgl. die I.Fassung v. 2-S.
4 8 - 5 1 Vgl. die 1. Fassung v. 14 f
896
S P Ä T E S T E G E D I C H T E
Fgl.Friedrich Beißner: Zu den Gedichten der letzten Lehenszeit, Hölderlin-Jahr-
buch 1947, S.6-10.
( F R E U N D S C H A F T , L I E B E . . . )
5 An 26. Juni 1838 schreibt Eduard Mörike an Hermann Kurz: Ich habe dieser
Tage eiuen Rummel HöldeTlinischer Papiere erhalten, meist unlösbares,
äußerst mattes Zeug. Ein kurzes seltsames Fragment ^stlichen ("= christ-
lichen) Inhalts muß ich Dir aber doch als einem neuerdings mit pastoralibus
wieder vertraut Gewordenen mittheilen: (es folgt die Abschrift der Verse;
10 dann:) Was sagst Du zu der Schilderung? Das von der Kinderlehre klingt bei-
nah diabolisch naiv, so rührend es gemeint seyn mag.
Überlieferung
h : Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv: Mörikes Brief an Hermann Kurz vom
26. Juni 18)8.
15 Erster Druck: Briefwechsel zwischen Hermann Kurz und Eduard Mörike, hg. von
Jakob Baechtold, Stuttgart 188 f , S. 94.
( W E N N AUS DER F E R N E . . . )
Überlieferung
H: Marbach S): Zwei ineinandergelegte Doppelbl'dtter 16,S x 21,S cm, obere
20 Kanten beschnitten; graues, geripptes Papier; Wasserzeichen des äußeren Bo-
gens: Lilienwappen; des inneren: nicht sicher deutbares Monogramm unter
einer Krane, am Rande abgeschnitten in lateinischer Schreibschrift: nburg.
897
291 - 29 S Späteste Gedichte
S.1—4: Spätes Bruchstück zum Hyperion (Ich kann dir das wohl sagen,
ich freue mich immer noch...); S.S—S: {Wenn aus der Feme...}.
Erster Druck: Friedrich Hölderlin, Gesammelte Werke, (hg. von Friedrich Seebaß
undHermann Kasack,) Potsdaml921,Bd.l, S. S6f. (mit Faksimile der Verse 1—lS,
nach S. S8). 5
Lesarten
Überschrift: fehlt H 1 Wenn aus der unter gestr.: Auf einem Pfa(de) H
6 In aus Im H 10 als aus an H
12 ,13 : (1) Immer verschlossener MenscK mit finstrem Auge.
(a) Wie 10
(b)w
(c) Wie flössen damals Stunden dahin, wie still
(2) Immer verschlossener Mensch, mit finstrem
Aussehn. Wie flössen Stunden dahin, wie still H
2 5 klaren aus G H Gänge nach gestr. Gerü H Gesträuch] Gesträuch H 15
2 7 lieblicher aus lieh H 4 1 KWvio'\ das zweite \ irrtümlich gestr. H auch
über der Zeile H
4 5 . 4 6 : Der mit Geständniß oder (1) den Küssen auch
Anhub, die wir (a) gaben
(b) uns gaben. Ach! (a) weher 20
iß) wehe mir!
(2) der Hände Druk
Anhub, (a) der
(b) der uns vereinet. Ach! wehe mir! H
5 1 nicht,] damit bricht das Gedicht ab H 25
Erläuterungen
Alkäisches Silbenmaß.
Das Besondre und Sonderbare an dieser Ode ist, daß sie, was keine der Diotima-
Oden aus der Frankfurter und Homburger Zeit tut, als Rollengedicht aus Diotimens
Munde spricht. Waiblinger, aus dessen Besitz die Handschrift an Mörike überging 30
(vgl. Carl C. T. Litzmann: Friedrich Hölderlins Leben. In Briefen von und an Höl-
derlin, Berlin 1890, S. 66S), überschreibt in seiner Darstellung über Friedrich
Hölderlins Leben, Dichtung und Wahnsinn (vgl. Bd.7) die aus dem Gedächtnis
zitierte erste Strophe dieser Ode An Diotima - wohl in unbewußter Angleichung
an den Typus der Diotima-Oden. 35
898
Späteste Gedichte 264-267
(AUF DEN TOD EINES KINDES)
Am 7. Januar 1811 teilt August Mayer diese letzte Strophe eines Gedichts seinem
Bruder Karl in einem Brief mit, worin es heißt: Der arme Hölderlin will auch
einen Almanacli herausgeben und schreibt dafür täglich eine Menge Papiers
5 voll. (Fußnote Karl Mayers: Mein Bruder wohnte mit dem Geisteskranken zu
Tübingen in Einem Hause und besuchte ihn öfters.^ Er gab mir heute einen
ganzen Fascikel zum Durchlesen, woraus ich Dir doch Einiges aufschreiben
will. Folgendes ist der schöne Schluß eines Lieds auf den Tod eines Kindes:
(folgt die Strophe; statt vieleicht schreibt August Mayer vielleicht, statt Eigen-
10 tum; Eigenthumj.
Der Brief ist abgedruckt in dem Buch: Ludwig Uhland, seine Freunde und Zeitge-
nossen. Erinnerungen von Karl Mayer, Stuttgart 1867, Band 1, S.17S f .
DER RUHM
In demselben Brief August Mayers überliefert, der auch die Schlußstrophe des Ge-
is dichts auf den Tod eines Kindes enthält, und zwar in urunittelbarem Anschluß
daran, mit der Überleitung: Einige komische Verse aus einem Gedichte: Der
Ruhm. (August Mayer schreibt: beglücket, ausschmücket.^
AUF DIE GEBURT EINES KINDES
In demselben Brief August Mayers (vom 7. Januar 1811) überliefert, in unmittel-
20 barem Anschhiß an die Strophen aus dem Gedicht Der Ruhm, mit der Überleitung:
Auf die Geburt eines Kindes. (Der Schluß:)
<DAS A N G E N E H M E DIESER W E L T . . . >
In demselben Brief August Mayers (vom 7. Januar 1811) überliefert, in unmittel-
barem Anschlifß an die beiden letzten Strophen des Gedichts Auf die Geburt eines
25 Kindes, mit der Überleitung: Folgende Verse waren mir rührend:
Karl Mayer teilt die Verse am 16. Januar 1811 Kemer mit (Justinus Kemers Brief-
wechsel mit seinen Freunden, hg. von seinem Sohn Theobald Kemer, Stuttgart und
899
291 - 29 S Späteste Gedichte
Leipzig 1897, Band 1, S.174f.); Kemer gibt sie am 21. Januar an FauqiU weiter
mit der Bitte, sie auch für Fanjhagen abzuschreiben (Briefe an Friedrich Baron de
la Motte Fouqud, Berlin 1848, S. 20S).
Die außer zwei Interpimktionsabweichungen einzige Änderung, die Christoph Theo-
dor Schwab im ersten Druck, nämlich in der seiner Ausgabe angehängten Biographie
(Friedrich Hölderlin's sämmtliche Werke, Stuttgart und Tübingen 1846, II SIS),
vornimmt (Junius statt Julius_), geht wohl nicht auf die Handschrift zurück. Jeden-
falls ist Julius die lectio difficilior.
<AN Z I M M E R N )
Die Linien des Lebens . . . 10
Vor dem 19. April 1812 entstanden.
Überlieferung
h : Stuttgart IV 6 Nr.S S.S: in dem Brief Ernst Zimmers, des Tübinger Kost-
wirts, an Hölderlins Mutter, vom 19. April 1812:
Sein dichterischer Geist zeigt Sich noch immer thätig, so sah Er bey 15
mir eine Zeichnung von einem Tempel Er sagte mir ich solte einen
von Holz so machen, ich versetze Ihm drauf daß ich um Brod arbeiten
müßte, ich sey nicht so glüklich so in Philosofischer ruhe zu leben wie Er,
gleich versetze Er, Ach ich bin doch ein armer Mensch, und in der nehm-
lichen Minute schrieb Er mir folgenden Vers mit Bleistift auf ein Brett 20
(Es folgen, ohne Überschrift, die vier Zeilen; in der dritten Hir statt hier.^
Erster Druck: Friedrich Hölderlin s sämmtliche Werke, hg. von Christoph Theodor
Schwab, Stuttgart und Tübingen 1846, II il6.
(WENN AUS DEM H I M M E L . . .>
Überlieferung 25,
h^ : Stuttgart V g Nr.6 S. }~S: Abschrift (S.3f.) von Mörike, mit folgender An-
merkung (S.S): Das vorliegende Stück des geisteskranken Dichters ist
imi 1834 in Tübingen entstanden, und ich erhielt es von Waiblinger
900
Späteste Gedichte 264-267
in Hölderlins Handschrift. In seinem Aufsatz über »H.'s Leben, Dich-
tung und Wahnsinn« (zu Rom im J.1830 geschrieben und in den Zeit-
genossen erstmals abgedruckt) erwähnt Waiblinger dieses Gedichts aus
unvollkommener Erinnerung. E. Mörike.
5 h^ : Marlach 10339: Abschrift von Mörike, mit dm Schlußvermerk: (Hölder-
lin. um 1824)
h^ : Marlach (noch ohne Inv.-Nr.): Abschrift von Mörike (aus dem NachlqßFr.
Theod. Vischers), mit dem Vermerk in der rechten oberen Ecke: Gedicht von
Hölderlin, um 1824 entstanden, von mir aus seiner Handschrift co-
10 pirt. E . M .
Eigentümlichheiten der Schreibung (h^, h^, h^): nackte, bedecket, Hecken.
; Düsseldorfer Künstleralbum, Neunter Jahrgang 18S9, hg. von Christian
Höppl, Düsseldorf 18 f8, S. 40: Eine Reliquie von Hölderlin. Mitgetheilt von
Eduard Mörike. — Dazu die Fußnote: Das vorliegende Stück des geistes-
15 kranken Dichters ist während seines langen Aufenihalts in Tübingen,
wo ich ihn in Gesellschaft Wilh.Waiblinger's besuchte, um 1823 ent-
standen, luid ich erhielt es von dem Letztem in Hölderlin's Hand-
schrift. Es hatte keinen Titel. In einem Aufsatz über »Hölderlin's
Leben, Dichtung und Wahnsinn« (zu Rom im Jahre 1830 geschrieben
20 und in den »Zeitgenossen« erstmals abgedruckt) erwähnt Waiblinger
dieses Gedichts aus unvollkommener Erinnerung. Man darf es ohne
Frage zu dem Lieblichsten zählen, was sich unter dem Wust dieser
traurigen Spätlinge fand. Von Krankheitsspuren fallt am stärksten das
unwillkührliche Abreißen der schwungvollen Reflexion, bei dem jähen
25 Eintreten des landschaftlichen Bildes, in der zweiten Strophe auf. Es ist
hier keine Lücke, die der Dichter etwa noch auszufüllen gedacht hätte;
die Zeilen slehnimManuskr. genau so regelrecht hintereinander wie ich
sie gebe.—Eine gewisse prosaische Ausdrucksweise tmdUnbehülflichkeit
in einzelnen Wendungen und Worten, der sonderbare präcisirende Ge-
30 brauch des zwar, sind Eigenheiten, welche die Poesien H.s aus jener Zeit
auf eine mehr rührende als störende Art kennzeichnen. M.
Eigentümlichkeiten der Schreibimg: nackte, bedecket, Hecken; laut'rem,
nah', geh'n.
Mörike hatte in J^ (wie auch schon in k^) zwei Änderungen vorgerwmmen,
901
291 - 29 S Späteste Gedichte
worüber er in einem undatierten Brief, sicherlich an Chr. Schwab vor dem Er-
scheinen von J^, Rechenschaft ablegt (Stuttgart V g Nr. 6 S.lf):
Meinen besten Dank, verehrter Freund, für Ihre interessante Mitthei-
lung ! Sie war mir um so angenehmer, als ich dabei Gelegenheit fand,
eine gam auf meine Rechnung kommende Ungenauigkeit im AVort- 5
laut des von Waiblinger berührten Gedichts nachträglich zu be-
richtigen.
Aus purer Liebe nemlich für dies Stück ließ ich mich seiner Zeit lu
einer leichten Verbesserung an zwei mangelhaften Stellen verführen, die
jetzt, da es gedruckt werden soll, als apokryph gewissenhaft zurückzu- 10
nehmen ist.
In Strophe 3 schrieb Hölderlin mit einer allerdings wehthuenden
Kakophonie:
»Die Wiesen aber, welche mit lautrem Grün
Bedeckt sind, sind etc. 15
In Str. 6 schrieb er;
»Zwar gehn die Treppen unter den Reben hoch
Herunter, wo der etc.
Hier stört nicht blos die starke Verletzung des Metrums, sondern auch
die ungeschickte Wiederholung des kurz vorhergegangenen Wortes 20
hoch — allein man ist einmal in solchem Falle zu einer Änderung nicht
befugt, und so habe ich mir erlaubt, die ursprüngliche Lesart in Ihrer
Handschrift säuberlichst wiederherzustellen.
Damit erledigt sich die Glosse von Wolf gang Stammler: Zu Hölderlin.
Zeitschrift für den deutschen Unterricht W (1916), S. 640. (Doch sei aus- 25
drüchlich festgestellt, daß die Angabe dort, J^ schreibe v.l3 auf den Gipfeln
(statt; auf den Wiesenj, auf einem Irrtum beruht.)
J^ : Ch.Th. Schwab: Beiträge zur Biographie Hölderlin's. Westermann's Jahr-
buch der Hlustrirten Deutschen Monatshefte W (April-September 1871),
S. 6S0-663, insbesondre S. 663. 30
Eigentümlichkeiten der Schreibung: nackte, bedecket, Hecken; Schafe;
Heide.
Lesarten
4 Angenehmes:] Angenehmes, h^ h^ 5 heiiger] heil'ger h^ h^ J^ J^
6 an , ]anA^ 7 BildniiS-]Bildnii3 ( - - ) Bildniß. i | A-? Bild- 35
902
Späteste Gedichte 264-267
Eiß... J^ 8 Stege] Steige J^ 11 Bedektsind]Sich decken A ^ H a i -
de,] Haide h^ 13 Da, auf] Da auf P 15 Höhen] Höhen, h^ J1
1 6 seltnen] seltenen J^ 17 Da, wo] Da wo h^ 18 einer] Einer J^
21 . 2 2 hoch Herunter] steil An h^ Jl 2 2 steht] steht | 2 überzählige
5 Sylben\ h^ 2 4 sprossen;] sprossen, A ® sprossen . . . A'' 2 5 herab, und]
herab und h^ h^
Erläuterungen
Waiblinger denkt an diese Ode, wenn er in seinem Aufsatz über Friedrich Hölder-
lins Leben, Dichtung und Wahnsinn (vgl. Mörikes Bemerkungen zu h^ und J^)
10 mitteilt: So malti er in einem Verse auf eine homerisch anschauliche Weise,
wie Schafe über einen Steg wandern. Das sah er oft vom Fenster.
Theodor Storm schreibt am ^.Fehurar 1859 an Mörike (Briefwechsel zwischen
Theodor Storm und Eduard Mörike, hg. von Hanns Wolfgang Rath, Stuttgart
{1919}, S.IOS f.): Ihre Mitteilung des Hölderlinschen Liedes in dem Düssel-
15 dorfer Album erinnerte mich lebhaft an den Abend in Stuttgart, wo Sie mir
es im Manuscript zeigten.
AN Z I M M E R N
Von einem Menschen sag ich . . .
Nach Mörikes Angabe (siehe » Überlieferung«) etwa 182S entstanden.
20 Überlieferung
h : Frankfurt a.M., Freies Deutsches Hochstift Nr. }29S: Abschrift von Zimmer,
Rückseite des eigerih'dndigen Entwurfs (Was ist Gott?...) (siehe die Be-
schreibung S. 842); in der rechten oberen Ecke von Mörikes Hand: Von Höl-
derlin an seinen Kostgeber den Schreinermeister Zimmer in Tübingen
25 gerichtet u. ohne Zweifel von diesem selbst copirt. Etwa 1825.
Mörike hat das Gedicht des öfteren abgeschrieben: so in dem Brief an Her-
mann Kurz vom 26. Juni 18}8 (Briefwechsel zwischen Hermann Kurz und
Eduard Mörike, hg. von Jakob Baechtold, Stuttgart 188f, S. 94 f.; (neu)
hg. von Heinz Kindermann, Stuttgart 1919, 3.149 - die Handschrift be-
SO findet sich im Goethe- und Schiller-Archiv zu Weimar), femer auf einem
vom Freien Deutschen Hochstift zu Frankfurt a.M. verwahrten Blatt (Nr.
903
291 - 29 S Späteste Gedichte
}29fa)i auf einem Blatt der Württemhergischen Landesbibliothek zu Stuttgart
(cod. poet, et phil. 6i VI Ib) und auf einem Blatt des Schiller - National-
museums zu Marbach (Inv.-Nr, 1S6}). Alle vier Abschriften beruhen zuver-
lässig auf h; ihre geringen Abweichungen in der Interpunktion werden des-
halb unter den Lesarten ebensowenig verzeichnet wie Mörikes verschiedene 5
Versuche, den Schluß der Zeile herzustellen.
Erster Druck: Eduard Mörike: Erinnerung an Friedrich Hölderlin. Freya, Illu-
strirte Blätter für die gebildete Welt 3 (1863), S.)}7 f., insbesondre S.338.
Lesarten
Überschrift: Zimmem ausZimmer h 1 wenn üier gertr. wie h 2 weise,] 10
weise h 3 Das aus Daß h ein nach gestr. Ansatz zu H (?) h Halm]
Haben (Lesefehler Zimmmers) h 5 Der Sinn ous; Die Sein , Ä 8 Dädalus]
Dedalus h
Erläuterungen
Alkäisches Silbenmaß, mit merkwürdiger Verlängerung der dritten Zeile in beiden 15
Strophen.
Zur Textherstellung und Deutung vgl.Dichtung und Volkstum 39 (1938), S. 344f.
3 . 4 Vgl. Der Tod des Empedokles, I.Fassung, 2. Akt, gegen Ende: Bereit ein
Mahl, daß ich des Halmes Frucht / Noch Einmal koste, und der Rebe Kraft.
8 Dädalus] Vgl. fVinckelmann, Geschichte der Kunst des Altertums 1, 1, 11 20
(3, 74 Eiselein): Zulezt fing Dädalus an, . . . die unterste Hälfte dieser Her-
men in Gestalt der Beine völlig von einander zu sondern; imd weil man nicht
verstand, aus einem Steine eine ganze menschliche Figur hervorzubringen,
so arbeitete dieser Künstler in Holz, und von ihm sollen die ersten Statuen den
Namen Dädala bekommen haben. — Danach heißt es in Hölderlins Magister- 25
specimen, der Geschichte der schönen Künste unter den Griechen (gegen Ende des
ersten Absatzes): Dädalus schnizte Bilder in Holz; siehe auch Fragment van Hy-
perion 192.
DER FRÜHLING
Wenn auf Gefilden . . . 30
Das alkäische Silbenmqß deutet auf verhältnismäßig frühe Entstehung. Später wer-
den nur noch Reimstrophen geschrieben.
904
Späteste Gedichte 264-267
Oberlieferung
h: Stuttgart Ve 1 S. 48 (in dem von Christoph Theodor Schwab redigierten
Lebensobriß^.
B^ : Friedrich Hölderlin's sämmtliche Werke, hg. von Christoph Theodor Schwab,
Stuttgart und Tübingen 1S46, II 342.
Eigentümlichkeiten der Schreibung: Entzücken; die beiden ersten Ferse beider
Strophen beginnen genau untereinander.
Lesarten
6 Einsame,] Einsame. B^ 8 Freundliches] Freudiges h
10 DER MENSCH
Wer Gutes ekrt. . .
Die Unterschrift Hölderlin (statt etwa: Scardanelli) läßt auf eine verhältnismäßig
frühe Entstehungszeit schließen.
Oberlieferung
15 H: Säo Paulo (Brasilien), Dr. Bruno Htydenreich: Einzelblatt, etwa 14,5x9 cm,
alle Kanten beschnitten.
Da die letzten beiden Wörter und die Unterschrift an den sehr schmalen unteren
Rand gezwängt sind, muß das Blatt ursprünglich so niedrig gewesen sein.
Erster Druck: Franz Zinkernagel: Neue Hölderlin-Funde. Neue Schweizer Rund-
20 schau, XIX. Jahrgang von » Wissen und Leben«, 1926 (April), S. }47.
DAS FRÖHLICHE LEBEN
Nach Christoph Schwabs Angabe (im 2. Band der Sämmtlichen Werke von 1846,
S.)}2) »viel früher« als 1841 entstanden.
Oberlieferung
25 B^ : Friedrich Hölderlin's sämmtliche Werke, hg. von Christoph Theodor Schwab,
Stuttgart und Tübingen 1846, H 344f.
905
291 - 29 S Späteste Gedichte
Eigentümlichkeiten der Schreibung: jetzt, unverletzt, sitz', zuletzt, treff-
lich, Glockenschlag, worin, gibt.
Lesarten
1 9 Gemache,] Gemache B^
Erläuterungen 5
6 mir] Selbstverständlich dativus ethicus; die neueren Ausgaben ändern ohne Not
»mich«.
3 7 Natur] Auf der ersten Silbe betont wie in Griechenland ( Wie Menschen sind...
S. S06) V. 2.
DER SPAZIERGANG lo
Überlieferung
B^ : Friedrich Hölderlin's sämmtliche Werke, hg. von Christoph Theodor Schwab,
Stuttgart und Tübingen 1846, II 34^-344 (v. 2: gemalt, v. 21: Blitzen;.
DER KIRCHHOF
Nach Christoph Schwabs Angabe (im 2. Band der Sämmtlichen Werke von 1846, 15
S.332) »viel früher« als 1841 entstanden.
Überlieferung
B^ : Friedrich Hölderlin^s sämmtliche Werke, hg. von Christoph Theodor Schwab,
Stuttgart und Tübingen 1846, II 343.
Erläuterungen 20
Wenn, wie anzunehmen ist, als Silbervnaß durchgehende fünffüßige Jamben ge-
meint sind (v.l4 und 16 sind wohl versehentlich um einen Fuß zu lang), so fällt
eine Vorliebe für den Widerstreit zwischen Iktus und Akzent auf: v. 4 glänzend, v.lS
einige, v.l7 Reden.
906
' . , • if • • • •• • • ^ • V
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/ • ••
Späteste Gedichte 2 6 4 - 2 6 7
DIE ZUFRIEDENHEIT
Überlieferung
H: Marbach I fl9 und 520: Zwei Einzelblätter 16,S (17) x 20 (21) cm, alle
Kanten beschnitten; nach Ausweis des durchschnittenen Wässerzeichens
5 (Lilie) bildeten die beiden Blätter ursprünglich ein Doppelblatt; graues, fein-
geripptes Papier.
Erster Druck: Hölderlins Werke, hg. von Manfred Schneider, Stuttgart 1921,
inof
Lesarten
10 7 Freude aus Freudcs 1/ 8 Und aus Wie H 9 von Gezweigen,] (1) der
Gezwcige (2) von über gestr. der H 11 sind aus sein H 13 fragen aus
frgen H 1 6 : (1) Antwort' ich diß, das Leben ists und Sinnen. (2) Text H
19 Klarheit] danach ein Komma getilgt H beben,] beben H 2 8 giebts ein
über gestr.: ist diß H 3 4 glüket über gestr. führet H 35 entrüket aus ent-
15 züket jff 3 8 dem Leben auj; der Vorsicht üf 3 9 Vnd nach gestr. Vfena H
Antliz sich/ür g'eitr. Angesicht H veTwa.n6Le\t\ danach ein Konma getilgt H
4 1 Die nach gestr. Wenn H lebendiger aus d H Gestalt,] Gestalt H
4 3 fast ein] (1) fast, als (2) fast ein H
(NICHT ALLE T A G E . . . )
20 Um 18 }0 entstanden.
Überlieferung
h: Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv, in einem Brief des Tübinger Kost-
wirts Emst Zimmer vom 22. Dezember 18U an einen Unbekannten.
Zimmer leitet — auf der f. (vorletzten) Seite des Briefes - die Abschrift der
25 Verse so ein: Daß Hold: zuweilen seinen Zustandt fühlt ist keinem Zwei-
fel unterworfen Er machte vor ein paar Jahre folgenden Vers auf Ihn
selbst.
Erster Druck: Karl Vietor: Das Werk Hölderlins. Frankfurter Zeitung, 68. Jahr-
gang Nr.7 62, U.Oktober 192) (ErstesMorgenblatt), Seite 2.
907
291 - 29 S Späteste Gedichte
Lesarten
Überschrift: fehlt h 1 nennet] nennt h 3 liebten über der Zeile h 4
verweilten.] verweilten aus w h
Erläuterungen
Alkäisches Silbenmaß. 5
AUSSICHT
Wenn Menschen fröhlich sind . . .
Dieses und das folgende Gedicht sind, weil ohne Kompliment und Unterschrift, ver-
hältnismäßig früh anzusetzen. Bemerkenswert ist auch, daß in der Überschrift des
wohl gleichzeitigen folgenden Gedichts der Name des Adressaten genannt ist, was 10
sonst nicht vorkommt. Joh. Paul Friedrich Lebret, stud. iur. aus Augsburg, hat nach
dem »Verzeichniß der Studirenden auf der Königlichen Universität Tübingen zuAn-
fang des Winter-Halbjahrs 1829-1850«, das ihn unter der Nr. 450 nennt, bei
»Schreiner Zimmer«, gewohnt. Es war das letzte seiner drei Tübinger Semester. In
den beiden andern hatte er andre Wohnungen. Also werden die beiden Gedichte im 15
Wintersemester 1829j30 entstanden sein, was man aus dem Vermerk auf der Rück-
seite der Handschrift schließen darf (vgl. die Beschreibung der Handschrift). —
Mährlen wird im »Verzeichniß der Studirenden« letztmals im Wintersemester
1826 j 27 aufgeführt, Mörike im Sommer 1826.
Am 30. Januar 1830 schreibt Emst Zimmer an Hölderlins Schwester: Es wohnt ein 20
Herr Lebrett bei uns im Hauß, der viel Antheil an Hirem Herrn Bruder
nimmt. Er hat mir gesagt, Hölderlin sei in seines Vatters Schwester verliebt
gewesen, er bedaure Hölderlin unendlich, daß er so vmglücklich geworden sei.
Er sei früher ein TreiTlicher Kopf gewesen. (Veröffentlicht von Jakob Kocher in
der Monatsschrift Württemberg 9,1937, S. 54.) 25
Überlieferung
h : Marbach (noch ohne Inventar-Nr. — kürzlich erworben aus dem Besitz der Enke-
lin Johannes Mährlens, Frau Auguste Müngersdorf in Hiddesen bei Detmold):
Einzelblatt 9 x22 cm, Abschrift von Johannes Mährlen, zweimal quer gefal-
tet in einem von Mörike geschenkten Merkbuch verwahrt. Die beiden Gedichte 30
(Aussicht und Dem gnädigsten Herrn von LeBret) stehen, durch einen dop-
908
Späteste Gedichte 2 6 4 - 2 6 7
peltm Querstrich getrennt, dicht untereinander. - Auf der sonst leeren Rück-
seite längs dicht unter dem linken Rand der Fermerk (ebenfalls von Mährlen):
Zwei Gedichte von Hölderlin einem Studenten auf Verlangen für eine
Pfeife Tahack gefertigt.
5 Eigentümlichkeiten der Schreibung: Ernte, umgibt.
Erster Druck: Hölderlin-Jahrbuch 194811949, S. 7.
Lesarten
3 Zu scliaun] Zuschau[e]n h 7 fern] ferne h und] u. h 8 Stege]
Wege h 10 Zusammenhang] danach ein Komma getilgt h gilt] gibt h
10 15 und] u. h
D E M G N Ä D I G S T E N HERRN VON LEBRET
Zur Entstehung siehe die einleitenden Bemerkungen zu dem vorigen Gedicht.
Überlieferung
h : Marbach (s. die Beschreibung zu dem vorigen Gedicht).
15 Erster Druck: Hölderlin-Jahrbuch 194811949, S. 7.
Lesarten
Überschrift: t.'EB'R.ET]LeBiet h 4 Wenn schon] Wennschon h be-
zeuget] bezeuget, h 5 diß] dieß h 7 Würdigem] danach ein Komma
getilgt h 8 und] u. A 9 diß] dieß h 11 Schein und] Schein u. )i
20 1 2 diß] dieß h und] u. h
DER F R Ü H L I N G
Wie seelig ists . . .
Vor dem 18. Juni 18 }2 entstanden (s. die Beschreibung der Handschrift).
Überlieferung
25 H: Stuttgart VI la: Einzelblatt 17 x 21, S cm, linker und oberer Rand beschnit-
ten; rauhes, bräunliches Papier; geringe Reste eines durchschnittenen Was-
serzeichens.
909
291 - 29 S Späteste Gedichte
An unteren Rande der Rückseite:
Geschrieben von Hölderlin, ehemaligem Bibliothekar,
Verfasser des Romanen: Diotima u.s.w.
Dieses bezeugt:
Vicar Faber. 5
Kemnath d. 18*®" Jun: 1832.
Erster Druck: Friedrich Beißner: Ein neues Gedicht aus Hölderlins Spätzeit. Dich-
tung und Volkstum 39 (1938), S. }41-}44.
Lesarten
1 Stunden für gestr. Tage H 7 das aus dem Ansatz zu H(«rs) H 10 Le- 10
hen] danach ein getilgtes Komma H die aujLe(im) H (Unterschrift fehlt H)
DER HERBST
Die Sagen, die der Erde sich entfernen . . .
Von Christoph Schwab im ersten Druck unter der Überschrift datiert: Den 16. Sep-
tember 1837. 15
Überlieferung
B^ : Friedrich Hölderlin s sänvntliche Werke, hg. von Christoph Theodor Schwab,
Stuttgart und Tübingen 1846, II 34Sf.
DER S O M M E R
Das Emdtefeld erscheint . . . 20
Im Dezember IS37 entstanden (s. die Beschreibung der Handschrift).
Überlieferung
H: Tübingen, Hölderlinturm: Einzelblatt 16,3 x20,l cm, zwischen Glas (beide
Seiten beschrieben), alle Kanten beschnitten; gelbliches, feingeripptes Papier;
Rest des durchschnittenen Wasserzeichens: Rankenwerk. 25
Auf der Rückseite unten von fremder Hand: Autographum Hölderlins. /
{Decbr. 1837.)
Erster Druck: Eugen Nägele: Ein Besuch bei Hölderlin 1837. Schwäbischer Schiller-
verein Marbach-Stuttgart, 3 S. Rechenschaftsbericht 1931, S. 42-46. - Das Ge-
910
Späteste Gedichte 2 6 4 - 2 6 7
dicht steht auf S. 46 am Schluß eines Berichts von Albert Diefenbach aus Hadamar,
der es im Dezember 18S7 als 26jähriger stud, theol. bei einem Besuch vom Dichter
erhalten hatte.
Lesarten
5 5 Leben] danach ein Komma getilgt H 7 Streben] danach ein Komma ge-
tilgt H 9 neuen Farben aus: neuer Farbe H ist nach gestr. sind H 10
Bemühn aus dem Ansatz zu Be\ oder Beh H ( Unterschrift fehlt H)
DER FRÜHLING
Es kommt der neue Tag . . .
10 Überlieferung
h : Stuttgart I }6b: Abschrift von der Hand F. Bräunlins (Hölderlins Neffen).
Erster Druck: Wilhelm Lange: Hölderlin, eine Pathographie, Stuttgart 1909, S. 142.
AUSSICHT
Der oif'ne Tag ist Menschen hell . . .
15 Überlieferung
J: Arnold Wellmer: Zertrümmert. Licht- und Schattenbilder aus einem Dichter-
leben. — Über Land und Meer. Allgemeine Rlustrirte Zeitung. Band 23 (1870),
Nr. 26, S. 477-482, insbesondre S. 481.
DER FRÜHLING
20 Die Sonne glänzt . . .
Möglicherweise ist das Datum nicht fingiert.
Überlieferung
H: Marbach 9)8S: Einzelblatt 21,2 (2i,S) x 26,3 cm, alle Kanten beschnitten;
dünnes, weißes, glattes Papier ohne Wasserzeichen.
25 Erster Druck: Friedrich Hölderlin: Gesammelte Werke in vier Bänden, hg. von
Alexander Benzion, Weimar {192}), Bd. 2, S. 26S.
Lesarten
4 abwärts aus A H
911
291 - 29 S Späteste Gedichte
HÖHERES LEBEN
Dieses nach Christoph Schwabs Vermerk am 20. Januar 1841 entstandene Gedicht
gehört affenbar zu denen, die er am 21. Januar abholt; derm er schreibt an diesem Tag
in sein Tagebuch: Heute war ich wieder bei ihm, um einige Gedichte, die er
gemacht hatte, abzuholen. Es waren zwei, unter denen keine Unterschrift war. 5
Zimmer's Tochter sagte mir, ich solle ihn bitten, den Namen H. drunter zu
schreiben. Ich gieng zu ihm hinein u. that es, da %vurde er ganz rasend, rannte
in der Stube herum, nahm den Sessel u. setzte ihn ungestüm bald da, bald
dorthin, schrie unverständliche Worte, worunter: »Ich heiße Skardanelli«
deutlich ausgesprochen war, endlich setzte er sich doch u. schrieb in seiner 10
Wuth den Namen Skardanelli darunter. (Tagebuchaufzeichnungenvon Christoph
Theodor Schwab über seinen Besuch bei Friedrich Hölderlin, Faksimileausgabc in
einer einmaligen Außage von sechshundert numerierten Exemplaren durch den Ver-
lag Gerd Hatje, Stuttgart und Calw 1946.)
Überlieferung 15
H: Marbach 4}1 S: Einzelblatt 16,2 x 20,8 cm, alle Kanten beschnitten; weißes,
glattes Papier ohne Wasserzeichen.
Das Gedicht fiUlt anderthalb Seiten. Die untere Hälfte der Rückseite trägt
nur die Unterschrift, mit spitzerer Feder und in gebrocheneren Zügen, also
sichtlich später angefügt, und in der rechten unteren Ecke von Christoph 20
Schwabs Hand das Datum: (d. 20. Jan. 1841).
Erster Druck: Friedrich Hölderlin: Gesammelte Werke in vier Bänden, hg. von
Alexander Benzion, Weimar {1923}, Bd. 2, S. 263.
Lesarten
2 kennt] kent H 7 offt] davor ein Komma getilgt H 10 benennen aus 25
benn H 12 höhres] Umlautzeichen versehentlich nicht über dem o, sondern
über dem r H
Erläuterungen
4 der innem (Welt) Werth; Benzion ändert ohne Not der in den.
912
Späteste Gedichte 2 6 4 - 2 6 7
HÖHERE MENSCHHEIT
Nach Christoph Schwabs Vermerk am 21. Januar 1841 entstanden. (Bettina Arnim,
Ilius Pamphilius und die Ambrosia, Berlin 1848, II JSJ, gibt dasselbe Datum an.)
Vgl. Schwabs zum vorigen Gedicht angeführte Tagebuchaufzeichnung von diesem
5 Tage. Offenbar ist dies das andre der beiden Blätter, auf denen Schwab die Unter-
schrift vermißte. — Das bezeugtermaßen am 24. Januar 1841 geschriebene Gedicht
Höhe des Hauchen (Bruchstück 91) ist nicht mit diesem zu venvechseln.
Überlieferung
H: München, Frau Elsa Schräder: Einzelblatt 16,2 (16,!) x 20,8 cm, alle Kan-
10 ten beschnitten; gelbliches, glattes Papier ohne Wasserzeichen. Rückseite leer.
In der rechten unteren Ecke der Vorderseite Vermerk von Christoph Schwab:
(d. 21. Jan.1841); darunter von seiner Gattin Henriette: (Anmerkung v.
Prof. Christoph Schwöb)
Das Marbacher Schiller-NationalmuseumvenvahrtunterderInv.-Nr. 4)17/1
i 5 eine das Gedicht irrtümlich auf den 21. Februar 1841 datierende Abschrift von
der Hand Henriette Schwabs, die darauf vermerkt, sie habe das Original am
27 September 1902 an fVau Vrof. Klebs-Sigwart in Halle a/S. (die Mut-
ter der heutigen Besitzerin) geschickt.
Erster Druck: Friedrich Hölderlin's sämmtliche Werke, hg. von Christoph Theodor
20 Schwab, Stuttgart urul Tübingen 1846, II H7.
Lesarten
2 anerkannt]_e aus dem Ansatz zu b oder 1 1/
(DES GEISTES WERDEN .. .)
Am 18. Juli 1841 entstanden (siehe die Lesarten, v. 8a).
25 Überlieferung
h : Bremen, Fräulein Elisabeth Noltenius (aus dem Nachlaß Gustav Schwabs):
Abschrift von unbekannter Hand.
E: Bettina Arnim: Ilius Pamphilius und die Ambrosia, Berlin 1848, II 384.
913
291 - 29 S Späteste Gedichte
Lesarten
2 das Menschen] daß Menschen E 4 Reichtum] Reichthum hE sind
nach gestr. ist h Geistes aus Leb(ms) h
8 a : d.l8^5^1julil841. h (Hölderlin d. 10. Juli 1841.) E
(Das abweichende Datum macht, da Hölderlins 8 häufig als Null mißdeutet wird, es 5
wahrscheinlich, daß auch E auf der eigenhändigen Handschrift beruht.)
DER FRÜHLING
Der Mensch vergißt die Sorgen . . .
Nach Christoph Schwabs Angahe (im 2. Band der Sämmtlichen Werke von 1846,
S. } } l f ) ungefähr im Jahr 1841 entstanden. 10
Überlieferung
h : Stuttgart Vg 4®; Abschrift von unbekannter Hand.
B^: Friedrich Hölderlin s sämmtliche Werke, hg. von Christoph Theodor
Schwab, Stuttgart und Tübingen 1846, H }47.
Lesarten 15
2 blüh't] blüht B^ 3 ausgebreitet] ausgebreitet, B^ 4 schön] schon B^
5 Die Berge] keine neue Strophe B^ stehn]stahn h bedeket] bedecket B^
9 . 1 0 : Kompliment und Unterschrift fehlen B^ 1 0 : Unterschrift von andrer
Hand hinzugefügt: SkaxdaneWi h (Datum fehlt hB^)
DER SOMMER ' 20
Wenn dann vorbei des Frühlings Blüthe schwindet . . .
Nach Christoph Schwabs Angabe (im 2. Band der Sämmtlichen Werke von 1846,
S. }}lf.) ungefähr im Jahr 1841 entstanden.
Überlieferung
h : Stuttgart Vg 4^: Abschrift von unbekannter Hand. 25
B^: Friedrich Hölderlin s sämmtliche Werke, hg. von Christoph Theodor
Schwab, Stuttgart und Tübingen 1846, II H7.
914
Späteste Gedichte 293 - 294
Lesarten
2 windet.] windet, B^ 5 Daß] keine neue Strophe hB^ 7 verweilt] ver-
weilt über gestr. enteilt h enteilt B^ (h ist, auch hinsichtlich der Zeilen-
brechungen, eine diplomatische Abschrift)
5 Datum und Unterschrift fehlen B^
DER W I N T E R
Wenn blaicher Schnee . . .
Nach Christoph Schwabs Angabe (im 2. Band der Sämmtlichen Werke von 1846,
S. S}lf) ungefähr im Jahr 1841 entstanden.
10 Überlieferung
H: Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv: Einzelblatt 18,7 x 23,S cm, alle
Kanten beschnitten; festes, grau-bläuliches Papier ohne Wasserzeichen.
Auf der Vorderseite links oben von fremder Hand mit Bleistift: Ist des ungl.
Hölderlin Handschrift
15 Erster Druck: Friedrich Hölderlin's sdmmtliche Werke, hg. van Christoph Theodor
Schwab, Stuttgart und Tübingen 1846, U 346. (Das Gedicht ist auch abgedruckt
von Bettina Arnim: Ilius Pamphilius und die Ambrosia, Berlin 1848, U 382 f.)
Lesarten
4 sich aus der i y 8 dennoch] denoch iif 9 mit der Blüthen Schimmer]
20 mit Blüthen / Schimmer H 1 6 imgemeßner aus ungemeßnet H (Unter-
schrift fehlt H)
Erläuterungen
2 . 4 blinkt / sinkt] Einziger männlicher Reim seit etwa 1830.
Bettina Arnim schreibt (Ilius Pamphilius und die Ambrosia, Berlin 1848, H 380 f.)
25 über dieses Gedicht und drei andre,nämlich Höhere Menschheit (S. 290), Überzeugung
(S. 360), (Des Geistes Werden...) (S. 291): Ich ... schicke Dir hier einliegend
die versprochnen Hölderlinschen Gedichte, die Du nicht ohne Theilnahme
lesen können wirst. Es ist etwas tief Ergreifendes darin, die Wahrheit des
Gemüths und der Poesie, die durch die Nebel des Verstandes durchbricht
30 wie die Sonne im Herbst. Das erste ist eine treue Schilderung der Aussicht aus
915
291 - 29 S Späteste Gedichte
seinen Fenstern. Er hat ein schmales Zimmerchen oben in dem kleinen Haus
eines Tischlers unter den äußersten der Stadt das Erlcerartig abgerundet auf
den Neckar sieht und ein Thal bis fern an erhöhten Waldhorizont, und diese
Aussicht ist seine einzige Freude und fast das Einzige, worin er eine Sympa-
thie mit den andernMenschen empfindet und in seinem Wesen äußern kann. 5
Ich war auch in dem Stift, in dessen Klostermauem er mit dem Hegel zu-
sammen erzogen ist, und wo sich seine feine Organisation abgeschlossen von
der Welt noch empfindsamer gebildet hat. Die Studenten werden darin noch
jetzt dort so gehalten.
Die andern drei Gedichte athmen für mich ordentlich fühlbar eine hohe 10
ideale Geistigkeit, die gleichsam in ihrer Kindlichkeit stehen geblieben ist,
und bewegen mich wunderbar, indem sie an die Kluft führen, wo das Wort
sich dem Verstände entzieht und nur noch unmittelbarer Rhythmus des innem
Seelenlebens scheint.—
WINTER 15
Wenn sich das Laub . . .
Vielleicht ist das Datum nicht fingiert.
Überlieferung
H: Stuttgart,Ministerialrat Dr. Fritz Kauffmann: EinzelUatt 20,S (20,7) x 29,4
(29,f)cm, alle Kanten beschnitten; bräunliches, glattes Papier ohne Wasser- 20
zeichen. Rückseite leer.
Das Gedicht ist von einem früheren Besitzer mit einer Bleistiftdoppellinie
umrandet und in ein Mbum eingeklebt worden. Ursprüngliche Besitzerin war
Luise Reiniger, die es ihrem 1923 verstorbenen Neffen Heinrich Keller vererbt
hat; von dessen Nichte, Fräulein Dr.H.L. Keller, hat es 19S1 der jetzige Be- 25
sitzer erworben.
Bisher nicht gedruckt.
Erläuterungen
7 . 8 daß sich zu hohem Bilde Sich zeiget] Das erste Pronomen sich ist als Dativ
zu verstehen. 30
916
Späteste Gedichte 264-267
DER W I N T E R
Das Feld ist kahl . . .
Nach Christoph Schwabs Vermerk im Januar 1842 entstanden.
Überlieferung
5 H: Marbach 4314: Einzelblatt 26,S x 28,7 cm, alle Kanten beschnitten; weißes,
glattes Papier ohne Wasserzeichen. Rückseite leer.
In der linken unteren Ecke von Christoph Schwabs Hand: (Hölderlin im
Jaii. 1842)
Erster Druck: Hölderlins Werke, hg. von Manfred Schneider, Stuttgart 1921,
10 lUOO. Lesarten
1 glänzet über gestr. schimmert H 4 Helle aus Hellen H 7 Gewimmel
aui Gemme H 8 Leben.] Leben, H Dair\it bricht das Gedicht ab; die sonst
gewohnte Unterschrift fehlt.
15 DER SOMMER
Noch ist die Zeit des Jahrs . . .
Nach Christoph Schwabs Vermerk am 9. März 1842 entstanden.
Überlieferung
h : Marbach 431J: Einzelblatt, Abschrift von der Hand Christoph Schwabs.
20 Erster Druck: Friedrich Hölderlin: Gesammelte Werke in vier Bänden, hg. von
Alexander Benzion, Weimar {1923), Bd. 2, S. 286.
Lesarten
3 prächtig nach gestr. br h (vielleicht die Vorlage genau nachahmend)
6 Strale] Strahle h
25 Unterschrift: darunter: (Hölderlin d. 9. März. 1842.') h
917
291 - 29 S Späteste Gedichte
DER FRÜHLING
Wenn neu das Licht . . .
Möglicherweise ist das Datum nicht fingiert.
Oberli eferung
H: Nürnberg, Deutsches Sängermusewn: Einzelblatt, Folioformat; weißes, glat- 5
tes Papier ohne Wasserzeichen.
Faksimile: Auktionskatalog LXXV, Karl Ernst Henrici, Berlin lh-1 S.März
1922, Nr. 49} (S. 71).
h : Marbach 4)16: Abschrift von der Hand Christoph Schwabs, mit dem Ver-
merk: (Das Original in die Autographensammlurg v. Künzel geschenkt.) 10
Erster Druck (von dem Faksimile abgesehn): Friedrich Hölderlin: Gesammelte
Werke in vier Bänden, hg. von Alexander Benzion, Weimar {192)), Bd. 2, S. 266.
DER HERBST
Das Glänzen der Natur . . .
Am 12. Juli 1842 entstanden (s. die Beschreibung der Handschrift). Dieses Datum 15
wird von Herwegh (s. unten) bestätigt. — Christoph Schwab dagegen fügt am Ende
einer von ihm angefertigten und im Nachlaß des Stuttgarter Rechtsanwalts Dr.Gu-
stav Schwab überlieferten Abschrift die Bemerkung an: (Hölderlin, d. 15. Nov.1841.)
Überlieferung
H Cologny bei Genf, Sammlung Martin Bodmer: Einzelblatt 20,8 x)2,) cm, 20
alle Kanten beschnitten; weißes, glattes Papier ohne Wasserzeichen. Die bei-
den letzten Ferse und das Datum stehen im oberen Drittel der sonst leeren
Rückseite.
Vorn am oberen Rande links von unbekannter Hand: Autographie v. Hölder-
lin; rechts: Tübingen d. 12. Juh 1842. 25
Erster Druck: Stephan Zweig: Ein ungedrucktes Gedicht von Hölderlin, Garten-
laube 1927, S.149.
Vgl. auch Margarete Klinckerfuß: Aufklänge aus versunkener Zeit, Urach 1947,
918
Späteste Gedichte 264-267
S.ll,wo eine Aufzeichnung Georg Herweghs aus dem Jahr 1842 abgedruckt ist, mit
einem (nicht ganz korrekten) Zitat dieses Gedichtes.
Lesarten
8 wehen] danach ein Komma getilgt H 11 des hellen] des helles (Schreib-
5 fehler) H \che\.'\ danach ein Komma getilgt H
DER S O M M E R
Im Thale rinnt der Bach . . .
Am 1 h Juli 1842 entstanden (s. die Beschreibung der Handschrift).
Überli eferung
10 H: Tübingen, Dr.Gerhard Elwert: Einzelblatt 21 x 32,S ( } } ) cm, alle Kanten
beschnitten; festes, bräunliches, glattes Papier ohne Wasserzeichen. Die
Rückseite ist leer. Am unteren Rande der Vorderseite von unbekannter Hand
folgende Vermerke: unter dem Datum: = (13 . Juli 18'1'2.); darunter:
+ 7. Juni 1845; unter der Unterschrift: (Hölderlin), geh. 2 0 . M ä n 1770
15 gest. 7.Juni 1843 cf. Schw.(äbischer} Merk.<ur) u. St(aati)Anz.(ei|^cr)
{N. 66.) V. 20. März 1870. ; darunter, in sechs längeren Zeilen: Stud. Haber-
maaß, der in Schreiner Zimmers Haus wohnte, machte mir u. Freund
Keller Gelegenheit, den wahnsinnigen Dichter H. zu sehen u. zu spre-
chen, indem er denselben einlud in Habermaaß Z i m m e r eines Nach-
20 mittags einen Kaifee mit uns zu trinken. Bei dieser Gelegenheit schrieb
uns auf Ersuchen der unglückliche Dichter obige Verse ex tempore
nieder. Wenn wir ihn bei s. Namen nannten, ließ er's nicht gelten, son-
dern erwiederte: »Sie sprechen mit H E . Rosett i« . Er war schrecklich
komplimentös.
25 Erster Druck: Hölderlin-Jahrbuch 1947, S. S.
Lesarten
3 Laube ruu:h gestr. Brei H
919
J O l - S02 Späteste Gedichte
DER SOMMER
Die Tage gehn vorbei . . .
Nach dem Vermerk van unbekannter Hand auf der Rückseite der Handschrift ge -
schrieben im Juli 1842.
Überlieferung 5
H: Marbach )7219: Einzelblatt 20,! (19,S) xH, } cm, alle Kanten beschnitten;
weißes, glattes Papier ohne Wasserzeichen.
Am unteren Rande der Vorderseite von der Hand Lotte Zimmers: vor einige
Tage schrieb Er dieses, unterschreibt aber i m m e r diesen Namen, u
lebt in seinen Gedanken, i m m e r i m 1 8 — Jahrhundert. 10
Erster Druck: Norbert von Hellingrath: Hölderlin. Zwei Vorträge, Münchenl921,
S. 82.
D E R M E N S C H
Wenn aus sich lebt . . .
Möglicherweise ist das Datum nicht fingiert. 15
Überlieferung
h ; Cologny bei Genf, Sammlung Martin Bodmer: Abschrift von Heinrich Czolbe
auf dem rückwärtigen Vorsatzblatt eines aus seinem Besitz stammenden Hy-
perion-Exemplars (2. Auflage, Stuttgart und Tübingen 1822).
Erster Druck (mit Faksimile): A. Seehaß: Ein unbekanntes Gedicht Hölderlins aus 20
der Zeit seiner Umnachtung. Deutsche Gedichte in Originalhandschriften zum
ISO jährigen Bestehen der Firma in einer einmaligen Auflage von SSO Exemplaren
gedruckt und den Mitgliedern der Schweizerischen Bibliophilen-Gesellschaft zur
Jahresversammlung in Basel am 17.118. Juni 1950 überreicht vom Erasmushaus
»Haus der Bücher A.G.« Antiquariat Basel. Bäumleingasse 18, Seite {14} f . 25
Lesarten
8 immerdar ] davor, eingeklammert: da h
920
Späteste Gedichte 302-f 04
Erläuterungen
Heinrich Czolbe (1819-187}) hat als Heidelberger Student auf einer Ferienreise
durch Schwaben vermutlich im Jahr 1842 Hölderlin in Tübingen besucht (vgl.
Eduard Johnson in der Altpreußischen Monatsschrift 10, 1873, S. 338-352). -
Erwähnungen Hölderlins in Czolbes Büchern: Neue Darstellung des Sensualismus.
Ein Entwurf, 18SS, S. 203; Entstehung des Selbstbewußtseins. Eine Antwort an
Herrn Professor Lotze, 18S6, S. 33; Die Grenzen und der Ursprung der mensch-
lichen Erkenntniß im Gegensatze zu Kant und Hegel. Naturalis tisch-teleologische
Durchführung des mechanischen Princips, 186S, S. 280.
10 DER W I N T E R
Wenn ungesehn . . .
Am 7. November 1842 entstanden (s. die Lesarten).
Überli eferung
H: Cologny bei Genf, Sanmlang Martin Bodmer: Einzelblatt 20,8y.32,6 cm,
15 drei Kanten beschnitten, an der linken ist das Blatt vom vollen Bogen abge-
trennt; weißes, glattes Papier ohne Wasserzeichen. - Auf der sonst leeren
Rückseite steht von Kerners Hand: Gedicht von Hölderlin aus seiner lezten
Lebenszeit.
Erster Druck: Insel-Almanach 1911, Leipzig, Im Insel-Verlag, S.1S7.
20 Lesarten
7 Alsdann] Als dann H 8 glänzet] glänzet H
Datum: darunter von fremder Hand: d Nov: 18'1'2. H
DER W I N T E R
W e n n sich das Jahr geändert . . .
25 Überlieferung
H: Stuttgart, Fräulein Helene Kern: Einzelblatt 26,3 (26,f)x4},l cm, linke
Kante gerissen, die andern beschnitten; weißes, glattes Papier ohne Wasser-
921
291 - 29 S Späteste Gedichte
zeichen. Das Blatt ist dreimal quer, einmal längs gefaltet. Die frische Schrift
ist auch besonders in der unteren Hälfte des Blattes abgedruckt. Die Rückseite
ist leer.
Erster Druck: Hölderlin-Jahrbuch 1947, S. 5.
Lesarten
2 vorüber auip H 4 Yerwei\cia]davor verdeutlichend einv H 5 verschie-
den in den Zeiten] verschieden, in den Zeiten, H 8 vorzüglich aus
vort(reflich) H
Datum: die 2 aus einer 4 geändert H
DER W I N T E R lo
Wenn sich der Tag des Jahrs . . .
Überlieferung
H: Marbach 26977: Einzelblatt 20 x 31,4 cm, alle Kanten beschnitten; schwach
bläuliches, glattes Papier ohne Wasserzeichen.
Unten rechts Bleistiftvermerk van unbekannter Hand: Aus Uhlands Nachlaß. 15
Erster Druck: Friedrich Hölderlin: Gesammelte Werke in vier Bänden, hg. von
Alexander Benzion, Weimar {1923), Bd. 2, S. 261.
Lesarten
1 hinabgeneiget aus hinabgeneit H 5 Pracht] Praht H
G R I E C H E N L A N D 20
Wie Menschen sind . . .
Entstanden am 30. Januar 1843 (siehe die Lesarten).
Überlieferung
h : Stuttgart I 36 a: Abschrift von unbekannter Hand.
Erster Druck: Wilhelm Lange: Hölderlin, eine Pathographie, Stuttgart 1909, 25
S. 142.
922
Späteste Gedichte 306-WS
Lesarten
2 öfters] öfters h 8 a Unterthänigkeit] Unthcrthänigkcit h Datum:
1748 aus 1848 h darunter; (30 t. Jan. 1843) h
Erläuterungen
5 2 Natur] Auf der ersten Silbe betont wie in dem Gedicht Das fröhliche Leben v. 37.
DER FRÜHLING
Der Tag erwacht . . .
Überlieferung
H: Luzem, Bürgerbibliothek, in dem Manuskriptband M 364jfol., betitelt:
10 »Autographensammlung aus dem Nachlaß Xaver Schnyders von Wartensee,
Musiklehrer und Kapellmeister in Frankfurt (1786—1868)«. Einzelblatt
19,2 (19,9) X 28,2 cm; bräunliches, glattes Papier ohne Wasserzeichen.
Auf der sonst leeren Rückseite vermerkt Schnyder: Hölderlins Handschrift.
W e n i g e Monate vor seinem Tode geschrieben.
15 Bisher nicht gedruckt. Erläuterungen
8 Dieser Vers ist, wenn nicht nach bilden ein einsilbiges Wort versehentlich aus-
gefallen ist, von einer sonst nicht zu beobachtenden metrischen Unregelmäßigkeit.
DER FRÜHLING
20 Die Sonne kehrt . . .
Im Jahr 1843 entstanden (s. die Beschreibung der Handschrift).
Überlieferung
H: Cologny bei Genf, Sammlung Martin Bodmer: Einzelblatt 20,8 x 32,6 cm,
alle Kanten beschnitten; weißes, glattes Papier ohne Wasserzeichen. Rück-
25 Seite leer.
Von F.Bräunlin, der auch die Abschrift von fremder Hand (Stuttgart I 36c)
mit Bleistift durchkorrigiert und um Datum und Unterschrift ergänzt hat, ist
923
291 - 29 S Späteste Gedichte
(ebenfalls mit Bleistift) die Jahreszahl 1758 gestrichen und durch 1843 er-
setzt sowie darunter der Vermerk beigefügt worden: In seinen lezten Tagen
geschrieben.
Erster Druck: Wilhelm Lange: Hölderlin, eine Pathographie, Stuttgart 1909,
S. 142.
Lesarten
3 der über der Zeile H erscheint] vielleicht, unter Einwirkung desselben fVortes
in V. 2, verschrieben statt erschließt 4 Lieder aus dem Ansatz zu G (?) H
6 des aus der H 8 auch über der Zeile H
DER F R Ü H L I N G lo
W e n n aus der T ie fe k o m m t . . .
Der von Baumeister 1894 an den unteren Rand geschriebene Vermerk (s. die Be-
schreibung der Handschrift), das Gedicht sei an Hölderlins 74.Geburtstag entstan-
den, ist an sich zwar irrig; doch scheint ihm eine mündliche Überlieferung zugrunde
zu liegen, derzufolge das Gedicht sehr spät anzusetzen ist, möglicherweise auf den 15
73. Geburtstag, den 20. März 1843.
Überli eferung
H: Marbach 48214: Einzelblatt 20,7 X. 32,Sem, alle Kanten beschnitten; weißes,
glattes Papier ohne Wasserzeichen.
Unter dem Datum: D ß . Gedicht i.vurde mir besorgt von Paul Mutschier, 20
gestorb. i m A f a i 1844. Aus dem Nachlaß des H E . Oberamtmann Ca-
merer ( f 1893, Tüb.) durch die W i t w e m i r übergeben, 1894. - Bau-
meister. In der rechten unteren Ecke von derselben Hand: (an s.
Geburtstag)
Erster Druck: Otto Güntter: Ein Gedicht aus Hölderlins Spätzeit. Schwäbischer 25
Schillerverein Marbach-Stuttgart, 42. Rechenschaftsbericht 1938, S. 81 f .
Lesarten
1 kommt über der Zeile H
924
Späteste Gedichte 264-267
DER ZEITGEIST
Johann Georg Fischer in seinem Aufsatz über »Hölderlin's lezte Ferse« (Schwäbi-
sche Kronik, des Schwäbischen Merkurs zweite Abtheilung, II. Blatt, Nr. 159;
•SiJuli 1881, S.12S6): Mein lezter Besuch geschah i m April 43. W e i l ich im
5 iMai Tübingen verließ, bat i ch ihn u m ein paar Zeilen zum Andenken. » W i e
Ew. Heiligkeit be fehlen« , sagte er, »soll i ch Strophen über Griechenland,
über den Frühling, über den Zeitgeist?« Ich bat um »den Zeitgeist«. Nun
trat er, und mit einem Auge voll jugendlichen Feuers, an seinen Stehpult,
nahm einen Foliobogen uBd eine mi t der ganzen Fahne versehene Feder her-
10 aus vmd schrieb, m i t den Fingern der linken Hand die Verse auf dem Pult
skandirend, und nach Vollendung jeder Zeile mit Kopfnicken ein zufriedenes
deutliches » H m « ausdrückend, folgende Verse: (es folgt der Text).
Nach dem fast weinenden Danke, den ich ihm tmter Händereichung aus-
drückte, sah ich ihn nicht wieder. Zwei Monate darauf wurde er begraben.
15 Das Original des Gedichts hat mir ein gar zu eifriger »Sammler« nicht wie-
der gebracht, aber es bleibt mir lebenslang in's Gedächtniß geschrieben.
Fischer hat über seinen letzten Besuch bei Hölderlin (übrigens in Begleitung seiner
theologischen Freunde Brandauer und Ostertag) noch einmal berichtet in seinem
Aufsatz »Aus Friedrich Hölderlins dunkeln Tagen« (Deutsche Revue über das ge-
20 samte nationale Leben der Gegenwart 14 (1889) IIIS. 86-89).
(Der Artikel »Hölderlins letzte Ferse« von Ottomar Keindl im Prager Tagblatt vom
}. Oktober 1920 ist nur ein Exzerpt aus Fischers Darstellung in der Schwäbischen
Kronik.)
FREUNDSCHAFFT
25 Am 27. Mai 184) entstaruien (s. die Beschreibung der Handschrift).
Überlieferung
H: Tübingen, Universitätsbibliothek: Einzelblatt 21,2 x )},1 cm, alle Kanten
beschnitten; weißes, glattes Papier ohne Wasserzeichen. Rückseite leer.
Am unteren Rand der Vorderseite: Vorstehendes Gedicht ist von dem
30 wahnsinnigen Dichter H ö l d e r l e n am 27^55 Mai 1843 aus dem Steg-
925
291 - 29 S Späteste Gedichte
reife niedergeschrieben worden. Die Unterschrift ist die des von i h m
in seiner Geisteskrankheit angenommenen Namens. Tübingen,
Mai 1843. R . M o h l O .B . (das ist: Oberbibliothehar).
Erster Druck: Friedrich Hölderlin, Gesammelte Werke, hg. von Wilhelm Böhm,
Zweite, vermehrte Auflage, Jena 1909, II 393.
Lesarten
5 ist aus in H 6 Die aus De H sind aus den H
DIE AUSSICHT
W e n n in die F e m e geht . . .
Überlieferung 10'
H: Homburg J 19: Einzelblatt 20x31 cm, alle Kanten beschnitten; schwach
bläuliches, glattes Papier ohne Wasserzeichen.
Die Rückseite ist leer. Am oberen Rande der Vorderseite von Bräunlins
Hand: In Tübingen von Hölderlin in seinen leiten Lebenstagen ge-
schrieben. 15
Faksimile: Hölderlin, Sämtliche Werke, historisch-kritische Ausgabe, begon-
nen durch Norbert v. Hellingrath, fortgeführt durch Friedrich Seebaß und Lud-
wig V. Pigenot, 6. Band, Berlin 1923, nach S. SO.
Erster Druck: Friedrich Hölderlin: Gesammelte Werke in vier Bänden, hg. von
Alexander Benzion, Weimar (1923), Bd. 2, S. 289. 20
Lesarten
8 Den aus D e m H
926
PLÄNE U N D BRUCHSTÜCKE
In düser Jheilung stehen neben blqßen Plänen und Überschriften vor allem solche
kleineren Bruchstücke, die sich nicht mit ganzer Sicherheit auf ein vollendetes Ge-
dicht beziehen lassen. Sie sind größtenteils von Hellingrath im 4. Band seiner Aus-
5 gäbe zuerst gedruckt worden.
1 Überlieferung
B^: Friedrich Hölderlin's sämmtliche Werke, hg. von Christoph Theodor
Schwab, Stuttgart und Tubingen 1846, H 266 f . (in der angehängten Le-
bensbeschreibung): In dem Felsenspalte bei dem benachbarten, durch
10 Wilh. Hauffs Pfeifer bekannt gewordenen Dörfchen Hart, wo einst
Herzog Ulrich von Württemberg sich vor den Spähern des schwäbi-
schenBundes geborgen, las er dem zärtlich geliebten Halbbruder manch-
mal begeistert aus Klopstocks Hermannsschlacht vor (vgl. den Brief vom
13.Oktober 1796) und dem »Winkel von Hart« war auch eines seiner
15 ersten Gedichte gewidmet, das jedoch mit vielen andern durch die
Nachlässigkeit eines Freundes verloren gegangen seyn soll.
Vgl. das 180} entstandene Gedicht Der Winkel von Hahrdt.
2 Überli eferung
H: Stuttgart I 4} S. 3 (s. die Beschreibung 1, 334); unter den Varianten zu
20 (Adramelech) v. 2—4; Zierschrift, mit lateinischen Buchstaben stark unter-
mischt.
Erster Druck: Friedrich Hölderlin. Sämtliche Werke und Briefe, Kritisch-historische
Ausgabe von Franz Zinkernagel, S. Band, Leipzig 1926, S. 197.
927
316-} 17 Pläne und Bruchstücke (10-13)
3 Überli eferung
h : Stuttgart IV S Nr. 12: Magenau an Hölderlin, 1 O.Juli 1788. - Vgl. Bd. 1 :
3S1, 29-}2.
4 Überlieferung
h : Stuttgart IV S Nr.l2: Magenau an Hölderlin, lO.Juli 1788: Das Lied des 5
Schweden, ist von den 2. lezten das bessere. Nur hats einige prosaische
K-lechse zE. Aber ich will nimmer leben, es erwekt statt der Be-
wvindrung: einen Ärger über den Kerl, Schlafenden, der Soldat spricht
nicht so, er will liegen unterm Haufen, sein Schwerd unterm Haupt.
Brüllen spielen, unrein! Mord u Tod! Hätten Sie ihn lieber an sn. 10
Schwerd appelliren lassen, wie er aufgefaren wäre mit einem wütenden
Huh! So wie der aufs höchste gereizte Kater ins Holz knirscht, eben
so hätte der Schwede (, denn gefangen wird er doch wol gewesen se)'n,)
nach sm. ferne ligenden Schwerd greifen können.
5 Überlieferung 15
H: Stuttgart IV 3 a Nr. 4.
In dem undatierten Nürtinger Brief an Neuffer vom Dezember 1789 (Nach
langer Zeit imterhalt' ich mich...J berichtet Hölderlin; In einigen glük-
lichen Stunden arbeitete ich an einer Hymne auf Kolomb die bald fertig
freilich auch viel kürzer, als meine andern ist. Das Gedicht ist verschollen. 20
Derselbe Vorwurf wird später noch einmal vorgenommen (vgl. S. 242—245).
6 Überlieferung
H: Stuttgart IV 3 a Nr. 4.
In dem undatierten Nürtinger Brief an Neuffer vom Dezember 1789 fNach
langer Zeit unterhalt' ich mich. . . ) heißt es: Shakespeam hab' ich auch 25
eine (Hymne) gelobt. Zur Ausführung dieses Plans ist es wohl nicht ge-
kommen.
7 Überlieferung
h: Stuttgart, Landesbibliothek (Hölderlin-Archiv) cod. poet. 4" Nr. 196 Blatt
39'": Exzerpt Gustav Schlesiers aus einem Stuttgarter Brief Gotthold Stäud- 30
lins an Hölderlin vom 4. September 1793. Darin heißt es: Zuerst preisend
928
316-} 17 Pläne und Bruchstücke (10-13)
über ein vollendetes Gedicht . Wahrhaft lyrisch sei die Stelle: An der. . .
stehn, W i l d h a r r e n d in der f u r c h t b a r e n R ü s t u n g , Jahrtausende.
Offenbar handelt es sich um ein verschollenes Gedicht Hölderlins. Mit den
drei Punkten bezeichnet Schlesier wohl ein für ihn unleserliches Wort.
5 8 Überlieferung
H: Homburg BS, unter der ersten Niederschrift des Wanderers.
Fielleicht stellen diese Verse den ersten Ansatz zu (Hyperions Schiksaalslied)
dar (vgl.l, SS6 f.), vielleicht auch — und deshalb sind sie hier nochmals ab-
gedruckt - den Anfang eines selbständigen Gedichts.
10 Lesarten
1 : (1) Hab' (2) Habt ihr (3) Sorgenfreie (+) Mühelose (5) Text H
9 Überlieferung
H: Stuttgart I } S. 8 (s. die Beschreibung Bd. 1 S. SOS), über dem ersten Entwurf
der Ode Empedokles (1,240).
15 Lesarten
1 könnt' nach gestr. nennt H 1. 2 nennen / Und schweigcn] (1) nennen
und / Sch (2) nennen / Und (a) Sch (b) schweigen H
Erläuterungen
Das Bruchstück ist als Anfang einer Frage aufzufassen. Die zweite Zeile deutet
20 darauf hin, dqß eine Ode im alkäischen Silbenmaß geplant war; der erste Vers wäre
dann noch nicht endgültig gestaltet.
2 von der schönsten der Heldinnen] Vgl. Bd. 1: S61, lS-17.
1 0 Überlieferung
H: Stuttgart III 9b, S. 2 des zweiten Doppelblattes (s. die Beschreibung 1, SS8),
23 unter dem ersten Bleientwurf der Elegie Achill.
Lesarten
Überschrift: Die Verjüngung, (in der Mitte der Seite, mit einem Punkt dahin-
ter: also unbedingt als Überschrift aufzufassen, nicht etwa als verworfener erster
Anfang des Textes) H
929
316-} 17 Pläne und Bruchstücke (10-13)
I D^s] Die (statt Sonnenlicht sollte also zuerst Sonne folgen) H vergangne
über gestr. die H
Mit einer Zeile Zwischenraum folgt ein Satz, der wohl das Konzept zu dem Anfang
eines Briefes an Diotima darstellt:
Es ist ein unaussprechlicher Dank in mir, (1) m (2) Liebe, daß der /der / 5
himmlische Frühling auch mir / , / noch [noch] Freude giebt, H
II Überlieferung
H: Stuttgart I )9 S. 17 (s. die Beschreibung 1, 619 f.).
Zwischen der Überschrift und der einzigen Zeile des Entwurfs bleibt ein leerer
Raum von etwa 8 cm. 10
1 2 Überlieferung
H: Stuttgart, Landesbibliotheh: Gotthold Friedrich Stäudlin: Musenalmanach
fürs Jahr 1792, Stuttgart (Abt.: deutsche Dichter 8°), Hölderlins Hand-
exemplar, S. 112. 113; mit Bleistift an den Rändern der ersten beiden Seiten
der Hymne an die Freiheit (Wie den Aar im grauen Felsenhange...). 15
Erster Druck: Friedrich Beißner: Palingenesie. Ein neuentdeckter Entwurf Hölder-
lins. Iduna, Jahrbuch der Hölderlin-Gesellschaf11 (1944) S. 76-87.
Lesarten
Überschrift: Palingenesie. aus Palinges H 1 zum Niedergang] i.Niederg.
H 2 Gesang] Ges. H 5 und] u. i f Triumph] Triuph H trüge] 20
trüg H 1 Kher über gestr. Ja., H SLUch später eingefügt H dem aus den H
7. 8 Vergangenes und] Verg. (1) s(ieht) (2) u. H 10 Buch ist] unsicher,
weil sehr verwischt H bekannt] bek. i f 1 0 . 1 1 durch die] die beiden
Gedankenstriche so in H beut] unsicher, weil sehr verwischt H
Erläuterungen 25
Siehe die im Anschluß an den ersten Druck versuchte Deutung.
1 3 Überlieferung
H: Stuttgart, Laruiesbibliothek:GottholdFriedrichStäudlin:Musenalmanachfürs
Jahr 1792, Stuttgart (Abt.: deutsche Dichter 8°), Hölderlins Handexemplar,
S.1S3; mit Bleistift über der Überschrift des Hymnus an die Göttin der Harmonie. 30
930
Pläne und Bruchstücke ( 1 3 - 1 6 ) U7-31S
* Erläuterungen
Vgl. Buonaparte v. 7 (1, 2^9); Der Jrchipelagusv. 2S1.
1 4 Überlieferung
H: Stuttgart 16 B/./O" (s. die Beschreibung S. 377); am oberen Rande der Seite,
5 auf deren oberer Hälfte noch das Bruchstiick 15 steht (auf der unteren Hälfte
die Epigramme Sophokles, {Der zürnende Dichter}, {Die Scherzhaften},
Wurzel alles Übels-Bd. 1 S. 30S).
Erläuterungen
Zu der offenbar später darunter gesetzten Überschrift Gesang der Musen am Mit -
10 tag (Bruchstück IS) besteht wohl keine Beziehung. Ein ähnliches Motiv enthält Der
Rhein v. 182f.
1 5 Überlieferung
; Stuttgart I 6 El. 44' (s. die Beschreibung S. J77 ) ; am oberen Rand einer
Seite des Aufsatzes {Über die Verfahrungsweise des poetischen Geistes}.
15 ; Stuttgart I 6 Bl.46''; am oberen Rand der letzten Seite des Aufsatzes {Über
den Unterschied der Dichtungsarten}.
H^ : Stuttgart I 6 Bl. /Ö« (vgl. Bruchstück 14).
Lesarten
Überschrift: (1) Gesang der Hören am Mittag. H' (3) Gcs H^ (5) Gesang
20 der [Hören] am Mit(«a^.) (4) Gesang der Musen am Mittag. H ^
Der Vermerk über die Katastrophe des geplanten Gedichts ist nur in H^ überliefert,
etwa Scm unter der Überschrift:
Katastr. [Ikarus.] Phaeton. H ^
1 6 Überlieferung
25 H: Stuttgart I 6 Bl.Sl^ (s. die Beschreibung S. 377). Der Entwurf breitet sich
über die ganze, sonst leere Seite aus.
Erster Druck: Hellingrath 4, 241.
Lesarten
Überschrift: (1) Die [neuesten] Richter (2) Zu Sokrates Zeiten. / / 4 wer ]
931
3 1 6 - } 17 Pläne und Bruchstücke ( 1 0 - 1 3 )
weri (Vorwirkung des folgenden Wortes) H 5 einige uor gcsfr. Volk. H 7
denn] den H i z t ? ] izt. H 8 ein üier ^ertr. das H 9.später einge-
fügt H 9 eAlerc aus el H 1 1 . 1 2 : (1) ruf ich dich / Alter Dämon! wie-
der! (2) ruf ich / Alter Dämon! dich herab i i f
8 —17 : mit einem schrägen Strich getilgt; dafür am linken Rand: Nachwelt. H 5
1 7 Überlieferung
H: Stuttgart 114 SJ(s. die Beschreitung S. 591) : cm oberen Rand einer Seite des
Entwurfs (H^) zu Brod und Wein (v.SSff.), vor diesem Entwurf niederge-
schrieben.
Lesarten 10
Über dem unterstrichenen Vermerk Empedokles auf dem Ätna, ebenfalls unter-
strichen: Der blinde Sänger.; darüber, nicht unterstrichen: Menons Klagen u m
Diot ima / Seitenstük zum Wanderer ; zwischen dem Vermerk Empedokles auf
dem Ätna, urul dem Entwurf zu Brod und Wein: Überschrift Und Entwurf der An-
fangszeile zum Gang aufs Land (H') und der Vermerk Oceaniden. 15
Erläuterungen
Empedokles auf dem Ätna bedeutet nicht etwa die Ode Empedokles (1, 240), son-
dern entweder die dritte Fassung des Dramas oder, noch wahrscheinlicher, eine neue
(nicht ausgeführte) Ode.
1 8 Überlieferung 20
H: Stuttgart III SS.}u.4 (s. die Beschreibung S. S28): Zeile 1-4 aufS. J in der
oberen Hälfte, darunter der Entwurf zu Dichtermuth (H^), Zeile 5-9 auf
S. 4. Lesarten
7 Nacht aus T H wandle aus wandel H 25
1 9 Überlieferung
H: Stuttgart I 6 Bl.52'' (s. die Beschreibung S.i77); 11 cm unter dem oberen
Rand einsetzend. Unter diesem Entwurf: Der Cyprier (doppelt unterstr.);
darunter wieder: Tinian (H^ — siehe S. 873). Alle drei Bruchstücke werden
schließlich von dem ganz oben beginnenden Entwurf zu Sapphos Schwanen- 30
gesang (Thränen — H^) überwuchert.
932
Pläne und Bruchstücke ( 1 9 - 2 2 ) }20-)21
Lesarten
Zwischen der Überschrift und der ersten Z,eile ist Raum für etwa 3 Zeilen gelassen. H
1 Obernacht' aus Übernachten H 2 A lb luf t ] b aus dem Ansatz zui H 5
KahnTahrt aus Kan H
5 2 0 Überlieferung
Ii: Stuttgart 16 BI.S2' - vgl. An meine Schwester (Bruchstück 19 - Überliefe-
rung).
2 1 Überlieferung
H: Stuttgart 16 Bl. 52^ (s. die Beschreibung S. 377).
10 Erläuterungen
Die das geplante Gedicht in sieben Abschnitte disponierenden Schlagworte stehen
hart am linken Rand. Klima wird zuerst weiter rechts niedergeschrieben, dann aber
gestrichen und links noch einmal gesetzt, damit Raum für die Ausführung bleibe.
Offenbar entsprechen die sieben Abkürzungen rechts unter der Überschrift den sieben
15 disponierenden Schlagworten links: sie geben für die sieben Abschnitte den » Wechsel
der Tone« (idealisch, naiv, heroisch usw.) an — vgl. die ästhetischen Aufsätze im
4. Band.
Nach der Verwerfung des so skizzierten Plans wird die Seite zu drei verschiedenen Auf-
zeichnungen benutzt: in der linken Spalte stehen das (zweimal untereinander nicder-
20 geschriebene) Schema der araiken sapphischen Strophe (vgl. S. SIS f.) und der Vor-
entwurf zu Frühlingsanfang (Bruchstück 30), in der rechten das Versschema der
Parodos aus der Antigone des Sophokles (vgl. Band S). Die metrischen Schemata
haben also, wie ausdrücklich betont sei, weder mit dem Plan zu Ovids Rükkehr nach
Rom etwas zu tun, noch auch allgemein mit dem » fVechsel der Töne-<.
25 2 2 Überlieferung
H: Stuttgart I 39 S. 11 (s. die Beschreibung 1, 619 f.).
Lesarten
4 möchtest aus dem undeutlichen Ansatz möcht H von] von von (beide Male
eiru breite Lücke vor dem Wort; das zweite aus m. korrigiert) H 6 gehest] gestest
30 (Schreibfehler) H Flam<m>en aus dem undeutlichen Ansatz Flam H
933
)21 - 322 Pläne und Bruchstücke (23-26)
2 3 Überlieferung
H: Stuttgart I 39 S. 9 (s. die Beschreibung 1, 619 f.).
Lesarten
2 —4 : später eingefügt, in dieser Reihenfolge:
(1) die thö<n'^en> 5
(2) doch auch die thörigen Kinder
weifen mit Steinen
dann darüber und davor:
Aber sie schmähn
Schütteln gewalt<ig') den Baum H 10
7 das Wetter] der (1) Weit (? Schreibfehler) (2) Wetter H 8 Aber du
üfer ^ertr. Und willst H Gesang] Gesicg (Schreibfehler) H '10 Zuaus^ H
2 4 Überlieferung
H: Stuttgart 139 S. 9 (s. die Beschreibung 1, 619f.).
Lesarten 15
1 Kind aus Kei H 2 Schöne gestr. u. unterpunktet H 3 und] (1) unmittel-
bar an stehest anschließend: u (2) nach einer Lücke: und H
2 5 Überlieferung
H: Stuttgart I 39 S. 9 (s. die Beschreibung 1,619 f.). Der Vermerk steht in der
rechten oberen Ecke. 20
Erläuterungen
Vgl. Bd. 1 S.JS3 Z. 14-17
Zinkernagel (S, IS3) ordnet zu diesem Vermerk die Zeilen 2—4 des Bruchstücks 23
(Sybille). Diese würden indes, wenn sie zu der in der rechten Ecke stehenden Über-
schrift gehörten, nicht so weit links, unter der Überschrift Sybille, einsetzen. Auch 25
stimmen die 7,eilen inhaltlich nicht zu Buonaparte, der damals noch in seinem Aufstieg
begriffen war.
2 6 Überlieferung
H: Stuttgart I 39 S. 9 (s. die Beschreibung 1, 619 f.).
934
316-} 17 Pläne und Bruchstücke (10-13)
Lesarten
4 : ( l )Ach l (a)d (b)genug (2) Text H 7 Öfters üicrg-ejtr.: Manches aber
H dich aus sie II 8 so wollte aus: es will H heilige aus heiige U
Natur.] Punkt für getilgtes Äomma H 10 Du aus Ich H 11 habt a u i g / /
5 Erstlinge] Erstlichen (Schreibfehler) H 14 dann aus so H 15 Sterb-
lichen] die erste Silbe gestr. u. unterpunktet H
Erläuterungen
6 Dieser Vers deutet darauf hin, daß Hexameter (oder Distichen) geplant sind.
11 Erstlinge] Vgl. Stimme des Volks v. }9f. und die Erläuterung z. St.
10 2 7 Überlieferung
Siehe Bd. 1: 627,11-21.
2 8 Überlieferung
H: Stuttgart I )} S. 2 (s. die Beschreibung S. 6)2).
Lesarten
15 In einer Zeile nebeneinander stehen zwei Überschriften zu geplanten Gedichten, jede
für sich unterstrichen: Der Gotthard. Tinian. A'ur der zweite Plan ist ausgeführt
worden (S. 240f.).
29 Überlieferung
H: Stuttgart I S. S (s. die Beschreibung S. 6S2).
20 Lesarten
1 Und wenig Wissen über: Zu wissen wenig H 2 Sterblichen aus g H
3 —5 : I : am oberen Rand:
Wohl blik ich, schöne Sonne! zu dir,
Und nenne deinen Nahmen, (1) wie sprach ich auch
25 Ein größers aus? wie sollt ich nicht, du
(2) wohin auch sonst
Am heiigen Maitag sollt ich, als du
Blüthe der Blüthen! zu dir mich wenden ?
935
)21 - 322 Pläne und Bruchstücke ( 2 3 - 2 6 )
I I : unten:
W a r u m , o schöne Sonne, (1) genügt mir n icht ,
Du Blüthe meiner Blüthen! am Maitag dich
Zu nennen? weiß ich höhers denn?
(2) genügst du m i r 5
Du Blüthe meiner Blüthen! am Maitag nicht
Was weif j ich höhers denn? H
6 —8 : 1: am oberen Rand;
(1) [Doch thör i cht i s ts ]
(2) Dir dank ich 10
I I : unten: Text H
Erläuterungen
Beabsichtigt sind alkäische Strophen.
3 0 Überlieferung
W : Stuttgart I 6 Bl. (s. die Beschreibung S. 577;.• Vorentwurf. 15
H^ : Stuttgart I 6 Bl. ST': Ausführung; zwischen dem Schluß des ersten Entwurfs
und den beiden letzten Strophen der zweiten Niederschrift zu der Ode Das
Ahnenbild.
Erster Druck: Hellingrath 4, 2S9.
Lesarten 20
Der Vorentwurf lautet:
Goldne Traume.
[Wandern] möcht ich
Wandern
Holder Frühling. 25
Siegeswagen,
Göttl ich Jahr, H ^
936
Pläne und Bruchstücke (19-22) }20-)21
Lesarten der Ausführung (H^):
Überschrift: (1) mit dunkler Tinte und sperriger Feder: Frülilingsahndung.
(2) mit blasser Tinte wid weicher Feder wie auch das ganze folgende Bruchstück:
anfang. über gestr. ahndung. H^ 2 werden] davor ein Komma getilgt H^
5 5 Ach aui So H^ Au fehlt hP doch auj m i c h H^ uns üJcr g'cifr. m i c h H^
6 Siegeswagen aus Sei H^ f reundl ich] (1) schönes (2) göttl ich (3) freund-
lich i f » 7 h i l f t ] hift yVcis\ieit]dariiber,wiedcrgestr.:KlM{gheit) H"
nicht] davor,nicht getilgt,ein Komma H^ 8 Ruhig nui Ruhend wirkend]
(1) schaffend (2) wirkend (3) zürnend (4) wirkend H^ 8 wandeln bis 9
10 wi r ] ( l ) w e c h s r (2) wandl ich / ( a ) Mi t (b)Ni f c j Von einer Zeit lu anderen
[ for t ] (a) hin (/?) w i r 9 mit] darüber ein nicht ausgeführter Ansatz: e H^
10-12: 1 0 : (1) Denn so gebeut ein höheres (a) m (b) W o r t mir selbst,
(2) Doch wenn es (a) gälte, wenn
15 ffc; galt 'wenn
(c) gält'u Einer (a) das Vaterland
(ß) des Herzens Recht
I : (y) die Liebe mir
11 : (1) Und [auch] (a) das [Recht]
20 (b) mein Vate(rland>
(2) Die
(3) Und Freund' und Mannesehre
12 : (1) Schä
(2) Schmähte ( a ) so ruhe und (a) und
25 (/3) l ieb ' ich n i m m e r !
(b) dann ruht ich und liebt' ich nimmer!
I I : (<5) die Liebe schmäht
(e) das Herz un/n/s schmäht
a : 1 1 : (1) Und Freu
30 (2) Nicht Ruh
1 2 : (1) Gönnt
(2) Gönnet dann ruhte dann liebt' es nimmer!
b : 1 1 : Nicht Ruh imd Lieb und Ehr' ihm
12 : Gönnet, dann ruhet, dann (1) l iebt es
35 (2) liebts auch n i m m e r ! H ^
937
)21 - 322 Pläne und Bruchstücke ( 2 3 - 2 6 )
Erläuterungen
Das Silbenmaß wandelt die alkäische Strophe ab, indem der dritte Vers beide Male
(v.7 und 11) um zwei Silben verkürzt ist.
3 1 Überlieferung
H: Stuttgart I 9 S. 3 (s. die Beschreibung S. S74). 5
Lesarten
Überschriften und Kennzeichnungen des Inhalts stehen bei diesem und den nächsten
Plänen ohne äußere Unterscheidung so untereinander:
Tasso an Leonoren
Abschied von ihr. 10
An Siegfried Schmidt
W i l l k o m nach dem Kriege
Kleists Tod .
H
Erläuterungen 15
Tasso wird auch in Bruchstück TO erwähnt.
3 2 Überlieferung
H: Stuttgart I 9 S. 3 (vgl. das vorige Bruchstück).
Möglicherweise ist der folgendePlan mit diesem einer und derselbe, so W i l l -
kom nach dem Kriege als Kennzeichnung des Inhalts auf zufassen wäre. Sieg- 20
fried Schmid, der als Kadett bei den Koburger Dragonern in der Armee des
Erzherzogs Karl diente, hatte am IS. jipril 1800 seinen Abschied erhalten. (Vgl.
Christian Waas: Siegfried Schmid aus Friedberg in der Wetterau, der Freund
Hölderlins, Hessische Volksbücher66-69, Darmstadt 1928, S. 98.) Der Vermerk
ist vielleicht die erste Spur der Elegie Stutgard, die dem Freunde gewidmet ist. 25
3 3 Überlieferung
H: Stuttgart I 9 S. 3 (vgl. Bruchstück 31 und 32).
Handelt es sich hier nicht um eine inhaltliche Erläuterung zu dem geplanten
Gedicht An Siegfried Schmidt (Bruchstück 32), sondern um eine selbständige
Überschrift, so könnte die Ode {An eine Verlobte) (S. 32) gemeint sein. 30
938
Pläne und Bruchstücke ( 1 9 - 2 2 ) }20-)21
3 4 Überlieferung
H: Stuttgart 19 S. 3 (vgl. Bruchstück 31).
Erläuterungen
Christian Ewald v. Kleist, in der Schlacht bei Kunersdorf verwundet, starb am
5 24. August 1759 zu Frankfurt a. d. Oder.
3 5 Überlieferung
h : Heidelberg, Landgerichisdirektör Dr. Arnold; in einem Brief des cand. theol.
Karl Ziller vom 2S.Juni 1S22 sehr wahrscheinlich an Carl Goch: Ich möclite
wissen ob Vomers Landgut, wovon hier auch ein Bruchstück folgt,
10 unter seinen (ß.. i. Hölderlins} übrigen Schriften ist. ein sehr interessan-
tes W e r k mußte dieß an und für sich liefern; in dem Bruchstück fand
ich ganz den der Idylle eigenthümlichen Ton, und die glüklichste Nach-
ahmung des Griechischen Epos, beides mit hohem dichterischen
Schwung dennoch ausgeführt.
15 Allem Anschein nach war das verschollene Bruchstück im Silbenmaß der Idylle
und des Epos, also im stichischen Hexameter abgefaßt; es kann darum nicht,
wie Böhm 2, 326 f . vermutet, mit der Elegie Der Gang aufs Land identisch
sein.
3 6 Überlieferung
20 H: Stuttgart 114 S. } (vgl. die Lesarten des Bruchstücks 17).
Erläuterungen
Der Vermerk ist nicht als Überschrift geformt. Das Wort Oceaniden deutet vielmehr
nur den Stoffkreis eines geplanten Gedichts an.
3 7 Überlieferung
25 H: Stuttgart I 6 B1.17^ (s. die Beschreibung S. 377); vgl. die Lesarten zu dem
Gedickt Hälfte des Lebens.
Faksimile: Friedrich Hölderlin. Sämtliche Werke und Brief e. Kritisch-histo-
rische Ausgabe vonFranz Zinkernagel, S.Band, Leipzig 1926, nach S.SS4.
Erster Druck: Hellingrath 4, 246.
939
)21 - 322 Pläne und Bruchstücke ( 2 3 - 2 6 )
Lesarten
Überschrift: (1) Der Hirsch. (2) I m Walde H 1 : (1) E (2) Du edles
Wi ld . H 2 u. hüllet sich ein ins über gestr.: (1) d (2) denn inniger H
verschämte aus fC?J H 3 . 4 u. daß er bewahre /n , / den auj; zu bewahren,
daß H 4 Flamme ouiFa H 5 Und auj Da(rum) H imd höhere ] (1) u. 5
[al le] (2) u. höhere H M a c h t ] Macht / M a c h t / H 6 feh len] danach
ein Komma getilgt H vollbringen aus voll /oliye^ndm) H der Güter nac/i
gestr.: und darum ist H 8 untergehend] untergend H 9 damit aus
daß H 1 0 ihr Göttlichstes nach gestr. das H allerhaltende L iebe . ] die
letzten S Silben stehen wegen Platzmangels in der linken unteren Ecke des Blattes IS''. 10
3 8 Überlieferung
H: Homburg F 41 (s. die Beschreibung S. SSO), mitten auf der sonst leeren Seite.
Lesarten
1 bleibt aus bleibet H 4 immer] imer H
Erläuterungen 15
Vgl. die Erläuterungen zu dem Odenentwurf Buonaparte (1, Sf}).
3 9 Überlieferung
H: Homburg G 14"' (am oberen Rande der Seite, über v. 2f dritter Fassung des
Gesangs Der Einzige; früher als die Niederschrift dieser Fassung und ohne
Zusammenhang mit ihr. 20
4 0 Überlieferung
H: Homburg F SS (s.die Beschreibung S. SSO), als Überschrift oben auf der
sonst leeren Seite. Ein Zusanunenhang mit dem Entwurf auf S. 84 (..meinest
du / Es solle gehen...) ist nicht sehr wahrscheinlich.
4 1 Überlieferung 25
H: Homburg F 87 (s. die Beschreibung S. SSO), auf der unteren Hälfte der sonst
leeren Seite.
Da S.SS und 86 leer sind, ist ein Zusammenhang mit dem auf S. 84 stehenden
Entwurf (.. meinest du / Es solle^ehen...) und mit der Überschrift Luther
940
Pläne und Bruchstücke (41 - 45) }26-327
oben auf der sonst leeren Seite S 3 (wie ihn Zinkernagel S, 177 annimmt) nicht
sehr wahrscheinlich.
Lesarten
5 häl t ] häht (Schreibfehler) Ii 6 die uns gönnet Gott über der Zeile (da die
5 ursprünglich ausgesparte Lücke zu schmal ist) H Gott , ] Gott H 6 das Le -
benslicht bis 8 E n d ] später mit breiter Feder und dunklerer Tinte (nachdem Lebens-
l icht als mißfallend unterstrichelt ist):
die Geheimnißfrenndin
Die gesellige, die auch (1) pflanzt in Italia
10 (2) waltet in Gärten in Italia Pomeranzen pflanzt
(a) Uai(e)
(b) We i th in , Gott woll.
An unser End H
Rechts neben v. S, ebenfalls mit breiter Feder und dunkler Tinte: orbis ecclesicB H
15 4 2 Überlieferung
H: Homburg F 90 (s. die Beschreibung S. 380), in der rcchten Spalte, etwas über
der Seitenmitte; eher als die erste Niederschrift der Anfangsstrophe zu Mne-
mosyne (dritter Fassung).
4 3 Überlieferung
20 H: Homburg F SS, als Überschrift oben auf der sonst leeren Seite. (Auch S. S6 ist
leer.)
4 4 Überlieferung
H: Homburg F 66, im oberen Drittel der Seite über v. S4 des Entwurfs {An die
Madonna). ( Unter der 1. Zeile bleibt Raum für 2 Zeilen.)
25 4 5 Überlieferung
H: Homburg F 30, rechts neben v. S7 f . des Entwurfs Die Titanen.
Erläuterungen
Vgl. Friedrich Beißner: Hölderlins Übersetzungen aus dem Griechischen, Stuttgart
1933,S. S4.
941
)21 - 322 Pläne und Bruchstücke ( 2 3 - 2 6 )
4j6 Überlieferung
H: Homburg F 70 (s. die Beschreibung S. SSO), auf der sonst leeren Seite; später
werden noch die Bruchstücke 68, 82 darauf niedergeschrieben.
Lesarten
1 wir aber singen] genau gegenüber, auf S. 71 der Handschrift, der neue Ansatz: 5
Wir singen aber H 2 a : später, mit andrer Tinte und Feder: Pest Hungers-
noth H
3. 4 : später, rechts daneben: (1) d
(2) und das Horn
des Wächters [be]<i> 10
bei Nacht H
ygl.Bruchstück 48 v.l7. In diesen Zusammenhang gehören wohl auch, mit derselben
breiten Feder und dunklen Tinte wie dieser Zusatz, die Ferse unter den Worten W i r
singen aber auf S. 71:
Wie bei Nacht, wenn einer 15
Mit Trommeten reiset
Oder mit Fakeln. H
7 Gesang nach gestr. Os H 9 nennest aus nennen H
4 7 Überlieferung
H: Homburg F72 (s. die Beschreibung S. 380). 20
Lesarten
4 . 5 : mit einem schrägen Strich getilgt H 4 und besonders gestrichen H
5 zerschmettert, vor cstr. es Flammen gleich über der Zeile H 13 Con-
radin aüi Cond H 14 Ugolino] Ungolino H 1 7 . 1 8 : in breitem Abstand am
unteren Rand H 18 scheiden aus scheidet H Frieden aus Frei 1 / 25
Erläuterungen
Vgl. Bruchstück 48.
3 Das Wachstum vernehmlich] Vgl. {Der Ister) v. 39 und die Erläuterung z.St.
4 der syrische Boden ] In der Lücke davor sollte wohl ein mit vernehmlich v. 3
korrespondierendes Prädikat stehen — ähnlichen Sinnes wie Patmos, I.Fassung, 30
V. 68—72; siehe dort die Erläuterung.
942
Pläne und Bruchstücke (41 - 45) } 2 6 - 3 2 7
9 Friedrich mit der gebißnen Wange] ^uch »der Frcidige« zubenannt (12S7—
1324), Markgraf von Meißen und Landgraf von Thüringen; schon als Knabe nach
Konradins Tod (1268) von den lombardischen Ghibellinen aufgefordert, als Enkel
Friedrichs II. Ansprüche gegen Karl von Anjou zu erheben.
5 12 ,13 Barbarossa / Der Conradin] Vgl. Stutgard v.SO f . und die Erläuterung
z. St.
14 Ugolino] Die Geschichte des ghibellinischen Grafen Ugolino wird in Dantes
Göttlicher Komödie (Hölle, }}.Gesang) erzählt. Vgl. auch die 1768 erschienene
Tragödie Ugolino von Heinrich Wilhelm von Gerstenberg.
10 15 Eugen] Vgl. Am Tage der Freundschaftsfeier v. 37 und die Erläuterung z. St.
16 Himmelsleiter] Vgl. Bruchstück 66 v. 2.
4 8 Überlieferung
H: Homburg F 77 (s. die Beschreibung S.3S0), in der rechten Spalte neben dem
ersten Entwurf des Gesangs auf Kolomb, früher als die späten Erweiterungen
15 dieses Entwurfs.
Lesarten
1 Mahomed j. ] Das Kreuz steht so in der Handschrift; es verweist auf das später un-
mittelbar darüber, am oberen Rand, festgehaltene Motiv aus dem geplanten Gesang
auf Mahomed, das im Text als Fußnote abgedruckt ist. 8 Heinrichs aus s H
20 (wahrscheinlich Ansatz zu s(ein); daraus könnte man schließen, daß die Zeilen
8—11 später angefügt worden sind, und zwar statt an Zeile 3 versehentlich hier;
Zeile 12. IS bezögen sich dann ursprünglich auf Peter den Großen) 10 er fehlt H
11 starb aus sp H
Erläuterungen
25 1 So] Genau so wie Kolomb (siehe die Beschreibung der Handschrift), dessen Name
unmittelbar links daneben als Überschrift steht, sollen auch die hier genannten Män-
ner in Gesängen gefeiert werden.
Rinald] Vgl. Kolomb v. 21 und die Erläuterung z. St.
2 Barbarossa] Vgl. Stutgard v. 50 und die Erläuterung z. St.
30 3 Kaiser Heinrich] Zeile 8—11 lehren, daß Heinrich IV. gemeint ist. Der Alpen-
übergang ist seine Bußfahrt nach Canossa 1077. Vgl. Patmos, Bruchstücke der späte-
ren Fassung v.l60 f . Sein älterer Sohn Konrad, von Gregor VII. und der Mark-
943
)21 - 322 Pläne und Bruchstücke ( 2 3 - 2 6 )
gräßn Mathilde zur Empörung wider den Vater verleitet, verliert durch ein Fürsten-
gericht den Anspruch auf Nachfolge; er stirbt im Jahr 1101.
6 Demetrius Poliorcetes] Sohn des Antigonus, eines der Diadochen Alexanders
d. Gr., lebte von }37—28} v. Chr., König von Macedonien. Vgl. Wieland, Agatha-
dämon 4.Buch, vorletzter Absatz (Werke C', Bd. >2, 1799, S. 211 f.). 5
7 Peter der GroIJe] Russischer Zar 1689-172/.
14 Conradin] Vgl. Stutgard v. S1 und die Erläuterung z. St.
1 7 das Horn des Wächters bei Nacht ] Vgl.Bruchstück 46 v. 3 f . (Lesarten); und
das Horn des Wächters bei Nacht.
4 9 Überlieferung ' 10
H: Homburg F 82, neben v. 141-144 des Entwurfs Kolomb.
Erster Druck: Friedrich Beißner: Hölderlins Übersetzungen aus dem Griechischen,
Stuttgart 193 3, S. 29.
Erläuterungen
LoyotÄ (mit deutschen Buchstaben geschrieben) = loyautd. 15
Die griechischen Verse, fortlaufend geschrieben, aus Pindar, Olymp. 13, 6—11,
nach der Ausgabe von Christ. Gottl. Heyne^ Göttingen 17 98: 'Ev r^ {seil. KogCv&tp)
yäg Eivo/iUx vcdet, xaafyvrjral t e etc.; zu deutsch: Eunomia und ihre Schwestern, der
feste Grund der Städte, die unerschütterliche Dike und die gleichgeartete Eirene,
Haushälterinnen des Reichtums für die Männer, die goldenen Töchter der gut raten- 20
den Themis. — Eunomia, Dike und Eirene (Ordnung, Gerechtigkeit und Friede) sind
die Hören. Vgl. Bd. 1: 373,10-21.
5 0 Überlieferung
H: Homburg J f , am unteren Rande der Seite, die v. 69—91 des Gesangs Am
Quell der Donau überliefert. 25
Lesarten
3 um nach gestr. am H 4 w e i l ] w e i l / d i e / H 1 Seele ] danach ein zu til-
gendes Komma H
Erläuterungen
5 Röhren des Lebens] Vgl. An den Jether v. 9; auch Heimhtnft v. 91. 30
944
Pläne und Bruchstücke (41 - 45) }26-327
5 1 Überlieferung
H^ : Homburg F i6 (s. die Beschreibung S. S80), unter v.l4 des später auf diese
Seite geschriebenen Entwurfs (^Sonst nemlich, Vater Zevs...).
H- : Homburg F 31, am unteren Rande der Seite, in dem freien Raum nach v.79
5 des Entwurfs Die Titanen.
Lesarten
(1) gestr.: Bei Thebc u. Tiresias / Zu kalil ist der Boden. H^ (2) Text fseyn
aus zu) H^
5 2 Überlieferung
10 H: Homburg F 69, in der oberen Hälfte der linken Spalte, über und neben dem
in der rechten Spalte niedergeschriebenen Bruchstück 61 und über dem Entwwf
(iVenn nemlich der Rebe Saft...) (S.207).
Lesarten
1 ]ezt7] gestr.; darüber, wieder stark gestr.: mm? H 2 Feldherr auj Fed H
15 Aaü, vicrm einer'käme, mit dunklerer Tinte über der Zeile H 3 vorgegeben mit
dunklerer Tinte über der Zeile H 6 . 7 : mit härterer Feder; zweifelhaft, ob zuge-
hörig H 7 Das vor gestr. gol(dne) H
5 3 Überlieferung
H: Homburg F 40, am oberen Rande der sonst leeren Seite ohne Tinte (wahr-
20 scheinlich mit einer nicht zugeschnittenen Feder) eingeritzt.
Erster Druck: Friedrich Beißner: Kleiner Hölderlin-Fund. Dichtung und Volkstum
37 (1936) S. S14f
5 4 Überli eferung
H: Homburg F 67, auf der sonst leeren Seite; später schieben sich die Bruchstücke
25 63, 64, 6S, 66 in die Lücken.
Lesarten
2 . 3 : (1) und genährt zu seyn / V o m Schönen (2) Text H
5 5 Überlieferung
H: Homburg F 64, am oberen Rand über v. 9 des Entwurfs {An die Madonna}.
945
)21 - 322 Pläne und Bruchstücke ( 2 3 - 2 6 )
Lesarten
2 GelehrtensentimentaKitüt) H
Erläuterungen
1 Joseph] Obgleich dieser Vermerk am Rande des Entwurfs (An die Madonna} nie-
dergeschrieben ist, wird der Name Joseph nicht das Haupt der Heiligen Familie bedeu- 5
ten, sondern den Kaiser Joseph H.
3 Friedrich] Waiblinger, der den kranken Hölderlin oft besuchte, fand es (wie er
in seinem Aufsatz über Friedrich Hölderlin''s Leben, Dichtung und Wahnsinn berich-
tet) einmal befremdend, daß er das Porträt Friedrichs des Großen an der
Wand hängen hatte, und fragte ihn deshalb. Er sagte mir : »Das haben Sie 10
schon einmal bemerkt, Herr Baron« ; imd ich erinnerte m i c h nun selbst, es
wohl viele Monate vorher bemerkt zu haben.
4 Rabener] Gottlieb Wilhelm Rabener, 1714—1771, satirischer Schriftsteller. -
Daß er gegen Friedricli ohne Vorurteil war, beweist sein Brief an Geliert vom
18. Januar 1757, der in seinen S'dmmtlichen Schriften, Leipzig 1777, Bd. 6 S.244- 15
249, abgedruckt ist.
5 6 Überli eferung
H: Homburg F70, zwischen den Zeilen 4 und 7 des Bruchstücks 46.
Lesarten
3 bewerkstelliget] bewerkstelligkeit H 5 Nachdenklich nach gestr. 20
Nicht H 6 Oder aus Ni H
5 7 Überlieferung
H: Homburg F )8, wohl ohne Beziehung zu dem Entwurf Heimath, von dem die
Überschrift und eine Zeile oben auf derselben Seite stehen.
Lesarten 25
1 Manne aus der H 2 Ist ous Die H lebt aus leh H 3 L iebe ] sog-icic/i
bei der Niederschrift eingeklammert H 4 und] u. (Uber dieser Zeile Raum für
etwa 4 Zeilen) H hätt er aus: hat er H
946
Pläne und Bruchstücke (58 -CO)
5 8 Überlieferung
H: Homburg J rechts neben v. 91 des Gesangs Am Quell der Donau. A'ur die
Überschrift.
5 9 Überlieferung
S H; Homburg J am linken Rand und zwischen den Zeilen der beiden Schluß-
strophen des Gesangs Am Quell der Donau. Hellere (H") und duMere (H^)
Tinte.
Lesarten
1 : spater vorgefügt H^ 2 Klopstok aus Klok H" 5 scheint auj scheints
10 / f » 6 : später eingefügt H^ 7 göttlichbüßend üier Ar ZciVc / f " 9 : (Er)
hätte Flammen (u)om Altäre (später eingefügt; die ergänzten Buchstaben sind
am Rand abgerissen; von dem Wort Er ist die Oberlänge erhalten) H'> 1 1 - 1 7 :
später angefügt IJ'' 11 Ob aber H'' zwischen den beiden untereinander
stehenden Zeilenhälften v.lO: (. •. (abgerissen)} wür er / (ou)ch Prometheus H"
15 {(n)annigfaltig H^ 12 { . . . )aber H^ 13 vorauszusagen auj vorherzu-
sagen H^ 14 (...(?)) wie H'' Wagen] AYagen fin der Erde/ H'>
1 5 . 1 6 Aber es sind / I m ] (1) Aber sonst auch sind / Im (2) Aber (ej) sind /
Im H "
Erläuterungen
20 2 Klopstok] Daß Hölderlin ein Gedicht auf den verewigten Klopstok erwogen
hat, mag man aus dem Vermerk am oberen Rande des Blattes schließen, auf das
spater die Übersetzung aus dem Oedipus Coloneus des Sophokles geschrieben wird
(Homburg H Zu Altona hat ein Unbekannter 40 L u i d o ( r / » r ein) Gedicht
auf den verewigten Klopstok deponirt. Die Univ(erji)tät Göttingen und die
25 Herren Wieland xmd Herder soK/m) den ausgesezten Preis zuerkennen.
(Textverlust durch Abreißen der rechten Ecke.) — Klopstock war am 14. März 180)
gestorben.
15 In der Erde Gesczen] Vgl.Brod und Wein v. S9 H^^ (Lesarten); Mnemosyne,
Fassung, V. 12; Antigonä v. )S4 (HS).
30 6 0 Überlieferung
H: Homburg J 14", unter v. 164 des Entwurfs {An die Madonna).
947
)21 - 322 Pläne und Bruchstücke ( 2 3 - 2 6 )
Lesarten
3 Geschiehet CM Geschieht Geschiehet etwas um ] (1) Geschiehet u m
(2) Geschiehet einem um (3) Text H Schläfe, vor gestr. wenn H n i cht ]
nichts H 4 verstehen unterste. H eines W e g e s ] (1) einer (2) ein ander-
mal (5) Text H 5 Ein Freier herausgeht] (1) Selbst einer herausgehet 5
(2) ein (a) E(dler ("?;> (b) Freier herausgeht H
Erläuterungen
3 Schläfe] Vgl. Mnemosyne, 3.Fassung, v. 40.
4 . 5 eines Weges . . . herausgeht] Vgl. Der Einzige, 2.Fassung, v. 59.
6 1 . 6 2 Überlieferung 10
I I : Homburg F 30, rechts neben v. SO—SS des Entwurfs Die Titanen: zuerst Nr.61
neben v. S2—SS, dann Nr. 62 neben v. S0—S4 (die letzten drei Zeilen zwischen
den Anfangszeilen des Bruchstücks 61).
Erster Druck; Ludwig Strauß: Ein Ifymnehbruchstück Hölderlins. AiS unbe-
kannten Schriften, Festgabe für Martin Buber zum SO. Geburtstag, Berlin 1928, 15
S. 141-14S.
Lesarten
des Bruchstücks 61: 2 heben aus T (?) H 3 : Süßen Ton der Heimath oder
( 1 ) / A d l e r (2) Adler (3) die Schneegans H 4 Den aus ?,{ehnend (?)) H
5 Erdkreis aus Ei H 20
des Bruchstücks 62: 1 der Wanderschaft ] des Wanderschaft Cspäter üier cfer
Zeile nachgefügt) H
Erläuterungen
Bruchstück 62 v. 4 Gemeingeists] Des Bacchus; vgl. Der Einzige, 3.Fassung,
V. 7S—98, Ansatz II Zeile 19: Gemeingeist Bacchus. Auch dort wird sogleich 25
Christus mitgenannt. Siehe die Erläuterung zu v. S2 der 2. Fassung des Einzigen.
6 3 Über Ii eferung
H: Homburg F 67 (s. die Beschreibung S. 380), später auf den Zeilen 1 und 2
des Bruchstücks S4 niedergeschrieben.
948
Pläne und Bruchstücke (41 - 45) }26-327
6 4 Überlieferung
Ii: Homburg F 67 (s. die Beschreibung S. 380), später zwischen den Zeilen 6 und 7
des Bruchstücks S4 niedergeschrieben.
6 5 Überlieferung
5 H: Homburg F 67, v. 1 zwischen den beiden Zeiten des Bruchstücks 64, das übrige
zwischen den Zeilen 7 und 9 des Bruchstücks S4.
Lesarten
1 Streifen] Streife (•?; H 3 Künstlern] Künstler / i ' 4 D e m Hirsch, der ]
(1) D e m Thier , das (2) D e m Hirsch über: D e m Thier H
10 Erläuterungen
3. 4 gleich Dem Hirsch, der schweifet in der Hi ize ] Vgl.Der Einzige, J.Fas-
sung, V. S7—60 und die Erläuterung z. St.
6 6 Überli eferung
Ii: Homburg F 67, in der rechten Spalte der Seite, neben den Zeilen 8 und 9 des
15 Bruchstücks S4.
Erläuterungen
2 Himmelsleiter] Fgl. Bruchstück 47 v. 16.
6 7 Überlieferung
H: Homburg F69 fj. die Beschreibung S. 380), rechts neben Bruchstück 52.
20 Lesarten
3 Nelken, gezogen über der Zeile H 6 dort aus wenn H 7 mein Sohn
über der Zeile H
Erläuterungen
5 . 6 Musik / Des Eingangs] Vgl. Pindar, Pyth.l, S—7 in Hölderlins Übersetzung.
25 6 8 Überlieferung
H: Homburg F 70, rechts neben Bruchstück S6, zwischen den Zeilen 4 und 7 des
Bruchstücks 46.
949
Pläne und Bruchstücke (68 — 71)
Lesarten
4 eine reine Stätte ] (1) einen reinen Ort. {2) Stätte für gestr. Ort. H
6 9 Überlieferung
H: Homburg J17' (s. die Beschreibung S. 816).
Lesarten 5
3 Theseus] Theuseus H 1 saßen aus sizen H 1 a •. ein Schnörkel als Feder-
probe, wohl kaum als Unterschrift ^.(ölderlin) zu deuten (vgl. Hellingrath 4, i79)H
7 0 Überlieferung
H: Homburg J2K
Homburg J 2—h Doppelblatt 21,S x 34 cm, alle Kanten beschnitten; festes, 10
bräunliches, geripptes Papier; Wasserzeichen: Bl. 2: K HAAS; Bl. h Sprin-
gender Löwe, in einer Pranke ein kurzes Schwert haltend, in einer flachgebo-
genen Umhegung; darüber: P R O P A T R I A .
Inhalt: 2'': Von der Fabel der Alten; 2": Bruchstück 70; J''"; Übersetzung
aus Pindar, Pyth.l, 2f-32; }8 f ; Sl-S); S7 J.; 64-69; 74-82 alter 15
Zählung.
Lesarten
Die Worte sind mit ganz vernutzter Feder kaum leserlich geschrieben. Ganz unsicher
deutbar sind: 1 greve 2 Sagen; zweifelhaft: 5 herzungewisse
Erläuterungen 20
4 Tasso] Fgl. Bruchstück )1: Tasso an Lenoren / Abschied von ihr.
7 1 Überlieferung
H: Homburg F76, links neben (und über) den Bruchstücken 72, 7 i , 74, 7S, 76.
Lesarten
1 Heidnisches aus Heidniches H 25
5 zurük.] Nach diesem Wort zunächst in einem Abstand von etwa 6 Zeilen, als
Schluß eines Verses: dran schuldig, und darunter wieder in einem Abstand von
S Zeilen: ein Gewissen. Nun setzen knapp 4 Zeilen unter v.S die Worte Mein ist
(v. IS) ein und werden bis V. 19 durchgeführt (17 Auch aus So). Dann erst werden.
950
Plane und Bruchstücke ( 7 1 - 7 + ) }}7-}3S
mit spitzerer Feder, die Ferse S—IS ergänzt und eingefügt, von v.lO ab am linken
Rand. Die wiederholten Worte Mein ist stellen den Anschluß her. H
5 n i cht ] mit Abstand rechts daneben (Feder des Bruchstücks 73): Ho (wohl der
Anfang des Namenszugs, als Federprobe) H 6 roh vor g-cjlr.; , gleich H 7
5 M i t ] M i t t ü / 8 Vicm\\c\\]Verdopplungsstrichüher demm getilgt H 1 1 . 1 2 :
Gemeinen gleich, d i e / D i e , gleich i i ' 13 Edeln] (1) El (2) Edl (3) E d e l n / /
Erläuterungen
2 Jo Bacche] Id) Bdxxe, der kultische Anruf des Dionysos.
1 6 . 1 7 Das neide / Mir keiner] Vgl. Dem Allbekannten u.
10 1 8 Das Kccht des Zimmermannes] Der Zimmermann versieht den von ihm für
den Bau zubereiteten Balken mit seinem Kreuz oder einer andern Marke, wie auch der
Steinmetz den von ihm behauenen Stein kennzeichnet.
7 2 Überlieferung
H: Homburg F 76, früher als Bruchstück 74, dessen v. 6 in erster Fassung über, in
15 zweiter Fassung unter v. 1 dieses Bruchstücks steht.
Lesarten
3 Rüken] danach, mit gespaltener Feder und zierlicher, geneigter Schrift: des /
(eine Zeile frei) / der die Gelenke verderbt / und tauget in den Karren H
7 3 Überlieferung
20 H: Homburg F 76, mit breit gespaltener. Feder (Federprobe tio(elderlin (?)}
rechts neben v. f des Bruchstücks 71) und großer, steiler Schrift über und links
neben den beiden letzten Zeilen des Bruchstücks 72.
7 4 Überlieferung
H: Homburg F 76, rechts neben Bruchstück 71 (neben v. 6 einsetzend), später als
25 Bruchstück 72, dessen zweite Zeile dem vorletzten Fers dieses Bruchstücks nur
schmalen Raum zur Brechung läßt: den Händ / en / auch.
Lesarten
4 : (1) daß u<ni> (vgl. v. 5)
(2) [wohl ]
30 (5) mittelmaßig Gut, H
951
)21 - 322 Pläne und Bruchstücke ( 2 3 - 2 6 )
5 . 6 : (1) Daß aber uns das Vaterland / Nicht zusammengehe zu kleinem
Raum (2) Text H 7 den nach gestr. oder H
Erläuterungen
5 . 6 Vgl. Patmos^ Vorstufe einer späteren Fassung, v.119 f.: Manchem ward /
Sein Vaterland ein kleiner Raum. 5
7 5 Überlieferung
H: Homburg F 76, in der linken Spalte, unter Bruchstück 71.
Lesarten
(1) Es will uns aber geschehen
ein linkisches 10
(2) Text H
Erläuterung en
3 Leber] Den Griechen galt die Leber als innerster Sitz der Empfindungen - vgl.
Aeschylus, Eumen. v.lJf: äkyrjaov ^tioq svdlxoi^ ovelöeaiv; Euripides, Hihet.
V.S99: &(; [loi vq>' finazi x^wgdv ÖEi/ua TOQiiaaei; ähnlich die »Nieren« im bibli- 15
sehen Sprachgebrauch — Sprüche Salomon. 23, 16: Und meine Nieren sind froh;
Psalm 139, 13: Deiui du hast meine Nieren in deiner Gewalt.
7 6 Überlieferung
H: Homburg F 76, in der rechten unteren Ecke, in breitem Abstand unter Bruch-
stück 72. 20
Lesarten
(1) W o h l muß ehren
Das Schiksaal. Das heißt
Der Sonne Peitsch und Zügel. Das
Will aber heißen 25
(2) Denn
(3) Text H (Geist unter gestr. ursprüngl. Sonne)
Erläuterungen
4 Peitsch und Zügel ] Vgl. Der Frieden v.l7: Stachel imd Zügel ; vgl. dort die Er-
läuterung zu V. 14. 30
952
)21 - 322 Pläne und Bruchstücke (23-26)
77 Überlieferung
H: Hornburg' J 18^, vor der Niederschrift des ersten Entwurfs zu Mnemosjme.
Zwischen der Überschrift und der ersten Zeile ist für etwa S Zeilen Raum.
7 8 Überlieferung
5 H: Homburg F71(s. die Beschreibung S. 3 SO).
7 9 Überlieferung
H: Homburg F 7S, am oberen Rand, später als der darunterstehende erste Ansatz
zu dem Entwurf (Fom Abgrund nemlich...), doch wahrscheinlich früher als
das darüberstehende Bruchstück 81.
10 Lesarten
1 Hahnenschrei aus Han H 2 Triumphs] Triumps II 3 Werber ! ]
zweifelhaft, ob zugehörig II
8 0 Überlieferung
H: Homburg F 15; Zeile 1 unmittelbar über v. 1 des Entwurfs {Vom Abgrund
15 nemlich...) (über nemlich einsetzend), Zeile 2 am linken Rand, unterein-
ander.
8 1 Überlieferung
H: Homburg F 7 S, am oberen Rand, später als der darunterstehende erste Ansatz
zu dem Entwurf {Vom Abgrund nemlich...}.
20 8 2 Überlieferung
H: Homburg F 70, am unteren Rand, unter Bruchstück 46.
Lesarten
[Ja] Jaunerloch gebildeter Herren zu reden.
[Ja] Jaunerloch gebi H
25 Erläuterungen
Die Form Jauner (statt Gauner^, im Schwäbischen besonders verbreitet (vgl.
Schiller, Die Verschwörung des Fiesco zu Genua I 2 und 9), ist die etymologisch
953
)21 - 322 Pläne und Bruchstücke ( 2 3 - 2 6 )
ältere; denn Gauner leitet sich her von Joner (Jonier, Grieche, Falschspieler) - siehe
Trübners Deutsches Wörterbuch, hg. von Mfred Götze, 3, f .
8 3 Überlieferung
H: Homburg F 74, am oberen Rand in der rechten Spalte, über v. Si des Entwurfs
Das Nächste Beste. 5
Erläuterungen
Vgl. Bürger, Lenore v. 140: Sechs Breter und zwei Bretchen!
8 4 Überlieferung
H: Frankfurt a.M., Freies Deutsches Hochstift Nr. 3296, zwischen Anrede und
Anfangszeile des Briefes von Friedrich Wilmans an Hölderlin vom 14. April 10
1804.
8 5 Überlieferung
H : Berlin, Frau Emma Eitzbacher: Einzelblatt 13,2 (1-3,7) x 22 cm, obere und
rechte Kante beschnitten; derbes, gelbliches, geripptes Papier ohne Wasserzei-
chen. 15
Auf der Vorderseite von fremder weiblicher Hand folgende Wäscherechnung:
Es belieben Hern Bübeletücarius
mir zu zahlen vor die Wasch
9, hemter das stück 1 bazen
1, west, 1 bazen 20
4, Halstüger das stück 2 x .
8, sacktüger, das stück 1 x .
5, bar Strcnpf das stück 2 x .
2 , par ausgebesert 2 x .
2, Hanttüger das stük 1. 25
Summa 17 bazen und 2 x
(Die unverkennbar schwäbische Mundart - z.B. Wasch statt Wäsche , Strenpf itott
Strümpfe - schließt die Möglichkeit aus, daß Hölderlins Aufzeichnungen aus der
Zeit noch des zweiten Homburger Aufenthalts (1804-06) stammen. Sie sind also erst
in Tübingen entstanden, jedoch wahrscheinlich bald nach dem Einzug in den Turm.) 30
954
Plane und Bruchstücke ( 8 5 - 8 7 ) 340-341
Auf der Rückseite unten undatierte Echtheitsbestätigung von der Hand Mörikes.
Die auf den ersten Blick wunderlich durch- und gegeneinander geschriebenen Zeilen
Hölderlins kommen in die richtige Reihenfolge, wenn man das Blatt in den alten
Knicken bricht.
5 Erster Druck: Friedrich Beißner: Ein Merkzettel aus der späten Zeit, Hölderlin - Jahr-
buch 1947, S. 10-14.
Lesarten
4 Antegon] mög/ic/i RY/'rc auc/i; Antagon jFf 9 Aloisia] Alosia 17 Im-
pcriali aus Imperiale H
10 Erläuterungen
Siehe den ersten Druck.
8 6 Überlieferung
J: Wilhelm Waiblinger: Friedrich Hölderlin's Leben, Dichtung und Wahn-
sinn (Zeitgenossen. Ein biographisches Magazin für die Geschichte unserer
15 Zeit, Leipzig 1S31, Dritte Reihe, HI 7 und 8, S.161-189) S.lSh Ein
schreckliches, geheimnißvolles Wort fand ich einmal in seinen Papie-
ren. Nach vielem Rulimwiirdigen, was er von griechischen Heroen und
alter Götterschönheit sagt, beginnt er: (folgt der Text.)
87 DER FRÜHLING
20 Entstanden am 9. Juni 1823.
Überlieferung
h: Stuttgart, Dr. E. Breitmeyer (Waiblingers Tagebuch: Academische Jahre,
2. Theil, 2. Semester, S. 81).
Waiblinger berichtet in einem Tagebucheintrag vom 9. Juni 1823 über einen
25 Besuch Hölderlins an diesem Tag in Presseis Gartenhaus (auf dem Österberg
in Tübingen), das Waiblinger damals bewohnte: Auf mein Vorbringen
setzt' er sich an meinen Pult, iieng an ein Gedicht zu schreiben: der
Frühling, schrieb aber nur 5 gereimte Zeilen und übergab sie mir mit
einer tiefen Verbeugung.
955
)21 - 322 Pläne und Bruchstücke ( 2 3 - 2 6 )
(Der vollständige Bericht über den Besuch bei Waiblinger ist unter den Le-
benszeugnissen abgedruckt.)
Der Text des Gedichtes ist verschollen.
8 8 Überlieferung
h : Stuttgart, Landesbibliothek cod. poet. 4" Nr.196 Blatt 66^ (Gustav Schle- 5
siers Nachlaß).
Schlesier hat unter den späteren Papieren gesehen:
Distichen: Der Herbst.
Dieses Gedicht ist wohl nicht mit der Elegie Stutgard identisch. Wahrschein-
lich handelt es sich auch gar nicht um eine ausgeführte Elegie, sondern um ein 10
kürzeres Gedicht, ein Epigramm.
8 9 Überlieferung
h : Stuttgart, Landesbibliothek cod. poet. 4" Nr. 196 Blatt 6T' (Gustav Schle-
sier s Nachlaß).
Schlesier hat unter den späteren Papieren gesehen: 15
Bleibender Werth. Gedicht in alcäischen Strophen.
9 0 Überlieferung
h : Stuttgart, Landesbibliothek cod. poet. 4" Nr. 196 Blatt 67^ (Gustav Schle-
siers Nachlaß).
Schlesier hat unter den späteren Papieren gesehen: 20
Das Leben. Gedicht in vierzeiligen gereimten Versen.
9 1 Überlieferung
h : Stuttgart, Landesbibliothek cod. poet. 4" Nr. 196 Blatt 66" (Gustav Schle-
sier s Nachlaß).
Schlesier hat unter den späteren Papieren gesehen: 25
Brief von Lotte Z i m m e r (Tochter) an die Hofräthin Gock , Tübingen,
25. Jan.1841. Beigelegt ist ein kürzeres Gedicht in gereimten Versen:
»Höhe des Menschen« , das H. den Tag zuvor aufgeschrieben. —
Dieses Gedicht kann nicht identisch sein mit dem bezeugtermaßen am 2 I.Ja-
nuar 1841 entstandenen Vierzeiler Höhere Menschheit (S. 290). 30
956
Pläne und Bruchstücke (92) }41
9 2 Überlieferung
J; (Gottlob Kemmler:) Hölderlin. Morgenblau für gebildete Leser J7 (184?),
Nr.in vom 26.Juni, S.604.
In diesem Nekrolog heißt es: Was diese lezten Versuche betrifft, so sieht
5 man ihn mit seinen Gedanken kämpfen, ja öfters an einen hinstreifen;
aber wie er ihn fassen will, entflieht er ihm. Noch scheint der Cha-
rakter seiner alten Poesie darin durch; von seiner geliebten Natur ver-
mochte er noch den allgemeinen Glanz, die darüher ausgegossene
»Geistigkeit« aufzufassen vmd ihre allgemeinsten Erscheinungen in
10 Jahres- und Tageszeiten; noch empfand er die Stille des Abends, der
sich »wie Wolken um die Zeiten legt ;« auch die Idee der Menschheit
und einer neuen Zeit dämmerte noch in diesen vom lezten Abcndschim-
mer gebrochenen, wolkigen Gebilden.
Es darf vermutet werden, daß in dem verschollenen Gedicht das Wort Zeiten
15 im Reim stand.
957
S T A M M B U C H B L Ä T T E R
<FÜR JOHANN CHRISTIAN BENJAMIN R Ü M E L I N )
( 1 8 . D E Z E M B E R 178C)
Überlieferung
H: Stuttgart, Herr Max Ziegler: Einzelblatt 12,SxS,4 (S,2) cm (Rümelins 5
»Stammbuch« besteht aus lauter Einzelblättem dieses Formats).
Bisher nicht gedruckt. Lesarten
etwas nur darum —] Gedankenstrich für ursprüngl. Komma H
Erläuterungen 10
Über Rümelin (1769—1S21) siehe die Lebenszeugnisse im 7. Band.
Der Satz steht in den Räubern, 4. Akt 2. Szene (Amalia): "Wir interessiren uns nur
darum, wir gewinnen nur darum, daß wir wieder mit Sclimerzen verlieren.
Vgl. das demselben Freund gewidmete Stammbuchblatt vom 20. April 1789.
(FÜR JOHANN F R I E D R I C H R L U M ) 15
Überlieferung
H: Stuttgart, Fräulein Clara und Julie Blum: Bl. 107^ (das Buch enthält
166 Blätter lS,SxlO cm).
Erster Druck: Adolf Beck: Aus der Umwelt des jungen Hölderlin. Stamjn- und
Tagehucheinträge. Hölderlin-Jahrbuch 1947, S. 18. 20
958
Stammbuchblatter }4f—}46
Erläuterungen
Über Blum (17f9-lS4}) siehe Beck im Hölderlin-Jahrbuch 1947, S.19-n.
Am IS. März 17SS, dem Dienstag nach dem Palmtag, hatte Hölderlin, von Maul-
bronn kommend, Mutter und Schwester in Sclnviebertingcn, im Ochsen erwartet
5 (Brief an die Mutter: Also in acht Tagen sind wir beieinander...^ und war mit
ihnen nach dem nahm Markgröningen weitergereist, um dort die auf den Tod
kranke Schwester seines Vaters, die Witwe des Oberamtmanns Volmar, zu besuchen,
die am iS.Jpril starb. Blum hat also seinem jungen Freurul, den er schon von früher
kannte (vgl. S. 979), sein Stammbuch gleich nach der Ankunft vorgelegt. (Die da-
10 mals 1Sjährige Schwester Heinrike trägt sich auf Blatt 106^ am 26. März ein.)
Hat Hölderlin den Spruch selber gedichtet, so ist das Bild von dem kargen Tröpf -
chen Zeit eine (nicht unwahrscheinliche) Reminiszenz aus Schillers Kabale und
Liebe (1784), wo Louise in der 3. Szene des I.Aktes sagt: Dieser karge Tautropfe
Zeit — schon ein Traum von Ferdinand trinkt ihn wollüstig auf. (Vgl. Hölder-
15 lins Brief an Immanuel Nast vom IS. Februar 1787.) Handelt es sich aber um ein
Zitat, so muß man mit Beck (Hölderlin-Jahrbuch 1947, S. 29) annehmen, Schiller
und Hölderlin hätten aus der nämlichen, bis jetzt noch unbekannten Quelle ge-
schöpft. Vgl. auch VVieland, Das Lehen ein Traum. 7, 22: DieB Tröpfchen Zeit
(1771).
20 Die Unterstreichung der Anfangsbuchstaben H und h (v. 4) erklärt Beck (S. 29 f.)
als spielerischen Hinweis auf das geliebte Mädchen in Maulbronn, Louise Nast —
H und L bedeuteten also Hiolderlin) und L(ouisc).
Hölderlin hat dieselben Ferse, nur leicht abgewandelt, in das Stammbuch Christian
Friedrich HilUrs eingeschrieben.
25 (FÜR CHRISTIAN F R I E D R I C H H I L L E R )
Überlieferung
I I : Ehemals Königsberg i, Pr., Altertums-Gesellschaft Prussia, IF Pag. 289
Nr. SS83: Bl. 29'' (nach einer-älteren Numerierung, mit Tinte: Bl. 6'):
16,2x10 cm; links neben der Unterschrift ein Schattenriß.
30 Faksimile: Hölderlins Sämtliche Werke, historisch-kritische Ausgabe, begon-
nen durch Norbert v. Hellingrath, Erster Band, besorgt durch Friedrich See-
baß, 3. Auflage, Berlin {1943), nach S. 24.
959
3S2—3S} Stammbuchblätter
Erster Druck: Wilhelm Ungewitter: Ein Stammbuch aus Hölderlins Freundeskreis.
Sitzungsberichte der Altertumsgesellschaft Prussia zu Königsberg i. Fr. im 44sten
Vereinsjahr. November 1887/SS. Königsberg 1889, S.U9-1S0, besonders S. 141.
Erläuterungen
Dieselben Verse hat Hölderlin schon am 18. März 1788 in Blums Stammbuch gesetzt 3
(siehe auch dort die Erläuterungen).
Anlaß zur Eintragung in Hillers Stammbuch war wie für Bilßnger, der sich auf der
Rückseite desselben Blattes am 9. September 1788 eingeschrieben, so gewiß auch für
Hölderlin der gemeinsame Abschied von Maulbronn. Auch Hiller ging zum Winter-
semester 1788189 nach Tübingen, wie das Magisterprogramm für den 22. September 10
1790 (Stuttgart Vh Nr. 6 El. 1') ausdrücklich vermerkt: Academiam hanc adiit 1788;
nach bloß einjährigem Universitätsstudium wäre Hiller wohl nicht schon zur Magi-
sterpromotion zugelassen worden. Die zu Maulbronn im Mai, Juli und Oktober 1789
datierten Blätter seines Stammbuchs sind ihm gewidmet worden, als er seine Ver-
wandten dort besuchte, bei denen er auch als xhospes« des Klosters gewohnt hatte. 15
( Übrigens finden sich Maulbronner Blätter auch aus den Jahren 1790,1791,179S.)
Becks Anmerkung im Hölderlin-Jahrbuch 1947, S. 29, Hiller sei als hospes noch ein
weiteres Jahr in Maulbronn verblieben, ist also zu berichtigen.
In der Ostervakanz 1791 unternimmt Hölderlin von Tübingen aus mit Hiller und
Memminger die Reise in die Schweiz. Vgl. die Gedichte Kanton Schweiz und An Hiller 20
(S.143-14S und 173-175 des I.Bandes), auch denNachtrag auf S. 999f. dieses
Bandes.
Einige Blätter des Hillerschen Stammbuchs bezeichnen den Weg der drei Reisenden
zwischen Tübingen und Schaffhausen: am 13.April sind sie in Schwenningen
(Bl. 83'', 84^, 84^), am 15.April in Oeffingen (heutige Schreibung: Oefingen) 25
(Bl. 88'''") und am 16. April in Hilzingen unweit des Hohentwiels (Bl. 213''). Auch
die Heimreise muß sie über Oef(f)ingen geführt haben, wie das Blatt 89"' vom7. Mai
1791 beweist. (Hölderlins Mutter hat also ins Verzeichnis ihrer Auslagen vor den
L. Fritz das reiß geld in die schweitz erst eingetragen, als er schon unterwegs war,
nämlich am IS.April.) 30
Daß Hölderlins (erst 1826 gedrucktes) Gedicht An Hiller im Freundeskreis nicht
unbekannt geblieben, bezeugt das Blatt 100" des Hillerschen Stammbuchs:
Sie wirft uns auseinander, Herzensfreund, die Scheidestunde,
Wie Mast und Seegel vom zerriss'nen Schüfe
960
Slammbuchblätter 3^16-^17
I m wilden Ozean der Sturm zerstreut.
Villeiclit indeß uns andere nah und ferne
Der unerforschten Pepromene Wink
Durch Steppen oder Paradiese führt,
Fliegst Du der jungen seeligeren Wel t
Auf Deiner Philadelphier Gestaden
Voll frohen Muths im fernen Meere zu! - H .
Wenn Du einst, Lieber Hiller, jenseits des Teutschen
Tübingen, d. 18. Sept. Bodens dieses liesest, so erinnere Dich auch
10 1795. Deines Dich herzlich liebenden Freundes,
C. F. Kraus, aus Knittlingen.
Vgl. An Hiller v. 51-59.
<FÜR F R I E D R I C H O E F F I N G E R )
Überlieferung
15 (I'I) : Oeffingen Stammbuch befindet sich vermutlich im Besitz seiner Nachkommen
in den P'ereinigten Staaten Nordamerikas.
Erster Druck: R. H. Riethmüll er: Hegel und Hölderlin im Tübinger Stift. 12. Re-
chenschaftsbericht des Schwäbischen Schillervereins, Marbach 1907/OS, S. 2S-U
(mit Faksimile auf S. 31; zwischen Datum und Unterschrift ein Schattenriß).
20 Erläuterungen
Friedrich Oeffingcr, im Stift 17S7-17S9, später in Merchingen (Baden) als Rent-
beamter des Freiherm Gottfried von Berlichingen zu Jagsthausen (Riethmüller S. 2S).
<FÜR EINEN U N B E K A N N T E N )
Es crschrekt uns . . .
25 Überlieferung
H: Lausanne, Herr Jean Duvoisin: Einzelblatt 17,3 y.10,3 (11) cm. (Im linken unte-
ren Drittel des Blattes Federproben, die sicherlich nicht von Hölderlin herrühren.)
961
3S2—3S} Stammbuchblätter
Erster Druck: Carl C. T. Litzmann: Friedrich Hölderlins Leben. In Briefen von imd
an Hölderlin, Berlin 1890, S. 669.
Lesarten
6 der Nacht] des Nacht (Schreibfehler) H
Erläuterungen 5
Die Schriftzüge weisen das Blatt in verhältnismäßig frühe Zeit.
Die Ferse sind ein Zitat aus Klopstocks Ode Die Zukunft (1764), v. 30-36. Bei
Klopstock heißt es v. (4): fürchterlich uns, und; v. 3S (6): Führt, aus; v. 36
(7): In (statt: Nach) .
PCunderlicherweise stellt Christoph Schwabs Abschrift (Stuttgart Vg Nr. 4a) in der 10
letzten Zeile die originale Lesart wieder her, ohne die Herkunft des Zitates zu ken-
nen, wie die Überschrift verrät: Autograph Hölderlin's, wahrscheinl aus der Zeit
des Wahnsinns.
Schwabs Irrtum, auch von Litzmann nicht durchschaut, hat weite Kreise gezogen,
auch noch nach der Richtigstellung durch K. Bode, Euphorion 13 (1906), S.133 f . 15
Noch ein andres Wort von Klopstock, das Hölderlin, leicht abgeändert, auf die
Rückseite des der Diotima zugedachten, jedoch unvollendeten Begleitbriefs zum zwei-
ten Band des Hyperion geschrieben hat, wird gelegentlich als Hölderlinisch ange-
führt: Für den König (17S3), v. 33-3S.
<FÜR JOHANN CHRISTIAN BENJAMIN RÜMELIN) 20
( 2 0 . A P R I L 1 7 8 9 )
Überlieferung
H: Stuttgart, Herr Max Ziegler: Einzelblatt 12,8x8,4 (8,2) cm (Rümelins
»Stammbuch« besteht am lauter Einzelblättern dieses Formats).
Bisher nicht gedruckt. 25 Erläuterungen
Diebeiden Strophen stehen in Klopstocks Ode DerZürchersee(l 7S0),v.49-S 2,61-64
(v. 61 heißt es bei Klopstocknachder ursprünglichen Lesart,die rwch in der Hamburger
Ausgabe von 1771 steht: süßer ists noch ; in der Ausgabe von 1798: süßer ist noch) .
Fgl. das demselben Freund gewidmete Stammbuchblatt vom 18. Dezember 1786. 30
962
Stammbuchblätter SfO-Ul
<FÜR E I N E N U N B E K A N N T E N )
Es kommen Stunden . . .
Überlieferung
Ii: Marbach Inv.-Nr.74S98: Einzelblatt lS,6xllJcm.
5 Christoph Schwab hat das Blatt zweimal abgeschrieben (Stuttgart Vg Nr. 2a und
2b). Beide Abschriften sind überschrieben: An Speidel; in beiden steht v.l: kom-
men [d ie ] Stunden; v. 2: Hoffnung; v. 4: Waffen (statt: Wehre^; 9. Okt. (statt:
5 ten O c t b r J ; in der Unterschrift nur: Ihr ergebenster Freund Hölderlin; Nr. 2b
»verbessert« v. S crznen in ehmen.
10 Erster Druck (nach Schwabs Abschrift Nr. 2b): Carl C.T. Litzmann: Friedrich
Hölderlins Leben. In Briefen von und an Hölderlin, Berlin 1890, S. 90.
Erläuterungen
Die Herkunft der Verse, wenn es sich nicht um eigene handelt, ist noch nicht nachge-
wiesen. Der von Schwab genannte (wohl bloß vermutete) Adressat Speidel, hinter
13 dessen Namen Litzmann ein Fragezeichen setzt, ist in Hölderlins Freundeskreis
sonst nicht bezeugt. Zinkemagel freilich (im S. Band seiner Ausgabe S. 28}) gibt
sogar die Vornamen Christian Friedrich an; doch enthält sein Manuskript der Les-
arten und Erläuterungen keinerlei Nachweis.
(FÜR CARL GOCK)
20 Überlieferung
H: Tübingen, Hölderlinturm (von Fräulein Frida Arnold, der Großnichte Hölder-
lins, geschenkt): Eirvzelblatt unter Glas; lichte Maße des (alten) Rahmens:
14,8x9,8 cm.
Erster Druck: Anmerkungen.(,von Carl Vietor) und Nachwort (fion Frida Arnold) zu
25 den Briefen der Diotima (Beilage zum vierten Druck der Januspresse: Die Briefe der
Diotima {Leipzig 1920)), S. 23.
Erläuterungen
Ob die beiden Zeilen Zitat oder eigene Prägung sind, ist noch nicht ermittelt worden.
963
3S2—3S} Stammbuchblätter
<FÜR GEORG CHRISTOPH F R I E D R I C H RUEFF>
Überlieferung
H: Stuttgart Vk (geschenkt von Frau Gretel Seufferheld, Tübingen): Dopp elblatt
lS,SxlO,8cm.
Bl.l': Hölderlin; 1": Hegel; 2": Neuffer; (2^: Schattenriß eines Unbekann- 5
ten). Auch Hegel und Neuffer haben Ferse aus den Sprüchwörtem Salomonis
eingetragen, mit witzig gegensätzlicher Beziehung (Hegel: cap. 6 v. 10 f.;
Neuffer: cap. 6 v. 4 f.). Beide datieren: Tübingen 5. Sept. 1790. Hölderlin
wird sich am selben Tag eingeschrieben haben.
Bisher nicht gedruckt. , 10
Erläuterungen
Das C. vor dem Namen, das auch Hegel so setzt, bedeutet nicht »Compromotionalis«
wie bei Neuffer, der sich unterschreibt als »Dein Freund u. Compromotionalis Neuf-
fer«, sondern (da Hegel und Hölderlin ja einer jüngeren Promotion angehören)
»Carulidatus«. (Der Termin der Magisterdisputation war der 22. September 1790.) 15
Das von Hölderlin eingetragene Wort ist v. 17 des 11. Kapitels, nicht v. 7.
Das Stammbuch, dem das Doppelblatt ursprünglich zugehörte, befindet sich im Besitz
der Frau Hedwig Volk, geb. Seufferheld, in Weinsberg, die auch ein eigenhändiges
curriculum vitae ihres Urgroßvaters Rueff verwahrt. Diesem zufolge ist Georg Chri-
stoph Friedrich Rueff am 30.Januar 176S zu Freudenstadt geboren. Sein Studium 20
führt ihn an dieselben Stätten wie Hölderlin, nur immer zwei Jahre früher: also
1782 nach Denkendorf, 1784 nach Maulbronn, 1786 nach Tübingen; 1788 wird er
Magister, 1791 legt er das Konsistorialexamen ab. Er ist dann Vikar in Dettingen
bei Urach; Reisegesellschafter und Sekretär im Dienst der Kemptener Famiii e v. Bog-
ner während des Sommers 1792 auf zerschiedenen CurPläzeu in der Schweiz; 25
wieder Vikar in Blaubeuren; vom Sommtr 179) an auf einige Jahre zu Triest Lehre r
und Reisegesellschafter eines Anverwandten der Familie v. Bogner; nach drei Vika-
riaten (in Echterdingen, Schopfloch b. Kirchheim, Hausen a. d. Lauchert) Feldpredi-
ger von 1799—1801 und dann Pfarrer an verschiedenen Orten. Das curriculum vitae.
hat er verlesen, als er am 16. April 1816 die Pfarrstelle in Geifertshofen antrat. Sein 30
Lebensweg scheint ihn also nicht mehr mit Hölderlin zusammengeführt zu haben. Doch
hat sich Heinrika Hölderlin schon am 12. Juli 1788 zu Nürtingen in sein Stamm-
buch eingetragen. Auch Magenau, Memminger, Hiller und Hiemer korrmen vor.
964
Stammbuchblätter }49
Das von Frau Volk verwahrte Stammbuch enthält zwischen den starken mit rot und
blau gefärbte m Pergament bezogenen und mit reicher Goldpressung verzierten Papp-
deckeln noch 210 ungcheftetc Blätter mit 294 Einträgen. Es sind Einzelblätter xtnd
Doppelblätter von verschiedenen Papiersorten, aber gleichem Format, von denen der
5 größte Teil auch ursprünglich nicht geheftet war (das heißt: die Einzelblätter haben
an allen vier Kanten Goldschnitt, die Doppelblättcr sind ohne Heftlöcher); andre
(Einzel- und Doppel-)Blätter weisen Heftspuren auf. So ist es nicht sicher, ob alle
Blätter auch dem Besitzer gewidmet oder einige erst später hinzugelegt worden sind.
Keinesfalls können zwei als pag. 127 und 209 nivnerierie Blätter ursprünglich Rueff
10 gehört haben; denn sie stammen aus den Jahren 1765 und 1767.
(FÜR G E O R G W I L H E L M F R I E D R I C H H E G E L )
Überlieferung
H: Tübingen, Universitätsbibliothek: Einzelblatt 14,8 x 9,2 cm.
(In der linken oberen Ecke mit roter Tinte von fremder Hand die Nr. }2.)
15 Faksimile: J. Forderer: Tübingen, die schwäbische Universitätsstadt am Nek-
kar, Stuttgart (1942), S. 49.
Erster Druck: Karl Rosenkranz: Georg Wilhelm Friedrich Hegel's Leben, Berlin
1844, S.40.
Lesarten
20 großen aus grö H
Datum: 12 aus 21 H
Von Hegels Hand vermutlich steht unter dem Datum, mit hellerer Tinte und weiche-
rer Feder, noch das Siymbolum): S. Ev xat nav.
Erläuterungen
25 Bei Goethe (Iphigenie auf Tauris v. 66S f.) liegt die Versfuge anders: Und Lust
und Liebe sind die Fittige / Zu großen Thaten.
Ebenfalls am 12. Februar 1791 haben sich in Hegels Stammbuch (das aus 86 Einzel -
blättern besteht) eingetragen: Breyer (Bl. 6), M. Fischer (Bl.16), Fallot (Bl. }}:
Gott stehe dem alten Mann beyO, M. J. F. Märklin (Bl. 40), M- Ch. L. Neuf-
30 fer (Bl. 47), M. Reyscher (Bl. 49) und Af . Weihenmayer (Bl. 6}).
(M. bedeutet »Magister«.)
965
3S2—3S} Stammbuchblätter
<FÜR H E I N R I K E H Ö L D E R L I N )
Überlieferung
H: Marbach Inv.-Nr. 2811S/1: Einzelblatt lSx9,S cm.
Faksimile: Otto Güntter: Die Bildnisse Hölderlins, Mit Nachbildungen seiner
Handschrift urul Bildnissen aus seinem Verwandten- und Freundeskreise. 5
Veröffentlichungen des Schwäbischen Schillervereins, 12. Band, Stuttgart und
Berlin 1928, Nr. 20.
Vorher nicht gedruckt.
Erläuterungen
Ob die drei Zeilen Zitat oder eigene Prägung sind, ist noch nicht ermittelt worden. 10
<FÜR LEO VON S E C K E N D O R F )
Überlieferung
H: Basel, Herr Karl Geigy - Hagenbach: Doppelblatt 19x11,7 cm, bezeichnet als
Blatt 28 und 29.
Bl. 28': Bernard (aus Mömpelgard); Bl. 28^: Hölderlin; Bl. 29'': G. F. Fal- 15
lot; Bl. 29": Griesinger. Bernard imd Fallot haben sich am 12. September
eingeschrieben, Griesinger am IS. September. Da Hölderlin sein Blatt und
das benachbarte (Fallot) zusammenschließt durch die beiden in die aneinan-
derstoßenden oberen Ecken geschriebenen Wörter:
Ewig — — verbunden! 20
so wird man auch seine Eintragung auf den 12. September datieren dürfen.
Erster Druck: Carl C. T. Litzmann: Friedrich Hölderlins Lehen. In Briefen von und
an Hölderlin, Berlin 1890, S. 624.
Erläuterungen
Die Strophe ist eine Variante der 2. Strophe aus Hölderlins Hymne an die Mensch- 25
heil (1,146).
Vgl. Hölderlins Brief an Seckendorf vom 12. März 1804. Seckendorf hat in seinen
beiden Musenalmanachen auf die Jahre 1807 und 1808folgende Gedichte Hölderlins
veröffentlicht: Stutgard (Die Herbstfeier); Brod und Wein, 1. Strophe (Die Nacht);
966
Stammbuchblätter S f O - U l
Die Wanderung; Der Rhein; Patmos; Andenken. — Siehe auch die (S. S8S dieses
Bandes angeführten) Sätze über Hölderlin aus Seckendorfs Brief an Kemer vom
7. Februar 1807.
Über Hölderlins erste Begegnung mit Seckendorf in dem revolutionär patriotischen
Tübinger Freundeskreis siehe Adolf Beck im Hölderlin-Jahrbuch 1947, S. })—46.
<FÜR R U D O L P H M A G E N A U )
Überlieferung und Lesarten
Magenau erwähnt das ihm von Hölderlin am 22. November 179S morgens in
Vaihingen a. d. Enz gewidmete Stammbuchblatt dreimal:
10 1) In dem Brief an Neuffer vom 23. November 1793 (Stuttgart, Landesbibliothek,
cod. hist. 4471 Nr. 10): Hölderlin sei »vorgestern« bei ihm gewesen, sei am Don-
nerstag {21. November) abends angekommen, über Nacht geblieben und am Freitag-
morgen, nachdem sie zu dritt bei Conz den Kaffee getrunken, wieder gegangen;
abends habe ihm Hölderlin sein Gedicht Dem Genius der Kühnheit deklamiert, . . .
15 und Morgens schwuren wir unserm Bunde
Ma Tovg ev Maga&covi neaovra;
neue, daurende Vestigkoit.
2) Den genauen Wortlaut gibt er in seinen (im Besitz der Stuttgarter Landesbiblio-
thek befindlichen) autobiographischen Aufzeichnungen: Skizze meines Lebens, ein
20 Lesebuch für mein künftiges Leben von M. Rudolf Frid. Heinr. Magenau. ange-
fangen im Jahr 1793. zu Vaihingen a. d.Enz. S. 37 f.: Noch mus ich aus dem
ersten Jare herüber bemerken, daß Hölderlin den 21. Nov. 1793. mich
hier (jn Vaihingen a.d.Enz) besuchte, u m von mir Abschied zu nehmen.
Schiller hatte ihm eine Hofmeister-Stelle in Sachsen verschafft, u. dahin
25 wollt' er ziehen. . . . Beim lezten Kuße der Trennung schrieb er noch die
Worte in mein Stammbuch »
»Ma rovg ev Maga^ovj neaovrag
soll bestehen der Bund zwischen mir u. Dir!«
(Vgl. Friedrich Seebaß, Zeitschrift für Bücherfreunde NF. 8 (1917), Heft 11,
30 5. 303 f . — Der Abdruck ist nicht fehlerlos; vor allem schreibt Magenau zuverlässig:
soll bestehen und nicht: »solle bestehen«.)
967
3S2—3S} Stammbuchblätter
)) Jus der Erinnerung zitiert er in dem undatierten Brief an Neuffer, längere Zeit
nach dem Tode Rosine Stäudlins (Stuttgart, Landesbibliothek, cod. hist. 4® 447 l
Nr. 2): Als ich mich von Hölderlin ehmals trennte, u. er nach Sachsen zog,
schrieb er mir die Worte in mein Stammbuch
»Ma Tovg ev Magad'ovi Tieaovrag, 5
»bestehe der Bund zwischen mir u Dir!«
Laß dises schöne Wort auch uns gelten, u. liebe mich, wie ich Dich liebe.
Magenau schreibt in der Skizze seines Lebens wie auch in dem zuletzt zitierten Brief
Maoa'&ovi.
Erläuterungen 10
Vgl. Griechenland. An St. v. S2: Bei den Heiligen in Marathon; Der Archi-
pelagus V. 2S2.
(FÜR D A N I E L ANDREAS MANSKOPF)
Überlieferung
tP : Stuttgart 112 S. 7 ("i. die Beschreibung 1, S59): Entwurf. 15
H^ : Stuttgart cod. hist. S® 182, erworben aus dem Besitz der Frau Marie Rommel
geb. Claus (Manskopfs Urenkelin): Seite 11) des Stammbuchs; bei Herstel-
lung des neuen Einbandes sind die Blätter auf das Formut 20 xll,S cm be-
schnitten worden (auf einigen Seiten Textverlust).
Erster Druck: Elisabeth Menzel: Ein Stammbuchblatt Hölderlins. Frankfurter 20
Zeitung 1900 Nr. 124, H. Morgenblatt vom 6. Mai.
Lesarten
Die Zeilenbrechungen des Originals (EP) sind im Abdruck beibehalten worden.
1 müssen auch] müssen (1) sich vo (2) wohl vo (3) auch H^ 2 allen
nach gestr.: den (1) unzähligen (2) Unzähligen H^ 2 . 3 zu große] (1) un- 25
terstrichen (2) Hervorhebung wieder getilgt H^ 4 sie] gestr. und unterpunktet
H^ ihrer nach: [glaubten] [ihrer Tugend, ihres Geistes] 6 gleich
nach gestr. stell H^ stellen.] (1) stellen, die (2) stellen. H^ wird über
gestr. ist H^ 7 stolz] danach ein Komma getilgt H^ hart] aus dem Ansatz
zu s H^ hart, H^ 8 gar zu wenig von den andern.] von den andern zu 30
wenig. (Kein Absatz) H^ 9 in uns ] über der Zeile H^ Urbild aus Urbila H^
968
Stammbuchblätter SfO-Ul
dem nach gestr. unter H^ 10 Einzelner] einzelner H^ wird über gestr. soll
H ^ ächtvortrcfliche iiicrg-cstr. edele ü f ^ 1 1 . 1 2 verlernt.—] verlernt,
12 Leben Sie iw 1 6 Hölderlin.] fehlt W
14 falsch ] später vorgefügt H^
Erläuterungen
Manskopf war ein Neffe Gontards. - Auf Seite 91 des Stammbuchs hat sich sein
kleiner Fetter Heinrich Friedrich (d. i. Henr^) Gontard eingeschrieben.
(FÜR W I L H E L M W A I B L I N G E R )
Überlieferung
10 H: Hamburg-Altona, Archiv der Hansestadt Hamburg, Dienststelle Altona:
Einzelblatt lf,}x9,2 cm.
In der linken unteren Ecke mit Bleistift von unbekannter Hand: (Aus Waib -
lingers Stammbuch.) .
Das Blatt ist auf ein größeres, steiferes Blatt aufgeklebt, das rechts oben mit
15 Tinte die Nunvner 51 trägt, darunter mit Bleistift die Nummer 48 b.
Erster Druck (Faksimile): Auktionskatalog LXXUI. Karl Ernst Henrici, Berlin.
17./18. Oktober 1921. Nr. 317 (S. 60).
Lesarten
1 Frage?] Fragezeichen für urspr. Komma H 2 auch. nach, gestr. gut H
20 sei'n] der Apostroph ist später gesetzt H 4 demselben] so H
Erläuterungen
Waiblinger schreibt in seinem Aufsatz Uber Friedrich Hölderlin's Leben, Dichtung
und Wahnsinn (Zeitgenossen. Ein biographisches Magazin für die Geschichte un-
serer Zeit, Leipzig 1831, Dritte Reihe, HI 7 und 8, S.161-189) S.179: Ich gab
25 ihm auch Papier zum Schreiben. Alsdann setzte er sich an den Schreibtisch
und machte einige Verse, auch gereimte. Sie waren jedoch ohne Sinn, beson-
ders die letztem, übrigens metrisch richtig. Er erhob sich sodann und über-
reichte sie mir mit großen Complimenten. Einmal schrieb er darunter:
»Dero unterthänigster Hölderlin«.
969
3S2—3S} Stammbuchblätter
Die Gleichheit des Kompliments macht es wahrscheinlich, daß das Blatt für fVaib-
linger bestimmt war. Auch der Umstand, daß statt eines Pseudonyms noch der Name
Hölderlin erscheint, deutet auf eine verhältnismäßig frühe Entstehung der Verse.
WaiUinger war vom Herbst 1822 bis zum Herbst 1826 in Tübingen.
<FÜR CARL K Ü N Z E L ) 5
Überlieferung
(H) : Carl Künzels Stammbuch ist am 9. Oktober 1936 durch die Firma J.A. Star-
gardt in Berlin Blatt für Blatt versteigert worden. Der jetzige Eigentümer des
von Hölderlin beschriebenen Blattes ist unbekannt. Es ist faksimiliert in dem
Buch von Emst Michelmann: Carl Künzel. Ein Sammler-Genie aus dem 10
Schwabenland, Stuttgart 19}8, Tafel XI.
Lesarten
4 nicht aus wie (H) da aus das (H) 5 entfenSter aus entfert (H)
5 . 6 bestehet aus dem Ansatz zu beh (H) 7 sich fehlt (H)
Erläuterungen 15
Das Datum ist möglicherweise nicht fingiert.
Über Künzel siehe Michelmarms Buch.
Künzel hat über seinen Besuch nichts aufgezeichnet (Michelmann S. 17).
<FUR E I N E N U N B E K A N N T E N )
Von der Realität des Lebens 20
Überlieferung
H: Tübingen, Nachlaß Professor Dr. Manfred Eimer: Doppelblatt 14,8 (14,S) x
20,S(20) cm; bräunliches, stark stockfleckiges Maschinenpapier ohne Wasser-
zeichen. Nur die ersten anderthalb Seiten sind von Hölderlin beschrieben; auf
S. 3 steht von Lotte Zimmers Hand: 25
Hir das Blatt von Hölderlin mit seiner Handschrift Sie werden lachen
auch ob der Unterschrift u ob dem Datum da Er 1729 schreibt u.
970
Stammbuchblätter SfO-Ul
schrieb dieses doch IS+O. ich möchte wißen wer der Buarotti war. vor
den Er sich hier unterschrieben?
heben Sie das Blatt auch auf wegen der Handschrift? nicht wahr.
Sie grüßend Lotte.
5 S.4 ist leer.
Erster Druck: Adolf von Grolman: Ein Blatt aus Hölderlins Spätzeit. Euphorion
n (19J0), S.17S.
Lesarten
1 Die Überschrift ist später an den etwas zu schmalen oberen Rand gesetzt H
10 7 ist aus da{t)on) H
Erläuterungen
Zur Datierung siehe die Beschreibung der Handschrift.
7 Behauptenheiten] Dieses Wort wird auch von Christoph Schwab in seiner Aus-
gabe vonlS46 überliefert (II 324).
15 Unterschrift: Das Stammbuchblatt für Carl Künzel (S. }!3) wird, wahrscheinlich
drei Jahre früher, mit dem Namen Buonarotti unterzeichnet.
Wäre der Versuch einer (vielleicht nur als heiterfreche Mystifikation der Literatur-
wissenschaft gemeinten) Fälschung nicht von Seebaß im 2. Band der Hellingrathi-
schen Ausgabe (S. SSO f . der dritten Auflage, Berlin (1943)) emstgerwmmen worden,
20 so könnte er hier mit Stillschweigen übergangen werden:
Aus dem Stanvnbuch einer Weimarer Hofdame. Ungedrucktes aus klassischer Zeit
(um 1800). Herausgegeben von Edmund Wengraf, im Feuilleton des Neuen Wiener
Journals, Nr. 13.311, vom 12. Dezember 1930, Seite 3.
Ohne jede Beschreibung des angeblichen Fundes werden da elf poetische Stammbuch-,
25 blatter abgedruckt, eines unwahrscheinlicher als das andre. So soll Wieland der Hof-
dame eine schlüpfrige Anzüglichkeit ins Stammbuch geschrieben haben; auch
Goethe ist von einer erstaunlichen Keckheit; Tieck verwendet in seinen neun Zeilen
selbstverständlich auch das Wort »Waldeseinsamkeit«. Die beiden Hölderlin ange-
dichteten Strophen sind ein trübes Spiegelbild der Ode An die Parzen und strotzen
30 geradezu von metrischen Fehlem — es sind deren sieben in acht Zeilen. Seebaß
»konjiziert« vier Fehler weg und scheint den Rest also dem Dichter zutrauen und
schuld geben zu wollen.
971
W I D M U N G E N
<AN DIE M U T T E R
IN S T Ä U D L I N S M U S E N A L M A N A C H FÜRS J A H R 1792)
H: Bremen, Fräulein Elisabeth Noltenius: Einzelblatt 7,8 (7,6)xll,S cm, alle
Kanten beschnitten (die linke unregelmäßig mit der Schere); sehr festes, gelb- 5
liches Papier ohne Wasserzeichen. Es ist offenbar das aus dem Widmungs-
exemplar heraus getrennte Vorsatzblatt, und zwar muß es sich, gemäß dem
genau stimmenden Format, um den von Gotthold Friedrich Stäudlin heraus-
gegebenen Musenalmanach fürs Jahr 1792 handeln — Stäudlins Poetische
Blumenlese fürs Jahr 179) hat ein größeres Format. 10
Die Rückseite ist leer.
Erster Druck: {Ludwig Neuffer:} Nachtrag einiger Gedichte, von Friedrich Höl-
derlin. I. Zeitung für die elegante Welt 1829 Nr. 172 (3. September), Vonvort
(Spalte 1369-1371); siehe Band 1, Seite 411.
Lesarten 15
2 , 3 würden aus werden H 5 Dann aus Und H stolz aus ss H
Erläuterungen
In dem Muserudmanach stehen Hölderlins Gedichte Meine Genesung; Hymne an die
Göttin der Harmonie; Hymne an die Muse; Hymne an die Freiheit (Wie den Aar im
grauen Felsenhange.. .). 20
972
Widmungen J /S
<AN DIE NÜRTINGER STADTBEHÖRDEN
IN J O H A N N F R I E D R I C H LE B R E T S D I S S E R T A T I O N
D E E C C L E S I A E
W I R T E M B E R G I C A E R E N A S C E N T I S CALAM I T A T I B U S )
5 Zum Abschluß seines theologischen Studiums mußte Hölderlin als Kandidat des
Konsistorialexamens mit acht andern die von dem Universitätskanzler Johann Fried-
rich Lc Bret (dem Vater seiner Lyda) verfaßte Dissertation De ecclesiae fVirtem-
bergicae renascentis calamitatihus im Juni 1793 öffentlich verteidigen. Es war dem
einzelnen Defcndentcn (oder Rcspondenten) verstattet, ein Titelblatt drucken zu
10 lassen, das nur seinen Namen trug. Die Universitätshibliothek zu Tübingen besitzt
zwei Exemplare der Dissertation: das eine (Ka I 600. 8" Bd.120, S) führt die
Namen aller neun Defendenten auf, nämlich:
M. G E O R G I V S W I L H E L M V S H E G E L , STVTTGARDIENSIS.
M. J O A N N E S C H R I S T . F R I D E R I C V S H O E L D E R L I N , LAVFFENSIS.
15 M. F R I D E R I C V S A V G V S T V S K L Ü P F E L , STVTTGARDIENSIS.
M. E B E R H A R D V S H E N R I C V S M O H R , TRVCHTELFINGENSIS.
M . F R I D E R I C V S H E N R I C V S W^OLFG. M O E G L I N G , STVTTGARD.
M . E B E R H A R D V S P H I L I P P V S F R I D E R I C V S W E I S S , BEILSTEIN.
M. E B E R H A R D V S F R I D E R I C V S S C H W E I C K A R D , PFVLLINGENS.
20 M. J E R E M I A S W I L H E L M V S M A E R C K L I N , CHAEROPOLITANVS.
M . F E R D I N A N D V S W I L H E L M V S R O T H A C K E R , HOHENTWIEL.
EXAMINIS CONSISTORIALIS CANDIDATI ET SERENISSIMI S T I P E N D I A R I I ;
das andre Tübinger Exemplar (L XIII 65^. 4^) trägt nur den Namen des Kandi-
daten Klüpfel. — Das Schiller- Nationalmuseum zu Marbach verwahrt unter der
25 Inv,-Nr.l)S}6 einExemplar,das auf dem Titelblatt nur Hölderlins Namen nennt:
973
3S9-360 Widmungen
DE
ECCLESIiE WIRTEMBERGICiE RENASCENTIS CALAMITATIBVS
RECTORE VNIVERSITATIS EBERHARDINO-CAROLINM MAGNIFICENTISSIMO
SERENISSIMO PRINCIPE D O M I N O
C A R O L O DVCE WIRTEMBERGI/E ET TECCI^ REGNANTE
R E L . R E L . 10
P R tE S I D E JOANNE FRIDERICO LE BRET T H E O I O f i l ® D O C T O R E E T P R O F E S S O R E P V B U C O P R I M A R I O , S E R E N I S S I M I
C O N S I L I A R I O , V N I V E R S I T A T I S C A N C E L L A R I O , E C C L E S I ® C O L t E G I A T / E
P R a ; P O S I T O , L A V R E A C E N S I V M A B B A T E E T F A C . T H E O L . 1 5
H . T . D E C A N O
A D. ff^N. MDCCXCIII.
D E F E N D E T
M. JOANNES CHRIST. FRIDERICUS HOELDERUN l A V F F E N S I S . 2 0
EZAMINIS CONSISTORIALIS CANBIDATVS ET SERENISSIMI STIPENOIARIVS.
TVBING^ TTPJS FFESIANIS.
In dem Marbacher Exemplar ist zwischen Titelblatt und Seite 1 das im Text getreu
nachgebildete Widmungsblatt eingeklebt.
974
Widmungen J/S
<AN DIOTIMA
I N D I E B E I D E N B Ä N D E D E S H Y P E R I O N )
Überlieferung
H: Marbach Inv.-Nr. 28763: Hyperion oder der Eremit in Griechenland von
5 Friedrich Hölderlin. Erster Band. Tübingen 1797. in der J. G. Cotta'sehen
Buchhandlung, mit dem Zweiten Band, 1799, zusammengebunden (Dioti-
rnens Handexemplar — siehe die genaue Beschreibung im S. Band dieser
Ausgabe).
Die erste Widmung steht auf der rot getönten Innenseite des oberen Deckels,
10 die andre auf einem Blatt stärkeren Schreibpapiers, das in der Fuge zwischen
den beiden Bänden eingehlebt ist.
Faksimile: Otto Güntter: Die Bildnisse Hölderlins. Mit Nachbildungen
seiner Handschrift und Bildnissen aus seinem Verwandten- und Freundes-
kreise. Veröffentlichungen des Schwäbischen Schillervereins, 12. Band,
15 Stuttgart und Berlin 1928, Nr. 21 und 22.
Erster Druck: Faul Spindler: Ein seltenes Buch. Besondere Beilage des Staats-An-
zeigers für Württemberg 1912 Nr. 21 vom 1. Dezember, S. J34-336.
Lesarten der ersten Widmung
2 Pflanze, aus Pia H Pflanze,] Komma aus urspr. Punkt H 3 i m ] später
20 eingefügt H 5 mannigfaltigen] mannigfalti- /gen aus mannigfalten 1/
Erläuterungen
Vgl. Walther Killy: Hölderlin an Diotima. Das Widmungsexemplar des 'Hype-
rion. Hölderlin-Jahrbuch 19S0, S. 98-107.
Die Widmung des ersten Bandes sucht sich als Zitat zu geben. Doch machen die
25 Korrekturen es wahrscheinlich, daß es sich um eigene Prägung harCielt. Die An-
führungszeichen dienten in früherer Zeit oft auch zur Hervorhebung — vgl. Goethe,
Faust v.ll9}6 f . (Weimarer Ausgabe I. Abt. Bd.lS^, S. 330). - Die Widmung
wird noch ergänzt durch die vom Dichter unterstrichenen Sätze des Textes, die er
also der geliebten Frau sonderlich hat zueignen wollen.
30 Die Widmung des zweiten Bandes aber ist ein Zitat, und zwar aus dem Fragment
von Hyperion (210), wo das Lockerwpfer in der Grotte Homers beschrieben wird:
975
3S9-360 Widmungen
W e m sonst, als dir? rief der Tiniote, indem er seine Loke gegen den Marmor
hielt.
Vgl. auch Schiller, Don Carlos v.l4}. Man muß daraus freilich nicht gleich
schließen, daß Hölderlin im Thaliafragment die Stelle aus dem Don Carlos bewußt
zitiert — so wenig, wie Platen Schiller oder Hölderlin zitiert im Berengar (Gesam-
melte Werke, Stuttgart und Tübingen 18S3, Bd. 3 S.1S9): W e m sonst, als dir,
gehör ' i ch , Frau der Frauen?
(AN CHRISTOPH SCHWAB
I N D I E A U S G A B E D E R G E D I C H T E V O N 1826>
Überlieferung 10
H : Zürich, Frau Emilie Ciaassen geb. Schwab: Gedichte von Friedrich Hoclderlin.
Stuttgart und Tübingen in der J. G. Cotta'sehen Buchhandlung. 1826.
Auf dem braunen Forsatzblatt von Christoph Schwabs Hand:
D e m Verfasser
als Zcichen seiner Verehnuig 15
und Liebe
Chr. Schwab.
Hölderlin hat die Prosasätze auf die Rückseite eines zwischen dem Druck-
fehlerverzeichnis und dem hinteren Forsatzblatt befindlichen weißen Blattes
geschrieben, die Verse auf die Vorderseite eines weißen Blattes zwischen dem 20
vorderen Forsatzblatt und dem Titelblatt. Darüber, wie es zu dieser Anord-
nung gekommen, siehe die Erläuterungen.
Erster Druck (mit Ausnahme des zweiten Prosasatzes, der hier zum erstenmal ge-
druckt wird): Friedrich Hölderlin's sämmtliche Werke, hg. von Christoph Theodor
Schwab, Stuttgart und Tübingen 1846,H 25
Lesarten
1 Vortreiflichkeit] so H 2 Menschen aus Ma H 5 Scartanelli aus
Sa H 6 Üherzeugxing.] Uberzeugung. H
Erläuterungen
Im 2. Band der sämmtlichen Werke Hölderlins, Stuttgart und Tübingen 1846, , 30
976
Widmungen J/S
S. 3)1, berichtet Christoph Schwab: I m Jahr 1841 waren ihm seine Gedichte
abhanden kommen, ich wollte ihm ein neues Exemplar derselben zum G e -
schenk machen ; weil er es durchaus nicht annahm, bat ich ihn, mir einige
Zeilen zum Andenken in das Buch zu schreiben, ehe er mir's zurückgebe, er
5 that es in Prosa, wie folgt : » Es ist eine Behauptung der Menschen, daß Vor-
trefflichkeit des innem Menschen eine interessante Behauptung wäre.« Ich
begnügte mich damit nicht, sondern bat mir zu diesen auf das letzte Blatt
geschriebenen Worten einen Vers auf das erste Blatt aus. Er schrieb fol -
genden:
10 Als wie der Tag die Menschen hell umscheinet
Und mit dem Lichte, das den Höhn entspringet.
Die dämmernden Erscheinungen vereinet,
Ist Wissen, welches tief der Geistigkeit gelinget.
Befremdlicherweise unterdrückt Schwab die Überschrift der Verse wie auch den
15 zweiten Prosasatz, der doch erst zu den Versen hinleitet und sie eigentlich veranlaßt.
Die Überschrift steht rwch in der handschriftlichen Fassung der Biographie, von
Schwabs Hand: Stuttgart Ve 1, 49. Doch wird da der Zusammenhang zwischen dem
(ersten) Prosasatz urul den Versen ganz aufgehoben, indem dazwischen ein andres
Gedicht zitiert, auch von der Eintragung in das Buch nichts erwähnt wird.
20 Bettina Arnim, Ilius Pamphilius imd die Ambrosia, Berlin 1848, II )8} f., setzt —
ein Beweis, daß sie nicht aus Christoph Schwabs Ausgabe abschreibt — die Über-
schrift: Überzeugimg. und fügt hinzu: (Einem Studirenden in ein Buch ge-
schrieben.) ; am Schli{ß: ( H ö l d e r l i n im März 1841.) .
Am 2S. Februar 1841 schreibt Schwab in sein Tagebuch (Tagebuchaufzeichrvungen
25 von Christoph Theodor Schwab über seinen Besuch bei Friedrich Hölderlin, Fak-
simileausgabe in einer einmaligen Auflage von sechshundert numerierten Exem-
plaren durch den Verlag Gerd Hatje, Stuttgart und Calw 1946):
Ich war am 12. Febr. Nachmittags einige Minuten bei Hölderlin, u m ihm
ein Exemplar seiner Gedichte, da i h m das seinige, in we lchem einige an-
30 gebundene Blätter mit neueren Gedichten beschrieben waren, gestohlen wor-
den ist, zum Geschenk zu bringen. Als ich es sehen ließ, gefiel ihm der Ein-
band sehr gut, aber annehmen wollte er es durchaus nicht, doch gieng ich
so schnell fort , daß er mir es nicht mehr zurückgeben konnte. Kaum war ich
aber fort , so gieng er aus seinem Z immer heraus u. was er sonst Nachmittags
977
3S9-360 Widmungen
nie thut, in das der Schreinersfrau. Doch kam i h m ihre Tochter unter der
Thüre entgegen, da gab er ihr das Buch u. bat sie, es dem Herrn Baron zu-
rückzugeben, sie sagte, sie wolle es i h m geben, wenn er wieder k o m m e , womit
er sich zufrieden gab u. antwortete: Ich meine. . . .
Heute (am 2S. Februar) gieng ich wieder hin u. erfuhr, daß H. das Buch 5
nicht wieder angenommen. Nun gieng ich zu i h m u. bat ihn, mir auf eines
der leeren Blätter, die darin sind, einige Zeilen zu schreiben, was er ver-
sprach. Er erinnerte sich, daß er mir schon einmal ein paar Gedichte ge -
geben hatte u. fühlte sich sehr geschmeichelt , als ich i h m darauf sagte,
diese hätten in mir den Wunsch erregt, mehreres Ton seiner Hand zu be - 10
sitzen.
Gleich nachdem ich aus seinem Z immer war, brachte man i h m Feder u.
Tinte u. er setzte sich, um Verse in das Buch zu schreiben.
Tatsächlich waren es zunächst wohl nur die Prosasätze. Über den nächsten Besuch
Schwabs, bei welchem dann die Verse entstanden - wenn nicht erst in der Pause bis 15
zum übernächsten Besuch —, liegen keine Nachrichten vor. Doch wird die von Bettina
gegebene Datierung zutreffen.
978
Z W E I F E L H A F T E S
< W 0 ? w o SEYD I H R ? . . .>
Hölderlins Geburtshaus hat im Jahr 1919 einem Neubau weichen müssen, dessen
erster Besitzer zu Beginn der dreißiger Jahre noch zwei Fensterscheiben aus dem alten
5 Hause verwahrte. Die in das Glas eingeritzten Inschriften führt die Lauffener Orts-
überlieferung auf Hölderlin zurück. Vgl. den Entwurf { . . meinest du / Es solle
gehen . . .) ii. lf—19 und die Erläuterung z. St.
Die beiden Inschriften stehen jede auf einer kreisrunden, bleigefaßten Scheibe, die,
grünlich gefärbt, die Mitte eines größeren, dunkelgrauen Rechtecks einnimmt; das
10 graue Glas wird durch Bleifassungen, die den Rechteckseiten parallel gehen, in vier
gleiche Teile zerlegt. Die datierte Inschrift ist sichtlich früher geschrieben als die
andre, mit kindlich ungeschickten Zügen, und lautet:
wer wolte sicli mit
Grillen plagen
15 So lange Lenz
und Jugend blülm
W e r wolt in seinen
blüthen Tagen
Die Stirn in düstre falten ziehn.
20 C. F.
den 21. Nov. 1779
JVerm der Knabe Hölderlin wirklich diese Höltyschen Verse eingeritzt hat — vgl. die
Erläuterungen zu dem Gedicht An Neuffer. Im Merz. 1794. (Bd.l, S. 483) - , so
wäre die durch Johann Friedrich Blums Tagebuch für Ende April 1780 bezeugte
25 Reise ins Unterland nicht die erste gewesen, welche die im März 1779 zum zweiten
Mal verwitwete Mutter mit ihren Kindern unternommen hätte (siehe darüber Adolf
979
36 ) wo? wo seydihr? . . .
Beck im Hölderlin-Jahrbuch 1947, S. 26). Nicht unwahrscheinlich ist es, daß der
neunjährige Knabe mit den Initialen nur seiner Vornamen unterschreibt. Aus der von
Carl C.T. Litzmann (Neue Mittheilungen über Hölderlin. Archiv für Litteratw-
geschichte, hg. von Franz Schnorr von Carolsfeld IS, 1887, S. 61-80, besonders
S. 67) veröffentlichten Eintragung im Hauptregister des Straßburger Präfekten 5
vom 24. Frimaire des Jahres X (1S. Dezember 1801) wie aus dem von der Bordeleser
Polizei am 5. Floreal des Jahres X (9. Mai 1802) ausgestellten Paß für die Heim-
reise (Stuttgart fasc.Vb Nr. S) geht hervor, daß Hölderlin auch später noch zuweilen
den ersten seiner drei Fornamen unterdrückt und sich nur Christian Friedrich ge-
nannt hat. — Christoph Schwabs Vermerk auf dem an ihn gerichteten Brief des 10
Lauffener Stadtpfarrers Eduard Bürger vom 18. Februar 1870, worin die beiden
Inschriften mitgeteilt werden (Stuttgart fasc.Vd Nr. 2), die Unterschrift unter den
Höltyschen Versen laute C. v. F., ist irrig: was er als »v . « ansieht, ist nichts als der
mit dem ungefügen Schreibgerät übermäßig verdeutlichte Punkt hinter dem C.
Die andre Inschrift (mit zügigerem, nicht mehr knabenhaftem Duktus) setzt vor- 15
aus, daß der Schreiher in der Zwischenzeit nicht wieder in dem Hause geweilt hat.
Jedenfalls läßt sich schwer denken, daß jemand, der täglich die erste Inschrift ge-
sehen, plötzlich jene wehmütige Beschwörung in die andre Scheibe geritzt haben sollte.
Hier lautet die Unterschrift nur C — ohne Punkt dahinter —, und es ist ersichtlich,
daß der Schreiber gestört und von seinem Geschäft abgerufen worden ist, bevor er sie 20
zuC {.F. H.y vervollständigen und das Datum hinzusetzen konnte. Als Zeitpunkt
käme die Ostervakanz 1788 in Frage: Dienstag nach dem Palmtag (d. i. am
18. März) hat Hölderlin, von Maulbronn kommend, Mutter und Schwester in
Schwiebertingen, im Ochsen erwartet (Brief an die Mutter: Also in acht Tagen
sind wir beieinander...); die Ankunft im benachbarten Markgröningen noch am 25
nämlichen Tag wird durch Johann Friedrich Blums Stammbuch bezeugt (vgl. S. 3 4S);
nach Blums Tagebuchaufzeichnungen vom 29. März und 8. April (Hölderlin-Jahr-
buch 1947, S. 27 f.) sind die Gäste nach den Osterfeiertagen (23. und 24. März)
wieder gegangen, am 28. März von Löchgau zurückgekehrt und dann noch bis zum
7. April geblieben: es wäre seltsam, wenn von Löchgau aus nicht auch das nahe 30
Lauffen besucht worden wäre.
Die Scheibe, welche die von Hölderlin rrmtmaßlich improvisierten Verse überliefert,
ist später beschädigt und am rechten Rand durch eine senkrechte Bleileiste um ein
schmales Segment ergänzt worden, wodurch an zwei Stellen geringer Textverlust in
den so angeordneten Zeilen entstanden ist: 35
980
wo? wo seyd ihr? . . . Hymne auf Christoph }63—)6f
wo? wo seyd ihr?
seyd ihr ganz verschwunden,
Euch, euch sucht mein Thrän<en-)
voller Blik
5 Süße, unaussprechlich süße
Stunden
Kehrt, o kehret doch zu m (ir)
zurük
C
10 Der Stil dieser Verse, der durch die beschwörenden Wortwiederholungen gekenn-
zeichnet wird, hat in der Maulbronner Dichtung viele Parallelen: vgl. Die Meinige
V. 3 7 / . ; Auf einer Haide geschrieben v. 6—14; Die Ehrsucht v.l9 f.; Der Kampf
der Leidenschaft v. 6—10.
Erster Druck: Schwäbischer Merkur 1870 Nr. 4} vom 20. Februar, unterzeichnet
15 E. B, (d. i. Eduard Bürger).
In dem frühestem Ende März 1870 erschienenen Aufsatz von Arnold Wellmer:
Zertrümmert. Licht- und Schattenbilder aus einem Dichterleben (Über Land und
Meer. Allgemeine Illustrirte Zeitung, Band 23 (1870), Nr. 26, S. 477-482) sind
die Inschriften deutlich als nachträglich angefügtes und offenbar auf Bürgers Mer-
20 kur-Artikel zurückgehendes Anhängsel zu erkennen.
H Y M N E
AUF C H R I S T O P H H E R Z O G ZU WÜRTENBERG
Das unter Hölderlins Papieren überlieferte Gedicht (erhalten ist nur das letzte Drittel)
ist von Neuffer geschrieben und wahrscheinlich auch verfaßt. Zwar hat Neuffer ein
25 Jahr später von Hölderlins Magisterspecimen über die Geschichte der schönen Künste
unter den Griechen eine Reinschrift (Marbach 34038) angefertigt, so daß man wohl
auf den Gedanken kommen könnte, er habe hier ein Gedicht des Freundes abgeschrie-
ben. Doch ist es ein Unterschied, ob der schon Promovierte dem vor dem Examen
stehenden Freund hilft, die erforderliche Anzahl der einzureichenden Exemplare her-
50 zustellen, oder ob er ein verhältnismäßig kurzes Gedicht mundiert. Ja, die Korrektur
V. 30 f . (siehe die Lesarten) macht Neuffers Verfasserschaft erst recht wahrschein-
981
i64 — ^6S Hymne auf Christoph
lieh. Hätte er ein ihm besonders gefallendes Gedicht Hölderlins für sich abgeschrie-
ben, so wäre es auch nicht unter Hölderlins Papieren. Der Name Hölderlin in
der rechten unteren Ecke des Titelblattes deutet darauf hin, daß Neuffer dem
Freunde die Handschrift geschenkt und ihn zugleich um eine kritische Durchsicht
gebeten hat. Hölderlin muß im ganzen einverstarulen gewesen sein; denn er hat in 5
dem erhaltenen Rest der Hj^mne nur eine Änderung angebracht (v.3S). fielleicht hat
er ähnliche Reinschriften seiner mir wenig späteren stilistisch verwandten Gedicht-
folge auf Gustav Adolf (1, 88 f ) , von der merkwürdigerweise auch nur der Schluß
erhalten ist, den Freunden Neuffer und Magenau gegeben, und daraus mag sich dann
nach wenigen Wochen, im Frühjahr 1790, der Aldermannsbund entwickelt haben. 10
Überlieferung
N': Stuttgart! 21: Doppelblatt 11,5 (ll,7)xl8,4 (18,6) cm, obere Kantenund
rechte Kante des Vorderblattes beschnitten; gelbliches, feingeripptes Papier,
am oberen Rand Rest eines fVasserzeichens (Wappen).
Die Vorderseite des ersten Blattes-, dessen Rückseite leer ist, trägt nur Über- 15
Schrift undJahreszahl sowie in der rechten unterenEcke den Namen Hölderlin.
Die Seiten des zweiten Blattes sind als 7. und 8. paginiert. Also war, wenn das
Titelblatt als Seite 1 und 2 gezählt wird, dem überlieferten Doppelblatt ein
andres mit den Seiten i, 4, 5, 6 eingefügt, mit welchem demnach die ersten
beiden Drittel des Gedichts verschollen sind. 20
Das Gedicht ist von Neuffer geschrieben.
H: Aivierungen von der Hand Hölderlins (v. SS).
Erster Druck: Carl Müller-Rastatt: Aus Friedrich Hölderlins Schülerjahren.
Neues Tagblatt, Stuttgart,S0.JahrgangNr.l40;18.Junil89}, Zweites Blatt, S.IO.
Lesarten 25
Überschrift: zuerst nur: Hymne
auf Christoph.
Darunter ein Strich, ein weiterer unter der zwei Zeilen tiefer stehenden Jahreszahl
1789. Erst später wird, nicht unterstrichen, anscheinend mit Tinte und Feder des
Schlusses von v. 27 ab, auf der zweiten Zeile hinzugefügt: Herzog zu Würten- 30
berg. N
11 Apfelbaum aus Apfelbaums A^ 2 5 Christophs aus Christopf N
2 7 Von hier ab andre Tinte und Feder N
982
Hymne auf Christoph. Stammbuchblatt i64 — 366
30. 31 : Und (1) es stand Maximilian auf der Stuffe des
(2) auf des Kaiserthrones Stuffe / Stand Maximilian. N
35 Giftwind Jg'Mtr.; darunter; Gift H ^akte.]gestr.;danmter:sc\vwänte.H
36 Stürmet] davor später eine Klammer und Schlußstrich unter v. }S N
5 Erläuterungen
Das Gedicht besteht ebenso wie Hölderlins Gedichtfolge auf Gustav Adolf (1, 88 f.)
aus stichisch wiederholten jambisch- aruipästischen Fersen und aus Odenstrophen.
Von letzteren ist nur eine einzige übrig geblieben, die vermutlich eine schon früher
vorgekommene am Schluß echoartig wiederaufnimmt.
10 Herzog Christoph ist derselbe, den Hölderlin in der Elegie Stutgard v. SO anredet:
gütiger Kristoph; siehe dort die Erläuterung.
2 Teck ] Vgl. Hölderlins Gedicht Die Teh (1, S5-S1) und die Erläuterung 1,368.
12 Vgl. {Ende einer Gedichtfolge auf Gustav Adolf) v. 3 (1, 88).
29 Vgl. Kepplerv. 19 f (1,81).
15 31 Maximilian] Kaiser Maximilian U. (1564—1S76), den Evangelischen wohl-
gesinnt.
33 An Manas Thronen] Vgl. (Zornige Sehnsucht) v. 21 und die Erläuterung
z. St. (1, m).
3 6 - 3 9 Das Versmaß ahmt eine von Klopstock erfundene und oft verwendete
20 Strophe nach: Die Zukunft (1764), Die Chöre (1767), Teone (1767), Ästhetiker
(1782), Der Sieger (179S). Nur durch eine einzige Silbe (in der ersten Zeile) unter-
scheidet sich davon das Maß der Oden Der Unterschied (1771), Die Maßbestim-
mung (1781), Mein Wissen (1782), Delphi (1782), Der Gränzstein (1782), Das
Gegenwärtige (1789).
25 <STAMMBUCHBLATT FÜR EINEN UNBEKANNTEN)
Überlieferung
h : Stuttgart, Landesbibliothek, cod. poet. 4" Nr. 196 Bl.llS: Abschrift Gustav
Schlesiers.
In der rechten oberen Ecke der Vermerk: Stam(m)buchblatt.
30 Da Schlesier keine weitere Beschreibung gibt, muß die Echtheit zweifelhaft
bleiben.
983
3 6 6 — m Stammbuchblatt. Der Aristokrat
Erster Druck: Wilhelm Böhm: Hölderlin. Aus Gustav Schlesiers Nachlaß. Deutsche
Rundschau 49 (1923) S. 6f-84; 177-197; besonders S.71f.
Erläuterungen
Matthissons Gedicht Das Feenland (1, H0—1S2 Bölsing) ist zuerst erschienen
in der Sammlung: Friedrich Matthissons Gedichte. Hg. von Joh. Heinr. Füßli. Ver- 5
mehrte Auflage. Zürich. Bey Orell, Geßner, Füßli und Compagnie. 1792, S. 99
(und gleichzeitig in J. H. Fassens Musen-Almaruich für 1792, 5.123). Es zählt
zehn Strophen, die in der Cottaischen Ausgabe der Gedichte (Tübingen 1811) um
eine weitere, nach der zweiten eingeschobene, vermehrt werden.
Das Stammbuchblatt gibt die ersten drei Strophen und die vorletzte, mit Abweichun- 10
gen nur in der Interpunktion. Es müßte, wenn es echt ist, wohl gleich in das Erschei-
nungsjahr des Matthissonschen Gedichtes, 1792, datiert werden] nicht erst in den
Sommer 1799, wie es Böhm II 274 versucht: damals lag Hölderlin solche Poesie gänz-
lich fem. (Es sei auch darauf hingewiesen, daß die beiden Stammbuchblätter aus dem
Jahr 1792, für Heinrike Hölderlin und für Leo v. Seckendorf, als einzige der er- 15
haltenen Blätter beide unterschrieben sind: zum Andenken von. . . , wie dies von
Schlesier überlieferte.)
D E R ARISTOKRAT
Überlieferung
h: Stuttgart Vg Nr.l2: Handschrift Christoph Schwabs (der vermutlich der 20
Verfasser dieser Verse ist): Einzelblatt lS,7x41 (40,7) cm; die Vorderseite
ist unten in einer Höhe von IS cm, die Rückseite ganz leer.
Erster Druck: Friedrich Hölderlin: Gesammelte Werke in vier Bänden, hg. von
Alexander Benzion, Weimar {1923), Bd. 1 S. 296 f .
Lesarten 25
8 U n d ] U . h 1 1 Chaos] ^aos h 13 maß über gestr. will h 1 4 kühn
nach gestr. kec(A) h 1 9 zum jubeltrunknen] (1) aus jubeltrunknem
(2) Text h 2 0 dem dunkeln über gestr.: des Herzens h
Erläuterungen
Die Zweifel an der Echtheit beginnen schon bei der unhölderlinischen Überschrift, 30
984
Der Aristokrat. . . was hilft mich's . . . i69
richten sich gegen ungeschickte Bilder wie v. 8, wo schwere Nacht das Herz durch-
floß (im Reim auf durchschoß^, oder v.l9 f., wo zum juheltrunknen Munde /
Die Freude aus dem dunkeln Schooß (zuerst gar: aus des Herzens Schooß.'^
gelassen werden soll, und besonders gegen die allzudeutlichen Anklänge etwa an
5 Hölderlins Gedicht An die klugen Rathgeher (1,22}—226), die doch nur epigoni-
scher Widerhall sind.
Es sei übrigens darauf hingewiesen, daß sich im Jahr 194S im Nachlaß des Stuttgar-
ter Rechtsanwalts Dr. Gustav Schwab ein ganzes Bündel ähnlicher poetischer Ver-
suche von Christoph Schwabs Hand gefunden hat, Reinschriften und Entwürfe, die
10 offensichtlich vom Schreiber verfaßt und größtenteils auch datiert sirui, und zwar in
den Jahren 1840-44.
<. .WAS H I L F T M I C H ' S . . . )
Überlieferung
h : Stuttgart Vg Nr. 21: Handschrift Christoph Schwabs (der auch der Verfasser
15 dieser Verse ist): Einzelblatt 18,2x21,2 cm; Rückseite eines Briefes an
Schwab von C. Gerber aus Stuttgart, das Datum ist mit einem Zipfel der rech-
ten oberen Ecke abgerissen.
Der Brief ist, bevor die Rückseite als Konzeptpapier verwendet wurde, klein
zusammengefaltet (eirunal längs,zweimal quer) lange Zeit in der Tasche getragen
20 worden; denn die beiden Rechtecke oben links sind stärker angeschmutzt als
das übrige Blatt, auch ist dort an den Ecken das Papier durchgewetzt. In der
rechten Spalte steht, mit Bleistift urul Tinte geschrieben, der Entwurf { . . was
hilft mich's ...). Er muß eher entstaruien sein als die ersten Versuche (h^) zu
der Epistel (S. 37 Of.) in der linken Spalte (mit Tinte), dav.l2 und v. 30-S }
25 der Epistel auf diesem Blatt keinen Platz mehr finden und auf ein andres (h^)
ausweichen müssen — was sich erübrigt hätte, wenn die rechte Spalte noch leer
gewesen wäre.
Erster Druck: Franz Zinkernagel: Neue Hölderlin-Funde. Neue Schweizer Rund-
schau, XlX.Jahrgang von »Wissen und Leben«, 1926 (April), S. 341 f .
50 Lesarten
Die Niederschrift beginnt mit Bleistift. Am oberen Rand, über v. 1, werden drei The-
985
S6S-369 . . was hilft raich's . . .
men vermerkt und einzeln unterstrichen, die wohl nicht mit dem Entwurf darunter zu-
sammenhängen:
E l e g i e . S c h w a b e n , w ie es ist. P indar .
h
1 - 8 (mit Bleistift) : 5
was hilft mich's
geächtet Daß einmal schöne Menschen
knechtet waren?
(ein feurig Abendroth)
überragen 10
U. I sam, I sam in d. Harfe schlagen (1) ? (2) ,
Der stummen W e l t sein Leid z. Magen?
Der Strom der Tugend rann d d. Geschichte
In [ d e ] tausend Werken u. Gedanken fort ,
Doch (1) ach ! (a) d. Tugend 15
(b) ihr Leben
(2) dieser Strom, er ward zu nichte.
Er ward zum eckein Sumpf, zum W o r t . h
9—13 : mit Tinte später als v.14—21 in eine ausgesparte Lücke, etwas eingerückt h
9 schien iiier ist h 1 0 zünden üJer g-estr. wirken h 1 1 ü n d ] U . h Krie- 20
gertod aus Heldentod h 12 sich von seiner Schwelle trennte, am: sich ge -
trennt von semer Schwelle, h 13 weichen Bett ] (1) Ruhebett (2) weichen
über Ruhe h
1 4 - 2 1 : mit Bleistift früher als v. 9-1 i:
14 : (1) D e m Genius ist's wohl 25
(2) So ist's D e m Genius wohl in Todesschatten
15 : (1) [Der , lebend oder sterbend, i m m e r s iegt ; ]
(2) W e n n ihn der Lebenshauch der That (a) durchfliegt,
(b) umfliegt ,
1 6 : (1) Nur liebt er (a) den 30
(b) ö den ( o : Abkürzung für nicht^
(2) Er haßt allein den Schlummertag, den matten,
1 7 : W o er nicht unterliegt, noch siegt?
1 : 1 8 : [ D e m Feigling nachtet's vor des Meeres Schooß
986
. . was hiUt mich's . . . 368-369
3 Zeilen tiefer:
19 : Wenn u m ihn (1) Donnerwogen
(2) her d. Donnerwogen steigen]
3 Zeilen tiefer:
5 2 0 : [ D e m kühnen Rudrer (1) ist's (2) dünkt's ds herbste Loos,
2 1 : Wenn (1) rings u m (a) ihn (h) her
(2) über seinem Haupt d. Winde schweigen]
I I : 1 8 : (1) Dem Kühnen graut's ö
(2) Graut's einem Kühnen vor ds Meeres Schooß,
10 1 9 : Wenn über ihm die Dormerwogen steigen?
2 0 : (1) Doch dünkt es ihm
(2) Wahrlich { , ihm) dünkt's ein einzig bittres Loos,
2 1 ; Wenn (1) rings umher
(2) u m ihn her die Winde schweigen, h
15 2 0 : nachträglich, später als v. 22-2S, über der Zeile des II. Einsatzes, mit Tinte:
Nein ihnen dünkt's 1 zehnmal bittrer Loos h
2 2 - 2 5 : mit Tinte zwischen v.l8 und 20 des I.Ansatzes (wobei v. 19 fast bis zur
Unleserlichkeit zugedeckt wird):
2 2 : Doch wenn er einsam "or den Sternen steht,
20 2 3 : (1) U. wie ein Geist durch kalte Nächte geht,
(2) Ein bleicher Geist durch (a) kaltes Dunkel
(b) kalte Dämmrung geht,
2 4 : W e n n seine Trauer ( i ) durch die Oede klingt (2) in das Weite dringt
2 5 : (1) U. in die heimathliche Nacht [T]erklingt
25 (2) U. mit der Heimath [ froh] sich, der Nacht, verschlingt h
26—28 : mit Tinte, auf dem Kopf stehend, in der andern Spalte, 7 cm unter dem
oberen (eigentlich unteren) Rand einsetzend h
26 vielleicht über gestr. freilich h zärtliche üicr ejtr. liebliche h 21sigestr.:
Zu edlen Herzen hin den Schall h 2 8 Die aus Der h
30 Erläuterungen
Wäre der Entwurf echt, so müßte Schwabs Handschrift eine diplomatische Abschrift
987
368-371 . . was hilft mich's . . . Epistel
sein, wie auch ZirJiemagel bei der ersten Veröffentlichung S. 339 erklärt. Da erhebt
sich die Frage, ob der Abschreiber nicht statt des zerfalteten und verschmutzten Blätt-
chens, das er lange in der Tasche getragen, einen größeren, sauberen Bogen gewählt
hätte, auf dem er das Brouillon deutlicher hätte darstellen können. Besonders v.l9
des I. Ansatzes, mit Bleistift geschrieben, ist von v. 22-2S fast bis zur Unleserlichkeit 5
zugedeckt: das sieht nicht nach einer diplomatischen Abschrift aus. Femer widerstreitet
die fVendung was hilft mich 's (v.l)dem Sprachgebrauch Hölderlins (bei Zinkema-
gel ein Lesefehler), und diese Feststellung wiegt schwerer als Hinweise auf gewisse
Anklänge, die sich bald als dilettantische Nachahmungen zu erkennen geben. Will
man Hölderlin wirklich die ebenso ungeschickte wie geschmacklose Bilderwut v. 9—13 10
zutrauen? Auch wäre bei ihm in einem offenbar strophisch geplanten Gedicht die
völlig planlose Reimordnung, die Regellosigkeit im Wechsel klingender und stump-
fer Reime, ganz imdenkbar.
EPISTEL
Überlieferung 15
h' : Stuttgart Vg Nr. 21 fj. die Beschreibung S. 98f): erste, bruchstückhafte Ver-
suche.
h^ : Stuttgart Vg Nr. 22 Einzelblatt 20,Sx 32 cm; auf der Vorderseite oben hat
Christoph Schwab Hölderlins Elegie Achill. (1, 271) abgeschrieben, den
Raum darunter (14 cm hoch) und den rechten Rarui später zu verschiedenen 20
Notizen benützt und schließlich in dem unteren Raum quer, von xmten nach
oben, die Verse 12 und 30-33 seiner Epistel entworfen, die auf dem Blatt h '
keinen Platz mehr finden; auf der Rückseite steht die Abschrift der Hölder-
linischen Elegie {An einen Baum) (1, 209).
h? : Stuttgart Vg Nr.lO": Doppelblatt 20,4 x 31,Sem: Reinschrift von Christoph 25
Schwab, der auch der Verfasser ist (siehe die Erläuterungen). Bl.lO", 11',
11» sind leer.
Erster Druck: Franz Zinkernagel: Neue Hölderlin-Funde. Neue Schweizer Rund-
schau, XlX.Jahrgang von »Wissen und Leben«, 1926 (April), S. 339f.
Lesarten 30
Entwurf (h^):
Zuerst wird in der linken Spalte oben, rwch unmetrisch, dies Motiv festgehalten:
988
Epistel )70-}71
Weil 's Abend wird u. der sterbende
Tag sein schimmerndes Götterblut verströmt
Darunter stehen, ohne Beziehung zueirutnder, entwerfende fersgruppen in dieser
Reihenfolge:
5 I U. (1) frage (2) lausche, ob sein Bild sich schicken will
In diese große Sphärenharmonie,
So hab' ich's längst mit Deinem Bild gethan,
Nun will ein andres rasch zu ihm sich drängen
) Zeilen tiefer:
10 W i e eine Blume sanft im Aether stirbt,
Verhauchte meine untergehnde Liebe
In dieser heimathlichen, (1) reinen (2) frohen Seele
} Zeilen tiefer:
Er wirft sein Ruder fluchend in die Wellen,
15 Irrt willenlos im rohen Sturm umher
U. freut sich, bis das Meer c t ihn verschlinge.
(di: Abkürzung für auchj
Es folgen nun, auf dem Kopfe stehend, die Verse 26—28 des Entwurfs (.. was hilft
mich's . . .) - siehe dort die Lesarten; dann, im Sinne wieder der übrigen Aufzeich-
20 rvungen geschrieben, ein vermutlich für die Epistel bereitgestelltes Motiv:
W i e goldne Sterne, die d. W e l t beherrschen.
Auftauchen aus (1) dem (a) stillen, tiefen Meer,
(b) selgen dunkeln
fselgen eingeklammert und unterstrichen)
25 (2) geheimnißvollem Meer,
Erhoben [sich] aus der Kindheit Tiefe sich
Des Jünglings erste (1) siegende (2) leuchtende Gedanken
Schließlich am unteren Rand:
Soll ich mein Urtheil über Einen sprechen,
30 So rieht' ich gern in heilig stiller Nacht,
Ich stell' ihn vor den Odem der Gestirne -J- •[• s. oben
Hart am oberen Rand, über dem zuerst festgehaltenen Motiv, stehen die Verse 26—29
und der erste Entwurf der Verse )0f., dessen endgültige Ausformung auf dem Blatt
h^ keinen Platz mehr findet und darum auf dem Blatt h^ geschieht. Also müssen die
35 drei entwerfenden Versgruppen (oben Zeile f — 8 , 10 — 12 , 14 — 16) früher zu
989
n o - i l l Epistel
Papier gebracht worden sein. Es ist daher nicht auszumachen, ob sie in dieser vor-
läufigen Gestalt und in dieser Reihenfolge ruxh in die Epistel (wenn sie überhaupt
in dies Gedicht gehören!) aufgenommen worden wären. Die Reinschrift (h^) bricht
mit V. 25 ab und läßt die übrigen drei Seiten des Doppelblatts leer.
Lesarten der endgültigen Fassung: 5.
1 2 : (1) Tönt seine Seele i h m , ein Echo , nach, h^ {2) Text h^ 1 8 Und]
U. h^ 2 1 getragen,] Komma für urspr. Fragezeichen h^ 2 3 frohen iiJcr
gestr. kühnen h^ 2 4 Und] U. h^
26-ii: fehlt h^
2 6 - 2 9 : am oberen Rand des Blattes h 10'
2 6 Und] U. h^ ein über iei h^
3 0 - 3 3 :
I : links neben V. 28. 29:
Bis uns der Mond (1) in neuer Jugend glänzte
(2) mit neuer Jugend lockte, h^ 15
I I : Bis uns der Mittler zwischen Nacht u. Tag ,
(1) Der schöne Mond, in hoher Jugend glänzte.
Ein Gott , der unbekümmert u m den Wexel
Des Irdischen die beiden liebend eint.
(2) Der (a) unbekümmert u m den irdschen Wexe l 20
(b) u m der Erde Zwiespalt unbekümmert
I m holden Dämmerl icht die beiden eint,
Der schöne Mond h ^
Erläuterungen
Gegen die Echtheit spricht auch hier die Beschaffenheit des Entwurfs h^, der, wie 25
in den Erläuterungen zu dem vorigen Gedicht bereits dargelegt worden, keine diplo-
matische Abschrift sein kann. Auch h^ müßte, falls die Epistel von Hölderlin wäre,
eine diplomatische Abschrift sein. Das würde dann zu dem van vornherein unmög-
lichen Schlüsse zwingen, daß Hölderlin diese Epistel später gedichtet hätte als die
Elegie Achill. (Überdiesist die Forlage für Schwabs Abschrift der Elegie Achill noch 30
vorhanden - siehe Bd. 1 S. S88.) Tatsächlich hat Schwab das Blatt Vg Nr. 22, nach-
dem seine Abschriften der Hölderlinischen Distichen für die Druckvorlage der Aus-
gabe von 1846 mundiert waren, zunächst für andre Notizen verwendet, u. a. für
990
Epistel. In lieblicher Bläue . . . } 7 0 - S 7 4
spielerische Wortzerlegungen, die gewißlich nicht von Hölderlin herrühren, z. B-
Cor o mandel, Ab salon, und dann erst zum Konzept der Verse 12 und 3 OS 3
seiner Epistel. - Auch die Wortform Odem v. J ist verdächtig. — Das stärkste Argu-
ment gegen die Echtheit aber sind die Hiate v.4: lausche ob, t>. 12 ; Seele i h m , v. 16;
Hunderte entschlummerter, v.l9: goldne Abendwolken, wie sie in Hölderlins
Gedichten An Hiller, (Einladung an Neuffer), Emilie vor ihrem Brauttag, deren
epigonische Nachahmung Schwabs Epistel ist, selbstverständlich nicht vorkommen.
<IN L I E B L I C H E R B L Ä U E . . . )
Überlieferung
10 E: F. W. Waiblinger: Phaethan. Zwey Theile, Stuttgart, Verlag von Friedrich
Franckh, 182h Zweiter Theil, S. 1S3-1S6.
Eigentümlichkeiten der Schreibung: Geschrey, drey, nämlich, Strahl,
vielleicht, Hercules, Dioscuren, Glocke, unglücklich, bedeckt, jetzt.
Dem Text gehen diese einleitenden Worte voran (S.1S2 f.): Alles, was er
15 bekommen konnte von Papier, überschrieb er in dieser Zeit. Hier sind
einige Blätter aus seinen Papieren, die zugleich einen tiefen Blick in
den schrecklichen Zustand seines verwirrten Gemüthes geben. I m Ori -
ginal sind sie abgetheilt, wie Verse, nach Pindarischer Weise.
Erläuterungen
20 Es ist wohl nicht daran zu zweifeln, daß Waiblinger, der am Ende seines Romans
für die Schilderung des wahnsinnig gewordenen Bildhauers Phaethon laut seines
Tagebuchs (11.August 1822) »Hölderlins Geschichte« benutzt, in den Aufzeich-
nungen des Helden solche des kranken Hölderlin wiedergibt. Doch ist es zweifelhaft,
ob er Hölderlins Worte buchstabengenau abschreibt, ob er nicht an einigen Stellen
25 ausschmückend erweitert, ob er nicht auch verschiedene Gedichte kontaminiert. Femer
ist es nicht einmal ausziunachen, ob es sich ursprünglich um ein einziges dreigeglie-
dertes Gedicht handelt - trotz des durch die Motive des Maaßes (372,19 und 23)
u r u i G r i e c h e n l a n d s 3 7 4 , 4 ) g e s t i f t e t e n s c h e i n b a r e n Z u s a m m e n h a n g s . Der
könnte eben Waiblingers ausgleichende und aufhöherule Zutat sein. Jedenfalls deuten
SO die eirdeitenden Worte feinige Blätter aus seinen Papieren^ zunächst auf mehrer-
lei. Desto entschiedner verbieten sich müßige Versuche, Verse und sogar Strophen
991
}72-}74 In lieblicher Bläue . . .
»wiederherzustellen«, zumal da die reimlosen und unmetrischen Niederschriften der
ersten Krankheitsjohre ebendodurch sich von den Vaterländischen Gesängen unter-
scheiden, daß deren strenges Baugesetz nun nicht mehr beachtet wird. Es fehlt daher
an jedem geseilichen Kalkül.
Vgl. Karl Frey: Wilhelm Waiblinger, Sein Leben und seine Werke, Aarau 1904, 5
S.136 und 274; Rudolf Blümel: Ein unbekanntes Gedicht von Hölderlin? (Das
Reich, Vierteljahresschrift, hg. von Alexander Freiherm von Bemus, 2. Jahr, Buch 4,
Januar 1918, S. 6)0-638); ViStor S. 227 Anm.; Ludwigv. Pigenot im 6. Band
der Hellingrathischen Ausgabe. Berlin 192), S. 24-27 und 490-492; Böhm
II S28 f.; Eduard Lachmann: In lieblicher Bläue . . . Eine späte Hymne Holder- 10
lins (Dichtung und Volkstum 38, 19)7, S. )S6-)61).
992
Eraerich: Das Schicksal
DAS SCHICKSAL
Ode von Friederich Joseph Emerich, von Hölderlin für
Neuffers Taschenbuch bearbeitet
Im Juli 1799 legt Hölderlin seinem Brief an Neuffer ("Ich schike Dir hier einige
5 Gedichte . . .) auch etliche für Neuffers Taschenbuch bestimmte Beiträge seines
Freundes Emerich bei und sagt darüber in der Nachschrift: Ich hab' es versucht,
in Eines von Emerichs Gedichten etwas mehr Einfachheit und Harmonie zu
bringen. Seine Gedichte enthalten, wie Du finden wirst, xum Tlieil treflichc
Gedanken. Aber auf der einen Seite wechseln die Töne nicht genug, auf der
10 andern stimmen sie nicht genug zu einem karakteristischen Ganzen zusam-
men, und das ist ihm wohl zu vergeben, denn es ist mehr oder weniger das
Schiksaal nahmhafter Dichter unserer Zeit gewesen. Wenn die Fülle von
Kraft und Stoff, die ihm, so viel ich ihn kenne, nicht abzusprechen ist, sich
einmal organisirt, so kann ein treflicher Dichter aus ihm werden. . . . / Mit
15 den andern Gedichten von Emerich kannst Du ja die nöthigen Verändenmgen
noch vornehmen.
Neuffer hat indes nur eine Ode von Emerich in das Taschenbuch für Frauenzimmer
von Bildung auf das Jahr 1800 eingerückt: Das Schicksal, und man darf vermuten,
daß es das von Hölderlin bearbeitete Gedicht sei. Die originale Fassung, die etwa
20 gleichzeitig in Emerichs Gedichten erschienen ist, wird hier zum Vergleich vor
Hölderlins Bearbeitung abgedruckt. (Über Emerich siehe Christian Waas: Friedrich
Emerich aus Wetzlar, Ein vergessener Freund Hölderlins. JT'etzlarer Anzeiger 1939
Nr. 301-304 vom 23., 27., 2S. und 29. Dezember.)
Friederich Joseph Emerich: Gedichte, Frankenthal bey Jacob Christian Kolb (1800),
25 S. 99-103:
Die Schiksa le .
(1798.)
Ein wildes Mädchen lenkt der Geschicke Lauf
Mit schwachen Händen. Aber die Renner flieh'n.
Wie Stürme durch die goldnen Saaten,
Ueber die Hügel, Gebirg' und Gesträuch hin.
993
Eraerich: Das Schicksal
Ihr folgt die schwarze Tücke mit Schlangenhaar', 5
Erregt des kargen Ozeans Ungestümm,
Tanzt lachend auf der Vorwelt Trümmern,
Dolcht den Gekrönten im Kreis' der Wachen.
Ein Tag vergöttert, einer vernichtet dich.
Auf Felskolossen wandelt des Stolzen Fuß. 10
Getäuschter, in der Nacht der Tiefe
Heulet die Wellenvrath, zukt die Flamme.
An Säulengängen wuchert unedles Moos.
Der alten Herrscher stolze Palläste sind
Verfloh'n, verschwomden, gleich dem Namen 15
Ihrer gefürchteten Herrn verschvranden.
Der ungetreue Pöbel umtanzet jezt
Den Zug des Siegers. Vatter und Retter, brüllt
Die trvinkne Menge. — Morgen schleift sie
Jubelnd des Rettors zerrissne Leiche. 20
Die Feuerwelle rollet der Stromboli
Gen stille Hütten. — Holden Gefilden mrd.
Und Schäzcn meerumschlagner Häfen
Tief in der Erde das Grab gehölet.
Lang stand des Schneebergs schrekliche Purpurglut 25
Im Stral' der Abendsonne. — Der Wandrer sieht
Einsiedlerisch ein Thürmchen trauren;
W o das versunkene Dorf gestanden.
Die lezte Thräne weinte Held Scipio
Karthagos Trümmern. — An dem Ilissus tobt 30
Das rauhe Volk der Othomannen.
Musen imd Grazien floh'n die Hellas.
994
Eraerich: Das Schicksal
Erhabne Tybcr, Rom, Kapitolium,
Du Sil der Männer, wo auf der Könige
35 Gebeugten Nacken Völkerströme
Sahen, du Wiege der Herrscherkiinste.
W o thatengleiche Hymnen die Freiheit sang,
Da summt sein Tagwerk üppiges Priestervolk.
W o Lorber wuclis; sprang kaum die Krone
40 Deines Geweihten, o Fanatismus.
W o sind die Heere, welche die Erde stolz
Umspannten, die nur Armin Cheruskas brach?
W o sind die Heere, wo die Führer,
Welche die Völker, wie Staub zertraten?
45 Dich, Vater Brutus, wehet der Zufall wol
Zu Tar^ins Asche, - welche Pharsaliens
Gefilde dekten; mischt des Zufalls
Laune mit Asche von Persersklaven. -
Du bist entsezlich, Schiksal. Orkane geh'n;
50 W o du hinzümest. Sterne beschäumt die Fluth.
Die schnellen Blize regt dein Stampfen.
Helden erkranken vor deinem Wuthblik.
Und wem du planlos huldigst, dem huldigen
Die Elemente. Klippen zerreissen nicht
55 Sein reiches Schiff. Sein süsses Weibchen
(Gütige Göttin) umlächelt Schönheit.
Dir lebte Jeder Starke, nur Rousseau nicht,
Der edle Dulder, welchen Genevas Volk
Versties. Doch nun, Triumph, nun lohnt es
60 Pantheons heilige Gruft dem Weisen.
995
Eraerich: Das Schicksal
»Ich hab' ein Hüttchen. Brennt mir die Hütte weg;
»So tragen, rief er, Ahorn und Eiche Laub.
»Und trift micli auch der Stal des Todes.
»O so wird männlich mein Herz sich kühlen.
»Das eitle Schiksal! Will es den Alpenquell 65
»Mir trüben. Nahm's ja Freundin und Bielersee,
»Nahm Alles, und der edle freie Aether
»Lächelt dem Einsamen, wird ihm lächeln.« —
Habt Ehrfurcht! Er brach Ketten — Uns Jünglinge
Uns laßt des Weisen Pfade tiefsinnend geh'n, 70
Und allen Qualen des Geschickes
Furchtlos den celtischen Busen biethen.
Taschenbuch für Frauenzimmer von Bildung 1 auf das Jahr 1800. herausgegeben von
C. L. Neuffer. Mit Kupfern von Chodowiecki, Küffner und d'Argent. Stuttgart,
hey J. F. Steinkopf, S. 281 f :
Das Schicksal.
Ein Tag vergöttert, Einer vernichtet uns!
Nach dem Olympus wandelt des Helden Fuß.
O Unglücksel'ge! in den Tiefen
Wartet die gährende Woge drunten!
Der ungetreue Pöbel umtanzet jetzt 5
Den Zug des Siegers; Vater imd Retter! schreit
Die trunkne Menge. - Morgen schleifft sie
Tobend des Retters zerrissne Leiche.
An Säulengängen wuchert imedles Moos,
Der alten Herrscher stolze Paläste sind 10
Hinweggeweht, sind, wie die Nahmen
Ihrer gefürchteten Herrn, verschwunden.
996
Eraerich: Das Schicksal
Erhabne Tiber! Rom! Kapitolium!
Du Sitz der Männer, wo auf der Könige
15 Gebeugten Nacken Nationen
Sahen! Du Wiege der Herrscherkünste!
W o thatengleiclie Hymnen der Freye sang,
Dort summen andre Sänge die Priester itzt;
Vergebens wächst, der sonst der Helden
20 Stirnen umschattete, dort der Lorbeer.
W o sind die Heere, welche das Erdenrund
Umspannten, die nur Hermann Cheruskos brach?
W o sind die Heere, wo die Führer,
Welche die Völker zu Staub zertraten?
25 Ja! du bist furchtbar, Schicksal! Orkane lieh'n
W o du hinzümest. Tempegcfilde schlingt
Und Schätze meerumwogter Häfen
Bebend und flammend die- Erd' hinimter.
Und Wem du planlos huldigst, dem huldigen
30 Die Elemente. Klippen zerbrechen nicht"
Sein reiches Schiff. Er sitzt und plaudert
Trunken im fröhlichen Marmorsaale.
Drum bebt dir Jeder, Thörinn! nur Einer nicht,
Der edle Dulder, welchen Genevas Volk
35 Verstieß. Nim dankt es ihm, mm lohnt es
Pantheons friedliche Gruft dem Dulder.
»Ich hab' ein Hüttchen; brennt mir die Hütte weg,
»So tragen, rief er, Ahorn und Eiche Laub.
»Und trifft mich auch der Stahl des Todes;
40 » O so wird männlich mein Herz sich kühlen.
997
Eraerich: Das Schicksal
»Das eitle Schicksal! Wi l l es den Alpenquell
»Mir trüben? Nahms ja Freundinn und Bielersee,
»Nahm Alles und der freye Himmel
»Lächelt dem Einsamen, wird ihm lächeln.«
Verstummet! Erbrach Ketten! Uns,Jünglinge, 45
Uns laßt des Weisen Pfade tiefsinnend geh'n,
Und allen Qualen des Geschickes
Furchtlos den eisernen Busen bieten.
E m e r i c h .
Erläuterungen
Alkäisches Silbenmaß.
Die Versnummem der originalen Fassung sind in Klammem beigefügt.
1—12 (9—20) Bezeichnerui für den Wechsel der Töne ist die geänderte Reihen-
folge dieser drei Strophen.
1 6 (^6) Kerrscher\dxnste] Vgl. Natur und Kunst oder Saturn und Jupiter V. 4.
2 7 (2}) Dieser Fers wird, nur wenig verändert, aus einer viel früheren Strophe der
originalen Fassung herübergeholt.
3 3 (S7) Der Name wird wohl nur aus metrischen Gründen getilgt.
3 6 (60) Pantheons friedliche G r u f t ] Seit 1794; vgl. die Ode An die Ruhe v. SO
und die Erläuterung z. St. (1, S92).
4 2 (66) Bie\eisee]Fgl. Der Rhein V. 163 und die Erläuterung z. St.
998
NACHTRÄGE ZUM ERSTEN BAND
M.G.
Zu S. S30 Z.ll f.: Die erste Strophe ist schon von Carl Müller-Rastatt gedruckt:
Friedrich Hölderlin. Sein Lehen und sein Dichten. Bremen 1894, S. S.
5 K A N T O N S C H W E I Z
Zu S. 446 Z. 2 f.: Statt »Herbstvakanz« muß es heißen »Ostervakanz«. (In der
Auflage von 1947 schon.berichtigt.) Das Osterfest fiel 1791 auf den 24.April.
Zu S. 446 Z. }—ll: Memminger hat, wie das Blatt 107^ in Hillers Stammbuch vom
17. September 1791 beweist, wirklich als Dritter an der Reise teilgenommen. Doch
10 handelt es sich nicht, wie Betzendorfer vermutet, um den späteren Geographen. Die
Eintragimg in Hillers Starrunbuch lautet so:
Wenn einer eine Reise thut,
So kann er was erza}ilen,
Drum nahm ich meinen Stok u. Hut
15 Und thät das Reisen wählen!
Dieß, Brüderchen, erinnere Dich
Tübingen den 17*- 7br . an das viele Vergnügen, das wir
1791. auf unserer Schweizerreise ge-
Symb. habt haben, denke aber auch jedesmal
20 Vivat amicitia! an Deinen Dich aufrichtig liebenden
Med. Lit. Memminger , aus Reutlingen
999
Nachträge zum ersten Band
Unter der Unterschrift (Lit. bedeutet wohl Licentiatus) steht, vermutlich van Hillers
Hand (die dritte Zeile mit blasserer Tinte):
Practicus in Reutlingen und ver-
heurathet mit Philippine Kellerin v. Reutl.
1803. Ztr. wirtemb. YLoiMedicus. 5
(Vgl. auch Hölderlins Stammbuchblatt für Hiller: S. }46 und 9S9f. dieses Bandes.)
Zu S. 450 Z. S—7: Die Erläuterung muß so lauten (in der Auflage von 1947 schon
berichtigt):
5 3 blühende Zweige ] Die Reise darf also nicht, wie bisher, in die Herbstvakanz
verlegt werden. Das beweisen auch die von der Mutter verzeichneten Auslagen vor 10
den L. Fr i tz ; d 15 Appril reiß geld in die schweiti 40 fl.
AN D I E NATUR
Zu S. 49}, nach Z. 2: Schiller hat das Gedicht zunächst aufnehmen wollen; denn
in der Disposition für die Hören 1795, Stück IX—XI, von Schillers Hand auf der
Rückseite des Humboldtschen Briefes vom 29. August 17 95, ist als Nr. 4 des X. Stücks: 15
An die Natur vorgesehn. Vgl. Geschäftsbriefe Schillers, hg. von Karl Goedeke,
Leipzig 1875, S.117; dazu IVilhelm Fielitz, Schnorrs Archiv 5 (1876), S. 467 f .
D I O T I M A
Zu S. 219: Die Verse 97-120 müssen so lauten:
Ha! wo keine Macht auf Erden, Keines Gottes Wink uns trennt, Wo wir Eins und Alles werden, Da ist nur mein Element; loo Wo wir Noth und Zeit vergessen, Und den kärglichen Gewinn Nimmer mit der Spanne messen. Da, da sag' ich, daß ich bin.
1000
Nachträge zum ersten Band
105 Wie der Stern der Tyndariden Der in leichter Majestät Seine Bahn, wie wir, zufrieden Dort in dunkler Höhe geht, Nun in heitre Meereswoogen,
110 Wo die schöne Ruhe winkt. Von des Himmels steilem Bogen Klar und groß hinuntersinkt;
O Begeisterung 1 so finden Wir in dir ein seehg Grab,
115 Tief in deine Wooge schwinden Stillfrolokkend wir hinab. Bis der Höre Ruf wir hören, Und mit neuem Stolz erwacht. Wie die Sterne, wiederkehren
120 In des Lebens kurze Nacht.
Zu S. S29: Für die Zeile 16 ist das Folgende einzusetzen:
(v. 6S-96): verschollen; der Text ist erhalten in BK
(v.-97-120): Colognx bei Genf, Sammlung Martin Bodmer: Einzelblatt
14,1 (14,2)xl9,) (19,4) cm, alle Kanten beschnitten; feingeripptes Papier
5 ohne Wasserzeichen (Drahtlinien in 2,S cm Abstand).
Über V. 97 ist eine Strophe eingeklammert (v. 96 a-h).
Am unteren Rand der Rückseite Echtheitsbestätigung von C. T. Schwab
(1 J.März 1872).
Zu S. S32: Das Lesartenverzeichnis muß von Zeile 3, nach: Bewund'rung J^, bis
10 Zeile 6 folgendermaßen erweitert werden:
96 a—Ii: eingeklammert:
Schöners, denn in jeder Zone
Unsers Himmels Licht erzeugt,
Größers, deim wovor die Krone
15 Wil l ig ein Jahrhundert beugt,
Freude, die kein Aug' ergründet.
Die in Lothes f r o m m e m Hain
1001
Nachträge zum ersten Band
Nur die freie Seele findet,
Ist, du Theure ! dein und mein. H ^
9 6 a denn Dor g-csfr. \vo(t)or) H^ (vgl. v. 96 c)
9 7 Ha! wo] Da, wo J^ B^ 1 0 0 nur] nun B' 101 vergessen,] ver-
gessen 104 sag'ich] weiß ich J^B' 105 Tyndariden] Tyndariden, 5
•72 B' 1 0 6 leichter aus lichter H^ lichter B^ 1 0 9 : Wie er in die
Meereswogen, J^ B^ 1 1 2 hinuntersinkt;] hinunter sinkt: J^ hinunter-
sinkt: jB^ 113 0 Begeisterung!] 0 B e g e i s t e r u n g , j B ^ (etwas eingerückt
H^) 115 W o o g e ] Wogen J^ B^ schwinden] schwinden, 1 1 6 Still-
frolokkend] Still frohlockend J^ Still frohlockend, B^ 1 1 7 hören,] hören 10
B^ 118 Und m i t ] Und, m i t ß l I I 9 Sterne,] S t e r n e w i e -
derkehren] wieder kehren B^
Angesichts der nun bekannt gewordenen weiteren Abweichungen (besonders v. 97,
100, 104, 106, 109, IIS) kann es als ausgemacht gelten, daß Christoph Schwab,
in dessen Händen sich wahrscheinlich alle vier Blätter von H^ befanden (auf den 15
drei erhaltenen hat er, bevor er sich lange nach dem Erscheinen seiner Ausgabe B^
von ihnen trennte, die Echtheit bestätigt), sich in B^ nicht nach H^ richtet, son-
dern nach J^ (vgl. die Lesarten zu v. 43, 47, SO und an noch zahlreicheren Stellen
die übereinstimmende Interpunktion) — vielleicht in der Annahme, daß Neuffer (J^)
nicht eigenmächtig ändert, sondern eine (zwischen H^ und H^ anzusetzende) ver- 20
Schollene Handschrift abdruckt. Nur v. S6 gibt er H^ vor J^ den Forzug.
V. 100 hätte es in Bd. 1 S. 219 nach J^ und B^ heißen müssen: Da ist (nicht:
Das ist).
(Vgl. HölderUn-Jahrbuchl947, S. 14-17.)
AN D I E D E U T S C H E N 25
DIE S C H E I N H E I L I G E N D I C H T E R
Zu S. S70 Z. 26-30 und S. S71 Z. 24: Die Handschrift befindet sich noch im Nach-
laß Stefan Zweigs zu London. Die von Dr. Richard Friedenthal freundlich besorgte
Beschreibung des Blattes stimmt mit der Zinkemagelschen überein, doch gibt sie das
Format genauer an: 12xlS,S (IS,9) cm. 30
1002
Nachträge zum ersten Band
Zu S. }71 Z. 29: Es muß heißen: Drahtlinien in 2,7 cm Abstand.
Zu S. S72 Z. IS: v. 6 »fällt durch erheblich schwärzere Tinte aus der sonst auf bei-
den Seiten gleichmaßig blasseren Schrift heraus und mag später nachgetragen sein«
(Dr. Friedenthal).
5 MEIN E I G E N T U M
Zu S.621: Die Zeilen 9—12 müssen so lauten (in der Auf läge von 1947 schon
berichtigt):
(2) Gut gereift, und (a) frohe Mühe / Schafft
(b) viel der frohen 10 Das Folgende nun unter dem Ansatz II, nicht mehr zwischen den Zeilen:
8: Mühe gewähret (1) ihr (2) der Reichtum ihnen
1003
Satzgestaltung und Druck der Großen Stuttgarter Hölderlin -Ausgabe liegen
in den Händen der Buchdruckerei Chr. Scheufeie, Stuttgart. Das Papier
stammt aus der Papierfabrik Scheufeien, Oberlenningen; den Lichtdruck
der Beilagen Kobeu die Graphischen Kvmstanstalten E. Schreiber, Stuttgart,
durchgeführt;denEinbandhatdieBuchbindereiderUnion-Druckerei G.m.b.H.
Stuttgart nach Entwurf der graphischen Abteilung der Staatlichen Akademie
der bildenden Künste in Stuttgart gefertigt. Dieser Band der Großen
Stuttgarter Hölderlin-Ausgabe ist im Jahr 1951 in der
Walbaum-Antiqua gedruckt.
Unveränderter reprographischer Nachdruck 1990 der I.Auflage 1951
Alle Rechte vorbehalten
© 1951 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln
Verlagsort: Stuttgart. Printed in Germany
ClP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Hölderlin, Friedrich:
Sämtliche Werke / Hölderlin.
[Im Auftr. d. Ministeriums für Wiss. u. Kunst Baden-Württemberg
hrsg. von Friedrich Beissner ; Adolf Beck.
Fortgef. vom Venvaltungsausschuß d. Stuttgarter Hölderlin-Ausg.]. -
Stuttgarter Hölderlin-Ausg. - Stuttgart: Kohlhammer
Große Stuttgarter Ausgabe.
NE: Beissner, Friedrich [Hrsg.]; Hölderlin, Friedrich: [Sammlung]
Stuttgarter Hölderlin-Ausg.
Große Stuttgarter Ausgabe.
Bd. 2. Gedichte nach 1800 / hrsg. von Friedrich Beissner.
Hälfte 2. Lesarten und Erläuterungen.
Unveränd. reprograph. Nachdr. d. 1. Aufl. 1951. - 1990
ISBN 3-17-077044-6