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Fassung April 2015 Behandlungskonzept Langzeiteinrichtung zur integrativen Betreuung chronisch Abhängigkeitskranker - Rahmenkonzeption - © Therapiehilfe Bremen gGmbH April 2015 Hof Düring (CMA) Behandlungskonzept Langzeiteinrichtung zur integrativen Betreuung chronisch Abhängigkeitskranker - Rahmenkonzeption -

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Fassung April 2015 Behandlungskonzept Langzeiteinrichtung zur integrativen Betreuung chronisch Abhängigkeitskranker - Rahmenkonzeption -

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Hof Düring (CMA) Behandlungskonzept Langzeiteinrichtung zur integrativen Betreuung chronisch Abhängigkeitskranker - Rahmenkonzeption -

Hof Düring Betreuungskonzept Langzeiteinrichtung zur integrativen Betreuung chronisch Abhängigkeitskranker

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Träger Therapiehilfe Bremen gGmbH Geschäftsführung Dieter Adamski / Janina Tessloff Johann-Kühn-Str. 1 28237 Bremen Tel. 0421-80078-0 Fax. 0421-78767 [email protected] www.therapiehilfe-bremen.de Amtsgericht Bremen - HRB 21482

Hof Düring Lunestedter Straße 38 27612 Loxstedt-Düring Tel. 04744 - 3835 Fax. 04744 – 3875 Mail. [email protected]

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Inhaltsverzeichnis

1. DER TRÄGER ........................................................................................................ 4

2. RECHTLICHE GRUNDLAGEN UND ZIELSETZUNG ........................................... 4

3. DIE EINRICHTUNG ................................................................................................ 5

4. DIE BETREUUNGSGRUNDLAGE ........................................................................ 6

4.1 Betreuungsziele............................................................................................................................................... 6

4.2 Krankheitsbild der Abhängigkeit .................................................................................................................. 7

4.3 Indikation und Kontraindikation .................................................................................................................. 7

4.4 Die Gemeinschaft als Lern- und Lebensraum .............................................................................................. 8

5. DAS BETREUUNGSANGEBOT ....................................................................... 11

5.1 Sozialberatung ........................................................................................................................................... 11

5.2 Tagesstrukturierende Maßnahmen ......................................................................................................... 11

5.3 Tagesstruktur als Ansatz zur Entwicklung ............................................................................................. 12

5.4 Gesundheitserziehung ............................................................................................................................... 13

5.5 Substitutionsbehandlung........................................................................................................................... 14

5.6 Sport-, Beschäftigungs- und Freizeitangebote ........................................................................................ 14

5.7 Akupunktur ............................................................................................................................................... 14

5.8 Bewohnerrat ............................................................................................................................................... 15

6. QUALITÄTSSICHERUNG ................................................................................ 15

6.2 Das Team ...................................................................................................................................................... 16

6.3 Supervision, Fort- und Weiterbildung ........................................................................................................ 16

6.4 Kommunikationsstrukturen ......................................................................................................................... 17

6.5 Dokumentation .............................................................................................................................................. 17

7. DIAGNOSTIK .................................................................................................... 17

7.1 Beeinträchtigungen der „Funktionen und Strukturen“ ......................................................................... 18

7.2 Beeinträchtigungen der „Aktivitäten“ ..................................................................................................... 19

7.3 Beeinträchtigungen der „Teilhabe“ ......................................................................................................... 20

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7.4 Einfluss der Kontextfaktoren ................................................................................................................... 20

8. KOOPERATION UND VERNETZUNG................................................................. 21

9. LITERATURANGABEN: ...................................................................................... 21

Wir bitten um Nachsicht, dass wir für Begriffe wie "Bewohner" und "Mitarbeiter" die männliche Formulierung gewählt haben, obwohl beide Ge-

schlechter gemeint sind. Es gibt z. Zt. keinen überzeugenden Weg, hier ohne Verrenkungen beide Geschlechter zu benennen. Wir möchten beto-

nen, dass damit keine diskriminierende Absicht verbunden ist.

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1. Der Träger

Die Therapiehilfe Bremen gGmbH ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des Vereins therapiehilfe e.v., der seit nunmehr 30 Jahren Sucht-, Jugend-, und Sozialarbeit in Hamburg und Schleswig-Holstein leistet. Der Bereich „Beratung und Therapie“ hält stationäre und ambulante Therapieangebote vor, in denen differenzierte Behandlungsansätze auf die Problemlage des Einzelfalls zugeschnitten wer-den können. „Betreutes Wohnen“ in mehreren sozialtherapeutischen Wohngemeinschaften und im eigenen Wohnraum für substituierte Männer und Frauen sowie für eine abstinente Klientel werden im bremischen Stadtgebiet angeboten. Die Behandlungsangebote dieser Einrichtungen richten sich an alkoholabhängige, medikamentenabhängige und drogenabhängige bzw. polyvalent konsumierende sowie an substituierte Menschen. Die „Therapiehilfe Bremen gGmbH“ ist in verschiedene regionale und überregionale wirksame Aktivitäten eingebunden. Sie ist: - Mitglied des Bundesverbandes stationäre Suchtkrankenhilfe (BUSS) - Korporatives Mitglied der Arbeiterwohlfahrt, Kreisverband Bremen e.V. Seit 1997 betreibt der Hauptgesellschafter aktiv Qualitätsmanagement und Qualitätsentwicklung in Anlehnung an die Kriterien der EFQM (European Foundation of Quality Management). Seit 2015 ist der Träger zertifiziert nach AZAV und DIN ISO 2009. Die Gesellschaft fühlt sich den Prinzipien der Förderung der Hilfe zur Selbsthilfe, der Ressourcenorientierung und der gemeindenahen Versorgung verpflichtet.

2. Rechtliche Grundlagen und Zielsetzung

Das SGB IX formuliert das Primat des Rechts auf Teilhabe am gesellschaftlichen und sozialen Leben für von geistiger, körperlicher und seelischer Behinderung betroffene Menschen. Die Psychiatrieenquete formuliert als wesentliche Leitlinie der gemeindenahen Versorgung das Prinzip der "bedarfsgerechten und umfassenden Versorgung aller Suchtkranken" und das Prinzip der "bedarfsgerechten Koordination aller Versorgungsdienste". Das Prinzip der bedarfsgerechten und umfassenden Versorgung impliziert, dass jedem Suchtkranken gemäß seiner Mitwirkungsbe-reitschaft und Mitwirkungsfähigkeit in jedem Stadium seiner Suchtkrankheit ein einfacher Zugang zu einem entsprechenden Hilfsangebot möglich ist. Chancengleichheit ist für alle Suchtkranken aufgrund der heterogenen Verlaufsformen von Abhängigkeitserkrankungen nur in einem diffe-renzierten Suchtkrankenversorgungssystem gegeben, das jedem, auch dem chronisch Suchtkran-ken, dauerhaft Wege in eine abstinente Lebensführung offen hält. Aufgenommen werden suchtkranke Volljährige beiderlei Geschlechts im Sinne des § 53 SGB XII i.V.m. § 3 Nr. 3 der Verordnung gern. § 60 SGB XII sowie des § 2 SGB IX, die als Folge einer Suchterkrankung zum Personenkreis der chronisch mehrfach beeinträchtigt abhängigen Menschen gehören und über eine ausreichende körperliche Mobilität verfügen. Der Träger fühlt sich der fachlichen Umsetzung der UN-Menschenrechtskonvention aus 2006 verpflichtet. Dies bedeutet für die Betreuung der suchtkranken Klientel insbesondere folgendes:

Wir wirken auf die Befähigung des suchtkranken Menschen hin, in einem weitgehend nor-malen sozialen Kontext von seinen Ressourcen Gebrauch zu machen und sich so weit als möglich unabhängig von Unterstützungsmaßnahmen zu machen.

Die Teilhabefähigkeit am gesellschaftlichen Leben durch Unterstützung bei der Überwin-dung von mit der Krankheit zusammenhängenden Barrieren soll so weit als möglich geför-dert werden.

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Auf die Inanspruchnahme von Rehabilitationsangeboten ist und die Stärkung des Selbst-hilfepotenzial bleibt unser Augenmerk gerichtet.

Die Motivierung hin auf das Ziel der Suchtmittelabstinenz bzw. Hinwirken auf die Reduzierung des Suchtmittelkonsums (Ausstiegsorientierung) steht wesentlich im Fokus unseres Handelns. Aufgabe der Einrichtung ist, den chronisch mehrfach geschädigten Suchtkranken ein angemesse-nes Wohnen zu ermöglichen, durch gezielte Förderung Gelegenheit zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu geben und langfristig - wenn möglich - zu einem eigenständigen Leben zu befähigen. Ein weiteres wesentliches Ziel ist es zu prüfen, ob gegebenenfalls eine angemessenen Mitwir-kungsfähigkeit und Mitwirkungsbereitschaft für die Inanspruchnahme einer Rehabilitationsbe-handlung wiederhergestellt werden kann. Es werden Plätze für die Betreuung -auch übergangsweise - angeboten. Es ist aber ebenso mög-lich, dauerhaft auf dem Hof zu verbleiben, wenn nur durch die Beheimatung in diesem Setting eine Stabilisierung und Sicherung des erreichten Betreuungsstatus möglich ist. Die Betreuungsdauer ist abhängig vom Grad der Teilhabestörung der Bewohnerinnen und Be-wohner. Sie ist im Verlauf mit den jeweiligen Steuerungsstellen bzw. anderen zuweisenden Stel-len zu überprüfen und abzustimmen.

3. Die Einrichtung

Die CMA Einrichtung nimmt Bewohner beiderlei Geschlechts zur Behandlung auf. Es stehen 28 Plätze zur Verfügung. Die Einrichtung ist in 45 Minuten von Bremen-Zentrum aus mit dem PKW (Autobahn A 27 Richtung Bremerhaven) gut erreichbar. Die kleine Ortschaft Düring ist geprägt durch reetge-deckte Fachwerkhäuser und eine reizvolle Vielfalt von landwirtschaftlichen Nutzflächen, Misch-wald und Moorweiden Vom Bahnhof Loxstedt aus verläuft die Bahnlinie Bremen/Bremerhaven mit täglich ausreichenden Verbindungen von morgens bis Mitternacht. Weitere Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitswesens befinden sich in Bremerhaven. Der Trägerverein übernahm 1989 auf Wunsch des Senators für Jugend und Soziales in Bremen das Anwesen mit 15 Hektar Waldbestand und über 20 Hektar Grünland, um eine regional veran-kerte therapeutische Langzeittherapieeinrichtung zu eröffnen. Im Rahmen des Betriebsüberganges zur Therapiehilfe Bremen gGmbH wurde auch der Hof übertragen. Das um 1900 erbaute Bauernhaus bildet mit der großen Essdiele, der Küche und dem gemütli-chen Aufenthaltsraum das Herzstück der Einrichtung. Im Obergeschoss des Hauses sowie im Seitentrakt einer ehemaligen Stallung bieten die bewusst individuell gehaltenen Wohn- und Schlafzimmer den Bewohner angemessene Rückzugs- und Verweilräume. Weitere Gebäude bie-ten Raum für Einzel- und Gruppentherapie, Arbeits- und Beschäftigungspädagogik und Verwal-tungsaufgaben. Die Bewohnerzimmer sind alle mit einer Nasszelle versehen, einige Zimmer sind behindertengerecht ausgestattet. Das weitläufige Gelände ermöglicht die Haltung und Pflege von Klein- und Großvieh sowie den ökologischen Gartenbau. Darüber hinaus verfügt der CMA-Hof über ein Sportareal mit eigenem Volleyfeld, einem Fitnessraum und einen Indoor-Freizeitbereich mit Billardtisch und Tischfuß-ball. Infrastrukturell sind kulturelle Einrichtungen und diverse Freizeitmöglichkeiten in der Umgebung gut erreichbar und für die Bewohner nutzbar.

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4. Die Betreuungsgrundlage

4.1 Betreuungsziele

Krankheitseinsicht, Krankheitsverständnis und Motivation sind infolge der chronischen Suchter-krankung und der sehr häufig bestehenden komorbiden Erkrankungen und Suchtfolgeerkrankun-gen bei der von uns betreuten Klientel oft nur noch fragil ausgebildet. Um die Basis für eine zu-künftig möglichst abstinenzorientierte Lebensweise zu schaffen und ggf. eine Perspektive in Richtung medizinische Rehabilitation zu schaffen, ist die Eigenmotivation, die Krankheitseinsicht und das Krankheitsverständnis bei den Bewohnern zu fördern. Dies geschieht vorwiegend in den ersten Monaten der Betreuung und bedarf intensiver Interventionen durch das Team. Primäres Ziel unserer Betreuung ist das Erreichen der Befähigung, stabil und langfristig abstinent von den Suchtmitteln leben zu können, da nur so eine Verhinderung der Verschlimmerung der bereits bestehenden Beeinträchtigungen erreicht werden kann. Für einen Teil der von uns betreu-ten Klientel wird dieses Ziel nur sehr langfristig und in kleinen Schritten zu erreichen sein, so dass dann ein zumindest kontrollierter Substanzgebrauch erlernt werden soll. Wir richten unseren Betreuungsansatz hier grundsätzlich an der von Schwoon formulierten Ziel-hierarchie aus: 1. Sicherung des Überlebens 2. Sicherung des gesunden Überlebens 3. Sicherung der Umgebung gegen Beeinträchtigung 4. Ermöglichung längerer Abstinenzphasen 5. Einbeziehung von Rückfällen 6. Festlegung individueller Ziele 7. Ermöglichung dauerhafter Abstinenz Daraus resultieren relevante Betreuungsziele:

Verbesserung der Teilhabestörungen am gesellschaftlichen Leben

Linderung bzw. Verhinderung der Verschlimmerung bereits eingetretener Störungen der Körperfunktionen und –strukturen

Verbesserung der Aktivitäten

Verbesserung der Kontextfaktoren

Wiedererlangen einer Mitwirkungsfähigkeit und Mitwirkungsbereitschaft ggf. auch für die Inanspruchnahme einer Rehabilitationsbehandlung

Von wesentlicher Bedeutung sind die individuell für jeden Bewohner formulierten Betreuungs-ziele (individueller Hilfeplan), die als Orientierungspunkte auf dem Weg zu einer Klärung von persönlichen Anliegen und Vorstellungen der Bewohner dienen. Diese spezifischen Betreuungsziele werden von den Betreuern und den Bewohnern in einer offe-nen Atmosphäre, bei Bedarf unter Einbeziehung von Angehörigen, rechtlichen Betreuern und unter der Berücksichtigung des Gesamtplans, so besprochen, dass sich hieraus eine kontinuierli-che Fortschreibung des Gesamtplans und des Betreuungsprozesses ergibt. Dabei wird der Pro-zess der Zielsetzung so gestaltet, dass die notwendigen Schritte gemeinsam mit den Bewohnern erarbeitet werden. Es werden Kriterien erstellt, wann diese Ziele erreicht sind und gegebenenfalls die Betreuung abgeschlossen werden kann.

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4.2 Krankheitsbild der Abhängigkeit

Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängigkeit wird in Anlehnung an die „WHO“-Defini-tion als ein Zustand periodischer oder chronischer Vergiftung durch ein zentral nervös wirkendes Mittel verstanden, welches zu seelischer und/oder psychosomatischer Abhängigkeit führt, wodurch das Individuum, in vielen Fällen auch die Gesellschaft, geschädigt wird. Als Suchterkrankung bezeichnen wir das unwiderstehliche Verlangen nach (weiterer) Einnahme der betreffenden psychotropen Substanzen (psychische Abhängigkeit) und Toleranzsteigerung sowie Entzugserscheinungen bei Absetzung der psychotropen Substanz (physische Abhängig-keit). Laut Definition der „WHO“ handelt es sich um einen Zustand von chronisch schädlicher Intoxikation durch wiederholten Gebrauch von Drogen, Alkohol und Medikamenten. In ihrer psychosozialen Dimension umfasst Abhängigkeit das unabweisbare Verlangen nach ei-nem bestimmten Erlebenszustand. Diesem Verlangen werden die Kräfte des Verstandes unterge-ordnet. Andere Werte und Ziele treten dahinter zurück. Es beeinträchtigt die Entwicklung der Persönlichkeit und zerstört die sozialen Bindungen eines Individuums. Sucht entwickelt sich dabei aus einem Zusammenspiel von Drogeneinwirkung, betroffener Per-sönlichkeit und Umwelteinflüssen. Potentiell gefährdet erscheint grundsätzlich jeder Mensch; besonders anfällig erscheinen jedoch psychisch erkrankte Menschen (z.B. Persönlichkeitsstörungen, Angststörungen, psychotische Er-krankungen), empfindsame, selbstunsichere, traumatisierte und stimmungslabile Individuen. Positives Erleben mittels psychotroper Substanzen bedingt ebenso einen Drang zur Wiederho-lung wie das chemisch induzierte Lösen von Angst und Spannungszuständen. Besonders häufig findet man daher in der Vorgeschichte von Suchtkranken einen vergleichsweise hohen Anteil an psychischen Erkrankungen wie Angststörungen, Depressionen und Persönlichkeitsstörungen (= komorbide psychische Erkrankungen). Unabhängig von Einstiegsanlässen und Ursachen entwickelt sich bei einem Teil der Suchtmittel-konsumenten durch Wiederholung der Suchtmitteleinnahme eine Bindung. Das Rauschmittel wirkt konfliktverdrängend und rückt in den Mittelpunkt des Lebensinteresses. Faktoren der Per-sönlichkeit und des sozialen Umfeldes treten in den Hintergrund. Die Eigenschaften des Sucht-mittels prägen zunehmend das Verhalten, denn es entwickelt sich eine körperliche Abhängigkeit. Dabei bewirken Gewöhnung und pharmakologische Toleranz, dass die euphorisierende und konfliktüberdeckende Wirkung immer weniger eintritt. Jeder Mangel führt zu einer Stoffwechsel-störung, die sich subjektiv in sehr unangenehmen Entzugserscheinungen äußert: So entstehen un-ter anderem Schweißausbrüche, Gliederschmerzen und depressive Stimmungsschwankungen. Die Vermeidung des Entzugssyndroms wird zum zentralen Problem und identisch mit der Exis-tenzbewältigung.

4.3 Indikation und Kontraindikation

Unser Betreuungsangebot richtet sich in der Regel an suchterkrankte Menschen im Erwachse-nenalter, die abstinent leben möchten und bei denen die Wiedererlangung bzw. Aufrechterhal-tung der Abstinenz erheblich gefährdet ist und voraussichtlich auf Dauer (länger als 6 Monate) keine Befähigung mehr zur Inanspruchnahme einer Rehabilitationsbehandlung besteht (z.B. auf-grund der eingetretenen körperlichen und psychischen Begleit- und Folgeerkrankungen, beste-hender psychischer komorbider Erkrankungen, nicht vorhandener Krankheitseinsicht, nicht vor-handenem Krankheitsverständnis, hirnorganischen Schädigungen, geminderter Intelligenzleistun-gen, häufig gescheiterten Rehabilitationsversuchen etc.). Unser Betreuungsangebot richtet sich somit an chronisch mehrfach geschädigte suchtmittelab-hängige Menschen.

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In der CMA Einrichtung werden zur Betreuung aufgenommen:

Menschen mit einer Alkoholabhängigkeit

Menschen mit einer Medikamentenabhängigkeit

Menschen mit einer Polytoxikomanie

Menschen mit einer Abhängigkeit von illegalen Suchtstoffen

Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen und komorbiden psychischen Erkrankungen

Menschen, die infolge ihrer Abhängigkeitserkrankung chronische, psychische und physi-sche Schäden davongetragen haben

Ausländische Bewohner sowie Bewohner aus spezifischen Volksgruppen wie z B. Sinti oder Aussiedler aus den GUS-Staaten sind in unserer Einrichtung will- kommen. Voraussetzung sind allerdings entsprechende Sprachkenntnisse. Folgende Klienten können nicht aufgenommen werden:

Menschen mit akuten psychotischen Störungsbildern

Menschen mit akuter Suizidalität

Menschen mit akut behandlungsbedürftigen somatischen Erkrankungen

Menschen mit somatischen und psychischen Erkrankungen, die einen Pflegebedarf erfor-dern (ab Pflegestufe I, SGB XI)

Menschen mit erheblichen Tendenzen zu aggressiven Impulsdurchbrüchen

Menschen mit einem anhaltenden akuten fremd- und eigengefährdenden Verhalten

Menschen, die über keine Bereitschaft zur Einhaltung der Grundregeln verfügen (keine Gewaltanwendung, keine Kriminalität)

4.4 Die Gemeinschaft als Lern- und Lebensraum

Mit den Grundlagen des Konzeptes der therapeutischen Gemeinschaft, das die Suchtkranken-hilfe lange Zeit geprägt hat und an dem wir uns auch für diese Wohnform orientieren, greifen wir sowohl die Bedürfnisse nach Geborgenheit, sicheren Bindungserfahrungen, Orientierung, Selbst-werterhöhung, Teilhabe, dem Streben nach Lustgewinn und Unlustvermeidung auf als auch die nach professioneller Hilfe. Unser Bemühen gilt einem offenen, vertrauensvollen Miteinander auf der Grundlage gegenseitiger Wertschätzung. Eine wohlwollende Atmosphäre, ein gutes Milieu und tragfähige Beziehungen sollen persönliches Wachstum, Entfaltung und menschliche Reifung ermöglichen. Das wichtigste Fundament unserer Arbeit liegt dabei für uns in der Beziehung zwi-schen Bewohnern und Mitarbeitern, aus der heraus die Bewohner den Mut und die Bereitschaft entwickeln können, sich auf notwendige Stabilisierungs-, Wachstums- und Veränderungsprozesse einzulassen. Relativ wenig festgeschriebene Regeln, ein wachsendes Maß an individueller Selbst-bestimmung im Alltag sowie eine enge Anbindung an die Realität außerhalb der Einrichtung un-terstützen die Bewohner, eigene Potentiale zu entwickeln und sich in ihren Möglichkeiten auszu-probieren. Die Gemeinschaft versteht sich dabei als gesellschaftlicher Spiegel, in dem sich zwischenmensch-liche Prozesse und Organisationsdynamiken ereignen, die gesellschaftlichen Ausdrucksformen und Entwürfen zumindest annähernd ähneln. Dabei versuchen wir in der Gemeinschaft mög-lichst realitätsbezogen zu arbeiten (siehe hierzu auch das Kapitel ‚Tagesstrukturierung‘). Diese Gemeinschaft bietet jedoch auch den notwendigen Raum für die Verarbeitung von Man-gelerfahrungen, Verletzungen und Kränkungen, von traumatischen Ereignissen und ungelösten

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Konflikten. Hier gilt es immer wieder, fördernde, barrierefreie und heilende Kontextfaktoren zur Verfügung zu stellen. Die Gemeinschaft nutzt die vorhandenen Ressourcen und Potentiale der Bewohner: So ermög-licht das Zusammenleben über einen längeren Zeitraum in einer überschaubaren Gemeinschaft vielfältige Kontakte und Begegnungen. Das gemeinsame Arbeiten, Zuhören, Erzählen, Planen, Ausprobieren und ein erfolgreiches Umsetzen von Vorhaben wird zum Plateau von Sicherheit und Vertrauen. Auf dieser Basis sind auch Kritik, Konkurrenz, Frustration und Belastungen zu bewältigen. Weiterhin verlangt das Alltagsgeschehen in unserer Einrichtung, dass Bewohner Auf-gaben und Verantwortungsbereiche, entsprechend ihrer persönlichen Ressourcen, verlässlich übernehmen. Der Einzelne kann sich ausprobieren, beweisen und bestätigen. Jeder kann zeigen, welche Fähig-keiten in ihm stecken, setzt sich aber auch der angemessenen Kritik der Anderen aus. Mit wach-sendem Selbstbewusstsein und gewonnener Stabilität steigern sich sowohl die Kritik- und Kon-taktfähigkeit als auch die Fähigkeit, Anderen auf adäquate und wohlwollende Weise entgegentre-ten zu können. Bedingt hierdurch kann er tragende Bindungserfahrungen machen. Das Setting der Gemeinschaft fungiert für diese Erfahrung zunächst als Ersatzbindung. Dies er-möglicht den Klienten, in der Einrichtung ohne Suchtmittel zu überleben, Depressivität und in-nere Leere zu kompensieren. Die Gemeinschaft übernimmt Halte- und Reizschutzfunktionen. In der Auseinandersetzung mit Regeln können fehlende Verhaltensmaxime erlernt und gleichzeitig Orientierung gegeben werden. Das Leben in der therapeutischen Gemeinschaft vermittelt somit Sinn und Struktur und moti-viert zu einer aktiven und abstinenten Lebensführung. In der Alltagsrealität werden die Bewohner mit Anforderungen konfrontiert, Regeln sind zu be-achten, Konflikte werden ausgetragen und Konsequenzen gezogen. Eine gewisse Anpassungsleis-tung an vorhandene Regeln ist erforderlich und unvermeidbar. Dem gegenüber bietet der Schutz-raum der Einrichtung die Möglichkeiten, Orientierung und Kontrolle zurück zu gewinnen, si-chere Bindungserfahrungen machen zu können, den Umgang mit der Unlustvermeidung zu ver-bessern und das Streben nach Selbstwerterhöhung angemessen gestalten zu können.

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5. Das Betreuungsangebot

5.1 Sozialberatung

Die Aufgabe der Sozialberatung ist die Unterstützung der Bewohner bei der Bewältigung sozialer, finanzieller Probleme und der Aufhebung von Barrieren sowie der Erarbeitung und Stärkung von Förderfaktoren. Angesichts bestehender erheblicher Teilhabestörungen am gesellschaftlichen Leben, den defizitä-ren personenbezogenen und umweltbezogenen Faktoren bei unseren Klienten und den daraus resultierenden Barrieren sowie den kaum vorhandenen Förderfaktoren, kommt der sozial-thera-peutischen Diagnostik und den soziotherapeutischen Maßnahmen eine große Bedeutung für die Planung und Fortschreibung der Betreuung unserer Klientel zu. Sucht ist immer auch eine Flucht aus der Realität. Für das Gelingen der Betreuung ist es deshalb sehr wichtig, dass den Bewohnern eine soziale Realität nahe gebracht wird und sie motiviert wer-den, sich ihr zu stellen. Im Rahmen der sozialen Diagnostik gilt es, dementsprechend die soziale Situation der Bewohner zu erfassen und Wege zur Bewältigung aufzuzeigen und diese dabei aktiv zu unterstützen. Dazu müssen Informationen vermittelt, offene Fragen geklärt, Wege zu Behörden und anderen Institutionen geebnet werden. Sozialarbeit versteht sich dabei immer als eine individuelle Hinführung zu einem realitätsgerech-ten Umgehen mit den Anforderungen des täglichen Lebens. Soziale Kompetenzen sollen erworben und soziale Strukturen geschaffen werden. Schwerpunkte individueller soziotherapeutischer Arbeit sind hierbei unter anderem die interne und externe Schuldenberatung, die Vermittlung von sozialen Kompetenzen, die Unterstützung bei zivilen und strafrechtlichen Fragestellungen, die Wiederherstellung von tragfähigen sozialen Netzwerken sowie Anregungen und Anleitungen zu einer sinnvollen Freizeitgestaltung. Unsere Soziotherapie setzt dabei von Anfang an auf den Auf- und Ausbau individueller Fähigkei-ten und Kenntnisse und fördert, soweit es die Ressourcen zulassen, von Anfang an die Selbstän-digkeit jedes einzelnen Bewohners.

5.2 Tagesstrukturierende Maßnahmen

Die Schaffung einer Tagesstruktur stellt ein zentrales Element in dem Betreuungsangebot unserer Einrichtung dar. Sie hat grundsätzlich die Aufgabe, die Klienten schrittweise an einen sinnvollen und geordneten Tagesablauf heranzuführen. Die Maßnahmen finden dabei weitestgehend in Gruppen statt. Es bestehen auch Möglichkeiten zur angeleiteten Einzeltätigkeit und Tätigkeiten in projektbezogenen Angeboten. Wir verfügen über folgende Tätigkeitsbereiche:

Landwirtschaft

Kochen/Hauswirtschaft/Ernährung

Tierpflege

Gemüseanbau

Hauspflege

Renovierung

Fahrradwerkstatt

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In unserem Verständnis hat die tagesstrukturierende Betätigung in der Betreuung eine übende und eine wesentliche stabilisierende Funktion. In der tagestrukturierenden Maßnahme wird der Umgang mit einer Aufgabe sowie mit dem Ergebnis der Aufgabe und dem Umgang mit sich selbst und Anderen geübt. Die Arbeit ist deshalb Begegnungs- und Leistungsraum in einem. Eine erfolgreich durchgeführte Aufgabe mit Überwindung von Schwierigkeiten führt zur Anerkennung durch andere und Stär-kung des Selbstwertgefühls. Die Arbeit erleichtert und objektiviert die Selbsteinschätzung durch das Produkt. Sie bietet mannigfaltige Trainingsmöglichkeiten an. So z.B. gegen Ausweichtenden-zen bei Unlustgefühlen und Anforderungen, für das Einordnen von Bedürfnisimpulsen in einem vorgegebenen Rahmen und für Mut zur Individualität. Verkümmerte Interessen können geweckt, auf gestalterische Fähigkeiten kann aufmerksam gemacht werden. Insgesamt lernen die Bewohner, ihre eigenen Leistungsfähigkeiten, Neigungen und auch Ein-schränkungen einzuschätzen bzw. wieder einzuschätzen und zu verbessern. Sie können ihre Aus-dauer trainieren, Disziplin einüben, den Umgang mit innerer Spannung unter zunehmender Ar-beitsbelastung erlernen, um nicht zuletzt die Sinnhaftigkeit von Arbeit wieder zu erleben. Das Verbleiben in einem Arbeitsbereich bzw. das Wechseln in einen anderen richtet sich nach den individuellen Interessen, der Leistungsfähigkeit und den Erfordernissen jedes einzelnen Be-wohners. So können die Klienten über längere Zeit im gleichen Arbeitsbereich verbringen, um dort mehr Vertrautheit und mehr Sicherheit erwerben zu können. Auch kann ein Wechsel indiziert sein, um den Bewohner mehr Freiraum für Eigenverantwortung und Verselbständigung zu geben und um sie psychisch wie physisch mehr zu fordern. Die Be-wohner können jederzeit den Wunsch äußern, ihren Aufgabenbereich zu wechseln; dies geschieht aber immer mit einer Reflektion der Gründe. Regelmäßig findet eine mit der Tätigkeit als Schwerpunkt zentrierte Gruppe statt. In ihr sind alle Bewohner des tagesstrukturierenden Bereichs zusammengefasst. In den Reflektionen geht es auch um Arbeitsleistung und -ergebnis, mehr aber noch um Koordination und Kooperation un-tereinander, um Aufdeckung von funktionalen Verhaltensmustern und um Vorausplanung der Vorhaben der nächsten Woche. Diese Gruppe trägt zu einer realistischeren Wahrnehmung des Einzelnen bei. Dabei wird einer-seits themenzentriert, andererseits konfliktorientiert das Verhalten fokussiert. Nicht nur das in der Einrichtung sichtbare Verhalten steht im Mittelpunkt, sondern auch aktualisierte Vorerfah-rungen der eigenen Biographie sowie auch der Transfer beruflicher Tätigkeiten vor und nach der Behandlung. Selbstreflexion und Rückmeldung der Mitklienten sowie der Betreuer dienen sowohl als Medium im Entwicklungsprozess als auch zur Grundlage der Dokumentation für die Verlaufsdiagnostik.

5.3 Tagesstruktur als Ansatz zur Entwicklung

Jeder Bewohner erhält das Angebot, seine und Leistungs- und Arbeitsfähigkeit individuell beson-ders zu fördern. Zur Diagnostik der Schlüsselqualifikationen wird IDA (Instrumentarium zur Diagnostik von Ar-beitsfähigkeiten) eingesetzt. Die Diagnostik erfolgt in den ersten vier Wochen nach der Auf-nahme. Schlüsselqualifikationen nach IDA sind:

Kognitive Merkmale:

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Arbeitsplanung, Auffassung, Aufmerksamkeit, Konzentration, Lernen/Merken, Problem-löseverhalten, Fähigkeit zur Umstellung, Vorstellungskraft

Soziale Merkmale:

Durchsetzungs- und Führungsfähigkeit, Kontaktfähigkeit, Kritikfähigkeit, Kritisierbarkeit, Fähigkeit zur Teamarbeit

Merkmale zur Art der Arbeitsausführung:

Ausdauer, kritische Kontrolle, Misserfolgstoleranz, Ordnungsbereitschaft, Pünktlichkeit, Selbständigkeit, Sorgfalt, Verantwortung

Psychomotorische Merkmale:

Antrieb, Feinmotorik, Reaktionsgeschwindigkeit Kulturtechniken / Kommunikation:

Lesen, Rechnen, Schreiben, Sprechen. Die Ergebnisse dieser basalen Diagnostik, die hieraus resultierenden Ziele und die Zuweisung in die spezifischen tagesstrukturierenden Bereiche unserer Einrichtung werden von dem zuständi-gen Arbeitstherapeuten mit dem betreffenden Bewohner in einem Einzelgespräch abgestimmt. Werden spezifische Defizite in den persönlichen Ressourcen und Schlüsselqualifikationen festge-stellt, wird das Instrumentarium MELBA (Merkmalprofile zur Eingliederung Leistungsgewandel-ter und Behinderter in Arbeit) eingesetzt, um das Fähigkeitsprofil des Bewohners mit dem Anfor-derungsprofil der spezifischen Tätigkeit abzugleichen. MELBA ermöglicht es darüber hinaus, den Prozess der Verbesserung /Weiterentwicklung von Schlüsselqualifikationen in den eingangs diag-nostizierten Defizitbereichen fortlaufend zu dokumentieren und zu überprüfen. Diese Ergebnisse fließen dann in die Fortschreibung des Gesamtplanes ein.

5.4 Gesundheitserziehung

Als Folgen von langjährigem Alkohol-, Medikamenten-, Lösungsmittel- und Drogenmissbrauch sind die verschiedensten somatischen Symptome zu beobachten, die häufig zu starken körperli-chen Schäden führen, aus denen zahlreiche Folgeerkrankungen resultieren. Dabei wird das Aus-maß der Folgeerkrankungen von mannigfaltigen biologischen, sozialen und familiären Faktoren mitbestimmt, die es bei der Form und Intensität der medizinischen Behandlung zu berücksichti-gen gilt. Im Bereich Gesundheitserziehung werden daher einige Themen ausführlich behandelt:

„Gesunde Ernährung“ und gesundheitsfördernde Ernährungsweisen werden erläutert und nahe gebracht. In unserer CMA- Einrichtung legen wir großen Wert darauf, den Ge-nesungsprozess der Bewohner durch eine gesunde und ausgewogene Ernährung zu för-dern. Das auf unserem Hof produzierte Gemüse auf ökologischer Basis findet in unserem Speiseplan regelmäßige Verwendung.

Im Rahmen von Gesundheitsveranstaltungen werden die Bewohner über die Anatomie und Physiologie ihres Körpers, die Wirkung von Rauschmitteln auf ihre Person insge-samt, die körperlichen und seelischen Suchtphänomene, mögliche Rückfallprofilaxestrate-gien und das Auftreten und Erkennen von Suchtanfällen informiert.

Neben der allgemeinen Gesundheitserziehung nimmt die Aufklärung und Entwicklung HIV-prä-ventiven Verhaltens bei Drogenabhängigen eine weitere zentrale Stellung ein. HIV-infizierte Be-wohner, die fortlaufender medizinischer Behandlung und Kontrolle bedürfen, werden in Zusam-menarbeit mit entsprechenden Schwerpunktpraxen organisiert. Ein weiteres Augenmerk liegt auf der Sicherstellung der Behandlung von Bewohnern mit einer chronischen Hepatitis-Infektion, Prävention, Kontrolluntersuchungen und Behandlungen erfordern eine besondere Beachtung.

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5.5 Substitutionsbehandlung

Die Substitutionsbehandlung schwer opiatabhängiger Patienten stellt einen Standard im Rahmen

der medizinischen Behandlung dieser Klientel dar. In Deutschland wird die Behandlung mit diver-

sen Ersatzstoffen seit Jahren auf der gesetzlichen Grundlage der BtmVV durchgeführt.

Das Angebot der begleitenden Substitution richtet sich in unserer CMA Einrichtung an Bewohner

mit besonders hohem Abhängigkeits- und Problempotential, welche nicht abstinent leben können.

Die Substitutionsbehandlung wird als suchtmedizinisch indizierte Medikation betrachtet. Zur

Durchführung dieses speziellen Behandlungsangebotes stehen Ärzte in der Region zur Verfügung,

die in der Substitutionsbehandlung erfahren sind. Primäres Ziel ist das Erreichen einer stabilen

Abstinenz. Dies bedeutet, dass im Verlauf der Betreuung das Substitut schrittweise und in Abspra-

che mit dem Patienten abdosiert werden kann, bis die Substitutionsbehandlung beendet ist. Die

Substitution wird durch eine kooperierende ärztliche Praxis mit Fachpersonal durchgeführt.

5.6 Sport-, Beschäftigungs- und Freizeitangebote

Unsere Einrichtung bietet für alle BewohnerInnen einen Rahmen für eine angemessene Freizeit-gestaltung an, der den Bewohnern den Weg zu einer suchtmittelfreien und aktiven Freizeitgestal-tung aufzeigt. Die Bewohner können erfahren, wie im Zusammenleben einer Gruppe, trotz ver-schiedener Interessen, eine geplante und strukturierte Freizeit zur Befriedigung der gemeinsamen Bedürfnisse aussehen kann. Unsere Ziele bestehen dabei im Wecken von Interessen und Motiva-tion und in der Förderung und Unterstützung von Eigeninitiative anstelle einer passiven und konsumabhängigen Haltung bzw. der Aktivierung brachliegender alter Ressourcen. Unsere Ange-bote orientieren sich an den individuellen Fähigkeiten der Bewohner, am Rahmen der Möglich-keiten unseres Hauses, den Anforderungen unseres Alltags und unseren örtlichen Gegebenheiten. Als aktive Gestaltungselemente für die Freizeitgestaltung steht in unserer Einrichtung vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung, so z.B. für Bastel-, Werk- und Hobbytätigkeiten ein Werkraum. Das Herstellen eigener Produkte fördert das Durchhaltevermögen und vermittelt Erfolgserleb-nisse, die den Zugang zu lange verschütteten Ressourcen von Kreativität und konstruktiver Ent-faltungsmöglichkeit wieder eröffnen. Unser Sportangebot umfasst u.a. Volleyball, Tischtennis, Fußball, Schwimmen, Kanu fahren und vieles mehr. Fahrradtouren, Angeln, Wanderungen und Ausflüge in die landschaftlich reizvolle Umgebung vervollständigen das Freizeitangebot.

5.7 Akupunktur

Zu Beginn der Betreuung setzen wir zur Linderung von Beschwerden eines eventuell noch beste-

henden protrahierten Entzugssymptoms Ohrakupunktur nach dem NADA-Protokoll ein. Im wei-

teren Verlauf der Betreuung hilft diese Ohrakupunktur, um Craving und Spannungszustände zu

mildern und Entspannung zu begünstigen. Wir nutzen die 5-Ohrpunkt-Akupunktur, die

stoffunspezifisch wirkt. Die Bedeutung des Ohres für die Heilung und das Verfahren der Nadelung

sind in der traditionellen chinesischen Medizin beschrieben und bewährt. Die 5-Punkte-Kombina-

tion wurde im Lincoln-Hospital, South-Bronx, NYC, entwickelt und später NADA-Protokoll ge-

nannt. Akupunktur wird nur durchgeführt, wenn keine medizinischen oder psychiatrischen

Gründe dagegen sprechen und der Patient der Maßnahme ausdrücklich zustimmt. Ausschluss-

gründe können Entzündungen oder besonders labile psychische Zustände sein.

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5.8 Die Regeln In der „Regel“ wird die Konzeption auf der Handlungsebene konkret. Regeln schaffen Orientie-rung und tragen zur Sicherheit und Orientierung in der Gemeinschaft bei. Als Grundregeln gel-ten

keine Drogen, kein Alkohol, keine Medikamente ohne Absprache mit dem Arzt und dem Betreuungsteam

keine Gewaltanwendungen gegenüber Personen und Sachen, keine Gewaltandrohung

kein Rassismus, kein Sexismus. Ebenso sind extremistische oder fundamentalistische Äußerungen in Schrift, Wort oder Bild verboten

Darüber hinaus ist wichtig, dass sich jeder auf die Absprachen verlassen kann. Da gerade Gren-zenlosigkeit ein wesentliches Kennzeichen von Sucht ist, ist die Auseinandersetzung mit Grenzen ein zentrales Thema im Alltagsgeschehen und den Gruppenprozessen. Uns ist es wichtig, dass jeder Klient, entsprechend seiner persönlichen Ressourcen, einzuschät-zen lernt, wie viel Verantwortung er übernehmen kann. Deshalb sind auch Ausgänge, Heimfahr-ten und ähnliches nicht unbedingt von der Dauer des Aufenthaltes in der Einrichtung abhängig, sondern vielmehr von dem Vertrauen, das die Bewohner selbst bzw. die Gruppe und das Team in jeden Einzelnen haben (hierbei werden die Auswirkungen der eventuell bestehenden psychi-schen komorbiden Erkrankung berücksichtigt). Wir legen deshalb Wert darauf, dass die Bewoh-ner die Möglichkeit haben, sich schon früh bei Ausgängen in der Umgebung - zunächst in kleinen Gruppen - auszuprobieren, später auch allein.

5.8 Bewohnerrat

Die Bewohner benennen Bewohnersprecher/innen, die den Bewohnerrat bilden. Dieser kann auf grundlegende Entscheidungen in der Alltagsgestaltung Einfluss nehmen, bzw. Bewohnerin-teressen dem Team gegenüber vertreten. Der Bewohnerrat bildet einen wichtigen Teil in dem Prozess des Beschwerdemanagements.

6. Qualitätssicherung

6.1 Qualitätsmanagement Das Ziel unserer Qualitätspolitik ist es, den Anforderungen und Bedarfen unserer Klientel, der Kostenträger und Kooperationspartner gerecht zu werden. Wir richten uns dazu nach den Anfor-derungen der DIN ISO 9001. Die Zertifizierung der Einrichtung nach DIN ISO 9001 und die Trägerzertifizierung nach AZAV wurde in 2015 umgesetzt. Wir arbeiten mit anderen Trägern der Drogen- und Eingliederungshilfe, mit sozialen Einrichtun-gen und Initiativen in der Stadt und den Gemeinden sowie mit Fachbehörden und Kostenträ-gern zusammen. Strukturqualität Um die Leistungen kontinuierlich zu verbessern finden regelmäßige Besprechung mit Geschäfts-führung und Einrichtungsleitung statt, in denen sowohl die Wirtschaftlichkeit und die inhaltli-chen Angebote bewertet, als auch weiteren Strategien und Unternehmensziele entwickelt werden. Die Ergebnisse dieser Besprechungen werden von den Leitungskräften in die Teams hineingetra-gen und umgesetzt. Die Teams tagen wöchentlich.

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Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bilden das mulitprofessionelle Team mit einem fundier-ten Ausbildungsstandard, so dass in der Betreuung auf die unterschiedlichen Bedarfe der Klientel eingegangen werden kann. Die hohe fachliche Qualität der Betreuung basiert auf guten Arbeitsbedingungen, eigenverant-wortlichem Arbeiten und der Arbeit im Team. Prozessqualität Unser Konzept, die Prozessbeschreibungen und Arbeitsabläufe gleichen wir laufend den opti-mierten Änderungen und Vorhaben an. Die hohe Motivation und die entsprechende Qualifikation und Erfahrung unserer Mitarbeiter gewährleistet die Qualität unserer Arbeit. Unsere Qualitätspolitik und unsere Qualitätsziele werden von dem Team gestützt und jeder Einzelne trägt dabei die qualitative Verantwortung für seine Leistungen. Alle Kollegen haben die Möglichkeit an Fort- und Weiterbildungen sowie an Supervisionen teil zu nehmen. Ergebnisqualität Rückmeldungen über unsere angebotenen Leistungen erhalten wir durch die in halbjährlichen Abständen durchgeführten Klientenbefragungen. Darüber hinaus finden wöchentliche Klienten-versammlungen und ein Beschwerdemanagement statt. Eine regelhaft erfolgende Umfrage unterrichtet die Geschäftsführung über die Zufriedenheit der Mitarbeiter. Die sich aus den jeweiligen Feedback-Schleifen ergebenden Verbesserungsbedarfen werden über die oben beschriebenen Hierarchieebenen in die tägliche Arbeit implementiert.

6.2 Das Team

Die dienstlichen Rahmenbedingungen dienen als strukturelle Grundlage der Kooperation, wobei gegenseitige Wertschätzung und Akzeptanz die Zusammenarbeit im Team prägen. Die Erarbei-tung und fortlaufende Entwicklung einer gemeinsamen Grundhaltung wird durch die spezifi-schen Erfahrungen und Techniken der unterschiedlichen Berufsgruppen gewährleistet. Dabei wird im Team in den wichtigen Entscheidungsprozessen durch konstruktive Auseinandersetzun-gen eine Einvernehmlichkeit erreicht. Teamarbeit kann so zu einem Modell für die Bewohner werden. Die fachliche Kompetenz wird durch die Beschäftigung von entsprechend qualifiziertem Perso-nal sichergestellt: Sozialpädagogen und Sozialarbeiter, Ergotherapeuten/Arbeitserzieher sowie eine Verwaltungskraft und im pflegerischen erfahrene Nachtdienste bilden das Gesamtteam. Während des Bereitschaftsdienstes am Wochenende steht immer ein hauptamtlicher Mitarbeiter im Hintergrund zur Verfügung.

6.3 Supervision, Fort- und Weiterbildung

Einmal pro Woche findet eine Gesamtteamsitzung statt. Im Rahmen dieser Konferenz werden die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Betreuungsmaßnahmen geplant, bespro-chen und abgestimmt. Hierzu werden die wichtigsten Informationen und Beobachtungen aus den unterschiedlichen berufsspezifischen Sichtweisen zusammengetragen und eine weitere Betreu-ungsplanung, unter der Berücksichtigung des Gesamtplans, erstellt. Zusätzlich steht unserem Team in regelmäßigen Abständen ein externer Supervisor zur Verfü-gung. Im Mittelpunkt dieser Tätigkeit steht sowohl die Team-Supervision als auch die Einzelfall-Supervision. Neben einer Erweiterung von Wissen und Fähigkeiten bei allen Beteiligten dient die

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externe Supervision ebenfalls der Verbesserung der Handlungsabläufe und der Kommunikation innerhalb unseres Teams. Im Rahmen der internen Fortbildung finden für alle Mitarbeiter Veranstaltungen zu ausgewählten Themenbereichen unter Beteiligung interner und externer Referenten statt. An Fortbildungen des Fachverbandes „Drogen– und Suchthilfe e.V.“ und anderer Träger neh-men Mitarbeiter unseres Hauses in regelmäßigen Abständen teil. Ebenfalls findet ein Erfahrungs-austausch in regionalen und überregionalen Arbeitskreisen und Fachgruppen statt.

6.4 Kommunikationsstrukturen

Den Rahmen für eine grundlegende interdisziplinäre Zusammenarbeit und Reflexion unserer Ar-beit bildet der geregelte tägliche Kontakt in der morgendlichen Übergabe. Wöchentlich findet eine Besprechung des gesamten Teams statt, in der die übergreifenden organisatorischen Themen behandelt werden. Die überschaubare Größe der Einrichtung ermöglicht einen guten Informationsfluss innerhalb des gesamten Teams. Dadurch ist es möglich, mit aktuellen Ereignissen im Betreuungsprozess der einzelnen Bewohner flexibel umzugehen. Die Übergabe bei Dienstwechsel (Früh-, Spät- und Nachtschicht) erfolgt täglich. Die Leitung nimmt an den Regionalkonferenzen und Leitungsclausuren des Therapiehilfeverbun-des teil.

6.5 Dokumentation

Der gesamte Betreuungsverlauf wird in einer elektronischen Akte dokumentiert (Patfak): Die Betreuungsarbeit der CMA- Einrichtung wird fortlaufend an Erfahrungen aus der Praxis überprüft und optimiert. Die Grundlage für eine systematische Erfassung und Auswertung von Bewohner- und Betreuungsdaten bietet das Dokumentationssystem Patfak durch seine praxisori-entierten Erfassungsbereiche. Hierin werden insbesondere alle anamnestischen, diagnostischen und betreuungsspezifischen Informationen aufgenommen. Ebenfalls werden hier die arbeitsthe-rapeutischen Maßnahmen festgehalten. Bewohnern ausgefüllt wird. Dieses Dokumentationssystem stellt zahlreiche wichtige Daten für einrichtungsinterne Steue-rungsprozesse zur Verfügung. Diese finden auch bei der Darstellung und Diskussion nach außen sowie bei der Fragestellung im Rahmen von Forschungsprojekten Verwendung.

7. Diagnostik

Nach dem biopsychosozialen Modell sind alle lebenden Systeme - und so auch der Mensch - von einem „Netz aus Beziehungsfeldern“ umsponnen, welches aus einem ständigen Nachrichtenaus-tausch mit der Umgebung besteht und den Organismus wie eine zweite Haut umgibt. Die „Fä-den“, aus denen dieses Beziehungsnetz besteht, müssen auf der sozialen, der psychischen und der somatischen Ebene kontinuierlich neu „gesponnen“ und miteinander verwoben werden, wenn das Individuum „ganz“ bzw. „gesund“ bleiben soll. Die konkreten Beziehungen eines Menschen zu den Mitmenschen seiner Umgebung, zu seiner Familie und zu seinem Freundeskreis, aber auch zu seinem sozialen und beruflichen Umfeld sind somit nicht nur integrierende Bestandteile seiner Persönlichkeit, sondern auch mitverantwortlich bei der Aufrechterhaltung von Gesundheit und der Entstehung von Krankheit. v. Uexküll & Wesiack (1997, S. 47) schlussfolgern: „Die Qualität dieser Beziehungen entscheidet über sein [des Menschen] Befinden und seine Gesund-heit. ‚Objektverluste’, d.h. der Verlust der Beziehung zu Menschen, die uns viel bedeuten, oder

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der Verlust einer Position, die unsere Beziehungen zur Welt stabilisierte, sind ‚narzisstische Krän-kungen’: Sie verletzen unser Selbst und bedrohen unsere Gesundheit.“ Oder anders: „Beziehung erzeugt Gesundheit und ermöglicht Kranken ein Maximum der ihnen noch möglichen Autono-mie. Beziehungsstörung macht krank.“ ebenda Dieses ganzheitliche, auf mehreren Ebenen ansetzende Verständnis von Gesundheit und Krank-heit bildet auch die Grundlage für die 2001 von der WHO verabschiedete Internationale Klassifi-kation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (International Classication of Func-tioning, Disability and Health ICF; 2004), welche im Bereich der Rehabilitation eine zunehmend tragende Rolle spielt. Das mehrdimensionale Konzept von ICF operationalisiert den Begriff der „funktionalen Gesundheit“ als das Ergebnis der Wechselwirkung zwischen dem Gesundheits-problem (ICD) einer Person und ihren Kontextfaktoren (Umwelt- und personenbezogene Fakto-ren). Die verschiedenen Aspekte der funktionalen Gesundheit werden hierbei auf folgenden Ebe-nen klassifiziert (Schuntermann, 2003): 1. Auf der Ebene der Körperfunktionen und -strukturen - die körperlichen und mentalen

Funktionen einer Person wie seine Körperstrukturen entsprechen allgemein anerkannten statis-tischen Normen

2. Auf der Ebene der Aktivitäten - eine Person tut all das oder kann alles tun, was von einem Menschen ohne Gesundheitsproblem (im Sinne der ICD) erwartet wird

3. Auf der Ebene der Teilhabe an Lebensbereichen - eine Person kann ihr Dasein in allen Lebensbereichen, die ihr wichtig sind, in der Weise und in dem Umfang entfalten, wie es von Menschen ohne Beeinträchtigung der Körperfunktionen oder -strukturen oder der Aktivitäten erwartet wird; z.B. im Erwerbsleben oder bei der Erziehung -

7.1 Beeinträchtigungen der „Funktionen und Strukturen“

Nach ICF besteht eine Beeinträchtigung der funktionalen Gesundheit oder Funktionsfähigkeit, wenn wenigstens in einem der genannten Bereiche eine Beeinträchtigung vorliegt, d. h. eine Funktionsstörung, ein Strukturschaden, eine Einschränkung einer Aktivität oder eine Beeinträch-tigung der Teilhabe in einem Lebensbereich (VDR, 2003). Kontextfaktoren d. h. Gegebenhei-ten der Umwelt oder personenbezogene Faktoren modulieren das Ausmaß der Beeinträchtigung.

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Insbesondere die Teilhabe an Lebensbereichen kann durch Kontextfaktoren, im Sinne von Bar-rieren (z. B. fehlende Teilzeitarbeitsplätze) beeinträchtigt oder im Sinne von Förderfaktoren (z. B. soziale Unterstützung, Ressourcen) unterstützt werden. Der Zustand der funktionalen Gesundheit variiert mit dem Gesundheitsproblem und den Kon-textfaktoren. Eine Beeinträchtigung der funktionalen Gesundheit kann neue Gesundheitsprob-leme nach sich ziehen. Jedes Element des in Abbildung 1 dargestellten Modells kann Ausgangs-punkt für mögliche neue Probleme werden. Auch Abhängigkeitserkrankungen lassen sich nach dem ICF-Modell in ihren höchst unterschied-lichen Entstehungsweisen, ihren sehr verschiedenen Verläufen und ihren multiplen Folgezustän-den gut abbilden. Sie stellen komplexe biopsychosoziale Phänomene dar, die sich - unabhängig von der konsumierten Substanz - als ein Syndrom zahlreicher individueller Störungen auf den verschiedenen Ebenen von ICF beschreiben lassen: Beeinträchtigungen der „psychischen Funktionen“ bzw. „Körperfunktionen und Körperstruktu-ren“. Psychische und organische Folgen der Suchterkrankung sowie der Abhängigkeit zugrunde lie-gende Primärerkrankungen können das „psychische Funktionieren“ des Betroffenen in unter-schiedlichem Maße beeinträchtigen. Außerdem kann es durch die konsumierten Suchtmittel di-rekt oder indirekt zu Schädigungen der Organismusfunktionen und -strukturen kommen, die die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen können.

körperliche Abhängigkeit mit Toleranzentwicklung und Entzugssymptomen

Begleit- und Folgeerkrankungen, z.B. Magen-/Darmerkrankungen, Polyneuropathie, Schädi-gungen des Gehirns (Atrophien, Hirnleistungsminderung, Korsakow-Syndrom), Leber- und Pankreaserkrankungen, Haut- und Geschlechtskrankheiten, Zahnerkrankungen, allgemeine Abwehrschwäche, Abszesse, Infektionskrankheiten wie HIV-Infektion oder Hepatitis

psychische Abhängigkeit mit Kontrollverlust und/oder Unfähigkeit zur Abstinenz

psychische Funktionsstörungen (z.B. Wahrnehmungs-, Denk-, Konzentrations- und Motivati-onsstörungen)

Ängste oder Depressionen, Selbstwertzweifel und Vermeidungsverhalten

psychotische Episoden

7.2 Beeinträchtigungen der „Aktivitäten“

Bei Abhängigkeitserkrankungen lassen sich oftmals Beeinträchtigungen im Bereich der Aktivitä-ten feststellen, die durch die psychischen Primär- und Folgestörungen sowie durch die Schädi-gungen der Körperfunktionen und -strukturen mitbedingt sein können. Diese Beeinträchtigungen beziehen sich u. a. auf

Probleme bei der Aufgabenbewältigung, z. B. am Arbeitsplatz

Schwierigkeiten in Kommunikation und interpersoneller Interaktion, Rückzugsverhalten

die völlige Einschränkung der Aktivitäten auf Suchtmittelerwerb und -konsum

mangelnde psychische und körperliche Ausdauer und Belastbarkeit, verringertes Interesse an der Umwelt

Mangelnde Selbstversorgung, Körperpflege, Haushaltsführung, Verpflegung

Eingeschränktes Freizeitverhalten

Mangelnde Krankheitsbewältigungsstrategien

delinquente Verhaltensweisen und Prostitution (vor allem bei illegalen Drogen)

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7.3 Beeinträchtigungen der „Teilhabe“

Aus den Beeinträchtigungen der Aktivitäten, den eingeschränkten psychischen Funktionen, Kör-perfunktionen und -strukturen heraus können Beeinträchtigungen der Eingliederung, des Einbe-zogenseins und der Beteiligung an den verschiedenen Lebensbereichen resultieren, z.B.

erwerbsbezogene Schwierigkeiten (mangelnde Schul- und Berufsausbildung, Konflikte am Ar-beitsplatz, Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit etc.)

Verlust der Mobilität

Verwahrlosung/Verlust von Wohnung und Unterkunft

Beeinträchtigungen oder Verlust des sozialen Netzwerkes

eingeschränkte Teilnahme an Kultur, Freizeit, Sport

7.4 Einfluss der Kontextfaktoren

Kontextfaktoren stellen den gesamten Lebenshintergrund einer Person dar. Sie dienen der Be-schreibung von Rahmenbedingungen, welche die gesellschaftliche Teilhabe eines Menschen be-einflussen und in Wechselwirkung mit verschiedenen Komponenten der funktionalen Gesund-heit stehen. Umweltfaktoren beziehen sich auf die soziale und materielle Umwelt und die gesell-schaftlichen Wertvorstellungen. Personenbezogene Faktoren sind z. B. Alter, Geschlecht, Bil-dung/Beruf, Erfahrung, Persönlichkeit, andere Gesundheitsprobleme, Lebensstil, Gewohnheiten und Bewältigungsstile. Folgende Kontextfaktoren sind für die Entstehung, Aufrechterhaltung und Bewältigung von Suchterkrankungen zumeist von zentraler Bedeutung:

Vorhandensein persönlicher Unterstützung/sozialer Ressourcen

Zugang zu Hilfesystemen

Sozioökonomische Sicherheit

Soziokulturelle Situation, Familie, Gesellschaft

Werte und Normen, Religiosität

Persönliche Fertigkeiten, Kreativität Die individuelle Suchtentwicklung ist somit durch die Wechselwirkung von genetischen Disposi-tionen und Lernerfahrungen, unterschiedlichsten Umwelteinflüssen und den Wirkungsweisen des Suchtmittels bedingt. Der abhängige Mensch kann nicht losgelöst von seinem sozialen System, insbesondere der Familie und seinem beruflichen bzw. gesellschaftlichen Kontext, verstanden werden. Aus diesem Grunde ist Angehörigenarbeit ein integraler Bestandteil der Suchtkrankenbe-handlung. Es gilt die Auswirkungen der Krankheit im Alltag und die Faktoren, die darauf Ein-fluss nehmen zu betrachten. Diese verschiedensten Faktoren wirken aufeinander ein und intera-gieren in komplexen Zusammenhängen miteinander, um schließlich zum Phänomen Sucht zu führen. Suchtentwicklungen entstehen bzw. verlaufen somit individuell höchst unterschiedlich, was persönlich zugeschnittene Betreuungen erfordert.

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8. Kooperation und Vernetzung

Die Einrichtung arbeitet eng vernetzt mit den Angeboten der Suchtkrankenhilfe, der Psychiatrie und der Obdachlosenhilfe des Landes Niedersachsen und Bremen zusammen. Die Therapiehilfe Bremen gGmbH strebt stabile, gegebenenfalls auch vertraglich geregelte Kooperationsbeziehun-gen zu den einzelnen Leistungserbringern an. Darüber hinaus hält die Therapiehilfe Bremen gGmbH in einem abgestuften System mehrere Einrichtungen der Eingliederungshilfe zur Betreu-ung von Suchtkranken mit und ohne Substitut vor, so dass eine bedarfsgerechte Vermittlung der Hilfesuchenden in das Hilfesystem hinein möglich ist. Konkrete Kooperationen vor Ort mit Arzt- und Logopädie-Praxen sind bereits durch die Vor-gängereinrichtung Therapiehof Loxstedt gepflegt worden und können weiter geführt werden.

9. Literaturangaben:

International Classication of Functioning, Disability and Health ICF; 2004 Schuntermann, M. F.: Die Bedeutung der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) für die Rehabilitation, 2003 Schwoon, Dirk R. Basiswissen, Umgang mit alkoholabhängigen Patienten, Psychiatrie-Verlag 2005 Vereinbarung Abhängigkeitserkrankungen (2001). Vereinbarung über die Zusammenarbeit der Krankenkassen und Rentenversicherungsträger bei der Akutbehandlung (Entzugsbehandlung) und medizinischen Rehabilitation (Entwöhnungsbehandlung) Abhängigkeitskranker. v. Uexküll, T. &Wesiack, W. (1997). Wissenschaftstheorie: Ein bio-psycho-soziales Modell. In R.H. Adler, J.M. Herrmann, K. Köhle, O.W. Schonecke, T. v. Uexküll & W. Wesiack (Hrsg.).Thure von Uexküll. Psychosomatische Medizin (Studienausg. der 5., neubearb. und erw. Aufl.) (S.13-52). München: Urban und Schwarzenberg. WHO - Weltgesundheitsorganisation (2000): Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10, Kapitel V (F); klinisch-diagnostische Leitlinien. 4.Auflage.