hospitalitè Notre Dame de Lourdes - DE

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DIE VOLLENDUNG DER LIEBE IST DER DIENST Eine Reise durch die Geschichte der Hospitalité Notre Dame de Lourdes - von ihren Ursprüngen bis heute mit Perspektiven für die Zukunft Herstellung: MAB.q Jahrgang 2010 Sonderausgabe

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Eine Reise durch die Geschichte der Hospitalité Notre Dame de Lourdes - von ihren Ursprüngen bis heute mit Perspektiven für die Zukunft Sonderausgabe Herstellung: MAB.q Jahrgang 2010

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Eine hilfreiche Dokumentation aus Anlass eines bedeutenden Datums zum besseren Verständnis

der Hospitalité Notre Dame de Lourdes

Eine Sammlung von Informationen und Erlebnisberichten aus dem Leben der Hospitalité Notre Dame de Lourdes auf einer DVD,die bei der Hospitalité angefordert werden kann

DIE VOLLENDUNG DER LIEBE IST DER DIENSTEine Reise durch die Geschichte der Hospitalité Notre Dame de Lourdes - von ihren Ursprüngenbis heute mit Perspektiven fürdie Zukunft

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Jahrgang 2010

Sonderausgabe

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DIE VOLLENDUNG DER LIEBE IST DER DIENSTSonderausgabe

HerausgeberHospitalité Notre Dame de LourdesAccueil Jean-Paul II, B.P. 19765106 Lourdes Cedex

Verantwortlich i. S. d. P.Antoine Tierny

Im Auftrag vonHospitalité Notre Dame de Lourdes

Beiträge vonPierre ChalvidanPierfrancesca GravianiDeborah Moleri

LayoutMAB.q Roma-Milano-Parigi

SatzElena Colombi

RedaktionPierfrancesca GravianiDeborah MoleriTino Redaelli

DanksagungPater René Point für seine wertvollen Aussagen und Berichte, sowie für einen Großteil der in dieser Monografie verwendeten Fotos

FotosOsservatore Romano“Servir les malades à Lourdes, 1885-1985;100 ans de Hospitalité”, von Vater René Point, NDL Ausgabe

DruckImprimerie Augé

w e b s i t e

Die Hospitalitè Notre Dame de Lourdes hat eine neue Website!

Neue Kommunikationsmittel der Hospitalité kommen bei dieser Seite zum Einsatz. Sie versteht sich als Instrument der Begegnung und des Austauschs unter ihren

Mitgliedern. Sie hat ein attraktives Layout, ist sehr einfach in der Anwendung und steht in den sechs offiziellen Sprachen der Hospitalité zur Verfügung (Französisch,

Italienisch, Spanisch, Englisch, Deutsch, Niederländisch). So finden die Hospitaliers ihr Forum, Interessierte können von dieser großen Familie angesprochen werden.

Sie finden sie in neuer Form unter der gleichen Webadresse www.hospitalite-lourdes.com. Sie erhalten eine Fülle wertvoller Informationen zum besseren Kennenlernen der Assoziation, ihrer Geschichte, ihrer Aktivitäten und ihrer Dienstbereiche. Außerdem finden Sie Ratschläge, wie Sie an einer Stage teilnehmen

und der großen Familie der Hospitaliers beitreten können.

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Diese Publikation verfolgt 125 Jahre Geschichte der am 28. Januar 1885 gegründeten Hospitalité Notre Dame de Lourdes zurück. Sie soll uns

und all denjenigen, die sich für unsere Hospitalité interessieren, ermöglichen, die Geschichte der Hospitalité, aber auch die Geschichte der Männer und Frauen kennen zu lernen, die vor uns dabei waren.

Wir danken allen, die uns mit ihren Beiträgen die notwendigen Informationen für die Entstehung dieses Werks vermittelt haben, ganz besonders Bischof Rebsomen, den Domherren Courtin und Branthomme, Madame Touvet, Pater Point und der Wallfahrtsstätte von Lourdes mit ihren verschiedenen Veröffentlichungen.Unser herzlicher Dank gilt all denjenigen, die zur Realisierung dieser Veröffentlichung beigetragen haben, insbesondere Pierre Chalvidan, der die schwierige Aufgabe hatte, die Zukunftsperspektiven zu beleuchten.Zwei Worte ziehen sich wie ein roter Faden durch dieses Werk: empfangen und dienen.Mit unserem Beispiel übergeben wir, wie es auch all unsere “Vorfahren“ getan haben, diese Worte an unsere Nachfolger, damit die Hospitalité Notre Dame de Lourdes immer in dem Geiste weiter bestehen möge, der sie von jeher auszeichnet.

Antoine Tierny

EINFÜHRUNG DES PRÄSIDENTEN DER HOSPITALITÉ

2 - Exklusiv-InterviewGespräch mit einem Zeitzeugen

6 - EntstehungEntstehung der Hospitalité NDL -mit viel gutem Willen und Ausdauer

12 - Entwicklung der Hospitalité 1885-1914Von den ersten Präsidenten bis zum Ersten Weltkrieg

18 - Die Assoziation zwischen den WeltkriegenEin schwieriger Weg

24 - Die NachkriegszeitZwischen Wiederaufschwung und Hundertjahrfeier der Erscheinungen

32 - Pilgerfahrt nach Rom 2010

34 - Die Hospitalité wird Hundert, 1960-1985Nach der Hundertjahrfeier der Erscheinungen bereitet sich die Hospitalité darauf vor, ihr hundertjähriges Bestehen zu begehen 42 - Jüngere Geschichte: 1986-2008Die letzen zwanzig Jahre der Hospitalité

48 - Die Hospitalité heuteEine dauerhafte Größe

56 - Die Zukunft der HospitalitéHundertfünfundzwanzig Jahre und mehr…

60 - Lourdes und die PäpsteEine tiefe Bindung

INHALT

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Pater Point ist Autor des Buchs “Dienst am Kranken in Lourdes von 1885 bis 1985 - 100 Jahre Hospitalité“, das im April 2009 im Verlag NDL Editions erschienen

ist. Der Bischof von Tarbes und Lourdes, Jaques Perrier, nannte diese Arbeit “mehr als die einfache Studie eines Historikers”. Sie sei vielmehr “das Werk eines Zeitzeugen”, der es verstanden habe, ein Jahrhundert Geschichte einer außergewöhnlichen Assoziation nachzuzeichnen. Pater Point, am 22. April 1911 in Lourdes geboren, war von 1947 bis 1955 Seelsorger der Hospitalité Notre Dame de Lourdes und von 1967 bis 1984 Leiter der “Wallfahrten für einen Tag“. Er hat einen Großteil der Geschichte der Hospitalité Notre Dame de Lourdes persönlich miterlebt. Als ein sehr akribischer Mensch hat er sich nicht damit begnügt, seine eigenen Erlebnisse zu erzählen, sondern hat Nachforschungen und weiter führende Studien durchgeführt, bei denen er mehrere Quellen herangezogen hat, u.a. “Das Archiv der Grotte von Lourdes”, “Die Annalen von Notre Dame de Lourdes”, “Das Journal der Grotte”, etc.

Um die hundertjährige Geschichte der Assoziation möglichst präzise zu beschreiben, hat er gleichzeitig die Geschichte und die Entwicklung des Heiligtums von Lourdes und der Wallfahrten erzählt. Eine schwierige Aufgabe, da er nicht alle Ereignisse berücksichtigen konnte. Deshalb hat er die Berichte nach den folgenden vier Gesichtspunkten gegliedert: Ereignisse, die wesentlich zur Geschichte der Hospitalité gehören; Ereignisse, die im direkten Zusammenhang mit der Hospitalité stehen, wie die großen Wallfahrten und die großen Feierlichkeiten von Lourdes. So konnte er auf die großen Linien in der Geschichte des Heiligtums Bezug nehmen; Große Ereignisse in der Kirche und im Bistum, wie die Wahl eines neuen Papstes oder die Ernennung eines neuen Bischofs und - was eher ungewöhnlich ist: Ereignisse, die im Zusammenhang mit der Geschichte seiner Ordensfamilie stehen, den Missionaren der Unbefleckten Empfängnis von Lourdes. Seine Arbeit wurde so hoch geschätzt, dass Bischof Jacques Perrier ihn gebeten hat, an einer Fortsetzung zu arbeiten: Die Geschichte der Hospitalité von 1985 bis 2010, dem Jahr, das für die Hospitalité ein sehr wichtiges Jubiläum darstellt, nämlich ihr hundertfünfundzwanzigjähriges Bestehen.

Gespräch mit einem ZeitzeugenBevor wir tiefer in die Geschichte der Hospitalité Notre Dame de Lourdes (HNDL) eindringen, lassen wir den Autor der neuen “Bibel” der HNDL, Pater René Point, erzählen, wie er die mehr als hundert Jahre alte Assoziation sieht

Die Abbildung zeigt das Deckblatt des Buches von Pater René Point, das dem hundertjährigen Bestehen der Hospitalité Notre Dame de Lourdes gewidmet ist. Der Titel ist „Servir les malades à Lourdes. 1885-1985, 100 ans d’Hospitalité”. Herausgeber ist NDL Editions

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“Dienst am Kranken in Lourdes von 1885 bis 1985, 100 Jahre Hospitalité” ist das Werk, das Pater Point in dem der Heiligen Bernadette geweihten Jahr veröffentlicht hat

Der Vorsitzende der Hospitalité Notre Dame de Lourdes, Antoine Tierny, mit Pater René Point, dem Autor des Buches über die ersten hundert Jahre der HNDL. Pater Point erhält die Unterlagen über die letzten fünfundzwanzig Jahre der Assoziation bis 2010, um eine Fortsetzung schreiben zu können

Pater René Point, Missionar der Unbefleckten Empfängnis, Priester seit 1935, ist der Autor des Buchs, das die ersten hundert Jahre der Hospitalité zurückverfolgt. Zu seinen verschiedenen Ämtern gehörte auch seine Zeit als Seelsorger der Hospitalité Notre Dame de Lourdes von 1947 bis 1955. Auf Bitten eines Mitbruders, Pater Henri Joulia, dem ehemaligen Hauptseelsorger der Hospitalité Notre Dame de Lourdes, hat Pater Point beschlossen, diese benediktinische Aufgabe auf sich zu nehmen, um die Geschichte der Assoziation im Verlauf der ersten hundert Jahre (von 1885 bis 1985) darzustellen, ohne dabei die Schwierigkeiten außer Acht zu lassen. Die Besonderheit dieses Werkes besteht darin, dass Pater Point sich nicht nur als Historiker zeigt, sondern aufgrund seiner Herkunft und seines Alters - er wurde vor neunundneunzig Jahren in Lourdes geboren - wie kein anderer für

diese Aufgabe prädestiniert erscheint. Das Buch folgt einer chronologischen Berichterstattung in Orientierung an den Amtszeiten der verschiedenen Präsidenten, angefangen von Combette du Luc, über Vicomte Georges de Pouy, Graf Etienne de Beauchamp bis hin zu François Guibaud. Das erste Kapitel bezieht sich aber zunächst auf den politischen und sozialen Kontext der Gründung der Hospitalité in den Jahren 1850 bis 1875. Am Ende des Buches wird dann noch der weibliche Zweig der Hospitalité behandelt, seine Gründung und Organisation, die Funktion der Hospitalières und die ersten Präsidentinnen. Das Buch von Pater Point erweist sich daher als eine echte „Bibel“, die nicht nur eine wichtige Quelle für all diejenigen darstellt, die sich näher für die Hospitalité NDL interessieren, sondern auch zu Berufungen zu den «kleinen Arbeiter Mariens» führen kann.

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Pater Point hat diese “recht langwierige Arbeit“ gerne übernommen, obwohl ihm klar war, dass er sie nicht innerhalb 2010 zu Ende führen kann. Er hofft «dass der Herr ihm gestatten wird, sie bis zum Ende zu schreiben». Wir haben ihn als Zeitzeugen, den wir zweifellos als besten Kenner der Hospitalité Notre Dame de Lourdes bezeichnen können, nach den von 1985 bis heute bedeutsamsten Entwicklungen innerhalb der Hospitalité und ihrer Freiwilligen befragt. “Mir scheint, dass man als Schlüsseldatum nicht 1985, sondern 1978 ansehen muss, das Jahr der Unterzeichnung der Charta durch Monseigneur Donze”, so Pater René Point. In der Tat markiert diese Charta, die im Geiste des II. Vatikanischen Konzils ausgearbeitet worden war, mehrere Entwicklungsschritte. Die wichtigsten sind: Altersbegrenzung für die Verantwortlichen. Die Integration aller Dienstbereiche des weiblichen Zweigs in die Hospitalité Notre Dame de Lourdes, also die Krankenschwestern der

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Krankenherbergen Saint-Frai und Notre Dame, die seitdem einen Rat und eine Präsidentin anstelle einer Oberin haben können. Seitdem kann auch eine Frau Präsidentin der Hospitalité werden. Öffnung des Rats für Mitglieder befreundeter Nationen. “Seitdem und auf Drängen von Pater Joulia hat sich das Ganze weiter entwickelt. Das hat dazu geführt, dass junge Menschen aufgenommen und ausgebildet wurden, dass man sich über die religiöse Bildung aller Hospitaliers Gedanken gemacht hat, dass man nach einem besseren gegenseitigen Kennenlernen und herzlicheren Beziehungen zwischen der HNDL und den Diözesanen Hospitalitäten gesucht hat. Gleichzeitig hat man versucht, einen möglichst unkomplizierten Umgang der Hospitaliers untereinander zu erreichen”, erklärt Pater Point. Selbstverständlich verlief die Entwicklung der Assoziation und der Freiwilligen parallel zur Entwicklung der Wallfahrten. Pater Point

unterscheidet vier Hauptentwicklungen: Die Organisatoren: die Pfarreien, die Diözesen, die verschiedenen Ordensgemeinschaften, die Action catholique. Die “geographische” Herkunft: Pfarreien, Diözesen, aber auch die Wallfahren unterschiedlicher Nationen. Die Transportmittel: Bus, Zug, Flugzeug. Die Programme: die Wallfahrten der großen Zeremonien wurden zugunsten der Wallfahrten unter dem Motto “Zusammenkunft” aufgegeben. Pater Point unterstreicht, dass es neben diesen vier Hauptentwicklungen immer eine große Zahl von Touristen und einzelnen Pilgern gab, die jedes Jahr nach Lourdes kamen. Von daher bestand die Notwendigkeit der “Wallfahrt für einen Tag”, die er selbst ins Leben gerufen hatte, um ihnen einen spirituellen Weg zu erleichtern. Für die kommenden Jahre geht Pater Point davon aus, dass die Wallfahrten zahlenmäßig stetig anwachsen werden. Neben den organisierten Wallfahrten wird es mehr

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Pater Point, am 22. April 1911 in Lourdes geboren, war von 1947 bis 1955 Seelsorger der Hospitalité Notre Dame de Lourdes. Von 1967 bis 1984 war er Verantwortlicher der Initiative “Pilger für einen Tag”. Er hat persönlich einen großen Teil der Geschichte der Hospitalité erlebt

Pater Point unterstreicht, dass die Hospitalité Notre Dame de Lourdes in den Augen der Alten die jungen Leute favorisiert. Sie interessiert sich intensiv für sie, was sich auch an der Einrichtung des Foyers für die Jugend ablesen lässt

Einzelpilger, aber auch Nichtglaubende geben, die Lourdes besuchen werden. Mit dem Autor des Buchs über die ersten hundert Jahre der Hospitalité Notre Dame de Lourdes haben wir auch über diese Art von “Zauber“ gesprochen, der noch heute von der Assoziation ausgeht. Tatsächlich hat sich die Zahl der freiwilligen Helfer von Jahr zu Jahr vergrößert. Worin mag das Geheimnis der Hospitalité liegen? “Es handelt sich um eine Anziehungskraft, die wir schon seit der Entstehung der Assoziation beobachten. Einen Kranken zu begleiten heißt, Christus zu dienen. Daher ist die Zugehörigkeit zu unserer Assoziation eine Ehre, ein Privileg geworden...”“Das ist der Grund für die Attraktivität der Hospitalité für Christen und Nicht-Christen.” Was kann man über die Beziehung der Hospitalité zu den jungen Menschen sagen? “Das ist eine Beziehung, die sich stark verändert hat.” Tatsächlich können seit der Umsetzung der Charta die jungen Leute, die bis dahin nur “Krankenträger” (Brancardiers) waren, jetzt an einer Weiterbildung teilnehmen, die sie motiviert, sich stärker in der Assoziation zu engagieren. “Die Assoziation favorisiert in den Augen der Alten die Jungen. Sie interessiert sich intensiver für sie. Das kann man auch bei der Einrichtung des Foyers für die Jugend feststellen.” Die engere Bindung zwischen den Diözesanen Hospitalités und der Hospitalité Notre Dame de Lourdes lässt außerdem eine noch bessere Zusammenarbeit in der Zukunft erwarten. “Die Schranken fallen und man kann sich vorstellen, dass in den kommenden Jahren die jungen Leute sich viel leichter engagieren und besser aufgenommen fühlen werden.” Bevor wir uns bei Pater Point für das Interview und die Präsentation seiner Arbeit und der HNDL bedanken, wollen wir zusammen mit ihm noch einen letzten Aspekt betrachten. Beim Lesen des Buchs über die ersten hundert Jahre der Assoziation

fällt von der ersten bis zur letzten Seite die Treue aller Freiwilligen zu den 1885 festgelegten Eingebungen und Zielsetzungen auf. Nur selten findet man eine solche Konstanz, nicht nur innerhalb einer Assoziation, sondern auch allgemein in der Welt, die uns umgibt. “ Für die Hospitalité Notre Dame de Lourdes hätte Pater Sempé durchaus eine einfache Vereinsform wählen können. Stattdessen hat er beschlossen, daraus eine Bruderschaft zu machen, um ihr das Niveau und die Stabilität eines kirchlichen Werks zu geben. Er wollte, dass die Mitglieder der Assoziation sich tief greifender für ein wirklich christliches Leben einsetzen, indem sie sich hauptsächlich dem Dienst an den Kranken widmen, die zur Grotte von Lourdes kommen. “Die Hospitaliers werden sich niemals damit begnügen, nur im medizinischen Sinn zu pflegen. Sie werden sich immer und vorwiegend um das spirituelle Wohl der Seele kümmern.” (Artikel 1 der Statuten). Mit dieser Willensbekundung haben alle Generationen von Hospitaliers von 1885 bis heute ihr Engagement abgelegt und dadurch aus der Hospitalité eine stabile Gemeinschaft gemacht, die die Zeit überdauert und der es gelungen ist, auch die schwierigsten Augenblicke der Weltgeschichte zu überstehen.

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Die Entstehung der Hospitalité Notre Dame de Lourdes - mit viel

gutem Willen und Ausdauer

Die offizielle Gründung der Hospitalité Notre

Dame de Lourdes, wie wir sie heute kennen,

fand im Januar 1885 statt. Sie war das Ergebnis des

Engagements und der Arbeit einiger Freiwilliger.

Der Weg dorthin begann mit der ersten

Wallfahrt im Jahr 1864

Man könnte dieses Heft, das die lange Geschichte der Hospitalité Notre Dame de Lourdes zurückverfolgt, leicht mit dem klassischen Auftakt „Es war einmal…”

beginnen. Das klingt zwar eher nach einem Märchen, aber der Werdegang der Assoziation, die im Januar 2010 125 Jahre alt geworden ist, darf tatsächlich ungewöhnlich genannt werden.

Rufen wir uns kurz die politische und soziale Lage der Jahre 1850 bis 1885 ins Gedächtnis, um die Umstände zu begreifen, unter denen die Hospitalité gegründet wurde. Ein Schlüsseldatum ist zweifellos der 2. Dezember 1851, an dem Louis Napoleon Bonaparte durch einen Staatsstreich vom „einfachen“ Ersten Konsul zum Kaiser der Franzosen wurde. Ein Staatsstreich, den die Katholiken begrüßten, die Napoleon III. schon seit April 1850 unterstützt hatten, als es ihm nach dem Sieg über die Republikaner Garibaldi‘ s gelungen war, Papst Pius IX. in Rom wieder zu inthronisieren. Dieses gute Verhältnis zwischen Kaiser und Kirche hielt etwa zehn Jahre an bis Napoleon III. es sich im Jahr 1860 mit den Katholiken verscherzte. Er lehnte energisch die Wiedervereinigung des Kirchenstaates mit dem neuen Königreich Italien ab.

Zehn Jahre vergingen, bis die Preußen am 4. September 1870 bei der Schlacht von Sédan Napoleon gefangen nahmen und in Paris eine Menschenmenge in das Palais-Bourbon eindrang, dem Sitz der Legislative, die das Ende des Kaiserreichs erklärte und die Dritte Republik ausrief. Während Frankreich unter Napoleonischer Herrschaft stand, erklärte Pius IX. am 8. Dezember 1854 im Vatikan das Dogma der Unbefleckten Empfängnis als Ergebnis einer mehrere Jahrhunderte andauernden theologischen Überlegung. Vier Jahre später, genauer gesagt am 11. Februar 1858, erlebte in einem kleinen Dorf in den Pyrenäen ein äußerst einfaches und armes junges Mädchen das, was sich als erste Erscheinung der Jungfrau erweisen sollte. “Die Jungfrau hat mich erwählt, weil ich die Ärmste und Unwissendste bin”, sagte Bernadette später. Es folgte eine Reihe von Erscheinungen (insgesamt 18), die im Juli ein Ende nahmen.

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Monseigneur-Laurence-Platz und “Aufgang der Patres” zur Basilika

Die Hospitaliers und die Priester helfen den Pilgern und den Kranken einzusteigen

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Im Verlauf dieser Erscheinungen vertraute die Jungfrau Bernadette das an, was zur Botschaft von Lourdes werden sollte. Am 25. März, anlässlich der sechzehnten Erscheinung, stellte die Jungfrau sich Bernadette (im dortigen Dialekt) mit den Worten vor: “Ich bin die Unbefleckte Empfängnis” und bestätigte so das Dogma. In der Zwischenzeit hatte Monseigneur Bertrand-Sévère Laurence, Bischof von Tarbes, einige Vorbehalte gegenüber diesen Erscheinungen in Lourdes eingeräumt und erklärt, er wolle die Schlussfolgerungen des Untersuchungsausschusses abwarten, den er selbst eingerichtet hatte, bevor er diese Ereignisse bestätige. Erst am 18. Januar 1862 gab der Bischof einen Hirtenbrief heraus, in dem er die positiven Ergebnisse des Ausschusses bestätigte und erklärte, die Unbefleckte Mutter Gottes sei der Bernadette Soubirous in der Grotte von Massabielle tatsächlich erschienen.

Die Geschichte der Hospitalité NDL begann genau zwei Jahre später, am 4. April 1864, anlässlich der ersten offiziellen, an die Erscheinungen in Lourdes gebundenen Feier: der Segnung der Statue in der Grotte. Schon drei Monate später, im Juli, wurde die erste lokale Wallfahrt organisiert.Ab diesem Zeitpunkt nahm der Bekanntheitsgrad von Lourdes zu. 1866 wurde die Eisenbahnlinie Bordeaux-Tarbes bis zum Marienort verlängert, was die Anreise der Pilger aus der Region erleichterte. Sonderzüge mit bis zu 700 Pilgern begannen zwischen Bayonne und Lourdes zu fahren. Die Bewegung war ins Rollen gekommen und begann sich auszubreiten.1872 organisierte Abt Victor Chocarne, Pfarrer von Saint-Nicolas de Beaune, eine “großen Kundgebung des Glaubens und der Hoffnung in Frankreich”, das noch unter der schweren Niederlage von 1870 litt. Mit Hilfe der engagierten Christin Mme de Blic gelang es ihm, allefranzösischen Diözesen, die marianischen Heiligtümer und die Presse zu verständigen. Zwischen dem 5. und 8. Oktober 1872 kamen immerhin 25.000 Pilger aus allen Winkeln des Landes nach Lourdes. Das Heiligtum Unserer Lieben Frau von Lourdes wurde so zum größten Marien-Wallfahrtsort Frankreichs. Aus diesem Grund wurde das Jahr 1872 zum “Jahr des großen Aufschwungs” des Marienorts, der in zwölf Monaten den Zulauf von 119.000 Pilgern verzeichnete, die von den Ufern der Garonne, dem Tal der Loire und der Rhone, aus Paris und von den Küsten des Mittelmeers nach Lourdes kamen.Im Juli 1873 wiederholte Pater Picard, Leiter des Generalrats der Pilgerleiter und einer der Gründer der Assoziation Notre Dame de Salut, der im Vorjahr eine Nationale Pilgerfahrt nach La Salette organisiert hatte, die gleiche Erfahrung in Lourdes mit insgesamt 492 Pilgern. Am Ende des Jahres weisen die Register der Gesellschaft “Chemins de Fer du Midi” aus, dass im Laufe des Jahres 140.000 Pilger nach Lourdes gekommen waren, darunter auch Gläubige aus dem Ausland, speziell aus Spanien und Belgien.

Im Jahr 1866 wurde die Bahnlinie Bordeaux-Tarbes bis nach Lourdes verlängert, was für die Kranken und Pilger zahlreiche Vorteile bot

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Zwei Hauptereignisse kennzeichneten das Jahr 1874. Einerseits nahmen 14 kranke, mittellose Personen an der Nationalen Pilgerfahrt teil. Andererseits legte die in Tarbes von Marie Saint-Frai und dem Domherrn Dominique Ribes gegründete Kongregation “Töchter unsere Lieben Frau der Schmerzen”, deren Auftrag es war, alte Menschen zu versorgen, den Grundstein für die Krankenherberge Notre Dame des Douleurs., Diese Krankenherberge nahm sowohl verarmte alte Menschen aus der Region als auch mittellose Pilger auf. Die gleiche Kongregation eröffnete vorübergehend das Chalet Saint Joseph an der Villa Sainte Marguerite in der Avenue du Paradis am Ufer der Gave in Lourdes. Zur damaligen Zeit wurden die Kranken in der Regel von ihren Familien begleitet. Sie waren in Hotels untergebracht und mussten von ihren Angehörigen betreut werden. Schon damals konnten sie sich “an der Quelle waschen”, denn 1862 war neben der Grotte eine Kabine für das “Baden“ der Kranken errichtet worden.

Von 1875 bis 1879 nahm die Zahl der Pilger ständig zu, ebenso die Zahl der Kranken und Armen, die seit 1879 dank der Assoziation Notre Dame de Salut kostenlos transportiert wurden. All das genügte jedoch nicht, um die Kranken zu begleiten und zu betreuen.

Die Pilger warten auf die Ankunft des “Train blanc”

Zeugenbericht über die ersten Wallfahrten des Jahres

1879 aus den Jahrbüchern von Notre Dame de Lourdes

«Nach zwei Tagen mühseliger Reise gelangten wir schließlich nach Lourdes. Die Waggons der Kranken wurden voller Angst in Augenschein genommen. Das erste, bewegende Wunder: Niemand war auf der Reise gestorben! Einige hatten während der Fahrt die Letzte Ölung erhalten, aber es waren noch alle da, voller Zuversicht und Freude. Wenig später waren die Kranken bereits vor der Grotte oder in den Bädern und das große Beten hatte begonnen. Niemals wird die Welt behaupten können, je ein rührenderes Schauspiel

gesehen zu haben. Drei Tage und drei Nächte lang versammelten sich Hunderte, ja Tausende von Christen rings um die Grotte oder die Bäder, auf Knien, oft mit gekreuzten Armen, auf ein Signal hin die Erde küssend, den Rosenkranz und die Litaneien betend, ohne Unterbrechung Hymnen singend, im ständigen Gebet und unter Tränen, während ihre Brüder die Kranken transportierten und sie in das Wasser der Bäder eintauchten.Menschenmengen kamen aus der Ferne, um diesem außerordentlichen Schauspiel des Gebets zuzuschauen.

Die Gleichgültigsten wurden angerührt, knieten sich mit Tränen in den Augen nieder und begannen ihrerseits zu beten. Die Statue der Unbefleckten Jungfrau wurde unzählige Male voller Liebe berührt. Wer diesem Schauspiel beigewohnt hat, wird es nie wieder vergessen. Schon um 6 Uhr morgens begann sich der Platz vor der Grotte mit Rollstühlen und Krankenlagern zu füllen. In der Grotte wurde der feierliche Segen mit dem Allerheiligsten im Beisein der Kranken gespendet».

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Anfangs blieb alles der Improvisation, dem guten Willen und der Hingabe der Ordensleute, Studenten und Schwestern überlassen, die sich auch unter gesundheitlichen Aspekten um diese Menschen kümmerten, die sich nicht selbständig versorgen konnten. Nach und nach kamen neue Freiwillige begleitet von Neugierigen hinzu, um kräftig Hand anzulegen. Trotzdem erwiesen sich das „Personal“ und die für die Unterbringung bestimmten Gebäude für die ständig steigende Zahl von Pilgern immer noch als unzureichend. Oftmals mussten für den Transport der Kranken Behelfsmaßnahmen improvisiert werden. Häufig wurden die Krankentragen von Freiwilligen mit Hilfe von Bretellen vom Bahnhof bis zur Grotte und zur Unterkunft getragen. Wo dies möglich war, brachte man die Kranken auf kleinen Wagen unter, die von Hand geschoben oder von Pferden gezogen wurden. Der Mangel an Organisation machte sich auch vor der Grotte bemerkbar, wo zwar Krankentragen, Stühle und Matratzen für die Kranken bereit gestellt wurden, aber leider auf extrem provisorische und unpraktische Weise. In diesem Umfeld begannen mit viel gutem Willen und unter der Führung von Persönlichkeiten wie Graf Etienne de Beauchamp, Monsieur L’Espinois, Combette du Luc und Pater Vincent de Paul Bailly sich die Dinge um eine wachsende Zahl von Freiwilligen zu organisieren. So nahm das Konzept der Hospitalité langsam Form an. Ein erster Hospitalier-Ausschuss wurde in Toulouse unter dem Vorsitz von Combette du Luc geschaffen. Im August 1881, am Vorabend der Nationalen Wallfahrt, organisierte dieser Ausschuss seine erste Zusammenkunft. Seine Mitglieder verpflichteten sich, die Kranken in Lourdes während der gesamten Dauer der Nationalen Wallfahrt zu betreuen. Als die Kranken eintrafen, hatte bereits jeder Hospitalier seine Stellung bezogen. Marquis Laurens Castelet hatte drei Gruppen von

1848-1849 ITALIENErster italienischer Unabhängigkeitskrieg

1851 FRANkREIcHStaatsstreich von Louis Bonaparte (Napoleon III)

1859-1860 ITALIENZweiter italienischer Unabhängigkeitskrieg gegen Österreich

1860 ITALIENGaribaldi und die Expedition der “Tausend”

1861 ITALIENAusrufung des italienischen königreichs

1864 ENGLANDGründung der ersten Arbeiter- Internationale auf Initiative des Philosophen karl Marx

1866 EUROPAkrieg von Preußen und Italien gegen Österreich (dritter italienischer Unabhängigkeitskrieg)

Hof der Krankenherberge Notre Dame des Douleurs (Saint-Frai). Die Dienste der Hospitalité Notre Dame de Lourdes sind sehr wichtig für die Betreuung der Kranken in Lourdes

die Sorge für die Kranken

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Krankenträgern organisiert: eine an der Krankenherberge, eine an der Grotte und eine an den Bädern. Die Team-Chefs wurden vom Hospitalier-Ausschuss ausgewählt und hatten die Aufgabe, die jungen Freiwilligen anzuleiten. Schon im ersten Jahr wurden die wesentlichen Dienste organisiert: Der Transport vom Bahnhof zu den Unterkünften der Kranken, der tägliche Transport der Kranken zur Grotte und zu den Bädern, wobei ihnen eine Reihe von Krankenschwestern zur Verfügung stand, eine Art Sicherheitsdienst in der Grotte und in den Bädern, und schließlich der Bäderdienst durch Hospitaliers bei den Männern und durch Krankenschwestern bei den Frauen. Unter dem Vorsitz des Grafen Combette du Luc wurde die Organisation der Hospitalité de Lourdes perfektioniert. 1882 standen 300 Hospitaliers bereit, um die Pilger in Empfang zu nehmen. Letztere kamen nicht erst im August mit der Nationalen Wallfahrt, sondern auch während des ganzen Jahres. Daher mussten die Hospitaliers sich neu organisieren, um eine durchgehende Betreuung in Lourdes gewährleisten zu können. So wurde das “Ständige Komitee der Hospitalité Notre Dame de Lourdes” gegründet. Dennoch dauerte es bis 1885, bis die eigentliche Hospitalité Notre Dame de Lourdes entstand. Nach einer Anlaufphase von etwa zwei Jahren erhob Monseigneur Billère die Vereinigung Notre Dame de Lourdes am 25. Januar 1885 in der Krypta kanonisch in den Stand einer Bruderschaft und unterzeichnete am gleichen Tag in Tarbes deren Satzung. Die Hospitalité Notre Dame de Lourdes wurde damit offiziell von der Kirche anerkannt.

Gründung der Hospitalité

Notre Dame de Lourdes «Unter der Leitung der Pères de l’Immaculée Conception (Patres der Unbefleckten Empfängnis) bietet die Hospitalité Notre Dame de Lourdes den Kranken, die zur Grotte und zu den Bädern kommen, das ganze Jahr über die gleichen Dienste und die gleiche Pflege, die die Hospitalité Notre Dame de Salut den Kranken während der Nationalen Wallfahrt bietet. Der Bischof von Tarbes, mehr als jeder andere von der Tragweite und Schönheit dieses wohltätigen Werks berührt, hat ihr kanonisch den Rang einer Bruderschaft verliehen».

Auszug aus den Annales de Notre Dame de Lourdes vom September 1885

1870 EUROPAFranzösisch-preußischer krieg, Gefangennahme von Napoleon III., Ausrufung der Dritten Republik, Rom wird italienische Hauptstadt

1871 FRANkREIcHRevolutionäre Bewegung der Pariser “comune”. Ausrufung des deutschen Reiches

1873 EUROPADreikaiserbund zwischen Österreich-Ungarn, Deutschland und Russland

1878 DEUTScHLANDBerliner kongress, Aufteilung der Balkan-Halbinsel

1882 WORTDreiervölkerbunds zwischen Italien, Deutschland und Österreich

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Die Jahre vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs waren für die Hospitalité Notre Dame de Lourdes aus vielfältigen historischen und politischen Gründen eine

sehr unruhige Zeit. Dazu kam das nicht einfache Verhältnis, das sehr bald zur Hospitalité Notre Dame de Salut entstand, von der sich die Assoziation nach und nach distanzierte und schließlich verselbständigte. Diese Entwicklung mündete schließlich in der Bestätigung der wesentlichen Rolle dieser Vereinigung von Freiwilligen, der Hospitalité NDL, für den Empfang der Pilger in Lourdes, die jedes Jahr zu Tausenden in den Marienort kamen. Mehrere Schwierigkeiten bezüglich einer klaren und akzeptierten Definition, welche Rolle jede der beiden Hospitalités spielen sollte, kennzeichneten diese Phase des Übergangs. Diese Schwierigkeiten erwiesen sich dennoch als segensreich, weil sie den Glauben und die Berufung festigten, die alle Mitglieder der Hospitalité antreiben.

Im Jahre 1885 setzen die ersten Veränderungen ein. Im Unterschied zur Vergangenheit wurde das Empfangskomitee, das sich mit der Betreuung der in dem Marienort eintreffenden Pilger und Kranken befasste, erstmals von der Hospitalité Notre Dame de Lourdes gestellt. Die Mitglieder und Verantwortlichen der Hospitalité NDL, auch der Präsident selbst, waren ausnahmslos Mitglieder der Hospitalité Notre Dame de Salut. Die Meinungsverschiedenheiten konnten auf organisatorischer Ebene dank der außerordentlichen Leistungen der Hospitaliers überwunden werden. Ihr tadelloses Auftreten und viele andere Qualitäten wurden in einem aus dem gleichen Jahr stammenden Bericht des Vicomte de Pouy, dem Sekretär der Hospitalité, besonders hervorgehoben: Neben Opferbereitschaft, Hingabe, Korrektheit und Aufmerksamkeit im Dienst bewiesen sie Klugheit, richtiges Augenmaß und Gehorsam in Bezug auf getroffene Anordnungen. Ihre Leistungen umfassten verschiedene Bereiche und Örtlichkeiten, von der Grotte bis zu den Bädern, mit besonderer Beachtung des den Frauen vorbehaltenen Bereichs, der von einer «bestimmten und strengen Leiterin überwacht wurde, die weiß, wie man Außenstehende fern hält». Trotz der von den Hospitaliers geleisteten, ausgezeichneten Arbeit mangelte es nicht an Problemen politischer Natur. Beispielsweise beschuldigte Pater Burosse in einem an Pater Sempé gerichteten Bericht vom 12. Oktober de Combettes, die Hospitalité Notre Dame de Salut manipulieren zu wollen und dadurch deren Einheit aufs Spiel zu setzen. Er verlangte die strenge Anwendung der Satzung der Assoziation «ohne Kompromisse, wie es der Gemeinschaft, den Freunden, den Pilgern und Notre Dame geschuldet ist».

Von den ersten Präsidenten bis zum Ersten Weltkrieg

Die HospitalitéNotre Dame

de Lourdes wurde zu einer wichtigen

Anlaufstelle für Tausende von Pilgern

und erhielt die wertvolle Anerkennung

des Vatikans

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Eine zweispännige

Kutsche vor dem Büro

der Hospitalité

Die “Popote” der Hospitaliers wurde 1895 von der Hospitalité für die Krankenträger geschaffen, die wegen ihres Dienstes für die Kranken und Pilger keine Zeit fanden, zum Essen in die Stadt zu gehen

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Diese Worte sollten eine Warnung sein in einem sehr wichtigen Moment in der Geschichte der Hospitalité, die mehr denn je Unabhängigkeit und Handlungsfreiheit brauchte. Die Anbindung an die Hospitalité Notre Dame de Salut musste gelöst werden, wie Pater Burosse anlässlich der Versammlung am 5. Oktober 1885 sagte: «Ab dem 8. Oktober 1885 wird sich unsere Organisation ausschließlich auf ihre eigenen Kräfte stützen. Ab der Nationalen Wallfahrt wird sie alle Funktionen der Hospitalité wahrnehmen, die bisher von der Hospitalité Notre Dame de Salut ausgeübt wurden. Ich bin mir der Schwierigkeiten bewusst, die mich erwarten, jedoch zähle ich auf Ihr Erbarmen, Ihre Nächstenliebe und den Schutz Gottes. Ihn bitte ich um das Licht, die Kraft, die Weisheit und die Festigkeit, die erforderlich sind, um das Werk Unserer Lieben Frau von Lourdes zu einem guten Ende zu führen». Dabei betonte er seine besondere Dankbarkeit gegenüber der Hospitalité Notre Dame de Salut, der sich alle immer tief verbunden fühlen würden.Die von Pater Burosse in seiner Rede vorausgesehenen Schwierigkeiten ließen wegen der bestehenden Gewohnheiten und Privilegien nicht auf sich warten. Es ist auch von einer Protestveranstaltung die Rede, über die jedoch keine näheren Angaben gemacht werden. Trotzdem herrschte ein optimistisches Klima. Dazu schrieb der Vicomte de Pouy: «Das erste Führungsgremium der Assoziation hat nun also seinen Dienst beendet. Aber die Menschen, aus denen es besteht, bleiben und behalten ihre Rolle bei. Sie zeigen sich jederzeit bereit, dem Ruf des himmlischen Vaters zu folgen.» Eine schwierige Situation also, in der sich de Combettes recht bald befand, zwei Ämter, die inzwischen nicht mehr miteinander vereinbar waren. Trotz seiner anfänglichen Zweifel hinsichtlich der Schaffung einer Parallel-Vereinigung zur Hospitalité Notre Dame de Salut, akzeptierte er schließlich aus Respekt für Pater Sempé und die “Missionare” die Vorschriften und bereitete sich darauf vor, auch die Hospitalité NDL zu leiten. Seine schwierige Aufgabe sollte jedoch ein vorzeitiges Ende finden: De Combettes starb unerwartet am 8. März 1886 im Alter von 45 Jahren. Die neue Hospitalité begrüßte Vicomte de Pouy als zweiten Präsidenten der Assoziation, eine zuverlässige Persönlichkeit aus einer alten Adelsfamilie der Gascogne, die in der Vergangenheit in den Reihen der Zuaven im Gefolge von Papst Pius IX. gedient und darüber hinaus die Offizierstressen und verschiedene militärische Auszeichnungen erhalten hatte. So stellte er sich selbst einfach und leicht ironisch vor: “Typ alter Bürokrat bis auf die Knochen, der nur an seinem geliebten Schreibtisch arbeiten kann, manisch, brummig, aber sehr genau in seiner Arbeit.” Es blieb jetzt nur noch, eine Lösung für die Hospitalité Notre Dame de Salut zu finden. Sollte ein einziger Präsident für beide Hospitalités berufen werden oder sollte die vollständige Trennung favorisiert werden, indem zwei unterschiedliche Präsidenten benannt wurden? Marquise de Laurence Castelet machte sich in einem Brief an Père Sampé zum Sprecher der ersten Lösung. Dennoch entschied man sich für die zweite und berief Fernand de Carrière an die Spitze der Hospitalité Notre Dame de Salut. Das Jahr 1886 war

ein schwieriges Jahr. Die Assoziation musste erstmals auf eigenen Füßen stehen und die Betreuung von 700 Kranken organisieren, die anlässlich der Nationalen Wallfahrt nach Lourdes kamen. Die Situation konnte dank der Erfahrung des neuen Präsidenten brillant bewältigt werden: Am Ende des Jahres zählte die Vereinigung 84 Hospitaliers und immerhin 50 neue Beitrittsanträge. Dazu kamen noch zwei äußerst wichtige Ereignisse: Die Gründung der Hospitalité des Dames, d.h. des weiblichen Zweigs der Assoziation, und die erste Sakramentsprozession, etwas, das für viele Pilger zu einem unverzichtbaren Ereignis werden sollte. Im Verlauf des Jahres 1887 wuchs die Hospitalité NDL weiter an. Sie zählte bei den männlichen Hospitaliers 129 Titulairs und 38 Auxiliaires, bei den weiblichen 84 Titulairs und 52 Auxiliaires. Aus Anlass des Priesterjubiläums Papst Leo XIII. wurden mehrere Wallfahrten nach Rom organisiert. An der im April 1888 konnte auch Vicomte de Pouy teilnehmen. Als Leiter der Gruppe der Hospitalité NDL wurde er im Rahmen der Audienz dem Papst am 19. April vorgestellt. Als dieser seine päpstlichen Auszeichnungen sah, die von seiner tiefen Bindung an die Kirche zeugten, segnete er ihn mit besonderer Herzlichkeit. Vicomte de Pouy überlebte dieses Ereignis nur kurz. Er verstarb plötzlich am 25. August 1888, nur wenige Schritte von der Grotte entfernt, im Alter von 54 Jahren.Zwischen 1888 und 1891 ist es Baron Dunot de Saint Maclou, der an der Spitze der Hospitalité NDL stand. Der Arzt und passionierte Philosoph gründete das medizinische Feststellungsbüro, um minutiös die verschiedenen Heilungsfälle zu untersuchen. In der Zwischenzeit verlor die Hospitalité Notre Dame de Salut ihren Präsidenten de Carrière, auf den Graf de l`Epinois folgte.

Pater Burosse, Leiter der HospitalitéNotre Dame de Lourdes von 1885 bis 1914

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1889 war ein ausschlaggebendes Jahr für die Assoziation und die Stadt Lourdes, denn am 6., 7. und 8. August wurde die Fertigstellung der Rosenkranzbasilika gefeiert. Dieses große Fest bot auch Gelegenheit zur Wiederaufnahme der Sakramentsprozessionen und der Krankensegnungen. Doch die Freude wich recht bald mit dem Tod von Pater Rémi Sempé, dem Generaloberen der “Missionare” am 1. September 1889.1892 verstarb Baron Dunot de Saint Maclou und Baron de Malet wurde zum Präsidenten der HNDL ernannt. Er war Mitglied der HNDL als Titulaire seit dem 25. August 1885 und war mehrere Jahre Ratsmitglied. Er fühlte sich seinem Dienst vor der Grotte so verbunden, dass Kardinal Lécot, Erzbischof seiner Heimatstadt Bordeaux, ihn als «Hüter der Grotte» bezeichnete. Die Bilanz seiner Präsidentschaft ist reich an Initiativen und Neuerungen für die Hospitalité. 1895 gründete er eine “Offiziersmesse” für die Krankenträger, die durch ihren Dienst nicht immer die Zeit hatten, zum Essen in die Stadt zu gehen. Später nannte man sie “Popote”. Am 27. April 1897 kamen belgische Pilger mit ihren Kranken im Ambulanzwagen in Lourdes an. Vom 17. bis 21. April 1899 fand die erste Nationale “Männer-Wallfahrt” Frankreichs mit 40.000 Teilnehmern statt, weitere Wallfahrten dieser Art schlossen sich in Zweijahresintervallen an. Die wichtigste war die im April 1901 mit 60.000 Pilgern. Vom 7. bis 11. August 1899 fand der zwölfte Internationale Eucharistische Kongress unter Leitung von Kardinal Langénieux, Erzbischof von Reims, statt.

1900, angesichts der enormen zahlenmäßigen Zunahme der Kranken und Pilger (980 bei der Nationalen Wallfahrt und 3.678 bei anderen Wallfahrten) bei gleichzeitigem konstanten Zuwachs an Mitgliedern der Hospitalité beschloss Monseigneur Schöpfer, der neue Bischof von Tarbes, das neue Amt des Vizepräsidenten einzuführen und berief Emile Christophe auf diesen Posten. Große Beachtung fand darüber hinaus die Arbeit der weiblichen Hospitalité. In den Jahrbüchern wird dafür besonders gedankt und wörtlich heißt es hier: “Sie geben sich nicht damit zufrieden, sich um die Kranken zu kümmern, sie wollen ihre Zeit und ihre Arbeit auch für den Unterhalt unseres Heiligtums einsetzen”. Die Einweihung der Rosenkranzbasilika und der 15 Seitenaltäre durch Kardinal Langénieux fand am 5., 6. und 7. Oktober 1901 statt. 1904 wurde das fünfzigjährige Jubiläum der Verkündigung des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis gefeiert. Dieses Jubiläum schaffte eine stärkere Bindung zwischen Lourdes und Rom. Im Oktober organisierten die Hospitaliers ihre erste Wallfahrt nach Rom und der Bischof von Tarbes nahm im Dezember am Marianischen Kongress in Rom teil.Am 10. April 1903 starb in Rom Pater Picard, der Generalobere der Augustiner und Förderer der Nationalen Wallfahrten nach Lourdes und Jerusalem. Im gleichen Jahr verließen die “Missionare der Unbefleckten Empfängnis” Lourdes infolge eines Gesetzes gegen religiöse Kongregationen - eine äußerst schmerzliche Situation. Diese Maßnahme traf besonders Pater Burosse, den Leiter der

1887 WELTWEITNobel erfindet das Dynamit

1888 FRANkREIcH Einweihung des Eiffelturms

1889 WELTWEITErstmals wird der Tag der Arbeit gefeiert

1892 ITALIEN In Italien beginnt die Ära Giolitti

1895 ITALIENGuglielmo Marconi erfindet und patentiert das Radio

1896 WELTWEITDe Coubertin führt die Olympischen Spiele wieder ein, die von da an alle vier Jahre stattfinden

1896 ITALIENDas Blutbad von Adua in Äthiopien markiert die Niederlage des Afrika- Feldzuges

1901 ENGLANDkönigin Viktoria stirbt

1904 FRANkREIcHEintritt in den Dreierbund mit England und Russland

1909 ITALIENEntstehung des Futurismus mit dem programmatischen Manifest von Filippo Tommaso Marinetti

1912 WELTWEITUntergang der Titanic

WANN WAS

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Hospitalité, der im Jahr 1903 vom Bischof zum Domherren ernannt und als Vikar nach Auriébat, 54 km von Lourdes entfernt, entsandt worden war. Erst 1915 konnte er nach Lourdes zurückkehren. Seine Berufung zum Seelsorger für das Waisenhaus der Schwestern von Nevers erleichterte ihm seine Aufgabe als Rektor der Hospitalité, die er bis zu seinem Tod 1914 beibehalten sollte. Wegen der Verschlechterung seines Gesundheitszustands trat Baron von Malet im Jahr 1905 zurück und wurde zum Ehrenpräsidenten ernannt, ein Amt, das er bis zu seinem Tod im darauf folgenden Jahr bekleidete. Seine 13jährige Amtszeit war eine der längsten und bedeutendsten in der Geschichte der Assoziation. Um die Dimension dieser rasanten Entwicklung zu begreifen, muss man nur die Zahlen betrachten: Die Zahl der Wallfahrtszüge stieg von 179 auf 318. Sein Vizepräsident Emile Christophe, der übrigens auch belgischer Vizekonsul und Vizebürgermeister von Lourdes war, folgte ihm im Amt. Seine Präsidentschaft reichte bis ins Jahr 1922. Sie sollte eine der schwierigsten und kompliziertesten in der Geschichte der Hospitalité werden. Im Verlauf des Jahres 1906 empfing die Hospitalité ca. 6000 Kranke in 240 Pilgerzügen. Am 27. Oktober 1906 wurde aufgrund des Gesetzes der Trennung von Kirche und Staat der Bereich der Grotte beschlagnahmt. Monseigneur Schoepfer bat die Herren Christoph und de Beauchamp mit der Regierung zu verhandeln, um die Gebäude des Heiligen Bezirks pachten zu können. Parlamentspräsident Clemenceau war damit einverstanden. Schließlich wurden in einem Erlass, veröffentlicht im Amtsblatt vom 9. April 1910, die Besitztümer der Wallfahrtsstätte Notre Dame de Lourdes der Stadt und dem Wohltätigkeitsausschuss von Lourdes zugeteilt. Im August 1907 ernannte Monseigneur Schoepfer mit Blick auf die Vorbereitungen zur Fünfzigjahrfeier der Erscheinungen Graf Etienne de Beauchamp zum Vizepräsidenten der HNDL. Die Annalen listen im Januar 1908 die Gnaden auf, die Papst Pius X. aus Anlass der Jubiläumsfeiern gewährte und berichten, dass Kardinal Lécot, Erzbischof von Bordeaux, die Eröffnungsfeierlichkeiten am 11. Februar leiten würde. Das Jubiläumsjahr begann mit einer Wallfahrt nach Rom, zu der Monseigneur Schoepfer 135 Personen aus Lourdes und aus seiner Diözese mitnahm, darunter eine Gruppe von Hospitaliers und Hospitalières.1910 feierte die HNDL in Rom ihre “Silberhochzeit”. Im März veröffentlichte Pater Burosse in den Annalen einen Artikel, der von den Anfängen und der Entwicklung der Hospitalité berichtet und der ihre Organisation und ihren Geist erklärt. Am 6. April wurde die Hospitalité bei einer Romwallfahrt unter der Leitung von Monseigneur Schoepfer von Papst Pius X. empfangen. In seiner Präsentation erklärte der Bischof, dass die Vereinigung in 25 Jahren Tätigkeit in Lourdes über 80.000 Kranke empfangen hatte, und zwar dank des Einsatzes von 631 Hospitaliers.Unsere Reise durch die ersten Lebensjahre der Hospitalité endet bei der großen Jubiläumsfeier am 8. September 1910. Sie krönte der Segen des Papstes, den er den Freiwilligen, den Kranken und ihren Familien spendete. Zu diesem Ereignis versammelten sich mehr als

Blick auf die Bäder im Jahr 1891.Die links der Grotte befindlichen

Bäder gehören zu den wichtigsten Orten in Lourdes

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420 Hospitaliers zu Füßen der Marienstatue und zogen in einer Prozession zur Basilika. Die Jubiläumsfeiern führten zur Gründung der “Spirituellen Bruderschaft der Hospitaliers von NDL”, die es sich zur Aufgabe machte, durch ein gemeinsames tägliches Gebet die Mitglieder der HNDL zu vereinen und in einer monatlichen Zeremonie für die verstorbenen Brüder und Schwestern zu beten. Um sich den stets neuen Herausforderungen stellen zu können, war das Heiligtum von Lourdes ständig in Bewegung. Der Bau eines neuen “Abri des Pèlerins” 1913 gehörte ebenso zu den beschlossenen Bauprojekten wie der Umzug des Hospitalitébüros unter die dritte Arkade im Aufgang neben der Rosenkranzbasilika. Unser Bericht endet 1914, am Vorabend des Ersten Weltkrieges. Die Auswirkungen dieses Krieges sollten bis ins Herz der Hospitalité mit neuen Schwierigkeiten und Konflikten spürbar werden. Es wurde eine äußerst heikle Periode, in der die HNDL die Kraft finden sollte, ihre Arbeit mit immer neuen Energien fortzusetzen.

Kranke und Brancardiers der Hospitalité Notre Dame

de Lourdes im Hof der Krankenherberge Saint-Frai Ende des 19. Jahrhunderts

unter der Leitung von Baron Dunot de Saint-Maclou

Krankenschwestern der Nationalwallfahrt vor dem “weißen

Zug” am Bahnhof von Lourdes. Die Nationalwallfahrt war ein

großes Ereignis, an dem 1899 über 40.000 Wallfahrer teilnahmen

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Die Weltkriege mit ihren zerstörerischen Folgen

verschonen auchdie Hospitalité Notre

Dame de Lourdes nicht. Bei allen schmerzhaften

Verlusten und zu bewältigenden

Notsituationen geht die Hoffnung nicht verloren

Das Ende der “Belle Epoque” eröffnete neue und bedeutende politische und soziale Szenarien, während die Welt sich darauf vorbereitete, vom Grauen zweier

blutiger Konflikte von unerhörtem Ausmaß überrollt zu werden. Ein Klima der Veränderung setzte ein, in dem Lourdes eine wichtige Rolle zukam als Refugium nicht nur für Pilger, sondern auch für Flüchtlinge und Verletzte. Die Botschaft der Jungfrau an Bernadette erscheint in einem neuen Licht wie ein Gebet für den Frieden und ein Schrei der Hoffnung, der die ganze Welt erreicht, außerhalb jeder geopolitischen Strategie, die der Krieg mit sich bringt. In dieser turbulenten Phase gelingt es der HNDL ihre Mission fortzusetzen, indem sie sich völlig den historischen Gegebenheiten anpasst.

Das Jahr 1914 begann für die HNDL mit einem unerwarteten Todesfall. Am Sonntag, den 25. Januar, verstarb plötzlich Pater Norbert Burosse in Maubourguet, während er gerade seinen mit dem Tode ringenden Freund Monseigneur Gardey besuchte, Pfarrer von Saint Clotilde und Generalvikar von Paris. Pater Burosse hatte den Werdegang der Hospitalité unter den verschiedenen Präsidenten seit ihrer Entstehung begleitet und mit regelmäßigen Ratschlägen und Entscheidungen dazu beigetragen, den Geist des Hospitaliers aufrecht zu erhalten.Monseigneur Schöpfer ernannte Pater Balette, den Seelsorger des Heiligtums und seit 1909 Redakteur der Jahrbücher (Annales) zum Direktor der Hospitalité NDL. Am 11. Februar 1914 erfolgte während einer Zeremonie in der Grotte von Massabielle die Konsekration von Pater Balette. Er empfing aus der Hand seines Bischofs die Medaille der Hospitalité, die das tiefe Engagement im Dienst an den Pilgern zum Ausdruck bringt. Nach dem Gesang des Magnifikat zelebrierte er die Heilige Messe, umgeben von etwa fünfzehn Hospitaliers und einer großen Zahl von freiwilligen Helferinnen. Pater Balette, der Pater Burosse sehr gut gekannt hatte, da beide zu den Missionaren der Unbefleckten Empfängnis gehörten, beschrieb dessen Aktivitäten innerhalb der Hospitalité folgendermaßen: “Durch seine Weisheit, seine Diskretion, sein Taktgefühl und seine ausgesprochene Höflichkeit, mehr aber noch durch seine tiefe Demut, die ihn sich selbst zurücknehmen ließ, und durch seine außerordentliche Güte verstand er es, die

Ein schwieriger Weg

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Empfindlichkeiten zu berücksichtigen, Zusammenstöße zu vermeiden, Konflikte zu bereinigen und für Eintracht und Harmonie zu sorgen. Was ihn am meisten von allen anderen Mitgliedern der HNDL unterschied und ihm die Leitung ermöglichte, war dieser Geist der großzügigen Kameradschaft. Er kannte alle und hatte für jeden ein liebenswürdiges und zu Herze gehendes Wort.” Vom 22. bis 26. Juli 1914 fand zum zweiten Mal in 15 Jahren der Internationale Eucharistische Kongress unter dem Vorsitz von Kardinal Granito Pignatelli di Belmonte, Legat des Papstes, in Lourdes statt. Die HNDL war in seine Organisation wesentlich einbezogen wie der Mitgliederliste des “Lokalkomitees des Eucharistischen Kongresses“ zu entnehmen ist. Auf der Liste finden sich Emile Christophe, Vizepräsident der HNDL, Graf Beauchamp, Generalsekretär und Pater Balette, Redakteur der Jahrbücher und Rektor der HNDL, de Boysson, Präsident der Hospitalité Notre Dame de Salut und fünf weitere Hospitaliers, unter anderem auch Generalsekretär Emile Boulet. Der Ordnungsdienst wurde der Hospitalité NDL unter der Leitung der Herren Christophe, Beauchamp und Armand Mérillon anvertraut. Die Hospitalité erwartete ein schwieriges Unterfangen, besonders wegen der großen Zahl an Gläubigen. Die abschließende Prozession führte durch die Straßen des Marienorts, begleitet von einer Menschenmenge, die 100.000 Personen zählte. Der letzte Segen wurde den Gläubigen von einem erhöhten Altar vor dem Portal der Rosenkranzbasilika erteilt. Trotz der Schwierigkeiten verlief alles ohne Zwischenfall. Als Anerkennung für die großen Bemühungen von Beauchamp um die Vorbereitung und Durchführung des Kongresses verlieh Papst Pius X. ihm den Titel eines Kommandanten des Gregoriusordens.

Darüber hinaus erhielt das Werk der Hospitaliers weitere Anerkennung. So verglich Kardinal Andrieu, Erzbischof von Bordeaux, sie mit dem Orden der militärischen Hospitaliers, die die Gläubigen im Heiligen Land betreuen. Seine Worte enthielten auch einen herzlichen Wunsch: “Unter dem Schutz der Jungfrau lernen sie zu beten, erlernen die Grundsätze der Hingabe und des Gehorsams. Möge die Eucharistie Nahrung ihrer Nächstenliebe sein!”. Der Eucharistische Kongress endete unter dem Eindruck des kurz vor Ausbruch stehenden Krieges. Die Friedensappelle, die bei diesem Treffen formuliert wurden, fanden bei den für Europa und die Weltpolitik Verantwortlichen, die dabei waren, einen gnadenlosen Kampf unter den Staaten der Dreierallianz und der Entente vom Zaun zu brechen, leider kein Gehör. Die Feindlichkeiten begannen am 4. August. Der Erste Weltkrieg sparte keine Region aus. Die Nähe zu den Pyrenäen machte Lourdes zu einer möglichen Zielscheibe. Im September 1914 begann eine für die Hospitalité sehr schmerzliche Phase. Viele der Assoziation nahe stehenden Personen fielen auf dem Schlachtfeld. Das erste Opfer war Hauptmann Jean de Montesquieu, Schwager des Grafen Beauchamp.

Das Asile Notre Dame während des Kriegs 1914-1918 (Hilfskrankenhaus Nr. 32)

Pater Balette, Leiter der Hospitalité Notre Dame de Lourdes von 1914 bis 1943

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Die Liste der gefallenen männlichen als auch weiblichen Hospitaliers wurde immer länger. Madame Paule Goumy de Morvan, Vicomte von Roussy, Julien Davignon, Madame Gamblon, der Abt Espinos, Dr. Gustave Boissarie, Emmanuel Bailly, Emmanuel de Barbarin …

Man kann sich leicht vorstellen, wie komplex die Situation des Marienorts war. Die Reisen von Pilgern und Kranken reduzierten sich selbstverständlich deutlich, während damit die Arbeit der Hospitaliers und der Freiwilligen nicht aufhörte. Es musste ein Notstand bewältigt werden, und zwar mit knappen Mitteln. Man musste die bei Kriegsausbruch noch in Lourdes befindlichen Gläubigen betreuen und insbesondere einen Hilfsdienst für Verletzte einrichten. In erster Linie stellte Monseigneur Schöpfer den Hilfskräften einige der tragenden Strukturen zur Verfügung, wie das Asile Notre Dame und das Abri des Pèlerins, die zusammen zeitweilig das Krankenhaus Nr. 32 bildeten mit fast fünfhundert Betten. Rund tausend weitere Betten wurden von den verschiedenen Krankenhäusern und Ordenshäusern von Lourdes bereitgestellt, insbesondere vom Saint-Frai.

Die Pflege der Kranken und Verwundeten wurden von Ordensschwestern und freiwilligen Krankenschwestern gewährleistet, von denen die meisten in Lourdes selbst rekrutiert wurden. Das provisorische Krankenhaus Nr. 32 schloss seine Pforten am 12. Februar 1919, nachdem es über 8.000 Verletzte aufgenommen und gepflegt hatte. Die finanzielle Verwaltung wurde während der Kriegszeit Christophe übertragen, der

von den Herren de Beauchamp und Boulet unterstützt wurde. Während des Ersten Weltkriegs wurde Lourdes zu einer wichtigen Anlaufstelle für Flüchtlinge aus dem Nordosten Frankreichs und aus Belgien. Dazu wurde auch eine eigene Institution geschaffen, das “Foyer du Soldat Belge”, dessen Zweck es war, nach entsprechender Genehmigung die Soldaten jener Gegend aufzunehmen, die wegen des Kriegs und der Invasion ihres Landes nicht die Möglichkeit hatten, zu ihren Familien zurückzukehren. In den Jahren des Ersten Weltkriegs kamen die Wallfahrten mangels Transportmitteln zum Stillstand. Nur vereinzelte Gruppen von Pilgern aus der Region kamen nach Lourdes. Dennoch gelang es den Patres der Assomption, die Nationale Wallfahrt zu organisieren, wenn auch ohne Kranke und ohne die Hospitalité NDL. Erst 1919 kamen von Neuem Kranke nach Lourdes, darunter etwa fünfzig verletzte Soldaten, die im Asile Notre Dame aufgenommen wurden. Von diesem Moment an nahm die Hospitalité nach und nach ihren Dienst unter der Leitung von Christophe und de Beauchamp wieder auf.

Am 20. August 1919 versammelte sich die Hospitalité zum ersten Mal wieder seit Ausbruch des Krieges. Monseigneur Schöpfer ließ es sich nicht nehmen, acht neue Mitglieder persönlich zu empfangen. Der Bischof nutzte die Gelegenheit, um den Hospitaliers für ihre Hingabe in den Hospitälern von Lourdes und ihrem Mut gegenüber dem Feind zu danken. Er ermutigte sie, wieder mit dem Empfang der Kranken zu beginnen. Anfang Oktober gelang es dem Dominikanerpater Luquet, etwa hundert

«Die Wiederherstellung Frankreichs erfordert ein Sich-Bewusstwerden des ganzen Volkes, eine moralische Verpflichtung sich anzustrengen, ein Zurückfinden zur Kultur der Tugend und der Arbeit, eine Rückkehr zu einem nicht von außen aufgezwungenen, sondern mit einer von Herzen akzeptierten und gewollten Autorität».

Lourdes, Hauptstadt des Friedens Am 23. August 1942 richtet Bischof

Choquet von Lourdes seinen Aufruf

an die im Krieg befindliche Welt

1935, Abschluss des Erlösungs-Jubiläums durch Kardinal Pacelli, Staatssekretär und päpstlicher Legat. Ankunft in Lourdes und Fahnenappell

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Kranke im Rahmen der Rosenkranz- Wallfahrt von Toulouse mitzunehmen. Der Erste Weltkrieg war zu Ende, nachdem er Tod und Zerstörung über ganz Europa gebracht hatte. Die Patres der Assomption beschlossen, eine neue Glaubensbewegung zu organisieren, eine «Gnaden-Wallfahrt für alle Militärs zu Land und zu Wasser», die in Lourdes vom 11. bis 13. November 1919 über 20.000 Pilger zusammenführte. Die meisten waren aus dem Krieg zurückkehrende Soldaten, die “kamen, um der Jungfrau dafür zu danken, dass sie sie zu ihren Familien zurückgeführt und Frankreich den Sieg geschenkt hatte”. Bei dieser Gelegenheit wurde auch der Grundstein zum “Denkmal der nationalen Dankbarkeit“ auf der linken Seite der Esplanade gegenüber dem Asile Notre Dame gelegt und gesegnet. In den Jahren 1920 und besonders 1921 zeichnete sich langsam, aber deutlich eine Wiederaufnahme der Wallfahrten ab. Viele Soldaten hatten das Gelübde abgelegt, nach Lourdes zu pilgern, wenn sie wieder gesund und wohlbehalten aus dem Krieg zurückkehren würden. Die meisten Diözesen organisierten sog. Dankwallfahrten. Die Verbesserungen des Transportwesens erlaubten es der Nationalen Wallfahrt im Jahr 1920 über 400 Kranke und im Folgejahr 600 Kranken mitzunehmen. Diese Kranken wurden von den Hospitaliers, die ihren Dienst wieder aufgenommen hatten, in Empfang genommen. Zur gleichen Zeit öffnete auch das Bureau Médical wieder seine Tore. Dr. Le Bec folgte Dr. Boissarie als Präsident des Feststellungsbüros (Bureau des Constatations) und Dr. Marchand wurde zum Vizepräsidenten berufen. Beide kannten die Probleme der Heilungen in Lourdes aus eigener Anschauung, da sie über mehrere Jahre mit Dr. Boissarie zusammengearbeitet hatten.

1920 verließ Christophe Lourdes und ließ sich in Paris nieder, um aus nächster Nähe die Erziehung seiner vier Kinder zu begleiten. Für die großen Wallfahrten stellte er sich aber in den Dienst der Hospitalité. Eine schwere Erkrankung zwang ihn schließlich nieder. Er starb am 9. Februar 1922, nachdem er den größten Teil seines Lebens in den Dienst Unserer Lieben Frau

WANN WAS1915 WELTWEITVersenkung des Überseedampfers Lusitania durch deutsche U-Boote

1917 RUSSLANDBeginn der russischen Revolution unter der Führung Lenins

1918 VEREINIGTE STAATENBeginn des Prohibitionismus, Verbot der Herstellung und des Verkaufs von alkoholischen Getränken

1919 ITALIENNach dem Ende des Ersten Weltkriegs spricht man von “beschnittenem Sieg“. Gabriele D’Annunzio führt den Staatsstreich von Fiume an

1921 ITALIENMussolini eröffnet das zwanzigjährige Zeitalter des Faschismus

1921 FRANkREIcHAuf dem Eiffelturm in Paris wird der erste Sender Europas für regelmäßige tägliche Radiosendungen installiert

1926 WELTWEITFleming entdeckt das Penizillin, das erste Antibiotikum

1927 FRANkREIcHDen Piloten costes und Le Brix gelingt der erste französische Transatlantikflug von Paris nach Buenos Aires

1929 VEREINIGTE STAATENBeginn der Großen Depression

1930 WELTWEITDer Astronom Tornbaugh entdeckt den Planeten Pluto

1933 DEUTScHLANDMachtergreifung Hitlers

1938 WELTWEITAusbruch des Zweiten Weltkriegs

In der Knutsche der Kardinal mit dem Präfekten

Vié, neben der Kutsche Monseigneur Gerlier

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von Lourdes und der Kranken gestellt hatte. Die Hospitalité der Frauen war ebenfalls vom Verlust zweier Mitglieder betroffen, die zu den ersten Engagierten der Confrérie im Jahr 1886 gehört hatten: Baronin de Malete, Vizepräsidentin der HNDL seit 1903, und der Vicomtesse de Pouy, erste Präsidentin der Hospitalité der Frauen. Während der Präsidentschaft von Christophe blieben die Damen der Piscine unter Führung von Mme de Verbier. Ihre Aktivitäten waren während des 1. Weltkriegs beträchtlich zurückgegangen.

Ab 1922 begann für die Hospitalité unter dem Vorsitz des Grafen Etienne de Beauchamp eine neue Ära. Ein langer Weg, der sich bis 1957 fortsetzen sollte und eine der längsten Präsidentschaften in der Geschichte der Hospitalité NDL darstellen sollte. Am 13. Februar, nur wenige Tage nach dem Tod von Christophe, ernannte Monseigneur Schöpfer den neuen Präsidenten der Hospitalité NDL, Graf Etienne de Beauchamp. Er kam seit 1881 als Brancadier nach Lourdes, wurde am 24. September 1885 Mitglied der Hospitalité NDL und im August 1907 Vizepräsident. Nachdem er einen Großteil seiner Familie verloren hatte, beschloss er, ständig in Lourdes zu bleiben und all seine Energie dem Dienst in der Hospitalité zu widmen.

An der Seite von Etienne de Beauchamp stand als Vizepräsident Armand Mérillon, der aus einer angesehenen Familie aus Ossun stammte und seit Jahren in der Hospitalité NDL tätig war, nachdem er am 23. August 1886 sein Engagement abgelegt hatte. Die Zusammenarbeit dauerte allerdings nicht lange, da er am 5. Dezember 1923 vorzeitig verschied. An seiner Stelle wurde Georges Boutry ernannt, der seit 1905 Hospitalier und Ratsmitglied war.

Im Dezember 1926 wurde die Hospitalité NDL von einem unangenehmen Ereignis getroffen: Die Verurteilung der Action Française durch Papst Pius XI., die mittels einer Verfügung der Kardinäle und Erzbischöfe Frankreichs am 7. März 1928 bekannt gegeben wurde. Sie verfügte, dass all diejenigen, die dieser Verfügung nicht Folge leisten, “aus allen mildtätigen Vereinigungen und katholischen Hilfswerken ausgeschlossen werden”. Es handelte sich um eine äußerst schwierige Entscheidung für viele Familien und auch für die Hospitalité NDL. Der Rat der Hospitalité bewies Ergebenheit gegenüber dem Papst und gab mutig die folgende Note heraus, die das Datum des 14. Mai 1928 trägt und vom Präsidenten unterzeichnet ist: “Der Rat der Hospitalité Notre Dame de Lourdes bittet im Gehorsam gegenüber dem Papst und dessen Vorschriften im Hinblick auf die Action Française die Hospitaliers, Helfer und Freiwilligen, die sich dieser Meinung nicht anschließen, nicht mehr bei unserer Assoziation Dienst zu tun”. Am 24. August des darauf folgenden Jahres verschied Monseigneur Schöpfer, nachdem

er 27 Jahre lang die Diözese geleitet und auf besondere Weise zur Verbreitung der Marienverehrung in Lourdes beigetragen hatte. In sein Amt wurde sofort sein Koadjutor, Monseigneur Alexandre Poirier berufen. Seine Amtszeit war leider von kurzer Dauer, da er im Jahr 1928 verstarb. Sie war jedoch wichtig für die Entwicklung der Hospitalité NDL. Auf seine Bitte hin erhob Papst Pius XI. am 20. März 1928 die Hospitalité NDL in den Rang einer Erzbruderschaft, was ihr die Möglichkeit gab, Filialen einzurichten, die sich eng an das Werk der HNDL von Lourdes gebunden fühlten. Diese “Filialen der Hospitalité” betrafen im Wesentlichen zahlreiche Diözesen in Frankreich, aber auch in Belgien, Spanien, Italien, England und in der Schweiz. Außerdem wurde es möglich, die Krankenschwestern der Krankenherberge Saint-Frai und des Asile Notre Dame einzugliedern. In Wirklichkeit war dieser Integrationsprozess wesentlich langwieriger und komplizierter als vorgesehen und konnte erst mit der Charta vom 8. September 1978 zu Ende geführt werden.

Am 14. Mai 1929 wurde Monseigneur Pierre Marie Gerlier zum Nachfolger des verstorbenen Monseigneur Poirier ernannt. Während seiner achtjährigen Amtszeit als Bischof nutzte er alle Gelegenheiten, um große Zeremonien im Heiligtum, die sehr viele Gläubigen anzogen, zu organisieren. Die Hospitalité war automatisch einbezogen. Das erste dieser Ereignisse war der Marianische Kongress vom 24. bis 27. Juli 1930 zum Thema der Unbefleckten Empfängnis, an dem über 40.000 Personen teilnahmen. Er stand unter der Leitung von Kardinal Verdier, Erzbischof von Paris und päpstlicher Legat. De Beauchamp wurde zum Vizepräsidenten des Lokalkomitees ernannt und mit der Organisation beauftragt. Das Jahr 1933 war gekennzeichnet durch den 75. Jahrestag der Erscheinungen. Am 8. Dezember erfüllte sich endlich die Erwartung von vielen Gläubigen, Bernadette wurde anlässlich des Festes der Unbefleckten Empfängnis im Beisein von de Beauchamp und einigen Mitgliedern der Hospitalité im Petersdom in Rom heilig gesprochen. Im folgenden

Der Legat während seiner Ansprache

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Jahr fanden die Feierlichkeiten am 14., 15. und 16. Juli 1934 statt. Sie wurden gekrönt von einer wundervollen, vierstimmig gesungenen Messe zur Ehren der neuen Heiligen. Im gleichen Jahr endeten die Feiern zum Jubiläum. Bei diesem Anlass wurde Kardinal Pacelli zum päpstlichen Legaten ernannt. Die Anwesenheit des Staatssekretärs des Papstes zusammen mit fünf Kardinälen, zwölf Erzbischöfen, 50 Bischöfen, 3.000 Priestern und Ordensleuten sowie 250.000 Pilgern, einer bis dahin nicht gekannte Menschenmenge, verlieh diesen Feiern eine ganz besondere Bedeutung. 1935 feierte die Hospitalité NDL ihr fünfzigjähriges Bestehen. Dieses Goldjubiläum wurde am 25. August mit einer Heiligen Messe in der Grotte gefeiert. Zelebrant war Monseigneur Gerlier. Anschließend lud Kardinal Liénard zu einem Essen ein, an dem 250 Hospitaliers teilnahmen.

In diesem Jahr kam eine große Anzahl von Helfern zum Dienst nach Lourdes: 835 Titulaires, 450 Auxiliaires und 5.570 freiwillige Helfer (Brancadiers). Im August 1937 wurde Monseigneur Gerlier zum Erzbischof von Lyon ernannt. Einen Monat später zog sich Mme de Werbier nach 50 Jahren Dienst und 34 Jahren Vorsitz des weiblichen Zweigs zurück. An ihrer Stelle wurde Baronin Jeanne Berthemy ernannt, die bereits Ratsmitglied war. Im Oktober verursachte eine Überschwemmung der Gave schwere Schäden an der Grotte, in den Büroräumen der Hospitalité und der Bäder und in der Krankenherberge Notre Dame. Inventar wurde zerstört und ein Teil der Archive in den Bädern ging verloren. Zu diesen praktischen Problemen kam 1939 der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hinzu. Für Lourdes zeichnete sich eine weitere Phase größter Schwierigkeiten ab. Die Wallfahrten mussten dieser Notsituation Tribut zollen. In der Zwischenzeit wurde Kardinal Pacelli als Pius XII. zum Papst gewählt. Wie schon im Ersten Weltkrieg wurden die Pilgerunterkünfte in Feldlazarette zur Pflege der Verletzten, speziell französischer, deutscher und marokkanischer Soldaten umgewandelt. Die Wallfahrten nach Lourdes stockten bis 1945. Dennoch blieb die Hospitalité in

dieser Zeit nicht untätig, besonders dank des Wirkens von de Beauchamp. Er sorgte sich in erster Linie um die Aufrechterhaltung der Moral unter den Mitgliedern der Assoziation. Monatlich schickte er all denjenigen, die sie empfangen konnten, tröstende und ermutigende Botschaften. Darüber hinaus organisierte er einen Ausschuss für die Aufnahme von Flüchtlingen aus Belgien und aus dem Nordosten Frankreichs, und kümmerte sich um die Nahrungsmittel, Kleidung und die Zuteilung von Geld. Mit Hilfe des Roten Kreuzes kümmerte er sich auch um die Kinder.In diesen schweren Jahren wurde Lourdes zum weltweiten Gebetszentrum für den Frieden, wo sich der neue Bischof, Monseigneur Choquet, dafür einsetzte, aus der Stadt den “Heiligen Berg unseres Landes zu machen, wo Gott sich offenbart und uns seine kostbare Botschaft zeigt”. Unsere Reise in die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen geht hier zu Ende, eine Epoche immer wieder unvorhersehbarer, manchmal schmerzlicher Erfahrungen, die stets gemeistert wurden. Für die Hospitalité NDL bedeutende Persönlichkeiten traten von der Bühne ab: Emile Boulet 1939, Da Costa 1941, Mme de Werbier und Pater Balette. Mit diesen wenigen Worten würdigte de Beauchamp letzteren: “Er war sehr gut, besaß ein scharfes Urteilsvermögen und hat in mannigfacher Weise zur Entwicklung der Diözesanen Hospitalités beigetragen, die ich mit ihm gegründet habe.”

In all diesen Jahren hat die Hospitalité unzählige Schwierigkeiten gemeistert. Sie hat es geschafft, ein halbes Jahrhundert zu bewältigen, ohne auseinander zu brechen, indem sie ihre Aufgabe den Veränderungen der Welt angepasst hat und der durch Maria an Bernadette übermittelten Botschaft treu geblieben ist. Eine menschliche und spirituelle Erfahrung voller Hoffnung

Kardinal Pacelli auf dem Bischofsthron

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Die Nachkriegszeit war für die Hospitalité

eine Zeit starken Wiederaufschwungs.

Die Zahl der Kranken stieg, man arbeitete an

der Verbesserung der Unterkünfte und bereitete

sich auf das Jubiläum der Erscheinungen vor.

Die Assoziation und ihre Mitglieder nahmen wieder richtig Fahrt auf

Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war vor allem wegen der Weltkriege eine besonders harte Zeit für die Assoziation. Erst im Jahre 1946 konnte die

Hospitalité NDL wieder ihre normalen Aufgaben übernehmen. Ihr Präsident, Graf Etienne de Beauchamp, ließ das gesamte Material reparieren und wieder in Betrieb nehmen, das für die Betreuung der Kranken notwendig war. Ende des Jahres startete er mit einem Schreiben einen Aufruf an alle Hospitaliers, wobei er unterstrich, dass im Jahr 1946 nicht weniger als eine Million Pilger nach Lourdes gekommen waren und für 1947 noch mehr Pilger erwartet werden würden. Er beendete sein Schreiben mit diesen Worten: «Wir dürfen nicht vergessen, dass wir die bevorzugten Diener Unserer Lieben Frau von Lourdes sind, und dass uns dies verpflichtet, in unserem privaten wie im öffentlichen Leben ein Vorbild abzugeben».

Im Februar 1947 wurde Monseigneur Pierre-Marie Théas Bischof von Tarbes und Lourdes und machte sofort durch die mutige, im November des gleichen Jahres getroffene Entscheidung auf sich aufmerksam, die Verantwortlichkeit für die Wallfahrtsstätte von Lourdes weiterhin auf sich zu nehmen und den Priestern der Diözese die finanzielle Verwaltung und die Organisation der Wallfahrten anzuvertrauen. Gleichzeitig rief Monseigneur Théas die Missionare der Unbefleckten Empfängnis nach Lourdes zurück, die den Wallfahrtsort 1903 hatten verlassen müssen, und übertrug ihnen die geistliche und priesterliche Verantwortung für die Wallfahrten. 1947 gab es auch zwei Jubiläen, die die Hospitalité betrafen: Am 27. September feierte de Beauchamp 60 Jahre Dienst als Hospitalier von Notre Dame de Lourdes und 25 als Präsident. Am 26. Dezember feierte die Oberin von Saint-Frai, Mutter Saint Etienne, ihren 90. Geburtstag und 40 Jahre Tätigkeit als Oberin, d.h. ein ganzes Leben im Dienst der Kranken und der Hospitalité.

Zwischen Wiederaufschwung und Hundertjahrfeier der Erscheinungen

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Sakramentsprozession mit dem Zelebranten unter dem Baldachin

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1948 war in Bezug auf die Wallfahrten ein normales Jahr, wichtig war es aber wegen der Neuerungen. So wurde in diesem Jahr der Flughafen von Ossun eingeweiht, der die Anreise der Pilger und Kranken mit dem Flugzeug ermöglichte. Es entstand ein regelmäßiger Verkehr zwischen Lourdes und Brüssel-Amsterdam. Dann ließ die Handelskammer von Tarbes als für den Flughafen verantwortliche Stelle große Verbesserungsarbeiten an den Pisten vornehmen, so dass auch größere Flugzeuge landen konnten. Die Hospitalité nahm sich sofort dieses neuen Dienstes an. Ein wichtiger Tag war auch der 8. Juli, an dem erstmals eine Etappe der Tour de France an der Grotte von Massabielle startete. Am 24. August traf dann in Lourdes die erste organisierte Pilgergruppe aus Amerika ein: 550 Personen, die von Boston aus über den Atlantik kamen.

Zur Vorbereitung der Hundertjahrfeier der Erscheinungen plante Monseigneur Théas, die Bäder zu verlagern, damit ihre Anzahl erhöht und der Zugang zur Grotte erleichtert werden konnte. Es mussten daher Arbeiten ausgeführt werden, die bisher noch niemand in Angriff genommen hatte. So kam es, dass bei den Aushubarbeiten zwei Meter unter dem Boden der Grotte die Quelle zum Vorschein kam, d.h. der Punkt, wo das Wasser entspringt, das dann durch die Felsen in die Becken gelangt. Es wurde eine Wanne gebaut, um das Wasser zu sammeln und dieses so genannte “Lourdeswasser” weiterzuleiten. Dank einer Glasplatte, die die Quelle schützt, können die Pilger beim Durchgang durch die Grotte das Wasser fließen sehen, das die Heilige Bernadette im Jahr 1858 entdeckt hatte. Die

Restaurierungsarbeiten an der Grotte und den Bädern wurden zum Ende des Jahres fertig gestellt, doch die Einweihung fand erst am 3. Februar 1949 statt.

Die fünfziger Jahre begannen für die Hospitalité mit der Einweihung des Abri Saint Michel, eines Gebäudes mit 100 Betten und 140 Schlafstellen, das vorwiegend für die jungen Leute der Hospitalité mit geringen finanziellen Möglichkeiten gedacht war. Der 1. November 1950 war ein großer Tag zu Ehren der Jungfrau Maria. Papst Pius XII. erließ auf dem Petersplatz in Rom das Dogma von der Aufnahme Mariens in den Himmel. Am 21. November 1951 wurde Graf de Beauchamp zum Ritter der Ehrenlegion ernannt mit dem Titel eines “Generalpräsidenten der Hospitalité de Lourdes”. Die Begründung für diese Ernennung waren “66 Jahre Zivil- und Militärdienst”, denn das Engagement des Grafen als Mitglied der Bruderschaft ging auf das Jahr 1885 zurück, dem Datum der Gründung der Hospitalité Notre Dame de Lourdes. Die Feier fand am 6. Mai 1952 statt. General Lafon, in Uniform, steckte dem Präsidenten das Kreuz der Ehrenlegion an die Brust, wo bereits die silberne Medaille der Hospitalité und das Große Kreuz des Gregoriusordens funkelten.

1952 wurden die beiden Brücken über die Gave gebaut. Die so genannte “Prärie” vor der Grotte konnte dadurch von den Pilgern und den Kranken für verschiedene Aktivitäten und Feiern genutzt werden. Einige Jahre später wurden dort die Krankenherberge Sainte Bernadette und eine der Seherin von Massabielle gewidmete Kirche errichtet, sowie im Jahr 1977

1945 DEUTScHLANDBefreiung des konzentrationslagers Auschwitz, Hitlers Selbstmord, kapitulation Deutschlands

1945 ITALIENHinrichtung Mussolinis

1945 FRANkREIcHDe Gaulle wird Regierungschef

1945 ASIENAtombomben auf Hiroshima und Nagasaki

1946 FRANkREIcHDebatten und Abstimmungen, die zur Schaffung der IV. Republik führen

1947 USAEntstehung der cia

1948 WORTUno wendet die weltweite Erklärung der Menschenrechte an

1953 UDSSRTod Stalins, Ende der stalinistischen Gewaltherrschaft

1957 EUROPARömische Verträge: Die Sechs organisieren die EWG und Euratom, die Zollorganisation für den Gemeinsamen Markt

WANN WAS

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die neue Krankenherberge Notre Dame. Am 9. September überreichte Graf de Beauchamp das Kreuz der Ehrenlegion Mutter Marie-Antoinette Gueydier, Oberin des Asile Notre Dame, die dort über 40 Jahre ihren Dienst versah.

Das Jahr 1954 war ein “Marianisches Jahr”, denn es brachte den hundertsten Jahrestag der Verkündigung des Dogmas der Unbefleckten Empfängnis. Papst Pius XII. kündigte dies am 8. September 1953 mit einer Enzyklika an, die das besondere Band unterstrich, das zwischen Rom, wo das Dogma bekannt gegeben wurde, und Lourdes besteht, wo Maria es mit ihren Erscheinungen bestätigt hat. Seit dem 8. Dezember 1953, dem Fest der Unbefleckten Empfängnis und dem Beginn des Marianischen Jahres, wird dieser Tag zu Ehren Mariens in Lourdes ganz besonders gefeiert. Das Fest vom 11. Februar 1954 fand im Beisein von Kardinal Saliège, dem Erzbischof von Toulouse statt. An der abendlichen Lichterprozession von der Pfarrkirche zur Wallfahrtsstätte nahmen auch der Bürgermeister Antoine Béguère und verschiedene Stadträte teil. Am 25. März zelebrierte Kardinal Feltin, der Erzbischof von Paris, eine von den Benediktinermönchen von Tournay gesungene Messe. Anlässlich der Wallfahrt macht der Katholische Frauenbund dem Ort eine Glocke zum Geschenk, die die Inschrift trägt: “Für alle Frauen Frankreichs.” Das Marianische Jahr endete mit dem Fest der Unbefleckten Empfängnis, das unter dem Vorsitz des Kardinals Léger gefeiert wurde, dem Erzbischof von Montrèal und päpstlichen Legaten.

Das Jahr 1955 war das 70. Jahr seit Gründung der Hospitalité, das am 28. Januar gefeiert wurde. Man feierte jedoch auch die “Weihe” der ersten sieben Hospitaliers “an Jesus durch Maria” am 19. August und die dem Grafen de Beauchamp verliehene Silbermedaille

Die neuen Bäder

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am 24. September. Die Zeit verging wie im Flug auch für den historischen Präsidenten der Hospitalité, der auf seinen hundertsten Geburtstag zuging. Alle in seiner Umgebung hofften, ihn 1958 gleichzeitig mit dem Jahrestag der Erscheinungen feiern zu können. Leider starb Graf Etienne de Beauchamp nach kurzer Krankheit am 21. August 1957. Es war ein schwieriger und besonders schmerzlicher Moment für die große Familie der Hospitaliers und alle Freunde. De Beauchamp hatte die Bewunderung, Wertschätzung und Zuneigung all derer errungen, die sich im Verlauf der Jahre nach Lourdes begeben hatten. Seine Exequien fanden in der Rosenkranzbasilika statt. Monseigneur Théas hielt die Messe und war umgeben von fünf Erzbischöfen und Bischöfen, zahlreichen Vertretern der Diözese, der Wallfahrtsstätte von Lourdes und verschiedenen Hospitalités, vom Präfekt en der Hautes Pyrénées, dem Bürgermeister von Lourdes und einer Delegation des Stadtrats. Am Ende der Messe lobte Monseigneur Théas den Verstorbenen: “Der erste Ritter Unserer Lieben Frau von Lourdes, der Prinz der Krankenträger, die repräsentativste Figur und der Wohltäter unserer Wallfahrtsstätte, der bevorzugte Zeuge einer langen Vergangenheit von Lourdes, Präsident der Hospitalité Notre Dame de Lourdes, Träger des großen Kreuzes des Gregoriusordens, Ritter der Ehrenlegion, Ritter des Leopold-Ordens, Offizier der Belgischen Krone”.

Während der 35 Jahre seines Vorsitzes war de Beauchamp der unermüdliche Motor der Assoziation. Er war derart stark an sie gebunden, dass er sich mit ihr identifizierte. Als Zeuge und Garant der Tradition sprach er oft und gern von demjenigen, der die Hospitalité gegründet hatte, Pater Sempé. Als edler Diener Unserer Lieben Frau verteidigte

er die Domäne und trug stolz die Fahne auch während der schwierigen Jahre der Kriege. Während des zweiten Weltkriegs beherbergte er Flüchtlinge und Soldaten auf Heimaturlaub.

Am Ende der während der Begräbnisfeier des Grafen Beauchamp gehaltenen Ansprache verkündete Monseigneur Théas den Namen des Nachfolgers: es handelte sich um Goslen de la Poëze, 1892 geboren, Heimkehrer aus dem Krieg 1914-1918, auszeichnet mit dem Kriegskreuz und dem Kreuz der Ehrenlegion. Sein erstes Engagement in der Hospitalité ging auf das Jahr 1927 zurück, seine Weihe auf das Jahr 1929. Das Amt, das ihm übertragen wurde, war nicht einfach. Es ging darum, die Zügel

der Assoziation mitten in der Wallfahrts-Saison und am Vortag des hundertsten Jahrestags der Erscheinungen in die Hand zu nehmen. Für Monseigneur Théas sollte das Jahr 1958, die Hundertjahrfeier der Erscheinungen, ein “marianisches Pfingsten und ein überreiches Ausgießen des Heiligen Geistes” darstellen, aber auch dank der Pilgerzahlen und der lebendigen Feierlichkeiten einen der Höhepunkte in der Geschichte des Wallfahrtsorts Lourdes. Papst Pius XII. maß diesem Jubiläum großen Wert bei, nicht nur für die Pilger, die sich nach Lourdes begeben sollten, sondern für die gesamte katholische Kirche. Er nutzte daher die Gelegenheit, die Gläubigen zur inneren Bekehrung aufzurufen, dem größten Gnadengeschenk einer Wallfahrt.

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6. Mai 1952 - Verleihung des Ordens der Ehrenlegion an Graf de Beauchamp. An seiner Seite General Lafon

Orden der Ehrenlegion für den Grafen de Beauchamp. Ansprache

von Monseigneur Théas: rechts von ihm, Monseigneur Ricaud,

Domherr von Larribère; links Kardinal Liénard, Monseigneur

Méricq, Pater Saint Martin, Pater Godefroid, Seelsorger

der Rosenkranz-Wallfahrt

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Während des ganzen Jahres bewies Pius XII. seine Bindung an die Pilger von Lourdes mit sechs Briefen und verschiedenen Mitteilungen im Radio. Wie sich leicht vorstellen lässt, hatten die Vorbereitungen für die Hundertjahrfeier schon viel früher begonnen. Schon seit drei Jahren arbeitete man in Lourdes an der Realisierung der Umbauten in der Grotte, die wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt und für eine größere Zahl von Personen zugänglich gemacht wurde. Auch die Arbeiten an der späteren Basilika Pius X. wurden aufgenommen, ebenso wie die Errichtung eines Pfadfinderlagers und der Cité Secours. Das Hauptquartier der Pfadfinder von Frankreich interessierte sich sehr für Lourdes und nach und nach gelang es einem der Kommissare, die Truppe mit den weißen Halstüchern dem Stamm der Hospitaliers von Notre Dame zuzuführen. Die Cité Saint Pierre, die so genannte Siedlung für Mittellose, ist ein Zentrum zur Aufnahme von Personen, die eine Wallfahrt nach Lourdes unternehmen wollen, aber nicht die Mittel besitzen, um in den Hotels der Stadt absteigen zu können. Die Cité steht jedermann offen, unabhängig von Nationalität, Alter, Herkunft, Beruf und religiöser Überzeugung. Man schätzt, dass hier jedes Jahr ca. 10.000 Pilger aus 20 Ländern Unterkunft finden.

Das Jubiläumsjahr wurde mit einem vorbereitenden Triduum eröffnet. Der 11. Februar war ein denkwürdiger Tag dank der von Kardinal Gerlier zelebrierten Feier, an der Pius XII. mit einer Ansprache im Radio teilnahm. Darauf folgte eine Reihe großer Feiern, u.a. am 25. März, dem Fest der Verkündigung, und am 16. Juli, dem Jahrestag der letzten Erscheinung. Des Weiteren das Fest Maria Himmelfahrt, der Mariologische Kongress vom 10. bis 13. September, gefolgt von einem Marianischen Kongress vom 13. bis 17. und schließlich das Fest der Unbefleckten Empfängnis am 8. Dezember. Zum Jahresende versuchte man zu schätzen, wie viele Personen anlässlich des Jubiläums nach Lourdes gekommen waren und kam zu dem Schluss, dass es über fünf Millionen Pilger gewesen sein mussten. Nach dem Jahr der Hundertjahrfeier nahm der Wallfahrtsort seinen normalen Rhythmus wieder auf. De la Poëze wies im Jahr 1960 mit

einem Rundschreiben darauf hin. In diesem Brief brachte er nicht nur seine Glückwünsche an die Mitglieder der Hospitalité zum Ausdruck, sondern unterstrich auch die Tatsache, dass im Jahr 1959 eine große Zahl von Pilgern verzeichnet worden war, die zwar geringer war als im Jubiläumsjahr, aber höher als die Gesamtzahl der Pilger des Jahres 1957. Das bedeutete, dass immer mehr Leute nach Lourdes kamen und daher die Mittel der Hospitalité zur Aufnahme der Pilger, aber auch die Zahl der Hospitaliers und der Krankenträger gesteigert werden mussten, um so weit wie möglich die Aufenthaltskosten zu reduzieren, die besonders für junge Leute ein ernsthaftes Problem darstellten.

So beschloss der Präsident, das von seinem Vorgänger errichtete Abri Saint Michel zu erweitern, um etwa hundert Personen mehr aufnehmen zu können. Bei diesen Ausbauarbeiten wurde das Abri mit vier Schlafsälen mit 225 Betten und einem Refektorium ausgestattet, das bis zu 300 Personen fasste.

Sakramentsprozession. Gesang des “Parce Domine” mit überkreuzten Armen

Eine Gruppe von Hospitaliers um de Beauchamp und de la Poëze. Links von beiden de Montecler, rechts Georges Boutry und Janson (Rat von 1957)

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Die Assoziation ändert ihr Gesicht. Es sind

intensive Jahre, während derer sich Präsidenten abwechseln und neue

Organisationsstrukturen geschaffen werden.

Zwei Worte definieren und vereinen diese

Vorgänge: Erneuerung und Versöhnung

Nach der Hundertjahrfeier der Erscheinungen bereitet sich auch

die Hospitalité darauf vor, ihr hundertjähriges Bestehen zu begehen

Die sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts begannen für die Hospitalité (am 12. August 1961) mit der Geschichte machenden Einweihung und Segnung

der neuen Räume des Abri Saint Michel. Dies war das erste einer langen Reihe von Ereignissen, die im Verlauf von etwa zehn Jahren zu einer tief greifenden Veränderung und Modernisierung der Räumlichkeiten, der Organisation und der Funktionen der Assoziation führten. Das Jahr 1962 war geprägt durch den hundertsten Jahrestag des Pastoralbriefs, mit dem Monseigneur Laurence im fernen Jahr 1862 feierlich die Echtheit der Erscheinungen von Lourdes bestätigt hatte. Am 3. Juni 1963 starb Papst Johannes XXIII. Ihm folgte Kardinal Montini, Erzbischof von Mailand und großer Verehrer der Jungfrau von Lourdes, der mehrmals die Wallfahrt in den Marienort unternommen hatte und den Namen Paul VI. annahm. In Lourdes erinnert man sich auch an den 23. August und die erste anglikanische Wallfahrt unter der Leitung von Monseigneur Westall, der etwa sechzig Gläubige und zehn Priester um sich gesammelt hatte. In diesen Jahren stieg mit der Zunahme der Wallfahrten der Luftverkehr rasant an. In einem einzigen Jahr landeten 98.111 Passagiere. Aus diesem Grund wurde die Piste auf 2.400 Meter verlängert und weitere Vergrößerungs- und Modernisierungsarbeiten am gesamten Flughafen geplant. Die Handelskammer von Tarbes kündigte Ende 1964 den Bau eines Terminals für Kranke an, wo 30 Betten installiert werden sollten und ein spezieller Empfangs- und Transportdienst mit spezialisierten Teams von Krankenträgern und Krankenpflegern eingerichtet werden sollte.

Ebenfalls im Jahr 1964 veröffentlichte das “Journal de la Grotte“ das Ergebnis einer Umfrage unter einer großen Zahl der an den Wallfahrten beteiligten Kranken mit dem Titel: “Verständnis und Respekt für die Kranken”. Daraus gingen einige Überlegungen hervor, die an die Priester und die Hospitaliers gerichtet waren: die Taktlosigkeit mancher Predigten, die das körperliche Leiden sakralisieren, übermäßig lange Dauer der Feiern und Gebete,

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der trockene Befehlston der Krankenträger, die sich der Tatsache nicht bewusst zu sein scheinen, dass sie es mit schmerzgeplagten Kranken zu tun haben, der Wunsch nach mehr Gemeinsamkeit zwischen Kranken und Gesunden, die an der gleichen Wallfahrt teilnehmen und das Verhalten derjenigen, die die Kranken umgeben und diesen oftmals durch ihre Taktlosigkeit noch mehr Schmerz zufügen.

Liebe Brüder und Schwestern der Hospitalité Notre Dame de Lourdes, Sie feiern das hundertjährige Bestehen Ihrer Bruderschaft, indem Sie zum Grab des Heiligen Petrus in Rom kommen. Dies ist ein Zeichen kirchlicher Gemeinschaft, das ich mit Freuden hervorhebe, während ich Sie heute hier empfange, mit Ihrem Präsidenten und Monseigneur Donze, dem Bischof von Tarbes und Lourdes, dem ich für seine Worte danke (…). Die Anwesenheit von Kranken hat um die Wallfahrtsstätten und bei den Wallfahrten eine starke Bewegung von Brüderlichkeit und Hilfe hervorgerufen, um sie zu begleiten. Vielen von denjenigen, die sich in ihren Dienst gestellt haben, ist diese Aufgabe ans Herz gewachsen, so dass sie ihren Dienst Jahr für Jahr weiter leisten. Sie haben viele Aspekte der Begleitung von Wallfahrten auf sich genommen, sowohl unter geistigen als auch unter praktischen Gesichtspunkten. So entstand Ihre Bruderschaft in Lourdes, die sich rasch an die zahllosen mit den Wallfahrten verbundenen Bruderschaften angeschlossen hat, die regelmäßig in allen europäischen Ländern und in anderen Teilen der Welt organisiert werden. Wenn ich daran denke, was die Hospitalité von Lourdes bedeutet, so bin ich beeindruckt von dem evangelischen Geist dessen, was sie tut. Anscheinend ist sie auf vielfältige Art dem Wort der Mutter Gottes gefolgt: “Tut, was er euch sagt”. Den Kranken dienen heißt, das zu tun, was der Herr von uns erwartet. Und wenn wir das anlässlich einer Wallfahrt getan haben und als Gute Samariter dem Beispiel unseres Herrn gefolgt sind, dann spüren wir, dass dies nicht das isolierte Erlebnis eines einzelnen Tages sein kann. Die Hospitaliers kommen jedes Jahr wieder. Und jedes Jahr verlängern sie ihre Tätigkeit im Rahmen ihrer ursprünglichen

Gemeinschaft (…). In Lourdes wie auch anderswo weiß der Hospitalier sehr wohl, dass die brüderliche Betreuung derjenigen, die so viel Leid ertragen müssen, zugleich auch eine geistige Hilfe ist, eine Erfahrung kirchlicher Gemeinschaft (…). Ich möchte ganz einfach den Umfang Ihres Reichtums unterstreichen. Wenn die Mitglieder der Hospitalité ihr Versprechen ablegen, bitten sie, geführt vom Heiligen Geist und in der Inbrunst des Glaubens die Unbefleckte Jungfrau um die Gnade, mit ihr gemeinsam “zum Trost derjenigen, die leiden, zur Versöhnung der Menschen, zur Einheit der Kirche und zum Frieden der Welt zu wirken (…). Gemeinsam mit Ihnen möchte ich Dank sagen für all das, was im Verlauf des hundertjährigen Bestehens Ihrer Bruderschaft, die vielerorts erstrahlt, getan wurde. Ich möchte zusammen mit Ihnen die Mutter unseres Herrn bitten, Ihnen dabei zu helfen, Ihre Tätigkeit noch intensiver fortzusetzen, und besonders darum, dass sie vielen Jugendlichen helfen möge, den evangelischen Aufruf zur Nächstenliebe in allen ihren Dimensionen zu vernehmen (…). Mögen Sie die Ärmsten, die am schwersten Leidenden unter uns empfangen und besuchen, sie rücksichtsvoll begleiten und ihnen somit helfen, die rettende Gnade des Erlösers zu empfangen, so dass sie, durch die Hilfe ihrer Brüder getröstet, im Glauben erleuchtet werden durch die Kraft der Hoffnung und der Liebe. Diese Erfahrung führt Sie dazu, immer mehr an den vielfältigen seelsorgerischen Bemühungen der Kirche auch in anderen Bereichen teilzunehmen (…). Aus tiefem Herzen bitte ich Gott, Sie und alle Mitglieder der Hospitalité von Lourdes zu segnen, ebenso wie all diejenigen, denen Sie im Namen des Herrn dienen.”

Grußwort von Johannes Paul II. zum hundertsten Jahrestag

der Hospitalité bei der Audienz am 18. März 1985

Von rechts nach links: Monseigneur Henri Donze, Tronchet und Pater Joseph Bordes, Rektor der Wallfahrtsstätte

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Deshalb betrafen die Erneuerungen der Hospitalité nicht mehr nur die Struktur und die Organisation, sondern auch das Verhalten. In diesem Sinne hat die Assoziation in diesen Jahren intern die Arbeit fortgesetzt und implementiert. Im Jahr 1965 wurden über dem “Salle Bernadette” 75 Zimmer für die Hospitaliers gebaut, um die Räume zu ersetzen, die sich vorher über dem Abri des Pèlerins befunden hatten und nun als Konferenzräume benutzt und von den Leitern der Wallfahrten immer häufiger angefordert wurden. Es wurden auch zwei Brücken über die Gave gebaut, um die “Prärie” vor der Grotte zweckmäßiger und besser nutzbar zu machen. Am 25. März 1966, dem Tag der Einweihung der beiden Brücken, wurden die Wallfahrtstätten endlich größer und besser zugänglich. Gerade rechtzeitig, kann man sagen, um die Menschenmenge zu fassen, die Lourdes vom 10. bis 12. September 1966 überschwemmte. Die Wallfahrt der ehemaligen Deportierten und Gefangenen führte ca. 100.000 Personen aus aller Welt nach Lourdes. Das Jahr 1966 schloss mit einer wichtigen Wallfahrt nach Rom ab, wo der Präsident, der Vizepräsident, die Ratsmitglieder und verschiedene Hospitaliers

vom Abri Notre Dame von Papst Paul VI. im „Kleinen Thronsaal“ zusammen mit einigen Mitgliedern der UNITALSI zur Audienz empfangen wurden. Der Heilige Vater widmete ihnen eine besondere Botschaft und dankte vor der Segnung den Hospitaliers mit folgenden Worten: “Diese wohltätige Institution, die im Laufe der Jahre geradezu mit ihrer Herzlichkeit und Großzügigkeit gewuchert hat, hat den Tausenden von Kranken, die sie getroffen hat, unheimlich geholfen.”

Schon seit 1965 waren die Hospitaliers, aber auch die nach Lourdes kommenden Pilger immer häufiger junge Leute. So wurden u.a. bei der “Französischen Nationalwallfahrt“ von 1967 die jungen Hospitaliers von Notre Dame de Salut gefeiert, eine Gruppe Jugendlicher zwischen 14 und 18 Jahren. Im gleichen Jahr entstand im Juli eine neue Einrichtung, die „Wallfahrt für einen Tag“, die dazu dienen sollte, einzelne Touristen und Pilger zu Gruppen zusammen zu schließen und sie auf ihrem geistigen Weg zu unterstützen. Im Monat Dezember wurde dann das neue Foyer der “Bernadettes” eingeweiht, das nach

Monseigneur Viscaro, Rektor der Wallfahrtsstätte und Leiter der Hospitalité, umgeben von: rechts de Valicourt, Janson, Imbert, links de la Poëze, Lanfry, de Bellisal

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der teilweisen Zerstörung durch einen Brand vollkommen erneuert worden war. 1969 traf die Hospitalité ein plötzlicher Todesfall, Georges Lanfry, Ratsmitglied und ehemaliger Präsident der Normannischen Kadetten von 1913 bis 1935 (in der nebenstehenden Box finden Sie eine äußerst zutreffende Beschreibung, die er von den Hospitaliers gab). Nach all den Todesfällen des Jahres konnte die Hospitalité am 13. September endlich ein erfreuliches Ereignis feiern: 40 Jahre Silbermedaille und 13 Jahre Vorsitz des Grafen de la Poëze.

Das Jahr 1970 begann für die Hospitalité und für Lourdes mit einer bedeutenden Veränderung, dem Rücktritt von Monseigneur Théas von seinem Amt als Bischof von Tarbes und Lourdes. An seine Stelle trat der Bischof von Tulle, Monseigneur Henri Donze. Der Name Pierre-Marie Théas blieb jedoch mit dem Wallfahrtsort Lourdes verbunden, nicht nur wegen seiner Ausdauer und seines Glaubens, die es ihm gestattet hatten, trotz unzähliger Hindernisse den Bau der unterirdischen Basilika Pie X zu erreichen, sondern auch wegen seiner Rolle als unermüdlicher Apostel Mariens. Im

Monat Mai wurden am Bahnhof von Lourdes die Einrichtungen eingeweiht, die den Ein- und Ausstieg der Kranken erleichtern sollten, zwei neue Bahnsteige für neunzehn Waggons, und eine erneuerte Empfangshalle. Auch das Asile Notre Dame wurde in jenen Monaten umgebaut. Man nahm die Gelegenheit wahr, seinen Namen in “Accueil Notre Dame” zu ändern. Eine weitere Neuheit, die den Transport der Kranken zur Basilika Pie X erleichterte, war die Schaffung eines direkten Durchgangs vom Accueil zur Basilika, so dass die ganze Strecke über die Esplanade vermieden werden konnte.

Ein Teil der Kritikpunkte der Umfrage-Ergebnisse des “Journal de la Grotte“ von 1964 konnte beseitigt werden, einige blieben jedoch noch zu lösen, z.B. die nicht immer eingehaltenen Zeitpläne, die aktive Teilnahme der Kranken an den Wallfahrten, ihr materiellen und spirituellen Bedürfnisse, sowie ihre Kontakt zu den Hospitaliers. Auch mussten deontologische Probleme in Bezug auf das Wasser der Grotte und der Bäder gelöst werden. Nach dem Pastoralrat forderte die Hospitalité Notre

1961 WELTWEITAm 21. April beginnt eine äußerst schwere, internationale krise, die kuba, die UDSSR und die Vereinigten Staaten betrifft und die Gefahr birgt, den ganzen Erdball an den Rand eines neuen, schrecklichen Weltkriegs zu treiben

1961 DEUTScHLANDIn Berlin wird die Mauer errichtet, die den von den Alliierten kontrollierten Westteil der Stadt von der Ostzone trennt, die der Sowjetunion untersteht. Damit beginnt die Zeit des kalten kriegs zwischen USA und UDSSR

1963 WELTWEITAm 3. Juni verstirbt Papst Johannes XXIII. wenige Monate nach der Veröffentlichung seiner Enzyklika „Pacem in terris”. Am 21. Juni wird als Nachfolger Giovanni Battista Montini gewählt, Papst Paul VI

1963 WELTWEITAm 22. November wird in Dallas in Texas der Präsident der Vereinigten Staaten, John F. Kennedy ermordet

1969 WELTWEITDrei Astronauten der NASA landen unter kommandant Neil Armstrong mit dem Raumschiff Apollo 11 auf dem Mond. Das Ereignis wird weltweit direkt im Fernsehen übertragen

1978 ITALIENAm 16. März kidnappen die Roten Brigaden den Präsidenten der christlich Demokratischen Partei Aldo Moro, der am 9. Mai ermordet wird

1979 WELTWEITPapst Paul VI. stirbt und an seiner Stelle wird Albino Luciani zum Papst gewählt und nimmt den Namen Johannes Paul I. an. Er verstirbt dreiunddreißig Tage nach seiner Wahl. Sein Nachfolger ist Karol Wojtyla, der erste polnische Papst in der Geschichte der kirche und der erste ausländische Papst seit 455 Jahren

1981 WELTWEITPapst Johannes Paul II wird bei einem Attentat auf dem Petersplatz durch den Türken Alì Agca schwer verletzt

WANN WAS

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Auszug aus dem Brief von Monseigneur Donze über die Mission

der Hospitaliers. Hier wird der Geist der Hospitalité beschrieben

und mit welcher Perspektive die Kranken Lourdes erleben sollen.

«… Ob vor, während oder nach der Wallfahrt: Durch den Dienst

an Ihren kranken Brüdern und Schwestern stehen Sie im Dienst

von Christus selbst.

Das Evangelium ist in diesem Punkt ganz eindeutig: “Herr... als

wir dich krank daniederliegen sahen… und wir dich besuchen

kamen?... In Wahrheit, was ihr einem von meinen geringsten

Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan” (siehe Mt. 25, 39-40).

Dieser Dienst setzt Ihrerseits Bescheidenheit und Selbstvergessen

voraus. Heute mehr denn je will der Kranke als ganzer Mensch

behandelt werden, und nicht nur wie ein Betreuter, nicht als Objekt

des Mitleids. Wer auf andere zugeht, läuft immer die Gefahr, mit

vollen Händen zu geben, mit der Illusion von Überlegenheit,

bekleidet mit Privilegien, mit erhobenem Kopf. Was die Kranken

von Ihnen erwarten, ist dagegen eine freundliche, selbstlose

Präsenz, eine Freundschaft, die alle Grenzen auslöscht. Wenn Sie

in den Kranken Christus sehen, wird es Ihnen mehr am Herzen

liegen, ihnen die aktive Teilnahme an der Wallfahrt zu erleichtern.

Ihre Mission besteht darin, ihnen nicht nur bei der Fortbewegung

zu dienen, sondern auch wenn sie unter dem Blick der Jungfrau

die Botschaft vernehmen, und ihnen das Leben zu erhellen (…).

Wir arbeiten an einem Projekt, das Ihnen die Aufgabe in Lourdes

erleichtern soll. Möge Unsere Liebe Frau uns helfen, es zu

einem guten Ende zu führen und Ihre bevorstehende Wallfahrt

segnen”.

Brief aus dem

Rundschreiben Nr. 69

der Hospitalité de Nancy

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Dame de Lourdes ihre Mitglieder auf, wieder den Geist ihrer Gründer zu entdecken und Fehler im Verhalten gegenüber den Kranken auszumerzen. Insbesondere drängte man auf eine Verbesserung der Ausbildung sowohl der Krankenträger als auch des Krankenpflegepersonals, sowie auf Erleichterung der Wallfahrtsteilnahme für die Kranken. Es wurde beschlossen, den Leitern, ganz gleich ob Priester oder Laien, einen Gebetsführer zur Verfügung zu stellen und eine Anleitung zur Krankensalbung

zu veröffentlichen. Es sollte von nun an eine persönliche und freie Annäherung an den Glauben ermöglicht werden, auch wenn viel Platz gelassen werden muss für die Vorbereitung der Wallfahrt sowohl in den Diözesen als auch in Lourdes. Gerade zu diesem Zweck schufen die Hospitalité und die Wallfahrtsstätte neue Mittel, um den Informationsaustausch mit all denen zu erleichtern, die nach Lourdes kommen. Man begann damit, ein Pressebüro im Heiligen Bezirk unter der Leitung von Pater Ramond, dem ehemaligen Leiter der Zeitschrift “Sanctuaire et Pèlerinages“ einzurichten. Außerdem gab man im Februar 1973 ein Bulletin in Form eines Beiblattes zur Publikation “Recherches de Lourdes“ an die Presse, das praktisch als Bindeglied zur Hospitalité Notre Dame de Lourdes diente. Die Redaktion dieses Bulletin wurde Pater Henri Joulia anvertraut, dem Seelsorger der Hospitalité. In dieser ersten Ausgabe erklärte Präsident de la Poëze, dieses Beiblatt sei ein Weg, um alle Hospitaliers einander näher zu bringen, aber auch eine geistige Unterstützung und Stärkung.

Die Veröffentlichung wurde sehr positiv aufgenommen, da sie Ausdruck des Wunsches nach Vereinigung der Hospitalité, nach Offenheit gegenüber den Problemen der jungen Leute und nach Erneuerung der Assoziation war. Am 16. und 17. März 1974 fand in Lourdes der Kongress der leitenden Verantwortlichen der Diözesanen und Nationalen Hospitalités statt. Der erste Tag wurde von Pater Turquet vom pastoralen Gesundheitswesen für die Region Paris mit seiner Ansprache zum Thema: “Wie können wir Kranken helfen, eine Verbindung zwischen ihrem Glauben und ihrem Leben herzustellen?” gestaltet. Gegenstand des zweiten Tages war die Rede von Monseigneur Fauchet, Bischof von Troyes, zum Thema: “Wie erleben wir diese Verbindung zwischen Glauben und Leben?” An diesem Kongress nahmen 470 Personen teil, von denen 410 Vertreter der verschiedenen Hospitalités waren. Diese beiden Tage sollten als der Moment im Gedächtnis bleiben, in dem sich eine neue Mission der Hospitaliers innerhalb der Kirche abzeichnete, die Entdeckung eines echten Charismas, mit dem der Kranke sein Leben mit anderen teilen soll.

Das Jahr 1974 war auch deshalb ein bedeutsames Datum für die Hospitalité, weil ihr Präsident de la Poëze von seinem Amt zurück trat. Die unerwartete Ankündigung rief in der Hospitalité ein Gefühl von Unbehagen und Unruhe hervor. Graf de la Poëze, der dem geliebten Grafen de Beauchamp nachgefolgt war, hatte dank seiner umfassenden Kenntnis aller Dienstbereiche der Hospitalité eine große Anziehungskraft. Er hat es verstanden, alle mit seiner Bescheidenheit, seiner Hilfsbereitschaft, seiner Dienstfertigkeit für sich zu gewinnen und ein Vorbild für die Treue zur Kirche und zum Heiligen Stuhl, sowie für die Verehrung der Heiligen Jungfrau zu sein. Unter seinem Vorsitz wuchs die Zahl der Hospitaliers

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beträchtlich an, und zwar so stark, dass neue Räumlichkeiten geschaffen werden mussten, um alle Freiwilligen aufnehmen zu können. Monseigneur Donze gab diesen Rücktritt im Januar 1975 bekannt und bestimmte, nachdem er de la Poëze zum Ehrenvorsitzenden ernannt hatte, als Nachfolger Edouard Imbert, Präsident der Hospitalité von Marseille und Ratsmitglied. In den zehn Jahren unmittelbar vor der Hundertjahrfeier folgten vier Vorsitzende aufeinander: Edouard Imbert bis 1978, der die Vereinigung “in Bescheidenheit dienend“ erneuerte, Jean-Marie Landouzy bis 1982, der eine wirkungsvolle Zusammenarbeit anbot, Jean Toso, der nur ein Jahr im Amt blieb, und schließlich derjenige, der die Hospitalité bis zur Hundertjahrfeier und weit darüber hinaus leitete, François Guilbaud.

Die Amtszeit von Edouard Imbert war geprägt durch Neuerungen und Aussöhnungen. Er beschloss von Anfang seines Mandates an, sechs wesentliche Punkte neu zu definieren: “Der Hospitalier ist in erster Linie ein Diener. Leiten bedeutet in erster Linie dienen. Bescheidenheit und Hilfsbereitschaft sind zwei wesentliche Züge eines Hospitaliers. Die Medaille ist keine Prämie und ein Hospitalier muss an seinem Rosenkranz zu erkennen sein, nicht an der Farbe seiner Bretellen.” Nach Meinung Imberts muss man sich mit dem Geist des Evangeliums und des Konzils identifizieren, um das Bild einer lächelnden und echten Nächstenliebe wieder zu entdecken. Im Jahr 1974 hob Pater Joulia in seinem Gruß an die Mitglieder der Hospitalité zwei Worte hervor, die sich die Vereinigung und ihre Mitglieder zu Eigen machen sollten: Versöhnung und Erneuerung. Dennoch gingen fünf Jahre dahin, bevor es zur Niederschrift einer neuen Satzung der Hospitalité kam (am 8. September 1978), die neue Regeln aufstellte: Die Vorsitzenden werden nicht mehr auf Lebenszeit ernannt, der Rat

Reparaturwerkstatt für Rollstühle und Voitures

der Hospitalité besteht nicht mehr ausschließlich aus Franzosen, sondern steht auch den Freiwilligen anderer Nationen offen, und für jeden neuen Hospitalier werden “Ausbildungs-Stages” eingerichtet, so dass jeder jeden Dienstbereich kennen lernt und vom einen auf den anderen wechseln kann. 1979 wurde Jean-Marie Landouzy, Staatsanwalt und Anwalt am Berufungsgericht, der am Ende des Zweiten Weltkriegs gelobt hatte, sich in den Dienst von Notre Dame de Lourdes zu stellen, Präsident der Assoziation. Landouzy wurde auserwählt, um die Arbeit

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der vorausgegangenen Jahre besonders im Hinblick auf die Bemühungen voranzutreiben, jedem Hospitalier ein intensiveres geistliches und gemeinschaftliches Leben zu ermöglichen und dafür zu sorgen, dass er noch stärker am pastoralen Auftrag der Kirche mitwirkt. Nach einer kurzen Präsidentschaft von Jean Toso folgte François Guilbaud, der die HNDL ihrer Hundertjahrfeier zuführte. Neben der Vorbereitung dieses so wichtigen Ereignisses hatte der neue Präsident auch die Aufgabe, die Verwaltung der Assoziation und die Ausbildung der jungen Freiwilligen zu verbessern. Seine Amtszeit begann mit einem weiteren wichtigen Ereignis, der Wallfahrt des Papstes nach Lourdes am 15. August 1983. Johannes Paul II. begab sich nach Lourdes, um

das Heilige Jahr zu feiern. Bei seiner Ankunft am Flughafen von Ossun wurde er vom Präsidenten der Französischen Republik, François Mitterand empfangen (weitere Informationen zu den päpstlichen Besuchen in Lourdes entnehmen Sie bitte dem entsprechenden Datenblatt). So begann schließlich das Jahr der Hundertjahrfeier, 1985.

Ein besonders markantes Ereignis dieses Jahres war zweifellos die Wallfahrt nach Rom und die nachfolgende Ausstellung der historischen Bilder der Hospitalité auf Veranlassung von Pater Joulia und Guilbaud, die am 24. April von Monseigneur Donze eingeweiht und von 40.000 Personen besucht wurde. Bei der

Wallfahrt nach Rom vom 15. bis 22. März erlebten rund tausend Mitglieder der Hospitalité einen der eindrucksvollsten Momente in der Geschichte der Assoziation. In Rom konnten die Hospitaliers u.a. die Katakomben besichtigen, an den Messen in den Kirchen Santa Maria Maggiore, im Petersdom, in San Giovanni in Laterano,

In der Mitte, Jeanine Da Badie, links von ihr Mlle de Radzisky, Dr. Da Badie und Gil. Rechts weiter hinten stehend: Pater Joseph Bordes, Rektor, Mme Guilbaud und Pater Huchet

Domherr Etienne Lalaque umgeben von: links Gil, Dr. Da Badie, Mme Da Badie, rechts Schwester Anne-Marie und Lanfry

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San Paolo fuori le Mura und als besonderes Privileg an der Audienz von Papst Johannes Paul II. teilnehmen. Zur gleichen Zeit wurde in Lourdes die hundertjährige Gründung mit einer internationalen Messe gefeiert, an der die Kardinäle Etchegaray und Willebrand teilnahmen. Selbstverständlich wurde durch die Feierlichkeiten die normale „Alltagsarbeit“ der Assoziation nicht unterbrochen. Ganz im Gegenteil, die Zahl der Wallfahrten nach Lourdes nahm zu, ebenso die Kongresse und die Ausbildungstätigkeit. Das Jahr 1985 war für jeden Hospitalier, auch für die jüngeren, die erst kürzlich zur Assoziation gestoßen waren, ein wichtiges Datum. Die Wallfahrt nach Rom hat sich in das Gedächtnis eingeprägt. Gerade deshalb hat Antoine Tierny, der derzeitige Präsident, beschlossen, zur 125-Jahrfeier eine Fahrt in die Stadt zu organisieren, die wie keine

Hospitaliers,

Hospitalier, welch schöner Name, wie gut er klingt.Ist er alt, ist er jung? Er hat jedes Alter.Er umschließt die ganze barmherzige Vergangenheit und verweilt voll von Versprechen.

Hospitalier, dessen Wohnstätte wie sein Herzoffen ist für alles Elend und alles Leiden,um Hilfe und Erleichterung zu schaffen.

Hospitalier, der bei dem Schmerz der Seele undden Wunden des Leibes verweilt, um Pflege und Heilung zu schenken.

Hospitalier, der zum guten Samariter des Reisenden wird, zum Simon der allzu schweren Kreuzwege,zum Christophorus der Kleinen und der Armen.

Hospitalier, der die Traurigen und Kranken, die ohnmächtig sind und nach Hilfe rufen, zur Quelle des Lebensträgt oder geleitet.

Hospitalier nicht nur auf dem Weg nach Lourdes,am Empfang oder an der Grotte unter denAugen der Jungfrau. Zu einfach wäre es!

Hospitalier, heute und immer bei uns.In unseren Werken, im Büro, am Arbeitsplatz.Für alle unsere Brüder und an allen Tagenunseres Lebens.

Georges Lanfry

Beschreibung des Hospitaliers von Georges Lanfry

Moderner Krankenbus

Ausstieg der Kranken, Flughafen Ossun (um 1970)

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Nach dem hundertsten Jahrestag ihres

Bestehens organisierte sich die Assoziation

neu und zählt nun zehntausend Freiwillige

Die letzten zwanzig Jahre der Hospitalité

Auch nach ihrem hundertsten Jahrestag setzt die Hospitalité ihre Mission und ihr Bemühen fort, sich zu erneuern, mit der Zeit Schritt zu halten und sowohl gegenüber den

Freiwilligen als auch gegenüber den nach Lourdes kommenden Pilgern immer effizienter zu werden. Schon seit der Gründung der Assoziation haben sich ihre Verantwortlichen immer mit der Entwicklung des christlichen Lebens ihrer Mitglieder und der Marienverehrung befasst. Der Rosenkranz ist und bleibt für die Hospitaliers das Gebet des gesamten Tages, ein Gebet, das sie zusammen mit den Kranken sprechen, ein Gebet, mit dem sie anderen ein Vorbild geben. Mit der Zeit und mit zunehmender Erfahrung hat die Assoziation die Notwendigkeit erkannt, sich in Diensten zu organisieren, um die Kranken auf jeder einzelnen Etappe ihrer Wallfahrt zu begleiten. Die Hingabe und das Engagement der Hospitalité hat eine ständig wachsende Zahl von Freiwilligen an sich gezogen, von denen einige gar beschlossen haben, sich in Lourdes niederzulassen.

Zwischen 1986 und 2008 wurde dieses Bewusstsein immer stärker, ebenso wie die Notwendigkeit weiterer Verbesserungen. Es waren Erneuerungen und Veränderungen, die von ihren Präsidenten vorangetrieben wurden und aus der Hospitalité das gemacht haben, wie wir sie heute kennen. Bis 1994 stand die Assoziation unter der Leitung desselben Präsidenten, der sie auch in das Jubiläumsjahr geleitet hat, nämlich François Guilbaud. Von 1994 bis 2008 folgten in der Hospitalité Notre Dame de Lourdes nur drei Präsidenten aufeinander: Etienne de Roaldès, der 1994 an die Stelle von Guilbaud trat und die Assoziation bis 1999 leitete, Gabriel Barbry, der die Bruderschaft über die Jahrhundertwende führte, und schließlich Antoine Tierny, der seit 2004 dafür sorgt, dass die Vereinigung mit der Zeit Schritt hält und auf einen weiteren, wichtigen Moment hinarbeitet: das 125 jährige Bestehen. Für diesen Zeitraum wollen wir auch an einige großartige Hospitaliers erinnern, die im Verlauf dieser Jahre verstorben sind und sich durch ihre Hingabe, Demut, Ruhe

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25. März 1988 - Monseigneur Donze übergibt sein Amt an Monseigneur Sahuquet

Eingang der Hospitalité Notre Dame de Lourdes

und Initiative ausgezeichnet haben. 1972 starben Frotier de La Messelière, Hospitalier seit 1949, Leiter des Generaldienstes und sehr aktiv in der Assoziation, sowie Elie Longuet, Leiter des Dienstes in den Bädern, der in Lourdes dreißig Jahre im Dienst der Kranken verbracht hatte. Unter den Frauen ist ein Name besonders zu nennen: Solar Eugénie de Bourbon. Sie war verantwortlich für die Wäscherei der Bäder, eine wichtige Arbeit, die sie sehr wirkungsvoll und diskret wahrnahm. Sie wurde 1958 von Monseigneur Théas zur Präsidentin der Hospitalité des Piscines (der Bäder) ernannt. Die Krönung ihrer siebzehnjährigen Präsidentschaft war der Bau der beiden Pavillons zur Unterbringung der Hospitaliers der Bäder. Der weibliche Zweig der Hospitalité, der ebenfalls um 1880 auf Initiative Combettes, dem damaligen Präsidenten der Hospitalité Notre Dame de Salut, sowie der “Pères de la Grotte” entstand, entwickelte sich parallel zur Erzbruderschaft, zu der sie seit 1978 gehört. Auch dieser Zweig war bezüglich der Entscheidungsgremien (Präsident, Rat usw.) genauso strukturiert wie die männliche Bruderschaft. Für die Bereiche der Bäder gab es an der Spitze

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Präsidentinnen. Oberinnen leiteten die Krankenherberge Notre Dame des Douleurs, die heute den Namen Accueil Marie Saint-Frai trägt, sowie das Asile Notre Dame, dessen Name in Accueil Notre Dame geändert wurde.Vom Hundertjährigen Jubiläum bis 2008 wollte die Hospitalité etliche Fortschritte machen. Die alten Archive wurden wieder hervorgeholt, in denen Beschwerdeschreiben der Kranken gesammelt waren, die sich über die Unbeholfenheit und bisweilen Taktlosigkeit einiger Freiwilliger beklagten, über die Konflikte zwischen den Mitgliedern der Diözesanen Hospitaliers und den Hospitaliers von Notre Dame de Lourdes, über die Streitereien zwischen den Krankenschwestern von Saint-Frai, Notre Dame und den Hospitaliers der Bäder. Nachdem die Präsidenten das erfahren hatten, haben sie für Ordnung in den verschiedenen Dienstbereichen gesorgt.

Was beispielsweise die Unterbringung betrifft, so wurden von jeher die an den Wallfahrten teilnehmenden Kranken in drei verschiedenen Accueils aufgenommen: Saint-Frai, Notre

In der Nähe der Bäder benetzen sich die Pilger mit dem Wasser der Grotte

Flughafen: Hilfe beim Einstieg ins Flugzeug

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1986 WELTWEITIn der Atomzentrale von Tschernobyl in der Sowjetunion explodiert ein Reaktor. Eine radioaktive Wolke verbreitet sich über einen großen Teil Europas und ruft einen Umweltkatastrophenalarm auf dem gesamten kontinent hervor

1986 WELTWEITHistorische Wende in der Beziehung zwischen der katholischen kirche und dem Judentum. Papst Johannes Paul II. und der Oberste Rabbiner der römischen Gemeinschaft Toaff beten gemeinsam in der Synagoge von Rom. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Päpste

1988 WELTWEITErste Änderungen in den weltweiten Beziehungen nach dem kalten krieg während der Amtszeit des sowjetischen Präsidenten Gorbatschow. In Polen entwickelt sich die katholische Gewerkschaft Solidarnosc unter Lech Walesa

1989 cHINADie Regierung von Peking unterdrückt im Juni blutig den Studentenaufstand bei der Massenkundgebung auf dem Platz “Des himmlischen Friedens”

1989 WELTWEITDer Fall der Berliner Mauer setzt dem kalten krieg zwischen USA und UDSSR ein Ende, die Ära des kommunismus setzt ihren Niedergang fort

1990 MITTLERER ORIENTAusbruch des ersten Golfkriegs nach der Invasion von kuwait durch die irakischen Truppen von Saddam Hussein

1995 ISRAELDer israelische Premierminister und Friedensnobelpreisträger Yitzhak Rabin wird bei einem Attentat in Tel Aviv ermordet. Das ist der Beginn einer schwierigen Phase in den Beziehungen mit den Palästinensern Verhältnisse zum palästinischen Volk

1997 WELTWEITNach 99 Jahren britischer Vorherrschaft geht Hongkong wieder an china zurück

1997 WELTWEITAm 5. September stirbt Mutter Theresa von kalkutta, die 2003 von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen wird

2001 WELTWEITAm 11. September lenkt eine Gruppe zur internationalen Organisation Al kaida gehöriger islamischer Terroristen zwei Zivilflugzeuge gegen die Zwillingstürme des World Trade center in New York und verursacht damit deren Einsturz. Ein weiteres Flugzeug rast in das Pentagon, während ein viertes Flugzeug das Weiße Haus treffen sollte. Dank des Widerstands der Passagiere erreicht es jedoch sein Ziel nicht und stürzt auf einer Wiese in Pennsylvania ab. Man zählt 3000 Tote. Amerika und der gesamte Westen stehen unter Schock

2004 WELTWEITDie Raumsonde Spirit sendet Farbbilder des Planeten Mars zur Erde

2005 WELTWEITAm 2. April stirbt Papst Johannes Paul II. nach 27jähriger Amtszeit. Am 19. April wird als Nachfolger der deutsche kardinal Joseph Ratzinger als Papst Benedikt XVI. gewählt

2008 VEREINIGTE STAATENBarack Obama gewinnt die amerikanische Präsidentschaftswahl. Er ist der erste farbige Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten und erhält im Folgejahr den Friedensnobelpreis

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Dame und Sainte Bernadette. 1997 wurde beschlossen, dass nur noch das große Accueil Notre Dame und ein Jahr später, 1998, das vollständig renovierte Accueil Saint-Frai die Kranken beherbergen sollten. Auch in die Organisation wurde Ordnung gebracht: Die Diözesanen Hospitalités kümmern sich um die Krankenzimmer und die Speisesäle, während sich die Hospitaliers von Lourdes mit den allgemeinen Diensten befassen. Auch die Transportmittel wurden erneuert. Rollstühle und Krankentragen wurden bequemer und handlicher, am Bahnhof wurden zusätzliche Bahnsteige gebaut und Erfrischungsräume mit Waschbecken und Toiletten eingerichtet. 1999 trat eine für die Assoziation noch bedeutsamere Veränderung ein: Die Satzung wurde geändert und eine einzige Hospitalité geschaffen, die sich in vier Dienstbereiche gliedert: den Bereich Saint Jean Baptiste, der sich um die Bäder kümmert, den Bereich Notre Dame, den neuen Bereich Marie Saint-Frai und schließlich den Bereich Saint Joseph.

Pilger bei der Lichterprozession

Auf der Esplanade: Austeilung des Wassers an die Kranken

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Diese neue Organisation funktionierte gut. Die Assoziation benötigte jedoch auch einen Dienstbereich, der in der Lage war, die zukünftigen Hospitaliers auszubilden, sowie einen Bereich, der sich um die Logistik kümmert, überprüft, dass alles notwendige Material vorhanden ist, dass die Unterkünfte in einwandfreiem Zustand sind und dass die Verpflegung den Bedürfnissen der Pilger gerecht wird. So entstanden im Jahr 2000 zwei neue Dienstbereiche, die sich mit diesen Aspekten befassen, nämlich der Bereich Sainte Bernadette und der Bereich Saint Michel. 2005 wurde beschlossen, die internen Transportmittel weiter zu erneuern, die einen Pendeldienst zwischen Bahnhof, Flughafen und Grotte gewährleisten. Es wurden neue Busse für die Kranken gekauft, neue Krankentragen, bequemere und sicherere Rollstühle.

Neben den Dienstbereichen und dem Material wurden auch die Gebäude erneuert. 1993 wurde eine Unterkunft mit dem Namen “Benoît Labre” gebaut, 2000 wurden die Büros der HNDL in das Accueil Jean Paul II. verlagert, 2007 wurde beschlossen, die Villa Marie-Joseph zu verkaufen und 2008 wurde die Unterkunft “Notre Dame du Oui” gebaut.

Kerzen, Symbole der Hoffnung und des Gebets

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An der Schwelle zum 125. Jahrestag ihres

Bestehens ist die Hospitalité Notre Dame

de Lourdes heute eine der bedeutendsten Assoziationen der

Welt. Als Basis ihrer Aktivitäten hat sie genaue

Richtlinien und einen im Verlauf der Zeit

unverändert gebliebenen Geist des Empfangens

Eine dauerhafte Größe

ur Stärkung derjenigen, die leiden, für die Versöhnung der Menschheit, für die Einheit der Kirche und für den Frieden in der Welt». Hospitalier sein bedeutet, sich eine authentische

Lebensplanung zu Eigen zu machen, einen Geist des Dienens gegenüber schwächeren Menschen, der in jeder Geste des täglichen Lebens in Lourdes ebenso wie an jedem anderen Ort unseres Planeten seinen Ausdruck findet. Gerade aus diesem Grund unterscheidet sich die Hospitalité Notre Dame de Lourdes von vielen anderen Assoziationen, die im selben Umfeld tätig sind, wenngleich diese zweifellos wichtig und anerkennungswürdig sind. Es gibt viele Gründe, die diese Assoziation, 1885 in dem kleinen Ort in den Pyrenäen, der erst wenige Jahre zuvor von der Jungfrau Maria erwählt wurde, um der Welt ihre Glaubensbotschaft mitzuteilen, aus der Taufe gehoben haben, und zu etwas Einzigartigem machen. In erster Linie ist es das besondere Umfeld von Lourdes, das sich aus einem einfachen Bauerndorf in das Zentrum der weltweiten Marienverehrung verwandelt hat. Zwischen diesen Bergen atmet man eine einzigartige Atmosphäre, die im Lauf der Zeit unverändert geblieben ist. Ein Gefühl, das sich beim Gebet in der Grotte von Massabielle noch verstärkt, wo die junge Bernadette die Erscheinungen der “weißgekleideten Dame“ empfing. Diese anrührenden Orte, die tiefe Gläubigkeit der Pilger und der so zahlreichen Kranken, die oft lange und mühselige Reisen auf sich nehmen, schaffen ein einzigartiges Umfeld, wo das Wort “Empfangen“ eine ganz besondere Bedeutung hat. Eine Botschaft, die von der Hospitalité und all den Jugendlichen und Erwachsenen in vollem Umfang aufgenommen wurde, die beschlossen haben, den Weg zu gehen, der sie dann zu Mitgliedern unserer Vereinigung macht. Und dies trotz der Jahre, trotz der unterschiedlichen Epochen, trotz eines generellen Verlusts an Wertvorstellungen und Interesses seitens der neuen Generationen. Von 1885 bis heute, an der Schwelle des 125.

«Z

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D I E H O S P I TA L I T é H E U T E

Jahres ihres Bestehens, hat es die Hospitalité Notre Dame de Lourdes verstanden, zu wachsen, sich zu entwickeln, und Tag für Tag eine ständig wachsende Zahl von Personen aufzunehmen, die bereit sind, eine neue und bedeutungsvolle Lebenserfahrung zu machen. Im Verlauf ihrer Geschichte hat es der Hospitalité nicht an Problemen, Schwierigkeiten und Hindernissen gefehlt, nicht zu vergessen zwei Weltkriege, die sogar für Lourdes eine ernsthafte

Gefahr darstellten. Dazu kam der nicht leichte Weg der Assoziation im Laufe des letzten Jahrhunderts, bei dem es darum ging, mit der Zeit Schritt zu halten, ohne dadurch die ursprüngliche Zielsetzung zu schmälern. Eine Aufgabe, die wir heute, anlässlich dieses so wichtigen Jahrestages, als voll erfüllt betrachten dürfen. Dank ihrer so reichen und wertvollen Geschichte ist es der Hospitalité gelungen, Probleme in Gelegenheiten für Verbesserung und

Eingang der Hospitalité Notre Dame de Lourdes

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D I E H O S P I TA L I T é H E U T E

geistiges Wachstum zu verwandeln. Sie hat sich im Lauf der Zeit entsprechend den steigenden Anforderungen und der immer größeren Zahl nach Lourdes reisender Pilger und Kranken verändert und entwickelt, und hat es verstanden, ihre Ressourcen auf bestmögliche Weise zu organisieren, um den besten und aufrichtigsten Dienst zu bieten, der möglich ist. Die Hospitalité Notre Dame de Lourdes ist heute eine Organisation von weltweiter Bedeutung und zählt derzeit mehr als 20.000 Freiwillige. Ein exponentielles Wachstum, wenn man an die Zahl der Hospitaliers denkt, die im fernen Jahr 1885 tätig waren. Dies geht auch aus den Worten des aktuellen Präsidenten Antoine Tierny hervor: “Die Hospitalité ist die einzige Struktur in Lourdes, die sich mit dem Empfang der Kranken und Behinderten befasst. Wir holen sie am Bahnhof oder am Flughafen ab, wir begleiten sie zu den liturgischen Feiern im Wallfahrtsort und zu den Bädern, deren Besucher in den letzten Jahren um 23% gegenüber den vorausgegangenen Jahren zugenommen haben. Die Tätigkeit der Hospitalité begann im Jahr 1885 mit nur drei Freiwilligen, während wir heute immerhin 20.000 sind.” Über die ganze Welt verstreut gibt es heute 41.000 Hospitaliers, die aus 70 Ländern und fünf Kontinenten stammen und, um ihren Dienst an kranken Pilgern zu leisten, bereit sind, die Reise zum Marienort vollständig auf eigene Kosten zu unternehmen. Den positiven Trend der letzten Jahre unterstreichen erneut die Worte des Präsidenten Tierny: “Im Jahr 2008, dem 150. Jubiläum der marianischen Erscheinungen, konnten wir auf 8.535 Freiwillige zählen (4.047 Hospitaliers, 3.747 Stagiaires und 741 Helfer), d.h. rund tausend mehr als in den vorausgegangenen Jahren.” Ein weiteres Element, das die Mitglieder der Hospitalité Notre Dame de Lourdes charakterisiert, ist ihre Internationalität. Viele von ihnen sind Italiener (insgesamt 3.036 Hospitaliers, Stagiaires und Helfer), gefolgt von Franzosen (2.739), Amerikanern (471), Engländern (429), Iren (311), Deutschen (252) und Belgiern (72). Jahr für Jahr wächst auch die Zahl der Freiwilligen aus den Osteuropäischen Ländern: insgesamt 221 Hospitaliers, Stagiaires und Helfer.Um die tägliche Tätigkeit und die wachsende Zahl der Pilger (bis zu sechs Millionen) zu bewältigen, die jedes Jahr nach Lourdes kommen, hat die Hospitalité mit der Zeit eine komplexe Organisation aufgebaut, um keinen Aspekt der Dienstleistung und der Betreuung zu vernachlässigen und einen möglichst vollständigen Dienst anzubieten. Schon seit ihrer Gründung am 28. Januar 1885 stellte sich die Hospitalité unter die Leitung des Bischofs von Tarbes und Lourdes, Führer und Priester aller christlichen Vereinigungen, die in seiner Diözese im Dienst der katholischen Kirche stehen. All dies bestätigt ein bemerkenswertes Werk, das im Laufe des letzten Jahrhunderts Wertschätzung, Anerkennung und Respekt erfahren hat, was die Besuche der Päpste in Lourdes hinreichend unter Beweis stellen. Den Vorsitz der Hospitalité Notre Dame de Lourdes

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hat derzeit Antoine Tierny inne, der kürzlich zum zweiten Mal in seinem Amt als Präsident bestätigt wurde, als Krönung von über siebenunddreißig Jahren Dienst als Hospitalier. An seiner Seite arbeiten der Generalsekretär Albain Bregeon und der Schatzmeister Alain Marchio. Die Rolle des “Aumonier général” (Hauptseelsorger) wurde Pater Michel Riquet übertragen, Nachfolger von Pater Horatio Brito, neuer Rektor des Heiligtums von Lourdes. Der Präsident, der Generalsekretär und der Schatzmeister der Hospitalité sind nicht direkt an einen bestimmten Dienstbereich gebunden. Ihre Aufgabe ist es, alles in allem für ein gutes Funktionieren der Abläufe zu sorgen, die verschiedenen Bereiche zu koordinieren und deren gegenseitige Zusammenarbeit zu fördern. Der Präsident hat darüber hinaus die Aufgabe, die Beziehungen zur Wallfahrtsstätte Notre Dame de Lourdes und den anderen Vereinigungen, die dort tätig sind, aufrecht zu erhalten. Dem Hauptseelsorger obliegt die pastorale Arbeit die ihm der Bischof von Tarbes und Lourdes anvertraut hat. Er spendet die Sakramente und bietet den zahlreichen Hospitaliers auf ihren Wallfahrten und während ihres Dienstes geistlichen Beistand an.

Seit dem 5. Dezember 1999 sind die Tätigkeiten der Hospitalité offiziell in sechs unterschiedliche Dienstbereiche gegliedert, denen jeweils ein Verantwortlicher Leiter vorsteht, der auch das Amt eines Vizepräsidenten an der Seite des Präsidenten Tierny wahrnimmt:

Dienstbereich Sainte Bernadette: Der Dienstbereich befasst sich mit der Aufnahme der künftigen Mitglieder der Hospitalité und gewährleistet ihnen eine angemessene Vorbereitung auf die Aufgabe, die sie während der vier Stage-Jahre erwartet, die notwendig

sind, um Hospitalier zu werden. Für sie wurde entsprechend den unterschiedlichen Nationalitäten der Stagiaires ein spezifisches Ausbildungsprogramm in sechs Sprachen ausgearbeitet (französisch, italienisch, spanisch, englisch, deutsch und niederländisch), das von einem Ratsmitglied und von “Ausbildern“ dieses Dienstbereichs durchgeführt wird. Die Arbeit ist auf Basis eines Wochenplans organisiert: Der Montag ist den Stagiaires des ersten Jahres vorbehalten, der Dienstag, der Mittwoch und der Donnerstag denjenigen des zweiten, dritten und vierten Jahres, während der Freitag einer Art Wochenbilanz gewidmet ist, während der die Stagiaires ihre Erlebnisse zusammenfassen. Dieses Programm ist obligatorisch während der ersten vier Dienstjahre und steht allen Hospitaliers offen, die sich dazu anmelden und eine Zeit spiritueller Weiterbildung wünschen. Der Dienstbereich ist auch für das Empfangsbüro am Eingang des Accueil Jean Paul II verantwortlich, wo die Hospitalité Notre Dame de Lourdes ihren Sitz hat.

Zwei Freiwillige geben Pilgern Auskunft auf

der Esplanade

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Dienstbereich Saint Jean Baptiste: Dieser Dienstbereich ist der Begleitung der Pilger, besonders der Kranken und Behinderten in den Bädern gewidmet. Der Vorgang in den Bädern, in dessen

Verlauf man in das Wasser der Quelle getaucht wird, ist ein Weg des Glaubens, der an das Sakrament der Taufe und an die Worte erinnert, die die Jungfrau an Bernadette gerichtet hat: “Gehen Sie zur Quelle, trinken Sie dort und waschen Sie sich.” Diesen Weg gehen bedeutet eine besonders starke und wichtige menschliche Erfahrung, eine Botschaft von Glauben und Demut, die das Leben vieler Menschen verändern kann. Aus diesem Grund hat die Hospitalité in diesem Rahmen eine ganz besondere Aufgabe: die Hospitaliers müssen die Pilger empfangen und ihnen mit Hingabe und Respekt helfen, auch wenn die praktischen Gegebenheiten nicht immer einfach sind. Kranke Personen entkleiden und wieder ankleiden, sie bei einer so eindrucksvollen Geste wie dem Eintauchen in das Bad begleiten, erfordert ein aufrichtig brüderliches Gefühl, sowie Großmut und Nächstenliebe. Im Unterschied zu den anderen Dienstbereichen, die generell von März bis Oktober aktiv sind, d.h. während der Jahreszeit, in der die meisten Wallfahrer eintreffen, wird der Dienst in den Bädern wegen seiner hohen Bedeutung das ganze Jahr über ausgeführt, wobei sich zwischen Sommer und Winter nur die Uhrzeiten ändern.

Dienstbereich Notre Dame: Dieser Dienstbereich koordiniert die Aktivitäten in der gleichnamigen Krankenherberge mit einer Gesamtkapazität von über 900 Betten. Die Hospitalières arbeiten

dort in engem Kontakt mit der Kongregation der Schwestern von Nevers, die für die Struktur verantwortlich sind, und mit dem Personal der Wallfahrtsstätte. Die Aufgaben sind zahllos und, obgleich sie nicht direkt die Betreuung der Kranken betreffen, ebenso wichtig, um die bestmögliche Versorgung zu gewährleisten: Tischdienst (Hilfe in der Küche und bei der Essensausgabe), Sauber halten der Gemeinschaftsräume, Arbeit in den Sakristeien, in der Näherei und Stickerei, Assistenz (für Ärzte und Krankenpfleger) in den

Erste Hilfe Stationen, Dienst am Eingang der Hospitalité Notre Dame de Lourdes, Mithilfe im „Fundbüro“, und Hilfe bei der Herstellung von Blumenschmuck für die Altäre. Je nach ihrer jeweiligen Bereitschaft können die Stagiaires sich auch den Teams der anderen Dienstbereiche der Hospitalité anschließen, speziell in den Bädern, am Bahnhof, an der Grotte und auf der Esplanade bei den großen Zeremonien oder in der Basilika St Pie X. Ebenso werden die Hospitalières häufig eingeladen, sich den Schwestern bei der Meditation und beim Gebet anzuschließen.

Dienstbereich Marie Saint-Frai: Dieser Dienstbereich ist an den “Accueil Marie Saint-Frai” gebunden, der sich in der Nähe

Praktische Hilfe und moralische Unterstützung: das Wirken der Hospitalier besteht auch darin, ein Lächeln zu schenken

Eine Gruppe von Kranken auf Wallfahrt in Lourdes

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der Wallfahrtsstätten befindet. Er wird von der Kongregation der Schwestern von Saint-Frai geleitet und kann bis zu 400 kranke Pilger aufnehmen. Die Hospitalières, die hier im Einsatz sind, arbeiten im engen Kontakt mit den Schwestern von Saint-Frai, und helfen je nach Verfügbarkeit auch in anderen Bereichen mit.

Dienstbereich Saint Michel: Dieser Dienstbereich leitet und koordiniert alles, was die Verpflegung und die Unterbringung der Mitglieder unserer Assoziation betrifft, die

nach Lourdes kommen, um Kranke zu betreuen. Dieser Dienstbereich kümmert sich außerdem auch um das “Foyer de l’ Hospitalité” und das “Atelier”, das den gesamten logistischen Aspekt der Arbeit steuert, insbesondere was das Ausstattungsmaterial für die Betreuung betrifft, von den Fahrzeugen bis zu den Krankentragen, bis hin zu den Instandhaltungsarbeiten in den verschiedenen Gebäuden der Assoziation. Die Hospitaliers dieses Dienstbereichs kümmern sich auch um die Wasseranlagen, Schreinerarbeiten, Elektrizität usw. in allen Gebäuden der HNDL.

Um erstmals eine Stage bei der Hospitalité absolvieren zu können, müssen Sie volljährig und nicht älter als 70 Jahre sein. Wenn Sie diese Voraussetzungen mitbringen, müssen Sie bei der Vereinigung einen Antrag stellen, indem Sie das entsprechende Formular, das sie von der Internetseite www.hospitalite-lourdes.com herunterladen können, ausgefüllt an die Email Adresse [email protected] oder per Post an die Adresse: Hospitalité Notre Dame de Lourdes, BP 197, 65016 - Lourdes Cedex (Frankreich) schicken.

Dem Antragsformular muss ein Lichtbild beigefügt werden, sowie eine schriftliche Empfehlung Ihres Pfarrers oder eines Mitglieds der Hospitalité. Die Dauer einer Stages beträgt mindestens 6 und höchstens 15 Tage. Der Aufenthalt in Lourdes ist vollkommen freiwillig. Sie tragen daher die Kosten für Reise, Unterkunft und Verpflegung selbst. Nach Möglichkeit sollten Sie samstags oder sonntags eintreffen, da die Ausbildungskurse am Montagmorgen beginnen. Der Jahresbeitrag für Helfer in Lourdes beträgt 8 Euro für Stagiaires und 15 Euro für Hospitaliers.

Um Hospitalier zu werden, müssen Sie vier Jahre lang Stage (Dienst) und Formation (Ausbildung) in Lourdes machen. Dann können Sie durch Ihr “Engagement“, einer Art Versprechen, vollwertiges Mitglied in der Hospitalité Notre Dame de Lourdes werden.

Wie wird man

Hospitalier?

Für diejenigen, die eine

Stage absolvieren oder

Mitglied der Hospitalité

Notre Dame de Lourdes

werden wollen, hier

einige Informationen

Ausstellung der Hospitalité Notre Dame de Lourdes im Heiligen Bezirk in der Nähe der Porte Saint Michel

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D I E H O S P I TA L I T é H E U T E

Dienstbereich Saint Joseph: Dieser Dienstbereich nimmt eine Vielzahl von Aufgaben wahr: Empfang der Pilger am Bahnhof von Lourdes und am Flughafen von Tarbes-Lourdes sowohl bei der Ankunft als auch bei der Abreise, Transport der Pilger mit den Bussen der Hospitalité zu

den verschiedenen Krankenherbergen, Empfang an der Grotte und in den Bädern, Mithilfe bei der Organisation aller Feiern in Zusammenarbeit mit der Wallfahrtsstätte, Abwicklung von Ankunft und Abreise der Pilger am Accueil Marie Saint-Frai und Notre Dame, usw.

Dank der hohen Achtung, die ihr innerhalb der Kirche entgegen gebracht wird, und der im langjährigen Dienst seit der ersten Pioniertätigkeit erworbenen Erfahrung, hat die Hospitalité eine solide, funktionstüchtige Organisation aufgebaut, und wurde somit zu einer der solidesten und bekanntesten Strukturen der Welt innerhalb des katholischen Ehrenamts.. Dabei verlor sie ihre ursprüngliche Berufung keinesfalls aus den Augen, denn sie ist die unverzichtbare Grundlage der Lebensführung eines jeden Mitglieds. Deshalb

sind, um Hospitalier zu werden, ein ganz besonderes Engagement und eine umfangreiche Vorbereitung notwendig; denn der Geist, auf den sich von Anfang an die Tätigkeit und die Existenz der Assoziation stützte, muss rein und intakt bleiben. Dieses Engagement wurde auch von Papst Johannes Paul II. anerkannt und geschätzt, der anlässlich einer Audienz im Vatikan den dort versammelten Hospitaliers folgende Worte schrieb: “Seit bei der Grotte von Massabielle die Aufforderung der Seligen Jungfrau zum Gebet und zur Buße entgegen genommen wurde, seit man die Zeichen der Barmherzigkeit erkannt hat, kamen die Kranken, um zu beten, ihr Leiden als Opfer darzubringen, um Erleichterung zu bitten und um die Gabe der Hoffnung und des Seelenfriedens. Diese Männer und Frauen, jung und alt, erschienen bald als bevorzugte Empfänger der erlösenden Liebe Christi und als Auserkorene seiner Mutter, der unendlich Gütigen. Die Anwesenheit der Kranken hat um die Wallfahrtsstätten und

bei den Wallfahrten eine starke Bewegung von Brüderlichkeit und Hilfe hervorgerufen, um sie zu begleiten. Vielen von denjenigen, die Kranke betreut haben, ist diese Aufgabe ans Herz gewachsen, so dass sie ihren Dienst Jahr für Jahr weiter leisten. So entstand in Lourdes Ihre Bruderschaft, die sich rasch an die zahllosen mit den Wallfahrten verbundenen Bruderschaften angeschlossen hat, die regelmäßig in allen Ländern Europas und anderen Teilen der Welt organisiert werden”. In seiner Ehrung beschrieb dann der Papst beispielhaft die Charakteristika eines jeden Hospitaliers: “Wenn ich daran denke, was die Hospitalité von Lourdes bedeutet, so bin ich beeindruckt von dem evangelischen Geist dessen, was sie tut. Anscheinend ist sie auf vielfältige Art dem Wort der Mutter Gottes gefolgt: „Tut was er euch sagt”. Den Kranken dienen heißt,

das zu tun, was der Herr von uns erwartet. Und wenn wir das anlässlich einer Wallfahrt getan haben

und als Gute Samariter, wie er selbst sich nennt, dem Beispiel unseres Herrn

gefolgt sind, dann spüren wir, dass dies nicht das isolierte Erlebnis

eines Tages sein kann. Die Hospitaliers kommen jedes Jahr wieder. Und jedes Jahr verlängern sie ihre Tätigkeit im alltäglichen Rahmen ihrer ursprünglichen Gemeinschaft. In der Nachfolge des Herrn wissen sie, in Lourdes ebenso wie andernorts, dass die brüderliche

Betreuung derjenigen, die so viel Leid ertragen

müssen, zugleich auch eine praktische Hilfe ist, ein Zeugnis

spiritueller Art, eine Erfahrung kirchlicher Gemeinschaft. ”Die

Worte von Papst Johannes Paul II. könnten die Komplexität des Wegs nicht

treffender beschreiben, den derjenige gehen muss, der Hospitalier werden will. Keine vorübergehende

Wahl, sondern die Erfüllung einer Mission, ein “Brandmal“, das sich durch das Gebet unauslöschlich aufprägt: “Heute möchte ich ganz einfach den Umfang Ihres Engagements unterstreichen. Wenn die Mitglieder der Hospitalité ihr Versprechen ablegen, bitten, geführt vom Heiligen Geist und in der Inbrunst des Glaubens die Unbefleckte Jungfrau um die Gnade, mit ihr gemeinsam „zum Trost derjenigen, die leiden, zur Versöhnung der Menschen, zur Einheit der Kirche und zum Frieden der Welt zu wirken.” Mit diesem Gebet zeichnen Sie ein bewundernswertes Programm. Gemeinsam mit Ihnen möchte ich Dank sagen für all das, was realisiert wurde, und

Die Medaille, die bei der “Weihe an Jesus durch Maria” überreicht wird

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Aber wie wird man Hospitalier? Um diesen begehrten Titel zu erhalten, muss man vier Vorbereitungsjahre als Stagiaires in unterschiedlichen Bereichen absolvieren und an einer praktischen und spirituellen Ausbildung (Formation) teilnehmen, die vom Dienstbereich Sainte Bernadette durchgeführt wird. “Insgesamt steigen unsere Zahlen ständig an”, sagte Präsident Tierny. “Beispielsweise haben wir 2008 im Vergleich zu den Vorjahren einen Zuwachs von 10% bei den Hospitaliers, von 15% bei den Stagiaires und von 31% bei den freiwilligen Helfern verzeichnet. Schließlich bilden wir jedes Jahr etwa 400 neue Stagiaires aus ” Einen einzigen Wermutstropfen sieht Präsident Tierny im offensichtlichen Fehlen einer größeren Zahl von jungen Leuten, die zwar vielfach an den vorbereitenden Stages teilnehmen, diesen Weg dann jedoch nicht bis zum Ende fortsetzen. Das wachsende Interesse für die Hospitalité Notre Dame de Lourdes, gerade jetzt, wo sie ihr 125jähriges Bestehen feiert, und das “Erwachen“ von neuen Generationen im Hinblick auf die Solidarität und das Engagement im Bereich des Ehrenamtes, auch bei den Katholiken, sind erste Zeichen eines Paradigmenwechsels, der eine ausgezeichnete Basis für die Zukunft darstellt.

zusammen mit Ihnen möchte ich die Mutter unseres Herrn bitten, Ihnen dabei zu helfen, Ihre Tätigkeit noch intensiver fortzusetzen und besonders darum, dass sie vielen Jugendlichen helfen möge, den evangelischen Aufruf zur Nächstenliebe in all ihren Dimensionen zu vernehmen. Dieses Zeugnis soll dazu beitragen, der Kirche ein neues Gesicht zu schenken und sich selbst den verschiedenen seelsorgerischen Tätigkeiten der Kirche zu öffnen.” Und weiter: “Mögen Sie weiterhin zu diesem großartigen Aspekt der Mission unserer Kirche beitragen: die ärmsten unter uns empfangen und besuchen, diejenigen, die am schwersten leiden, und sie mit der Rücksicht begleiten, die das Leiden des anderen und das Mysterium seines inneren Werdegangs notwendig macht. Sie helfen ihnen auch, die rettende Gnade des Erlösers zu empfangen, so dass sie, durch die Hilfe ihrer Brüder getröstet, im Glauben erleuchtet werden durch die Kraft der Hoffnung und der Liebe. Diese so intensive Erfahrung führt Sie dazu, immer mehr an den vielfältigen seelsorgerischen Bemühungen der Kirche auch in anderen Bereichen teilzunehmen.” Eine nicht einfache Aufgabe also, die Einsatz, Bestimmtheit, tiefen Glauben und die Fähigkeit erfordert, auch problematischen Situationen standzuhalten.

125 Jahre Aktivitäten, die aus Dienst und Gebet bestanden, haben die Hospitalité Notre Dame de Lourdes zu einer der bedeutendsten Assoziationen der katholischen Welt gemacht

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Die Zukunft gehört uns nicht … sind die Worte

eines der schönsten Texte, die wir in Lourdes

singen: “Als Erste auf dem Weg, drängst du,

Maria, uns zum “Ja“ vor den unergründlichen

Dingen Gottes…“

Jenseits des 125. Jahrestages

Was uns dagegen vielleicht gehört und was diese Broschüre rechtfertigt - immer im Hinblick auf Maria - ist das Bewegen all dieser Dinge in unserem Herzen

(Lukas 2,19), damit alles Vergangene wieder gegenwärtig wird und sich in lebendige Erinnerung verwandelt, die uns in die Zukunft führt. Man sagt, dass wer nicht weiß, wohin er geht, dahin schauen muss, woher er kommt … Die Hospitalité weiß, “wohin” sie gehen muss, in Richtung eines immer größeren Dienstes an unseren pilgernden, kranken und behinderten Brüdern, jedoch kann der Rückblick auf ihre Geschichte sicherlich dazu beitragen, zu begreifen, “wie” dieses Ziel besser erreicht werden kann.

An dieser Stelle gehen aus diesen Seiten voller Erinnerungen mindestens zwei Feststellungen hervor. Die erste, positive, bezieht sich auf die erstaunliche Fähigkeit dieser Institution, die sich Hospitalité nennt, wieder in Gang zu kommen und sich den verschiedenen Ereignissen und den unterschiedlichen Zeiten anzupassen, insbesondere dank des hohen Niveaus der verantwortlichen Personen und der Mobilisierung und Bereitschaft der freiwilligen Helfer.

Die zweite, negativere Feststellung ist, dass die Außenwelt, mit Ausnahme von Fällen schwerer Katastrophen - und insbesondere Kriege - wenig nach Lourdes durchdringt. Wir alle erleben immer wieder persönlich das Phänomen der so genannten “Glaskasten von Lourdes“. Wenn wir in Lourdes sind, neigen wir dazu, zu vergessen, dass es die Welt überhaupt gibt …

Vielleicht können wir von diesen beiden Feststellungen ausgehen, um uns auf die Zukunft vorzubereiten: indem wir die erste konsolidieren und die zweite korrigieren. Praktisch gesehen muss die Fähigkeit zu Anpassung und Mobilisierung bewahrt und ausgebaut werden, ganz einfach, weil die örtlichen Umstände dies erfordern.

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D I E Z U K U N F T D E R H O S P I TA L I T é

Ein kranker afrikanischer Jugendlicher bei der Wallfahrt nach Lourdes

Links die Gekrönte Madonna von Lourdes,

rechts Papst Benedikt XVI. bei der Unterzeichnung seiner letzten Enzyklika

“Caritas in Veritate”

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Das unmittelbare Umfeld der Mission des Hospitaliers entwickelt sich rasch in den Grenzen, die uns allen rational klar sind: Die Pilger und Kranken sind heute nicht mehr die von gestern, ihre Auffassung ist nicht mehr die gleiche und auch ihre Transport- und Aufenthaltsbedingungen entsprechen nicht mehr ihren Erwartungen … Die Pastoral der Wallfahrtsstätte muss sich also anpassen, und der Hospitalité kommt die Aufgabe zu, immer und so gut wie möglich in deren Dienst zu stehen, was auch bedeutet, notwendige Veränderungen in Kauf zu nehmen. Ein Engagement, das wir in den letzten Jahren schon in breitem Rahmen eingegangen sind, angefangen bei der Abschaffung der Bretellen, bei der Neuordnung der Dienste, Anpassung der Abläufe, Zusammenführung von Männer und Frauen, Erneuerung der Kleiderordnung und Unterkünfte, der Modernisierung der Transportmittel usw. Weitergehen muss es nun mit der “Operation Siloë”, mit Flexibilität bezüglich der Zuteilungen in die Dienstbereiche, mit laufender Weiterbildung und Durchführung aller Umstrukturierungen, die sich als notwendig erweisen werden. In einem Umfeld immer ausgeprägterer Veränderung, Beweglichkeit, Individualisierung der Verhaltensweisen, wird die Sorge um die Institution, deren Solidität und Anpassungsfähigkeit zu einem lebenswichtigen Faktor. Kurz gesagt: Der Samen der Zukunft ist im Keim bereits präsent in unserem Leben als Hospitalier in Lourdes. Und es ist eine Zukunft, die uns viel abverlangt. Gewiss ist sie das noch mehr unter dem Gesichtspunkt des “Hospitalier in der Welt”. Zweifellos werden wir uns künftig für diesen zweiten Aspekt engagieren, uns stärker bemühen müssen. Wir gehen immer mehr dem Zeitalter der Globalisierung, der Kommunikation, des Austauschs, der Internationalisierung entgegen. Unser “Glaskasten” wird nicht mehr lange halten, und um so weniger die immer noch ein wenig „franko-französischen” Aspekte der Hospitalité.

Es wird zweifellos notwendig sein, sich darüber klar zu werden, dass das Wort “Hospitalité” sich von den zwei lateinischen Worten “hospes” und “hostis” ableitet, die beide für “Fremder“ stehen, und dass die biblische Hospitalité, die sich auf den Ritus des Empfangens im Nomadentum gründet, sich durch Nächstenliebe und göttliche Vergeltung auf die Probe hat stellen lassen (siehe La Croix 19.10.2009). Anders ausgedrückt, die Hospitalité wird immer mehr zu einer Dimension werden, die für die Doktrin und die soziale Praxis der Kirche von immer ausschlaggebenderer Bedeutung sein wird im Sinne der Öffnung zur Welt hin und einer gastlichen Aufnahme dieser Welt. Papst Benedikt XVI. erinnert uns häufig daran. Diese Präsenz in der Welt und für die Welt wird unsere Aufmerksamkeit auf die

Eine Gruppe junger Franzosen bei der Wallfahrt nach Lourdes

Die Wetterbedingungen halten die Pilger nicht davon ab, jedes Jahr zu Tausenden vor der Grotte zu beten

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Tatsache lenken, dass die derzeitige Entwicklung neben Reichtümern auch zu Risiken und gar zu möglichen Katastrophen führen kann, die zwar weniger spektakulär sein werden als in der Vergangenheit, aber dennoch das eigentliche Herz unseres „Metiers” als Hospitaliers treffen: die Aufnahme der Schwächeren, seien es Kranke, Behinderte, Kinder oder Immigranten. Angesichts der Bedrohung durch einen neuen technisch-wirtschaftlichen Totalitarismus, müssen wir unseren Kopf, unser Herz und unsere Arme daran setzen, jene neue „humanistische Synthese” zustande zu bringen, die sich der Heilige Vater in seiner letzten Enzyklika wünscht. Es erscheint daher offensichtlich, dass es in all diesen Bereichen innerhalb und außerhalb von Lourdes zukommt, diese und die zukünftige Welt gemeinsam zu einer besseren zu machen. Dafür müssen wir uns mehr denn je “engagieren”, dem müssen wir uns “weihen” In diesem Sinne ist es gut, dass das Zukunftskapitel der Hospitalité, das mit dem Jahrestag ihres 125. Bestehens beginnt, von einer Erneuerung unseres Ritus des Versprechens und der Weihe ausgeht, um noch besser zu erkennen und miteinander zu verbinden, was in Lourdes “tun” und innerhalb der Kirche und der Welt “sein” bedeutet.

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Die beeindruckende Lage zwischen Bergen und Felslandschaften. Die einfache Demut eines jungen Mädchens, das dazu auserwählt wurde, die Hauptfigur eines Wunders zu werden, das in der Geschichte des Christentums tiefe Zeichen hinterlassen wird. Die schöne, weiß gekleidete und in ein geheimnisvolles Licht gehüllte „Dame“. Es gibt viele Gründe, die aus der Atmosphäre von Lourdes etwas Einzigartiges machen und den kleinen Ort in den Pyrenäen zum weltweiten Knotenpunkt der Marienverehrung gemacht haben. Was wohl am meisten beeindruckt ist jedoch, jenseits der wunderbaren Heilungen, die im Verlauf der Jahre eingetreten sind, die aufrichtige, tiefe Bindung, die zwischen Millionen von Pilgern und diesem Ort entsteht, die vielleicht stärker ist als an jeder anderen Verehrungsstätte rund um den Erdball. Behinderte, Kranke, Personen

jeder Abstammung und Kultur wenden sich hier an die Jungfrau Maria auf der Suche nach körperlichem und geistigem Trost, nach Fürbitte für eine geliebte Person, nach einem einfachen Gebet. All dies geschieht mit einem Glauben und einer Kraft, die aus den Blicken, den Gesten, dem Schweigen der vor der Grotte oder auf der Esplanade vor der Rosenkranzbasilika versammelten Menge sprechen. Man muss nur ein einziges Mal nach Lourdes kommen, um diese einzigartige Atmosphäre zu spüren und davon eine unvergessliche Erinnerung mit nach Haus zu tragen. Viele Päpste begriffen schon in den ersten Jahren nach den Erscheinungen die Bedeutung dieses Ortes als Bestätigung eines inzwischen unlösbaren Bandes. Jede Papstreise stellt eine neue, wesentliche Etappe in der Geschichte der Kirche dar, wird zum Anlass für wichtige Proklamationen, hinterlässt sehnsüchtige Erinnerungen. Wie im Fall von Papst Johannes Paul II., der am 14. und 15. August 2004 gerade diesen französischen

Ort als Ziel seiner letzten apostolischen Reise vor seinem Tod im April 2005 wählte. Bereits von der Krankheit geschwächt, sichtbar von Schmerzen geplagt betete er lange, stille Minuten in der Gotte von Massabielle und vertraute seine Ansprache dem Kardinal Etchegaray an. Worte voller Wohlwollen und Verständnis, besonders für die Kranken, mit denen er in den letzten Jahren seines Lebens das

tiefe körperliche Leiden teilte: “Ich bin mit euch, liebe Brüder und Schwestern, als Pilger bei der Jungfrau Maria. Ich mache eure Gebete und eure Hoffnungen zu den meinen. Ich teile mit euch einen Lebensabschnitt voller körperlicher Schmerzen, deshalb aber nicht weniger fruchtbar in Gottes wunderbarer Vorsehung. Gemeinsam mit euch bete ich für diejenigen, die sich unserem Gebet anvertraut haben.” Und weiter: “Ich habe innerhalb meines apostolischen Amtes

15. August 1983 - Wallfahrt von

Johannes Paul II. nach Lourdes: am Flughafen Ossun

mit François Mitterrand

Eine tiefe BindungViele Päpste kamen schon wenige Jahre nach den Erscheinungen nach Lourdes, um diesen einzigartigen Ort kennen zu lernen. Von Pius XII. bis Benedikt XVI., hier die Geschichte eines ganz besonderen Zusammentreffens

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immer großes Vertrauen in das Gebet und in das Opfer derer gelegt, die leiden. Ich bitte euch, mich auf dieser Wallfahrt zu begleiten, um Gott durch die Fürbitte der Jungfrau Maria alle Absichten der Kirche und der Welt zu zeigen.” Am Ende dieses bewegenden Grußes wandte Papst Wojtyla sich nochmals an die Kranken, mit Worten tiefster Liebe: “Meine kranken Brüder und Schwestern, ich würde euch gerne einen nach dem anderen liebevoll in die Arme schließen und euch sagen, dass ich euch nahe und verbunden bin. Ich tue dies nun im Geiste und vertraue

euch der mütterlichen Liebe der Mutter unseres Herrn an, und bitte sie, für euch die Segnung und den Trost ihres Sohnes Jesus zu erhalten.”Die Reise von Johannes Paul II. fand anlässlich des 150. Jahrestags der Proklamation des Dogmas der Unbefleckten Empfängnis statt und unterstrich deren tiefe Beziehung zur Himmelfahrt der Seligen Jungfrau: “Während ich hier in der Grotte von Massabielle knie, fühle ich bewegt, dass ich das Ziel meiner Pilgerfahrt erreicht habe. Diese Grotte, wo Maria erschien, ist das Herz von Lourdes. Sie erinnert an die Höhle des Berges Horeb, wo Elias den Herrn traf, der zu ihm im „Geflüster eines leichten Windes“ sprach. Wir wollen von der demütigen Dienerin des Herrn die sanfte Bereitschaft zum Zuhören erlernen, und den großzügigen Einsatz bei der Aufnahme der Lehre Christi in unser Leben. “Ich bin die Unbefleckte Empfängnis.” Die Worte, die Maria am 25. März 1858 zu Bernadette sprach, hallen mit besonderer Intensität wider in diesem Jahr, in dem die Kirche den 150. Jahrestag der feierlichen Erklärung des Dogmas begeht, die vom Seligen Pius IX. mit der apostolischen Konstitution Ineffabilis

Ankunft in Lourdes mit dem Bürgermeister François Abadie

Johannes Paul II. beim Eintreffen an der Wallfahrtsstätte mit dem päpstlichen Fahrzeug, in der Nähe der Gekrönten Madonna

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Deus verkündet wurde. Heute feiert die Kirche die glorreiche Himmelfahrt Mariens mit Leib und Seele. Die beiden Dogmen der Unbefleckten Empfängnis und der Himmelfahrt Mariens sind eng aneinander gebunden. Beide zeugen von der Glorie von Christus dem Erlöser und von der Heiligkeit Mariens, deren menschliches Schicksal schon jetzt perfekt und endgültig realisiert ist in Gott.”

Die Ansprache von Papst Wojtyla verzichtet auch diesmal nicht auf einen Gedanken an die Kranken und die Hospitaliers, die sie voller Einsatzbereitschaft und Hingabe begleiten: “Ich grüße besonders die jungen Leute, die in Lourdes zu Hause sind und ihre Kräfte als Hospitaliers wohlwollend in den Dienst ihrer kranken Brüder stellen. Ich denke gerührt an die Zusammentreffen mit den Jugendlichen in Frankreich, das erste in Paris, dann in Lyon, dann in Straßburg und schließlich wieder in Paris zum Weltjugendtag. Diese Zusammentreffen haben in mir große Hoffnung geweckt, die ich heute mit euch, meinen jungen Freunden, teilen will. Lernt von Maria und ihre werdet einen Hauch von Hoffnung in die Welt tragen!”

Auch seine Vorgänger hatten nicht darauf verzichtet, Lourdes und seine Großartigkeit zu loben, häufig bei feierlichen Anlässen, wie im Fall von Papst Pius XII., der zum hundertsten Jahrestag der Erscheinungen der Jungfrau Maria eine eigene Enzyklika schrieb: “Die Wallfahrt nach Lourdes, die wir zu machen die Freude gehabt haben, um dort im Namen unseres Vorgängers, Pius XI. den eucharistischen und marianischen Feierlichkeiten zum Abschluss des Heiligen Jahres beizuwohnen, hat in unserer Seele tiefe und süße Erinnerungen hinterlassen. Zusammen mit euch geliebten Kindern und verehrten Brüdern, wollen wir Gott danken für die hohe Gunst, die er eurem Vaterland erwiesen hat, und für die vielen Gnaden, die er im Lauf eines

Gebet für die KrankenDu bist das Lächeln Gottes, der Abglanz des Lichtes Christi, die Wohnung des Heiligen Geistes, Du hast die Heilige Bernadette in ihrer Armut erwählt, Du bist der Morgenstern, das Tor des Himmels und das erste auferstandene Geschöpf Unsere Liebe Frau von Lourdes, zusammen mit unseren Brüdern und Schwestern, deren Herzen und Körper leiden, beten wir zu Dir!

Papst Benedikt XVI., Lourdes, 15. September 2008

Präsident Tierny schiebt den Rollstuhl von Papst Johannes Paul II

Karol Wojtyla betet vor der Grotte mit Monseigneur Donze

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Jahrhunderts über die Vielzahl der Pilger ergehen ließ. Wir möchten alle unsere Kinder aufrufen, in diesem Jubiläumsjahr ihren guten und großen Glauben an diejenige zu stärken, die nach den Worten des Heiligen Pius X. sich daran erfreut hat, in Lourdes den „Standort ihrer unendlichen Güte“ einzurichten. Sie kam zu Bernadette, machte sie zu ihrer Vertrauten, zu ihrer Mitarbeiterin, zum Instrument ihrer mütterlichen Liebe und der gnädigen Allmächtigkeit ihres Sohnes, um die Welt in Christus zu erneuern durch eine neue und unvergleichliche Welle der Erlösung.” Pius XII. sprach von der tiefen Bindung an seine Vorgänger: “Diese hundert Jahre der Verehrung Mariens haben auf gewisse Weise eine feste Verbindung zwischen dem Stuhl des Heiligen Petrus und dem Wallfahrtsort in den Pyrenäen geflochten, an die wir uns gerne erinnern. War es nicht die Selige Jungfrau selbst, die solche Reaktionen wünschte? Es ist daher nicht verwunderlich, dass unsere Vorgänger die Privilegien dieser Wallfahrtsstätte vervielfältigen wollten.” 1869 hat Pius IX. seine Zufriedenheit zum Ausdruck gebracht, “dass die gegen Lourdes durch die Boshaftigkeit der Menschen aufgerichteten Hindernisse es gestattet haben, die Klarheit des Ereignisses kraftvoller und deutlicher darzustellen.”

1892 gewährte Leo XIII. sogar ein besonderes Gebet und die Messe zum Fest „in apparitione beatae Mariae virginis immaculatae”: “In Ihrer Kraft möge die Jungfrau Maria, die schon in anderen Fällen mit ihrer Liebe zur Geburt von Gläubigen innerhalb der Kirche beigetragen hat, auch heute das Instrument und die Hüterin unserer Rettung sein. Möge sie den Geplagten die Ruhe des Friedens schenken und sowohl im privaten als auch im öffentlichen Leben die Wiederkehr Jesu beschleunigen.”

Pius X. machte eine weitere, wichtige Geste und schuf den Titel eines Bischofs von Lourdes, zusammen mit dem von Tarbes, und erhob Bernadette zur Ehre der Altäre, indem er das Verfahren der Seligsprechung einleitete. Im Weiteren zitierte Papst Pacelli zwei weitere bedeutende Vorgänger, Benedikt XV., der “ das Heiligtum mit weiteren, wertvollen Vergebungen bereichern wollte und den Marienort dadurch ehren wollte, dass er seinem Bischof das Privileg verlieh, am Ort der Erscheinungen das Pallium zu tragen.” Pius XI., der bereits eine Wallfahrt nach Lourdes gemacht hatte, und „das Werk fortsetzte und die Freude hatte, die zu Schwester Maria Bernadette in der Kongregation der Nächstenliebe und der christlichen Lehre gewordene Favoritin der Seligen Jungfrau zur Ehre des Altäre zu erheben” und schließlich sagte “dieser Wallfahrtsort wird nun mit Recht zu einer der bedeutendsten Marienwallfahrtsstätten der Welt.”

Nach Lourdes begab sich auch ein anderer, sehr beliebter Papst, Johannes XXIII., der mehrmals Gelegenheit hatte, den Marienort zu besuchen. So als junger Priester zusammen mit seinem Bischof Giacomo Maria Radini Tedeschi und als päpstlicher Legat vor seiner Wahl zum Papst. Kardinal Roncalli hat im März

1958 die unterirdische Basilika Pius X. eingeweiht, nachdem er von 1944 bis 1953 etwa neun Jahre lang Vertreter des Vatikans in Frankreich gewesen war. Nicht zu vergessen sind die Restaurierungsarbeiten an der Wallfahrtsstätte im Jahr 1961, bei denen die zwei seitlichen Treppenaufgänge abgerissen wurden, um die heutige Anordnung zu erzielen, die auf den Altar und die kleine Statue der Unbefleckten Jungfrau zentriert ist. Nach den Reisen von Johannes Paul II. nach Frankreich, deren letzte durch den schmerzlichen Verlauf seiner Krankheit gezeichnet war, wollte Papst Benedikt XVI. den

15. September 2008: Wallfahrt von Papst Benedikt XVI. Heilige Messe für die Kranken

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Präsident Tierny schiebt den Rollstuhl von Papst Johannes Paul II. anlässlich seines letzten apostolischen Besuchs in Lourdes

hundertfünfzigsten Jahrestag der Erscheinungen der Jungfrau vor Bernadette mit einem feierlichen Besuch vom 12. bis 15. September 2008 würdigen. Ein Ereignis von großer geistlicher, aber auch politischer Bedeutung, wie das Zusammentreffen in Paris mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy bezeugt. Eine besonders wichtige Gelegenheit, in einer Zeit, die von Konflikten, Mangel an Verständnis, Armut und sozialen Problemen gekennzeichnet ist, bei der Benedikt XVI. kraftvoll die Einheit der Kirche hervorgehoben hat und die Notwendigkeit, in einer so schwierigen Zeit die Kräfte zu vereinen. Vor über zweihunderttausend Personen, die auf der Esplanade zur Heiligen Messe versammelt waren, sprach der Papst von einer neuen Kraft, die von diesem Ort ausgeht und neues Leben und geistige Erneuerung in die christliche Gemeinschaft trägt. Aus Lourdes empfängt die Kirche „neuen Atem“, einen neuen „Missionsgeist“ auf den Spuren der „großen Bekehrer Frankreichs”. Die Botschaft der Jungfrau liegt nach Joseph Ratzinger in ihrem Auftreten “in völliger Abhängigkeit von Gott, die in Wahrheit Ausdruck eines Verhaltens in völliger Freiheit ist und auf dem vollen Respekt ihrer Würde gründet. Sie sind zahlreich gekommen, um diese Jubiläumswallfahrt mit mir zusammen zu bewältigen und Ihre Familien, Ihre Verwandten und Freunde, sowie alle Ihre Absichten unserer Lieben Frau anzuvertrauen. Jesus hat die Last allen Leidens und aller Ungerechtigkeiten unseres Menschseins auf sich genommen und die Erniedrigungen und Diskriminierung ertragen, sowie die in vielen Gegenden der Welt von zahllosen Brüdern und Schwestern aus Liebe zu Gott erlittenen Folterungen.” Dabei vergaß er während der Heiligen Messe am Montag, dem 15. September, auch nicht die Kranken und sagte: “Maria liebt jedes ihrer Kinder und schenkt ihre Aufmerksamkeit besonders denjenigen, die leiden wie ihr Sohn in der Stunde seiner Passion. Sie liebt sie einfach, weil sie nach dem Willen des gekreuzigten Christus ihre Kinder sind. Im Lächeln der hervorragendsten unter den uns zugewandten Kreaturen, spiegelt sich unsere Würde als Kinder Gottes, eine Würde, die diejenigen, die krank sind, nie verlässt. Jenes Lächeln, der wahre Spiegel der Güte Gottes, ist die Quelle einer unversiegbaren Hoffnung. Anhaltendes Leiden zerrüttet auch das sicherste Gleichgewicht eines Lebens, untergräbt auch die stärkste Gewissheit des Vertrauens und führt in manchen Fällen gar zum Verzweifeln am Sinn und am Wert des Lebens. In aller Demut möchte ich all denjenigen, die leiden, und all denjenigen, die die Versuchung

hegen, dem Leben den Rücken zu wenden raten: Wendet euch an Maria! Im Lächeln der Jungfrau findet man auf geheimnisvolle Weise die Kraft, den Kampf gegen die Krankheit fortzusetzen. In ihr findet man auch die Gnade, ohne Angst und Bitterkeit den Abschied von dieser Welt in der von Gott gewollten Stunde zu akzeptieren.”

Die Worte von Papst Johannes Paul II. an die jungen Hospitaliers anlässlich seiner letzten apostolischen Reise

«Ich grüße besonders die jungen Leute, die in Lourdes zu Hause sind und ihre Kräfte als Hospitaliers wohlwollend in den Dienst ihrer kranken Brüder stellen. Ich denke gerührt an die Zusammentreffen mit den Jugendlichen in Frankreich, das erste in Paris, dann in Lyon, dann in Straßburg und schließlich wieder in Paris zum Weltjugendtag. Diese Zusammentreffen haben in mir große Hoffnung geweckt, die ich heute mit euch, meinen jungen Freunden, teilen will. Lernt von Maria und ihre werdet einen Hauch von Hoffnung in die Welt tragen!».

EINE GANZ BESONDERE ERINNERUNG

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DIE VOLLENDUNG DER LIEBE IST DER DIENSTSonderausgabe

HerausgeberHospitalité Notre Dame de LourdesAccueil Jean-Paul II, B.P. 19765106 Lourdes Cedex

Verantwortlich i. S. d. P.Antoine Tierny

Im Auftrag vonHospitalité Notre Dame de Lourdes

Beiträge vonPierre ChalvidanPierfrancesca GravianiDeborah Moleri

LayoutMAB.q Roma-Milano-Parigi

SatzElena Colombi

RedaktionPierfrancesca GravianiDeborah MoleriTino Redaelli

DanksagungPater René Point für seine wertvollen Aussagen und Berichte, sowie für einen Großteil der in dieser Monografie verwendeten Fotos

FotosOsservatore Romano“Servir les malades à Lourdes, 1885-1985;100 ans de Hospitalité”, von Vater René Point, NDL Ausgabe

DruckImprimerie Augé

w e b s i t e

Die Hospitalitè Notre Dame de Lourdes hat eine neue Website!

Neue Kommunikationsmittel der Hospitalité kommen bei dieser Seite zum Einsatz. Sie versteht sich als Instrument der Begegnung und des Austauschs unter ihren

Mitgliedern. Sie hat ein attraktives Layout, ist sehr einfach in der Anwendung und steht in den sechs offiziellen Sprachen der Hospitalité zur Verfügung (Französisch,

Italienisch, Spanisch, Englisch, Deutsch, Niederländisch). So finden die Hospitaliers ihr Forum, Interessierte können von dieser großen Familie angesprochen werden.

Sie finden sie in neuer Form unter der gleichen Webadresse www.hospitalite-lourdes.com. Sie erhalten eine Fülle wertvoller Informationen zum besseren Kennenlernen der Assoziation, ihrer Geschichte, ihrer Aktivitäten und ihrer Dienstbereiche. Außerdem finden Sie Ratschläge, wie Sie an einer Stage teilnehmen

und der großen Familie der Hospitaliers beitreten können.

Page 68: hospitalitè Notre Dame de Lourdes - DE

Eine hilfreiche Dokumentation aus Anlass eines bedeutenden Datums zum besseren Verständnis

der Hospitalité Notre Dame de Lourdes

Eine Sammlung von Informationen und Erlebnisberichten aus dem Leben der Hospitalité Notre Dame de Lourdes auf einer DVD,die bei der Hospitalité angefordert werden kann

DIE VOLLENDUNG DER LIEBE IST DER DIENSTEine Reise durch die Geschichte der Hospitalité Notre Dame de Lourdes - von ihren Ursprüngenbis heute mit Perspektiven fürdie Zukunft

Her

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€ 10

Jahrgang 2010

Sonderausgabe