HowtounderstandtheNorthgermans - Liv Hambrett...Autos,diesiebauen. D Deutsche schätzen den...

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„Moin“: Der wechselseitige Gruß garniert in Norddeutschland ein gutes Händeschütteln. Ein safti- ges „Moin“ geht immer und über- all, unabhängig von der Förmlich- keit der Situation und vor allem von der Tageszeit. Denn auch wenn der Wortursprung unklar ist, so hat er wohl doch nichts zu tun mit dem „Morgen“. Was aber selbst ein deutscher Muttersprach- ler, der weiter südlich aufgewach- sen ist, nicht unbedingt weiß. Kein Wunder also, wenn er auch auf ein „Moin“ am späten Nachmittag oder gar am Abend mehr oder we- niger konsterniert „Guten Mor- gen“ antwortet. Als passendere Entgegnung empfiehlt sich ein „Naaa“. Das wäre zu übersetzen mit „Wie geht’s denn heute so?“ Nur die ganz Mutigen antworten „Moin, moin“. Aber dafür muss man die konkrete Gesprächssitua- tion schon sehr souverän einschät- zen können, um nicht überbemüht rüberzukommen und als Schna- cker abgestempelt zu werden, der sich gerade um Kopf und Kragen redet. „Jo“: Achtung: ausgesprochen wie „yo“! Diese gepfefferte Silbe ist ein Alleskönner: Bestätigung, taugt aber auch als Gruß, kann ei- ne ausführliche Konversation zu- sammenfassen und beenden. Ganz nach dem Motto „kurz, aber herzlich“. „Mmmm“: Vor diesem Brummen ist besonders zu warnen. Wird es missverstanden, ist es dazu ge- neigt, den unerfahrenen Ge- sprächspartner zu verwunden und Beziehungen zu zerstören, bevor sie überhaupt angebahnt werden konnten. Der englische Mutter- sprachler kennt das „mmmm“ als Platzhalter für tiefschürfende Ge- danken und wartet voller Vorfreu- de auf eine weitschweifige Ant- wort. Aber nicht in Norddeutsch- land: Da hat es meist gesprächsbe- endenden Charakter und schickt jeden, der geduldig auf eine wort- gewaltige Entgegnung wartet, ein- sam, ausgezählt und scheinbar zu- rückgewiesen auf die Bretter. Ein „mmmm“ kann aber auch durchaus eine Missfallensbekun- dung sein. Man beachte dabei den leichten Unterschied im Ton! Au- ßerdem hängt es so lange in der Luft, dass es Pflanzen in der Nähe verwelken lässt. Manchmal wird eine zusätzli- che Silbe angefügt, so dass ein „mmmm“ zu einem „mmhmm“ wird. Diese Version zeigt Ver- ständnis an und lässt unter Um- ständen sogar auf eine weitere Erörterung des Themas hoffen. Das „mmhmm“ ist daher das am wenigsten Furcht erregende von allen „mmmms“. Von Sabine Räth N a gut, genau genommen handelt es sich bei der Blitz- lektion in Sachen „Nord- deutsch“ um zwei Wörter und ein Brummen: „Moin“, „jo“ und „mmmm“. Mit dieser dreiteiligen, wenngleich einsilbigen Kernkom- petenz könne man sein Überleben unter den Ureinwohnern an den beiden Waterkanten sichern, versi- chert Liv Hambrett ihren Sprach- genossen. Die Autorin und Lehrerin aus Sydney lebt seit einigen Jahren in Deutschland. Ihre Mission im Sin- ne der Gefahrenabwehr und Völ- kerverständigung: Sie erteilt in ih- rem Blog, in Zeitungsbeiträgen oder Portalen wie dem englischen Nachrichtendienst „the local“ wit- zigen Sprachunterricht. Sicher- heitshalber erklärt sie auch gleich noch komische Gebräuche wie das germanische Händeschütteln. Denn wer ein paar grundsätzliche Kniffe beim Warmwerden und im Zusammenleben mit den Deut- schen nicht kenne, werde über kurz oder lang verzweifeln und als „insulted sausage“ (beleidigte Le- berwurst) enden. Diese besondere Fleischware gibt es auf Englisch gar nicht – aber dazu kommen wir später, denn Liv sammelt nicht nur lustige Fakten über die Deut- schen, sondern auch Redewendun- gen, die man lieber nicht 1:1 ins Englische übersetzen sollte. Unter dem Motto „How to un- derstand the Northgermans“ gibt die 30-Jährige Tipps und berichtet von ihren eigenen, nicht übermä- ßig leidvollen Erfahrungen. Livs Gewöhnung an deutsche Lebens- art, Linguistik und Kommunikati- onsregeln erfolgte schrittweise. In Münster und Weiden in der Ober- pfalz tastete sich die Autorin an schwarz-rot-goldene Befindlich- keiten heran. Dann verliebte sie sich in einen Kerl aus Kiel. Besorg- te Freunde in Westfalen warnten sie vor dem Norden: „Es tauchte ein paarmal das Wort ,kalt’ auf.“ Liv schwante, dass damit nicht nur die Temperaturen an und in der Förde gemeint waren. Auf dem Weg nach Kiel war der Australierin also ein wenig mul- mig zumute. Gerade erst hatte sie die Armeslänge vermessen, mit der der Münsteraner seine Mit- menschen auf Abstand hält: „Kein ,Hallo’ auf der Straße, abgewende- te Blicke: Da kann man als Unge- übter schon Angst bekommen, im Kommunikationsvakuum keine Luft mehr zu kriegen.“ Wie lang würde wohl der Arm der Norddeut- schen sein? Liv Hambrett hat den Sprung ins kalte Ostseewasser überlebt. Mehr noch: Sie hat die Norddeutschen schätzen gelernt. Was sicherlich auch an diesem einen liegt, mit dem sie inzwischen verheiratet ist. Aber nicht nur er, sondern der Norddeutsche allgemein sei vor al- lem dies: direkt, selbstironisch, un- prätentiös, witzig und fröhlich. Ge- rade mit Letzterem rechne man bei den angeblich so mürrischen Fisch- köppen ja eher nicht. Aber sie hät- ten einen wunderbar trockenen Humor und seien ein vergnügtes Völkchen. „Was mich aber auch gar nicht so überrascht“, sagt Liv Hambrett: „Alle Menschen, die am Wasser leben, sind viel offener, hei- terer und entspannter als andere. Ich finde, das eint die Küstenbe- wohner auf der ganzen Welt.“ Worauf sich ihre Landsleute und Sprachgenossen durchaus einstel- len müssten, sei die Weigerung des Norddeutschen, auch nur ein unnötiges Wort zu verschwenden. Das habe sie als Australierin erst lernen müssen: „Wenn ich mei- nem Mann eine wortreiche Nach- richt zukommen lasse, antwortet er mir oft nur mit einem ,jo’“, be- richtet sie. „Aber immerhin mit ei- nem vergnügten ,jo’.“ Bei dieser Silbe handle es sich al- so um zwei besonders kostbare, ausdrucksstarke Buchstaben: „Während sich die Engländer, Australier und Amerikaner am En- de einer Unterhaltung in endlosen Floskeln ergehen – ,okay then, al- righty, good, yep, sounds great, stay in touch, I will too, take care, yes I will too, okay I’ll pass it on, good, chat soon, yep, yep, byeeeeeee’ – beendet der Nord- deutsche das Gespräch einfach, schnell und schmerzlos mit einem spritzigen ,Jo! Tschüss.’“ Dass es in Deutschland auch an- ders geht, erklärt Liv Hambrett all jenen, die die verschnörkeltere Art der Unterhaltung schätzen. Ih- nen empfiehlt sie einen Besuch weiter südwärts: „The Oberpfäl- zers, for example, die könnten auch unter nassem Zement re- den.“ Buch-Tipp e Liv Ham- brett: What I Know About Germans 48 Seiten, 7,99 Euro, über www.epubli.de Listen and repeat: „Moin“! „Jo!“ „Mmmm. . .“ Drei kurze, aber überlebenswichtige Lektionen: Liv Hambretts Crash-Kursus Norddeutsch How to understand the Northgermans Hier bei uns im Norden kommt drei Schlüsselwörtern eine ganz besondere Bedeutung zu. Dieses Vokabel-Wissen als Mindestanforderung empfiehlt die Australierin Liv Hambrett englischen Muttersprachlern, die an den Küsten und im Hinterland von Nord- und Ostsee glücklich werden wollen. Ungeahnte Talente, kuriose Marot- ten, modische Fragwürdigkeiten, erstaunliche Vorlieben: Hier das „best of“ von Liv Hambretts 101 Fakten über die Deutschen: D Sie sprechen besser Englisch als die meisten englischen Mutter- sprachler. Auf jeden Fall beherr- schen sie die feine Unterscheidung von „there“, „they’re“ und „their“. D Die Deutschen haben – einzigar- tig auf der Welt – einen fatalen Hang zur Kombination Socke-San- dale. Und sie fremdeln selbst in ih- ren kurzen Sommern mit dem Kon- zept des nackten Fußes und allen Arten von Riemchen-Sandalen oder Flip Flops. D Sie misstrauen jedem Getränk oh- ne Kohlensäure. Wo sonst käme man auf die Idee, Wein und Spru- delwasser zu mischen?! D Die Deutschen können Bierfla- schen mit allem öffnen. Mit einer Couch. Einer Kaffeetasse. Einer Ba- nane. Mit Körperteilen. Als hätten sie das in der Schule gelernt. D Die Menschen zwischen Flens- burg und München können viel trinken. Sehr viel. Ihre Lebern ar- beiten ähnlich reibungslos wie die Autos, die sie bauen. D Deutsche schätzen den Lustge- winn aus jeder Art der Beschäfti- gung mit Papier. Sie schwelgen da- rin, es zu verschicken, zu erhalten, zu kopieren, zu unterschreiben, zu stempeln, sich darin einzurollen und den Geruch einzuatmen. D Sie sind pünktlich. Gut organi- siert. Effizient. Sie haben nur ein kleines, schmutziges, unwirtschaft- liches Geheimnis. Das heißt Deut- sche Bahn. Die Verspätung gibt’s zum Ticket dazu. Kostenlos. D Die Deutschen lieben Spargel. In allen Variationen. Vergesst Weih- nachten, Ostern oder andere wichti- ge Anlässe: Der deutsche Kalender wird von der Spargelzeit bestimmt! . . . stammt aus Sydney. Sie verbrach- te nach der Schule eine „unvernünftig lange Zeit“ als Barkeeperin auf der grie- chischen Insel Santorini. Nach dem Studium brach die Autorin und Eng- lisch-Lehrerin auf zu einer Weltreise und wollte dann in Europa bleiben. Sie wählte Deutschland – auch weil die Hambretts 14 Jahre zuvor Freund- schaft geschlossen hatten mit der Fa- milie eines deutschen Austauschschü- lers. „Mir war klar, dass familiärer An- schluss diesen großen Schritt erleich- tern würde.“ Heute lebt die Australierin in Kiel, ist verheiratet und Mutter einer sieben Monate alten Tochter, „die Lüdde“ ge- nannt. Ihre Eltern sieht sie regelmäßig – sowohl in Kiel als auch down under. In ihrem Blog www.livhambrett.com beschreibt sich die 30-Jährige als Wan- derin zwischen zwei Kulturen. Je nach Tagesform und Wetter sei das mal „de- lightful“, mal „frightful“: also höchst an- genehm und beängstigend zugleich. Liv Hambrett So tickt der Deutsche Eine Australierin im kühlen Norden: Die Autorin und Englisch-Lehrerin Liv Hambrett stammt aus Sydney. DEUTSCH Sich in den Arsch beißen. Ich verstehe nur Bahnhof. Die Kirche im Dorf lassen. Sie spielt die beleidigte Leberwurst. Sich auf die Socken machen. Da kannst du Gift drauf nehmen. Noch grün hinter den Ohren sein. Ich glaub, mein Schwein pfeift. DENGLISCH To bite oneself in the ass. I can only understand train station. To leave the church in the village. She’s playing the insulted sausage. To make yourself on the socks. You can take poison on that. To be still green behind the ears. I think my pig whistles. ENGLISCH To kick oneself. It’s all Greek to me. To not get carried away. She’s in a huff. To make tracks. You can bet your life on that. To be halfbaked. Blow me down. WISSEN 58 29./30. März 2015 Sonntag/Montag, < >

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Page 1: HowtounderstandtheNorthgermans - Liv Hambrett...Autos,diesiebauen. D Deutsche schätzen den Lustge-winn aus jeder Art der Beschäfti-gungmitPapier.Sieschwelgenda-rin, es zu verschicken,

„Moin“: Der wechselseitige Grußgarniert in Norddeutschland eingutes Händeschütteln. Ein safti-ges „Moin“ geht immer und über-all, unabhängig von der Förmlich-keit der Situation und vor allemvon der Tageszeit. Denn auchwenn der Wortursprung unklar ist,so hat er wohl doch nichts zu tunmit dem „Morgen“. Was aberselbst ein deutscher Muttersprach-ler, der weiter südlich aufgewach-sen ist, nicht unbedingt weiß. KeinWunder also, wenn er auch auf ein„Moin“ am späten Nachmittag

oder gar am Abend mehr oder we-niger konsterniert „Guten Mor-gen“ antwortet. Als passendereEntgegnung empfiehlt sich ein„Naaa“. Das wäre zu übersetzenmit „Wie geht’s denn heute so?“Nur die ganz Mutigen antworten„Moin, moin“. Aber dafür mussman die konkrete Gesprächssitua-tion schon sehr souverän einschät-zen können, um nicht überbemühtrüberzukommen und als Schna-cker abgestempelt zu werden, dersich gerade um Kopf und Kragenredet.

„Jo“: Achtung: ausgesprochen wie„yo“! Diese gepfefferte Silbe istein Alleskönner: Bestätigung,taugt aber auch als Gruß, kann ei-ne ausführliche Konversation zu-sammenfassen und beenden.Ganz nach dem Motto „kurz, aberherzlich“.

„Mmmm“: Vor diesem Brummenist besonders zu warnen. Wird esmissverstanden, ist es dazu ge-neigt, den unerfahrenen Ge-sprächspartner zu verwunden undBeziehungen zu zerstören, bevor

sie überhaupt angebahnt werdenkonnten. Der englische Mutter-sprachler kennt das „mmmm“ alsPlatzhalter für tiefschürfende Ge-danken und wartet voller Vorfreu-de auf eine weitschweifige Ant-wort. Aber nicht in Norddeutsch-land: Da hat es meist gesprächsbe-endenden Charakter und schicktjeden, der geduldig auf eine wort-gewaltigeEntgegnung wartet, ein-sam, ausgezählt und scheinbar zu-rückgewiesen auf die Bretter.

Ein „mmmm“ kann aber auchdurchaus eine Missfallensbekun-

dung sein. Man beachte dabei denleichten Unterschied im Ton! Au-ßerdem hängt es so lange in derLuft, dass es Pflanzen in der Näheverwelken lässt.

Manchmal wird eine zusätzli-che Silbe angefügt, so dass ein„mmmm“ zu einem „mmhmm“wird. Diese Version zeigt Ver-ständnis an und lässt unter Um-ständen sogar auf eine weitereErörterung des Themas hoffen.Das „mmhmm“ ist daher das amwenigsten Furcht erregende vonallen „mmmms“.

Von Sabine Räth

Na gut, genau genommenhandelt es sichbei der Blitz-lektion in Sachen „Nord-

deutsch“ um zwei Wörter und einBrummen: „Moin“, „jo“ und„mmmm“. Mit dieser dreiteiligen,wenngleich einsilbigen Kernkom-petenz könne man sein Überlebenunter den Ureinwohnern an denbeidenWaterkanten sichern, versi-chert Liv Hambrett ihren Sprach-genossen.

Die Autorin und Lehrerin ausSydney lebt seit einigen Jahren inDeutschland. Ihre Mission im Sin-ne der Gefahrenabwehr und Völ-kerverständigung: Sie erteilt in ih-rem Blog, in Zeitungsbeiträgenoder Portalen wie dem englischenNachrichtendienst „the local“ wit-zigen Sprachunterricht. Sicher-heitshalber erklärt sie auch gleichnoch komische Gebräuche wiedas germanische Händeschütteln.Denn wer ein paar grundsätzlicheKniffe beim Warmwerden und imZusammenleben mit den Deut-schen nicht kenne, werde überkurz oder lang verzweifeln und als„insulted sausage“ (beleidigte Le-berwurst) enden. Diese besondereFleischware gibt es auf Englischgar nicht – aber dazu kommen wirspäter, denn Liv sammelt nicht nurlustige Fakten über die Deut-schen, sondernauch Redewendun-gen, die man lieber nicht 1:1 insEnglische übersetzen sollte.

Unter dem Motto „How to un-derstand the Northgermans“ gibtdie 30-Jährige Tipps und berichtetvon ihren eigenen, nicht übermä-ßig leidvollen Erfahrungen. LivsGewöhnung an deutsche Lebens-art, Linguistik und Kommunikati-onsregeln erfolgte schrittweise. InMünster und Weiden in der Ober-pfalz tastete sich die Autorin anschwarz-rot-goldene Befindlich-keiten heran. Dann verliebte sie

sich in einen Kerl aus Kiel. Besorg-te Freunde in Westfalen warntensie vor dem Norden: „Es tauchteein paarmal das Wort ,kalt’ auf.“Liv schwante, dass damit nicht nurdie Temperaturen an und in derFörde gemeint waren.

Auf dem Weg nach Kiel war derAustralierin also ein wenig mul-mig zumute. Gerade erst hatte siedie Armeslänge vermessen, mitder der Münsteraner seine Mit-menschen auf Abstand hält: „Kein,Hallo’ auf der Straße, abgewende-te Blicke: Da kann man als Unge-übter schon Angst bekommen, imKommunikationsvakuum keine

Luft mehr zu kriegen.“ Wie langwürdewohl der Armder Norddeut-schen sein?

Liv Hambrett hat den Sprung inskalte Ostseewasser überlebt. Mehrnoch: Sie hat die Norddeutschenschätzen gelernt. Was sicherlichauch an diesem einen liegt, mitdem sie inzwischen verheiratet ist.Aber nicht nur er, sondern derNorddeutsche allgemein sei vor al-lem dies: direkt, selbstironisch, un-prätentiös, witzig und fröhlich. Ge-rade mit Letzterem rechne man beidenangeblich somürrischenFisch-köppen ja eher nicht. Aber sie hät-ten einen wunderbar trockenen

Humor und seien ein vergnügtesVölkchen. „Was mich aber auchgar nicht so überrascht“, sagt LivHambrett: „Alle Menschen, die amWasser leben, sindvieloffener,hei-terer und entspannter als andere.Ich finde, das eint die Küstenbe-wohner auf der ganzen Welt.“

Worauf sich ihre Landsleute undSprachgenossen durchaus einstel-len müssten, sei die Weigerungdes Norddeutschen, auch nur einunnötiges Wort zu verschwenden.Das habe sie als Australierin erstlernen müssen: „Wenn ich mei-nem Mann eine wortreiche Nach-richt zukommen lasse, antworteter mir oft nur mit einem ,jo’“, be-richtet sie. „Aber immerhin mit ei-nem vergnügten ,jo’.“

Beidieser Silbehandle es sichal-so um zwei besonders kostbare,ausdrucksstarke Buchstaben:„Während sich die Engländer,Australier und Amerikaner am En-de einer Unterhaltung in endlosenFloskeln ergehen – ,okay then, al-righty, good, yep, sounds great,

stay in touch, I will too, take care,yes I will too, okay I’ll pass it on,good, chat soon, yep, yep,byeeeeeee’ – beendet der Nord-deutsche das Gespräch einfach,schnell und schmerzlos mit einemspritzigen ,Jo! Tschüss.’“

Dass es in Deutschland auch an-ders geht, erklärt Liv Hambrett alljenen, die die verschnörkeltereArt der Unterhaltung schätzen. Ih-nen empfiehlt sie einen Besuchweiter südwärts: „The Oberpfäl-zers, for example, die könntenauch unter nassem Zement re-den.“

Buch-Tipp

e Liv Ham-brett: What IKnow AboutGermans48 Seiten,7,99 Euro, überwww.epubli.de

Listen and repeat: „Moin“! „Jo!“ „Mmmm. . .“Drei kurze, aber überlebenswichtige Lektionen: Liv Hambretts Crash-Kursus Norddeutsch

How to understand the NorthgermansHier bei uns im Norden kommt drei Schlüsselwörtern eine ganz besondere Bedeutung zu.

Dieses Vokabel-Wissen als Mindestanforderung empfiehlt die Australierin Liv Hambrett englischen Muttersprachlern,die an den Küsten und im Hinterland von Nord- und Ostsee glücklich werden wollen.

Ungeahnte Talente, kuriose Marot-ten, modische Fragwürdigkeiten,erstaunliche Vorlieben: Hier das„best of“ von Liv Hambretts101 Fakten über die Deutschen:D Sie sprechen besser Englisch alsdie meisten englischen Mutter-sprachler. Auf jeden Fall beherr-schen sie die feine Unterscheidungvon „there“, „they’re“ und „their“.D Die Deutschen haben – einzigar-tig auf der Welt – einen fatalenHang zur Kombination Socke-San-dale. Und sie fremdeln selbst in ih-ren kurzen Sommern mit dem Kon-zept des nackten Fußes und allenArten von Riemchen-Sandalenoder Flip Flops.DSie misstrauen jedem Getränk oh-ne Kohlensäure. Wo sonst kämeman auf die Idee, Wein und Spru-delwasser zu mischen?!D Die Deutschen können Bierfla-schen mit allem öffnen. Mit einerCouch.Einer Kaffeetasse. Einer Ba-nane. Mit Körperteilen. Als hättensie das in der Schule gelernt.D Die Menschen zwischen Flens-burg und München können vieltrinken. Sehr viel. Ihre Lebern ar-beiten ähnlich reibungslos wie dieAutos, die sie bauen.D Deutsche schätzen den Lustge-winn aus jeder Art der Beschäfti-gung mit Papier. Sie schwelgen da-rin, es zu verschicken, zu erhalten,zu kopieren, zu unterschreiben, zustempeln, sich darin einzurollenund den Geruch einzuatmen.D Sie sind pünktlich. Gut organi-siert. Effizient. Sie haben nur einkleines, schmutziges, unwirtschaft-liches Geheimnis. Das heißt Deut-sche Bahn. Die Verspätung gibt’szum Ticket dazu. Kostenlos.D Die Deutschen lieben Spargel. Inallen Variationen. Vergesst Weih-nachten,Ostern oder anderewichti-ge Anlässe: Der deutsche Kalenderwird von der Spargelzeit bestimmt!

. . . stammt aus Sydney. Sie verbrach-te nach der Schule eine „unvernünftiglange Zeit“ als Barkeeperin auf der grie-chischen Insel Santorini. Nach demStudium brach die Autorin und Eng-lisch-Lehrerin auf zu einer Weltreiseund wollte dann in Europa bleiben. Siewählte Deutschland – auch weil dieHambretts 14 Jahre zuvor Freund-schaft geschlossen hatten mit der Fa-milie eines deutschen Austauschschü-lers. „Mir war klar, dass familiärer An-schluss diesen großen Schritt erleich-tern würde.“

Heute lebt die Australierin in Kiel,ist verheiratet und Mutter einer siebenMonate alten Tochter, „die Lüdde“ ge-nannt. Ihre Eltern sieht sie regelmäßig– sowohl in Kiel als auch down under.

In ihrem Blog www.livhambrett.combeschreibt sich die 30-Jährige als Wan-derin zwischen zwei Kulturen. Je nachTagesform und Wetter sei das mal „de-lightful“, mal „frightful“: also höchst an-genehm und beängstigend zugleich.

Liv Hambrett

So tickt derDeutsche

Eine Australierin im kühlen Norden: Die Autorin und Englisch-Lehrerin Liv Hambrett stammt aus Sydney.

DEUTSCHSich in den Arsch beißen.Ich verstehe nur Bahnhof.Die Kirche im Dorf lassen.Sie spielt die beleidigte Leberwurst.Sich auf die Socken machen.Da kannst du Gift drauf nehmen.Noch grün hinter den Ohren sein.Ich glaub, mein Schwein pfeift.

DENGLISCHTo bite oneself in the ass.I can only understand train station.To leave the church in the village.She’s playing the insulted sausage.To make yourself on the socks.You can take poison on that.To be still green behind the ears.I think my pig whistles.

ENGLISCHTo kick oneself.It’s all Greek to me.To not get carried away.She’s in a huff.To make tracks.You can bet your life on that.To be halfbaked.Blow me down.

WISSEN58 29./30. März 2015Sonntag/Montag,

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