Husserl, Die Idee der Phänomenologie

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HUSSERLIANA

EDMUND HUSSERL

GESAMMELTE WERKE

: ,\,

BAND II

DIE IDEE DER PHANOMENOLOGIE

AUF GRUND DES NACHLASSES VEROFFENTLICHT YOMHUSSERL-ARCHIV (LOUVAIN) UNTER LEITUNG VON

H. L. VAN BREDA

EDMUND HUSSERL

DIE IDEE DER PHANOMENOLOGIE

FDNF VORLESUNGEN

HERAUSGEGEBEN UND EINGELEITET

VON

WALTER BIEMEL

HAAG

MARTINUS NI]HOFF

1950

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Copyright I950 by Martinus Nijhoff, The Hague, Netherlands

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Edition etablie avec le concours f inancier de la FondationFrancqui (Bruxelles) et publiee sous les auspices del'International Phenomenological Society (Buffalo).

PRINTED IN THE NETHERLANDS

INHALT

EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS •

GEDANKENGANG DER VORLESUNGEN

I. V 0r 1e sun g . . . . . . .Naturliche Denkhaltung und Wissenschaft 1). . .Philosophische (reflexive) Denkhaltung . . . . . . . .Die Widerspruche der Erkenntnisreflexion in naturlicher

Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . .Die doppelte Aufgabe der wahren Erkenntniskritik. . . .Die wahre Erkenntniskritik als Phanomenologie der Er-

kenntnis .Die neue Dimension der Philosophie; ihre eigene Methode

gegenuber der vVissenschaft .

II. V 0 r 1esun g . . ... . . . .Der Anfang der Erkenntniskritik: das In-Frage-stellen

jeglichen Wissens . . . . . . . . . . . . . . .Gewinnung des absolut gewissen Bodens im AnschluB anDescartes' Zweifelsbetrachtung . . . . . . . . . . .

Die Sphare der absoluten Gegebenheiten. . . . . . . . .Wiederholung und Erganzung :Widerlegung des Argumentesgegen die Moglichkeit e iner Erkenntniskritik. . . . . .

Das Ratsel der naturhchen Erkenntnis: die Transzendenz .Scheidung zweier Begriffe von Immanenz und TranszendenzDas erste Problem der Erkenntniskritik:· die Moglichkeit

transzendenter Erkenntnis . . . . . . . . . .Das Prinzip der erkenntnistheoretischen Reduktion .

III. V 0 r 1e s u 11g . . ..........Das Vollziehen der erkenntnistheoretischen Reduktion:

Ausschaltung alles Transzendenten . . . . . . . . .Thema der Forschung: die reinen Phanomene . ., . . .Die Frage der "objektiven Giltigkeit" der absoluten Phario-mene .

Unmogllcbkeit der Beschrankung auf singulare Gegebenhei-ten; die phanomenologische Erkenntnis Wesenser-

kenntnis , .Die zwei Bedeutungen des Begriffes "Apriori" . . .

IV. V 0 r 1 e s u 11g .

Erweiterung der Forschungssphare durch die IntentionalitatDie Selbstgegebenheit des Allgemeinen; die philosophische

Methode der Wesensanalyse . . . . . . . . . . . ..

1) Die Kapiteliiberschriften sind zum groBten Teil der Landgrebeschen

Abschrift entnommen (s. Textkritischen Anhang).

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VI INHALT

Kritik der GefUhlstheorie der Evidenz; Evidenz als Selbst-gegebenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Keine Beschrankung auf die Sphare der reellen Immanenz;Thema alle Selbstgegebenheit .

V. V 0 r 1e sun g . . . . . . . . . . . . . . . .. 65

Die Konstitution des ZeitbewuBtseins. . . . . . . . . .Wesenserfassung als evidente Gegebenheit der Essenz;Konstitution der singularen Essenz und des Allgemein-heitsbewuBtseins . . . . . . . . . . . . . . .

Die kategorialen Gegebenheiten . . . . . . . . . . . .Das symbolisch Gedachte als so1ches . . . . . . . . . .Das Forschungsgebiet in seinem weitesten Umfang: dieKonstitution der verschiedenen Modi der Gegonstandlich-keit in der Erkenntnis; das Problem der Korrelation vonErkenntnis und Erkenntnisgegenstandlichkeit. . . . .

BEILAGEN:

Beilage I

Beilage II

B e i 1 age III.

TEXTKRITISCHER AN HANG :

Zur Textgestaltung .

Textkritische Anmerkungen

Nachweis der Originalseiten

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EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS

Die Bedeutung der vorliegenden 5 Vorlesungen: Die Ide e

d e r P han 0men 0 log i e (Einleitung zu H a u p t s t ti k-

k e au s d e.r Ph a nom e n 0 log i e un d K r i t ik de r

Ve r nun f t), die Husserl vom 26. IV.-2. V. 1907in Gottingen

gelesen hat, tritt eindeutig hervor, wenn wir uns dariiber klar zu

werden versuchen, in welchem Moment von Husserls geistiger

Entwicklung sie entstanden sind, welchen Wendepunkt in seinem

Denken sie darstellen. Das zu erhellen sei die Aufgabe dieser

Einleitung.Sechs Jahre nach dem Erscheinen der Log i s chen U n-

t e r s u chun ge n macht Husserl eine schwere Krise durch.

In dieser Zeit erfahrt er auch die Demutigung, daB der vom

Unterrichtsministerium gemachte Vorschlag, ihn zum Ordi-

narius der Philosophie zu ernennen, von der Universitat Gottin-

gen abgewiesen wird. Es scheint, daB diese "kollegiale MiBach-

tung" ihmnaher gegangen ist, als er zugeben wollte. Aber schwer-

wiegender als dieser aullerliche MiBerfolgist der Zweifel an ihm

selbst, der ihn qualt, so sehr, daB er seine Existenz als Philo-

soph in Frage stellt.

Aus dieser Verzweiflung heraus ensteht der Entschlufl, tiber

sich selbst und seine Aufgabe ins Klare zu kommen.

Am 2S.IX. 1906 schreibt er in seinNotizbuch, in das er ab

und zu tagebuchahnliche Anmerkungen eintragt 1 )

"An erster Stelle nenne ich die allgemeine Aufgabe, die

ich fiir mich losen muB, wenn ich mich soll einen Philo-

sophen nennen konnen, Ich meine eine K r i t i k d e r

Ve rn u n f t. Eine Kritik der logischen und der prak-

tischen Vernunf't, der wertenden iiberhaupt. Ohne in all-

gemeinen Zugen mir tiber Sinn, Wesen, Methoden, Haupt-

I) Das Notizbuch befinde t sich im Archiv unter de r Signatur X x 5.

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VIII EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS

gesichtspunkte einer Kritik der Vernunft ins Klare zu kom-

men, ohne einen allgemeinen Entwurf fiir sie ausgedacht,

entworfen, festgestellt und begriindet zu haben, kann ich

wahr und wahrhaftig nicht leben. Die Qualen der Unklar-

heit, des hin- und herschwankende Zweifels habe ich aus-reichend genossen. Ich muB zu einer inneren Festigkeit

hin kommen. Ich weiB, daB es sich dabei um GroBes und

GroBtes handelt, ich weiB, daB groBe Genien daran ge-

scheitert sind, und wollte ich mich mit Ihnen vergleichen,

so miiBte ich von vornherein verzweifeln ... " (S. 17f.).

Der Anklang an den Titel des Kantischen Hauptwerkes ist

kein Zufall. Husserl hat sich in dieser Zeit eingehend mit Kant

beschaftigt, aus dieser Beschaftigung heraus erwachst ihm

der Gedanke der Phanomenologie als T ran s zen d e n-

t a I phi los 0phi e, als t ran s zen den t a I e rId e a-

lis m u s undderGedankederphanomenologischen Reduktion.J)

(Es muB an dieser Stelle verzichtet werden, auf den Unter-schied zwischen Kants und Husserls Denken einzugehn,

besonders in Bezug auf den Grundgedanken der "Konstitution".)

Den Zu g a n g zu der transzendentalen Betrachtungsweise

bildet die p han 0men 0 log i s cheR e d u k t ion, sie

ermoglicht den Riickgang auf das "BewuBtsein". In ihm

erschauen wir, wie die Gegenstande sich konstituieren. Denn mit

dem t ran s zen den t a len Ide a lis m u s ist in den

Mittelpunkt seines Denkens das Problem der K 0n s tit uti on

de r Ge g ens tan d e i m Be wu Bt s e i n -geriickt

oder wie Husserl auch sagt, "die Auflosung des Seins in Be-

wuBtsein" .

In den 5 V 0 r I e sun g e n hat Husserl zum e r s ten

Ma I diese Gedanken, die sein ganzes spateres Denken bestim-

men sollten, offentlich ausgesprochen. In Ihnen gibt er

sowohleine klare Darstellung der phanomenologischen Reduktion,

als auch des grundlegenden Gedankens der Konstitution der

Gegenstande im BewuBtsein.

Einen erst en Ansatz zur Idee der Red u k t ion finden wir

schon im Sommer 1905, in den sogenannten See f e Ide r

B I a t t ern (Signatur: A VIIS), der Unterschied gegeniiber

' ) In diese Epoche faUt Husser ls Bekanntschaft mit Dilthey, die fiir ihn von

groBer Bedeutung war . - Le ider sind die Br iefe dies er Jahre nicht e rhalten.

EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS IX

den 5 V 0 r I e sun g e n ist jedoch gewaltig. Wahrend

1905 eigentlich eher von einem ersten zagen Ertasten die

Rede sein kann, ist in den 5 V 0 r I e sun g e n der Gedanke

in seiner ganzen Bedeutung schon ausgesprochen, und auch der

Zusammenhang mit dem wesentlichen Problem der Konstitu-tion erschaut.

Die Grundgedanken der 5 V 0 r I e sun ge n haben Husserl

nicht mehr Iosgelassen, wie uns die erhaltenen Manuskripte

zeigen, vondenen wir nur die wichtigsten und imunmittelbaren

Zusammenhang stehenden anfiihren wollen. Aus September 1907

und September 1908die Mss. B II 1,B II 2, dann die Vorlesung

von 1909"Idee der Phanomenologie und ihrer Methode" (F I 17),

die Vorlesung iiber erweiterte Reduktion 1910/11 (F I 43), die

Vorlesungiiber phanomenologische Reduktion von 1912(B II 19,)

schliefilich die Parallelvorlesung zu 1909 aus dem Jahre 1915

"Ausgewahlte phanomenologische Probleme" (F I 31). In einem

dieser Manuskripte (September 1907, B II 1) fiihrt Husserlfolgendes iiber seine neu gewonnene Stellung aus, imZusammen-

hang mit den Log i s c hen U n t e r s u c hun gen.

"Die ,Logischen Untersuchungen' lassen die Phanomeno-

logie als des k r iP t i V e P s y c hoi 0 gi e gelten (ob-

schon das erkenntnistheoretische Interesse in Ihnen das

maBgebende war). Man muB aber scheiden diese deskrip-

tive Psychologie, und zwar verstanden 'als empirische

Phanomenologie, von der t ran s zen den t a len Ph a-

n o m e n olo g ie ...

Was in meinen ,Logischen Untersuchungen' als des-

kriptive psychologische Phanomenologie bezeichnet wurde,

betrifft aber die bloBe Sphare der Erlebnisse nach ihrem

reellen Gehalt. Die Erlebnisse sind Erlebnisse erlebender

Ich, insofern sind sie empirisch bezogen auf Naturobjek-

titaten, Fiir eine Phanomenologie, die erkenntnistheoretisch

sein will, fiir eine Wesenslehre der Erkenntnis (a priori)

bleibt aber die empirische Beziehung ausgeschaltet. So \

erwachst eine t ran s zen den t a I e P han 0men 0-

log i e, die es eigentlich war, die in den ,Logischen Unter-

suchungen' in Bruchstiicken ausgefiihrt wurde.

In dieser transzendentalen Phanomenologie haben wir es

nun nicht zu tun mit apriorischer Ontologie, nicht mit for-

 

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x EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS

maler Logik und formaler Mathematik, nicht mit Geometrie

als apriorischer Raumlehre, nicht mit apriorischer Chrono-

metrie und Phoronomie, nicht mit apriorischer realer On-

tologie jeder Art (Ding, Veranderung etc.).

Die transzendentale Phanomenologie ist Phanomenolo-

gie des k 0 n s tit u i ere n den B ewu B t s e ins und

somit gehort kein einziges objektives Axiom (beziiglich auf

Gegenstande, die nicht BewuBtsein sind) in sie hinein ...

Das erkenntnistheoretische Interesse, das transzenden-

tale, geht nicht auf objektives Sein und auf Aufstellung von

Wahrheiten fiir objektives Sein, somit nicht auf objektive

Wissenschaft. Das Objektive gehort eben del' objektiven

Wissenschaft an, und was del' objektiven Wissenschaft hier

an Vollendung fehlt, das zu erreichen ist ihre Sache und nul'

ihre allein. Das transzendentale Interesse, das Interesse del'

t r a n s zen den t a len Ph a nom e n 0 log i e , geht

vielmehr auf das BewuBtsein als BewuBtsein, es geht nurauf P han 0men e, Phanomene im doppelten Sinn: 1)

im Sinne del' Erscheinung, in del' Objektitat erscheint, 2)

andererseits im Sinne del' Objektitat bloBinsofern betrach-

tet, als sie in Erscheinungen eben erscheint, und zwar

"transzendental", unter Ausschaltung aller empirischen

Setzungen ....

Diese Zusammenhange zwischen wah r h aft emS e in

und E r ken n e n klarzulegen und so tiberhaupt die Kor-

relationen zwischen Akt, Bedeutung, Gegenstand zu erfor-

schen, ist die Aufgabe del' transzendentalen Phanomeno-

logie (oder transzendentalen Philosophie)."

(Zitiert nach dem Originalmanuskript: B II 1, B1.25a f.).

Da dieses Manuskript, ebenso wie die F iin f V 0r 1e s u n-

g e n, aus 1907stammt, ware somit die Behauptung, daB Hus-

ser! erst mit den "Ideen zu einer reinen Phanomenologie" I,

(1913) zum Ide a lis mu s iiberging, zu korrigieren,

Gehalten wurden die F ii n f V 0r 1e sun g e n als Ein-

leitung zu del' Din gv 0 r I e sun g, einer vierstiindigen Vor-

lesung aus dem Sommersemester 1907. Die Dingvorlesung ge-

hort zu dem Vorlesungszyklus "Hauptstiicke aus del' Phano-

menologie und Kritik del' Vernunft", worin Husser! versucht,

die "allgemeine Aufgabe" einer "Kritik del' Vernunft" zu be-

i',

I : ' ,I i . 'I,I

EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS Xl

waltigen. Die Dingvor!esung selbst nennt er einen groBen Ver-

such, den .Versuch einer Phanomenologie del' Dinglichkeit und

insbesondere del' Raumlichkeit" (X X 5, S.24). Da in den

F ii n f V 0 r I e sun g e n del' Zielgedanke gerade del' del' Kon-

stitution ist, "daB zu jeder Grundart von Gegenstanden eine be-

sondere von del' Phanomenologie zu erforschende Konstitution

gehore", wird es nicht mehr befremden, daB Husser! nun gleich-

sam als Ausfuhrung soleheiner konstitutiven Forschung die Vor-

lesung iiber die Dingkonstitution anschloB.

Die Schuler scheinen jedoch die Bedeutung del' Dingvor-

lesung nicht erfallt zu haben, denn Husser! vermerkte am

6. III. 1908 (X X 5, S. 24). "Das war ein neuer Anfang, leider

von meinen Schiilern nicht so verstanden und aufgenommen,

wie ich es erhofft. Die Schwierigkeiten waren auch allzu groB

und konnten im ersten Anhieb nicht iiberwunden werden".

* *

*Die Anregung zur Veroffentlichung des vorliegenden Textes

als zweiter Band del' Gesammelten Werke stammt von Prof.

H. L. Van B r e d a O.F.M., dem Direktor des Husserl-Ar-

chivs. Ihm sei an diesel' Stelle fiir sein Entgegenkommen und

seine Ratschlage Dank ausgesprochen. Auch Herrn Pro f.

F r i t z K auf inann (Buffalo), Frau Dr. L. Gelber und

meiner Frau, sowie Herrn Prof. Dr. S. Strasser bin ich zu Dank

verpflichtet.

Louvain, Sept. 1947. WALTER BIEMEL

 

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DIE IDEE DER PHANOMENOLOGIE

(FUNF VORLESUNGEN)

N.V. VAN DE GARDE & CO'S DRUKKERIJ, ZALTBOMMEL Die Idee der Phiinomcnologic

 

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GEDANKENGANG DER VORLESUNGEN

Nat ti r Ii ch e s, urn die Schwierigkeiten der Erkenntnis-

moglichkeit unbekiimmertes Den ken in Leben und Wissen-

schaft - phi los 0phi s c h es Den ken, bestimmt durch

die Stellung zu den Problemen der Erkenntnismoglichkeit.

5 Die Verlegenheiten, in die sich die Reflexion tiber die Mog-

lichkeit einer die Sachen selbst treffenden Erkenntnis verwickelt;

wie kann Erkenntnis ihrer Ubereinstimmung mit den an sich

seienden Sachen gewiB werden, sie "treffen"? Was kiimmern

sich die Sachen an sich urn unsere Denkbewegungen und urn die

10 sie regelnden logischen Gesetze? Sie sind Gesetze unseres Den-

kens, psychologische Gesetze. - Biologismus, psychologische

Gesetze als Anpassungsgesetze.

Widersinn: man gerat zunachst, naturlich tiber die Erkenntnis

reflektierend und sie mit ihrer Leistung in das natiirliche Denk-

15 system der Wissenschaften einordnend, in ansprechende Theo-

rien, die aber jederzeit in Widerspruch oder Widersinn enden. -

Neigung zum offenen Skeptizismus.

Schon diesen Versuch einer wissenschaftlichen Stellungnahme

zu diesen Problemen kann man Erkenntnistheorie nennen. Je-20 denfalls erwachst die Idee einer Erkenntnistheorie als einer

Wissenschaft, welche die hier vorliegenden Schwierigkeiten los],

uns letzte, klare, also in sich einstimmige Einsicht in das Wesender Erkenntnis und die Moglichkeit ihrer Leistung gibt. - Er-

kenntniskritik in diesemSinne ist die Bedingung der Moglichkeit

25 einer Metaphysik.

Die Met hod e der Erkenntniskritik die phanomenolo-

gische, die Phanomenologie die allgemeine Wesenslehre, in die

sich die Wissenschaft vom Wesen der Erkenntnis einordnet.

Was ist das fiir eine Methode, wie kann, wenn Erkenntnis

30 iiberhaupt ihrem Sinn und ihrer Leistung nach in Frage gestellt

ist, eine Wissenschaft von der Erkenntnis sich etablieren, welche

Methode kann da zum Ziele fiihren?

 

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4 GEDANKENGANG DER VORLESUNGEN

A. D e r p han 0men 0 log i s chen Bet r a c h tun g

e r s t eSt u f e.

1) 1m ersten Moment wird man bedenklich, ob soleh eine

Wissenschaft iiberhaupt moglich ist. Setzt sie alle Erkenntnis

in Frage, wie kann sie da anfangen, da jede als Ausgang ge-

wahlte Erkenntnis mit in Frage gestellt ist?

5 Indessen das ist eine bloB scheinbare Schwierigkeit. Nicht

gel e u gnet und nicht in jed em Sinn als etwas Zweifel-

haftes hingestellt ist die Erkenntnis dadurch, daB sie "in Frage

gestellt wird". Die Frage richtet sich auf gewisse Leistungen, die

ihr zugemutet werden, wobei es sogar noch offen steht, ob die

10 Schwierigkeiten aIle moglichen Erkenntnistypen betreffen. Je-

denfalls wenn die Erkenntnistheorie sich auf die Moglichkeit

der Erkenntnis richten will, muB sie Erkenntnisse haben iiber

Erkenntnismoglichkeiten, die als solehe zweifellossind, und zwar

Erkenntnisse im pragnantesten Sinn, denen Triftigkeit eignet,

15und iiber cihre» eigene Erkenntnismoglichkeit, deren Triftigkeit

absolut zweifellos ist. Wenn unklar und zweifelhaft geworden

ist, wie Triftigkeit der Erkenntnis moglich sei, und wenn wir

geneigt werden zu zweifeln, ob dergleichen moglich sei, miissen

wir zunachst zweifellose Falle von Erkenntnissen oder moglichen

20Erkenntnissen im Auge haben, die ihre Erkenntnisgegenstande

wirklich treffen, bzw. treffen wurden. Anfangend diirfen wir

keine Erkenntnis als Erkenntnis hinnehmen, sonst hatten wir

eben kein mogliches oder, was das selbe ist, sinnvolles Ziel.

Da bietet uns einen Anfang die Car t e s ian i s c h e

25Zweifelsbetrachtung: das Sein der cogitatio, des

Erlebnisses wahrend des Erlebens und in schlichter Reflexion

darauf, ist unzweifelhaft : das schauende direkte Erfassen undRaben der cogitatio ist schon ein Erkennen, die cogitationes sind

die ersten absoluten Gegebenheiten.

30 2) Daran kniipft sich naturgemaf die e r s t e e r ken n t-

ns t h e o r e t is c h e Reflexion an:

Was macht in diesen Fallen die Unfraglichkeit aus und Ihnen

gegeniiber bei anderen Fallen pratendierter Erkenntnis die Frag-

lichkeit? Warum bei gewissen Fallen die Neigung zum Skepti-

35zismus und die Zweifelsfrage: wie kann ein Sein getroffen werden

in der Erkenntnis, und warum bei den cogitationes dieser Zweifel

und diese Schwierigkeit nicht?

GEDANKENGANGDER VORLESUNGEN

Man antwortet zunachst - das ist eben die nachstliegende

Antwort - mit dem Begriffspaar oder Wortpaar 1m man e n z

und T ran s zen den z. Die schauende. Erkenntnis der

cogitatio ist immanent, die Erkenntnis der objektiven Wissen-

5schaften, der Natur- und Geisteswissenschaften, aber naher

besehen auch der mathematischen Wissenschaften, ist trans-

zendent. Bei den objektiven Wissenschaften besteht die B e-

den k I i ch k e i t d e r T ran s zen den z, die Frage: wie

kann Erkenntnis iiber sich hinaus, wie kann sie ein Sein treffen,

10das im Rahmen des BewuBtseins nicht zu finden ist? Diese

Schwierigkeit fallt bei der schauenden Erkenntnis der cogitatio

weg.

3) Zunachst ist man geneigt und halt das fiir selbstverstand ..

lich, die Immanenz als reelle Immanenz zu interpretieren und

15wohl gar psychologisch als rea I elm man e n z: imErkennt-

niserlebnis, wie es eine reale Wirklichkeit ist, oder im Ichbe-

wuBtsein, dem das Erlebnis angehort, findet sich auch das Er-

kenntnisobjekt. DaB im selben BewuBtsein undim selben realen

Jetzt der Erkenntnisakt sein Objekt finden und treffen kann,

20das halt man fiir das Selbstverstandliche, Das Immanente ist,

wird hier der Anfiinger sagen, in mir, das Transzendente auBer

mir.

Bei naherer Betrachtung scheidet sich aber r e e I I e I m-

man e n z und I mman e n z i m Sin ned e r i n d e r

25Evidenz sich konstituierenden Selbstge-

ge ben h e i t. Das reell Immanente gilt als das Zweifellose,

eben weil es nichts anderes darstellt, nichts iiber sich "lllnaus-

meint" , weil hiebei was gemeint auch voll und ganz adaquat

selbstgegeben ist. Andere Selbstgegebenheit als die des reell30Immanenten tritt zunachst noch nicht in den Gesichtskreis.

4) Also zunachst wird nicht geschieden. Die erste Stufe der

Klarheit ist nun die: reell Immanentes oder, was hier dasselbe

besagt, adaquat Selbstgegebenes ist fraglos, das darf ich be-

niitzen. Transzendentes (nicht reell Immanentes) darf ich nicht

35beniitzen, also ich muB p han 0men 0 log is c heR e d u k- '\

t ion, A u s s chi u B a II e r t ran s zen den ten S e t- J

z u n g e n v 0IIz i e hen.Warum? 1st mir unklar, wie Erkenntnis Transzendentes tref-

fen kann, nicht Selbstgegebenes sondern "Rinausgemeintes",

5

 

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6 GEDANKENGANG DER VORLESUNGEN

so kann mir zur Klarheit sicher keine der transzendenten Er-

kenntnisse und Wissenschaften etwas helfen. Was ich will ist

KIa r h e i t, verstehen will ich die Mag 1i ch k e i t dieses

Treffens, d.h. aber, wenn wir den Sinn davon erwagen: das

5 Wesen der Moglichkeit dieses Treffens will ich zu Gesicht be-

kommen, es schauend zur Gegebenheit bringen. Ein SchauenlaBt sich nicht demonstrieren; der Blinde, der sehend werden

will, der wird es nicht durch wissenschaftIiche Demonstrationen;

physikalische und physiologische Farbentheorien ergeben keine

10 schauende Klarheit des Sinnes von Farbe, wie ihn der Sehende

hat. Ist also,wie ausdieserErwagung zweifelloswird, die Erkennt-

niskritik eine Wissenschaft, die immerfort nur und fur aIle

Erkenntnisarten und Erkenntnisformen aufklaren will, so kann

sie von k e i n ern a t ti r 1i chen W iss ens c h aft

15 Ge bra u ch mac hen; an ihre Ergebnisse, ihre Seinsfest-

stellungen hat sie nicht anzukntipfen, diese bleiben fur sie in

Frage. AIleWissenschaften sindfiir sienur Wi sse n s c h aft s-

p han 0men e. Jede solche Ankntipfung bedeutet eine fehler-

hafte [.L€'t"&~OI.o"L~. Sie kommt auch nur zustande durch eine fehler-

20 hafte aber freiIich oft naheliegende Pro b 1em v e r s chi e-

bun g: zwischen psychologisch naturwissenschaftIicher Er-

klarung der Erkenntnis als Naturtatsache und Aufklarung der

Erkenntnis nach Wesensmoglichkeiten ihrer Leistung. Es bedarf

also, urn diese Verschiebung zu meiden und bestandig des Sinnes

25 der Frage nach dieser MagIichkeit eingedenk zu bleiben, der

p han 0men 0 log i s c hen Red u k t ion.

r Sie besagt: alles Transzendente (mir nicht immanent Gege-

bene) ist mit dem Index der Nullitat zu versehen, d.h. seine

Existenz, seine Geltung ist nicht als solche anzusetzen, sondern30 hochstens als Gel tun gs p han 0men. Uber aIle Wissen-

schaften darf ich nur verftigen als Phanomene, also nicht als

Systeme geltender, als Pramisse, selbst als Hypothese fiir mich

als Ansatz zu verwendender Wahrheiten, z.B. die ganze Psycho-

logie, die ganze Naturwissenschaft. Indessen der eigentliche

35 Sin n des P r i n zip s ist die bestandige Aufforderung, bei

den Sachen, die hie r in der Erkenntniskritik in Frage sind, zu

bleiben und die hie r liegenden Probleme nicht mit ganz

anderen zu vermengen. Aufklarung von Erkenntnismoglich-

keiten Iiegt nicht auf den Wegen objektiver Wissenschaft. Die

GEDANKENGANG DER VORLESUNGEN 7

Erkenntnis zur evidenten Selbstgegebenheit bringen und darin

das Wesen ihrer Leistung schauen wollen, das heiBt nicht dedu-

zieren, induzieren, ausrechnen usw., es heiBt nicht, aus schon

gegebenen oder als gegeben geItenden Sachen neue Sachen mit

5 Grund herleiten.

B. D e r p han 0men 0 log i s chen Bet r a c h tun g

z wei t eSt u f e.

Es bedarf nun einer n e u enS chi c h t von Bet r a c h-

tun ge n, urn uns das Wesen der phanomenologischen For-

schung und ihrer Probleme auf eine hohere Stufe der Klarheit

zu bringen.

10 1) Zunachst schon die Cartesianische cogitatio bedarf der

phanomenologischen Reduktion. Nicht das psychologische Pha-

nOll}enin der psychologischen Apperzeption und Objektivation

ist wirklich eine absolute Gegebenheit, sondern nur das rei n e

Ph a nom e n, das reduzierte. Das erlebende Ich, das Objekt,

15 der Mensch in der Weltzeit, das Ding unter Dingen etc. ist keine

absolute Gegebenheit, also auch nicht das Erlebnis als sein

Erlebnis. W i r v e r l a sse n end gil t i g den Bod e n

de r P s y c hoI 0g i e, s e1b s t de r des k r ip t i v e n.

Damit red u zie r t sich auch die ursprtinglich treibende

20 Frage: nicht wie kann ich, dieser Mensch, in meinen Erlebnissen

ein Sein an sich, etwa drauBen auBer mir und dgl. treffen; an

Stelle dieser von vornherein mehrdeutigen und vermoge ihrer

transzendenten Belastung schillernden komplexen Frage tritt

jetzt die rei neG run d f rag e: wiekann das reine Erkennt-

25 nisphanomen etwas treffen, wasihm nicht immanent ist, wiekann die absolute Selbstgegebenheit der Erkenntnis eine Nicht-

Selbstgegebenheit treffen und wie ist diesesTreffen zu verstehen?

Zugieich reduziert sich der Begriff der r e e 1 1 e n I m ma-

n e n z, sie bedeutet nicht mehr mit die rea Ie Immanenz,

30 Immanenz im BewuBtsein des Menschen und im realen psychi-

schen Phanomen,

2) Haben wir die erschauten Phanomene, so scheint es, daB

wir auch schon eine Phanomenologie haben, eine Wissenschaft

von diesen Phanomenen.

35 Aber sobaIdwir da anfangen, bemerken wir eine gewisse Enge,

 

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8GEDANKEN GANG DER VORLESUNGEN

das Feld der absoluten Phanomens - diese in ihrer Einzelheit

genommen - scheint nieht ausreichend unsere lntentionen zu

befriedigen. Was sollen uns die einzelnen Schauungen, mogen

si~noch sosicher uns cogitationes zur Selbstgegebenheit bringen,

5 I:lsten? DaB man auf Grund dieser Schq_uungenlogische Opera-

tionen vornehmen, vergleichen, unterscheiden, unter Begriffe

bringen, pradizieren kann, scheint zunachsr selbstverstandlich

obschon dahinter, wie sich spater herausstellt, neue Objektivi~

taten stehen. Aber diese Selbstverstandlichkeit zugelassen und

10 n~c~tweiter erwogen, ist nicht zu sehen, wie sich hier allgemein

glltIge Feststellungen der Art machen lassen sollen, die wir hierbrauchen.

Aber eines scheint uns weiter zu helfen: die ide i ere n d e

..~. A b ~t r a k t ion. Sie ergibt uns einsichtige Allgemeinheiten,

15 Spezies, Wesen und damit scheint das erlosends Wort gesprochen:

wir suchen ja schauende Klarheit fiber das Wesen der Erkennt-

nis. Erkenntnis gehort unter die Sphare der cogitationes, also

haben wir schauend ihre allgemeinen Gegenstandlichkeiten indas AllgemeinheitsbewuBtsein zu erheben und eine Wesenslehre

20 der Erkenntnis wird moglieh.

Wir volIziehen diesen Schritt in AnschluB an eine Betrachtung

v~n Desc~rtes ii~er die k I are u n d dis tin k t e Per z e P:

t Ion. DIe "Exlstenz" der cogitatio ist gewahrleistet durch ihre

a b sol ute S e I b s t g e g e ben h e i t, durch ihre Gege-

25 benheit in rei n erE vi den z. Wo immer wir reine Evidenz

haben, reines Schauen und Fassen einer Objektivitat, direkt

und selbst, da haben wir dieselben Rechte, dieselben Unfrag-lichkeiten.

Dieser Schritt ergab uns eine neue Objektivitat als absolute

30 Gegebenheit, die W e sen sob j e k t i v ita t, und da von

vornherein die logischen Akte, dieim Aussagen auf Grund des

Erschauten sich auspragen, unbemerkt bleiben, so ergibt sich

hier zugleich das Feld der We sen s a u s s ag e n, bzw. der

generellen, im reinen Schauen gegebenen Sachverhalte. Also

35 zunachst ungeschieden von den einzelnen allgemeinen Gegeben-heiten.

3) Raben wir darnit nun schon alles, haben wir damit die

vollbegrenzte Phanomenologie und die klare Selbstverstand-

lichkeit, im Besitz dessen zu sein, was wir erkenntniskritiseh

GEDANKEN GANG DER VORLESUNGEN 9

brauchen? Und haben wir Klarheit iiber die Probleme, die zu

Iosen sind?

Nein, der Sehritt, den wir getan, fiihrt uns weiter. Zunachst

macht er uns kIar, daB r e e 11elm man e n z (bzw. Trans-

5 zendenz) nur ein Spezial£all des wei t e r ~ n B e ~ r iff e s

d e rIm man e n z ii b e r h a u p t ist. Es ist nun mcht mehr

selbstverstandlich und unbesehen einerlei: a b sol u t g e g e-

ben und r e e II i mman e n t; denn das Allgemeine ist

absolut gegeben und nieht reell immanent. Die. E ~ken n t n! s7

10 des Allgemeinen ist etwas Singulares, ist jeweils emMoment 1m)

Strome des BewuBtseins; das All gem e in e s e 1b s t; das

darin gegeben ist in Evidenz, ist aber kein Singulares sondern

eben ein Allgemeines, somit im reellen Sinne transzendent. .

Folglich gewinnt der Begriff der ph a n 0~ e n 0 log l-

IS s e hen Red u k t ion eine nahere, tiefere Bestimmung und

einen klareren Sinn: nicht Ausschluf des reell Transzendenten

(etwa gar im psychologisch-empirisehen .Sinn),. sondern Aus-

schluf des Transzendenten iiberhaupt als emer hmzunehmenden

Existenz, d.h. alles dessen, was nieht evidente Gegebenheit

20 ist im echten Sinn, absolute Gegebenheit des reinen Schauens.

Aber natiirlich bleibt alles bestehen, was wir sagten: wissen-

sehaftlich induzierte oderdeduzierte, ausHypothesen, Tatsachen,

Axiomen abgeleitete Geltungen, Wirklichkeiten etc. bleiben

ausgeschlossen und zulassig nur als "Phanomene" und ebenso

25 natiirlich jeder Rekurs auf irgendein "Wissen", auf irgendeine

Erkenntnis"· die Forsehung hat sich eben im rei n e n

S c h au e n zu halten, aber darum nieht an das reell lmmanente/

sie ist Forschung in der Sphare reiner Evidenz und zwar Wesens-

forschung. Wir sagten auch, ihr Feld ist d a sAp rio r i in-30 n e r h a I b d era b sol ute n S e Ib s t ge ge ben h eit.

So ist also das Feld jetzt eharakterisiert; es ist ein Feld abso-

luter Erkenntnisse, fiir das lch und Welt und Gott und die

mathematischen Mannigfaltigkeiten und was immer fiir wissen-

schaftliche Objektivitaten dahingestellt bleiben, die also auch

35 von Ihnen nieht abhangig sind, die gelten was sie gelten, ob man

in Bezug auf jene Skeptiker ist oder nieht. All das bleibt also

bestehen. Das Fundament von allem aber ist d a s E r f ass e n

des Sin n e s d era b sol ute n G eg e ben h e i t, d e r

a b sol ute n KIa r h e i t des G e g e ben s e ins, das

 

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10GEDANRENGANG DER VORLESUNGEN

L jeden sinnvollen Zweifel au"chlieDt, mit einem Wort de, a b-

J . - sol u t s ch au end e n, S e Ib s t e r fa Sse n de n E v i-

den z. GewissermaBen in ihrer Entdeckung liegt diehistorische

Bedeutung der Cartesianischen Zweifelbetrachtung. Aber ent-

5 decken und fallen lassen war beiDescartes eines. Wir tun nichts

weiter als reinlich fassen und konsequent fortftihren, was in

dieser uralten Intention schon lag. --'-Mit der Psychologistischen

Geftihlsinterpretation der Evidenz haben wir uns in diesemZusammenhang auseinandergesetzt.

C. D e r p h ii nom e n 0 log i s c hen Bet r a c h tung

d r itt eSt u f e.

10 Abermals bedarf es nun einer neuen Schicht von Dberlegungen,

urn uns in der Klarheit tiber den Sinn der Phiinomenologie und

phiinomenologischen Problematik hoher zu ftihren.

Wie weit reicht Selbstgegebenheit? Ist sie beschlossen

in der

Gegebenheit der cogitatio und der sie generell fassenden Ideatio,

15 nen? Soweit sie reicht, soweit<reichr, unsere phiinomenologische

Sphiire, die Sphiire der absoluten Klarheit, der Immanenz imechten Sinn.

Wir wurden nun etwas mehr in die Tiefe gefiihrt, und in den

Tiefen liegen die Dunkelheiten und in den Dunkelheiten die20 Probleme.

Zuniichst schien alles schlicht und kaum sehr schwierige

Arbeit von uns fordernd. Das Vorurteil der Immanenz als reeller

Immanenz, als ob es auf sie gerade ankomme, mag man ab-

werfen, aber an der reellen Immanenz bleibt man doch zuniichst

25 haften, wenigstens in gewissem Sinne. Es scheint zuniichst, daB

die Wesensbetrachtung nur das den cogitat iones reell Immanentegenerell zu fassen und die in den Wesen griindenden Verhalt-

nisse festzustellen habe ; also scheinbar eine leichte Sache. Man

iibt Reflexion, blickt auf die eigenen Akte zurtick, liiBt ihre

30 reellen Inhalte, wie sie sind, gelten, nur unter phiinomenologi_

scher Reduktion; dies scheint die einzige Schwierigkeit. Und

nun natiirlich nichts weiter als das Geschaute in das Allgemein-heitsbewuBtsein zu erheben.

Die Sache wird aber weniger gemtitlich, wenn wir uns die

35 Gegebenheiten naher ansehen. Zuniichst: die cogitat iones , die

11EDANKENGANG DER VORLESUNGEN

h . f· 0 gar nichts Mysteriosesir als schlichte Gegeben eiten ur s

halten, bergen allerlei Transzenddenzen. chten wie im Erlebnis. naher zusehen un nun a, .

Wenn W1r h ha omenologischer Reduktion,etwa eines Tones, auch nac

dPEan he i n end e s g e g e n-

E h e i ung un rsc d

5 sich r s c e 1n ..b etzen in mit ten e rd ich gegenu ersii b e r set zen un Sl . t 1 der echten Immanenz, so

rei n e " G e g eben h e 1 'daso t twa. da haben wir die

. t tzig Der Ton auer e , itwerden W1rs u. T d seiner Zeitstrecke rrn. b Einheit des ones un

evident gege ene h d den Vergangenheitsphasen;10 ihren Zeitphasen, de: Jetztp .ase u~as Phanomen der Tondauer,

andrerseits, wenn wir reflekber~n,. ili e Jetztphase hat und

das selbst ein zeitliches ist, sed1~e~we1h~rausgegriffenen J etzt-h .t phasen Un m emer

seine Gewesen ei s . ". e enstandlich das J etzt des

phase des Phanomens ist mcht .n~rtgi:t nur ein Punkt in einer

15 Tones selbst, sondern das Tonje z

Tondauer. .. t schon _ ausfiihrliche Analysen

Diese Andeutung gen~g A f aben in der Folgezeit ge-

werden zu unseren spez1el~:ue ~~merksam zu machen: das

horen -, urn uns auf das nd zwar der evidenten und

20 Phanomen der Ton~vahr~e~:;;gi;manenz eine Unterscheidung

reduzierten, fordert inner a dEc h e i n end em. AlsoE heinung un rs

zwischen r s c . h b ir die Gegebenheit deszwei absolute Gegebenhe1ten

ha.tendW1 Gegenstandes und der

. d die Gegeben et es ,Erscheinens un 1 '. ht in dem reellen

d . t . h lb dieser Immanenz me25 Gegenstan is mner a. . ht St ..ck der Erscheinung: nam-

. . ent 1 ) er ist me uSinne unmanent+j, d Tondauer sind jetzt noch geg~n-

lich die vergangenen ~hasen ~r. Jetztpunkt der Erscheinung

standlich und doch mcht ree 1~ h beim Allgemeinheits-

enthalten. Also dasselbe, w~s BW1raBu~einst das eine Selbst-Bt . f den daB es em ewu, d

30 bewu se1~ an .'. d. nicht im Reellen enthalten ist ungegebenheit konsbtmert: ~e f d . t das finden wir auchiiberhaupt nicht als cogitaiio zu m en is ,

beimPhanomen der Wahrnehmung. imStande der Naivi-

Auf der unterst~~ Stufe der Be:;:~!~::~z ein bloBes Schauen,

35 tat, scheint es zun.achst sOGa~s:s iiberall ein und dasselbe und

ein wesenloser Bhck des e1sSh haut eben die Sachen,

in sich unterschiedslos: das c auen sc

1) Ir n Ms transeen.dent. •

 

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12 GEDANKENGANG DER VORLESUNGEN

die Sachen sind einfach da d iimBewuBtsein da und d

USnh rmwahrhaft evident en Schauen

hi

,as c auen schaut b . fn. Oder mit dem Bild d e en em ach auf sie

1 e aus em ande . S· .Fassen oder Nehmen ode H.. ren mn: em direktes

5 und da ist. Aller Unt rhimdZ~lgen auf etwas, das einfach ist

. ersc e <1St>also .. d S .sich sind und durch sich ih U t .m en achen, die furUnd nun wi re n erschiede haben

nun wie anders erweist sich d S .naherer Analyse Mag as chauen der Sachen bei

. man unter dem Tit 1 Adas an sich unbeschreibliche und .1 e ufmerksamkeit

10 festhalten, so zeigt es sich doch untersChle?slose Schauen noch

Sinn hat von Sachen h ,daB es eigentlich gar keinenzu spree en di . f h .

nur geschaut werden brauchen ' e em.ac da sind und eben

das sind gewisse Erl b . ' sondern dieses "einfach dasein"e msse von sp ifi h

Struktur, als da ist W h h ezi lSCer u~d wechselnder

15 Pradikation u sw u d . a .hrne

m~ng, Phantasie, Erinnerung.. ., n m 1 nen smd . ht di '

in einer Hulse oder einem GefaB s ~lC . Ie.Sachen etwa wie

t u i ere n sich die Sachen .' on .er~ m Ihnen k0n s t i-

den sind. "Gegebensein der' s~~~;e;~l ~nI~nen .gar nicht zu fin-

so1chen Phanomenen d tIn, as 1Stsich so und so in

d

. arselen(v tIl·20 abel sind nicht etw di S orges e t sem). Und

selbst da und "schicke: i~~a:~~en dan~ ~och einmal fur sich

hinein". Dergleichen kann ~Btsel~ ihre Reprasentanten

Sphare der phanomenologi :ns ;l~ht ~mfallen innerhalb der

sind und sind in der E hei en e uktion, sondern die Sachenrsc emung und ve .. d

25 selbst gegeben· sie sind d I rmoge er Erscheinung. ' 0 er ge ten von d E hei

als mdividuell abtrennba f . er rsc emung zwar

E

. r, so ern es nicht f di .rschemung (Gegebenh it b B. au lese emzelne. el s ewu tsem) ank t

~ hell, dem Wesen nach un bt b . omm , aber essen-I . ' a renn ar. .

" Also das zeigt sich iiberall diL 30 zwischen E r ken n t n ish.. lese wunderbare Korrelation

n i sob j e k t Nun m k p .anom en und E r ken n t-.. er en wir, daB die Auf b d ..

menologie, oder vielmehr das Feld ih ga e er Phano-

suchungen keine sotriviale S h . t r e r Aufgaben und Unter-

bloB die Augen aufzumache:ch:~~: a s obma~ bloBzu schauen,

35 einfachsten Fallen bei d . d . Schon bel den ersten und,len me ersten F d

stellen sich der reinen Anal ormen er Erkenntnis,

groBten Schwierigkeiten ent ::e .und. Wes~nsbetrachtung die

der Korrelation zu sprech g gbn, es 1Stleicht, allgemein von

Ekenntni en, a er sehr schwer di At· .r enntmsobjekt sich idE .' re r, wie em

n er rkenntnis k 0n s tit u ie r t,

\

GEDANKENGANG DER VORLESUNGEN13

zur K1arheit zu bringen. Und die Aufgabe ist nun doch die,

innerha1b des Rahmens reiner Evidenz oder Se1bstgegebenheit

a 11enG e g e ben h e its for men u n d a 11e n K 0r-

re I a t ion e n n a c h z u g ehen und an allen die auf-

5 kllirende Analyse zu betreiben. Und naturlich kommen da nicht

nur die einzelnen Akte in Betracht, sondern auch ihre Kom-plexionen, ihre Zusammenhange der Einstimmigkeit und Un-

stimmigkeit und die daran zutage tretenden Teleologien. Diese

Zusammenhange sind nicht Konglomerationen sondern eigen-

10 tiimlich verbundene, sich gleichsam deckende Einheiten und

Einheiten der Erkenntnis, die als Erkenntniseinheiten auch ihre

einheitlichen gegenstandlichen Korrelate haben. Also sie gehoren

selbst mit zu den E r ken n t n is a k ten, ihre Typen sind

Erkenntnistypen, die Ihnen einwohnenden Formen die Denk-

15 formen und Anschauungsformen (dasWort hier nicht im kanti-

schen Sinne verstanden).Es gilt nun, schrittweise den Gegebenheiten in allen Modifi-

kationen nachzugehen, den eigentlichen und uneigenHiche

n

,den schlichten und synthetischen, den sozusagen mit einem

20 Schlage sich konstituierenden und den sich ihrem Wesen nach

nur schrittweise aufbauenden, den abso1ut geltenden und den

eine Gegebenheit und Geltungsflille sich im ErkenntnisprozeB

in unbegrenzter Steigerung zueignenden.Auf diesemWege ge1angenwir schlieBlich auch zumVerstan4-

25 nis, wie das transzendente reale Objekt im Erkenntnisakt ge-

troffen (die Natur erkannt) werden kann, als was es zunachst

gemeint ist, und wie der Sinn dieserMeinung sich imfortlaufenden

Erkenntniszusammenhange (woferne er nur die gehorigen

Formen hat, die eben zur Konstitution des Erfahrungsobjektes

30 gehoren) schrittweise erfUllt. Wir verstehen dann, wie das Er-fahrungsobjekt kontinuierlich sich konstituiert und wie diese

Art der Konstitution ihm eben vorgeschrieben ist, daB es seinem

Wesen nach eben so1che schrittweise Konstitution fordert.

Offenbar liegen auf diesemWege diemethodischen Formen, die

35 fUr alle Wissenschaften bestimmend und fiir alle wissenschaft-

lichen Gegebenheiten konstitutiv sind, also die Aufklarung der

Wissenschaftstheorie und dadurch imp1izite die Aufklarung ailer

Wissenschaften: aber Ireilich nur imp1izite, d.h. Erkenntnis-

kritik wird, wenn diese ungeheure aufkHirende Arbeit geleistet

 

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14 GEDANKENGANG DER VORLESUNGEN

ist, Kritik an den Einzelwissenschaften zu uben befahigt sein

und damit befahigt zu ihrer metaphysischen Auswertung.

... Das sind also die Probleme der Gegebenheit, die Probleme der

fKonstitution von Gegenstandlichkeitenje-

~ ~ d erA r tin d erE r ken n t n i s.f Die Phanomenologie der

Erkenntnis ist Wissenschaft von den Erkenntnisphanomenen in

dem doppelten Sinn, von den Erkenntnissen als Erscheinungen,

Darstellungen, BewuBtseinsakten, in denen sich diese und jene

Gegenstandlichkeiten darstellen, bewuBt werden, passiv oder

10 aktiv, und andrerseits von diesen Gegenstandlichkeiten selbst

als sich so darstellenden. Das Wort Phanomen ist doppeisinnig

vermoge der wesentlichen Korrelation zwischen E r s c h e i n e n

und E r s c h e i n end em.' <l>CllV6( .LEVOV hei13t eigentlich das

Erscheinende und ist aber doch vorzugsweise gebraucht fur das

15 Erscheinen selbst, das subjektive Phanomen (wenn dieser grob

psychologisch mifizuverstehende Ausdruck gestattet ist).

In der Reflexion wird die cogitatio, das Erscheinen selbst

zum Gegenstande, und das beglinstigt die Ausbildung derAqui-

vokation. Endlich braucht nicht abermais betont zu werden,

20 daB, wenn von Erforschung der Erkenntnisgegenstande und der

Erkenntnismodi die Rede ist, diese immer als Wesensforschung

gemeint ist, die generell in der Sphare absoluter Gegebenheit

den Ietzten Sinn, die Mcglichkeit, das Wesen von Gegenstand-

Iichkeit der Erkenntnis und von Erkenntnis der Gegenstand-

25 lichkeit herausstellt.

Natiirlich hat die a 11 gem e i n e P han 0men 0 log i e

d e r Vern u n f t auch die parallel en Probleme fiir die Kor-

relation von We r tun g und We r t etc. zu losen. Gebraucht

man das Wort Phanomenologie so weit, daB<die>Analyse aller30 Selbstgegebenheit umspannt wiirde, sowtirden damit doch wohl

zusammenhanglose Data zusammenkommen: Analyse der sinn-

lichen Gegebenheiten nach ihren verschiedenen Gattungen usw.

I - das Gemeinsame ist dann imMethodischen derWesensanalyseI I in der Sphare der unmittelbaren Evidenz.

1. VORLESUNG

. h ft S 17 - PhilosophischeNattirliche Denkhaltung und wIsse.nscW~d ' .. 'he der Erkenntnis-

. h It S 18 - DIe 1 erspruc(reflexive) Denk a ung . . Die do elte Aufgabe der

reflexion in nattirl~che: ~instellung S.~~~ :ah~e E~~enntniskritik alswahren Erkenntmskntrk S. 22.. - Die neue Dimension der

Phanomenologie der Erkenntms S. 23. - W· h ft S 24d·· b der issensc a . .

Philosophie; ihre eigene Metho e gegenu er

 

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Ich habe in friiheren Vorlesungen unterschieden zwischen

nat iir I i cher und phi los 0phi s cher W iss e n-

s c h aft; die erstere entspringt aus der natiirlichen, die letztere

aus der philosophischen Geisteshaltung.

5 Nat ii r I i c h e G e i s t e s hal tun gist urn Erkenntnis-

kritik noch unbekiimmert. In der natiirlichen Geisteshaltung

sindwir anschauend und denkend den Sac hen zugewandt,

die uns jeweils gegeben sind und selbstverstandlich gegeben

sind, wenn auch in verschiedener Weise und in verschiedener

10 Seinsart, je nach Erkenntnisquelle und Erkenntnisstufe. In der

Wahrnehmung z.B. steht uns selbstverstandlich ein Ding vor

Augen; es ist da inmitten der anderen Dinge, lebendigen undleblosen, beseelten und unbeseelten, also inmitten einer Welt,

die partiell wie die einzelnen Dinge in die Wahrnehmung fallt,

15 partiell auchimZusammenhange der Erinnerung gegeben ist und

sich von da aus ins Unbestimmte und Unbekannte ausbreitet.

Auf diese Welt beziehen sich unsere Urteile. Uber die Dinge, '"

ihre Relationen, ihre Veranderungen, ihre funktionellen Ande-

rungsabhangigkeiten und Anderungsgesetze machen wir teils

20 singulare, teils allgemeine Aussagen. Wir driicken aus, was uns

direkte Erfahrung bietet. Den Erfahrungsmotiven folgend,

schlieBen wir vom direkt Erfahrenen (Wahrgenommenen und

Erinnerten) auf nicht Erfahrenes; wir generalisieren, wir iiber-

tragen dann wieder allgemeine Erkenntnis auf einzelne Falle,

25 oder deduzieren im analytischen Denken aus allgemeinen Er-

kenntnissen neue Allgemeinheiten. Erkenntnisse folgen nicht

bloB auf Erkenntnisse in der Weise der bloBen Aneinanderrei-

hung, sie treten zueinander in logische Beziehungen, sie folgen

auseinander, sie "stimmen" zueinander, sie bestatigen sich, ihre

30 logische Kraft gleichsam verstarkend.

Andrerseits treten sie zueinander auch in Verhaltnisse des

Widerspruchs und Widerstreits, sie stimmen zueinander nicht,

sie werden durch ge sic her t e Erkenntnis aufgehoben, zu

Die Idee der Phiinomenoiogie 2

 

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18 1. VORLESUNG

bloflen Erkenntnispratentionen herabgesetzt. Die Widerspriiche

entspringen vielleicht der Sphare der GesetzmaBigkeit der rein

pradikativen Form: wir sind Aquivokationen unterlegen, haben

Trugschliisse begangen, haben uns verzahlt oder verrechnet.

5 Steht es so, dann stellen wir die formale Einstimmigkeit her,

wir losen die Aquivokationen auf und dgl.

Oder die Widerspriiche storen den Motivationszusammen-

hang, der die Erfahrung stiftet: Erfahrungsgriinde streit en mit

Erfahrungsgriinden. Wie helfen wir uns da? Nun wir wagen

10 die Griinde fur die verschiedenen Bestimmungs- oder Erklarungs-

moglichkeiten ab, die schwacheren miissen den starkeren weichen

die nun ihrerserts solange gelten, ais sie eben Stand halten, d.h.

solange sie nicht einen ahnlichen Iogischen Kampf gegen neue

Erkenntnismotive, die eine erweiterte Erkenntnissphare her-

15 einbringt, auskampfsn mtissen.

Soschreitet die natiirliche Erkenntnis fort. Sie bemachtigt sich

in immer weiterem Umfamg der von vornherein selbstverstand.

lich existierenden und gegebenen und nur nach Umfang und

Inhalt, nach Elementen, Verhaltnissen, Gesetzen naher zu er-

20 forschenden Wirklichkeit. So werden und wachsen die verschie-

denen natiirlichen Wissenschaften, die Naturwissenschaften ais

Wissenschaften von der physischen und psychischen Natur,

die Geisteswissenschaften, andrerseits die mathematischen Wis-

senschaften, die Wissenschaften von den Zahlen, den Mannig-

25 faltigkeiten, den Verhaltnissen usw. In den Ietzteren Wissen-

schaften handelt es sich nicht urn reale Wirklichkeiten, sondern

urn ideale, an sich giiltige, im iibrigen aber auch von vornherein

fraglose Moglichkeiten.

In jedem Schritt der natiirlichen wissenschaftlichen Erkenntnis

30 ergeben und losen sich Schwierigkeiten, und sie tun es reinlog i s c h oder sac h I i c h, auf Grund der Antriebe oder

Denkmotive, die eben in den Sachen Iiegen, gieichsam von

Ihnen auszugehen scheinen ais For d e run g e n, die sie, diese

Gegebenheiten, an die Erkenntnis stellen.

35 Wir kontrastieren nun mit der nat ii r 1i c hen Den k-

h a I tun g, bzw. den naturlichen Denkmotiven die phi Io-

sop his c hen.

Mit dem Erwachen der Reflexion tiber das Verhaltnis von

Erkenntnis und Gegenstand tun sich abgrundtiefe Schwierig-

1. VORLESUNG

keiten auf. Die Erkenntnis, im natiirlichen Denken die aller-

selbstverstandlichste Sache, steht mit einem Mal ais Mysterium

da. Doch ich mull genauer sein. S e I b s t v e r s tan d I i c h

ist dem natiirlichen Denken die Moglichkeit der Erkenntnis.

5 Sich unendlich fruchtbar betatigend, in immer neuen Wissen-

schaften von Entdeckung zu Entdeckung fortschreitend hat das

natiirliche Denken keinen Anlafl, die Frage nach der Moglich-

keit der Erkenntnis iiberhaupt aufzuwerfen. Zwar wird ihm wie

alles, was in der Welt vorkommt, so auch die E r ken n t n i s

10 in g e w iss e r Wei s e zum Problem, sie wird zum Objekt

natiirlicher Forschung. Die Erkenntnis ist eine Tatsache der

Natur, sie ist Erlebnis irgendwelcher erkennender organischer

Wesen, sie ist ein psychologisches Faktum. Nach ihren Arten

und Zusammenhangsformen kann sie beschrieben, in ihren gene-

15 tischen Verhaltnissen erforscht werden wie jedes psychologische

Faktum, Andrerseits ist Erkenntnis ihrem Wesen nach E r-

ken n t n i s von G e gens tan d I i c h k e i t, und sie ist

es durch den ihr immanent en Sin n, mit dem sie sich aufGegenstandlichkeit be z i e h t. Auch in diesen Beziehungen

20 betatigt sich schon natiirliches Denken. Es macht die aprio-

rischen Zusammenhange der Bedeutungen und Bedeutungs-

geltungen, die apriorischen Gesetzmafiigkeiten, die zur Gegen-

standlichkeit a Iss 0I c her gehoren, in for m a I e r All-

gemeinheit zum Gegenstande der Forschung; es erwachst eine

25 rei neG ram mat i k und in hoherer Stufe eine reine

Logik (vermoge ihrer verschiedenen moglichen Begrenzungen

ein ganzer Komplex von Disziplinen) und wieder erwachst eine

normative und praktische Logik als eine Kunstlehre des Den-

kens und zumal des wissenschaftlichen Denkens.

30 Soweit stehen wir noch immer auf dem Boden des nat ii r-

I i chen Denkens 1) .

Aber gerade die soeben zu Zwecken einer Gegeniiberstellung

von Psychologie der Erkenntnis und reiner Logik und den Onto-

Iogien beriihrte Korrelation zwischen Erkenntniserlebnis, Bedeu-

35 tung und Gegenstand ist die Quelle der tiefsten und schwierig-

sten Probleme, in eins gefaDt des Problems von der Moglichkeit

der Erkenntnis.

1) Vgl. Beilage 1.

19

'~

 

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20 1. VORLESUNG

In allen ihren Ausgestaltungen ist die Erkenntnis ein psy-

chisches Erlebnis: Erkenntnis des erkennenden Subjekts, Ihr

stehen die erkannten Objekte gegentiber. Wie kann nun aber

die Erkenntnis ihrer Ubereinstimmung mit den erkannten Ob-

5 jekten gewiBwerden, wie kann sie tiber sich hinaus und ihre

Objekte zuverliissigtreffen? Die dem natiirlichen Denken selbst-verstandliche Gegebenheit der Erkenntnisobjekte in der Erkennt-

nis wird zum Ratsel, In derWahrnehmung soll das wahrgenom-

mene Ding unmittelbar gegeben sein. Da steht das Ding vor

10 meinem es wahrnehmenden Auge, ich sehe und greife es. Aber

dieWahrnehmung ist bloBErlebnis meines, deswahrnehmenden,

Subjektes. Ebenso sind Erinnerung und Erwartung, sind alle

darauf gebauten Denkakte, durch die es zur mittelbaren Setzung

eines realen Seins lind zur Festsetzung jederlei Wah r h e i t

15 tiber das Sein kommt, subjektive Erlebnisse. Woher weiB ich,

der Erkennende, und kann ich je zuverlassig wissen, daB nicht

nur meine Erlebnisse, diese Erkenntnisakte, sind, sondern auch

daB ist, was sie erkennen, ja daB tiberhaupt irgend etwas ist,das als Objekt der Erkenntnis gegentiber zu setzen ware?

20 Soll ich sagen: nur die Phanomene sind dem Erkennenden

wahrhaft gegeben, tiber den Zusammenhang seiner Erlebnisse

kommt er nie und nimmer hinaus, also kann er mit wahrhaftem

Rechte nur sagen: Ich bin, alles Nicht-Ich ist bloB Phanomen,

lost sich in phanornenale Zusammenhange auf? Soll ich mich

25 also auf den Standpunkt des Solipsismus stellen? Eine harte

Zumutung. Soll ich mit Hume alle transzendente Objektivitat

auf Fiktionen reduzieren, die sich mittels der Psychologie er-

klaren, aber nicht vernunftmiiBig rechtfertigen lassen? Aber

auch das ist eine harte Zumutung. Transzendiert nicht wie

30 jede, so auch die Hume'sche Psychologie die Sphare der Imma-

nenz? Operiert sie unter den Titeln: Gewohnheit, menschliche

Natur (human nature), Sinnesorgan, Reiz und dgl. nicht mit

transzendenten (und nach ihrem eigenen Eingestiindnis trans-

zendenten) Existenzen, wahrend ihr Ziel darauf gerichtet ist,

35 alles Transzendieren der aktuellen "Impressionen" und "Ideen"

zur Fiktion zu degradieren? 1) .

Aber was ntitzt die Berufung auf Widersprtiche, wenn die

1) Vgl. Beilage II.

I. VORLESUNG 21

Log i k se 1b s t in Frag e ist und problemati~ch wird.

In der Tat, die rea 1e Bed e u tun g de rIo g1Sc hen

Ge set z1 ich k e i t, die fur das nattirliche Denken auB~r

aller Frage steht, wird nun f rag 1i ch und se~bst zwe ~-

5 f e 1h aft. Biologische Gedankenreihen drangen sich auf. Wir

werden an die moderne Entwicklungstheorie erinnert, wonachsich der Mensch etwa im Kampf urns Dasein und durch natiir-

liche Zuchtwahl entwickelt hat, und mit ihm naturlich auch

sein Intellekt und mit dem Intellekt auch alle die ihm eigenttim-

10 lichen Formen naher die logischen Formen. Drucken danach

die logischen Formen und logischen Gesetz.enicht die zufallige

Eigenart der menschlichen Species aus, dl.e auch anders sem

konnte und im Verlauf der ktinftigen Entwicklung auch ~nders

sein wird? Erkenntnis ist also wohl nur men s ch 11 C h e

15 Erkenntnis, gebunden an die menschlichen .in-

tell e k t u ale n For men, unfiihig die Natur der Dmge

selbst, die Dinge an sich zu treffen. .

Aber alsbald springt wieder ein Unsinn hervor: die Erkenn~-nisse, mit denen eine solche Ansicht operiert und selbst d~e

20 Moglichkeiten, die sie erwagt, haben sie noch ~inn, wenn die

logischen Gesetze in solchem Relativis~lUs dahl.ngeg:b~n w~r-

den? Setzt die Wahrheit, es bestehe die und die Moghchkelt,

nicht die absolute Geltung des Satzes vomWiderspruch implizite

voraus, wonach mit einer Wahrheit die Kontradiktion ausge-

25 schlossen ist? .DieseBeispielemogengentigen. DieMoglichkeitderErkennt~ls

wird iiberall zum Ratsel. Leben wir uns in die nattirlichen WlS-

senschaften ein so finden wir, soweit sie exakt entwickelt sind,

alles klar und verstandlich. Wir sind sicher, imBesitz objektiver

30 Wahrheit zu sein, begrtindet durch zuverlassige, die Ob~ektivitiit

wirklieh treffende Methoden. So wie. wir aber reflektieren, ge-

raten wir in Irrungen und Verwirrungen. Wir verwickeln u~s

in offenbare Unzutriigliehkeiten und selbst Widersprtiche. Wir

sind in stiindiger Gefahr, in den Skeptizismus zu verfallen, oder

35 besser: in irgend eine der versehiedenen Formen des Skep-

tizismus, deren gemeinsames Merkmal leider ein und dasselbe

ist: der Widersinn.

Der Tummelplatz dieser unklaren undwiderspruchsvolle~

Theorien, sowie der damit zusammenhiingenden endlosen Strei-

~~f~

 

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221. VORLESUNG

tigkeiten, ist die E r ken n t n i S the 0 r i e und die mit ihr

historisch wie sachlich innig verwobene Met a p h y s i k. Die

Aufgabe der Erkenntnistheorie oder Kritik der theoretischen

Vernunft ist zunachst eine kritische. Sie hat die Verkehrtheiten

5 in welche die natiirliche Reflexion uber das Verhaltnis von

Er~e~ntnis, ..Erkenntnissinn und Erkenntnisobjekt fast unver-meldhchgerat, zubrandmarken, also die offenen oder versteckten

skeptischen Theorien tiber das Wesen der Erkenntnis durch

Nachweisung ihres Widersinns zu widerlegen.

10 Andrerseits ist es ihre positive Aufgabe, durch Erforschung

des Wesens der Erkenntnis die zur Korrelation von Erkenntnis

Erkenntnissinn und Erkenntnisobjekt gehOrigen Probleme zu;

Losung zu bringen. Zu diesen Problemen gehort auch die Her-

~usste!lung des Wesens-Sinnes von erkennbarer Gegenstand-

15 hchk~lt oder, w~s dasselbe ist, von Gegenstandlichkeit iiberhaupt:

des Smnes, der ihr vermoge der Korrelation von Erkenntnis und

Erken~tn~sgege~standlichkeit apriori (das ist dem Wesen nach)

vorgeschneben ist, Und dies betrifft natiirlichauch aIle durchdas Wesen der Erkenntnis vorgezeichneten Grundgestaltungen

20 v~nGegensta~dlichkei.ten iiberhaupt. (Dieontologischen Formen,

die apophantischsn wie metaphysischen.)

Eben durch die Losung dieser Aufgaben wird die Erkenntnis-

theorie zur Erkenntniskritik befahigt, deutlicher zur K r i t ik

d ern a t ii r 1i c hen E r ken n t n i s in allen natiirlichen

25 ~issenschaft~~ ..Sie setzt. uns dann namlich in Stand, die Ergeb-

. } ~lsse de~ n~turhchen Wlssenschaften hinsichtlich des Seienden

1~ der nchh~en und endgiltigen Weise zu interpretieren. Denn

die erkenntmstheoretische Verworrenheit, in die uns die natur-

liche (vorerkenntnistheoretische) Reflexion iiber Erkenntnis-

30 moglichkei~ (iibe~ eine mogliche Triftigkeit der Erkenntnis) ver-

setzte, bedmgt nicht nur falsche Ansichten iiber das Wesen der

Erkenntnis, sondern auch grundverkehrte, weil in sich selbst

widersprechende I n t e r pre tat ion e n des in den natiir-

~ichen Wisse~schaften erkannten Seins. Je nach der in Folge

35 jener Reflexionen fur notig erachteten Interpretation wird ein

~n~ dieselbe Naturwissenschaft in materialistischem, spiritua-

listischem, dualistischem, psychomonistischem, positivistischem

und m::ncherlei and.erm Sinn interpretiert~rst die erkenntnis-

theorehsche Reflexion erzeugt also die' Scheidung zwischen

)

I

I.VORl.ESUNG 23

nattirlicher Wissenschaft und Philosophie. Erst durch sie kommt

zutage, daB die natiirlichen Seinswissenschaften nicht endgiltige

Seinswissenschaften sind. Es bedarf einer Wissenschaft Yom

Seienden in absolutem Sinn? Diese Wissenschaft, die wir

5Metaphysik nennen, erwachst aus einer "Kritik" der natiir-

lichen Erkenntnis in den einzelnen Wissenschaften auf Grundder in der allgemeinen Erkenntniskritik gewonnenen Einsicht

in das Wesen der Erkenntnis und der Erkenntnisgegenstandlich-

keit nach ihren verschiedenen Grundgestaltungen, in den Sinn

10 der verschiedenen fundamentalen Korrelationen zwischen Er-

kenntnis und Erkenntnisgegenstandlichkeit,

Sehen wir von den metaphysischen Abzweckungen der Er-

kenntniskritik ab, halten wir uns rein an ihre Aufgabe, d a s

W e sen d erE r ken n t n i sun d E r ken n t n i s g e-

15 g ens tan d 1i c h k e ita u f z u k 1are n, so ist sie P h a -nom e n 0 log i e de r E r ken n t n i sun d E r ke n n t-

n i s g e g ens tan d 1i c h k e i t und bildet das erste und

Grundstiick der Phanomenologie iiberhaupt.Phanomenologie: das bezeichnet eine Wissenschaft, einen

20 Zusammenhang von wissenschaftlichen Disziplinen; Phanome-

nologie bezeichnet aber zugleich und vor allem eine Metho-

de und Denkhaltung: die spezifisch phi los 0phi s c h e

Den k hal tun g, die spezifisch phi los 0phi s c heM e-

tho d e.

25 In der zeitgenossischen Philosophie, soweit sie Anspruch

erhebt, ernste Wissenschaft zu sein, ist es fast zum Gemeinplatz

geworden, daB es nur eine allen Wissenschaften und somit auch

der Philosophie gemeinsame Erkenntnismethode geben konne.

Diese Uberzeugung entspricht vollkommen den groBen Traditio-

30 nen der Philosophie des 17. Jahrhunderts, die ja auch meinte,

alles Heil der Philosophie hange davon ab, daB sie die exakten

Wissenschaften zum methodischen Vorbild nehme, vor allem

also die Mathematik und die mathematische Naturwissenschaft.

Mit der methodischen hangt auch die sachliche Gleichstellung

35 der Philosophie mit den anderen Wissenschaften zusammen,

und man muBgegenwartig noch als die vorherrschende Meinung

bezeichnen, daB die Philosophie, und naher die oberste Seins-

und Wissenschaftslehre, nicht nur auf alle sonstigen Wissen-

schaften bezogen, sondern auch auf deren Ergebnisse gegriindet

 

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24 I.VORLESUNG

seinkonne :in derselbenArt wieWissenschaften sonst aufeinander

gegriindet sind, die Ergebnisse der einen als Pramissen fiir die

anderen fungieren konnen, Ich erinnere an die be1iebten Begrun-

dungen der Erkenntnistheorie durch Erkenntnispsychologie und

5 Biologie. In unseren Tagen haufen sich die Reaktionen gegen

diese verhangnisvollen Vorurteile. In der Tat, es sind Vor-

urteile.

In der natiirlichen Forschungssphare kann eine Wissenschaft

auf eine andere sich ohne weiteres bauen und kann die eine fiir

10 die andere als methodisches Vorbild dienen, wenn aueh nur in

gewissen durch die Natur der jeweiligen Forsehungsgebiete be-

stimmten und begrenzten AusmaBen. Die Phi los 0phi e

abe r 1ie g tin e i n e r v 0 11 i g n e u enD i men s ion.

Sie bedarf v 0 II i g n e u erA u s g a n gs pun k t e und

15 einer vollig neuen Methode, die sie von jeder "natiirlichen"

Wissensehaft prinzipiell unterseheidet. Darin liegt, daB die 10 -

gisehen Verfahrungsweisen, die den natiirlichen Wissenschaften

Einheit geben, mit allen von Wissenschaft zu Wissenschaft

wechseinden speziellen Methoden, einen einheitlichen prinzi-

20 piellen Charakter haben, dem sich die methodisehen Verfahrungs-

weisen der Philosophie gegeniibersetzen als eine im Prinzip

neue Einheit. Und wieder liegt darin, daB die rei n e Philoso-

phie innerhalb der gesamten Erkenntniskritik und der "kriti-

schen" Disziplinen iiberhaupt von der ganzen in den natiirlichen

25 Wissensehaften und in der wissenschaftlich nicht organisierten

natiirlichen Weisheit und Kunde geleisteten Denkarbeit absehen

muB und von ihr keinerlei Gebrauch machen darf.'

Vorwegwirduns dieseLehre, deren nahere Begriindung die wei-

teren Ausfiihrungen geben werden, durch folgende Uberlegung

30 nahe gebracht.Im skeptischen Medium, das die erkenntniskritische Reflexion

(iehmeine die erste, vor der wissenschaftliehen Erkenntniskritik

Iiegendeund in der natiirliehen Denkweise siehvollziehende) not-

wendig erzeugt, hort jede natiirIiche Wissensehaft und jede

35 natiirliche wissensehaftliche Methode auf, als ein verfiigbarer

Besitz zu gelten. Denn objektive Triftigkeit der Erkenntnis

iiberhaupt ist nach Sinn und Moglichkeit ratselhaft und dann

aueh zweifelhaft geworden, und exakte Erkenntnis wird dabei

nicht minder ratselhaft ais nicht exakte, wissensehaftliche nicht

I.VORLESUNG 25

)

minder als vorwissensehaftliche. Fraglich wird die Moglichkeit

der Erkenntnis, genauer dieMoglichkeit, wie sie eine Objektivitat,

die doeh in sichist, was sie ist, treffen kann. Dahinter aber liegt:

daB die Leistung der Erkenntnis, der Sinn ihres Geltungs- oder

5 Rechtsanspruches, der Sinn der Unterscheidung zwischen giltiger

und bloB pratendierter Erkenntnis in Frage ist; ebenso anderer-

seits der Sinn einer Gegenstandlichkeit, die ist und ist, was sie

ist ob sie erkannt wird oder nicht und die doch als Gegenstand-

Iichkeit Gegenstandlichkeit moglicher Erkenntnis ist, prinzipiell

10 erkennbar, auch wenn sie faktisch nie erkannt worden ist und

erkennbar seinwird, prinzipiell wahrnehmbar, vorstellbar, durch

Pradikate in einem moglichen urteilenden Denken bestimmbar

usw.

Es ist aber nicht abzusehen, wie ein Operieren mit Voraus-

15 setzungen, die der natiirlichen Erkenntnis entnommen und in

ihr noch so "exakt begriindet" sind, uns dazu verhelfen konne,

die erkenntniskritischen Bedenken zu losen, die erkenntnis-

kritischen Probleme zu beantworten. Ist Sinn und Wert dernatiirIichen Erkenntnis ii b e r h a u p t mit a II e n ihren

20 methodischen Veranstaltungen, mit allen ihren exakten Begriin-

dungen problematisch geworden, so trifft dies auch jeden als

Ausgangspunkt vorzugebenden Satz aus der natiirlichen Erkennt-

nissphare und jede vorgeblich exakte Methode der Begriindung.

Strengste Mathematik und mathematische Naturwissenschaft

25 hat hier nicht den mindesten Vorzug vor irgend einer wirklichen

oder vorgeblichen Erkenntnis der gemeinen Erfahrung~ Es ist also

klar, daBgar keine Rede davon sein kann, eshabe die Philosophie

(die doch mit der Erkenntniskritik anhebt und die mit allem,

was sie sonst ist, in der Erkenntniskritik wurzelt) sich nach

30 den exakten Wissenschaften methodisch (oder gar sachlich!)

zu orientieren, sie habe sich deren Methodik zum Vorbild zu

nehmen, es komme ihr zu, nach einer prinzipiell in allen Wissen-

schaften identischen Methodik die in den exakten Wissenschaften

geleistete Arbeit nur fortzufiihren und zu vollenden. Die Philo-

35 sophie liegt, ichwiederhole es, in einer gegeniiber aller natiirlichen

Erkenntnis n e u enD i men s ion, und der neuen Dimension,

moge sie auch, wie das schon in der bildlichen Rede liegt, ihre

wesentlichen Zusammenhange mit den alten Dimensionen haben,1

entspricht eine n eu e, von Grund auf neue Met hod e, die '

)

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26 I.VORLESUNG

der "natiirlichen" entgegengesetzt ist. Wer das leugnet, der

hat die ganze der Erkenntniskritik eigentiimliche Problemschicht

nicht verstanden und hat somit auch nicht verstanden, was

Philosophie eigentlich will und soll, und was ihr, aller natiirlichen

5 Erkenntnis und Wissenschaft gegeniiber, Eigenart und Eigen-

berechtigung verleiht. 1 )

I) Ursprunglicke Fortsetzung s. Anhang.

II. VORLESUNG

Der Anfang der Erkenntniskritik: das In-Frage-stellen jeglichen

Wissens S.29. - Gewinnung des absolut gewissen Bodens im AnschluB

an Descartes' Zweifelsbetrachtung S. 30. - Die Sphare der absoluten

Gegebenheiten S. 31. - Wiederholung und Erganzung ; Widerlegung

des Argumentes gegen die Moglichkeit einer Erkenntniskritik S. 32. -

Das Ratsel der naturlichen Erkenntnis: die Transzendendenz S.34. -

Scheidung zweier Begriffe von Immanenz und Transzendenz S. 35. ~

Das erste Problem der Erkenntniskritik: die Moglichkeit transzenden-

ter Erkenntnis S. 36. - Das Prinzip der erkenntnistheoretischen

Reduktion S. 39.

 

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1mAnfang der Erkenntniskritik ist also die ganze Welt, die

physische und psychische Natur, schlieBlich auch das eigene

menschliche Ich mitsamt allen Wissenschaften, die sich auf diese

Gegenstandlichkeiten beziehen,mit dem Index der F rag 1i ch-

5 k e it zu versehen. Ihr Sein, ihre Geltung bleibt dahingestellt.

Wie kann sich, das ist nun die Frage, E r ken n t n i s k r i-

t ike tab 1iere n? Als wissenschaftliche Selbstverstandi-

gung der Erkenntms will sie wissenschaftlich erkennend und

damit objektivierend feststellen, was Erkenntnis ihrem Wesen

10 nach ist, was im Sinne der Beziehung auf eine Gegenstandlich-

keit liegt, die ihr zugeschrieben wird, und der gegenstandlichen

Giltigkeit oder Triftigkeit, wenn sie, Erkenntnis im echten Vet-stande sein solI. Die htoX~' die die Erkenntniskritik iiben muB,

kann nicht den Sinn haben, daB sie damit nicht nur anfangt,

15 sondern auch dabei bleibt, jede Erkenntnis in Frage zu stellen,

also auch ihre eigene, und keine Gegebenheit gelten zu lassen,

also auch diejenige nicht, die sie selbst feststellt. Darf sie nichts

als v 0r g e g e ben voraussetzen, so muB sie mit irgendeiner

Erkenntnis anheben, die sie nicht anderweits unbesehen her-

20 nimmt, die sie sich selbst vielmehr gibt, die sie selbst als erste

setzt.

Diese erste Erkenntnis darf schlechthin nichts von der Un-

klarheit und Zweifelhaftigkeit enthalten, die Erkenntnissen sonst. ( .

den Charakter des Ratselhaften, Problematischen verleihen,

25 welcher uns schlieBlich so in Verlegenheit setzte, daB wir ver-

anlaBt wurden zu sagen, Erkenntnis iiberhaupt sei ein Problem,

eine unverstandliche, klarungsbedurftige, ihrem Anspruch nach

zweifelhafte Sache. Korrelativ ausgedriickt: wenn wir kein Sein

als vorgegeben hinnehmen diirfen, wei! die erkenntniskritische

30 Unklarheit es mit sich bringt, daBwir nicht verstehen, welchen

Sinn ein Sein haben kann, das a n sic h und doch in d e r

E r ken n t n i s e r k ann t s ei, so muB sich doch ein Sein

aufweisen lassen, das wir als absolut gegeben und zweifellos

 

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30 II. VORLESUNG

r

f anerkennen miissen, sofern es eben in einer Weise gegeben ist,

daB bei ihm vollige Klarheit besteht, aus der jede Frage ihre

unmittelbare Antwort findet und. finden muB.

Und nun erinnern wir uns an die Cartesianische Zweifelsbe-

5 trachtung. Die vielfaltigen Moglichkeiten des Irrtums und der

Tauschung bedenkend, mag ich in solch eine skeptische Ver-

zweiflung geraten, daB ich damit ende zu sagen: nichts steht mir

sicher, alles ist mir zweifelhaft. Aber alsbald ist evident, daB

mir doch nicht alles zweifelhaft sein kann, denn indem ich so

10 urteile, alles ist mir zweifelhaft, ist das unzweifelhaft, daB ich

so urteile, und so ware reswidersinnig einen universellen Zweifel

festhalten zu wollen.lUnd in jedem Falle eines bestimmten

Zweifels ist es zwtifellos gewiB, daB ich so zweifle. Und ebenso

bei jeder cogitatio.1Wie immer ich wahrnehme, vorstelle, urteile,

15 schlieBe,wie imm~r es dabei mit der Sicherheit oder Unsicher-

heit, der Gegenstandlichkeit oder Gegenstandslosigkeit dieser

Akte sich verhalten mag, im Hinblick auf das Wahrnehmen ist

es absolut klar und gewiB, daB ich das und das wahrnehme,imHinblick auf das Urteil, daBich das und das urteile usw.

20 Descartes hat diese Erwagung zu anderen Zwecken angestellt;

passend modifiziert konnen wir sie hier aber gebrauchen.

Fragen wir nach demWesen der Erkenntnis, soist, wieimmer

es mit' demZweifel an ihrer Triftigkeit und mit dieser selbst be-

schaffen sein mag, zunachst doch die Erkenntnis selbst ein

25 Titel fur eine vielgestaltige Seinssphare, die uns absolut gegeben

sein kann und in Einzelheiten jeweils absolut zu geben ist.

Namlich die Denkgestaltungen, die ich wirklich vollziehe, sind

mir gegeben, wofern ich auf sie ref l e k tie r e, sie rei n

s ch a u end aufnehme und setze. Ich kann in yager Weise

30 von Erkenntnis, von Wahrnehmung, Vorstellung, Erfahrung,Urteil, SchluB und dgl. reden, dann ist, wenn ich reflektiere,

freilich nur gegeben, aber auch absolut gegeben, diesesPhanomen

des vagen "von Erkenntnis, Erfahrung, Urteil usw. Redens und

Meinens". Schon diesesPhanomen derVagheit ist einsderjenigen,

35 die unter den Titel der Erkenntnis imweitesten Sinn fallen. Ich

kann aber auch eine Wahrnehmung aktuell vollziehen und auf

sie hinblicken, ich kann ferner eine Wahrnehmung mir in Phan-

tasie oder Erinnerung vergegenwartigen und auf sie in dieser

Phantasiegegebenheit hinblicken. Dann habe ich nicht mehr

II. VORLESUNG 31

eine leere Rede oder eine vage Meinung, Vorstellung von Wahr-

nehmung, sondernWahrnehmung steht mir gleichsam vor Augen

als eine aktuelle oder Phantasiegegebenheit. Und so fur jedes

intellektive Erlebnis, fur jede Denk- und Erkenntnisgestaltung.

5 Ich habe hier gleich schauende reflektive Wahrnehmung und

Phantasie zusammengestellt. Der Cartesianischen Betrachtung

folgend ware zunachst die Wahrnehmung herauszustellen: der

sogenannten inneren Wahrnehmung der traditionellen Erkennt-

nistheorie einigermaBen entsprechend, die freilich ein schillern-

10 der Begriff ist.

Jedes intellektive Erlebnis und jedes

E r 1eb n i sub e r h au p t , indem es vollzogen wird, k ann

z u m Gegenstand eines reinen Schauens und

F.ass ens gem a c h t we r den, u n din die s em

15 S ch au e n is t e s a b sol ute G e ge ben h e i t. Es ist

gegeben als ein Seiendes, als ein Dies-da, dessen Sein zu be-

zweifeln gar keinen Sinn gibt. Ich kann zwar uberlegen, was das

fur ein Sein ist und wie diese Seinsweise sich zu anderen ver-halt, ich kann ferner uberlegen, was hie r Gegebenheit besagt,

20 und kann, weiter Reflexion iibend, mir das Schauen selbst zum

Schauen bringen, in dem sich diese Gegebenheit, bzw. diese

Seinsweise konstituiert. Aber ich bewege mich dabei fortgesetzt

auf absolutem Grund, namlich : diese Wahrnehmung ist und

bleibt solange sie dauert ein Absolutes, ein Dies-da, etwas, das

25 in sich ist, was esist, etwas, an demichmessen kann als an einem

letzten MaB,was Sein und Gegebensein besagen kann und hier

besagen muB, mindestens natiirlich fur die Seins- und Gegeben-

heitsartung, die durch "Dies-da" exemplifiziert wird. Und das

gilt fiir aile spezifischen Denkgestaltungen, wo immer sie ge-

30 geben sind. Sie alle konnen aber auch in der Phantasie Gegeben-heiten sein, sie konnen "gleichsam" vor Augen stehen und doch

nicht dastehen als aktuelle Gegenwartigkeiten, als aktuell voll-

zogene Wahrnehmungen, Urteile usw. Auch dann sind sie in

einem gewissen Sinn Gegebenheiten, sie stehen a n s c h a u-

35 I i c h da, wir reden tiber sie nicht bloB in yager Andeutung, in

leerer Meinung,wir schauen sie und sie schauend konnen wir ihr

Wesen, ihre Konstitution, ihren immanenten Charakter heraus-

schauen und unsere Rede in reiner Anmessung an die geschaute

Fulle der Klarheit anschmiegen. Doch dies wird sogleich Er-

 

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32 II. VORLESUNG

ganzung fordern durch Er6rterung von Wesensbegriff und

Wesenserkenntnis.

{;Vorlaufig halten wir fest, daB eine Sphare von absoluter

Gegebenheit sich von vornherein bezeichnen laBt; und es ist

5 die Sphare, die wir gerade brauchen, wenn das Absehen auf

eine Erkenntnistheorie moglich sein soIl. In der Tat, die Un-

klarheit iiber die Erkenntnis hinsichtlich ihres Sinnes oder

Wesens fordert eine Wissenschaft von der Erkenntnis, eine

Wissenschaft, die nichts anderes will als Erkenntnis zu wesen-

10 hafter Klarheit bringen. Nicht Erkenntnis als psychologisches

Faktum will sie erklaren, die Naturbedingungen erforschen,

unter denen Erkenntnisse kommen und gehen, und die Natur-

gesetze, an die sie in ihremWerden und Wandeln gebunden sind:

das zu erforschen ist die Aufgabe, die sich eine natiirliche Wis-

15 senschaft stellt, die Naturwissenschaft von den psychischen

Tatsachen, von den Erlebnissen erIebender psychischer Indivi-

duen. Vielmehr will die Erkenntniskritik das Wesen der Erkennt-

nis und den zu ihrem Wesen geh6rigen Rechtsanspruch der

Geltung aufklaren, klar machen, ans Licht bringen; was heillt ."

20 das aber anderes als zur direkten Selbstgegebenheit bringen. 1 /

Wi e d e rho I u n gun d Erg a n z u n g. Natiirliche Er-

kenntnis in ihrem stetigen erfolgreichen Fortgang in den ver-

schiedenen Wissenschaften ist ihrer Triftigkeit ganz sicher und

hat keinen AnlaB, an der M6glichkeit der Erkenntnis und an dem

25 Sinn der erkannten Gegenstandlichkeit AnstoB zu finden. Sowie

aber die Reflexion sich auf die Korrelation von Erkenntnis und

Gegenstandlichkeit richtet (und eventuell auch auf den idealen

Bedeutungsgehalt auf der einen und der Erkenntnisgegenstand-

lichkeit auf der anderen Seite), stellen sich Schwierigkeiten ein,30 Unzutraglichkeiten, widersprechende und doch vermeintlich

begriindete Theorien, die zu dem Zugestandnis forttreiben, die

M6glichkeit der Erkenntnis iiberhaupt hinsichtlich ihrer Trif-

tigkeit sei ein Ratsel.

Eine neue Wissenschaft will hier entspringen, die Erkenntnis-

35 kritik, welche diese Verwirrungen schlichten und uns iiber das

Wesen der Erkenntnis aufklaren will. Von dem Gliicken dieser

Wissenschaft hangt offenbar die M6glichkeit einer Metaphysik

ab, einer Seinswissenschaft im absoluten und letzten Sinn. Wie. .

II. VORLESUNG 33

kann sich aber eine solche Wissenschaft von der Erkenntnis

iiberhaupt etablieren? Was eine Wissenschaft in Frage stellt,

das kann sie nicht als vorgegebenes Fundament beniitzen. In

Frage gestellt ist aber, da die Erkenntniskritik die Moglichkeit

5 von Erkenntnis iiberhaupt, und zwar hinsichtlich ihrer Trif-

tigkeit als Problem setzt, alle Erkenntnis. Fangt sie an, so kann

ihr keine Erkenntnis als gegeben gelten. Sie darf also aus keiner

vorwissenschaftlichen Erkenntnissphare irgend etwas iiber-

nehmen, jede Erkenntnis tragt den Index der Fraglichkeit.

10 Ohne gegebene Erkenntnis als Anfang ist auch keineErkenntnis

als Fortgang. Also kann Erkenntniskritik gar nicht anfangen.

Eine solche Wissenschaft kann es iiberhaupt nicht geben.

rIch meinte nun, daran ist soviel richtig, daB zu Anfang keine

Erkenntnis als u n b e s e hen vorgegeben gelten kann. Darf

15 aber Erkenntniskritik keine Erkenntnis von vornherein tiber-

nehmen, so kann sie selbst damit anfangen sich Erkenntnis zu

g e ben und natiirlich Erkenntnis, die sie nicht begriindet,

logisch herleitet, was unmittelbare Erkenntnisse, die vorher

gegeben sein miiBten, erfordern wiirde, sondern Erkenntnis, die

20 sie unmittelbar aufweist und die von einer Art ist, daB sie, absolut

klar und zweifellos, jeden Zweifel an ihrer Moglichkeit ausschlieBt

und schlechthin nichts von dem Ratsel enthalt, das den Anlaf

zu allen skeptischen Verwirrungen gegeben hatte. Und nun wies

ich auf die Car t e s ian i s c h e Z wei f e 1s bet r ac h-

25 tun g hin und auf die Sphare absoluter Gegebenheiten, bzw.

auf den Kreis absoluter Erkenntnis, die unter demTitel Evidenz

der cogitatio erfaBt istvEs sollte nun naher gezeigt werden, daB

die 1m man en z dieser Erkenntnis sie geeignet macht, als

erster Ausgangspunkt der Erkenntnistheorie zu dienen, daB

30 sie ferner d u r c h die s elm man e n z frei von derjenigenRatselhaftigkeit ist, die die Quelle aller skeptischen Verlegen-

heiten ist und endlich weiter, d aB die I mman en z ii b e r-

h au p t d .er not wen dig e Ch a r a k t era 11 ere r-

ken n t n i s the 0ret i s c hen E r ken n t n i sis t und

35 daB nicht nur am Anfang sondern iiberhaupt jede Anleihe aus

der Sphare der Transzendenz, m.a.W. jede Griindung der Er- \

kenntnistheorie auf Psychologie und welche natiirliche Wissen-

schaft immer, ein nonsens ist:.)

Erganzend fiige ich noch bei: die soscheinbare Argumentation:

Dfe Idee der Phanomenologic 3

 

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34 II. VORLESUNG

wie kann Erkenntnistheorie, da sie Erkenntnis iiberhaupt in

Frage stellt, iiberhaupt anfangen, da jede anfangende Erkennt-

nis als Erkenntnis mit in Frage gestellt ist; und ist derErkennt-

nistheorie aIle Erkenntnis ein Ratsel, so auch die erste, mit der

5 sie selbst beginnt; ich sage, diese so scheinbare Argumentation

ist natiirlich eine Trugargumentation. Der Trug entspringt aus

der vagen Allgemeinheit der Rede. "In Frage gestellt" ist Er-

kenntnis iiberhaupt, d.h. doch nicht, es ist geleugnet, daB es

Erkenntnis iiberhaupt gibt (was auf Widersinn fiihrte), sondern

10 Erkenntnis enthalt ein gewisses Problem, namlich wie eine

gewisse ihr zugeschriebene Leistung der Triftigkeit moglich sei,

und vielleicht zweifle ich sogar, ob sie moglich sei. Aber mag

ich selbst zweifeln,sokann doch ein erster Schritt darin bestehen,

f diesenZweifelalsbald aufzuheben dadurch, daBgewisseErkennt-

1$ nisse aufweisbar sind, die einen solchen Zweifel gegenstandslos

machen. Ferner wenn ich damit anfange, ich verstehe Erkennt-

nis uberhaupt nicht, so umschlieBt dieses Unverstandnis in

seiner unbestimmten Allgemeinheit freilich jede Erkenntnis.Es ist aber nicht gesagt, daB mir jede Erkenntnis, auf die ich

20 ktinftig stollen werde, fiir aIleZeiten unverstandlich bleiben muB.

Es kann sein, daBein groBesRatsel bei einer uberall sich zunachst

aufdrangenden Erkenntnisklasse statt hat und ich nun, in all-

gemeine Verlegenheit kommend, sage: Erkenntnis uberhaupt

ist ein Ratsel, wahrend sichbald zeigt, daBdas Ratsel gewissen

25 anderen Erkenntnissen nicht einwohnt. Und so verhalt es sich,

wie wir horen werden, in der Tat.

Ich sagte, die Erkenntnisse, mit denen die Erkenntniskritik

anheben muB, diirfen nichts von Fraglichkeit und Zweifelhaf-

tigkeit enthalten, nichts von alledem, was uns in erkenntnis-

30 theoretische Verwirrung versetzte und was die ganze Erkennt-niskritik hervortreibt. Wir miissen zeigen, daB dies fur die

Sphare der cogitatio zutrifft. Dazu bedarf es abe.; einer tiefer

gehenden Reflexion, die uns wesentliche Forderuhgen bringen

wird.

35 Sehen wir naher zu, was soratselhaft ist und was uns in den

nachstliegenden Reflexionen tiber die Moglichkeit der Erkenntnis

in Verlegenheit bringt, so ist es ihre Transzendenz. Alle natiir-

liche Erkenntnis, die vorwissenschaftliche und erst recht die

wissenschaftliche, ist transzendent objektivierende Erkennt-

) I

II. VORLESUNG 35

I

nis; sie setzt Objekte als seiend, erhebt den Anspruch, Sach-

verhalte erkennend zu treffen, die in ihr nicht "im wahren Sinne

gegeben" sind, ihr nicht "immanent" sind.

Naher besehen ist diese T ran s zen den z freilich do p-

5 pel sin n i g. Es kann entweder gemeint sein das im Erkennt-

nisakt Nicht-reell-enthaltensein des Erkenntnisgegenstandes, so

daB unter dem im "wahren Sinne gegeben" oder "immanent

gegeben" das reelle Enthaltensein verstanden ware; der Er-

kenntnisakt, die cogitatio hat reelle Momente, sie reell konstitu-

10 ierende, das Ding aber, das sie meint und das sie angeblichwahr-

nimmt, dessen sie sich erinnert usw., ist in der cogitatio selbst,

als Erlebnis, nicht reell als Strick, als wirklich darin Seiendes

zu finden. Die Frage ist also: wie kann das Erlebnis sozusagen

tiber sich hinaus? I mman e nth e i Bt hie r a l s o i m I

15 E'r ken t n i s e r I e b n i s r e ell i m man e n t.

Es gibt aber noche ine and ere T ran s zen den z, deren

Gegenteil eine ganz andere Immanenz ist, namlich a b sol ute

und k 1are G eg e ben h e i t, S e I b s t g e g e ben h e i ti m a b sol ute n Sin n. Dieses Gegebensein, das jeden sinn-

20 vollen ZweifelausschlieBt, ein schlechthin unmittelbares Schauen

und Fassen der gemeinten Gegenstandlichkeit selbst und so

wiesie ist,macht den pragnanten~egriff derEvi?enza~s,und zwar t . . \ . .verstanden als 'unmittelbare Evidenz, AIle mcht evidente, das '\

Gegenstandliche zwar meinende oder setzende, aber n ic h t \

25 s e Ib s t s ch au end e Erkenntnis ist im zweiten Sinn trans-

zendent. In ihr gehen wir tiber das jeweils im wah r e n

Sin neG e g e ben e, tiber das d ire k t z uSc h a u end e

und z u F ass end e h ina u s. Hier lautet die Frage: wie .

kann Erkenntnis etwas als seiend setzen, das in ihr nicht direktf

30 und wahrhaft gegeben ist?Diese beiden Immanenzen und Transzendenzen laufen zu-

nachst, bevor dieerkenntniskritische Uberlegung tiefer eingesetzt

hat, verworren ineinander. Es ist ja klar, daB, wer die erste

Frage nach der Moglichkeit der reellen Transzendenzen, auf-

35wirft, eigentlich auch die zweite mit hineinspielen laBt, die nach

der Moglichkeit der Transzendenz tiber die Sphare evidenter

Gegebenheit. Namlich stillschweigend supponiert er: die einzig

wirklich verstandliche, fraglose, absolut evidente Gegebenheit

sei die des im Erkenntnisakte r ee II en t h a I ten e n M0-

 

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36 II. VORLESUNG

men t e 5, und darum gilt ihm jedes darin nicht reellEnthaltene

an einer erkannten Gegenstandlichkeit als ratselhaft, proble-

matisch. Wir werden bald horen, daB das ein verhangnisvoller

Irrtum ist.

5 Man mag nun die Transzendenz im einen oder anderen oder

zunachst im vieldeutigen Sinne verstehen, sie ist das Ausgangs-

und Leitproblem der Erkenntniskritik, sie ist das Ratsel, das

der natiirlichen Erkenntnis in den Weg tritt und den Antrieb

fiir die neuen Forschungen bildet. Man konnte zu Anfang die

10 Losung dieses Problems als die Aufgabe der Erkenntniskritik

bezeichnen, der neuen Disziplin also dadurch ihre erste vor-

laufige Begrenzung geben, statt allgemeiner das Problem des

Wesens der Erkenntnis iiberhaupt als ihr Thema zu bezeichnen.

Ist nun .jedenfalls bei der ersten Etablierung der Disziplin

15 hie r das Ratsel, sobestimmt sich jetzt genauer, was nicht als

vorgegeben in Anspruch genommen werden darf. Namlich es

darf danach Transzendentes nicht alsvorgegeben beniitzt werden.

Begreife ich nicht, wi e es moglich ist, daB Erkenntnis etwas

ihr Transzendentes treffen solI, so weiB ich auch nicht, 0b

20 es moglich ist. Die wissenschaftliche Begriindung einer trans-

zendenten Existenz hi1ftmir nun nichts mehr. Denn alle mittel-

bare Begriindung geht auf unmittelbare zuruck und das Un-

mittelbare enthalt schon das Ratsel.

Doch vielleicht sagt jemand: daBwie mittelbare so unmittel-

25 bare Erkenntnis das Ratsel enthalt, ist sicher. Aber das Wi e

ist ratselhaft, wahrend das DaB absolut sicher ist; kein Ver-

niinftiger wird an der Existenz der Welt zweifeln, und der Skep-

tiker straft sich durch seine Praxis Liigen. Nun gut, dann ant-

worten wir ihm mit einem starkeren und weiter tragenden Argu-

30 ment. Denn es beweist nicht nur, daB man be i Beg innder Erkenntnistheorie auf den Inhalt der natiirlichen und trans-

zendent objektivierenden Wissenschaften iiberhaupt nicht rekur-

rieren darf, sondern auch nicht i nih rem ga n zen For t-

I ga n g. Es beweist also die fundament ale These, daB E r-

3~ ken n t n i s the or i e n i e u n d n i mmer auf nat ii r-

I Iiche Wissenschaft irgend welcher Art ge-

b aut s e ink a n n, Wir fragen also: was will unser Gegner

mit seinem transzendenten Wissen anfangen; wir geben ihm

den gesamten Vorrat an transzendenten Wahrheiten der objek-

II. VORLESUNG

I

tiven Wissenschaften zu freier Verfiigung und denken sie durch

das emporgestiegene Ratsel, wie transzendente Wissenschaft

moglich sei, in ihrem Wahrheitswert nicht alteriert. Was will

er nun mit seinemallumfassenden Wissen anfangen, wie gedenkt

5 er vom DaB auf das Wie zu kommen? SeinWissenals Tatsache,

daB transzendente Erkenntnis wirklich sei, verbiirgt ihm als

logisch selbstverstandlich, daB transzendente Erkenntnis mog-

lich sei. Aber das Ratsel ist, wi e sie moglich sei. Kann er es

auf Grund der Setzung selbst aller Wissenschaften, unter Vor-

10 aussetzung aller oder welcher transzendenten Erkenntnisse im-

mer, losen? Uberlegen wir: was fehlt ihm denn eigentlich noch?

Ihm ist ja die Moglichkeit transzendenter Erkenntnis selbst-

verstandlich, ja eben nur analytisch selbstverstandlich da, daB

er sich sagt, es besteht bei mir Wissen von Transzendentem.

15 Was ihm fehlt, ist offenbar 1). Unklar ist ihm die Beziehung auf

Transzendenz, unklar ist ihm das "ein Transzendentes Treffen",

das der Erkenntnis, dem Wissen zugeschrieben wird. Wo und

wie ware ihm Klarheit? Nun, wenn ihm das Wesen dieser Bezie-hung irgendwo g e g e ben ware, daB er es schauen konnte,

20 daB er die Einheit von Erkenntnis und Erkenntnisobjekt, die

das Wort Triftigkeit andeutet, eben selbst vor Augen hatte

und damit nicht nur ein Wissen von ihrer Moglichkeit, sondern

diese Moglichkeit in ihrer klaren Gegebenheit hatte, Die Mog-

lichkeit selbst gilt ihm eben als ein Transzendentes, als eine

25 gewuBte aber nicht selbst gegebene, geschaute Moglichkeit.

Sein Gedanke ist offenbar der: Erkenntnis ist ein anderes als

Erkenntnisobjekt; Erkenntnis ist gegeben, das Erkenntnis-

objekt aber ist nicht gegeben; und doch solI Erkenntnis sich

auf das Objekt beziehen, es erkennen. Wie kann ich diese Mog-

30 lichkeit verstehen? Natiirlich lautet die Antwort: nur dann konn-

te ich sie verstehen, wenn die Beziehung eben selbst zu geben

ware, als etwas zu Schauendes. Ist und bleibt das Objekt ein

transzendentes und fallt Erkenntnis und Objekt wirklich aus-

einander, dann freilich kann er hier nichts sehen und seine Hoff-

35 nung auf einen Weg, doch irgendwie klar zu werden, nun gar

durch RiickschluB aus transzendenten Prasuppositionen, ist

eben eine offenbare Torheit.

I) VgI. Beilage III.

37

 

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38 II. VORLESUNG

Konsequenterweise muflte er bei diesen Gedanken freilich

auch seinen Ausgangspunkt aufgeben: er miiflte anerkennen,

daB bei dieser Sachlage die Erkenntnis von Transzendentem

unmoglich, sein angebliches Wissen davon ein Vorurteil sei. Das

5 Problem ware dann nicht mehr, wie transzendente Erkenntnis

moglich sei, sondern wie das Vorurteil sich erklaren laBt, das der

Erkenntnis eine transzendente Leistung zuschreibt: genau der

Hume'sche Weg.

Doch sehen wir davon ab und fiigen wir zur Illustration des

10 fundamentalen Gedankens, daB das Problem des Wie (wie trans-

zendente Erkenntnis moglich sei und selbst allgemeiner: wie

Erkenntnis uberhaupt moglich sei) niemals auf demGrunde von

vorgegebenem Wissen iiber Transzendentes, von vorgegebenen

Satzen dariiber, entnommen woher immer und sei es aus exakten

15 Wissenschaften, gelost werden kann, folgendes bei: ein Taub-

I

geborener weiB, daB es Tone gibt, daB Tone Harmonien be-

griinden und daB in diesen eine herrliche Kunst grunde ; aber

verstehen, wi e Tone das anstellen, wie Tonkunstwerke mog-lich sind, kann er nicht. Dergleichen kann er sich eben nicht

20 v 0 r s tell e n, d.h. er kann es nicht schauen und im Schauen

das Wie fassen. Sein Wissen urn die Existenz hilft ihm nichts,

und es ware absurd, wenn er darauf ausgehen wollte, auf Grund

seines Wissens dasWie der Tonkunst zu deduzieren, sich ihre

Moglichkeiten durch Schliisse aus seinen Kenntnissen klar zu

2 q machen. Aus bloB gewuBten und nicht geschauten Existenzen

) deduzieren, das geht nicht. Das Schauen laBt sich nicht demon-1 strieren oder deduzieren. Es ist offenbar ein nonsens, Moglich-

I keiten aufklaren zu wollen (und zwar schon unmittelbare Mog-

Ilichkeiten) durch logische Herleitung aus einem nicht intuitiven

31bWissen. Mag ich also vollig sicher sein, daB es transzendente

Welten gibt, mag ich alle naturlichen Wissenschaften vollin-

haltlich gelten lassen: bei Ihnen kann ich keine Anleihen machen.

Ich darf mir nie einbilden, durch transzendente Suppositionen

und wissenschaftliche SchluBfolgerungen je dahin zu gelangen,

35 ' wohin ich in der Erkenntniskritik will: namlich die Moglichkeit

der transzendenten Objektivitat der Erkenntnis abzusehen. Und

das gilt offenbar nicht nur fur den Anfang, sondern auch fur

allen Fortgang der Erkenntniskritik, solange sie eben bei dem

Problem bleibt aufzuklaren: wi e E r ken n t n ism 0 g-

II. VORLESUNG 39

1ic h s e i . Und es gilt offenbar nicht bloB fur das Problem

der transzendenten Objektivitat, sondern fur die Aufklarung

jeder Moglichkeit.

-Bringen wir damit in Verbindung die auBerordentlich starke

5 Neigung, in allen Fallen, wo ein transzendierender Denkakt

vollzogen und ein Urteil auf Grund desselben zu etablieren ist,

in transzendierendem Sinn zu urteilen und somit in eine

f L eT&~ (x ( )L < ;; d < ;; r x 'A 'A o yzvo< ; ; zu verfaIlen, so ergibt sich die zu-

reichende und volle Deduktion des e r ken n t n i s the 0 r e-

10 tis chen P r i n zip s: bei jeder erkenntnistheoretischen If

Untersuchung, sei es dieses oder jenes Erkenntnistypus, ist die

erkenntnistheoretische Red u k t ion zu vollziehen, d.h. aIle

dabei mitspielende Transzendenz mit dem Index der Ausschal-

tung zu behaften, oder mit dem Index der Gleichgiltigkeit, der

15 erkenntnistheoretischen Nullitat, mit einem Index, der da

sagt: dieExistenz aller dieser Transzendenzen, ob ich sie glauben

mag oder nicht, geht mich hier nichts an, hier ist nicht der Ort,

darilber zu urteilen, das bleibt ganz auBer Spiel.Mit der genannten fLeT&~ML<; ; haugen aIle Grundirrtiimer der '

20 Erkenntnistheorie zusammen, auf der einen Seite der Grund-

irrtum des Psychologismus, auf der anderen der des Anthropolo-

gismus und Biologismus. Sie wirkt so iiberaus gefahrlich, weil

der eigentliche Sinn des Problems niemals zur Klarheit gebracht \

worden ist und in der fLeT&~ML<; ; vollig verloren geht, teils auch

25 darum, weil selbst derjenige, der es sich zur Klarheit gebracht

hat, diese Klarheit nur schwer immerfort wirksam erhalten

kann und gar leicht im schweifenden Nachdenken wieder in die

Versuchungen der natiirlichen Denk- und Urteilsweise verfallt,

sowie in alle die falschen und verfiihrerischen Problemstellungen,

30 die auf ihrem Boden erwachsen.

 

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III. VORLESUNG

Das Vollziehen der erkenntnistheoretischen Reduktion: Ausschaltung

alles Transzendenten S. 43. - Thema der Forschung: die reinen

Phanomene S. 44. - Die Frage der "objektiven Giltigkeit" der abso-

luten Phanomene S. 47. - Unm6glichkeit der Beschrankung aufsingulare Gegebenheiten; die phanomenologische Erkenntnis als We-

senserkenntnis S.50. - Die zwei Bedeutungen des Begriffes "Apriori"

S. 51.

 

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J

Nach diesen Ausfiihrungen ist genau und zuverlassig be-

griindet, was die Erkenntniskritik beniitzen darf und was nicht.

Ihr Ratsel ist die Transzendenz zwar nur ihrer Moglichkeit nach,

aber die Wirklichkeit von Transzendentem darf gleichwohl nie

5 und nimmer in Rechnung gezogen werden. Offenbar schrankt

sich die Sphare der beniitzbaren Gegenstiindlichkeiten, bzw. der

beniitzbaren Erkenntnisse, derjenigen die als geltend auftreten

und vomVorzeichen der erkenntnistheoretischen Nullitat befreit

bleiben konnen, nicht auf Null ein. Die gesamte Sphiire der

10 cogitationes haben wir ja gesichert. Das Sein der cogitatio, naher

das Erkenntnisphanomen selbst, ist auBer Frage, und esist

Ratsel der Transzendenz frei. Diese Existenzen sind schon imAnsatz des Erkenntnisproblems vorausgesetzt, die Frage, wie

Transzendentes in die Erkenntnis hineinkomme, verlore ja ihren

15 Sinn, wenn nicht bloBTranszendentes, sondern auchErkenntnis

selbst dahingegeben wiirde. Es ist auch klar, daBdie cogitationes

eine Sphare a b sol ute rim man e n t erG e ge b e n-

h e i ten darstellen, i n we 1c hem Sin n w irIm m a-

n en z a u ch d eu te n. 1m Schauen des reinen Phanomens

20 ist der Gegenstand nicht auBer der Erkenntnis, auBer dem "Be-

wuBtsein" und zugleich gegeben imSinne der absoluten Selbst-

gegebenheit eines rein Geschauten.

Doch hier bedarf es der Sicherung durch die e r ken n t n i s-

the 0ret i s cheR e d u k t ion, deren methodisches Wesen

25 wir hier zum ersten Male in c on cre to studieren wollen. Wir

bediirfen hier der Reduktion, damit ja nicht die Evidenz des

Seins der cogitatio verwechselt werde mit der Evidenz, daB

m e i n e cogitatio ist, des s um c og it an s und dgl. Vor der fun-

damentalen Verwechslung zwischen dem rei n e n P h iin 0-

30 men im Sinne der Phiinomenologie und dem p sy ch 0 log

s chen Ph iinom e n, demObjekt der naturwissenschaftlichen

Psychologie, muBman sich hiiten. Blicke ich als natiirlich den-

kender Mensch auf die Wahrnehmung hin, die ich gerade erlebe,

 

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44 III. VORLESUNG

so apperzipiere ich sie alsbald und fast unausbleiblich (das ist

Faktum) in Beziehung auf mein Ich, sie steht da als Erlebnis

~ieser er~ebendenPerson, als ihr Zustand, als ihr Akt, der Emp-

findungsinhalt als das ihr inhaltlich Gegebene, Empfundene,

5 BewuBte und ordnet sich mit dieser der objektiven Zeit ein.

~ie Wahrnehmung, tiberhaupt die cogitatio, so apperzipiert,

ist das p s y c h o l 0g i s c h e F ak tum. Apperzipiert also

als Datum in der objektiven Zeit, zugehorig zum erlebenden

Ich, dem Ich, das in der Welt ist und seine Zeit dauert (eine

10 Zeit, die durch die empirischen chronometrischen Hilfsmittel

zu messen ist). Das also ist das Phanomen im Sinne der Natur-

wissenschaft, die wir Psychologie nennen.

Das Phanomen in diesem Sinne verfallt dem Gesetz, demwir

~ns in der Erkenntniskritik unterwerfen miissen, dem der e 1 t o x ~15 m Betreff alles Transzendenten. .Das Ich als Person, als Ding

r,der Welt, .und das Erlebnis als Erlebnis dieser Person, eingeord-

'"net ~ sei es auch ganz unbestimmt ~ in die objektive Zeit:

das alles sind Transzendenzen und sind als das erkenntnistheore-

! tisch Null. Erst durch eine Reduktion, die wir auch schon

29p h it nom e n 0 log i s c heR e d u k t ion nennen wollen

! gewinne ich eine absolute Gegebenheit, die nichts von Trans-

zendenz mehr bietet. Stelle ich Ich und Welt und Icherlebnis

Ials solehes in Frage, so ergibt die einfach schauende Reflexion

auf das Gegebene in der Apperzeption des betreffenden Erleb-

2 :$ nisses, auf mein Ich, das Ph a nom e n dieser Apperzeption:

das Phanomen etwa "Wahrnehmung aufgefaBt als meine Wahr-

nehmung". Natfirlich kann ich auch dieses Phanome~ in natiir-

lieher Betrachtungsweise wieder auf mein Ich beziehen dies

Ich im empirischen Sinne setzend, indem ich wieder sage: ich

30 habe dieses Phanomen, es ist das meine. Dann hatte ich, urn dasreine Phanornen zu gewinnen, wiederum das Ich, ebenso Zeit, \,

IWelt in Frage zu stellen und so ein reines Phanomen, die reine

cogitatio, herauszustellen. Ich kann aber auch, indem ich wahr-

nehme, rein schauend auf die Wahrnehmung hinblicken, auf

35 sie selbst, wie sie da ist, und die Beziehung auf das Ich unter-

lassen, oder von ihr abstrahieren: dann ist die schauend so ge-

, faBte und begrenzte Wahrnehmung eine absolute, jeder Trans-

zendenz entbehrende, gegeben als reines Phanomen im Sinne

der Phanomenologie.

III. VORLESUNG 45

Jedem psychischen Erlebnis entspricht

also auf dem Wege p h a n om e n ol ogis c h e r

Red u k t ion e i n rei n es Ph an 0men, d ass e i n Iim man e n t e s We sen (vereinzelt genommen) a 1 s a b-" •

5 sol ute G e ge ben h e i the r a u sst e 1 1 t. AIle Setzung i

einer "nicht immanenten Wirklichkeit", einer im Phanomen \

nicht enthaltenen, obschon in ihm gemeinten, und zugleicheiner nicht gegebenen im zweiten Sinne ist ausgeschaltet, d.h.

suspendiert.

10 Gibt es Moglichkeiten, soleh reine Phanomene zu Forschungs--

objekten zumachen, soist evident, daBwir nun nicht mehr in der

Psychologie, dieser natiirlichen, transzendent objektivierenden

Wissenschaft stehen. Wir erforschen dann nichts und sprechen

dann nicht von psychologischen Phanomenen, von gewissen

15 Vorkommnissen der sogenannten realen Wirklichkeit (deren

Existenz ja durchaus in Frage bleibt), sondern von dem, was ist

und gilt, ob es so etwas wie objektive Wirklichkeit gibt oder

nicht, ob die Setzung soleher Transzendenzen berechtigt ist

oder nicht. Wir sprechen eben dann von solehen absoluten

20 Gegebenheiten; mogen diese auch intentional sich auf objektive

Wirklichkeit beziehen, so ist das Sich-beziehen irgendein

Charakter in ihnen, wahrend fur das S e i nun d N i ch t- ~

s e i n de r Wi r k 1 i ch k e i t doch nichts prajudiziert ist.

Und sowerfenwir schonAnker an der Kiiste der Phanomenologie,

25 deren Gegenstande als seiendgesetzt sind, wieWissenschaft ihre

Forschungsobjekte setzt, aber als keine Existenzen in einem

Ich, in einer zeitlichen Welt gesetzt sind, sondern im rein imrna-

nenten Schauen erfaBte absolute Gegebenheiten: das rein Imma-

nente ist hier zunachst durch die p han 0men 0log i s c h e

30 Red u k t ion zu charakterisieren: ich meine eben dies da;nieht was es transzendierend meint, sondern was es in sich selbst '\'

ist und als was es gegeben ist. Dergleiehen Reden sind natiir- ""

lich nur Umwege und Behelfe urn anzuleiten, das erste zu

sehen, was hier zu sehen ist, den Unterschied zwischen den

35 Quasi-gegebenheiten des transzendenten Objektes und der abso-

luten Gegebenheit des Phanomens selbst.

Nun sind aber neue Schritte notwendig, neue Uberlegungen,

damit wir in dem neuen Lande festen FuB fassen konnen und

nicht am Ende an seiner Kiiste scheitern. Denn diese Kiiste

 

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46 III. VORLESUNG

hat ihre Klippen, iiber ihr liegt das Gewolk der Unklarheit, das

uns mit skeptischen Sturmwinden bedroht. Was wir bisher

sagten, betrifft aIle Phanomene, uns interessieren zu Zwecken

der Vernunftkritik natiirlich nur die Erkenntnisphanomene.

5Doch kann, was wir jetzt ausfiihren werden, gleich fiir aIle be-

achtet werden, wie es denn mutatis mutandis fiir aIle gilt.

Unser Absehen auf eine Erkenntniskritik fiihrt uns zu einemAnfang, zu einem Festlande von Gegebenheiten, iiber die wir

verfiigen diirfen und die wir vor allern zu brauchen scheinen:

10 das Wesen der Erkenntnis zu ergriinden muB ich natiirlich

Erkenntnis in allen ihren fraglichen Gestaltungen a 1s G e g e-

ben h e i t besitzen und in einer Weise, daB diese Gegebenheit

nichts von dem Problematischen an sich hat, das sonstige Er-

kenntnis, wie sehr sie Gegebenheiten zu bieten scheint, mit sich

15 bringt.

Des Feldes der reinen Erkenntnis haben wir uns versichert, wir

konnen sie nun studieren und eine Wissenschaft von den reinen

Phanomenen etablieren, eine Ph anom e n 0log i e. Wird diese

nicht selbstverstandlich die Grundlage fiir die Losung der uns

20 bewegenden Probleme sein miissen? Es ist doch klar, das Wesen

der Erkenntnis kann ich nur zur Klarheit bringen, wenn ich sie

mir selbst ansehe, und wenn sie mir im Schauen, sowie sie ist,

J selbst gegeben ist. Ich muB sie immanent und rein schauend im

reinen Phanomen, im "reinen BewuBtsein" studieren: ihre

25 Transzendenz ist ja fraglich; das Sein der Gegenstandlichkeit,

auf die sie sich, wofern sie transzendent ist, bezieht, ist mir nicht

gegeben und in Frage ist gerade, wie sie trotzdem gesetzt werden

kann und welchen Sinn sie, wenn solche Setzung moglich sein

solI,hat und haben darf. Andrerseits hat diese Beziehung auf

30 Transzendentes, wenn ich dessen Sein auch ihrer Triftigkeitnach in Frage stelle, doch etwas im reinen Phanomen FaBbares.

Das Sich-auf-Transzendentes-beziehen, es in dieser oder jener

Weise meinen, ist doch ein innerer Charakter des Phanomens.

I Fast scheint es, als kame es nur auf eine Wissenschaft von den

315absoluten cogitationes an. Wo sonst konnte ich, da ich die

Vorgegebenheit des gemeinten Transzendenten streichen muB

nicht nur den Sin n dieses iiber sich hinaus lVIeinenssondern

mit dem Sinn auch seine mogliche Gel tun g, oder den Sinn

von Geltung studieren, als eben da, wo dieser Sinn absolut gege-

\

III. VORLESUNG 47

ben ist und wo imreinen Phanomen der Beziehung, Bestatigung,

Rechtfertigung der Sinn der Geltung seinerseits zur absoluten

Gegebenheit kommt?

Freilich beschleicht uns hier gleich der Zweifel, ob nicht doch

5 noch ein Mehr in Aktion treten muB, ob denn Gegebenheit der

Geltung nicht auch Gegebenheit des Objektes mit sich fiihrt,

die andrerseits nicht Gegebenheit der cogitatio sein konnte, Iwofern es iiberhaupt so etwas wie geltende Transzendenz gibt. \

Aber wie immer, eine Wissenschaft von den absoluten Phanome-

10 nen, verstanden als cogitationes, ist das erste, was nottut und

mindestens ein Hauptstiick der Losung hatte sie zu leisten.

Also auf Phanomenologie, hier auf Phanomenologie der Er-

kenntnis als Wesenslehre der reinen Erkenntnisphanomene, ist

es wohl abgesehen. Die Aussichten sind schon. Aber wie soll

15 Phanomenologie angehen; wie ist sie moglich P Urteilen solI

ich und doch wohl objektiv giltig urteilen, reine Phanomene

wissenschaftlich erkennen. F ii h r tab ern i c h tall e

W iss ens c h aft auf F est s tell u n g a n sic h s e i-

end e rOb j e k t i v ita tun d dam ita u f T ran s-

20 zen den t e s? Das wissenschaftlich Festgestellte ist, ist an

sich, es gilt schlechthin als seiend, ob ich es erkennend als seiend

setze oder nicht. Gehort nicht zum Wesen der Wissenschaft als

Korrelat die Objektivitat des in ihr nur Erkannten, wissenschaft-

lich Begriindeten? Und ist wissenschaftlich Begriindetes nicht

25 allgemein giltig? Wie steht es aber hier? Wir bewegen uns in

dem Feld der reinen Phanomene. Doch warum sage ich Fe 1d;·t

es ist vielmehr ein ewiger Her a k 1i tis c her Flu B von

Phanomenen. Welche Aussagen kann ich hier machen? Nun,

schauend kann ich sagen: dies da! Es ist, zweifellos. Ich kann

30 vielleicht sogar sagen, dieses Phanomen schlieBt als Tell jenesein, oder ist mit jenem verkniipft, dieses flieBtin jenes tiber usw.

Offenbar ist es aber nichts mit der ,,0b j e k t i v e n" G i I-

t ig k e i t dieser Urteile, sie haben k e i n e n ,,0b j e k t i-

v enS inn", sie haben bloB "s u b j e k t i v e" Wah r h e i t.

35 Nun wollen wir uns hier nicht in eine Untersuchung einlassen,

ob denn nicht in gewissem Sinn diese Urteile, sofern sie "sub-

jektiv" wahr zu sein beanspruchen, auch ihre Objektivitat

haben. Aber klar ist schon bei fliichtigem Blick, jene hohere

Dignitat der Objektivitat, die die vorwissenschaftlichen natiir-

 

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48 III. VORLESUNG

lichen Urteile sozusagen inszenieren und die die giltigen Urteile

der exakten Wissenschaften zu ungleich hoherer Vollendung

bringen, fehlt hier ganz und gar. Besonderen Wert werden wir

solchen Urteilen, dies da ist und dgl., die wir rein schauend

5 fallen, nicht beimessen.

Sie werden sich iibrigens hier der beriihmten kantischen

Unterscheidung zwischen Wah r n e h mu n g s- und E r-f a h run g sur t e i 1e n erinnern. Die Verwandtschaft ist

offenbar. Andrerseits hat Kant, wie ihm der Begriff der Phano-

10 menologie und phanomenologischen Reduktion fehlte, und wie

er vom Psychologismus und Anthropologismus sich nicht ganz

loszuringen vermochte, die letzte Intention der hier notwendigen

Unterscheidung nicht erreicht. Natiirlich handelt es sichbei uns

nicht urn bloB subjektiv giltige Urteile, die auf das empirische

15 Subjekt beschrankt sind in ihrer Giltigkeit, und urn objektiv

giltige, namlich giltig fiir jedes Subjekt iiberhaupt: das empiri-

sche Subjekt haben wir ja ausgeschaltet, und die transzendentale

Apperzeption, das BewuBtsein uberhaupt, wird ftir uns bald

einen ganz anderen und gar nicht mysteriosen Sinn bekommen.

20 Doch gehen wir zum Hauptzug unserer Betrachtung wieder

zuriick. Phanomenologische Urteile als singulare Urteile haben

lns nicht viel zu lehren. Wie aber sind Urteile, und zwar wissen-

I schaftliche giltige zu gewinnen? Und das Wort wi sse n-

s c h aft 1i c h setzt uns alsbald in Vedegenheit. Kommt nicht

25 mit der Objektivitat, fragen wir, die T ran s zen den z und

mit dieser eben der Zweifel, was sie zu bedeuten habe, ob und

wie sie moglich sei? Durch e r ken n t n i s the 0ret i s ch e

Red u k t ion schlieBen wir transzendente Prasuppositionen

aus, weil Transzendenz in Frage ist, ihrer moglichen Giltigkeit

30 und ihre~ Sinn nachoSind dann aber noch die wissenschaftlichenFeststellungen, transzendente Feststellungen der Erkenntnis-

theorie selbst moglichP 1st es nicht selbstverstandlich, daB vor

der Begriindung der Moglichkeit der Transzendenz keine trans-

zendente Feststellung der Erkenntnistheorie selbst statthaft ist?

35 Vedangt aber die erkenntnistheoretische E1t0X~ --"- wie es schei-

nen mochte -, daB wir keine Transzendenz gelten lassen, ehe

wir ihre Moglichkeit begriindet haben, und verlangt die Be-

griindung der :M6glichkeit der Transzendenz selbst, in Form

objektiver Begriindung, transzendente Setzungen, so scheint

III. VORLESUNG 49

hier ein Zirkel vorzu1iegen, der Phanomenologie und Erkennt-

nistheorie unmoglich macht; und die bisherige Liebesmiihe

ware umsonst.

Wir werden an der Moglichkeit einer Phanomenologie und,

5was hierin offenbar mitbesclilossen ist, einer Erkenntniskritik

nicht sofort verzweifeln konnen. Wir brauchen jetzt einen Fort-:

schritt, der uns diesen triiglichen Zirkel aufrollt. Wir haben ihnim Grunde genommen schon vollzogen, da wir die doppelte

Transzendenz und Immanenz unterschieden. Descartes fragte,

10 wie Sie sich erinnem, nachdem er die Evidenz der cogitatio

festgestellt hatte (oder vielmehr, was wir nicht iibernornmen

haben, das cogito ergo sum): was is t e s, was m i c h

die S erG run d g e g e ben he i ten v e r sic her t? Nun,)

die clara et distincta perceptio. Daran konnen wir ankniipfen. •

15 Ich brauche nicht zu sagen, daBwir hier die Sache schon reiner

und tiefer gefaBt haben als Descartes, und daB somit auch die

Evidenz, die clara et distincta perceptio, von uns in reineremSinne \

gefaBt und verstanden ist. Mit Descartes konnen wir nun den !weiteren Schritt (mutatis mutandis) machen: was immer, so

20 wie die singulare cogitatio, durch clara et distincta perceptio ge-

geben ist, das diirfen wir ebensogut in Anspruch nehmen. Das

laBt freilich, wenn wir uns der 3. und 4. Meditation erinnern,

der Gottesbeweise, des Rekurses auf die veracitas dei etc., Boses

erwarten. Immerhin, seien Sie nur sehr skeptisch oder vielmehr

25 kritisch.

Die Gegebenheitder reinen cogitatio haben wir als absolut

zugestanden, die Gegebenheit des AuBendinges in der aufleren

Wahrnehmung, obschon diese den Anspruch erhebt, das Sein

des Dinges selbst zu geben, nicht. Die Transzendenz des Dinges

30 fordert, daB wir es in Frage stellen. Wir verstehen nicht, wieWahrnehmung Transzendentes treffen kann; aber wir verstehen,.

wie Wahrnehmung Immanentes treffen kann, in Form der •

reflektiven und rein immanenten Wahrnehmung, der reduzierten.

Ja warumverstehen wir das? Nun, wir schauen direktund fassen\ f

35 direkt das, was wir schauend und fassend meinen. Eine Erschei-

nung vor Augen haben, die etwas meint, was nicht selbst in ihr

gegeben ist, und zweifeln, ob das sei und wie es zu verstehen sei,

daB es sei, das hat einen Sinn. Aber Schauen und gar nichts>

anderes meinen als das, was schauend gefaBt ist, und da noch

Die Idee der Phiinornenologie 4

 

o.,/

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50 III. VORLESUNG

zu fragen und zu zweifeln, das hat keinen Sinn. 1mGrunde also

i sagt das nichts anderes +Schauen, Selbstgegebenes Fassen, wo-

Iern eben wirkliches Schauen, wirkliche Selbstgegebenheit im

strengsten Sinn vorliegt und nicht eine andere Gegebenheit, die

5 ein Nichtgegebenes meint, das ist ein Letztes. Das ist die a b-

sol ute S e 1b s t v e r s tan d 1i c h k e i t; das nicht Selbst-

verstandliche, das Problematische, vielleicht gar Mysteriose liegtbei dem transzendierenden Meinen, d.h. im Meinen, Glauben,

ev. sogar umstandlichen Begriinden eines nicht Gegebenen;' es

10 hilft uns nichts, daB dabei gleichwohl eine absolute Gegebenheit

zu konstatieren ist, das Gegebensein des Meinens, Glaubens

selbst: wir brauchen nur zu reflektieren und finden es vor.

Aber dieses Gegebene ist ja nicht das Gemeinte.

Aber wie,ist die absolute Selbstverstandlichkeit, die schauende

15 Selbstgegebenheit nur beim singularen Erlebnis und seinen

singularen Momenten und Teilen vorhanden, d.i. nur schauende

Setzung des Die s-d a? Sollte es nicht eine schauende Setzung

von anderen Gegebenheiten als absoluten Gegebenheiten geben,

z.B. von Allgemeinheiten, derart, daB schauend ein Allgemeines

20 zur selbstverstandlichen Gegebenheit kame, deren Bezweiflung

abermals widersinnig ware?

Wie sonderlich eine Beschrankung auf die phanomenologisch

-singularen Gegebenheiten der cogitatio ware, geht schon daraus

hervor, dasz die ganze Evidenzbetrachtung, die wir in Anlehnung

25 an Descartes angestellt haben und die sicherlich von absoluter

Klarheit und Selbstverstandlichkeit durchleuchtet war, ihre

Geltung verlore. Namlich fiir den singular vorliegenden Fall

einer cogitatio, etwa eines Gefiihls,das wir gerade erleben, diirften

wir vielleicht sagen: das ist gegeben, aber beileibe diirften wir

30 nicht den allgemeinsten Satz wagen: to die G eg eben h e i te in e s red u z i e r ten Ph an 0men s ii be r h a u p t

i s t e i n e a b sol ute u n d zwei fell 0s e. \

Doch das nur, um Sie auf den Weg zu leiten. ]edenfalls ist

es einleuchtend, daB die Moglichkeit einer Erkenntniskritik

35 von der Aufweisung noch anderer absoluter Gegebenheiten

abhangt als den reduziertencogitationes. Genauer besehen tiber-

schreiten wir sie schon mit den pradizierenden Urteilen, die

wir iiber sie fallen. Schon wenn wir sagen: diesemUrteilsphano-

men liegt das und das Vorstellungsphanomen zu Grunde, dieses

III. VORLESUNG 51

Wahrnehmungsphanomen enthalt die und die Momente, Far-

beninhalte und dgl. Und selbst wenn wir vorausgesetztermaBen

diese Aussagen in reinster Anmessung an die Gegebenheiten

der cogitatio machen, gehen wir wohl mit den logischen Formen,

5 die sich imsprachlichen Ausdruck auch spiegeln, iiber die bloBen

cogitationes hinaus. Es ist da ein Superplus, das nicht etwa in einer

bloBen Agglomerierung neuer cogitationes besteht. Und mogenauch zu den cogitationes, iiber die wir Aussagen machen, mit

dem pradikativen Denken neue hinzutreten, so sind diese es

10 doch nicht,die den pradikativen Sachverhalt, die Gegenstand-

lichkeit der Aussage, ausmachen.

Leichter faBbar ist, mindestens fiir den, der sichin die Stellung "

des reinen Schauens zu versetzen und sich alle natiirliche Vor-

meinungen vom Leibe zu halten vermag, die Erkenntnis,' daB

15 nicht nur Einzelheiten, sondern auch All gem e i n h e i ten, ,

allgemeine Gegenstande und allgemeine

Sac h v e r hal t e z u a b sol ute r S e 1bs t g e g e b e n-

he i t gel a n g e n k 0 nne n. Diese Erkenntnis ist von

entscheidender Bedeutung fiir die Moglichkeit einer Phanome-

20 nologie. Denn das ist ihr eigentiimliche; Charakter, daB sie

Wesensanalyse und Wesensforschung im Rahmen rein schau-

ender Betrachtung ist, im Rahmen absoluter Selbstgegeben-

heit. Das ist notwendig ihr Charakter; f sie will ja Wissen- \'

schaft und Methode sein, um Moglichkeiten, Moglichkeiten ;

25 der Erkenntnis, Moglichkeiten der Wertung aufzuklaren, auf-

zuklaren aus ihrem Wesensgrunde; es sind allgemein frag- •

liche Moglichkeiten und ihre Forschungen somit allgemeine

Wesensforschungen. vWesensanalyse ist eo ipso generelle Ana- f.

lyse, Wesenserkenntnis auf Wesen, auf Essenzen, auf allgemeinel

30 Gegenstandlichkeiten gerichtete Erkenntnis.Und hier hat auch ,.die Rede vom Apriori ihre legitime Stelle. Denn was bedeutet

apriorische Erkenntnis anderes, mindestens wofern wir die

empiristisch verfalschten Begriffe von Apriori ausschlieBen, als

auf generelle Essenzen gerichtete, rein aus demWesen eine rein

35 ihre Geltung schopfende Erkenntnis?

] edenfalls ist das der eine berechtigte Begriff von Apriori, ein

anderer ergibt sich, wenn wir darunter alle Begriffe verstehen,

die als Kategorien einein bestimmtem SinnprinzipielleBedeutung

haben, unddann weiter die Wesensgesetze, die in diesenBegriffen

griinden. •

 

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52 III. VORLESUNG

Halten wir den ersten Begriff von Apriori hier fest, so hat es

die Phanomenologie mit dem Apriori in der Sphare der Ur-

spriinge, der absoluten Gegebenheiten zu tun, mit den in gene-

rellem Schauen zu fassenden Spezies und mit den apriorischen

Sachverhalten, die unmittelbar schaubar sich auf Grund der-

selben konstituieren.x In den Richtungen auf die Kritik der

Vernunft, der theoretischen nicht nur, sondern auch der prak-tischen und jedweder Vernunft ist das Hauptziel freilich das

Apriori im zweiten Sinn, die Feststellung der selbst zugebenden

10 prinzipiellen Formen und Sachverhalte und mittels dieser Selbst-

gegebenheiten die Realisierung, die Auswertung und Bewertung

der mit dem Anspruch auf prinzipielle Bedeutung auftretenden

Begriffe und Gesetze der Logik, der Ethik, der Wertlehre. \

IV. VORLESUNG

Erweiterung der Forschungssphare durch die Irrterrtionalitat S.55. -

Die Selbstgegebenheit des Allgemeinen; die philosophische Methode der

Wesensanalyse S. 56. - Kritik der Geftihlstheorie der Evidenz; Evidenz

als Selbstgegebenheit S. 59. - Keine Beschrankung auf die Sphare der

reellen Immanenz; Thema aIle Selbstgegebenheit S.60.

 

I '

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;1v

Halten wir uns an die bloBe Phanomenologie der Erkenntnis,so handelt es sich in ihr urn das direkt anschaulich aufweisbare

We sen d erE r ken n t n i s, d.h. urn eine schauende, im

Rahmen der phanomenologischen Reduktion und Selbstgegeben-

5 heit sich haltende Aufweisung und analytische Scheidung der

mannigfachen Artungen von Phanomenen,die der weitfaltige

Titel "Erkenntnis" umfaBt. Die Frage ist dann, was in ihnen

wesentlich liegt und griindet, aus welchen Faktoren sie sich

aufbauen, welche Komplexionsmoglichkeiten sie, immer wesent-

10 lich und rein immanent, fundieren und welche generellen Ver-

haltnisse iiberhaupt hier entquellen.

Und nicht bloBurn das reell Immanente handelt es sich, son-

dern auch urn das i min ten t ion a len Sin n I mm a-

n e n t e. Die Erkenntniserlebnisse, das gehort zu ihrem Wesen,

15 haben eine intentio, sie meinen etwas, sie beziehen sich in der

oder jener Art auf eine Gegenstandlichkeit. Das sich auf eine

Gegenstandlichkeit Beziehen gehort ihnen zu, wenn auch die

Gegenstandlichkeit ihnen nicht zugehort, Und das Gegenstand-

liche kann erscheinen, kann im Erscheinen eine gewisse Gege-

20 benheit haben, wahrend es gleichwohl weder reell im Erkennt-

nisphanomen ist, noch auch sonst als cogitatio ist. Das Wesen

der Erkenntnis klaren und die Wesenszusammenhange, die zu

ihr gehoren, zur Selbstgegebenheit bringen, das heiBt also nach

diesen beiden Seiten forschen, dieser zum Wesen der Erkennt-25 nis gehOrigenBeziehung nachgehen. Und hier liegen ja die Ratsel,

die Mysterien, die Probleme urn den letzten Sinn der Gegen-

standlichkeit der Erkenntnis, darunter ihrer Triftigkeit, bzw.

Untriftigkeit, wenn sie urteilende Erkenntnis, ihrer Adaquation,

wenn sie evidente Erkenntnis ist usw.

30 Jedenfalls ist diese ganze Wesensforschung offenbar in der Tat

generelle Forschung. Das singulare Erkenntnisphanomen, im

BewuBtseinsfluBkommend und schwindend, ist nicht das Objekt

der phanomenologischen Feststellung. Auf die "Erkenntnis-

 

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56 IV. VORLESUNG

quellen" ist es abgesehen, auf die generell zu erschauenden Ur-

spriinge, auf die generellen absoluten Gegebenheiten, die die

allgemeinen GrundmaBe darsteIlen, an denen aller Sinn und

dann auch das Recht des verworrenen Denkens zu messen und

5 alle Ratsel, die es in seiner Cegenstandlichkeit stellt, zu losen

sind.

Doch kannwirklich All g e me i n h e i t, konnen allge-meine Wesen und zu Ihnen gehorige allgemeine Sachverhalte

in gleichem Sinne zur Selbstgegebenheit kommen wie eine

10 cogitatio? T ran s zen die r t n i c h t d a s A 11gem ein e

a 1s sol c h e s die E r ken n t n is? Die allgemeine Er-

kenntnis als absolutes Phanomen ist freilichgegeben; aber in ihr

suchen wir vergeblich das Allgemeine, das ja in unzahligen mog-

lichen Erkenntnissen gleichen immanenten Gehalts das im

15 strengsten Sinn Identische sein solI.

Wir antworten natiirlich, wie wir schon geantwortet haben:

diese Transzendenz hat das Allgemeine natiirlich. Jeder reelle

Teil des Erkenntnisphanomens, dieser phanomenologischen Ein-

zelheit,ist wieder eine Einzelheit, und so kann das Allgemeine,

20 das ja keine Einzelheit ist, nicht reell imAllgemeinheitsbewuBt-

sein enthalten sein. Aber an die s e r Transzendenz AnstoB

zu nehmen, das ist nichts weiter als Vorurteil, es stammt aus

einer unpassenden und nicht aus der QueUe selbst geschopften

Betrachtung der Erkenntnis. Eben das muB man sich ja zur

25 Klarheit bringen, daB das absolute Phanomen, die reduzierte

cogitatio uns nicht darum als absolute Selbstgegebenheit gilt,

weil sie Einzelheit ist, sondern weil sie sich im reinen Schauen

nach der phanomenologischen Reduktion e ben a 1s a b s 0-

1ute Se 1bs t ge ge ben he i t herausstellt. Rein schauend

30 vorfinden konnen wir als e ben solche absolute Gegeben-heit aber nicht minder die Allgemeinheit.

Ist demwirklich so? Nun, sehen wir uns doch Falle der Gege-

benheit des Allgemeinen an, d.i. Falle wo auf Grund erschauter

und selbstgegebener Einzelheit ein rein immanentes Allgemein-

35 heitsbewuBtsein sich konstituiert. Ich habe eine Einzelanschau-

ung, oder mehrere Einzelanschauungen von Rot, ich halte die

reine Immanenz fest, ichsorgefiir phanomenologische Reduktion.

Ich schneide ab, was das Rot sonst bedeutet, als was es da trans-

zendent apperzipiert sein mag, etwa als Rot eines Loschblattes

IV. VORLESUNG 57

aufmeinem Tisch und dgl., und nun vollziehe ich rein schauend

den Sin n des Gedankens Rot iiberhaupt, Rot in specie, etwa

das aus dem und jenem herausgeschaute ide n tis c h e A 11-

gem e i n e; dieEinzelheit alssolcheist nun nicht mehr gemeint,

5 nicht dies und jenes, sondern Rot iiberhaupt. Tun wir das in der

Tat rein schauend, konnten wirda verstandlicherweise noch

zweifeln, was Rot iiberhaupt sei, was mit dergleichen gemeintsei, was es seinemWesen nach sein mag? Wir schauen es ja, da

ist es, das da meinen wir, diese Rotartung. Konnte eine Gott-

10 heit, ein unendlicher Intellekt vomWesen des Rot mehr haben,

als daB er es eben generell schaut?

Und wenn wir nun etwa zwei Rotspecies gegeben haben, zwei

Rotnuancen, konnen wir nicht urteilen, diese und jene sind

einander ahnlich, nicht dieseindividuell einzelnenRotphanomene,

15 sondern die Artungen, die Nuancen als solche; ist das Ahn-

lichkeitsverhaltnis hier nicht eine generelle absolute Gegeben-

heit?

Also auch dieseGegebenheit ist eine rein immanente, nicht

immanent imfalschen Sinn, namlich sichin der Sphare des indivi-

20 duellen BewuBtseins haltend. Von den Akten der Abstraktion

im psychologischen Subjekt und den psychologischen Bedingun-

gen, unter denen sie sich vollzieht, ist gar keine Rede. DieRede

ist vom generellen Wesen oder Sinn Rot und seiner Gegebenheit

im generellen Schauen.

25 Sowie es nun sinnlos ist, noch zu fragen rind zu zweifeln,was

denn dasWesen von Rot sei,oder was der Sinn von Rot sei,wenn

man Rot schauend und es in spezifischer Artung fassendmit dern

Wort Rot eben genau das meint, was da gefaBt und geschaut

ist, sohat eskeinen Sinn, noch in Betreff desWesens der Erkennt-

30 nis und der kardinalen Gestaltung der Erkenntnis zu zweifeln,was ihr Sinn sei, wenn man in rein schauender und ideierender

Betrachtung innerhalb der Sphare der phanomenologischenRe-

duktion die betreffenden exemplarischen Phanomene vorAugen

und die betreffende Artung gegeben hat. Nur ist freilich Erkennt-

35 nis keine so einfache Sache wie Rot, gar mannigfaltige Formen

und Arten derselben sind zu unterscheiden und nicht nur das,

sie sind in ihren Wesensbeziehungen zu einander zu erforschen.

Denn Erkenntnis verstehen das heiBt, die tel e 010 g i s chen

Zusa mmen han g e der Erkenntnis zugenereller Klarung

 

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58 IV. VORLESUNG

bringen, die auf gewisse Wesensbeziehungen verschiedener

Wesenstypen intellektueller Formen hinauslaufen. Und dahin

gehOrt auch die -Ietzte Aufklarung der Prinzipien, die als ideale

Bedingungen der Moglichkeit wissenschaftlicher Objektivitat

5 alles empirische wissenschaftliche Verfahren als Normen regeln.

Die ganze Forschung der Aufklarung der Prinzipien bewegt sich

durchaus in der Wesenssphare, die wiederum auf dem Unter-grunde singularer Phanomene der phanomenologischen Reduk-

tion sich konstituiert.

10 Die Analyse ist in jedem Schritt Wesensanalyse und Erfor-

schung der in unmittelbarer Intuition zu konstituierenden gene-

rellen Sachverhalte. Die ganze Untersuchung ist also eine aprio-

rische; natiirlich ist sie nicht eine apriorische im Sinne mathe-

matischer Deduktionen. Was sievon den objektivierenden aprio-

15 rischen Wissenschaften unterscheidet, ist ihre Methode und ihr

Ziel.sDie P han 0men 0 log i eve r f a h r t s c h a u end

auf k Iare n d, Sin n b est i mmen dun d Sin n u n-

t e rs ch e ide n d. Sie vergleicht, sie unterscheidet, sie ver-

kniipft, setzt inBeziehung, trennt in Teile, oder scheidet ab Mo-

20 mente. Aber alles in reinem Schauen. Sie theoretisiert und

mathematisiert nicht; sie vollzieht namlich k~i,J:"l~"Erklarungen

im Sinne der deduktiven Theorie. Indem sie die Grundbegriffe

und Grundsatze, die als Prinzipien die M6glichkeit objektivie-

render Wissenschaft beherrschen, aufklart (aber schlieBlichauch

25 ihre eigenen Grundbegriffe und Prinzipien zum Gegenstand

reflektiver Aufklarung macht), ist sie zu Ende, wo objektivie-

rende Wissenschaft anhebt. Sie ist also Wissenschaft in einem

ganz anderen Sinn und mit ganz anderen Aufgaben und ganz

anderen Methoden. D ass c h a u end e u n did e i ere n-

30 d eVe r f ah r e n inn e r h aI b d e r s t r eng s ten p h a-nom e n 0 log i s c hen Red u k t ion i s t i h r a u s-

s chi i e B I i c h e s E ig e n tum, e sis t die s p ez i-

fisch philosophische Methode, insofern

a l s die s e Methode w e s e n t l ic h zum Sinn der

35 E r ken n t n i s k r i t i k u n d s 0 ii b e r h a u p t z u j e-

, de r lei K Fit i k de r V ern u n f t g e h6 r t (also auch

der wertenden und praktischen Vernunft).lWas aber neben

der Kritik der Vernunft im echten Sinne noch Philosophie

heiBt, ist durchaus auf diese zu beziehen: also Metaphysik der

I"

'I

IV. VORLESUNG 59

Natur und Metaphysik des gesamten Geisteslebens und so Meta-

physik iiberhaupt im weitesten Verstande.

Man spricht in solchen Fallen des Schauens von E vi den z,

und in der Tat haben diejenigen, welche den pragnanten Evi-

5 denzbegriff kennen und ihn seinemWesen nach festhalten, aus- ..

schliefslichderartige Vorkommnisse imAuge.Das Fundamentale

ist, daB man nicht iibersieht, daB Evidenz dann dieses in der

Tat schauende, direkt und adaquat selbst fassende BewuBtsein

ist, daB es nichts anderes als adaquate Selbstgegebenheit be-

10 sagt. Die empiristischen Erkenntnistheoretiker, die vom Werte

der Ursprungsforschung so viel reden und dabei den wahren

Urspriingen ebenso fern bleiben wie die extremsten Rationa-

listen, wollen uns glauben machen, der ganze Unterschied zwi-

schen evidenten und nicht evidenten Urteilen bestehe in einem

15 gewissenGefiihle,durch das sich die ersteren auszeichnen. Aber

was kann hier ein Gefiihl verstandlich machen? Was soll es

leisten? Soll es uns etwa zurufen: halt t hier ist die Wahrheit?

Aber warum miissen wir ihm dann glauben, muB dieser Glaube

wieder einen Gefiihlsindex haben? Und warum hat ein Urteil

20 desSinnes 2mal 2 ist 5 niemals diesen Gefiihlsindex, und warum

kann es ihn nicht haben? Wie kommt man eigentlich zu dieser

gefiihlvollen Indiceslehre? Nun, man sagt sich: dasselbe Urteil,

logischgesprochen,etwa das Urteil2mal2 ist 4, kann mir einmal

evident sein und einmal nicht, derselbe Begriff der 4 kann mir

25 einrnal intuitiv in Evidenz gegeben sein unddas andere Mal in

bloB symbolischer Vorstellung. Also inhaltlich beiderseits das-

selbe Phanomen, aber auf der einen Seite ein Wert-Vorzug, ein

Charakter der Wert verleiht, ein auszeichnendes Gefiihl. Habe

ich in der Tat beiderseits dasselbe, nur einmal ein Gefiihl bei-

30 gegeben,das andere Mal nicht? Sieht man sichaber die Phanome-ne an, somerkt man sofort, daBin Wirklichkeit nicht beide Male

dasselbe Phanomen vorliegt, sondern zwei wesentlich verschie-

dene Phanomene, die nur ein Gemeinsames haben.tSehe ich, daB

2mal 2 gleich 4 ist, und sage ich es in vag symbolischemUrteilen,

35 so meine ich ein Gleiches, aber ein Gleiches meinen, heiBt nicht

dasselbe Phanomen haben. Der Gehalt ist beiderseits verschieden,

einmal schaue ich, und im Schauen ist der Sachverhalt selbst

gegeben, das andere Mal habe ich die symbolische Meinung.

Einmal habe ich Intuition, das andere Mal Leerintention. •

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60 IV. VORLESUNG

Also besteht der Unterschied darin, daB ein beiderseits Ge-

meinsames vorhanden ist, der gleiche "Sinn", einmal mit einem

Gefiihlsindex und das andere Mal nicht? Man sehe sichdochdie

Phanomene selbst an, statt von obenher fiber siezu reden und zu

5 k_onstruiere~rNehmen wir noch ein einfacheres Beispiel: wenn ich

emmal Rot m lebendiger Anschauung habe und das andere Mal

in symboIischer Leerintention an Rot denke, ist dann etwa beideMale dasselbe Rotphanomen reell gegenwartig, nur das eine

Malmit einem Gefiihl und das andere Mal ohne Gefiihl?

10 Man braucht sich die Phanornene also nur anzusehen und

erkennt, daB sie durch und durch andere sind, geeint nur durch

ein beiderseits zu Identifizierendes, das wir Sinn nennen .Besteht

aber die Verschiedenheit in den Phanomenen selbst, ~edarf es

dann etwa noch eines Gefuhls zur Unterscheidung? Und besteht

15 der Unterschied eben nicht darin, daB im einen Falle Selbst-

gegebenheit des Rot vorliegt, Selbstgegebenheit der Zahlen

und der generellen ZahlengleiChheit, oder in subjektivem Aus-

druck adaquat schauendes Erfassen und Selbsthaben dieser

Sachen, und das andere Mal eben bloBes Meinen der Sachen?

20 Mit dieser gefuhlvollen Evidenz konnen wir uns also nicht be-

t freunden. Sie konnte selbst nur Recht haben wenn sie sich irn

reinen Schauen auswiese und wenn reines Schauen eben das

bede~tet.~, was ': ir ihm zumuten und was ihr widerspricht.

f' W1r konnen mit Verwendung des Evidenzbegriffes nun auch

25 sagen: vom Sein der cogitatio haben wir Evidenz, und weil wir

Evidenz haben, impliziert sie kein Ratsel, also auch nicht das

Ratsel. der Transzendenz, sie gilt uns als ein Fragloses, iiber

das.W1rve.rfugen diirfen. Nicht minder haben wir vom Allge-

memen Evidenz, all gem e i neG e g ens tan d 1 i c h k e i-

30 ten .und .S~c~ v e r hal t e kommen uns zur Selbstgege-?enhe1t, und sr e smd im selben Sinne also fraglos gegeben, eben

im strengsten Sinn adaquat selbstgegeben.

Demnach bedeutet die phanomenologische Reduktion nicht

etwa die Einschrankung der Untersuchung auf die Sphare der

35 reellen Immanenz, auf die Sphare des im absoluten Dies der

cogitatio reell Beschlossenen, sie bedeutet iiberhaupt nicht Ein-

f schrankung. auf d.~eSphare d:r cogitatio, sondern die Beschran-

. kung auf die Sphare der r e in enS e 1 b s t g e g e ben h e [.,

ten, auf die Sphare dessen, fiber das nicht nur geredet und das

IV. VORLESUNG 61

nicht nur gemeint wird, auch nicht auf die Sphare dessen, was

wahrgenommen wird, sondern dessen, was genau in dem Sinn, Iin dem es gemeint ist, auch gegeben ist und selbstgegeben im

strengsten Sinn, derart daB nichts von dem Gemeinten nicht

5 gegeben ist. Mit einem Wort, Beschrankung auf die Sphare

der reinen Evidenz, das Wort aber in einem gewissen strengen

Sinn verstanden, der schon die "mittelbare Evidenz" und vorallem alle Evidenz im laxen Sinne ausschlieBt.

Absolute Gegebenheit ist ein Letztes. Natiirlich kann man

10 leicht sagen und behaupten, man hatte etwas absolut gegeben,

und es ist in Wahrheit nicht so. Auch absolute Gegebenheit

kann vage beredet und kann in absoluter Gegebenheit gegeben ~

sein. Wie ich ein Phanomen Rot schauen kann und bloB, ohne

Schauen, dariiber sprechen kann, so kann ich auch tiber das

15 Schauen des Rot sprechen und auf das Schauen des Rot hin

schauen und so das Schauen des Rot selbst schauend fassen.

Andrerseits die Selbstgegebenheit iiberhaupt leugnen, das heiBtI

alle letzte Norm, alles der Erkenntnis Sinn gebende GrundmaB

leugnen. Dann miiBteman aber auch alles fiir Schein erklaren

20 und in widersinniger Weise auch den Schein als solchen fiir

Schein erklaren und so iiberhaupt in die Widersinnigkeit des

Skeptizismus sich einlassen. Doch selbstverstandlich, in dieser

Weise kann gegen den Skeptiker nur derjenige argumentieren,

der Griinde s i e h t, der demSehen, dem Schauen, der Evidenz

25 eben Sinn belafit. Wer nicht sieht oder nicht sehen mag, wer

redet und selbst argumentiert, aber immerfort dabei bleibt, alle

Widerspriiche auf sich zu nehmen und zugleich alle Wider-

spruche zu leugnen, mit dem konnen wir nichts anfangen. Wir

konnen nicht antworten: "offenbar" ist es so, er leugnet, daB

30 es so etwas wie "offenbar" gibt; etwa so, wie wenn ein nichtSehender das Sehen leugnen wollte; oder noch besser, wenn ein

Sehender, daB er selbst sehe und daB es Sehen gibt, leugnen

wollte. Wie konnten wir ihn iiberzeugen, unter der Vorausset-

zung, daBer keinen anderen Sinn hatte?

35 Halten wir also die absolute Selbstgegebenheit fest, von der

wir nun schon wissen, daB sie nicht Selbstgegebenheit reeller

Einzelheiten, etwa der absolute~Einzelheiten der cogitatio

besagt, dann fragt es sich, wie weit sie reicht und inwiefern sie

sichoder in welchemSinne sie sichan die Sphare der cogitationes

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62 IV. VORLESUNG

und der sie generalisierenden Allgemeinheiten bindet. Hat man

das erste und naheliegende Vorurteil abgeworfen, das in der

singularen cogitatio und in der Sphiire der reellen Immanenz

das einzige absolut Gegebene sieht, so muBman nun auch das

& weitere und nicht minder naheliegende Vorurteil abtun, als ob

n u r in den aus dieser Sphare entnommenen generellen Intui-

tionen neue selbstgegebene Gegenstiindlichkeiten erwiichsen,"Wir haben in reflektiver Wahrnehmung absolut gegeben die

cogitationes, indem wir sie bewuBt erleben", so mochte man

10 anfangen; und dann konnen wir auf das in Ihnen und in

ihren reellen Momenten sichvereinzelnde Allgemeinehinschauen,

in schauender Abstraktion Allgemeinheiten fassen und die

Wesenszusammenhiinge, die rein in diesen grunden, als selbst-

gegebene Sachverhalte im schauend-beziehenden Denken kon-

15 stituieren. Das ist alles.

Indessen, keine Neigung ist fur die schauende Erkenntnis der

Ursprunge, der absoluten Gegebenheiten gefiihrlicher als die,

sich zu viel Gedanken zu machen und aus diesen denkenden

Reflexionen vermeintliche Selbstverstandlichkeiten zu schopfen.

20 Selbstverstandlichkeiten, die zumeist gar nicht ausdriicklich

formuliert zuwerden pflegen und schon darum keiner schauenden

Kritik unterworfen werden, die vielmehr unausgesprochen die

Richtung der Forschung bestimmen und unzulassig begrenzen.

I S ch au end e E r ken n t n i sis t die V ern u n f t,

25 die sic h V 0 r set z t, den Ve r s tan deb e n z u r

i V ern u n f t z u b r i n gen. Der Verstand darf nicht da-

zwischenreden und seine uneingelosten Bankoscheine zwischen

die eingelosten schmuggeln; und seineMethode des Vmwechselns

und Vmrechnens, die sich auf die bloBen Schatzanweisungen

30 grundet, ist hier durchaus nicht in Frage gestellt., Alsomoglichst wenigVerstand, aber moglichst reine Intuition;

(intuitio sine comprehensione); wir werden in der Tat an die Rede

der Mystiker erinnert, wenn sie das intellektuelle Schauen, das

nkein Verstandeswissen sei, beschreiben. Und die ganze Kunst

3~ besteht darin, rein demschauenden Auge das Wort zu lassen und

das mit dem Schauen verflochtene transzendendierende Meinen,

das vermeintliche Mitgegebenhaben, das Mitgedachte und ev.

das durch hinzukommende Reflexion Hineingedeutete auszu-

schalten. iDie bestiindige Frage lautet: ist dies Vermeinte im

II

I

IV. VORLESUNG 63

echten Sinn gegeben, im strengsten Sinn geschaut und gefaBt,

oder geht das Vermeinen dariiber hinaus?

Dies vorausgesetzt, erkennen wir bald, daB es eine F i k t ion

ware zu glauben, die schauende Forschung bewege sich in der

5 Sphare einer sogenannten inn ere n Wah r n e hm u n g ..

und einer darauf gebauten rein immanenten, ihre Phanomene und

Phanomen-Momente ideierenden Abstraktion. Es gibt vielfiiltigeModider Gegenstiindlichkeit und mit Ihnen der sogenannten Ge-

gebenheit, und vielleicht ist dieGegebenheit desSeienden imSinne

10 der sogenannten "inneren Wahrnehmung" und wieder die des

Seienden der naturlichen und objektivierenden Wissenschaft je

Bur eine dieser Gegebenheiten, wahrend die anderen, obschon als

nicht Seiende bezeichnet, doch auch Gegebenheiten sind und nur

dadurch, daB sic es sind, jenen anderen gegenubergesetzt und in

15 der Evidenz von ihnen unterschieden werden konnen,

 

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·,',

V. VORLESUNG

Die Konstitution des ZeitbewuBtseins S.67. - Wesenserfassung als

evidente Gegebenheit der Essenz; Konstitution der singuliiren Essenz

und des AllgemeinheitsbewuBtseins S. 68. - Die kategorialen Gegeben-

heiten S. 71. - Das symbolisch Gedachte als solches S. 73. - Das

Forschungsgebiet in seinem weitesten Umfang: die Konstitution derverschiedenen Modi der Gegenstiindlichkeit in der Erkenrrtnis ; das

Problem der Korrelation von Erkenntnis und Erkenntnisgegenstiind-

lichkeit S. 73.

i l

Die Idee der Phanomenologie .5

 

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Haben wir die Evidenz der cogitatio festgestellt und dann den

weiteren Schritt der evidenten Gegebenheit des Allgemeinen zu-

gestanden, so fiihrt dieser Schritt sofort zu weiteren.

Farbe wahrnehmend und dabei Reduktion iibend, gewinne ich

5 das reine Phanomen Farbe. Und vollziehe ich nun reine Abstrak-

tion, so gewinne ich das Wesen phanomenologische Farbe tiber-

haupt. Aber bin ich nicht auch im vollen Besitz dieses Wesens,

wenn ich eine klare Phantasie habe?

Was dann die E r inn e r un g anlangt, so ist sie keine so

10 einfache Sache und bietet schon verschiedene Gegenstandlich-

keitsformen und Gegebenheitsformen ineinander verflochten. So

konnte man hinweisen auf die sogenannte p rim ii.r e E r i n-n e run g, auf die mit jeder Wahrnehmung notwendig verfloch-

tene Ret en t ion. Das Erlebnis, das wir jetzt erleben, wird

15 uns in der unmittelbaren Reflexion gegenstii.ndlich, und es stellt

sich in ihm immerfort dasselbeGegenstii.ndliche dar: derselbeTon,

soeben noch als wirkliches Jetzt gewesen, immerfort derselbe,

aber in die Vergangenheit zuriickriickend und dabei denselben .

objektiven Zeitpunkt konstituierend. Und wenn der Ton nicht

20 aufhort, sondern dauert und wahrend seiner Dauer sich inhaltlich

als derselbe oder inhaltlich als sich verandernd darstellt, ist da

nicht, daB er dauert oder sich verandert, mit Evidenz (innerhalb

gewisser Grenzen) zu fassen? Und liegt darin nicht wiederum,

daB das Schauen iiber den reinen J etztpunkt h ina u s- ,

25 rei c h t, also das nicht mehr jetzt Seiende im jeweiligen neuen

J etzt intentional festzuhalten und einer Vergangenheitsstrecke

in der Weise evidenter Gegebenheit gewiBzu werden vermag?

Und wieder scheidet sich hier einerseits das jeweilige Gegen-

standliche, das ist und war, das dauert und sich verandert, und

30 andrerseits das jeweilige Gegenwarts- und Vergangenheitsphii.-

nomen, Dauer- und Veranderungsphanomen, das jeweils ein Jetzt

ist und in seiner Abschattung, die es enthalt, und in seiner ste-

 

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68 V. VORLESUNG

. .tigen Veranderung, die es selbst erfahrt, das ze i t 1ich e Se i n

zur Erscheinung, zur Darstellung bringt. Das Gegenstandliche

ist kein reelles Stiick des Phanomens, in seiner Zeitlichkeit hat es

etwas, was sich imPhanomen gar nicht finden und darin auflosen

5laBt, und doch konstituiert es sich im Phanomen. Es stellt sich

darin dar und ist darin als "seiend" evident gegeben.

Weiterjwas die Wesensgegebenheit anlangt, so konstituiert siesich nicht bloB auf Grund der Wahrnehmung und der in ihr ver-

flochtenen Retention so, daB sie dem Phanomen selbst ein All-

10 gemeines sozusagen entnimmt, sondern auch so, daB sie den er-

scheinenden Gegenstand v era 11 gem e i n e r t, im Hinblick

auf ihn Allgemeinheit setzt: z.B. zeitlichen Inhalt iiberhaupt,

Dauer iiberhaupt, Veranderung uberhaupt.! Ferner auch die

Phantasie und Wiedererinnerung kann ihr als Unterlage dienen,

15sie gibt selbst die rein zu fassenden M6glichkeiten; in gleichem

Sinn entnimmt sie auch aus diesen Akten Allgemeinheiten, die

andrerseits doch nicht in diesen reell enthalten sind.

Es ist offenbar, daB eine voll evidente Wesenserfassung zwar

auf singulare Anschauung zu r ii ck wei s t, auf Grund deren

20s ie sich konstituieren muB, aber darum n i ch tau f sin gu-

1 are Wah r n e h mu n g, die das exemplarisch Einzelne als

ein reell jetzt Gegenwartiges gegeben hat. Das Wesen von pha-

nomenologischer Tonqualitat, Tonintensitat, von Farbenton, von

Helligkeit und dgl. ist selbst gegeben, ebensowohl dann, wenn die

25ideierende Abstraktion sich auf Grund einer Wah r n e h -

mu n g vollzieht oder auf Grund einer P han t a s i eve r ge -

g e n wa r t i gun g, und die wirkliche und modifizierte Ex i s-

ten z set z u n gist beiderseits i r revel ant. Dasselbe

gilt von der Wesenserfassung, die sich auf die Species im eigent-

30 lichen Sinn psychischer Data bezieht, wie Urteil, Bejahung, Ver-

neinung, Wahrnehmung, SchluB und dgl. Und natiirlich gilt es

weiter von generellen Sachverhalten, die zu solchen Allgemein-

heiten gehoren. Die Einsicht, daB von zwei Tonarlen eine die

niedere, die andere die hohere ist, und daB dieses Verhaltnis ein

35nicht umkehrbares ist, konstituiert sich im Schauen. Exempel

miissen vor Augen stehen, aber sie miissen es nicht in der Weise

von Sachverhalten der Wahrnehmung .•Fiir die Wesensbetrach-

tung rangiert Wahrnehmung und Phantasievorstellung ganz

gleich, aus beiden ist dasselbe Wesen gleich gut herauszuschauen,

V. VORLESUNG 69

heraus zu abstrahieren und, die eingewobenen Existenzsetzungen

sind irrelevant; 'dafi der wahrgenommene Ton mitsamt seiner

Intensitat, Qualitat usw. in gewissem Sinn ex i s tie r t, der

Phantasieton, sagen wir geradezu der fingierte, n i c h t ex i s-

5 tie r.t, daB der eine evidentermaBen reell gegenwartig ist, der

andere nicht, daBer imFalle der Wiedererinnerung statt als jetzt

vielmehr als gewesen gesetzt und im J etzt nur vergegenwartigtist, das geh6rt in eine andere Betrachtung, fiir die Wesensbe-

trachtung kommt es nicht in Frage, auBer sie richtet sich darauf,

10gerade diese Unterschiede, die auch ihre Gegebenheit haben, zu

prasentieren und genereIle Einsichten iiber sie festzusteIlen.

Es ist ja iibrigens klar, daB selbst wenn die unterliegenden

Exempel in Wahrnehmungen gegeben sind, gerade das nicht in

Betracht kommt, was der Wahrnehmungsgegebenheit die Aus-

15zeichnung gibt: die Existenz. Phantasie fungiert aber nicht nur

fiir die Wesensbetrachtung gleich der Wahrnehmung, sie scheint

auch in sich selbst sin g u 1are G e g e ben h e i ten zu

enthalten, und zwar als wirklich evidente Gegebenheiten.

Nehmen wir die b loB e Ph ant as i e, also ohne Erinne-

20 rungssetzung. Eine phantasierte Farbe ist keine Gegebenheit im

Sinne einer Empfindungsfarbe. Wir unterscheiden die phanta-

sierte Farbe von einem Erlebnis des Phantasierens dieser Farbe.

Das Mir-vorschweben der Farbe (urn es roh auszudriicken) ist ein \

Jetzt, ist eine jetzt seiende cogitatio, die Farbe aber selbst ist .

25keine jetzt seiende Farbe, sie ist nicht empfunden, Andrerseits

in gewisser Weise gegeben ist sie doch, sie steht mir ja vor Augen .

Sogut wie die Empfindungsfarbe kann auch sie reduziert werden,

durch AusschluB aller transzendenten Bedeutungen, siebedeutet

mir also nicht Farbe des Papiers, Farbe des Hauses und dgl. AIle

30empirische Existenzsetzung kann suspendiert werden; dannnehme ich sie genau so, wie ich sie "schaue", quasi "edebe".

Ein reeller Teil des Phantasieerlebnisses ist sie aber trotzdem

nicht, sie ist nicht gegenwartige sondern vergegenwartigte Farbe,

sie steht g 1eic h sam vor Augen aber nicht als reelle Gegen-

35wart ..Aber bei aIledem ist sie erschaut und als erschaute ist sie in

gewissem Sinne gegeben. Ich setze sie damit nicht als physische

oder psychische E xis ten z, ich setze sie auch nicht als Exis-

tenz im Sinne einer echten cogitatio; denn diese ist ein reelles \

Jetzt, eine Gegebenheit, die mit Evidenz als Jetztgegebenheit ~

 

~ " .

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70 V. VORLESUNG

charakterisiert ist. DaB die Phantasiefarbe in demeinen und an-

deren Sinn nicht gegeben ist, besagt doch nicht, daB sie es in

keinem Sinne ist. Sie erscheint und erscheint selbst, sie stellt sich

selbst dar, sie selbst in ihrer Vergegenwartigung schauend kann

5 ich tiber sie urteilen, tiber die sie konstituierenden Momente und

deren Zusammenhange. Natiirlich sind auch diese imselben Sinn

gegeben und im selben nicht "wirklich" existierend imgesamtenPhantasieerlebnis, nicht reell gegenwartig, nur "vorgestellt".

Das reine Phantasieurteil, das bloB ausdruckt den In hal t,

10 das singulare Wesen des Erscheinenden kann sagen: dies ist so

geartet, enthalt diese Momente, verandert sich so und so, ohne

im geringsten tiber Existenz als wirkliches Sein in der wirklichen

Zeit, tiber wirkliches jetztsein, Vergangensein, Ktinftigsein zu

urteilen. Wir konnten also sagen, tiber die i n d i v i due 11e

15 E sse n z wird geurteilt und nicht tiber die Existenz. Eben

darum ist das generelleWesensurteil, das wir gew6hnlichschlecht-

weg als Wesensurteil bezeichnen, von demUnterschied zwischen

Wahrnehmung und Phantasie unabhangig. Wahrnehmung

setzt E xis ten z, hat aber auch eine E sse n z, der als

20 existierend gesetzte I n hal t kann derselbe sein in der Ver-

gegenwartigung.

Die Gegentiberstellung aber von E xis ten z und E s -

sen z, was besagt sie anders, als daB hier zwei Seinsweisen in

zwei Modis der Selbstgegebenheit sich bekunden und zu unter-

25 scheiden sind. Im bloBen Phantasieren einer Farbe ist die Exis-

tenz, die die Farbe als Wirklichkeit in der Zeit ansetzt, auBer

Frage; dariiber ist nichts geurteilt und davon ist auch im I n-

hal t der Phantasie nichts gegeben. Aber diese Farbe erscheint,

sie steht da, sie ist ein Dies, das Subjekt eines Urteils werden

30 kann: und eines evidenten. Also ein Modus der Gegebenheit be-kundet sich in den Phantasieanschauungen und den evidenten

Urteilen, die in Ihnen grtinden. Freilich halten wir uns in der in-

dividuell einzelnen Sphare, so ist mit derartigen Urteilen nicht

viel anzufangen. Nur wenn wir generelle Wesensurteile konsti-

35 tuieren, gewinnen wir feste Objektivitat, wie sie Wissenschaft

fordert. Aber darauf kommt es hier nicht an. Damit scheinenwir

aber in einen schonen Malstrom hineinzugeraten.

Der Anfang war die E vi den z de r cogitatio. Da

schien es zunachst, als hatten wir einen festen Boden, lauter

!

I,

V. VORLESUNG 71

pur e sSe i n. Man hatte hier nur einfach zuzugreifen und zu

schauen. DaBman im Hinblick auf.diese Gegebenheiten verglei-

chen und unterscheiden, daBman da spezifischeAllgemeinheiten

herausstellen und soWesensurteile gewinnen konne, das mochte

5man leicht zugestehen. Aber nun zeigt es sich, daBdas pure Sein

der cogitatio in genauer Betrachtung sich gar nicht als soeinfache

Sache darstellt, es zeigte sich, daB sich schon in der cartesiani-schen Sphare v e r s chi e den e G e g ens tan d 1i c h k e i- •

te n" konstituieren" und das Konstituieren sagt, daB immanente

10 Gegebenheiten nicht, wie es zuerst scheint, imBewuBtsein sowie

in einer Schachtel einfach sind, sondern daB sie sich jeweils in so

etwas wie "Erscheinungen" darstellen, in Erscheinungen, die

nicht selbst die Gegenstande sind und die Gegenstande reell ent-

halten, Erscheinungen, die in ihremwechselnden und sehr merk-

15 wurdigen Bau die Gegenstande fiir das Ich gewissermaBen schaf-

fen, sofern gerade Erscheinungen solcher Artung und Bildung

dazu gehoren, damit das vorliegt, was da "Gegebenheit" heiBt.

In der Wahrnehmung mit ihrer Retention konstituiert sichdas

u r s p r ti n g 1i c h e Z e ito b j e k t, nur in einem solchen

20 BewuBtsein kann Zeit gegeben sein. Sokonstituiert sich in dem

auf Wahrnehmung oder Phantasie gebauten All gem e i n-

he its b e wu Bt s e i n das Allgemeine, in der Phantasie aber

auch in der Wahrnehmung konstituiert sichbei Absehen von der

Existenzsetzung der Anschauungsinhalt im Sinne der singularen

25 E sse n z. Und dazu kommen, urn gleich wieder daran zu erin-

nern, die kategorialen Akte, die Voraussetzung der evident en

Aussagen hier iiberall sind. Die kategorialen Formen, die da auf-

treten, die in Wortern wie is t und n ich t, d ass e 1b e und

anderes, eines und mehrere, und und od er in der

30 Form der Pradikation und Attribution usw. zum Ausdruck kom-men, weisen auf Formen des Denkens hin, mittels welcher

Denkformen aber, wenn sie sichpassend aufbauen, auf demUn-

tergrunde synthetisch zu verkniipfender Elementarakte Gege-

benheiten zum BewuBtsein kommen: Sachverhalte dieser oder

35 jener ontologischen Form. Auch hier <geschiehi>das sich "Kon- '/

stituieren" der jeweiligen Gegenstandlichkeit in so und so ge- , '

formten Denkakten; und das BewuBtsein, in dem sich das Ge-

gebensein, gleichsam das pure Schauen der Sachen vollzieht, ist

abermals nicht so etwas wie eine bloBe Schachtel, in der diese

 

73

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72 V. VORLESUN"G

•Gegebenheiten einfach sind, sondern das s ch a u end e B e-

w uB t s ein, das sind - abgesehen von der Aufmerksamkeit ~

son n d s 0 g e for m teD e n k ak t e, und die Sachen, die

nicht dieDenkakte sind, sind doch in Ihnen konstituiert, kom-

5men in Ihnen zur Gegebenheit ; und wesentlich nur so konsti-

tuiert zeigen sie sich als das, was sie sind.

Aber sind das nicht lanter Wunder? Und wo fangt dieses Ge-genstandlichkeit-konstituieren an und wohort es auf? Gibt es da

wirkliche Grenzen? Ist nicht in jedem Vorstellen und Urteilen in

10 gewissemSinne eine Gegebenheit vollzogen; .ist nicht jede Gegen-

standlichkeit, sofern sie so oder so angeschaut, vorgestellt, ge-

dacht ist, eine Gegebenheit und eine evidente Gegebenheit? In

derWahrnehmung einesaufierenDingesheiBtebendas Ding,sagen

wir ein vor Augen stehendes Haus, wahrgenommen. Dieses Haus

15 ist eine Transzendenz und verfallt der Existenz nach der pha-

nomenologischen Reduktion.Wirklich evident gegeben ist das

Hauserscheinen, diese cogitatio, im Flusse des BewuBtseins auf-

tauchend und verflieBend. In diesemHausphanomen finden wir

ein Rotphanomen, ein Ausdehnungsphanomen usw. Das sind

20 evidente Gegebenheiten. Ist es aber nicht auch evident, daB in

dem Hausphanomen eben ein Haus erscheint, urn dessentwillen

es eben eine Haus-wahrnehmung heiBt; und ein Haus nicht nur

iiberhaupt, sondern gerade dieses Haus, so und so bestimmt und

in solcher Bestimmtheit erscheinend. Kann ich nicht evident ur-

25 teilend sagen: erscheinungsmaflig oder im Sinn dieser Wahr-

nehmung ist das Haus so und so, ein Ziegelbau, mit Schiefer-

dach usw.?

Und wenn ich eine Fiktion in der Phantasie vollziehe, derart

daBmir etwa ein Ritter St. Georg vorschwebt ein Drachenunge-

30 tier totend, ist es nicht evident, daB das Phantasiephanomeneben St. Georgund zwar diesen da, sound sozu beschreiben, vor-

stellt; und zwar jetzt diese "Transzendenz". Kann ich nicht mit

Evidenz hier urteilen, nicht tiber den reellen Inhalt der Phan-

tasieerscheinung, sondern tiber den erscheinenden Dinggegen-

35 stand? Freilich nur eine Seite des Gegenstandes und bald diese

und jene Seite, Iallt in den Rahmen der eigentlichen Vergegen-

wartigung, aber wie immer, evident ist es doch, daB dieser Ge-

genstand Ritter St. Georg usw. im Sinne der Erscheinung liegt

und sich in ihr erscheinungsmafiig "als Gegebenheit" bekundet.

I

V. VORLESUNG

Und schlieBlich das sogenannte s y mb 01 i s ch e De n-

ken. Ich denke etwa 2 mal 2 ist 4 ohne jede Intuition. Kann ich

zweifeln, daB ich diesen Zahlensatz denke und daB das Gedachte

nicht etwa das heutige Wetter betrifft? Auch da habe ich Evi-

5 denz, also soetwas wie Gegebenheit? Und wennwir soweit sind,

hilft alles nichts, wir miisseu auch anerkennen, daB in gewisser

Weise auch das Widersinnige, das vollig Absurde "gegeben" ist.Ein rundes Viereck erscheint nicht in der Phantasie, wiemir der

Drachentoter erscheint, und nicht in der Wahrnehmung wie ein

10 beliebiges AuBending, aber ein intentionales Objekt ist doch

evidentermaBen da. Ich kann das Phanomen "Denken eines run-

'denVierecks" beschreiben, seinemreellen Gehalte nach, aber das

runde Viereck ist doch nicht darin, und doch ist es evident, daB

es in diesem Denken gedacht ist und daB dem soGedachten als

15 solchen Rundheit und Viereckigkeit eben zugedacht ist, oder daB

das Objekt dieses Denkens ein rundes und zugleich viereckiges

ist.

Es solInun keineswegs gesagt werden, daf diese in der letzten

Reihe aufgefiihrten Gegebenheiten wirkliche Gegebenheiten im

20 echten Sinne sind: wonach ja schlieBlichjedes Wahrgenommene,

Vorgestellte, Fingierte, symbolisch VorgestelIte, jedes Fiktum

und Absurdum "evident gegeben" ware, sondern nur darauf hin-

gewiesen werden, daB hier g roB eSc hwi e r ig ke i ten

1i e gen. Prinzipiell konnen sie uns vor ihrer Klarung nicht

25 hindern zu sagen, sow e i t w irk I i 'c h e E v ide n z

rei c h t, sow e i t rei c h t G e ge ben h eit. Aber na- ltiirlich wird iiberall die groBeFrage sein, imVollzug der Evidenz

reinlich festzustelIen, was in ihr wirklich gegeben ist und was 1nicht, was ein uneigentliches Denken hierbei erst hineinschafft ! ,

30und ohne Gegebenheitsgrund hineininterpretiert.Und iiberall handelt es sich nicht darum, beliebige Erscheinun-

gen als gegeben festzustelIen, sondern das Wesen der Gegebenheit

und das Sich-konstituieren der verschiedenen Gegenstandlich-

keitsmodi zur Einsicht zu bringen. GewiB,jedes Denkphanomen

35 hat seine gegenstandliche Beziehung und jedes, das ist eineerste

Wesenseinsicht, hat seinen reellen Inhalt, als belief der Momente,

die es im reellen Sinn komponieren; und andrerseits seinen in-

tentionalen Gegenstand, einen Gegenstand, den es je nach seiner

Wesensartung als so oder so konstituierten meint.

 

74 V. VORLESUNG

D(i

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Ist diese Sachlage wirklich zur Evidenz zu bringen, so muB

diese Evidenz uns alles notige Iehren; in ihr muBsich klarstellen,

was diese "intentionale Inexistenz" eigentlich bedeutet und wie

siezumreellen Gehalt des Denkphanomens selbst steht. Wir miis-

5 sen sehen, inwelchemZusammenhang sieals wirkliche und eigent-

Iiche Evidenz auftritt, und was in diesem Zusammenhang die

wirkliche und eigentliche Gegebenheit ist. Es wird dann darauf

ankommen, die v e r s chi e den e n Mod ide r e i-

g e n t 1i chen G e ge ben h e i t, bzw. die K 0 n s t i-

10 t uti 0 n de r ve r Schi e den e n Mod ide r G e g e n-

s tan d 1i ch k e i t und i h reVer hal t n iss e z u ein-

ander herauszustellen: Gegebenheit der cogitatio,

Gegebenheit der in f r is c her E r inn e run g n a c h l e-

ben den cogitatio, die Gegebenheit der imphanomenalen Fluf

15 dauernden E r s c h e i nun g s e i n h e i t, die Gegebenheit

der Ve ran de run g derselben, die Gegebenheit des D i n-

g e s in der "auBeren" Wahrnehmung, die der verschiedenen

Formen der Phantasie und Wiedererinnerung, sowie in entspre-

chenden Zusammenhangen mannigfaltiger synthetisch sich20 einigender Wah r n eh mu n ge n und sonstiger V0r s t e I-

I u n gen. Natiirlich auch die log is c hen G e g e b e n-

h e i ten, die Gegebenheit der All gem e i n h e i t, des

Pradikats, des Sachverhalts usw.,auchdieGegeben-

heit eines Wid e r sin n s, eines Wid e r s p r u c h s, eines

25 N i ch t s e ins usw. Uberall ist die Gegebenheit, mag sich in

ihr bloBVorgestelltes oderwahrhaft Seiendes, Reales oder Ideales,

Mogliches oder Unrnogliches bekunden, eine G e g e ben h e i t

i mEr ken n t n i s p han 0men, im Phanomen eines Den-

kens im weitesten Wortsinn, und ii b era 11 is tin de r

30 W e sen s bet r a c h tun g die s e r z una c hs t sow u n-

d e r bar e n K 0r reI a t ion n a c h z u g e hen.

Nur in der Erkenntnis kann das Wesen der Gegenstandlichkeit

iiberhaupt nach allen ihren Grundgestaltungen studiert werden,

nur in ihr ist es ja gegeben, ist es evident zu schauen. Dieses

35 e v ide n t eSc h a u e n ist ja selbst die E r ken n t n is

imp rag nan t est enS inn; und die Gegenstandlichkeit

ist nicht ein Ding, das in der Erkenntnis darin steckt wie in

einem Sack, als ob die Erkenntnis eine iiberall gleich leere Form

ware, ein und derselbe Ieere Sack, in den einmal dies, einmal

jenes hineingesteckt ist. Sondern in del' Gegebenheit sehen wir, •

d a B der Gegenstand sieh in del' Erkenntnis

kon stit u ie r t, daB so viele Grundgestaltungen del' Gegen-

standlichkeit zu scheiden sind.sso viele Grundgestaltungen auch

5 der gebenden Erkenntnisakte und Gruppen, Zusammenhange

von Erkenntnisakten. Und die Erkenntnisakte, weiter gefaBt

die Denkakte iiberhaupt sind nicht zusammenhanglose Einzel-heiten, zusammenhanglos imFluBdes BewuBtseins kommend und

gehend. Sie zeigen, wesentlich aufeinander bezogen, teleologische

10 Zusa mmen ge h ~.r i gk e i t ~.n. und ent~.prechende.Zu- Isammenhange der Erfullung, Bekrafbgung, Bewahrung und ihre

Gegenstiicke. Und auf diese Zusa mmen han ge , die die

verstandesmaflige Einheit darstellen, kommt es an. Sie sind selbst

Gegenstandlichkeit konstituierende; sie verkniipfen Iogisch die

15 uneigentlich gebenden Akte und die eigentlich gebenden, Akte

blofen Vorstellens oder vielmehr bloBen Glaubens und Akte des

Einsehens, und wieder die Mannigfaltigkeiten auf dasselbe Ge-

genstandliche bezuglicher Akte, sei es anschaulichen, sei es un-

anschaulichen Denkens.

20 Und erst in diesen Zusammenhangen konstituiert sich, nicht in

einem Schlage, sondern in einem aufsteigenden Prozess die Ge-

genstandlichkeit der objektiven Wissenschaft, vor allem die

Gegenstandlichkeit der realen raumlich-zeitlichen Wirklichkeit.

All das ist zu studieren und in del' Sphare reiner Evidenz zu

25 studieren, urn die groBen Probleme des Wesens der Erkenntnis

und des Sinnes der K 0r reI a t ion von E r ken n t n i s

u n d E r ken n t n i s g e g ens tan d 1i c h k e i t aufzukla-

ren. Das urspriingliche Problem war d a s Ve r hal t n i s

z wi s c hen sub j e k t i v P s Yc hoi 0g i s c hem E r- \.

30 I e b n i sun d d er i nih mer f a Bten Wi r kI i ch ke i t -~an s i e h, zunachst der realen Wirklichkeit und weiter auch der

mathematischen und sonstiger idealer Wirklichkeiten. Der Ein-

sicht bedarf es zuerst, daB das r a d i ka I e Pro b I e m viel-

mehr gehen muB auf das Ve r h a I t n isz wi s chen E r-

35 ken n t n i sun d G e gens tan d, aber in red u z i e r- •

tern Sinn, wonach nicht von menschlicher Erkenntnis sondern

von Erkenntnis iiberhaupt, ohne jede existenziale Mitsetzungs-

beziehung, sei esauf das empirische Ieh oder auf eine reale Welt;

die Rede ist. Der Einsicht bedarf es, daB das wahrhaft bedeut-

 

76 V. VORLESUNG"f

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same Problem das der 1e t z ten Sin n g e bun g de r E r-

ken n t n i s ist und damit zugleich der GegensHindlichkeit

iiberhaupt, die nur ist, was sie ist, in ihrer Korrelation zur rnog-

lichen Erkenntnis. Es bedarf weiter der Einsicht, daB dieses

5 Problem nur in der Sphare reiner Evidenz, in der Sphare der

letztnormierenden, weilabsoluten Gegebenheit zu Idsen ist, und

daB wir demnach einzelnweise allen Grundgestaltungen der Er-

kenntnis und allen Grundgestaltungen der in ihr voll oder partiell\.

zurGegebenheit kommenden Gegenstandlichkeiten imschauenden

10 Verfahren nachgehen mussen, urn den Sinn aller aufzuhellen-

den Korrelationen zu bestimmen.

BEILAGEN

 

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t\

BEILAGE 1. 1 )

In der Erkenntnis ist die Natur gegeben, aber auch dieMensch-heit in ihren Verbanden und in ihren Kulturwerken. All das wird

er kann t. Aber zur Erkenntnis der Kultur gehort, als den Sinn

der Gegenstandlichkeit konstituierender Akt, auch Werten und

5Wollen.

Erkenntnis bezieht sich auf den Gegenstand mit einem wech-

selnden Sinn in wechselnden Erlebnissen, in wechselnden Affek-

tionen und Aktionen des Ich.

Neben der formalen log is chen Sinneslehre und Lehre

10 von den wahren Satzen als giltigen Sinnen haben wir in natiir-

licher Einstellung noch and ere nat Iir lie hew iss e n-

s ch aft Ic h e V n t e r s u c hun g en: wir scheiden

Grun d gat tun ge n (Regionen) von Gegenstanden und er-

wagen z.B. ftir die Region blo13ephysische Natur in prinzipieller

15 Allgemeinheit, was unaufhebbar zu ihr, zu jedem Gegenstand der

Natur in sich und relativ als Naturobjekt gehort. Wir treiben

Ontologie der Natur. Wir legen dabei den Sinn, und dashei13thier

den giltigen Sinn eines Naturobjektes als Gegenstandes der Na-

turerkenntnis, als <des>in ihr vermeinten Objektes auseinander:

20 das, ohne was ein mogliches Naturobjekt, das ist ein Objekt mog-

licher auflerer Naturerfahrung, nicht gedacht werden kann, wenn

es sollwahrhaft seiend sein konnen. Alsowir erwagen den Sin n

der aufleren Erfahrung (das Gegenstand-Gemeinte), und zwar

den Sinn in seiner Wah r he i t, seinem wahrhaft oder giltig25 Bestehen nach den unaufheblichen Konstituanten.

Ebenso erwagen wir den wah r enS inn e i n e sKu n s t-

w e r k e s iib e r h au p t und den besonderen Sinn eines be-

stimmten Kunstwerkes. Im ersten Fall studieren wir das "We-

sen" eines Kunstwerkes in reiner Allgemeinheit, im zweiten Fall

30 den wirklichen Gehalt des wirklich gegebenen Kunstwerkes, was

hier dem Erkennen des bestimmten Gegenstandes (als wahrhaft

1) Dies i st e ine s p ii t e re Be ilage (1916?); zu S. 19.

 

80 BEILAGE I

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seienden, nach seinen wahren Bestimmtheiten), etwa einer Syrn-

phonie Beethovens, gleichkommt. Ebenso studieren wir generell

das Wesen eines Staates iiberhaupt, oder empirisch das Wesen

des deutschen Staates in einer Epoche, nach allgemeinen Ziigen

Soder ganz individuellen Bestimmungen, also dieses individuelle

gegenstandliche Sein "deutscher Staat". Das Parallele ist dann

etwa die Naturbestimmung des individuellen Gegenstandes Erde.

Wir haben also neben den empirischen Erforschungen, empiri-

schen Gesetzlichkeiten und individuellen, die ontologischen For-

10 schungen, die Forschungen wahrhaft geltender Sinne nicht nur in

formaler Allgemeinheit, sondern in sachhaltiger regionaler Be-

stimmtheit sind.

Freilich reine Wesensforschungen sind nirgends oder nur aus-

nahmsweise in vollkommener Reinheit gepflogenworden. Immer-

15 hin weisen manche Gruppen wissenschaftlicher Untersuchungen

in diese Richtung; und zwar halten sie sich auf natiirlichem

Boden. Dazu dann psychologische Forschung, gerichtet auf die

Erkenntniserlebnisse und Ich-Tatigkeiten imallgemeinen oder in

Beziehung auf die betreffenden Gegenstandsregionen. Auf die

20 subjektiven Weisen, wie solche Gegenstande sich uns geben, wie

das Subjekt sich zu Ihnen verhalt, wie es dazu kommt, sich von

Ihnen soIche "Vorstellungen" zu bilden, welche besonderen Akt-

arten und Erlebnisarten (ev. wertende und volitive) dabei ihre

Rolle spielen.

25 Zum Weiteren:

Empfindlich ist das Problem der Moglichkeit, an das Sein der

Objekte selbst heran zu kommen, zunachst nur hinsichtlich der

Natur. Sie ist, sagt man sich, an sich, ob wir erkennend mit da

sind oder nicht, sie geht an sich ihren Lauf. Menschen erkennen

30 wir durch Ausdruck in ihrer Leiblichkeit, also an physischen Ob-

jekten, ebenso Kunstwerke und sonstige Kulturobjekte, wie an-drerseits Sozialitaten, Es scheint zunachst, daB,wenn wir nur die

Moglichkeit der Naturerkenntnis verstiinden, die Moglichkeit

aller anderen Erkenntnis mittels Psychologie verstandlich werden

35 konnte. Die Psychologie aber scheint weiter keine besonderen

Schwierigkeiten zu bieten, da der Erkennende sein eigenes See-

lenleben direkt erfahrt und andere nach Analogie mit sich in der

"Einfiihlung". Beschranken wir uns, wie die Erkenntnistheorie

bis vor nicht langer Zeit, auf die Theorie der Naturerkenntnis.

, (I,\

f

BEILAGE II).

Versuch einer Anderung und Erganzung : Angenommen ich

ware, wie ich bin, ware gewesen, wie ich war und wiirde sein, wie

ich seinwerde; angenommen esfehlte dabei keinemeiner Gesichts-

und Tastwahrnehmungen und sonstigen Wahrnehmungen iiber-

5 haupt; es fehlte keiner meiner apperzeptiven Verlaufe, keiner mei-

ner begrifflichen Gedanken, keine meiner Vorstellungen und

Denkerlebnisse und meiner Erlebnisse iiberhaupt, sie alle ge-

nommen in ihrer konkreten Fiille, in ihrer bestimmten Anordnung II

und Verkniipfung; was hinderte, daBdaneben auBerdem nichts,

10 schlechthin nichts ware? Konnte nicht ein allmachtiger Gott oder

ein Liigengeist meine Seele so geschaffen und so mit BewuBt-seinsinhalten versorgt haben, daB von all den in ihr vermeinten

Gegenstandlichkeiten, soweit sie irgend einAuBerseelisches sind,

nichts existierte? Vielleicht sind Dinge auBer mir, aber kein ein-

15 ziges von denen, die ich fiir wirklich halte. Und vielleicht sind

iiberhaupt gar keine Dinge auBer mir.

Ich nehme aber wirkliche Dinge an, Dingeaufser mir, auf wel-

chen Kredit hin? Auf den Kredit der aulieren Wahrnehmung?

Ein schlichter Blick erfaBt meine dingliche Umgebung bis empor

20 zur fernsten Fixsternwelt. Aber vielleicht ist all das Traum,

Sinnestrug. Die und die visuellen Inhalte, die und die Apper-

zeptionen, die und die Urteile, das ist das Gegebene, das einzig

Gegebene im echten Sinn. Haftet der Wahrnehmung eineE v ide n z an fiir diese Leistung der Transzendenz? Aber eine

25 Evidenz, was ist sie anderes als ein gewisser psychischer Charak-

ter. Wahrnehmung und Evidenzcharakter, das also ist das Ge-

gebene, und warum nun diesem Komplex etwas entsprechen •

muB ist ratselhaft. Ich sage dann vielleicht: wir s c h l i e Ben

auf die Transzendenz, durch Schliisse iiberschreiten wir das un-

30 mittelbar Gegebene, es ist iiberhaupt eine Leistung von Schliissen.

JI) Zu S. 20.

Die Idee der Phanomenologie 6

 

82 BEILAGE II

I,

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durch GegebenesNicht-gegebenes zu begriinden. Aber lassen wir

die Frage, wie Begriindung dergleichen leisten kann, beiseite,

sowerden wir uns doch antworten: analytische Schliissewiirden

nichts helfen, Transzendentes ist nicht in Immanentem impli-

5 ziert. Synthetische Schliisseaber, wie konnten sieanderes sein als

Erfahrungsschliisse. Erfahrenes bietet Erfahrungsgriinde, das ist:

verniinftige Wahrscheinlichkeitsgriinde fiir nicht Erfahrenes,

aber dann wahl nur fiir Erfahrbares. Das Transzendente ist aber

prinzipiell nicht erfahrbar.

BEILAGE III 1).

Unklar ist die B e z i e hun g d erE r ken n t n i s auf

T ran s zen den t e s. Wann hatten wir Klarheit und wo

hatten wir sie? Nun, wenn und wo uns das Wesen dieser Bezie-

hung gegebenware, daBwir sie s c h au e n konnten, dann wiir-

5 den wir die Moglichkeit der Erkenntnis (fiir die betreffende Er-

kenntnisartung, wo das geleistet ware) verstehen. Freilich er-

scheint diese Forderung eben von vornherein fiir alle transzen-

dente Erkenntnis u n e r f ii 11bar und damit auch transzen-

dente Erkenntnis u n m0 g1i c h zuse i n.

10 Namlich der S k e p t ike r sagt: Erkenntnis ist anderes wie

erkanntes Objekt. Erkenntnis ist gegeben, erkanntes Objektnicht gegeben, und zwar prinzipiell nicht in der Sphare der Ob-

jekte, die transzendente heiflen. Und doch soll Erkenntnis sich

auf das Objekt beziehen und es erkennen, wie ist das moglichP

15 Wie ein Bild mit einer Sache stimmt, das glauben wir zu ver-

stehen. Aber daB es Bild ist, konnen wir nur daher wissen, daB

uns Falle gegeben waren, in denen wir die Sache eben so hatten •

wie das Bild, eines mit dem anderen vergleichend.

Aber wie kann Erkenntnis iiber sichhinaus an das Objekt und

20 dieser Beziehung doch in Zweifellosigkeit auch gewiBsein? Wie

ist eszu verstehen, daB die Erkenntnis, ohne ihre Immanenz zu

verlieren, nicht nur triftig sein kann, sondern diese Triftigkeit

auch ausweisen kann? Dieses Sein, diese Moglichkeit des Aus-

weisens setzt voraus, daBich bei einer Erkenntnis der betreffen-

25 den Gruppe sehen kann, daB sie das leistet, was hier gefordert ist.

Und nur wenn das der Fall ist, konnen wir die Moglichkeit der

Erkenntnis verstehen. Ist aber Transzendenz ein wesentlicher

Charakter gewisser Erkenntnisobjekte, wie geht die Sache da?

Alsodie Betrachtung setzt eben dies voraus, daBdie Transzen-

1) Zu s. 37.

 

84 BEILAGE III

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denz ein wesentlicher Charakter gewisser Objekte sei und daB

Erkenntnisobjekte derselben Art niemals immanent gegeben

sind und sein konnen, Und die ganze Auffassung setzt schon vor-

l aus, daB Immanenz selbst nicht in Frage ist. Wie Immanenz er-

5 kannt werden kann, ist verstandlich, wie Transzendenz, unver-

standlich.

TEXTKRITISCHER ANHANG

 

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ZUR TEXTGESTALTUNG

Das Original-Manuskript, das der vorliegenden Veroffentlichung

zu Grunde liegt, befindet sich im H u sse r I-A r chi v zu Lowen.

Es tragt die Signatur F 143, umfaBt 42 Blatter vom Format 21,5 X

17ern, und ist wie die meisten Manuskripte in Gabelsberger Stenogra-

phie niedergeschrieben. Der durchlaufende Text ist mit schwarzer

Tinte geschrieben. Er weist verschiedene Erganzungen und Abande-

rungen auf, die grofrtenteils mit dem Bleistift ausgefiihrt wurden. Irn

Haupttext befinden sich mehrere Beilagen, die wir als so1che wieder-

geben. Die erste stammt wahrscheinlich aus einer spateren Periode,

(1916?), wahrend die zweite und dritte zeitlich sicher in keinem groBe-

ren Abstand yom urspriinglichen Text abgefaBt sind.

Der Haupttext, d.h. sowohl der Gedankengang als auch der eigent-

liche Vorlesungstext, stammt aus Husserls Gottinger Zeit, und zwar aus

dem Friihjahr 1907. Nach den Angaben Husserls auf dern Ms. wurde die

erste Vorlesung am 26.IV. gehalten, die letzte am 2.V. Wie ebenfalls

aus einer Anmerkung Husserls hervorgeht, schrieb er am Abend der

letzten Vorlesung den Gedankengang. Da er die £tinfte Vorlesung anders

gehalten hat als der Text lautet, und da andererseits im Gedankengang

tiber den Text der £tinften Vorlesung hinausgegangen wird, ist anzu-

nehmen, daB diese Abweichung der miindlichen Mitteilung der fiinften

Vorlesung entspricht.

AuBer dem Original-Manuskript befindet sich im Husserl-Archiv

auch die Transkription, die Prof. Dr. Landgrebe als damaliger Assistent

Husserls gemacht hat, wahrscheinlich zwischen 1923 und 1926. Sie

tragt die Archiv-Signatur M III 9 lund umfaBt 81 Maschinenschrift-

Seiten mit vereinzelten Anmerkungen Husserls.

Die leitende Absicht bei der Herausgabe war, einen so vollstandigen

Text wie nur moglich zu geben, d.h. alle Ein£tigungen, Erganzungen,

Abanderungen zu beriicksichtigen, zugleich aber, gerade wegen der

Bedeutung der 5 Vorlesungen fiir die Entwicklung von Husserls Denken,

die Moglichkeit zu geben, die urspriingliche Form des Textes ohne

Schwierigkeiten wiederzuerkennen. Aus diesem Grund wurden alle

Anderungen, die Husserl im Original-Manuskript oder der Landgre-

beschen Abschrift vorgenommen hat, im Anhang (s.Anmerkungen)

verzeichnet. Steht bei einer Anmerkung keine besondere Zeitbestimm ung,

so besagt das, die Erganzung bzw. Abanderung stammt wahrscheinlich

aus der Zeit der Abfassung des Manuskriptes. Die Bemerkung spatere

' / 1 '

 

88 ZUR TEXTGESTALTUNG

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Einfugung solIandeuten, daB es sich urn eine Anderung zwischen 1910-22

handelt; die Bemerkung "nach 1922" weist darauf hin, daB essich urn

eine Anmerkung Husserls im Landgrebeschen Text handelt.

Fur die endgiiltige Textgestaltung war natiirlich das Originalmanus-

kript maBgebend. Aus dem Landgrebeschen Text wurden vor allem die

Anmerkungen Husserls herangezogen und der groBte Teil der Kapitel-

iiberschriften, die vermutlich von Landgrebe selbst stammen.

Die Interpunktion und Unterstreichung wurde in Anlehnungan das

Original durchgefiihrt, jedoch ohne feste Bindung daran. TEXTKRITISCHE ANMERKUNGEN

4,12f. iiber Erkenntnismoglichkeiten - Bleistijtsusats II 4,15 iiber

eigene Erkenntnismoglichkeit - Bleistiftzusatz II 4,18f£. .... miissen

wir zunachst zweifellose Hille haben von Erkenntnissen oder Erkennt-

nismoglichkeiten, die Erkenntnis wirklich treffen, und daher nicht

unbesehen Erkenntnis als Erkenntnis hinnehmen; - der Satz in sein er

ursprunglichen Form II 4,22f. von sonst hatten ~ir .... bis volles Ziel

Bleistiiteusate II 5,5 und Geisteswissenschaften - Ble ist ij tsusat s nach

1922 II 5,20f. Dieser Sate ist eine Bleis ti ftergdneung II 5,28 voll und ganz

adaquat - Bleistittergdneung II 5,33 adaquat - Bleistijtzusatz II 6,2-16Der Text von: Was ich will bis sie nicht anzukniipfen st eh t in eckiger

Bleistiftklammer; am Rande von Husserl vermerkt: Das ist unklar oder

nicht gut passend. Beilage. II 6,5 der Moglichkeit - Bleistiftzusatz II6,23 ihrer Leistung Hinzufugung nach 1922 II 6,32 Zusatz nach 1922:

als Pramisse, selbst als Hypothese II 7,2 ihrer Leistung - Bleistijt-

verbesserung fur: irgend einer Idee wie es u rsprunglich h iefJ II 7,3ff.

Der letzte Teil dieses Satzes, von es heiszt an, bis herleiten steht in

eckiger Bleistijtklammer II 7,15 Hinsugeiugt: der Mensch II 7,20 Hinzu-

g ej ic gt : dieser Mensch II 7,30 BewuBtsein des Menschen - Verbesserung

von: IchbewuBtsein wie es urspri cngt ic ]: h ie fJ II 7,32££. Spatere Rand-

bemerkung zum Text: Das lmmanente bezweifelt man nicht, aber die

Erkenntnis des Immanenten ist genau so problematisch und auch ein

schwieriges Problem. II 9,18f. als einer hinzunehmenden Existenz -

Bleistifteinfugung II 9,24 und zulassig nur als Phanomene - Bleistiit-

zusats II 11,33 Hier folgte ein Text, den Husser] im Original durch-

gestrichen hat. Dazu wurde von ihm uermerkt : Statt dieser Ausfiihrung

die Essenz, individuelle und allgemeine Essenz - In der Landgrebeschen

A bsch rift bemerkte er sum ersten A bsa tz : inkorrekt.

Und wieder finden wir das beim Phanomen der Phantasie. Auch

in ihm ist so etwas wie eine Gegebenheit; es erscheint darin etwas;

es ist evident, daB z.B. im Phantasieren eines Tones eben ein Ton er-

scheint. Er ist nicht reell da und ist nicht als Existenz gesetzt und doch,

obschon in der Weise der Vergegenwartigung, kommt er zu einer Art

Gegebenheit und das mit Evidenz. Und auf dem Grunde dieser Gegeben-

heit kann sich evidentes AllgemeinheitsbewuBtsein ebensogut griinden

wie auf dem Grunde der Wahrnehmungsgegebenheit.

Nun gingen wir weiter: wir blickten auf aIle sonstigen Modi der Er-

kenntnis hin, auf alle die Phanomene, die unter den weitesten Begriff

 

90 TEXTKRITISCHE ANMERKUNGEN TEXTKRITISCHE ANMERKUNGEN 91I,

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der Erkenrrtnis fallen; ich sage den weitesten, denn es gibt verschiedcnc

unter jenen Iallende und darunter den pragnantesten Begriff von Er-

kenrrtnis als Evidenz. Bei allem Vorstellen, ja selbst beim symbolischen

Vorstellen, beim Vorstellen von Absurdem, und gleichgiltig ob es auch

ein urteilendes Setzen ist oder nicht, finden wir so etwas wie Gege-

benheit, mag man sie auch uneigentliche Gegebenheit oder Nicht-

gegebenheit von dem und jenem nennen: immer haben wir den wun-

derbaren Gegensatz von Erscheinung und Erscheinendem, oder leerer

Meinung und Gemeintem, und iiberall is t Erscheinung ein Name fiir

ein eigenartig bewuBtes und der jeweiligen Artung der Gegebenheit

genau entsprechendes Phanomen, und iiberall ist Erscheinung etwas,

das Erscheinendes zur Gegebenheit bringt und doch nicht reell in sich

hat. 1112,14 Struktur - Bleistiftverbesserung von Konstitution II 13,7f.der Einstimmigkeit und Unstimmigkeit - Einfugung nach 192211

13,9f. eigentiimlich verbundene, sich gleichsam deckende - Einfugung

nach 1922 1113,26die Natur erkannt - Bieistijtergdnsung 1114,9f. passiv

oder aktiv - Zusatz nach 1922 II 18,23 die Geisteswissenschaften -

Zusatz nach 192211 19,33f. und den Ontologien - Bleistijtsusate II22,14 Wesens ..:._ Bleistiftzusatz II 24,22 reine - Bleistijtzusats

1125,4 Leistung - Bleistijtdnderung fur Sinn II 26,6 Der [olgende

Text wurde von Husseri . mit eckigen Bleistiftklammern uersehen und

sollte zum Vorwort kommen, Da Husserl dann kein eigentl iches Vorwort

geschrieben hat, lie(J Landgrebe ihn bei seiner Abschrijt aus:

Es mag wohl als AnmaBung klingen, daB ich gegen die zeitgenossische

Philosophie, ja gegen die ganze bisherige Philosophie, auch soweit

sie eigene philosophische Methoden annahm, soleh schweren Vorwurf,

den schwersten, der gegen sie erhoben werden kann, zu erheben wage.

Doch hier hilft kein Verschweigen, und wo es sich urn eine groBe Sache

handelt, muB ich den Schein der AnmaBung auf mich nehmen. Es liegt

mir ob zu sagen, was mich reinste Forschung gelehrt und mit erwogenen

Griinden zu widerlegen, was sich der erschauten Wahrheit entgegen-

setzt.

Irn iibrigen weiB ich sehr wohl, wie geringen Kredit heutzutage

Anspruche auf groBe En t dec k un g e n, auf log is c h e U m-

w a I z u n g e n in der Philosophie finden konnen. J eder MeBkatalog

kiindet ihrer neue an, in Hulle und FiilIe. Nicht nur aus dem naiven

Dilletantismus stammen diese totgeborenen "Entdeckungen", auch

aus der familiar-wissenschaftlichen Katheder-Philosophie, die mit den

entseelten, nur immer neu abgewandelten Phraseologien der historischen

Philosophien immer neue Schattenspiele auffiihrt und sich und alIer

Welt einreden mochte, das sei eine lebendige Philosophie.

Ich meine nun, daB durchaus selbstgedachte Gedanken, in lang-

jahriger Arbeit erworben, immer wieder durchlebt, nachgepriift, be-

richtigt, mindestens den Anspruch erheben konnen, ernst nachgedacht

und nacherwogen zu werden. Einer bedenklichen, ja iiberbedenklichen

und fast skeptischen Geistesart abgerungen, diirften die vorliegenden

Ausfiihrungen bleibende Wahrheiten enthalten. DaB essich dabei

I urn letzte Abklarungen von Einsichten handelt, die schon meine

"Logische Untersuchungen" durchherrschen, wird jeder tiefer schau end

Leser dieses unvollendeten und unvollkommenen Werkes bestatigen. II29,3 menschliche - Bleistiftzusatz II 29,16 also auch ihre eigene ..;_

Bleistijisusate 1129,17 also auch diejenige nicht, die selbst feststelIt -

Bleistiftzusatz II 31,9f. die freilich ein schillernder Begriff ist - Blei-

stifteusats II 31,30£f. Von sie aIle konnen bis Wesenserkenntnis eckige

Bleistijtklammer 1132, 19f. Von was heiBt an - Bleistif tsusatz II 32,21

Husserl gibt diese Wiederholung, da eine an ihn gerichtete Frage eines

Hiirers ihm gezeigt hat, da(J der Gang der Vorlesung nicht klar geuiorden

ist II 32,27ff. Der eingeklammerte Satzteil wurde von Husserl in eckige Blei-

stiftklammern gesetzt II 32,32f. hinsichtlich ihrer Triftigkeit - Bleistift-

susaiz 1133,5f. und zwar hinsichtlich ihrer Triftigkeit - Bleistiftzusatz 11

35,7f. von oder "immanent gegeben" .... bis verstanden ware -

Bleistijteusats II 35,18f Selbstgegebenheit im absoluten Sinn - Blei-

stifteusatz 1135,30 spdtere Bleistijtanmerkung : Scheinbar ist eins und das

andere dasselbe. Und in der Tat, das ist noch nicht alles: Gegeben-

sein durch E I S c h e i nun g, die immer nul' darstelIen karin wie beim

Ding, und Gegebensein der cogitatio braucht nicht vollkommen klar

zu sein, es kann auch ein bloBes Nochgegebensein sein wie in der Re-

tention: es ist aber immer absolutes Gegebensein, als absolutes Selbst-

geschaut-sein; das Absolute selbst karin als solches auch vergegen-wartigt, wiedererinnert sein, es ist immer noch nicht Gegebensein durch

Erscheinungen. 1136,3ff. Dieser Satz ist eine Bleistifteintugung 1136,18f£.

Dieser Satz steht in eckiger Bleisti jtklamrner 1136,23 Bleistijteusats :

Setzt mittel bare Transzendenzsetzung unmittelbare Transzendenzset-

zung voraus? Das miiBte erst begrundet werden, richtig ist es schon. II37,9 der Setzung - Bleistiftzusatz 1138,1If.von und selbst allgemeiner ...

bis tiberhaupt moglich sei - Bleistijteusais 1138,13-15 von vorgegebe-

nem Wissen .... bis exakten Wissenschaften - Bleistiftzusatz 1138,13ff.

Dasu [olgende Randbemerkung H usserls: Vorgegebenes Wissen, was

besagt das? Das meint Urteil statt Anschauung. Aber wenn Anschauung,

so muB es adaquate Anschauung sein. JedenfalIs Sonderung zwischen

Wissen und Anschauen. II 39,20-22 auf der einen Seite .... auf der

anderen Seite der des Anthropologismus und Biologismus - Bleistijt-

zusatz II 44,3ff. Bleistiftsusatz von als ihr Zustand .... bis BewuBte II46,2-6 Die beiden Sdtse stehen in eckiger Tintenklammer II 46,19 Grund-

lage fiir die Losung der •.;_Bleistifteusate II 46,30f. ihrer Triftigkeit nach

- Bleistijtsusats II 46,34£. Dieser Satz ist eine nachtrdgliche Bleist if t-

einschiebung II 47,4-11 Dieser Absats ist eine Bleisti jtergdnsung II47,34 sie haben bloB subjektive Wahrheit - Bleistiiteinjugung II47,36f. subjektiv - Bleistiftverbesserung fur absolut 1147,39 die vor-

wissenschaftIichen - Bleistiftverbesserung von alle wohlbegriindeten II48,27-34 Von durch erkenntnistheoretische Reduktion .... bis selbst

statthaft ist - Bleistijtsusats II 50,3f. im strengsten Sinn - Blei-

stiftzusatz II 50,9-11 von es hilft uns nichts .... bis zu konstatieren

ist - Bleistifterganzung 1150, 12f. von wir brauchen nur .... bis das

 

92 TEXTKRITISCHE ANMERKUNGENTEXTKRITISCHE ANMERKUNGEN 93

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Gemeinte Bleistijtergiinzung II 50,18f. von von anderen Gegeben-

heiten .... bis geben, z.B.-Bleistijtzusatz II 51, 7-11 Dieser Sate ist eine

Bleistijteinjugung II 51, 23-28 von Das ist notwendig .. '.. bis Wesens-

forschungen-Bleistijteinjugung II 55,2 direkt anschaulich aufweisbare -

Bleistijtzusatz 1156,11 allgemeine - Bleistijtzusatz nacb 19221157,9-11

Dieser Sate ist eine Bleistijteinjugung II 57-59, Von Seite 57, 18 bis S.

59,2 wurde der Text bei der Vorlesung nicht vorgetragenll 58,3

der Aufkliirung der Prinzipien - Bleistijtzusatz 60, 1-9 Der Absatz

wurde in den Abschrift Landgrebes in eckige Klammer gesetzt II 60,18

adaquat - Bleistijtzusatz II 60,26 kein Ratsel, also auch nicht - Blei-

stijtzusatz II 60,32 adaquat - Bleistijtzusatz II 63,8 der Gegenstandlich-

keit und mit ihnen - Bleistijtzusatz II 67,6 phiinomenologischer -

Bleistijtzusatz II 67,9 1m Ms. hat Husser l Erinnerung in cogitatio abge-

dndert, Die Stelle lautete: Was zunachst selbst die cogitatio anlangt ....

In der Landgrebeschen Abschrijt hat Husserl jur cogitatio wieder Erinne-

rung eingesetzt und dann hinzugejugt II 67,9-11 Von so ist .... bis ver-

flochten Bleistijtzusatz 1168,7-17Dieser Absats Bleistijtergdneang II 68,22f.phanomenologischer - Bleistijtzusatz II 68,27 wirkliche und modifi-

zierte (Existenzsetzung) - Bleistijtverbesserung jilr eventuelle (Existenz-

setzung) 1169,31Am Rande die Anmerkung: Die Reduktion besagt aber

hier ein Doppeltes a) Ausschaltung der Existenz, falls es sich urn eine

Setzung von ahnlicher Art wie die Erinnerung handelt, b) Ausschaltung

der nicht angeschauten, sich nicht phantasiemiiBig wirklich darstel-

lenden Seiten des phantasierten Gegenstandes? Doch nein, es handelt

sich nicht urn Intuition sondern urn Immanenz: also die Erscheinung,

wie sie Phantasieerscheinung ist, also die Farbenabschattung etc. II69,35f. in gewissem Sinne - Bleistijtzusatz II 70,36 Aber darauf kommt

es hier nicht an. Bleistijteinjugung II 71,15 fiir das Ich - Bleistijtzusatz II72,15 der Existenz nach - Bleistijtzusatz II 72,32 Und zwar jetzt

diese "Transzendenz" - spaterer Zusatz.1I 73,1 Am Rand die Bleis ti jt -

anmerkung: das symbolisch Vorgestellte und begrifflich Gedachte als

solches II 73, 18-24 Von Es soll nun keineswegs bis Schwierigkeiten

liegen - spaterer Zusatz II 73,33f. und das Sich-konstituieren der ver-

schiedenen Gegenstandlichkeitsrnodi - Zusatz II 74,7-12 von Es wird

dann darauf ankommen .... bis herauszustellen spiiterer Zusatz II74,16f. des Dinges - Bleistijtzusatzll 74,21f. die logischen Gegeben-

heiten :_ Bleistijtzusatz " 75,5f. und Gruppen, Zusammenhange von

Erkenntnisakten - Blaustijtzusatz II 75,10-14 von und entsprechende

Zusammenhiinge der Erfiillung .... bis verkniipfen logisch Bleistijt-

zusatz " 75,20-23 Dseser Absats ist eine Bleis ti jtergiinzung II 75,37

existenziale Mitsetzungs - Bleistijtzusatz II 76,7 einzelnweise -.Zusatz

nacb 19221176,11Am Ende des Ms. jolgende Bleistiftanmerbung Husserls:

Es mufl nocheinmal das Verhaltnis von Phiinomenologie und Psycholo-

gie durchdacht werden. Vermoge der Konstitution jeder Gegenstand-

lichkeit in der Erkenntnis gehort zu jedem Axiom eine konstituierende

Erkenntnis in pragnantem Sinn und damit ein Wesenszusammenhang

der Phanomene, also eine Regel psychologischer Zusammenhange.

",.~ .I I ':~I

"

Inwiefern weist dann jede erwiesene Wahrheit auf solch einen Wesens-

zusammenhang zuriick etc. II 80,25-39 Der Schluf3 der Beilage von Zurn

Weiteren an ist mit Bleistijt geschrieben II

 

Page 53: Husserl, Die Idee der Phänomenologie

5/17/2018 Husserl, Die Idee der Phänomenologie - slidepdf.com

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NACHWEIS DER ORIGINALSEITEN

In der linken Kolonne befinden sich die Blattangaben von Husserls

Stenogramm (a =Vorderseite; b =Rtickseite), in der rechten Kolonne

die entsprechenden Angaben der Seitenzahlen des gedruckten Textes,

Ms. 3 Text 3-5 Ms. 25 Text 83-84 (Beilage)

4 5-6 26 38-44

5 6-9 27 44-46

6 9-11 28 46-49

7 11-12 29 49-50

8 12-14 30 50-52

9 17-18 31 55-56

10 18-19 32 a 56-57

11 19-20 33 57-59

12-14 79-82 (Beilagen) 32 b 59

15 20-21 34 60-61

16 21-23 35 61-67

17 23-24 36 67-68

18 24-26 37 68-70

19 s.Anhang 38 a 70

20 29-30 39 70-72

21 30-32 38 a 72

22 32-34 38 b 72-73

23 34-36 40 73-76

24 36-38 41 76.i

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