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24 Erfahrungsaustausch Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg 22. Jahrestagung 2015 – Berichtsband, S. 24–29 1. Vorbemerkungen Ein umfangreicher Katalog von Anforderungen an die Pla- nung und Bemessung stahlwasserbaulicher Verschlüsse liegt vor in der DIN 19-700 [1] und DIN 19-704 [2,3], den DVWK Merkblättern [4] sowie in der einschlägigen Fach- literatur. Für unterschiedliche Verschlussarten sind allge- meine Kriterien bezüglich Konstruktion, Materialauswahl, Betrieb und Bemessung ausgearbeitet [5]. Die hier anzu- sprechenden Hochwasserrückhaltebecken gehören über- wiegend in die Klasse mittlerer und kleiner Stauanlagen, die im Allgemeinen geringen hydraulischen Belastungen ausgesetzt sind. Da den Becken bei extremen Abflussver- hältnissen jedoch eine außerordentliche Schutzfunktion zukommt, müssen Funktionsfähigkeit und Zuverlässig- keit der beweglichen Verschlüsse im Hochwasserfall un- eingeschränkt gewährleistet werden. Diese spezifischen sicherheitstechnischen Anforderungen haben direkte Auswirkungen auf die Wahl des Verschlusstyps, dessen Antriebssystem, Bemessung und Wartung. Mit Blick auf die große Gesamtzahl der Hochwasserrück- haltebecken in Baden-Württemberg und insbesondere den überwiegenden Anteil an gesteuerten Trockenbe- cken werden diesbezügliche Betriebserfahrungen ange- sprochen, neuere Entwicklungen aufgezeigt, auf sicher- heitsrelevante hydraulische Kriterien hingewiesen und einige ausgewählte Rückhalteanlagen vorgestellt [6]. 2. Hydraulische Anforderungen 2.1 Allgemeine Hinweise Eine Studie zum Versagen unterschiedlicher Verschluss- elemente an wasserbaulichen Anlagen in Deutschland zeigt, dass das Versagen des Antriebssystems die häu- figste Ursache ist, gefolgt von mechanischen und hy- draulischen Ursachen und Verschleißproblemen [7]. In Abbildung 1 sind einige Problembereiche aufgelistet, die diesbezüglich von allgemeiner Bedeutung sind. Mit Kenntnis der hydrostatischen und hydrodynamischen Belastungen ist die konstruktive Ausbildung der Ver- schlüsse sowie die der Verbindungsglieder zwischen Ver- schlussorgan und Antriebssystem auf alle Belastungszu- stände auszulegen. Modellversuche hierzu sind nur in Sonderfällen erforderlich. 2.2 Hochliegende Verschlüsse Für die Steuerung und Kontrolle des Beckenwasserspie- gels sind überströmbare Verschlussorgane besonders ge- eignet. Sie unterliegen vergleichsweise nur mäßigen Was- serdrücken. Moderne Antriebe an Talsperren sind meist ölhydraulischer Art, wobei je nach Belastung der Hydrau- likzylinder mittig oder einseitig angebracht werden kann. An kleineren Rückhaltebecken sind auch mechanische Antriebssysteme durchaus geeignet zur Einhaltung des Beckenwasserstandes im Hochwasserfall. Hochliegende überströmbare Verschlüsse sind relativ sicher gegen Ver- legung durch Treibgut. Darüber hinaus können auch In- spektions- und Wartungsarbeiten gut durchgeführt werden. 2.3 Tiefliegende Verschlüsse Bei tiefliegenden Auslässen an Hochdruckanlagen können sehr hohe Fließgeschwindigkeiten auftreten, die zu hydro- Hydraulische Entwurfs- und Bemessungskriterien für bewegliche Verschlüsse Bernhard Westrich Gefährdungspotenzial Sicherheitsanforderun- gen Verschlusstyp Rollenschütz, Gleit- schütz, Klappe u.a. Belastungen hydrostatische, hydro- dynamische Drücke Öffnungs- und Schließ- kräfte Verbindungsglieder Gestänge, Spindel, Seil, Kette Antriebssystem mechanisch, ölhydrau- lisch Antriebskräfte Zug-/Druckkräfte, Drehmomente Material Verformung Korrosion Kavitation Zusatzeinrichtung Belüftung Eisfreihaltung Instandhaltung Zugänglichkeit Abb. 1: Problembereiche für den hydraulischen Entwurf und die Bemessung von beweglichen Ver- schlüssen an Stauanlagen

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Erfahrungsaustausch Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg22. Jahrestagung 2015 – Berichtsband, S. 24–29

1. Vorbemerkungen

Ein umfangreicher Katalog von Anforderungen an die Pla-nung und Bemessung stahlwasserbaulicher Verschlüsse liegt vor in der DIN 19-700 [1] und DIN 19-704 [2,3], den DVWK Merkblättern [4] sowie in der einschlägigen Fach-literatur. Für unterschiedliche Verschlussarten sind allge-meine Kriterien bezüglich Konstruktion, Materialauswahl, Betrieb und Bemessung ausgearbeitet [5]. Die hier anzu-sprechenden Hochwasserrückhaltebecken gehören über-wiegend in die Klasse mittlerer und kleiner Stauanlagen, die im Allgemeinen geringen hydraulischen Belastungen ausgesetzt sind. Da den Becken bei extremen Abfl ussver-hältnissen jedoch eine außerordentliche Schutzfunktion zukommt, müssen Funktionsfähigkeit und Zuverlässig-keit der beweglichen Verschlüsse im Hochwasserfall un-eingeschränkt gewährleistet werden. Diese spezifi schen sicherheitstechnischen Anforderungen haben direkte Auswirkungen auf die Wahl des Verschlusstyps, dessen Antriebssystem, Bemessung und Wartung.

Mit Blick auf die große Gesamtzahl der Hochwasserrück-haltebecken in Baden-Württemberg und insbesondere den überwiegenden Anteil an gesteuerten Trockenbe-cken werden diesbezügliche Betriebserfahrungen ange-sprochen, neuere Entwicklungen aufgezeigt, auf sicher-heitsrelevante hydraulische Kriterien hingewiesen und einige ausgewählte Rückhalteanlagen vorgestellt [6]. 2. Hydraulische Anforderungen

2.1 Allgemeine Hinweise

Eine Studie zum Versagen unterschiedlicher Verschluss-elemente an wasserbaulichen Anlagen in Deutschland zeigt, dass das Versagen des Antriebssystems die häu-fi gste Ursache ist, gefolgt von mechanischen und hy-draulischen Ursachen und Verschleißproblemen [7]. In Abbildung 1 sind einige Problembereiche aufgelistet, die diesbezüglich von allgemeiner Bedeutung sind.

Mit Kenntnis der hydrostatischen und hydrodynamischen Belastungen ist die konstruktive Ausbildung der Ver-schlüsse sowie die der Verbindungsglieder zwischen Ver-schlussorgan und Antriebssystem auf alle Belastungszu-stände auszulegen. Modellversuche hierzu sind nur in Sonderfällen erforderlich.

2.2 Hochliegende Verschlüsse

Für die Steuerung und Kontrolle des Beckenwasserspie-gels sind überströmbare Verschlussorgane besonders ge-eignet. Sie unterliegen vergleichsweise nur mäßigen Was-serdrücken. Moderne Antriebe an Talsperren sind meist ölhydraulischer Art, wobei je nach Belastung der Hydrau-likzylinder mittig oder einseitig angebracht werden kann. An kleineren Rückhaltebecken sind auch mechanische Antriebssysteme durchaus geeignet zur Einhaltung des Beckenwasserstandes im Hochwasserfall. Hochliegende überströmbare Verschlüsse sind relativ sicher gegen Ver-legung durch Treibgut. Darüber hinaus können auch In-spektions- und Wartungsarbeiten gut durchgeführt werden.

2.3 Tiefl iegende Verschlüsse

Bei tiefl iegenden Auslässen an Hochdruckanlagen können sehr hohe Fließgeschwindigkeiten auftreten, die zu hydro-

Hydraulische Entwurfs- und Bemessungskriterien für bewegliche VerschlüsseBernhard Westrich

Gefährdungspotenzial Sicherheitsanforderun-gen

Verschlusstyp Rollenschütz, Gleit-schütz, Klappe u.a.

Belastungen hydrostatische, hydro-dynamische DrückeÖffnungs- und Schließ-kräfte

Verbindungsglieder Gestänge, Spindel, Seil, Kette

Antriebssystem mechanisch, ölhydrau-lisch

Antriebskräfte Zug-/Druckkräfte, Drehmomente

Material Verformung Korrosion Kavitation

Zusatzeinrichtung BelüftungEisfreihaltung

Instandhaltung Zugänglichkeit

Abb. 1: Problembereiche für den hydraulischen Entwurf und die Bemessung von beweglichen Ver- schlüssen an Stauanlagen

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dynamischen Druckbelastungen des Verschlusses führen können. Daher muss bei schwingungsanfälligen Rollen-schützen die Unterseite des Verschlusses konstruktiv so gestaltet werden, dass die Strömung stabil anliegt und die resultierenden hydrodynamischen Kräfte in allen Öff-nungspositionen aufgenommen werden können. Abbil-dung 2 zeigt beispielhaft den starken Einfl uss der Form der Schützunterseite auf die Druckverteilung für Winkel θ zwischen 0° und 45° sowie den Einfl uss des Öffnungs-verhältnisses a/d auf den mittleren Druckbeiwert Ku. Fließgeschwindigkeiten über ca. 35 m/s führen zu Kavi-tationsschäden, die durch ein Sohlbelüftungssystem und eine entsprechende Stahlpanzerung beherrscht werden können. Für hochbelastete Auslässe kommen nur Rollen-schütze, Kegelstrahlschieber oder Ringkolbenventile mit ölhydraulischem Antrieb in Frage.

Bei dezentralen kleineren Hochwasserrückhaltebecken ist es vorteilhaft, Hochwasserentlastung, Grundablass und Betriebsauslass in einem Kompaktbauwerk zu integ-rieren. Hierbei kann die Hochwasserentlastung ungesteu-ert über eine feste Schwelle erfolgen oder mit überström-baren Klappen gesteuert werden. Bei baulich getrennt angeordneter Hochwasserentlastung ist diese meist als überströmbare Dammscharte ausgebildet. Die Antriebs-kräfte zur Bewegung der Verschlüsse im Grundablass und Betriebsauslass können deutlich verringert werden, wenn Gleitschütze eingesetzt werden, die auf reibungsar-men Kunststoffbahnen gleiten. Die Schwingungsanfällig-keit von Gleitschützen ist geringer als bei vergleichbaren Rollenschützen [8]. Bei der Wahl eines Rollenschützes ist insbesondere durch Kopfdichtung und Seitendichtungen dafür Sorge zu tragen, dass kein Treibgut (Gras, Heu, Ge-äst etc.) in die Laufschiene gelangen kann und somit den Verschluss blockiert.

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Abb. 2: Wasserdruckverteilung auf der Unterseite eines Tafelschützes sowie mittlerer Druck Ku in Ab- hängigkeit vom Öffnungsparameter a/d und vom Winkel θ nach [5]

3. Dauerstaubecken

Bei den Dauerstaubecken haben sich Mönchbauwerke bewährt, wobei die tiefl iegenden Verschlüsse mecha-nisch angetrieben werden. Der in die Stauwand integrier-te Grundablass samt mechanischer Verbindung zum An-triebsmotor über Gestänge, Spindel oder Laschenkette ist dem Wasser dauerhaft ausgesetzt. Je nach Wasserche-mismus und/oder Materialeigenschaft muss mit wasser-chemischer Oberfl ächenkorrosion oder elektrochemischer Kontaktkorrosion gerechnet werden. Der Betriebsauslass ist dauerhaft der feuchten Luft ausgesetzt und daher auch rostanfällig. Korrosion führt zur Minderung der Belastungs-fähigkeit der betroffenen Stahlwasserbauteile, was bis zum Versagen im Extremfall führen kann. Für Inspektions- und Unterhaltungsarbeiten muss baulich für eine gute Zugäng-lichkeit der Verschlüsse gesorgt werden. Bei Dauerstau-becken ist eine fachgerechte Zustandsbewertung der Ver-schlüsse nur bei geleertem Becken möglich.

Mönchbauwerke können Probleme verursachen, wenn lan-ge Verbindungsglieder zwischen tiefl iegendem Verschluss und Antriebsmotor vorhanden sind. Die Verbindungsele-mente müssen an der Stauwand ausreichend fi xiert und vor Treibguteinwirkungen geschützt werden, um Kräfte und Drehmomente beim Öffnen oder Schließen des Verschlus-ses einwandfrei übertragen zu können. Der Versagens-fall des Grundablasses am Rückhaltebecken „Beimbach“ (Abbildung 3) in den 90er Jahren zeigte die folgenschwere Auswirkung der Strömungskräfte auf die ca. 34 m lange La-schenkette, die bei einer Fließgeschwindigkeit im Aufstiegs-schacht von ca. 3,5 m/s in Schwingungen versetzt wurde, wobei Splinte abgeschert und Verbindungsbolzen gelöst wurden, was den Grundablass schließlich blockierte.

Abb. 3: Gesteuertes Dauerstaubecken „Beimbach“ (WV Brettach) im Hauptschluss der Brettach (Bj. 1969): Längsschnitt durch Mönchbauwerk mit Grundablass und Betriebsauslass, Grundablass mit Gleitschütz und Laschenkette

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4. Trockenbecken

4.1 Rückhaltebecken im Hauptschluss

Bei Trockenbecken sind die beweglichen Verschlüsse im Gewässerbett angeordnet und schließen auf Sohlni-veau. Je nach topografi schen und verkehrstechnischen Verhältnissen können weitere Verschlüsse außerhalb des Gewässerbettes im Absperrdamm eingebaut werden, z. B. Schiebetor zur Schließung der Dammöffnung für den Durchgangsverkehr beim HRB Lustnau/Tübingen. Un-terströmte Verschlüsse sind wegen der vergleichsweise geringen Wasserstände nur mäßigen hydraulischen Be-lastungen ausgesetzt. Wenn die Verschlussöffnungen ver-gleichsweise klein sind, besteht bei anlaufendem Hoch-wasser die Gefahr der Verlegung des Auslasses durch entsprechend sperriges Treibgut. Eine Geschwemmsel-sperre oder ein vorgeschalteter Raumrechen kann hier wirksam eingesetzt werden.

4.2 Rückhaltebecken im Nebenschluss

Trockenbecken im Nebenschluss können als ungesteu-erte Anlagen mit fester Überlaufschwelle ausgestattet werden. Bei gesteuerten Becken kommen überström-bare Verschlüsse (Klappen, wasser- oder luftgefüllte Schlauchwehre), unterströmbare Tafelschütze oder auch Rohrleitungen mit Absperrarmaturen (Rheinpolder Söllin-gen/Greffern) in Frage. Bewegliche Verschlüsse bieten die Möglichkeit einer adaptiven Steuerung im Hochwas-serfall – ggf. auch die Option einer begrenzten Kontrolle des Schwebstoff- und Schadstoffeintrags [9].

5. Ausführungsbeispiele

Das Trockenbecken „Weißenhof“ (WV Sulm) im Haupt-schluss der Sulm ist ein Kompaktbauwerk mit Ökodurch-lass, Betriebsauslass und Hochwasserentlastung. Letzte-re besteht aus zwei beweglichen Fischbauchklappen, die einseitig ölhydraulisch angetrieben werden. Die Seiten-dichtungen gleiten auf den beidseitig in die Betonwand eingelassenen Stahlblechen (Abbildung 4).

Das Trockenbecken „Stadtseebach“ (WV Sulm, Bj. 1999) ist ein Kompaktbauwerk mit fester Überlaufschwelle zur Hochwasserentlastung. Die tiefl iegenden Verschlüsse für den Ökodurchlass und Betriebsauslass haben ver-gleichsweise kleine Querschnitte. Der Betriebsauslass ist daher mit einem vorgesetzten Raumrechen zur Vermei-dung einer Verlegung ausgestattet.

Der Hochwasserschutz an der Brettach (WV Neuenstad-ter Brettach) wird durch drei hintereinander geschaltete Trockenbecken „A1, A2 und A4“ (Bj. 2006/07) gewähr-leistet. Die Hochwasserentlastung erfolgt über eine über-strömbare Dammscharte, im Ökodurchlass und Betriebs-

auslass sind bewegliche Gleitschütze eingebaut, die auf einer reibungsarmen Tefl onschiene gleiten.

Das Trockenbecken „Schorndorf/Winterbach“ (WV Rems) besitzt ein dreifeldriges Abfl usskontrollbauwerk: Im Gewässerbett ein entsprechend großes Doppel-Rol-lenschütz und in den beiden Seitenöffnungen jeweils ein weiteres Rollenschütz (Abbildung 5). Der Antrieb der Rol-lenschütze erfolgt jeweils über zwei Spindeln mit festste-hender Mutter. Die Unterseite der Schütze (Abbildung 6) ist strömungsgünstig gestaltet und sorgt zumindest bei rückstaufreien Unterwasserverhältnissen für atmosphäri-sche Druckbedingungen und konstante Haltekräfte. Die sohlnahen Belüftungsöffnungen sind jedoch unwirksam.

Abb. 4: Trockenbecken „Weißenhof“ im Hauptschluss der Sulm (Bj. 1989), Blick von unterstrom: Zwei sohlnahe Durchlässe im Gewässerbett, ölhy- draulisch angetriebene Klappen für Hochwas- serbetrieb

Abb. 5: Trockenbecken „Schorndorf/Winterbach“ im Hauptschluss der Rems (Bj. 2005), Blick von unterstrom: Mittiges Doppelschütz, beidseitige Einzelschütze

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Das Trockenbecken „Cappel“ (Große Kreisstadt Öhringen, Bj. 2009) im Hauptschluss der Ohrn besitzt drei tiefl iegen-de Öffnungen im Bereich des Gewässerbettes mit jeweils einer über Seilzug und Gegengewicht steuerbaren Klappe zur Kontrolle des Beckenwasserstands bei Hochwasser. Die statisch erforderlichen Versteifungsrippen der tiefl ie-genden Tafelschütze sind oberwasserseitig gut zu erken-nen (Abbildung 7). Die Strömung zur Schützöffnung wird dadurch jedoch stark gestört, was zu gewissen Druck- und Kraftschwankungen führt, die sich über das Spindelge-stänge bis zum Antrieb auswirken können. Das Getriebe muss daher auf derartige Wechselbelastungen ausgelegt werden, um Schäden zu vermeiden und ein Blockieren auszuschließen. Beim Probestau in 2012 zeigte sich, dass es bei einem kritischen Verhältnis von Öffnungshöhe und Beckenwasserstand zur Bildung von ausgeprägten Wirbel-trichtern kommt, die das Einsaugen von Treibgut begünsti-gen. Selbst wenn Treibgut die Schützöffnung passiert hat, kann es bei rückgestautem Wechselsprung infolge der oberfl ächennahen Rückströmung zu stoßartigen Schlägen gegen das Schütz kommen [10].

6. Schlussbemerkungen

Die hydraulischen Entwurfs- und Bemessungskriterien für stahlwasserbauliche Verschlüsse an Hochwasserrückhal-

tebecken sind praxiserprobt. Die bisherigen Erfahrungen haben zu anlagenspezifi schen konstruktiven Verbesse-rungen und sicherheitstechnischen Ertüchtigung geführt. Der Inspektions- und Wartungsbedarf hat sich aufgrund

Abb. 6: Blick auf die Unterseite eines der Rollenschütze (links) und auf den beidseitigen Antrieb mit Spindel und feststehender Mutter (rechts)

Abb. 7: Gesteuertes Trockenbecken „Cappel“ im Hauptschluss der Ohrn (Große Kreisstadt Öhringen, Bj. 2007, Foto: Horst Geiger), Blick vom Stauraum auf Absperrbauwerk mit drei Gleitschützen und aufgesetzten Klappen mit Seilzug

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von Alterungsprozessen, Verschleiß- und Korrosions-schäden an Verschlussorganen, Verbindungsgliedern, Dichtungen und Antriebssystemen bei den älteren Anla-gen erhöht. Regelmäßige Zustands- und Funktionsprü-fungen sind unerlässlich. Vertiefte Sicherheitsüberprüfun-gen müssen konstruktive, betriebstechnische, mess- und steuerungstechnische Defi zite jeglicher Art aufdecken und beseitigen. Weiterentwickelte Techniken sind einzu-setzen, wenn die Funktionsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Verschlusselemente dadurch erhöht wird.

Literatur

[1] DIN 19700-10: 2004-07 Stauanlagen [2] DIN 19 704 -1 November 2014 Stahlwasserbauten – Teil 1: Berechnungsgrund- lagen[3] DIN 19704 - 2 November 2014 Stahlwasserbauten – Teil 2: Bauliche Durchbil- dung und Herstellung[4] DVWK Merkblätter zur Wasserwirtschaft 249 (1998) Betrieb von Verschlüssen im Stahlwasserbau

[5] Wickert, G., Schmauser, G.: Stahlwasserbau Theorie – konstruktive Lösungen – spezielle Pro- bleme, Verlag Springer 1971 [6] LUBW: Hochwasserrückhaltebecken und Tal- sperren, Bauwerkstypen u. Übersicht, 2008[7] [email protected][8] Wagner, R., Hansen, R., Gabrys, U., Kellner, L.: Rollen- oder Gleitschütz, Vergleichende Unter- suchung Bremer Weserschleuse, Stahlbau 69 (2000), Heft 12[9] Westrich, B.: Gewässersedimente in Hochwas- serrückhalteräumen, Korrespondenz Wasserwirt- schaft, Wasser–Boden–Natur, Heft 6 / 2015 [10] Geiger, H.: Probestau: Praktische Erfahrungen mit Pegeln und Messtechnik; WBW 19. Jahresta- gung 2012, Heilbronn: Messsysteme und Daten- management im Pegelwesen

Verfasser

Prof. Dr.-Ing. Bernhard WestrichUniversität StuttgartInstitut für Wasserbau/[email protected]

Abb. 8: Trockenbecken „Cappel“ (Foto: Horst Geiger) (a) Blick vom Staubecken auf das mittlere und rechte Gleitschütz mit beidseitigem Antrieb über Spindeln und aufgesetzten Klappen mit Seilzug b) Blick auf die Unterseite des Gleitschützes mit Aussteifungen und Gleitschiene

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