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I Elektrostatik 1 Einführung und Grundbegriffe Bei der Untersuchung der Eigenschaften ruhender geladener Körper erhielt man experimentell folgende Ergebnisse: Geladene Körper (Ladungen) üben eine Kraft aufeinander aus. Es gibt zwei Arten von Ladungen, positive und negative. Verschie- denartige Ladungen ziehen sich an, gleichartige stoßen sich ab. Die Kraft zwischen zwei Ladungen q 1 und q 2 ist proportional zu ihrem Produkt: F 12 q 1 q 2 Die Kraft nimmt mit dem Quadrat des gegenseitigen Abstandes ab, d. h., es gilt: F 12 1 | r 1 r 2 | 2 Die elektrostatischen Kräfte sind Zentralkräfte. Wir kön- nen also für die Kraft, die von der Ladung 2 auf die Ladung 1 ausgeübt wird, schreiben: F 12 = kq 1 q 2 r 1 r 2 | r 1 r 2 | 3 (1.1) k ist eine noch festzulegende Proportionalitätskonstante. r 1 r 2 q 2 q 1 F 21 F 12 r -r 1 2 Zum Coulombschen Kraftgesetz: Gleiche Ladungen stoßen sich ab. Diese Gleichung, die die Kraftwirkung zwischen zwei Ladungen angibt, heißt Coulombsches Gesetz. Charles Coulomb (1736–1806) S. 2 Außerdem gilt das Superpositionsprinzip: Die elektrischen Kräfte, die auf eine Probeladung q 1 von mehreren Ladungen q 2 , q 3 ,... ausgeübt werden, überlagern sich ungestört, ohne daß die Anwesenheit der verschiedenen Ladungen die Kraft zwischen q 1 und einer gewissen Ladung (z. B. q 2 ) verändert. Das bedeutet insbe- sondere, daß die Kräfte zwischen den Ladungen nur Zweikörperkräfte sein können; Vielkörperkräfte treten nicht auf. Bei Vielkörperkräften hängt die Kraft zwischen zwei Körpern 1 und 2 auch von den Positionen r 3 , r 4 ,... ab. Zum Beispiel wäre eine Dreikörperkraft F 12 = kq 1 q 2 r 1 r 2 ( r 1 r 2 ) 1 + q 3 2 q 1 q 2 | r 1 r 2 | | r s r 3 | 3 3 (1.2)

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I Elektrostatik

1 Einführung und Grundbegriffe

Bei der Untersuchung der Eigenschaften ruhender geladener Körper erhielt manexperimentell folgende Ergebnisse: Geladene Körper (Ladungen) üben eine Kraftaufeinander aus. Es gibt zwei Arten von Ladungen, positive und negative. Verschie-denartige Ladungen ziehen sich an, gleichartige stoßen sich ab. Die Kraft zwischenzwei Ladungen q1 und q2 ist proportional zu ihrem Produkt:

F12 ∼ q1q2

Die Kraft nimmt mit dem Quadrat des gegenseitigenAbstandes ab, d. h., es gilt:

F12 ∼ 1|�r1 −�r2|2

Die elektrostatischen Kräfte sind Zentralkräfte. Wir kön-nen also für die Kraft, die von der Ladung 2 auf dieLadung 1 ausgeübt wird, schreiben:

�F12 = kq1q2�r1 −�r2

|�r1 −�r2|3(1.1)

k ist eine noch festzulegende Proportionalitätskonstante.

r1

r2

q2

q1

F21

F12

r -r1 2

Zum Coulombschen Kraftgesetz:Gleiche Ladungen stoßen sich ab.

Diese Gleichung, die die Kraftwirkung zwischen zwei Ladungen angibt, heißtCoulombsches Gesetz.

Charles Coulomb(1736–1806)→ S. 2

Außerdem gilt das Superpositionsprinzip: Die elektrischen Kräfte, die auf eineProbeladung q1 von mehreren Ladungen q2, q3, . . . ausgeübt werden, überlagernsich ungestört, ohne daß die Anwesenheit der verschiedenen Ladungen die Kraftzwischen q1 und einer gewissen Ladung (z. B. q2) verändert. Das bedeutet insbe-sondere, daß die Kräfte zwischen den Ladungen nur Zweikörperkräfte sein können;Vielkörperkräfte treten nicht auf. Bei Vielkörperkräften hängt die Kraft zwischenzwei Körpern 1 und 2 auch von den Positionen�r3,�r4, . . . ab. Zum Beispiel wäreeine Dreikörperkraft

�F12 = kq1q2�r1 −�r2∣∣∣∣(�r1 −�r2)

(1 +

q32

q1q2

|�r1 −�r2||�rs −�r3|3

)∣∣∣∣3 (1.2)

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2 I Elektrostatik

q3

q2

q1

r1

r3rs

r2

OZur Erläuterung der Dreikörperkraft: DieLadungen qi liegen bei den Ortsvektoren�ri . Der Schwerpunktsvektor der Ladun-gen q1 und q2 ist�rs.

Hierbei ist �rs der Schwerpunkt zwischen q1 und q2.Diese Dreikörperkraft ginge – wie es sein sollte – für�r3 → ∞ in die Zweikörperkraft (1.1) über. Mikrosko-pisch kann man sich das Zustandekommen einer Kraft(eines Kraftfeldes) durch virtuellen Austausch von Teil-chen vorstellen. Sie werden „wie Tennisbälle zwischenden Zentren hin- und hergeworfen“ und binden aufdiese Weise die Zentren aneinander. Bei Zweikörper-kräften geschieht dieser Austausch nur zwischen zweiZentren; bei Drei-(Mehr-)körperkräften auch im Um-weg über das dritte Zentrum bzw. mehrere Zentren. Beider Coulomb-Wechselwirkung werden Photonen, bei derschwachen Wechselwirkung Z- und W-Bosonen, bei derGravitationswechselwirkung Gravitonen und in der star-ken (nuklearen) Wechselwirkung π-Mesonen (bzw. aufeiner tieferen Ebene Gluonen) ausgetauscht. Die Pho-tonen und Gravitonen haben Ruhemasse Null. Deshalbsind diese Kräfte von großer Reichweite. Dagegen be-ruht die kurze Reichweite der starken Wechselwirkung(∼ 2 fm = 2 · 1013 cm) auf der endlichen Ruhemasse derπ-Mesonen.

CHARLES COULOMB

Coulomb, Charles Augustin, französischer Physiker und Ingenieuroffizier, geb. Angoulême 14.6.1736,gest. Paris 23.8.1806, gehörte seit 1774 der Académie des Sciences als korrespondierendes Mitglied ihrerNachfolgeinstitution, dem Institut National, seit 1795 als Vollmitglied an. Coulomb war als Lieutenant-Colonel du génie bis 1776 auf Martinique und zuletzt in Paris als Inspecteur général de l’Université tätig.Außer ingenieurwissenschaftlichen Arbeiten (Erddruck) veröffentlichte Coulomb 1784 Untersuchungenüber Torsionselastizität, deren Ergebnisse er bei der Konstruktion einer Drehwaage benutzte. Dieses meistnach H. Cavendish benannte Gerät, dessen Idee bereits 1750 John Mitchell (geb. 1724, gest. 1793) ange-geben hatte, war in der von Coulomb entwickelten Form das erste brauchbare Instrument für quantitativeelektrostatische und magnetostatische Messungen. Mit seiner Hilfe leitete Coulomb die nach ihm benanntenelektrostatischen und magnetostatischen Grundgesteze ab (Coulombsche Gesetze). Sie besagen, daß zweiElektrizitätsmengen (zwei punktförmig gedachte magnetische Polstärken) sich mit einer Kraft abstoßenoder anziehen, die in ihrem Produkt direkt und dem Quadrat ihres Abstandes umgekehrt proportionalist. Über die in diese Gesetze eingehenden Proportionalitätsfaktoren (die Dielektrizitätskonstante und diePermeabilitätskonstante) des umgebenden Mediums wurde erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts Klarheitgeschaffen. Da die Coulombschen Gesetze formal dem Newtonschen Gravitationsgesetz gleichen, trugensie wesentlich dazu bei, daß bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus auch die elektromagn. unddie elektrodyn. Wirkungen als unvermittelt geltende Fernkräfte aufgefaßt und mathematisiert wurden. Inder jungen Atomphysik des 20. Jahrhunderts galten Coulombkräfte als die einzigen im Bereich des Atomswirksamen, bis dann neben sie die ladungsunabhängigen Wechselwirkungskräfte traten. Nach Coulomb istauch die praktische Einheit der Elektrizitätsmenge benannt. [BR].

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1 Einführung und Grundbegriffe 3

Wir wissen heute, daß Pionen und Nukleonen aus Quarks aufgebaut sind (vgl.Bd. V der Vorlesungen). Die Quarks wechselwirken durch den Austausch vonsogenannten Gluonen (engl. glue = Leim) miteinander. Gluonen sind eine Artschwerer Photonen, die untereinander intensiv wechselwirken und sich zu soge-nannten Gluebällen verkoppeln können. Für die gewöhnliche Coulombkraft lautetdie bei der Anwesenheit weiterer Ladungen qi auf die Ladung q1 ausgeübte Kraft:

�F(�ri) = kq1

N

∑i=2

qi�r1 −�ri

|�r1 −�ri|3(1.3)

Das Coulombsche Gesetz gilt in dieser Form exakt nurfür Punktladungen und für kugelförmige Körper, die ho-mogen geladen sind. Für Ladungen mit beliebiger Gestalttreten Abweichungen auf, die wir später noch diskutierenwerden. Man sollte sich dennoch wundern über die 1/r2-Abhängigkeit der Coulombkraft. Dieses spezielle Kraft-gesetz hängt damit zusammen, daß die durch die Ladungausgetauschten Photonen die Ruhemasse Null haben. Siekönnen dann nach der Heisenbergschen Unschärferelati-on (vgl. Band IV der Vorlesungen über Quantenmecha-nik) virtuell mit großer Reichweite R erzeugt werden.

ΔEΔt ∼ � ΔE = Energieunschärfe≈ μ c2

Δt ∼ �

ΔE→ Δt = Zeitunschärfe

≈ �

μ c2

(1.4)

Letztere ist in unserem Fall die Lebensdauer des virtuel-len Teilchens mit der Ruhemasse ΔE ≈ μ c2. Daher ergibtsich die Reichweite R zu

R = cΔt ∼ �cΔE

.

3

3

1

b)

a)

1

2

2

a) Austausch von Teilchen beiZweikörperwechselwirkung;b) Austausch von Teilchen beieiner Dreikörperkraft.

Das macht die Langreichweitigkeit der Coulombkraft verständlich. Hätte das Pho-ton eine Ruhemasse μ , dann müßte das Coulombsche Potential (vgl. die nächstenSeiten) vom Yukawa-Typ sein, nämlich

V (r) ∼ e−r/λ

r. (1.5)

Dabei wäre λ = h/μ c die sogenannte Comptonwellenlänge des Photons mit derRuhemasse μ . Für μ = 0 ergibt sich das Coulombpotential einer Punktladung. Diebesten heutigen Präzisionsmessungen ergeben für die Photonenmasse μ < 10−48 g

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4 I Elektrostatik

oder μ c2 ≤ 5 · 10−16 eV. 1) Mit der „Ladung“ tritt eine neue physikalische Eigen-schaft des Körpers auf. Wir haben nun die Möglichkeit, für die Ladung eine eigeneDimension einzuführen oder sie durch die in der Mechanik benutzten DimensionenMasse, Länge und Zeit auszudrücken. Betrachten wir die Gleichung (1.1), so istdort das Produkt kq1q2 festgelegt. Die Dimension der einzelnen Faktoren Ladungund Proportionalitätskonstante kann unter dieser Bedingung noch frei gewähltwerden. Je nach Wahl von k erhalten wir verschiedene Maßsysteme. In den Lehrbü-chern werden heute im wesentlichen noch zwei verschiedene Maßsysteme benutzt,das Gaußsche und das „praktische“ (oder rationale) Maßsystem. Im GaußschenMaßsystem erhält die Proportionalitätskonstante k den Zahlenwert 1 und bleibtdimensionslos. Die Ladung ist dann keine unabhängige Einheit mehr. Für sie folgtaus Gleichung (1.1) im CGS-System die Einheit 1 cm3/2 · g1/2 · s−1 =

√erg · cm,

die auch als elektrostatische Einheit (esE) oder stat Coulomb bezeichnet wird.Diese explizite Zurückführung elektromagnetischer Größen auf die mechanischenEinheiten findet sich fast nur noch in älteren Lehrbüchern; in neueren Lehrbüchernder Atom- und Kernphysik und der Quantenmechanik, die das Gaußsche Maßsy-stem verwenden, geht man mit der Ladung wie mit einer unabhängigen Einheitum, eben der Gaußschen Ladungseinheit. Die physikalischen Zusammenhängewerden dadurch oft klarer. Setzen wir |�r1 −�r2| = r, so erhält die Gleichung (1.1)die einfache Form:

F =q1q2

r2(1.6)

Der entgegengesetzte Weg wird in den sogenannten praktischen Maßeinheiteneingeschlagen. Hier wird die Einheit durch die Ladung festgelegt. Aus meß-technischen Gründen wird dazu eine Kraft benutzt, die zwei stromdurchflosseneLeiter aufeinander ausüben. Laut Definition fließt die Strommenge von einemAmpere durch zwei parallele, geradlinige unendlich lange, in einem Meter Abstandbefindliche Leiter, wenn zwischen ihnen die Kraft von 2 · 10−7 Newton pro MeterLänge wirkt. Das Produkt von Strom und Zeit gibt die Ladungsmenge an.

1 Coulomb (C) = 1 Amperesekunde (A · s)

Durch diese (willkürliche) Definition erhält die Proportionalitätskonstante k so-wohl eine Dimension als auch einen festen Zahlenwert, man setzt:

k =1

4πε0(1.7)

Die Konstante ε0 heißt Dielektrizitätskonstante des Vakuums und hat den Wert

ε0 ≈ 8,854 · 10−12

[A · sV · m

]≈ 1

4π · 9 · 109

[A · sV · m

](1.8)

1) Wir verweisen auf das von W. Martienssen und seinen Mitarbeitern P. Kurowski und J. Wagnerveranstaltete Seminar; Preprint des Physikalischen Instituts der Universität Frankfurt am Main(1974). Ein Labortest des Coulombgesetzes wird beschrieben von E. R. Williams, J. E. Faller undH. A. Hill „New Exp. Test of Coulomb’s Law: A Laboratory Upper Limit on the Photon Rest Mass“,Phys. Rev. Letters 26 (1971) 721.

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1 Einführung und Grundbegriffe 5

(An dieser Stelle betrachten wir die Einheit Volt (V) als Abkürzung für 1 V =1 N · m/C = 1 A−1 · m2 · kg · s

−3). Das Coulomb-Gesetz (1.6) lautet in diesem

Maßsystem

F =1

4πε0· q∗

1q∗2

r2(1.9)

Ein Vergleich von (1.9) mit (1.6) liefert dann den Zusammenhang der Ladungen imGaußschen System (q) und im praktischen System (auch MKSA-System genannt;MKSA steht für Meter Kilogramm Sekunden Ampere). Er lautet:

q =q∗

√4πε0

.

Die Einheitsladung von q∗ ist 1 C = 1 A · s. Dieser entspricht im GaußschenSystem

1 C · 1√4πε0

≈ 1 A · s · 1√4π

14π · 9 · 109

A · sV · m

= 1 A · s

√9 · 109 V · m

A · s=

√9 · 109 V · m · A · s

=

√9 · 109 m3 · kg

s2=

√9 · 1018 cm3 · g

s2

= 3 · 109√erg · cm = 3 · 109 cgs-Ladungseinheiten

= 3 · 109 stat Coulomb

Im Bereich der makroskopischen Physik und in der Experimentalphysik wirdüberwiegend das praktische Maßsystem benutzt; in der Atomphysik, der Kernphsikund in vielen Lehrbüchern der theoretischen Physik wird meist das GaußscheMaßsystem benutzt. Wir verwenden hier ausschließlich das Gaußsche Maßsystem.

Die elektrische Feldstärke: Zur Erläuterung des Begriffs der elektrischen Feld-stärke gehen wir von der Kraft �F aus, die eine Ladung q1 auf eine möglichstkleine Probeladung q ausübt. Als die von q1 am Ort�r der Ladung q hervorgerufeneFeldstärke definieren wir den Quotienten:

�E(�r) =�Fq

(1.10)

Da im allgemeinen die Probeladung q das elektrische Feld verändert gehen wirzum Grenzfall einer verschwindend kleinen Ladung über:

�E = limΔq→0

Δ�FΔq

=d�Fdq

(1.11)

Mit dem Coulombschen Gesetz (1.3) folgt für das elektrische Feld einer Punktla-dung q1:

�E(�r) =q1(�r −�r1)|�r −�r1|3

(1.12)

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6 I Elektrostatik

a) �E-Feld einer negativen Punktladung;b) �E-Feld einer positiven Punktladung.

-q1 +q1

a) b)

Der elektrische Feldvektor �E(�r) einer positiven Punktladung ist also radial nachaußen gerichtet; der einer negativen Punktladung radial nach innen. Für eineSumme von Punktladungen folgt nach dem Superpositionsprinzip (1.3)

�E(�r) = ∑i

qi(�r −�ri)|�r −�ri|3

= ∑i

�Ei. (1.13)

+q1

-q2

+q3

q E1

i

E2

r3r2

r1 r E3E = EΣ i

Die elektrische Feldstärke am Ort�r für eine Summe von Punktladungen qi .

dV'

r-r'r'

r

E

ρ(r')

Die Feldstärke �E (�r ) für eine kontinuier-liche Ladungsverteilung �(�r ′) am Ort�r .

Haben wir eine kontinuierliche Ladungsverteilung vorlie-gen, so müssen wir von der Summation über die Punkt-ladungen zur Integration über die räumliche Verteilungübergehen. Wir setzen an die Stelle der Punktladung qi

das Ladungselement �(�r ′) dV ′. Hierbei ist � die Ladungs-dichte und dV das Volumenelement.

�E(�r) =∫

�(�r ′)�r −�r ′

|�r −�r ′ |3 dV ′ (1.14)

Das Superpositionsprinzip haben wir hier stillschwei-gend angenommen. Seine Gültigkeit ist aber nicht selbst-verständlich. Wie wir noch sehen werden ist es identischmit der Annahme, daß die elektromagnetischen Grund-gleichungen linear sind.

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1 Einführung und Grundbegriffe 7

Das Gaußsche Gesetz:

Wir bestimmen den Fluß der durch eine Punktladung erzeugten Feldstärke durcheine Oberfläche O, die diese Ladung einschließt.

C. F. Gauß(1777–1855)→ unten

q

q

dF

θ

q

r

n

n

nn

nE

E

E

E

E

S

S SZum Gaußschen Gesetz: Die Normal-komponente des elektrischen Feldeswird über die Oberfläche O integriert.Falls die Ladung q innerhalb (außerhalb)von O liegt, ist der totale Raumwinkel umdie Ladung gleich 4π (0).

CARL FRIEDRICH GAUSS

Gauß, Carl Friedrich, geb. 30.4.1777 Braunschweig, gest. 23.2.1855 Göttingen. – Gauß war Sohn einesTagelöhners und fiel bereits sehr früh durch seine außerord. mathem. Begabung auf. Der Herzog vonBraunschweig übernahm seit 1791 die Kosten seiner Ausbildung. Gauß studierte 1795/98 in Göttingenund promovierte 1799 in Helmstedt. Seit 1807 war Gauß Direktor der Sternwarte und Professor an derUniversität Göttingen. Alle Angebote, z. B. nach Berlin zu kommen, lehnte er ab. Gauß begann 1791 seinewissenschaftliche Tätigkeit mit Untersuchungen zum geometrisch-arithmetischen Mittel, zur Verteilung derPrimzahlen und 1792 zu den Grundlagen der Geometrie. Bereits 1794 fand er die Methode der kleinstenQuadrate, und von 1795 datiert die intensive Beschäftigung mit der Zahlentheorie, z. B. dem quadratischenReziprozitätsgesetz. Im Jahre 1796 veröffentlichte Gauß seine erste Arbeit. In ihr wurde der Beweis geführt,daß außer in den bekannten Fällen regelmäßige n-Ecke mit Zirkel und Lineal konstruiert werden können,wenn n eine Fermatsche Primzahl ist. Insbesondere trifft dies auf das 17-Eck zu. In seiner Dissertationvon 1799 gab Gauß den Beweis des Fundamentalgesetzes der Algebra, dem er weitere folgen ließ. Ausdem Nachlaß ist bekannt, daß Gauß im gleichen Jahr bereits die Grundlagen der Theorie der elliptischenund der Modulfunktionen besaß. Das erste umfangreiche Werk, das Gauß 1801 veröffentlichte, sind seineDisquistiones Arithmeticae, die als Beginn der neuen Zahlentheorie gelten. In ihm findet sich z. B. dieTheorie der quadratischen Kongruenzen und der erste Beweis des quadratischen Reziprozitätsgesetzes, desTheorema aureum sowie der Kreisteilungslehre. Seit etwa 1801 begann Gauß sich für die Astronomie zuinteresssieren. Die Ergebnisse und Studien waren 1801 die Bahnberechnung des Planetoiden Ceres, dieUntersuchungen 1809 und 1818 zu den säkulären Störungen und 1813 zur Anziehung des allgemeinenEllipsoids. 1812 erschien die Abhandlung über die hypergeometrische Reihe, die die erste korrekte undsystematische Konvergenzuntersuchung enthält.

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8 I Elektrostatik

dF

r d2

Ω

θ θ

n

r

Veranschaulichung der Projektion desFlächenelementes dF .

Dazu wird die Punktladung q in den Koordinatenur-sprung gelegt. Dann ist der Fluß durch das Oberflächen-element dF gegeben durch

�E ·�n dF =qr2

�rr·�n dF, (1.15)

wobei�n der Normalenvektor auf der Fläche ist. Die Feld-stärke, die durch die Fläche�n dF fließt, ist jedoch gleichder durch die Fläche cos θ dF. Durch den Raumwinkelausgedrückt, bedeutet dies (siehe Figur)

cos θ dF = r2 dΩ . (1.16)

dF

r=1

Der Raumwinkel dΩ ist dieZentralprojektion der FlächedF auf die Einheitskugel.

Der Raumwinkel dΩ ist dabei die Zentralprojektion derFläche dF auf die Einheitskugel. Das ist in der Figurveranschaulicht.

Somit ist�E ·�n dF =

qr2

cos θ dF

=qr2

r2 dΩ = q dΩ (1.17)

Durch die Integration erhalten wir für den Fluß durch dieOberfläche∮

O

�E ·�n dF = q∮

O

dΩ = 4πq, (1.18)

denn die Integration über den Raumwinkel ergibt 4π. Wir kommen so zu demErgebnis

O

�E·�n dF ={

4πq für q innerhalb der geschlossenen Oberfläche0 für q außerhalb der geschlossenen Oberfläche

(1.19)

CARL FRIEDRICH GAUSS (Fortsetzung)

Seit 1820 wandte sich Gauß verstärkt der Geodäsie zu. Die bedeutendste theoretische Leistung ist 1827 dieFlächentheorie mit dem Theorema egregium. Auch die praktische Geodäsie betrieb Gauß, z. B. führte ersehr umfangreiche Messungen in den Jahren 1821/25 aus. Trotz solcher umfangreicher Arbeiten erschienen1825 und 1831 seine Schriften über biquadratische Reste. Die zweite dieser Abhandlungen enthielt dieDarstellung der komplexen Zahlen in der Ebene und eine neue Primzahlentheorie. In seinen letzten Jahrenfand Gauß auch an physikalischen Fragen Gefallen. Wichtige Ergebnisse sind 1833/34 die mit W. Webergemachte Erfindung des elektrischen Telegraphen und 1839/40 die Potentialtheorie, die ein neuer Zweigder Mathematik wurde. Viele wichtige Resultate von Gauß sind nur aus dem Tagebuch und den Briefenbekannt; z. B. war Gauß schon 1816 im Besitz der nichteuklidischen Geometrie. Der Grund für dieseVerhalten, wichtige Ergebnisse nicht zu veröffentlichen, ist dem außerordentlich strengen Maßstab, denGauß auch an die Form seiner Arbeiten legte, und in dem Versuch zu sehen, unnötige Auseinandersetzungenzu vermeiden.

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1 Einführung und Grundbegriffe 9

Die Beziehung, die wir hier für eine Punktladung hergeleitet haben, wird alsGaußsches Gesetz bezeichnet. Schließt die Oberfläche mehrere Ladungen ein, dannergibt sich nach dem Superpositionsprinzip∮

O

�E ·�n dF =∮

O

∑i

�Ei ·�n dF = ∑i

O

�Ei ·�n dF = 4π ∑i

qi (1.20)

bzw. bei kontinuierlicher Ladungsverteilung∮

O

�E ·�n dF = 4π∫

V

�(�r) dV. (1.21)

Das Oberflächenintegral auf der linken Seite wird mit dem Gaußschen Satz in einVolumenintegral übergeführt:∮

O

�E ·�n dF =∫

V

div�E dV. (1.22)

Damit folgt∫

V

div�E dV = 4π∫

V

�(�r) dV (1.23)

oder ∫

V

(div�E − 4π�(�r)) dV = 0. (1.24)

Da dies für beliebige Volumen gilt, muß der Integrand Null sein, und wir erhaltendie Beziehung

div�E(�r) = 4π�(�r) (1.25)

zwischen der Feldstärke und der sie hervorrufenden Ladungsverteilung. Danachsind die Ladungen im Raum die Quellen (positive Ladungen) und Senken (negativeLadungen) des elektrischen Feldes.

Das elektrische Potential: Wir zeigen jetzt, daß sich das elektrische Feld alsGradient eines Potentials schreiben läßt. Es gilt

�E(�r) =∫

V

�(�r ′)(�r −�r ′)|�r −�r ′|3 dV ′. (1.26)

Differenzieren wir den Ausdruck 1/|�r −�r ′ | nach der ungestrichenen Koordinate�r,so sehen wir, daß z. B.

∂∂x

1√(x − x′)2 + (y − y′)2 + (z − z′)2

= − (x − x′)

(√

(x − x′)2 + (y − y′)2 + (z − z′)2)3,

also

�∇1

|�r −�r ′ | ≡ grad1

|�r −�r ′ | = − (�r −�r ′)|�r −�r ′|3 . (1.27)

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10 I Elektrostatik

Daraus folgt für die Feldstärke (Gl. (1.26))

�E(�r) = −∫

�(�r ′)�∇1

|�r −�r ′| dV ′ = −�∇∫ �(�r ′)

|�r −�r ′| dV ′. (1.28)

Die Feldstärke läßt sich also als Gradient eines Potentials herleiten. Das PotentialΦ (�r) ergibt sich als das Integral über die gesamte Ladungsverteilung:

Φ (�r) =∫ �(�r ′)

|�r −�r ′ | dV ′. (1.29)

Zur Berechnung des Potentialseiner Ladungswolke.

ρ(r')

V

dV'P

O

r

r-r'

r'

Mit dieser Definition können wir für die Feldstärke folgendermaßen schreiben

�E(�r) = − grad Φ (�r) ≡ −�∇Φ (�r). (1.30)

Da die Rotation eines Gradienten stets verschwindet (�∇ ×�∇ = 0), folgt daraus

rot�E = 0. (1.31)

Wir haben also gezeigt, daß sich das elektrostatische Feld durch die beidenDifferentialgleichungen

�∇ · �E = 4π�, (1.32)

�∇ × �E = 0 (1.33)

beschreiben läßt. Die letzte Gleichung ist gleichbedeutend damit, daß elektrosta-tische Kräfte konservativ sind. Anders ausgedrückt: Das elektrostatische Feld istwirbelfrei. Aus der Divergenz von Gleichung (1.30) erhalten wir unter Berücksich-tigung von Gleichung (1.32)

�∇ · �E(�r) = −�∇2Φ (�r) = 4π�(�r) (1.34)

oder

ΔΦ (�r) = −4π�(�r) (1.35)

Diese Gleichung wird als Poissongleichung bezeichnet; im ladungsfreien Raum

S. D. Poisson(1781–1840)

→ S. 11

� = 0 geht die Poissongleichung über in die LaplacegleichungP. S. Laplace(1749–1827)

→ S. 11 ΔΦ (�r) = 0 (1.36)

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1 Einführung und Grundbegriffe 11

Wir zeigen jetzt, daß ein Potential der Form

Φ (�r) =1

|�r −�r ′| (1.37)

(Punktladung q = 1 gesetzt) die Poisson-Gleichung für eine Punktladung erfüllt.Dazu legen wir die Ladung in den Ursprung des Koordinatensystems (Φ (�r) = 1/r)und wenden den Laplaceoperator darauf an. Für die Punktladung ist das Problemkugelsymmetrisch und wir brauchen nur die r-Koordinate zu betrachten. Für r = 0erhalten wir durch einfaches Ausrechnen (für den Laplaceoperator in Kugelkoor-dinaten, siehe Aufgabe 11.6d im Band I der Vorlesungen über Mechanik)

Δ1r

=1r

∂2

∂r2

(r

1r

)=

1r

∂2

∂r2(1) = 0 (1.38)

Für r = 0 ist der Ausdruck jedoch nicht definiert. Wir müssen deswegen einenGrenzprozeß vornehmen; dazu integrieren wir ΔΦ in einer Umgebung von r = 0und führen dieses Volumenintegral mit Hilfe des Gaußschen Satzes in ein Oberflä-chenintegral über, das von r unabhängig ist

V

Δ(

1r

)dV =

V

div

(grad

(1r

))dV

=∮

O

grad

(1r

)·�n dF

=∮

O

∂∂r

(1r

)r2 dΩ = −4π. (1.39)

SIMÉON DENIS POISSON

Poisson, Siméon Denis, geb. 21.6.1781 Pithiviers, gest. 25.4.1840 Paris. – Poisson war Schüler der EcolePolytechnique und nach Beendigung seines Studiums dort angestellt, seit 1802 als Professor. Poisson warMitglied des Längenbüros und der Académie des Sciences. Seit 1787 war Poisson Pair von Frankreich. –Poisson arbeitete auf sehr vielen Gebieten, z. B. über allgemeine Mechanik, Wärmeleitung, über Potenti-altheorie, Differentialgleichungen und über Wahrscheinlichkeitsrechnung.

PIERRE SIMON LAPLACE

Laplace, Pierre Simon, geb 28(?).3.1749 Beaumont-en-Auge, gest. 5.3.1827 Paris. – Nach seinem Schul-besuch wurde Laplace Lehrer in Beaumont und durch Vermittlung von d’Alembert Professor an derMilitärschule von Paris. Da Laplace seine politischen Überzeugungen schnell zu ändern pflegte, wurdeer ebenso von Napoléon wie von Ludwig XVIII. mit Ehren überhäuft. – Von seinen Arbeiten sind seine„Analytische Theorie der Wahrscheinlichkeit“ (1799–1825) bedeutungsvoll geworden. Die Wahrschein-lichkeitsrechnung enthält z. B. die Methode der erzeugenden Funktionen, die Laplace-Transformationenund die endgültige Formulierung des mechan. Materialismus. In der Himmelsmechanik finden sich z. B. diekosmologische Hypothese von Laplace, die Theorien von der Gestalt der Erde und von der Mondbewegung,Störungstheorie der Planeten und die Potentialtheorie der Laplaceschen Gleichung.

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12 I Elektrostatik

Wir haben also gezeigt, daß

Δ(

1r

)= 0, für r = 0 (1.40)

und daß für das Volumenintegral die Beziehung∫

V

Δ1r

dV = −4π (1.41)

für eine Umgebung von r = 0 gilt.

Mathematische Ergänzung: Die δδδ -Funktion. An dieser Stelle ist es nützlich, dieDiracsche Delta-Funktion einzuführen. Dirac führte seine δ -Funktion in Analogie

P. A. M. Dirac(1902–1984)

→ unten

zum Kroneckerschen δ ik-Symbol ein, als Verallgemeinerung für kontinuierlicheIndizes und schrieb

f (a) =∞∫

−∞f (x) δ (x − a) dx. (1.42)

Die δ -Funktion δ (x−a) ordnet also der Funktion f (x) ihren Wert an der Stelle x = azu; sie ist nur als Funktional durch den obigen Ausdruck definiert. Größen wie δ (x)sind keine Funktionen im üblichen Sinne. Sie sind im Rahmen des RiemannschenIntegralbegriffs nicht integrierbar. Die δ -Funktion wird mathematisch exakt imRahmen der Theorie der Distributionen 1) behandelt. Wir beschränken uns hierdarauf, einige Eigenschaften der δ -Funktion mit heuristischem Beweis anzugeben.Man kann die Größe δ (x) als Grenzfall einer Funktion veranschaulichen, mit derEigenschaft überall zu verschwinden und an der Stelle x = 0 so singulär zu werden,so daß

0+ε∫

0−ε

δ (x) dx = 1, ε > 0. (1.43)

1) Eine Distribution ist eine Verallgemeinerung des Funktionsbegriffes in der Funktionalanalysis;lineares Funktional über gewissen abstrakten Räumen. Die in der theoret. Physik wichtige DiracscheDeltafunktion ist z. B. eine Distribution aber keine Funktion. Die Theorie der Distribution wurde1945–1950 von L. Schwartz entwickelt und hat seit dieser Zeiz in vielen Gebieten der Analysis,z. B. in der Theorie der Differentialgleichungen und in der modernen Physik Anwendungen ge-funden. Eine besonders anschauliche Begründung der Distributionen wurde von den DarmstädterMathematikern Laugwitz und Schmieden gegeben.

PAUL ADRIEN MAURICE DIRAC

Dirac, Paul Adrien Maurice, geb. 8.8.1902 in Bristol, gest. 20.10.1984 in Tallahassee/Florida USA. – Diracstudierte in Bristol, Cambridge und an mehreren ausländ. Universitäten. 1932 wurde er zum Professor derMathematik berufen. Dirac gilt als einer der Begründer der Quantenmechanik. Das von ihm geschaffenemathematische Äquivalent besteht wesentlich aus einer nichtkommutativen Algebra zur Berechnung derEigenschaften der Atome. Dirac entwickelte eine relativistische Theorie des Elektrons, sagte 1928 dieEntdeckung des Positrons voraus und lieferte wesentliche Beiträge zur Quantenfeldtheorie. 1933 erhieltDirac den Nobelpreis.

Page 13: I Elektrostatik - bücher.de

328 IV Elektrodynamik

übrig. Der Druck, der von der Welle im zeitlichen Mittel ausgeübt wird, ist damit

p =|�F |ΔF

=σc

2A2(μ ω

σ π

)1/2 1

2√

2

∞∫

0

exp

(−2ω

cκ z

)dz

=σc

A2(μ ω

σ π

)1/2 1√2· c

2ω κ.

Es ist κ = (2πμ σ · ω−1)1/2. Damit ergibt sich für den Druck p = A2/(4π). Der Druckist also unabhängig von der Beschaffenheit des Materials und der Frequenz der Welle.

�Aufgabe 17.2

18 Hohlleiter und Hohlraumresonatoren

zx

yε,μ

Ein Hohlleiter.

Wir untersuchen die Ausbreitung elektromagnetischerWellen in Hohlleitern und Hohlraumresonatoren, d. h. inhohlen, zylinderförmigen Metallkörpern. Der Metallkör-per hat überall den gleichen Querschnitt, und seine Ober-fläche wird als idealer Leiter angenommen. Ist der Körpergeschlossen, spricht man von einem Hohlraumresonator,ist er an den Enden offen, so wird er als Hohl- oderWellenleiter bezeichnet. In dem Zylinder befinde sich einhomogenes Material mit der Dielektrizitätskonstanten εund der Permeabilität μ .

Mit einer Zeitabhängigkeit e− iω t des elektromagneti-schen Feldes im Inneren des Zylinders nehmen die Max-wellgleichungen die folgende Gestalt an:

�∇ × �E = iωc�B, �∇ · �E = 0,

�∇ × �B = − iμ εωc�E, �∇ ·�B = 0.

(18.1)

In diesen Gleichungen sind �E und�B noch miteinander gekoppelt. Wir bilden noch-mals die Rotation und erhalten nach Umformungen die aus Kapitel 16 bekanntenWellengleichungen (siehe Gl. (16.5a), (16.5b)):

∇2�E + μ εω 2

c2�E = 0, ∇2�B + μ ε

ω 2

c2�B = 0. (18.2)

Aufgrund der Zylindersymmetrie des Problems erwarten wir in positiver undnegativer z-Richtung laufende Wellen oder entsprechende stehende Wellen:

�E(x, y, z, t) = �E(x, y)�B(x, y, z, t) = �B(x, y)

}e± ikz− iω t , (18.3)

wobei die Wellenzahl k ein noch unbekannter reeller oder komplexer Parameter ist.

Page 14: I Elektrostatik - bücher.de

18 Hohlleiter und Hohlraumresonatoren 329

Mit diesem Ansatz vereinfacht sich die Wellengleichung (18.2), wenn wir denDifferentialoperator ∇2 umschreiben:

∇2 =(

∂2

∂x2+

∂2

∂y2

)+

∂2

∂z2= ∇2

t + ∇2z ,

wobei ∇2t der transversale Teil des Operators ist. Dann erhalten wir für das �E-Feld

(entsprechend auch für �B):(∇2 + μ ε

ω 2

c2

)�E =

(∇2

t +∂2

∂z2+ μ ε

ω 2

c2

)�E(x, y) · e± ikz− iω t

=(

∇2t + μ ε

ω 2

c2− k2

)�E(x, y) · e± ikz− iω t = 0.

Diese Gleichung muß für alle t und alle z gelten, so daß(∇2

t + μ εω 2

c2− k2

)�E(x, y) = 0 (18.4)

gilt. Wir zerlegen das Feld in eine Komponente parallel zur z-Achse und einesenkrecht dazu

�E = �Ez + �Et, �B = �Bz +�Bt. (18.5)

Jetzt zeigen wir, daß es genügt, die z-Komponenten des�E- und�B-Feldes zu kennen,da sich die Transversalkomponenten durch sie darstellen lassen. Nach Gleichung(18.1) gilt nämlich

�∇ × �E =iωc

�B,

und unter Verwendung von (18.5) folgt(�∇t +�∇z

(�Et + �Ez

)=

iωc

(�Bt +�Bz

).

Es ist nun

�∇z × �Ez =∂Ez

∂z·�ez ×�ez = 0.

Die beiden Terme�∇t × �Et und �Bz sind die einzigen Vektoren in z-Richtung, so daßwir komponentenweise aufspalten können:

�∇t × �Et =iωc

�Bz, �∇z × �Et + �∇t × �Ez =iωc

�Bt. (18.5a)

Die letzte Gleichung multiplizieren wir vektoriell von links mit�∇z, was uns aufiωc

�∇z × �Bt = �∇z ×(�∇z × �Et

)+�∇z ×

(�∇t × �Ez

)führt. Lösen wir die beiden zweifachen Vektorprodukte, dann ergibt sich dafür

�∇z ×(�∇z × �Et

)= �∇z

(�∇z · �Et

)−

(�∇z · �∇z

)�Et,

�∇z ×(�∇t × �Ez

)= �∇t

(�∇z · �Ez

)−

(�∇z · �∇t

)�Ez.

Page 15: I Elektrostatik - bücher.de

330 IV Elektrodynamik

Zwei der Klammern sind Null, weil sie das Skalarprodukt zwischen orthogonalenVektoren darstellen. Damit erhalten wir die Gleichung

−∇2z�Et +�∇t

(∂Ez

∂z

)=

iωc

�∇z × �Bt.

Nach Gleichung (18.3) gilt

−∇2z�Et = − ∂2

∂z2

(�Et(x, y) · e± ikz− iω t

)= k2�Et

und wir erhalten

k2�Et +�∇t

(∂Ez

∂z

)=

iωc

�∇z × �Bt. (18.6)

Entsprechend verfahren wir mit der zweiten Maxwellgleichung aus (1):

�∇ × �B = − iωc

μ ε�E,

die wir ebenfalls in ihren transversalen und longitudinalen Anteil aufspalten, was

�∇t × �Bt + �∇t × �Bz + �∇z × �Bt + �∇z × �Bz = − iωc

μ ε�Et −iωc

μ ε�Ez

ergibt. Nach den gleichen Überlegungen reduziert sich die Gleichung auf

�∇t × �Bz = −�∇z × �Bt −iωc

μ ε�Et, (18.7)

vgl. die zweite Gleichung (18.5a).

In Gleichung (18.6) wird die rechte Seite durch Gleichung (18.7) ersetzt:

k2�Et +�∇t

(∂Ez

∂z

)= − iω

c�∇t × �Bz +

ω 2

c2μ ε�Et.

Lösen wir nach �Et auf, so folgt(ω 2

c2μ ε − k2

)�Et = �∇t

(∂∂z

Ez

)+

iωc

(�∇t × �Bz

).

Setzen wir ω 2

c2 μ ε − k2 �= 0 voraus, so ergibt sich nach Division die Gleichung

�Et =1

μ εω 2

c2− k2

[�∇t

∂Ez

∂z− iω

c

(�ez ×�∇t

)Bz

](18.8a)

und vollkommen analog

�Bt =1

μ εω 2

c2− k2

[�∇t

∂Bz

∂z+

iωc

μ ε(�ez ×�∇t

)Ez

]. (18.8b)

Die Transversalkomponenten werden also durch die longitudinalen Komponentenvollständig bestimmt. Wir brauchen also nur die z-Komponente der Gleichung

Page 16: I Elektrostatik - bücher.de

18 Hohlleiter und Hohlraumresonatoren 331

(18.4) (bzw. der entsprechenden Gleichung für �B) zu betrachten. Im folgendenwerden wir sehen, daß der gerade ausgeschlossene Fall ω 2/c2 ·μ ε − k2 = 0 durch-aus auftreten kann. Er entspricht wegen der Dispersionsrelation für elektroma-gnetische Wellen gerade dem Fall einer nur in z-Richtung propagierenden Welle.Solche Wellen können keine z-Komponenten des elektrischen oder magnetischenFeldes haben, Ez = Bz = 0 (transversal elektromagnetische Wellen), daher sind dierechten Seiten der Gleichungen (18.8a), (18.8b) nicht unendlich, sondern einfachmathematisch nicht definiert.

Randbedingungen: Da wir die Zylinderoberfläche O als idealen Leiter annehmen,müssen dort die Randbedingungen (vgl. Kapitel 17)

�n · �B = 0, �n × �E = 0

erfüllt sein, wenn �n der Normaleneinheitsvektor auf der Oberfläche ist (da wirOberflächenladungen und -ströme zulassen wollen, sind keine unmittelbaren Aus-sagen über Dn und Ht möglich). Diese Bedingung ist gleich der Forderung

�Ez|O = 0, (�n · �Bt)|O = 0.

Setzen wir in die zweite Gleichung �Bt aus Gleichung (18.8b) ein, so wird

(�n · �Bt)O =�n · 1

μ εω 2

c2− k2

(�∇t

∂Bz

∂z+ iμ ε

ωc

(�ez ×�∇t)Ez

)∣∣∣∣O

=1

μ εω 2

c2− k2

�n ·�∇t∂Bz

∂z

∣∣∣∣O

= 0,

weil�ez ×�∇tEz tangential zur Oberfläche O steht und deshalb�n · (�ez ×�∇tEz) = 0 ist.Damit ergibt sich für Bz die Bedingung

�n · �∇t∂Bz

∂z

∣∣∣∣O

= 0 ⇒ ∂∂n

∂Bz

∂z

∣∣∣∣O

=∂∂z

∂Bz

∂n

∣∣∣∣O

= 0,∂Bz

∂n

∣∣∣∣O

= 0.

Der letzte Schritt wird verständlich, wenn man bedenkt, daß die ganze z-Abhängig-keit der Welle von der Form Bz = Bz(x, y) · e i(kz−ω t) sein muß und daher ∂Bz/∂z =ikBz ist.

Klassifizierung der Felder in Hohlleitern: TM-, TE- und TEM-Wellen: Diezweidimensionale Wellengleichung (18.4) für Ez und Bz zusammen mit den Rand-bedingungen für Ez und Bz an der Zylinderoberfläche bilden ein Eigenwertproblem(vgl. das Problem der schwingenden Membran aus der MechanikII).

Für eine gegebene Frequenz ω gibt es nur bestimmte axiale Wellenzahlen k, diedie Differentialgleichung und die Randbedingungen erfüllen (Wellenleiter), oderfür eine gegebene Wellenzahl k sind nur bestimmte Frequenzen zugelassen (Hohl-raumresonator). Im allgemeinen können nicht beide Randbedingungen gleichzeitig

Page 17: I Elektrostatik - bücher.de

332 IV Elektrodynamik

erfüllt werden, weil die Randbedingungen unterschiedlich sind, obwohl die Eigen-wertgleichungen formal übereinstimmen. Je nach den erfüllten Randbedingungenunterscheidet man die Felder

transversal magnetisch TM: Bz = 0 überall, Ez|O = 0,

transversal elektrisch TE: Ez = 0 überall,∂Bz

∂n

∣∣∣∣O

= 0.

Für TM-Wellen folgt die Randbedingung „Bz = 0 überall“ aus folgender Argu-mentation: Es gilt ohnehin stets ∂Bz/∂n|O = 0. Man muß aber auch Bz|O = 0fordern, um die Randbedingung formal an die für das E-Feld anzupassen. Fallsaber Bz|O = 0 und ∂Bz/∂n|O = 0, so muß Bz überall verschwinden. Entsprechendargumentiert man für TE-Wellen.

Im Spezialfall „Bz = Ez = 0 überall“ spricht man von transversal elektromagneti-schen Wellen (TEM). Dann folgt aus den Gleichungen (18.8a) und (18.8b) für

γ 2 ≡ μ εω 2

c2− k2 �= 0

nur die triviale Lösung Bt = Et = 0. Wir müssen also μ ε ω 2

c2 − k2 = 0 betrachten,um nichttriviale Lösungen zu erhalten, d. h., für TEM-Wellen gilt k =

√μ ε · ω

c .Dies entspricht gerade der üblichen Dispersionsrelation für elektromagnetischeWellen. Weil k als die Komponente des Wellenzahlvektors definiert wurde, diefür Propagation in z-Richtung steht (siehe Gl. (18.3)), ist also in diesem Fall�k = (0, 0, k), d. h., die Wellen propagieren ausschließlich in z-Richtung. Da�k, �E, �Bein Rechtssystem bilden, ist es fernerhin klar, daß Ez = Bz = 0 sein muß. Das ergibtnämlich in den Gleichungen (18.8a) und (18.8b) den unbestimmten Ausdruck0/0 (siehe Anmerkungen zu (18.8a), (18.8b)). Wir zeigen aber gleich, daß fürk =

√μ ε · ω/c und Bz = Ez = 0 (automatische Erfüllung der Randbedingungen)

transversale Lösungen der Maxwellgleichungen für �E und �B existieren.

TEM-Wellen erfüllen die Laplace-Gleichung in zwei Dimensionen (18.4):

Δ t�ETEM = 0 und Δ t�BTEM = 0. (18.9a)

Wir zeigen, daß �ETEM senkrecht auf �BTEM steht. Aus der Maxwellgleichung folgtsofort

iωc�BTEM =�∇ × �ETEM = (�∇t +�∇z) × �ETEM

=�∇t × �ETEM +∂∂z

(�ez × �ETEM).

Wegen Bz = 0 muß �BTEM ein Vektor in der x, y-Ebene sein; das gleiche gilt für�ETEM. Dann ist aber �∇t × �ETEM ein Vektor in z-Richtung. Da aber auf der linkenSeite der Gleichung nur ein Vektor in der x, y-Ebene liegt, folgt

�∇t × �ETEM = 0 und∂∂z

(�ez × �ETEM) =iωc

�BTEM. (18.9b)

Page 18: I Elektrostatik - bücher.de

18 Hohlleiter und Hohlraumresonatoren 333

Diese beiden Gleichungen folgen übrigens auch aus Gleichung (18.5a) mit�Ez = �Bz = 0.

Daraus resultiert

�BTEM =ciω

· ∂∂z

(�ez × �ETEM). (18.10)

Ist �ETEM darstellbar durch�ETEM = �E0 TEM e i(kz−ω t),

so erhalten wir�BTEM =

ciω

ik(�ez × �ETEM) (18.11)

und mit k =√

μ ε · ω/c folgt die Beziehung

�BTEM =√

μ ε (�ez × �ETEM). (18.12)

Zwischen dem elektrischen und dem magnetischen Feld besteht somit der gleicheZusammenhang wie bei der Ausbreitung einer Welle im unbegrenzten Medium.

Die Gleichungen (18.9a) und (18.9b) zeigen, daß �ETEM und �BTEM beide dieLaplace-Gleichung erfüllen. Es ist sogar so, daß �ETEM und �BTEM aus skalarenPotentialen ableitbar sind, die auch wieder die Laplace-Gleichung erfüllen.

Da die Oberfläche des Leiters wegen der als unendlichgroß angenommenen Leitfähigkeit eine Äquipotential-fläche ist, kann die zweidimensionale Wellengleichungnur trivial erfüllt werden, denn im Innern der Oberflächeverschwindet �E. Zur Ausbreitung eines TEM-Feldes istes notwendig, daß innerhalb des Leiters mindestens nocheine zur z-Achse symmetrische Oberfläche geschaffenwird, z. B. zwei konzentrisch kreisförmige Metallzylin-der (Koaxialkabel).

ba

TEM-Wellen können sich nurin Koaxialkabeln ausbreiten.

Koaxialkabel

Beispiel 18.1�

Ein Koaxialkabel kann eine reine TEM-Welle zusätzlich zu den TE- und TM-Wellenübertragen, während in einem rohrförmigen Hohlleiter nur TE- und TM-Wellen transportiertwerden können. Für die TEM-Wellen gelten die Beziehungen:

k =√

μ εωc

, Δ t�ETEM = 0, sowie �BTEM =√

μ ε (�ez × �ETEM).

Anstatt die Wellengleichung für �E zu lösen, leiten wir das elektrische Feld aus einemPotential φ ab. Das geht, weil�∇t × �Et = 0, siehe Gleichung (18.9b), also

�ETEM = (∇tφ ) e− i(ω t−kz).

Nun lösen wir die Wellengleichung für φ :

Δ tφ = 0.

Page 19: I Elektrostatik - bücher.de

� Beispiel 18.1

334 IV Elektrodynamik

x

y

R1R2

ρϕ

Veranschaulichung des Querschnitteseines Koaxialkabels.

In Polarkoordinaten umgeschrieben lautet die Laplace-Glei-chung(

∂2

∂�2 +1�

∂∂�

+1�2

∂2

∂ϕ 2

)φ (�, ϕ ) = 0.

Auf dem inneren und äußeren Leiter ist das Potential jeweilskonstant: φ (R1, ϕ ) = φ1 und φ (R2, ϕ ) = φ2. Da die Randbe-dingungen vom Azimutwinkel ϕ unabhängig sind, ist φ selbstlediglich von � abhängig. Die Wellengleichung vereinfacht sichdaher zu

1�

∂∂�

(�

∂φ∂�

)= 0.

Ihre Lösung ist

φ (�) = A ln � + B,

mit

A =φ1 − φ2

ln R1 − ln R2; B =

φ2 ln R1 − φ1 ln R2

ln R1 − ln R2,

wie man durch Einsetzen leicht beweist.

Die Feldkomponenten der TEM-Wellen lauten in

1. Zylinderkoordinaten

�ETEM(�, ϕ , z, t) =A��e� e− i(ω t−kz);

�BTEM(�, ϕ , z, t) =√

μ εA��eφ e− i(ω t−kz).

2. Kartesischen Koordinaten

�ETEM(x, y, z, t) =A

x2 + y2 (x�ex + y�ey) e− i(ω t−kz);

�BTEM(x, y, z, t) =√

ε μ A

x2 + y2 (−y�ex + x�ey) e− i(ω t−kz).

Der Koeffizient A kann auch mit Hilfe des Maximalwertes eines Feldes �E oder �B auf deminneren oder äußeren Leiter ausgedrückt werden, wodurch die Kenntnis von φ1 und φ2überflüssig wird. Der Koaxialleiter überträgt TEM-Wellen beliebiger Frequenzen mit derGeschwindigkeit des Lichtes im Dielektrikum und eignet sich deshalb als Breitbandkabelzur Übertragung breiter Frequenzbänder.

Falls der innere Leiter entfernt wird (R2 → 0), kann man B aus der Randbedingungφ (R1) = φ1 bestimmen. Das auf diese Weise erhaltene Potential φ (�) = A log(�/R1) + φ1divergiert aber für � = 0. Deshalb muß A Null sein. Das Potential wird konstant, d. h. esgibt keine TEM-Wellen in Hohlleitern.

Die beiden Gleichungen (18.8a) und (18.8b) vereinfachen sich beträchtlich, wenn wir nurTE- oder TM-Wellen betrachten. Wird die z-Abhängigkeit durch den Exponentialfaktor e ikz

gegeben, so werden die beiden Gleichungen für TM-Wellen gegeben durch

�Bt =1

γ 2

(iμ ε

ωc

)(�ez ×�∇t)Ez, �Et =

1γ 2 ik�∇tEz, (1)

Page 20: I Elektrostatik - bücher.de

18 Hohlleiter und Hohlraumresonatoren 335

Beispiel 18.1 �da Bz überall verschwindet. Zur Abkürzung wurde γ 2 = μ ε ·ω 2/c2 −k2 gesetzt. Setzen wir�∇t�Ez aus der zweiten Gleichung in die erste ein, so vereinfacht sich �Bt weiter zu

�Bt =1γ 2

(iμ ε

ωc�ez ×

γ 2

ik�Et

)=

μ ε ωck

(�ez × �Et).

Entsprechend folgt aus den Gleichungen (8a) und (8b) für TE-Wellen:

�Et = − ωck

(�ez × �Bt), �Bt =ikγ 2

�∇tBz, (2)

da die Komponente Ez überall Null ist. Das wichtige Resultat dieser Betrachtungen istalso, daß im Innern eines leitenden Rohres (Hohlleiter) reine Transversalwellen nicht mehrmöglich sind (TM, TE) außer für die speziellen TEM-Wellen. Die TM- und TE-Wellen habenauch longitudinale Komponenten.

Die zweidimensionale Wellengleichung (18.4) gilt für jede der drei skalaren Vektorkompo-nenten, insbesondere für Ez und Bz. Zusammen mit den Randbedingungen bilden sie einEigenwertproblem, nämlich

TM-Wellen: (∇2t + γ 2)Ez(x, y) = 0 Ez|O = 0,

TE-Wellen: (∇2t + γ 2)Bz(x, y) = 0

∂Bz

∂n

∣∣∣∣O

= 0.

Die Konstante γ 2 darf nie negativ werden, weil Ez und Bz Lösungen der Wellengleichungsein müssen und auch den Randbedingungen genügen müssen. Wäre γ 2 negativ, so wäredie Lösung eine Exponentialfunktion mit reellem Exponenten. Diese ist nicht periodischund kann die Randbedingung für positive und negative x, y-Werte nur trivial erfüllen. Zuden positiven Eigenwerten γ 2

λ erhalten wir eine Folge von Bzλ bzw. Ezλ , λ = 1, 2, . . . (dieexplizite Lösung liefert γ als Funktion des Abmessungen des Kabels, siehe Beispiel 18.3).Dann können wir aus (1) und (2) das TM- bzw. TE-Feld berechnen. Aus den Eigenwertenγ 2

λ bekommen wir für eine bestimmte Frequenz ω eine Wellenzahl k in Abhängigkeit vonλ . Aus γ 2

λ = μ ε · ω 2/c2 − k2 folgt

k2λ =

μ εc2

(ω 2 − c2γ 2

λμ ε

), kλ =

√μ εc

√ω 2 −

c2γ 2λ

μ ε.

Wir setzenc2γ 2

λμ ε

= ω 2λ , da dieser Ausdruck die Dimension einer Frequenz hat. Das liefert

kλ =√

μ εc

√ω 2 − ω 2

λ .

z zω<ωλ ω>ωλ

E2

E2

Abklingende und laufende TM- und TE-Wellen.

Die Wellenzahl kλ ist reell für ω ≥ ωλ und imaginär für ω < ωλ . Für imaginäre Wellenzah-len kλ erhalten wir als z-Abhängigkeit eine reelle Exponentialfunktion, d. h., die Welle klingt

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336 IV Elektrodynamik

exponentiell ab: e i(kz−ω t) = e− iω t e−|k|z. Es können sich also nur Wellen der Frequenzω > ωλ im Wellenleiter fortpflanzen; ωλ stellt eine Grenzfrequenz dar. Die Abhängigkeitder Wellenzahl kλ von der Frequenz ist in der Skizze dargestellt. Auf der Abszisse tragenwir sowohl die Grenzfrequenzen ωλ als auch die laufende Frequenz ω , auf der Ordinate

kλ c√μ ε

· 1ω

auf. Es gilt die Beziehung

ω1 ω2 ω3 ω4 ω5ω6 ω

1

kc 1με ω

Abhängigkeit der Grenzfrequenzen ω λvon der Frequenz ω und der Wellen-zahl k.

kλ c√

μ ε· 1

ω=

√ω 2 − ω 2

λ

ω=

√1 −

(ω λω

)2

,

so daß für ω ωλ die linke Seitekλ c√

μ ε· 1

ωgegen 1 strebt.

Aus der Skizze lesen wir ab, daß bei gegebener Frequenz ωmit ω > ω1 nur eine endliche Anzahl von Schwingungsmodensich in dem Wellenleiter ausbreiten können. Die Existenz ei-ner solchen Frequenzschranke ist die Ursache dafür, daß dieErscheinung nur im Hochfrequenzbereich auftritt. Die dazu-gehörige Wellenlänge muß kleiner als λ1 = 2πε/ω1 ≈ a, dieAbmessung des Systems, sein, um durch das Rohr laufen zukönnen (vgl. Beispiel 18.4). Auf dieser Eigenschaft beruht dieHauptanwendung der Hohlleiter als Leiter von Mikrowellenfre-quenzen (Telefon, Sender usw.).

�Beispiel 18.1

Phasen- und Gruppengeschwindigkeit: Betrachten wir das Momentbild einersinusförmigen fortschreitenden Welle, so verstehen wir unter der Wellenlängeλ den Abstand zweier Punkte, die zu jedem Zeitpunkt die gleiche Phase habenund unter der Phasengeschwindigkeit genau die Geschwindigkeit, mit der sichdie Schwingungsphase ausbreitet. Ist T die Schwingungsdauer, so gilt für diePhasengeschwindigkeit

vp =λT

=λ ω2π

=ωk

. (18.13)

In der Natur haben wir es jedoch nie mit monochromatischen Wellen bestimmterFrequenz und Wellenzahl zu tun, denn selbst bei scheinbar monochromatischenLichtquellen handelt es sich um – wenn auch sehr kleine – Frequenzspektren undWellenlängenbereiche.

Solche allgemeineren Wellenbewegungen lassen sich durch Superposition vonharmonischen Wellen beschreiben. Als Wellengruppe definieren wir einen Wellen-zug von endlicher Länge (jeder Sender sendet nur endlich lange; der ausgesandteWellenzug ist endlich). Wellengruppen können sich entweder in periodischer Folgewiederholen oder unperiodisch gestaltet sein.

Page 22: I Elektrostatik - bücher.de

18 Hohlleiter und Hohlraumresonatoren 337

Da in einem Medium mit Dispersion die Phasenge-schwindigkeit von der Frequenz ω abhängt, weil dieDielektrizitätskonstante eine Funktion der Frequenz ist,ε = ε (ω ), sind die Phasengeschwindigkeiten der ver-schiedenen Wellen verschieden. Mit Fortschreiten derWelle ändern sich ständig die Phasendifferenzen, die Ge-stalt der Wellengruppe ändert sich also auch.

Infolge der Dispersion bewegt sich irgendeine Marke desresultierenden Wellenbildes, z. B. der höchste Wellen-berg, nicht mit der durchschnittlichen Phasengeschwin-digkeit der verschiedenen Wellenkomponenten, sondernmit der Gruppengeschwindigkeit

vg =dωdk

. (18.14)

x

Ψ(x,t)

vg

Wellengruppe ohne periodische Wieder-holung. Sie entsteht durch Überlagerungsehr vieler ebener Wellen

ψ (x, t ) =∫

c(k) e i(kx−ω t ) dk(vgl. Bd. 1 Mechanik).

Nur in einem dispersionsfreien Medium ist die Phasengeschwindigkeit vp gleichder Gruppengeschwindigkeit. Bevor wir jedoch den allgemeinen Fall studieren,erläutern wir den Unterschied zwischen Phasen- und Gruppengeschwindigkeit aneinem einfachen Beispiel.

Wir betrachten die Überlagerung zweier Wellen mit gleicher Amplitude undverschiedenen, aber benachbarten Frequenzen ω1, k1 bzw. ω2, k2:

U(x, t) = A(

e i(k1x−ω1t) + e i(k2x−ω2t))

= A e ik1+k2

2 x− iω1+ω2

2 t(

e ik1−k2

2 x− iω1−ω2

2 t + e ik2−k1

2 x− iω2−ω1

2 t)

= 2A cos

(k1 − k2

2x − ω1 − ω2

2t

)e i

k1+k22 x− i

ω1+ω22 t .

v =g

ω −ω ωκ − κ κ

1 2

1 2

dd

ω −ω1 2

2

ω +ω1 2

2k k1 2−

2k k1 2+

2cos( x - t) i( x - t)e

Querschnitt aus einer periodischen Folge von Wellenbergen. Der einzelne Wellenbergbewegt sich mit der Gruppengeschwindigkeit vg.

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338 IV Elektrodynamik

Durch diese Umformung haben wir die Welle in einen mit ω1 − ω2 langsamoszillierenden Amplitudenfaktor und einen mit ω1 + ω2 schnell oszillierendenPhasenfaktor aufgespalten. Die Phase bewegt sich mit der Geschwindigkeit

vp =ω1 + ω2

k1 + k2≈ ω

kfür ω1 ≈ ω2 ≈ ω ,

die Amplitude (Wellengruppe) bewegt sich mit der geringeren Geschwindigkeit

vg =ω1 − ω2

k1 − k2→ dω

dk.

Die Energie einer Welle wird durch die Amplitude bestimmt, die Gruppenge-schwindigkeit gibt somit auch im allgemeinen die Geschwindigkeit des Energie-transports an. Jedoch bedarf das Gebiet anomaler Dispersion einer besonderenBetrachtung (siehe später Kapitel IV.19). Wir merken noch an, daß Gruppen- undPhasengeschwindigkeit und der Begriff des Wellenpaketes im Band 1 der Vorle-sungen (Mechanik 1, Kapitel 32) auf strengere Weise eingeführt und diskutiertworden sind. Die Betrachtungen hier sollten das bereits Bekannte noch einmal insGedächtnis zurückrufen und anschaulich untermauern.

Wellengeschwindigkeit im Hohlleiter

�Beispiel 18.2

Im Hohlleiter gilt für die Wellenzahl einer Schwingungsmode λ die Beziehung

k = kλ =√

μ εc

√ω 2 − ω 2

λ .

Können wir für sehr große Frequenzen ω ωλ das zweite Glied unter der Wurzel vernach-lässigen, so ist

k =√

μ εc

ω ,

und wir erhalten für Phasen- und Gruppengeschwindigkeiten den gleichen Wert

vp =ωλ

=c√μ ε

und vg =dωdk

=c√μ ε

.

Gänzlich andere Verhältnisse liegen vor, wenn diese Vernachlässigung nicht gemacht wer-den darf. Dann gilt für die Phasengeschwindigkeit

vp =ωkλ

=c√μ ε

· 1√1 − ω 2

λω 2

>c√μ ε

;

die Phasengeschwindigkeit ist im Wellenleiter größer als im freien Raum. Für die Gruppen-geschwindigkeit gilt

vg =dωdkλ

=c2kλ

μ ε

√c2

μ εk2

λ + ω 2λ

=c

√μ ε

·

√ω 2 − ω 2

λ

ω.

Page 24: I Elektrostatik - bücher.de

18 Hohlleiter und Hohlraumresonatoren 339

Wenn die Frequenz ω einer Schwingungsmode λ gegen deren Grenzfrequenz ωλ geht, dannwird die zugehörige Phasengeschwindigkeit unendlich, die Gruppengeschwindigkeit wirdNull (kλ = 0). Die Welle kann sich im Hohlleiter nicht mehr ausbreiten. Es ist offensichtlichimmer

vp · vg =c2

μ ε= c′2.

Beispiel 18.2�

Rechteckiger Hohlleiter

Beispiel 18.3�

Wir betrachten einen Hohlleiter mit rechteckigem Querschnitt.Die Lage des Koordinatensystems und die Dimensionen sindin der Skizze gegeben. Die Oberfläche des Hohlleiters wird alsideal leitend angenommen. Dann gelten die Randbedingungen

�n ·�B = 0 und �n × �E = 0, (1)

wenn �n der Normaleneinheitsvektor auf der Oberfläche desLeiters ist. Schreiben wir die Bedingung (1) explizit auf, sobedeutet das

Ey = Ez = Bx = 0 für x = 0, a undEx = Ez = By = 0 für y = 0, b.

(2)

Für die Feldstärken setzen wir eine in z-Richtung fortschreiten-de Welle an:

�E(x, y, z, t) = �E(x, y) e i(kz−ω t),

�B(x, y, z, t) = �B(x, y) e i(kz−ω t).(3)

Gehen wir mit diesem Ansatz in die Wellengleichung

0

λ

λ

y

x

z

b

a

E

2

Veranschaulichung eines rechteckigenHohlleiters.(

Δ − 1c2

∂2

∂t2

)�C = 0

ein, so erhalten wir(∂2

∂x2 +∂2

∂y2

)�C +

(ω 2

c2 − k2)

�C = 0, (4)

wobei �C stellvertretend für �E und �B steht.

Außer der Wellengleichung (4) müssen die Feldstärken noch die Maxwellgleichungenerfüllen:

div�E = 0, rot�B =1c· ∂

∂t�E = − iω

c�E,

div�B = 0, rot�E = −1c· ∂

∂t�B =

iωc

�B.

(5)

Für die Amplituden �E(x, y) und �B(x, y) aus (3) machen wir folgenden Ansatz, der dieRandbedingungen erfüllt:

Ex = α cosmπa

x sinnπb

y, Bx = α ′ sinmπa

x cosnπb

y,

Ey = β sinmπa

x cosnπb

y, By = β ′ cosmπa

x sinnπb

y, (6)

Ez = γ sinmπa

x sinnπb

y, Bz = γ ′ cosmπa

x cosnπb

y.

Page 25: I Elektrostatik - bücher.de

� Beispiel 18.3

340 IV Elektrodynamik

Die gesamte Welle ergibt sich dann durch Multiplikation mit dem Phasenfaktor e i(kz−ω t).Die spezielle Art des Ansatzes wird sofort beim Einsetzen in eine der Maxwellgleichungenklar. Wir erhalten dann Beziehungen zwischen den Konstanten des Ansatzes.

Das Einsetzen in die Wellengleichung (4) ergibt die Beziehung(mπa

)2+

(nπb

)2+ k2 =

ω 2

c2 . (7)

Offensichtlich gibt es nur einen reellen Wert für k, wenn die Frequenz ω größer ist als eineGrenzfrequenz ωg, wobei gilt:

ωg = ωmn = c

√(mπa

)2+

(nπb

)2.

Nach Definition liegt eine TE-Welle vor, wenn Ez = 0, also in Gleichung (6) γ = 0. TM-

Wellen (Bz = 0) erhält man für γ ′ = 0. Aus�∇ ×�E = iω/c ·�B und�∇ ×�B = − iω /c ·�E findetman für die Beziehungen zwischen den Vorfaktoren in Gleichung (6):

iωc

α ′ = γnπb

− ikβ

iωc

β ′ = α ik − γmπa

iωc

γ ′ = βmπa

− αnπb

(8)

und

− iωc

α = γ ′ nπb

− β ′ ik

− iωc

β = α ′ ik + γ ′ mπa

− iωc

γ = −β ′ mπa

+ α ′ nπb

.

(9)

Für TE-Wellen gilt (γ = 0):

β ′ mπa

= α ′ nπb

⇒ α ′ ∼ mn

und β ′ ∼ nm

(10)

sowieωc

α ′ = −kβ β ∼ mn

,

⇒ωc

β ′ = α k α ∼ nm

.

(11)

Für TM-Wellen (γ ′ = 0) analog:

βmπa

= αnπb

⇒β ∼ n

m

α ∼ mn

,

(12)

sowie

β ′ ∼ mn

und α ′ ∼ nm

, (13)

Page 26: I Elektrostatik - bücher.de

18 Hohlleiter und Hohlraumresonatoren 341

also gerade umgekehrt wie für TE-Wellen. Nichttriviale TM-Wellen ergeben sich nachGleichung (6) und (12), (13) nur, wenn m �= 0 und n �= 0 sind. Die TM-Welle mit derniedrigsten Frequenz ist

ω TM11 = c

√π2

a2 +π2

b2 . (14)

Die nichtverschwindende TE-Welle mit der niedrigsten Frequenz (o. B. d. A. a > b) erhaltenwir analog aus Gleichungen (6), (10) und (11), falls entweder n = 0, m �= 0 oder m = 0,n �= 0:

ω10 =cπa

.

Sie ist kleiner als die Grenzfrequenz der TM-Welle. Die zugehörige Wellenlänge istλ10 = 2πc/ω10 = 2a. Wir betrachten weiterhin die Grundwelle des TE-Typs ω10. Für daselektrische Feld gilt dann

Ex = Ez = 0 und Ey = β sinπxa

e i(kz−ω t).

Stellen wir den Sinus durch die Exponentialfunktion dar, so läßt sich die y-Komponente alsÜberlagerung zweier Wellen schreiben:

Ey =β2 i

[e

i(

kz+ πa x−ω t

)− e

i(

kz− πa x−ω t

)].

Der Faktor i gibt eine Phasenverschiebung um π/2 an.

Die Grundwelle erscheint somit als Überlagerung zweier Wellen, deren Wellennormalen inder x, z-Ebene liegen. Der Winkel ε zwischen ihnen und der x-Richtung ist gegeben durch

cos ε = ∓πa· 1√(π

a

)2+ k2

.

Wenn wir die Grenzfrequenz ωg einführen, so daß ω 2/c2 = k2 + ω 2g/c2, wobei gemäß (7)

ω 2g = c2

[(mπa

)2+

(nπb

)2]

und daher kc =√

ω 2 − ω 2g gilt für m = 1, n = 0, so folgt

cos ε = −ωg

ω

für die erste und

cos ε = +ωg

ω

für die zweite der beiden auftretenden Wellen. Das ganze Feld�E können wir uns daher entstanden denken durch fortgesetzteReflexion einer ebenen unter dem Winkel ε auftreffenden Wellean den Flächen x = 0 und x = a. Für die Phasengeschwindigkeitvp folgt

vp =ωk

1c

√ω 2 − ω 2

g

=c√

1 −(ωg

ω

)2

=c√

1 − cos2 ε=

csin ε

.

z

xa0

kvpεεε

Die TE-Welle im rechteckigen Hohlleiterkann als ebene Welle mit fortgesetztenReflexionen an den Wänden aufgefaßtwerden.

Sie ist gleich der Schnittgeschwindigkeit der Wellenebene mit der Ebene x = 0.Beispiel 18.3�

Page 27: I Elektrostatik - bücher.de

342 IV Elektrodynamik

Hohlraumresonatoren: Als Hohlraumresonator kann im Grunde jeder geschlos-sene Hohlkörper mit leitender Oberfläche dienen. Wir beschränken uns hier aufzylinderförmige Hohlräume. Diese können wir uns entstanden denken aus zylindri-schen Hohlleitern, die durch leitende ebene Flächen senkrecht zur Achse an beidenEnden verschlossen wurden. Der Hohlraum wird durch die beiden Konstantenε und μ beschrieben. Da elektromagnetische Wellen an den beiden Endflächenreflektiert werden, kommt es zur Ausbildung von stehenden Wellen in Richtungder Achse (alle anderen Wellen verschwinden aufgrund destruktiver Interferenz).Für TM-Wellen machen wir deshalb den folgenden Ansatz für den longitudinalenAnteil:

�Ez = ψ (x, y)(A sin kz + B cos kz)�ez, �Bz = 0.

Anmerkung: Es wäre auch der Ansatz �Ez = ψ (x, y) · (A e ikz + B e− ikz)�ez möglich.Dies führt aber nur zu einer Redefinition der Konstanten A und B.

Der transversale Anteil ergibt sich daraus nach den Gleichungen (18.8a) und(18.8b) zu

�Et =kγ 2

�∇tψ (x, y)(A cos kz − B sin kz),

�Bt =1γ 2

iμ εωc�ez ×�∇tψ (x, y)(A sin kz + B cos kz).

Der Zylinder soll die Höhe d haben; wir legen die z-Achse so, daß die Stirnflächenbei z = 0 und z = d liegen, dann gelten die Randbedingungen

�Et(z = 0) = 0 und somit A = 0.

Aus �Et(z = d) = 0 folgt für nichttriviale Lösungen die Beziehung

sin kd = 0,

die uns eine Bedingung für die Wellenzahl k liefert:

k =lπd

, l = 0, 1, 2, . . . .

Mit diesen Beziehungen erhalten wir dann für die Amplituden die Gleichungen

�Ez = Bψ (x, y) cos(

lπzd

)�ez, �Et = −B

lπdγ 2

sin(

lπzd

)�∇tψ (x, y),

�Bz = 0, �Bt = Biμ ε ωγ 2c

cos(

lπzd

)�ez ×�∇tψ (x, y).

(18.15)

Für die TE-Wellen machen wir für den longitudinalen Anteil des Magnetfeldesden analogen Ansatz einer stehenden Welle in Richtung der Zylinderachse. Da diez-Komponente von �B ohne Steigung durch die Stirnfläche geht und außerhalb dasFeld verschwindet, gilt jetzt

�Bz(z = 0) = �Bz(z = d) = 0.

Page 28: I Elektrostatik - bücher.de

18 Hohlleiter und Hohlraumresonatoren 343

Wir erhalten so entsprechend zu den obigen Überlegungen nun die Amplituden derTE-Wellen:

�Ez = 0, �Et = −Aiωcγ 2

sin(

lπzd

)�ez ×�∇tψ (x, y),

�Bz = Aψ (x, y) sin(

lπzd

)·�ez, �Bt = A

lπdγ 2

cos(

lπzd

)�∇tψ (x, y).

(18.16)

Die nur von x und y abhängige skalare Funktion ψ (x, y) ergibt sich für beideSchwingungsmoden aus der Wellengleichung (18.4)

(Δ t + γ 2)ψ (x, y) = 0

unter der Randbedingung, daß ψ (für �E) bzw. ∂ψ/∂n (für �B) auf der Oberflächedes Resonators verschwindet.

Drücken wir die Konstante γ 2 durch Frequenz und Wellenzahl aus, so folgt

γ 2 = ε μω 2

c2−

(lπd

)2

.

Durch die Randbedingungen für die Lösungen des ψ -Anteils erhalten wir Glei-chungen der Art

sin γ x′ = 0,

wenn x′ auf der Oberfläche des Hohlleiters liegt. Dies liefert eine Abhängigkeitvon γ 2 von einem Parameter λ

γ 2λ = ε μ

ω 2λ

c2−

(lπd

)2

. (18.17)

Lösen wir nach der Eigenfrequenz (Resonanzfrequenz) auf, so erhalten wir

ωλ =c

√μ ε

√γ 2

λ +(

lπd

)2

. (18.18)

Die Resonanzfrequenzen des Hohlraumresonators können also durch Verschiebender Stirnflächen (Abstand d) verändert werden.

Zylindrischer Hohlraumresonator

Beispiel 18.4�

Wir betrachten einen Hohlraumresonator wie er in der Skizze gegeben ist. Wegen derZylindersymmetrie des Problems führen wir Zylinderkoordinaten ein, so daß die gesuchteFunktion ψ (x, y) eine Funktion von � und φ wird. Wegen der Rotationssymmetrie läßt sichdie Differentialgleichung separieren, und für ψ (�, φ ) folgt:

ψ (�, φ ) = ψ (�) · e imφ , m = 0, 1, . . . . (1)

Dadurch nimmt die zweidimensionale Wellengleichung für ψ(∇2

t + γ 2)

ψ = 0 (2)

Page 29: I Elektrostatik - bücher.de

� Beispiel 18.4

344 IV Elektrodynamik

z

y

d

x

R

Zylindrischer Hohlraumresonator.

in Zylinderkoordinaten die Form an(∂2

∂�2 +1�

∂∂�

+ γ 2 − m2

�2

)ψ (�) = 0.

Dies ist die Besselsche Differentialgleichung (vgl. die Vorl.über Mechanik II, Kapitel 10). Als Lösung finden wir somit fürden Radialteil Besselfunktionen. Die gesamte Wellenfunktionlautet dann

ψ (�, φ ) = Jm(γm · �) · e imφ .

Die Besselfunktionen haben wir schon im Bereich der Mecha-nik bei der Behandlung der Membranschwingungen kennenge-lernt.

Für TM-Wellen folgt aus den Gleichungen (18.15) für das elektrische Feld

Ez = B · Jm(γm · �) · e imφ coslπzd

.

Die Randbedingung Ez(� = R) liefert eine weitere Bedingung für γm:

Jm(γm · R) = 0.

Die γm erhalten also noch einen weiteren Index n, der die Nullstelle der Besselfunktionangibt. Ist xmn die n-te Nullstelle der Besselfunktion Jm, so gilt dann

γm ⇒ γmn =xmn

R.

Dadurch ist Ez jetzt vollständig bestimmt. In Gleichung (2) eingesetzt, ergibt das für dieResonanzfrequenzen:

ωmnl =c

√μ ε

√γ 2

mn +(

πld

)2

=c

√μ ε

√x2

mn

R2 +π2l2

d2 .

Die tiefste Frequenz bekommen wir für m = 0, n = 1, l = 0 (mit x01 = 2,4). Sie ist

ω010 =2,4√

μ ε· c

R.

Sie ist also unabhängig von der Höhe des Zylinders; ein Abstimmen durch die Veränderungvon d ist deshalb nicht möglich. Mit der Zeitabhängigkeit von e iω t ergibt sich für diezugehörige TM010-Welle:

�Ez = B · J0

(2,4�

R

)· e iω t�ez, �Bt =

iμ ε · ω010

c · γ 2010

B ·�ez ×�∇tJ0

(2,4�

R

)· e iω t .

In Zylinderkoordinaten gilt für den transversalen Gradienten

�∇t =∂

∂��e� +

∂∂φ

�eφ .

Da J0(γ010 · �) nur von � abhängt, hat�∇tJ0(γ010 · �) nur eine Komponente in�eφ -Richtung,steht also senkrecht zur z-Achse, d. h.�ez × J0(γ010 · �) zeigt in�eφ -Richtung. Somit erhaltenwir

�Bt = �Bφ =iμ ε ω010

cγ 2010

B∂

∂�J0 (γ010 · �) · e iω t�eφ .

Page 30: I Elektrostatik - bücher.de

18 Hohlleiter und Hohlraumresonatoren 345

Zwischen den Besselfunktionen bestehen folgende Beziehungen, die wir hier ohne Beweisangeben:

Jm−1(x) − Jm+1(x) = 2dJm(x)

dxund J−m(x) = (−1)mJm(x).

Für m = 0 folgt daraus

ddx

J0(x) = −J1(x).

Verwenden wir diese Beziehung für die Ableitung der Besselfunktion in �Bφ , so erhalten wirfür das magnetische Feld

�Bφ = − i√

μ ε BJ1(γ010 · �) · e iω t�eφ .

Gehen wir von Gleichung (18.16) aus, so ergibt sich für TE-Wellen entsprechend

Bz = A · Jm(γmn · �) · e imφ · sinlπzd

. (3)

Aus∂Bz

∂n(� = R) =

∂Bz

∂�(� = R) = 0 folgt

∂∂�

Jm(γmn · �)

∣∣∣∣�=R

= 0,

was gleichbedeutend ist mit

∂∂(γmn · �)

Jm(γmn · �)|�=R = 0.

Die γmn werden jetzt also durch die Nullstellen der Ableitung der Besselfunktionen festge-legt. Setzen wir (3) in (2) ein, so finden wir für die Resonanzfrequenzen:

ωmnl =c√μ ε

√γ 2

mn

R2 +l2π2

d2 .

Nach Voraussetzung sei Bz �= 0, womit wir für die tiefste Frequenz (mit J ′1(x11) = 0,x11 = 1,8) erhalten

ω111 =1,8√

μ ε· c

R

√1 + 2,9

R2

d2 .

Berücksichtigen wir die Zeitabhängigkeit e iω t von �B, so ergibt sich für die TE111-Welle

Bz = A · J1(γ111�) sin(πz

d

)· e i(ω t+φ ).

Im Gegensatz zur Grundfrequenz des TM-Modes kann die TE111-Welle durch Veränderungder Zylinderhöhe d abgestimmt werden. Für große Werte von d liegt ω111 unter der Frequenzω010 des TM-Modes und stellt somit die Grundfrequenz des Hohlraumresonators dar.

Beispiel 18.4�

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346 IV Elektrodynamik

Der Freie-Elektronen-Laser�

Beispiel 18.5

Laser ist die Abkürzung für Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation; Licht-verstärkung durch induzierte Strahlungsemission. Die bekannten konventionellen Lichtquel-len, also thermische Strahler und Gasentladungslampen, senden ein breites, regelloses Fre-quenzgemisch aus; zwischen verschiedenen räumlichen Punkten des elektromagnetischenStrahlungsfeldes besteht keine Phasenkorrelation. Diese Strahlung wird als polychromatischund inkohärent bezeichnet. Erst mit Hilfe von Lasern wurde es möglich, ein Strahlungsfeldhoher Monochromasie und Kohärenz zu erzeugen. Eigentlich beruht das Wirkungsprinzipdes Lasers auf rein quantenmechanischen Vorgängen der Wechselwirkung des Strahlungs-feldes mit der Materie. Bei den meisten Lasern benutzt man die Tatsache, daß Atome, Ionenund Moleküle in verschiedenen Energiezuständen existieren können. Als einfaches Beispielsei angenommen, daß zwei Energiezustände 1 und 2 existieren. Die ihnen zugeordnetenEnergieniveaus sind E1 und E2, wobei E1 < E2 ist. Erfolgt ein Übergang von Niveau 1nach 2, so wird Strahlung der der Energiedifferenz entsprechenden Wellenlänge absorbiert;erfolgt der Übergang von Niveau 2 nach 1, so findet Emission statt. Der Übergang vomhöhergelegenen Niveau zum niedrigeren findet im allgemeinen spontan statt. Dieser Strah-lungsvorgang ist statistischer Art, entsprechend ist das emittierte Licht inkohärent. Wirdaber ein Übergang von einem höheren zu einem niedrigeren Niveau erzwungen, so sprichtman von induzierter oder stimulierter Emission. Die Strahlung ist darin monochromatischund kohärent. Das ist der Vorgang, der für den Laser von grundsätzlicher Bedeutung ist.Um die Funktionsweise der herkömmlichen Laser zu verstehen, ist eine Kenntnis derQuantenmechanik unerläßlich.

Ebeneelektro-magnetischeWelle

Elektronenstrahl Magnetfeld Bw

Verstärkteelektro-magnetischeWelle

Schematisches Bild des Freie-Elektronen-Lasers.

Dies ist anders bei dem Freie-Elektronen-Laser. Dessen Wirkungsweise kann schon imRahmen der klassischen Elektrodynamik verstanden werden und soll in diesem Beispieldargestellt werden. Seine Wirkungsweise unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von derWirkungsweise anderer Laser. Wie andere Laser beruht er auf dem Prinzip der Lichtver-stärkung durch stimulierte Emission, die stimulierte Emission erfolgt aber nicht durch denÜbergang zwischen gebundenen Elektronenzuständen definierter Energie. Das prinzipielleSchema des Freie-Elektronen-Lasers ist in der Figur dargestellt. Eine elektromagnetischeebene Welle trifft zusammen mit einem Strahl freier Elektronen auf ein magnetischesFeld. Die Wechselwirkung eines geeigneten Magnetfeldes mit den Elektronen kann dazuführen, daß die Elektronen ihre Energie in kohärenter Weise an die elektromagnetischeWelle abgeben und so zu einer Verstärkung derselben führen. Geeignet ist ein „wiggle“-Feld. Das in der Figur eingezeichnete „Wackel“-Feld ist ein statisches magnetisches Feld,das periodisch im Raum variiert. Die räumliche Periode bezeichnen wir mit λw. Dieeingezeichneten Pfeile bezeichnen die Richtung des linearen transversalen Magnetfeldes

�Bw = Bw cos2πzλw

�ex, (1)

Page 32: I Elektrostatik - bücher.de

18 Hohlleiter und Hohlraumresonatoren 347

Beispiel 18.5 �an Punkten im Abstand λw/2 gemessen in z-Richtung. Statt eines solchen Feldes könnenwir auch ein komplizierteres benutzen, das periodisch in x- und y-Richtung variiert:

�Bw = Bw

(cos

2πzλw

�ex + sin2πzλw

�ey

). (2)

Das �Bw-Feld übt eine Kraft auf ein Elektron aus

�Fw =ec�v × �Bw. (3)

Da �Fw · �v = 0 identisch Null ist, verrichtet das �Bw-Feld keine Arbeit an dem Elektron.Es induziert aber eine Oszillation des Elektrons transversal zur z-Richtung. Solch einoszillierendes Elektron erzeugt Synchrotron-Strahlung. Wichtig ist nun, daß das elektrischeFeld der von außen angelegten elektromagnetischen Welle Energie mit dem oszillierendenElektron austauschen kann. Hier gilt �FE ·�v = e�E ·�v �= 0. Dieser Energieübertrag ist es,den man benutzt, um die elektromagnetische Welle, die sich entlang des Elektronenstrahlsbewegt, zu verstärken.

Wir wollen nun die Kräfte, die auf ein Elektron der Geschwindigkeit

�v = vx�ex + vy�ey + vz�ez (4)

wirken, etwas genauer untersuchen. Dabei bewegt sich das Elektron mit einer longitudinalenGeschwindigkeit vz ≈ c, die in etwa gleich der Lichtgeschwindigkeit ist. Setzen wir diesin Gleichung (3) ein und benutzen dabei das �Bw-Feld (2), so erhalten wir die folgendenNewtonschen Bewegungsgleichungen

vx = − em0

Bw sin

(2πctλw

), vy =

em0

Bw cos

(2πctλw

). (5)

Wir haben dabei vz ≈ c benutzt und vzt ≈ ct für die z-Koordinate des Elektrons geschrieben.Integrieren wir diese Gleichungen, so erhalten wir

vx = Kc cos

(2πzλw

), vy = Kc sin

(2πzλw

). (6)

Hierbei haben wir den dimensionslosen „wiggle“-Parameter K

K =eBwλw

2πm0c2 (7)

eingeführt. Nun sind diese klassischen Bewegungsgleichungen für relativistische Elektronenso nicht richtig. Wir korrigieren sie, indem wir die Geschwindigkeitsabhängigkeit derMasse des Elektrons berücksichtigen. Für ein Teilchen der Geschwindigkeit v ist die Massegegeben durch

m =m0√

1 − v2

c2

= γ m0. (8)

m0 ist die Ruhemasse des Teilchens. Wir setzen dies in Gleichung (5) ein, was zu einerErsetzung von K in Gleichung (6) durch K/γ führt:

vx =Kcγ

cos

(2πzλw

), vy =

Kcγ

sin

(2πzλw

). (9)

Page 33: I Elektrostatik - bücher.de

� Beispiel 18.5

348 IV Elektrodynamik

Benutzen wir nun die Definition von γ in Gleichung (8), so erhalten wir

v2z =�v2 − v2

x − v2y = c2 γ 2 − 1

γ 2 − v2x − v2

y (10)

= c2 γ 2 − 1γ 2 − K2c2

γ 2 = c2(

1 − 1 + K2

γ 2

).

Dabei benutzten wir Gleichung (9). Für v ≈ c ist γ groß und wir können schreiben

vz = c

(1 − 1 + K2

γ 2

)1/2

≈ c

(1 − 1 + K2

2γ 2

), (11)

wenn K nicht zu groß ist. Dies ist erfüllt, aufgrund der Vorgabe, daß vx und vy klein gegen

vz ≈ c sind. Das �Bw-Feld ist nun üblicherweise stark genug gewählt, um die Trajektorie desElektrons zu bestimmen, im Gegensatz zu dem elektromagnetischen Feld der einlaufendenebenen Welle. Das �Bw-Feld tauscht zwar keine Energie mit dem Elektron aus, aber indemes dessen Trajektorie bestimmt, bestimmt es auch den Energieaustausch zwischen Elektronund elektromagnetischer Welle.

Das elektrische Feld der Welle schreiben wir in der Form

�E = E0

[sin

(2πzλ

− ω t + φ0

)�ex + cos

(2πzλ

− ω t + φ0

)�ey

]. (12)

Diese Darstellung ist zur Kombination mit dem�Bw-Feld am geeignetsten. Die Form des �Bw-Feldes bestimmt die Polarisation der abgegebenen Strahlung. Linear transversale �Bw-Felderführen zu linearer Polarisation, helix-förmige �Bw-Felder wie (2) zu zirkularer Polarisation.Die Leistung, die die ebene Welle an einem Elektron der Geschwindigkeit �v verrichtet, istdann:

W = e�E ·�v (13)

= eE0Kcγ

[cos

(2πzλ

)sin

(2πzλ

− ω t + φ0

)

+ sin

(2πzλ

)cos

(2πzλ

− ω t + φ0

)]

= eE0Kcγ

sin

[2π

(1λ

+1

λw

)z − ω t + φ0

]

= eE0Kcγ

sin φ

mit

φ = 2π(

+1

λw

)z − ω t + φ0 (14)

Gemäß der Einsteinschen Formel E = mc2 = γ m0c2 können wir (13) auch schreiben als

W = γ m0c2 = eE0Kcγ

sin φ (15)

oder

γ = eE0K

γ m0csin φ . (16)

Page 34: I Elektrostatik - bücher.de

18 Hohlleiter und Hohlraumresonatoren 349

Beispiel 18.5 �Benutzen wir z = vz, wobei vz durch (11) gegeben ist, können wir auch eine Gleichung fürdie Phasenänderung angeben, wie sie von dem sich bewegenden Elektron gesehen wird.

φ = 2π(

+1

λw

)vz − ω

= 2πc

(1λ

+1

λw

)(1 − 1 + K2

2γ 2

)− 2πc

γ(17)

=2πcλw

[1 −

(1 +

λw

λ

)1 + K2

2γ 2

]Im Freie-Elektronen-Laser ist die Anregungsperiode λw in der Größenordnung von cm,während die Wellenlänge der elektromagnetischen Welle λ viel kleiner ist. Also giltλw/λ 1 und somit

φ ≈ 2πcλw

(1 − λw

λ· 1 + K2

2γ 2

). (18)

φ ist konstant (φ = 0) für den Wert der Elektronenenergie γ m0c2, so daß

γ 2 = γ 2R =

λw

2λ(1 + K2). (19)

γR definiert die Elektronen-Resonanz-Energie. Dies können wir in der folgenden Weiseverstehen. Wenn das Elektron in Richtung der z-Achse eine Strecke Δz in der Zeit Δt =Δz/vz fliegt, dann sieht es eine Änderung der Phase des Feldes (12). Diese PhasenänderungΔΦ ist gegeben durch

ΔΦ = ω(

Δt − Δzc

)=

2πcλ

Δz

(1vz

− 1c

)

=2πλ

Δz

(cvz

− 1

)(20)

≈ 2πλ

Δz1 + K2

2γ 2 .

Dabei haben wir (11) mit vz ≈ c benutzt. Speziell gilt ΔΦ = 2π, wenn Δz = λw und γ 2 = γ 2R

ist. Das heißt, für ein Elektron mit der Resonanzenergie ist die Periode des elektromagneti-schen Feldes und die Periode des anregenden �Bw-Felds gleich. Nach Gleichung (20) hängtdie Resonanzenergie von der Periode λw und der Strke �Bw des Magnetfeldes ab. Wir habennun zwei gekoppelte Gleichungen (16) und (18) für γ und φ :

γ = eE0Kc

γ m0csin φ , φ =

2πcλw

(1 − γ 2

R

γ 2

). (21)

Diese Gleichungen beschreiben ein einzelnes Elektron im Feld des anregenden Magnetenund im Feld der monochromatischen ebenen elektromagnetischen Welle. Aus diesen Glei-chungen geht hervor, daß ein Elektron Energie der elektromagnetischen Welle aufnehmen(φ > 0) oder an diese abgeben (φ < 0) kann. Ein Energiegewinn der Elektronen entsprichtder Absorption der elektromagnetischen Welle, die Energieabgabe der Elektronen der stimu-lierten Emission. Man könnte annehmen, daß ein Elektronenpuls, der in die Anregungszoneinjiziert wird, eine gleichmäßige Verteilung von φ -Werten aufweist, und so der mittlere Wertdes sin φ ungefähr Null ist und Absorption und Emission sich im Mittel die Waage halten.Dies ist aber nicht so. Aus Gleichung (11) und Gleichung (19) erhalten wir

Page 35: I Elektrostatik - bücher.de

350 IV Elektrodynamik

vz ≈ c

(1 − λ γ 2

R

λwγ 2

)(22)

und damit

vz ≈2cλ γ 2

R

λwγ 3 γ . (23)

Das heißt, ein Elektron wird in longitudinaler Richtung beschleunigt oder abgebremst, jenachdem ob es Energie aufnimmt (φ > 0) oder abgibt (φ < 0). Damit führt der Ener-gieaustausch mit der elektromagnetischen Welle nicht nur zur Veränderung der Elektro-nenenergie, sondern auch zur einer Neuanordnung der räumlichen Elektronenverteilungentlang der z-Achse, wobei die schnelleren Elektronen die langsameren einholen. Auf dermakroskopischen Skala bleiben die Elektronen gleichverteilt, aber der Bündelungsprozessauf mikroskopischer Skala kann zu einem Nettoenergiegewinn der Strahlung, also zustimulierter Emission statt Absorption führen. Welcher Prozess nun eintritt, hängt von derVerteilung der Elektronenenergien ab. Eine detailliertere Analyse führt zu den folgendendrei Punkten:a) Emission tritt auf, wenn die Elektronenenergie so gewählt ist, daß γ > γR, Absorption

tritt auf, wenn γ < γR gilt.b) Die maximale Emission tritt auf, wenn für die Elektronenenergie γ ≈ (1 + 0,2/Nw)γR

gilt. Nw ist die Anzahl der Perioden des anregenden �Bw-Felds.c) Die Emission ist sehr klein, es sei denn der Elektronenpuls hat eine sehr scharfe

Energieverteilung.

Der diskutierte Prozess der stimulierten Emission im Freie-Elektronen-Laser ist ein klassi-scher Prozess. Stimulierte Emission läßt sich aus rein klassischen Gleichungen ableiten. Sieist aber prinzipiell verschieden von der stimulierten Emission im herkömmlichen Laser, beidem feste Energieniveaus in Atomen oder Molekülen be- und entvölkert werden. Deswegenist der hier besprochene Lasertyp auch nicht an bestimmte Frequenzen gebunden, sondernläßt sich für einen weiten Frequenzbereich abstimmen. Die Gleichung (19) definiert fürjede Wellenlänge λ eine resonante Elektronenenergie, in deren Näehe Emission auftretenkann. Da die Resonanzenergie ebenso von den Charakteristiken des �Bw-Feldes, also derGröße der Feldstärke und deren Periode λw abhängt, kann die Abstimmung auf einebestimmte Wellenlänge entweder durch Variation der �Bw-Feld-Parameter oder aber derElektronenenergie erreicht werden. Damit ist es möglich, daß Freie-Elektronen-Laser ineinem Wellenlängenbereich von mm bis 10−8 cm eingesetzt werden können.

�Beispiel 18.5

19 Lichtwellen

Bei Lichtwellen gilt

ω (k) =c · kn(k)

oder k(ω ) = n(ω )ωc

, (19.1)

wobei c die Vakuumlichtgeschwindigkeit und n(k) (n(ω )) der Brechungsindexdes betreffenden Mediums ist. Wir erhalten dann als Phasengeschwindigkeit nachGleichung (18.3)

vp =ω (k)

k=

cn(k)

oder vP =ω

k(ω )=

cn(ω )

.

Page 36: I Elektrostatik - bücher.de

428 IV Elektrodynamik

Damit gilt:

〈 dkdω

〉 =I20

2πc

⎡⎣cos

(mπ2

cos θ)− cos

(mπ2

)sin θ

⎤⎦

2

. (24)

Für ungerade m ergibt sich dann eine relativ einfache Winkelverteilung.

〈 dEdω

〉 =I20

2πc

⎡⎣cos

(mπ2

cos θ)

sin θ

⎤⎦

2

m = 1, 3, 5, 7, . . . (25)

〈 dEdω

〉 =2I2

0πc

⎡⎣cos4

(π2

cos θ)

sin2 θ

⎤⎦

2

m = 2 (26)

In der folgenden Figur sind die drei niedrigsten Strahlungscharakteristiken m = 1, 2, 3angegeben.

mr

0

(a) = 1m (b) = 2m (c) = 3m

Strahlungscharakteristiken für verschiedene Werte von m.

Die intensive Strahlungskeule ist stets die der Antenne am nächsten gelegene. Für m → ∞fällt diese mit der Antenne zusammen. Für einen unendlich langen Leiter kann somitelektromagnetische Energie entlang des Leiters propagiert werden; es wird aber keineStrahlung in den leeren Raum emittiert.

Man sieht, daß m = 1 der der Dipolstrahlung entsprechende Anteil ist, m = 2 zum Quadropolkorrespondierend und m = 3 der Oktopolstrahlung ähnelt. Trotzdem ist die durchgeführteRechnung exakt in dem Sinne, daß keine Multipolentwichlung des Strahlungsfeldes durch-geführt wurde.

�Aufgabe 21.8

22 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik

In diesem drittletzten Kapitel wollen wir noch einen Ausblick auf die Behandlungder Elektrodynamik in der Relativitätstheorie geben. Dazu geben wir noch kurzeine Wiederholung des relativistischen Formalismus an, wie wir ihn schon im BandMechanik I kennengelernt haben.

Page 37: I Elektrostatik - bücher.de

22 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik 429

Wir benutzen die Konvention, daß über doppelt auftretende Indizes summiert wird;die lateinischen Indizes i, j, k, . . . können die Werte 1 bis 3 annehmen; griechischeIndizes λ , μ , ν , . . . laufen von 1 bis 4.

Die Lorentz-Transformation: In den Vorlesungen über Mechanik I wurdeder vierdimensionale Minkowski-Raum der Punkte (xμ ) = (x1, x2, x3, x4) =(x1, x2, x3, ict) = (�x, ict) eingeführt. Beim Übergang zwischen zwei gleichförmiggegeneinander bewegten Koordinatensystemen K(xμ ) und K ′(x′μ ) transformierensich die Komponenten des Ortsvektors im Minkowski-Raum gemäß einerLorentz-Transformation. Sie ist linear und homogen und kann durch eineTransformationsmatrix C = (cμ ν ) beschrieben werden,

x′μ =4

∑ν=1

cμ ν xν = cμ ν xν . 1) (22.1)

Wir betrachten wieder den speziellen Fall zweier Koordinatensysteme, derenAchsen parallel sind. Der Ursprung von K ′ soll sich mit der Geschwindigkeit ventlang der x3-Achse bewegen.

Mit den Abkürzungen β = v/c und γ = 1/√

1 − β 2 gilt dann für die Transforma-tionsmatrix

C = (cμ ν ) =

⎛⎜⎜⎝

1 0 0 00 1 0 00 0 γ iγ β0 0 − iγ β γ

⎞⎟⎟⎠ . (22.2)

x2 x2

x2

x2

x3

x3

x3

x3

x4x4

x4

x4

v

''

'

''

''

D2CD1

''' '''

''' '

'

'

c

x4

Die allgemeine Lorentz-Transformation ˆC läßt sich aus der speziellen Lorentz-Transformation C und den Raumdrehungen D1 und D2 aufbauen.

Es ist geometrisch einzusehen, daß sich aus einem solchen Spezialfall mit-tels zweier räumlicher Drehungen sämtliche Transformationen der (homogenen)Lorentz-Gruppe erhalten lassen: Eine erste Raumdrehung D1 dreht die neue x′′3 -Achse in Richtung der Translationsgeschwindigkeit v, so daß nun die Lorentz-Transformation angewendet werden kann (Drehung in der x′′3 , x′′4 -Ebene). Sie sorgt

1) Im letzten Schritt haben wir wieder die Einsteinsche Summenkonvention benutzt: Über gleicheIndizes wird summiert; in diesem Fall wird über ν summiert.

Page 38: I Elektrostatik - bücher.de

430 IV Elektrodynamik

dafür, daß die x′′′4 -Achse mit der x′4-Achse übereinstimmt. Der Übergang vomK ′′′-System in das angestrebte K ′-System erfordert also nur noch eine weitereRaumdrehung D2.

Eine beliebige Lorentz-Transformation ˆC läßt sich also darstellen als das Produktder speziellen Lorentz-Transformation C und zwei reinen Raumdrehungen:

ˆC = D2CD1. (22.3)

Das so erhaltene ˆC muß ein Element der Lorentz-Gruppe sein, weil sowohl C alsauch die Raumdrehungen D1, D2(v = 0) dieser Gruppe angehören.

Deshalb genügt es, das Verhalten einer Größe unter der Transformation (22.2) zubetrachten.

Eigenschaften der Transformationsmatrix (cμ ν ): Die Lorentz-Transformationbeschreibt Drehungen im vierdimensionalen Minkowski-Raum; die Matrix ist alsoorthogonal und es gelten die folgenden Beziehungen, die wir noch einmal angeben.Der Betrag des Ortsvektors bleibt erhalten:

x′ν x′ν = xν xν . (22.4)

Damit folgt x′ν x′ν = cν σ xσ ·cν τ xτ = cν σ cν τ xσ xτ = xν xν , also Spaltenorthogonalität

cν σ cν τ = δσ τ . (22.5)

Aus x′σ = cσ ν xν folgt durch Multiplikation mit cσ μ und Summation die Um-kehrtransformation

cσ ν cσ μ xν = δν μ xν = xμ = cσ μ x′σ . (22.6)

Also gilt (cμ σ )−1 = (cσ μ ) = (cμ σ )t , die inverse Matrix ist gleich der transponierten.Aus (22.6) erhält man die Zeilenorthogonalität

xν xν = cσ ν x′σ cτ ν x′τ!= x′τ x′τ ⇒ cσ ν cτ ν = δσ τ . (22.7)

Für die Determinante läßt sich mit dem Multiplikationssatz ableiten

1 = det(δσ τ ) = det(cν σ cν τ ) = det(cσ ν )t det(cν τ ) = (det(cμ ν ))2,

wobei det AT = det A benutzt wurde, also

det(cμ ν ) = ±1. (22.8)

Wir beschränken uns hier auf die eigentlichen Lorentz-Transformationen mit derDeterminante + 1, da det(cμ ν ) = −1 eine Spiegelung (Inversion) enthält.

Vierervektoren und -tensoren: Die 4k Größen Tα1 ...αk (ai = 1, 2, 3, 4) bildeneinen Tensor k-ter Stufe, wenn sie unter einer orthogonalen Transformation sichentsprechend der Gleichung

T ′α1 ...αk

= cα1β1· . . . · cαkβk

Tβ1 ...βk(22.9)

transformieren. Jeder einzelne Index eines Tensors transformiert sich wie dieKomponente eines Vektors (siehe Gl. (22.1)).

Page 39: I Elektrostatik - bücher.de

22 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik 431

Skalare und Vierervektoren

Beispiel 22.1�

k = 0: Der Tensor 0-ter Stufe ist ein Skalar, der unter Lorentz-Transformationen invariantist, wie etwa die Länge xμ xμ des Ortsvektors.

k = 1: Ein 4-Tupel mit der Transformationseigenschaft

Tμ′ = cμ ν Tν (1)

ist ein Vierervektor. Ein Beispiel ist der Vektor (x, y, z, ict) der Koordinaten eines Welt-punkts.

Beispiel 22.1�

Produktbildung: Wie man aus der Gleichung (22.9) sofort erkennt, ist es möglich,entsprechend

Uα1 ...αmβ1...βn = Sα1...αm · Tβ1...βn (22.10)

durch komponentenweise Multiplikation zweier Tensoren m-ter und n-ter Stufeeinen Tensor (n + m)-ter Stufe zu bilden.

Verjüngung: Summiert man über zwei Indizes eines Tensors, so zeigt sich wegender Orthogonalitätsrelation (22.5):

T ′α α γ = cα μ cα ν cγ λ Tμ ν λ = δμ ν cγ λ Tμ ν λ = cγ λ Tμ μ λ . (22.11)

Allgemein läßt sich hieraus ablesen: Durch Gleichsetzen (und darüber Summieren)zweier Indizes eines Tensors k-ter Stufe erhält man einen Tensor (k − 2)-ter Stufe.Dieser Vorgang wird als Verjüngung (Kontraktion) des Tensors bezeichnet.

Ein Beispiel ist das skalare Produkt zweier Vierervektoren Aμ Bμ , das sich alsKontraktion des Tensors Tμ ν = Aμ Bν ansehen läßt, also eine skalare Invariantebildet.

Tensoranalysis: Der dreidimensionale �∇ − Operator läßt sich auf Vierergestalterweitern. Wegen der Kettenregel und Gleichung (22.6) gilt nämlich

∂∂x′μ

=∂xσ

∂x′μ

∂∂xσ

= cμ σ∂

∂xσ, (22.12)

d. h., der Operator(

∂/∂xμ)

verhält sich wie ein Vierervektor.

Die Anwendung dieses Operators auf einen Viererskalar φ ergibt den Vierergradi-enten:

(∂φ /∂xμ

). Wegen

∂A′μ

∂x′μ= cμ σ

∂∂xσ

(cμ τ Aτ ) =∂Aσ

∂xσ(22.13)

ist die Summe ∂Aμ /∂xμ , die Viererdivergenz, ein Lorentz-Skalar.

Page 40: I Elektrostatik - bücher.de

432 IV Elektrodynamik

Setzen wir statt Aμ in die Viererdivergenz die entsprechende Ableitung ∂/∂xμ ein,so ergibt sich der skalare Operator

� =∂

∂xμ

∂∂xμ

= �− 1c2

· ∂2

∂t2(Quablaoperator). (22.14)

Volumenelement: Das reell gewählte Volumenelement d4x = dx1 dx2 dx3 dx0 mitdx0 = dx4/i = c dt bleibt bei einer Lorentz-Transformation erhalten; es ist einLorentz-Skalar, denn

d4x′ =∂(x′0, x′1, x′2, x′3)∂(x0, x1, x2, x3)

d4x ≡ det(cμ ν ) d4x = d4x, (22.15)

weil die Jakobi-Determinate∂(x′0, x′1, x′2, x′3)∂(x0, x1, x2, x3)

= det(cμ ν ) im Fall der eigentlichen

Lorentz-Transformationen +1 ist (siehe Gl. (22.8)).

Die Feldgleichungen und der Feldtensor: Als Grundlage der speziellen Relati-vitätstheorie stellte Einstein zwei Postulate auf:I. In allen gleichförmig gegeneinander bewegten Systemen gelten die gleichen

Naturgesetze.II. Die Geschwindigkeit des Lichts hat in allen gleichförmig gegeneinander be-

wegten Systemen den gleichen Betrag, unabhängig von der Geschwindigkeitder Quelle relativ zum Beobachter.

Aus der Forderung II. folgt, daß der Übergang zwischen zwei Systemen durch eineLorentz-Transformation beschrieben wird. Das erste Postulat lautet dann: Alle Na-turgesetze können kovariant formuliert werden. Kovarianz einer Gleichung heißtdabei, daß sich ihre Form unter einer Lorentz-Transformation nicht ändert. Nachder Beziehung (22.9) bedeutet dies, daß die Gleichungen Relationen zwischenTensoren gleicher Stufe sein müssen.

Prinzipiell ist es möglich, das Transformationsverhalten der elektrischen und ma-gnetischen Feldgrößen direkt abzuleiten und zu zeigen, daß z. B. die Maxwellglei-chungen kovariant sind (im Gegensatz zu den Gesetzen der klassischen Mechanik,bei denen relativistische Änderungen an den Newtonschen Grundgesetzen notwen-dig waren).

Wir werden uns im folgenden darauf beschränken, vom ersten Postulat ausgehend,die Gleichungen der Elektrodynamik in kovariante Form zu bringen, und betrach-ten dabei die Felder im Vakuum.

Die Kontinuitätsgleichung

�∇ ·�j +∂�∂t

= 0

schreiben wir in der Form∂ j1∂x1

+∂ j2∂x2

+∂ j3∂x3

+∂( ic�)∂( ict)

= 0. (22.16)

Page 41: I Elektrostatik - bücher.de

22 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik 433

Dann ist mit der Einführung der Viererstromdichte

( jμ ) = (�j, ic�) (22.17)

die kovariante Form der Kontinuitätsgleichung als Viererdivergenz der Stromdichteoffensichtlich:

∂ jμ

∂xμ= 0. (22.18)

Die Tatsache, daß jμ tatsächlich ein Vierervektor ist, läßt sich direkt aus demexperimentellen Befund der Ladungserhaltung ableiten, denn wenn sowohl dq =� dx1 dx2 dx3 als auch i d4x = dx1 dx2 dx3 dx4 skalare Invarianten sind, muß sich� wie die vierte Komponente eines Vierervektors transformieren. Ähnlich schließtman für �j = ��v. Mit dem Erkennen des Vierervektorcharakters von jμ haben wirsofort das Transformationsverhalten von Stromdichte�j und Ladungsdichte � beimÜbergang von einem Inertialsystem zu einem anderen im Griff. Es gilt dann

jν′ = cν μ jμ . (22.19)

Stromdichte und Ladungsdichte sind demnach eng miteinander verknüpft. ZumBeispiel lautet die z-Komponente, j3 ′, gemäß (22.2)

j3′ = γ ( j3 − v�),

ein plausibles und leicht interpretierbares Ergebnis. Die Stromdichte in einembewegten System K ′ setzt sich aus den sich im ursprünglichen System K bewe-genden Ladungen ( j3) und den aufgrund der Bewegung des Systems K ′ als bewegterscheinenden, aber im System K statischen Ladungen (�) zusammen.

Die Potentialgleichungen

Δ�A − 1c2

· ∂2�A∂t2

= −4πc

�j, (22.20)

Δφ − 1c2

· ∂2φ∂t2

= −4π� (22.21)

mit der Lorentz-Eichung

�∇ ·�A +1c· ∂φ

∂t= 0 (22.22)

legen es nahe, das Viererpotential

(Aμ ) = (�A, iφ ) (22.23)

einzuführen. Dann lassen sich die beiden Gleichungen (22.20), (22.21) in einezusammenfassen

�Aμ = −4πc

jμ (22.24)

mit der Eichung∂Aμ

∂xμ= 0. (22.25)

Page 42: I Elektrostatik - bücher.de

434 IV Elektrodynamik

Schon an diesen Beispielen zeigt sich, daß die Gleichungen der Elektrodynamikdurch die Schreibweise mit Vierervektoren eine einfache und klare Form erhalten.

Wir gehen nun von den Potentialen zu den Feldstärken �E und �B über, definiertdurch

�E = −�∇φ − 1c· ∂�A

∂t, (22.26)

�B =�∇ ×�A. (22.27)

Komponentenweise ausgeschrieben lauten diese Gleichungen

E1 = i∂A4

∂x1− i

∂A1

∂x4, B1 =

∂A3

∂x2− ∂A2

∂x3

E2 = i∂A4

∂x2− i

∂A2

∂x4, B2 =

∂A1

∂x3− ∂A3

∂x1

E3 = i∂A4

∂x3− i

∂A3

∂x4, B3 =

∂A2

∂x1− ∂A1

∂x2.

Die einheitliche Form dieser Gleichungen führt auf die Definition des Feldtensors

Fμ ν =∂Aν

∂xμ− ∂Aμ

∂xν. (22.28)

Der Feldtensor (Fμ ν ) ist ein antisymmetrischer Tensor 2-ter Stufe und hat somit 6unabhängige Komponenten, die Ei und Bi.

Die Gleichung (22.28) stellt die vierdimensionale Verallgemeinerung der Rotationdar. In drei Dimensionen besitzt diese als antisymmetrischer Tensor mit dreiKomponenten „zufällig“ die Eigenschaften eines Dreiervektors, abgesehen vomVerhalten gegen Inversion.

Der Feldtensor hat ausgeschrieben die Form

Fμ ν =

⎛⎜⎜⎝

0 B3 −B2 − iE1

−B3 0 B1 − iE2

B2 −B1 0 − iE3

iE1 iE2 iE3 0

⎞⎟⎟⎠ . (22.29)

Wir erhalten also als Resultat, daß das elektromagnetische Feld in Viererschreib-weise nicht mehr durch zwei getrennte Vektoren, sondern durch einen einzigenTensor beschrieben wird. Das bedeutet, daß sich beim Übergang zwischen gegen-einander bewegten Systemen die Komponenten �E und �B gemischt transformieren.Würden sie sich als 3er-Komponenten zweier unabhängiger 4er-Vektoren trans-formieren, würden sich nur ihre Komponenten untereinander mischen! So aberwird ein reines elektrisches Feld im ungestrichenen System als ein Gemisch vonelektrischem und magnetischem Feld im gestrichenen System erscheinen.

Wir wählen jetzt wieder die spezielle Lorentz-Transformation (22.2), d. h. paralleleAchsen und Bewegung von K ′ in z-Richtung. Dann erhalten wir aus

F ′μ ν = cμ σ cν τ Fσ τ

Page 43: I Elektrostatik - bücher.de

22 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik 435

mit den cμ ν aus Gleichung (22.2) die TransformationsgleichungenE ′

1 = γ (E1 − β B2), B′1 = γ (B1 + β E2),

E ′2 = γ (E2 + β B1), B′

2 = γ (B2 − β E1),E ′

3 = E3, B′3 = B3.

(22.30)

Dieses Ergebnis läßt sich auch in Vektorform schreiben:

�E ′⊥ = γ

(�E⊥ +

�vc

× �B

), �B′

⊥ = γ(�B⊥ − �v

c× �E

).

�E ′‖ = �E‖, �B′

‖ = �B‖, (22.31)

Dabei bedeutet ‖ und ⊥ parallel bzw. senkrecht zu �v (= (0, 0, v) in unseremBeispiel). Man verifiziert unmittelbar, daß jeweils die ersten beiden Gleichungen(22.30) gerade die 1,2 Komponenten der jeweils ersten Gleichungen (22.31) sind.Für geringe Relativgeschwindigkeiten, wenn γ ≈ 1 ist, erhält man im Ruhesystemeines mit der Geschwindigkeit�v bewegten Elektrons gerade die Lorentz-Kraft:

�F = e�E ′ ≈ e

(�E +

�vc

× �B

).

Der zweite Satz Gleichungen (22.31) für die magnetische Induktion liefert dasBiot-Savartsche Gesetz, wie das Beispiel 22.2 noch verdeutlichen wird.

Lorentz-Transformation

Aufgabe 22.1�

Aus der Mechanik-Vorlesung ist bekannt, daß eine Lorentz-Transformation (LT) in der Formx′μ = aμ ν xν oder x′ = Ax mit der Einsteinschen Konvention aμ ν xν ≡ ∑4

ν=1 aμ ν xν und derDefinition x = xν = (x1, x2, x3, x4) = (�x, ict),A = (aμ ν ) geschrieben werden kann.

a) Sei x im Bezugssystem Σ gegeben. Bestimmen Sie A für die Transformation x →x′ ∈ Σ ′ , wobei sich das System Σ ′ bezüglich Σ mit der Geschwindigkeit v in z-Richtung bewegen soll. Solche Transformationen bezeichnet man mit dem englischenWort „boost“ (Schub); hier liegt also ein boost in z-Richtung vor.

b) Sei A eine beliebige LT und x′ = Ax. Leiten Sie aus x′2 = x′μ x′μ = xν xν = x2 die

Beziehung AT = A−1 ab; d. h., A ist orthogonal, und somit det A = ±1. Wieso gilt|A44| ≥ 1?

c) Zeigen Sie dann, daß die LT eine Gruppe bilden (Bez. L).

d) Zeigen Sie, daß man jede Matrix L ∈ L durch L = DL© mit D = 1, P, T, PT ausdrückenkann. Dabei ist

P =

⎛⎜⎜⎜⎝

1 0 0 00 1 0 00 0 1 00 0 0 −1

⎞⎟⎟⎟⎠ T =

⎛⎜⎜⎜⎝

−1 0 0 00 −1 0 00 0 −1 00 0 0 1

⎞⎟⎟⎟⎠ ,

PT = −1 det L© = 1,

sowie (L©)44 ≥ 1. Die Menge aller L© wird mit L+↑ bezeichnet. Man zeige, daß L+

↑ eineGruppe bildet (die sogenannte eingeschränkte Lorentzgruppe). Welche physikalischeBedeutung haben P, T und PT?

Page 44: I Elektrostatik - bücher.de

� Aufgabe 22.1

436 IV Elektrodynamik

e) Welche Arten von Koordinatentransformationen enthält L+↑ ? Ist L abelsch?

f) Wie sind Vierervektoren und Vierertensoren definiert? Was ist ein Skalar?

Lösung:

a) Mit β = v/c, γ = (1 − β 2)−1/2 gilt

x′1 = x1, x′2 = x2, x′3 = (x3 + ix4β )γ ,

x′4 = ict ′ = ict − vx3/c√1 − v2/c2

= (x4 − ix3β )γ ,

oder in Matrixschreibweise

x′ =

⎛⎜⎜⎜⎝

x′1x′2x′3x′4

⎞⎟⎟⎟⎠ =

⎛⎜⎜⎜⎝

x1

x2

(x3 + ix4β )γ(x4 − ix3β )γ

⎞⎟⎟⎟⎠ =

⎛⎜⎜⎜⎝

1 0 0 00 1 0 00 0 γ iβ γ0 0 − iβ γ γ

⎞⎟⎟⎟⎠

⎛⎜⎜⎜⎝

x1

x2

x3

x4

⎞⎟⎟⎟⎠ = Ax (1)

b) x′2 = x′μ x′μ = Aμ ν xν Aμ σ xσ = xν AT

ν μ Aμ σ xσ = xν xν = x2 ⇒ ATν μ Aμ σ = δν σ , oder

AT = A−1. Daraus folgt weiter 1 = det 1 = det(AAT) = det A det AT = (det A)2, alsodet A = ±1. Da�x, t reelle Größen sind, müssen die Komponenten Ai4(i = 1, 2, 3) kom-plex und Ai j(i j = 1, 2, 3), A44 reell sein.Wegen 1 = (ATA)44 = A2

44 − |A14|2 − |A24|2 − |A34|2 folgt |A44| ≥ 1.

c) L1 ∈ L, L2 ∈ L ⇔ LT1 = L−1

1 , LT2 = L−1

2 ⇒ (L1L2)T = LT2 LT

1 = L−12 L−1

1 = (L1L2)−1 ⇒(L1L2) ∈ L, Assoziativität, Einselement und die Inverse sind gegeben.

d) Es gilt P2 = T 2 = (PT )2 = 1. Sei A ∈ L.

Fall 1: det A = 1, A44 ≥ 1 ⇒ A0 = A ∈ L+↑ , D = 1, A ∈ L+

↑Fall 2: det A = 1, A44 ≤ −1 ⇒ A0 = PTA ∈ L+

↑ , D = PT, A ∈ L+↓

Fall 3: det A = −1, A44 ≥ 1 ⇒ A0 = PA ∈ L+↑ , D = P, A ∈ L−

↑Fall 4: det A = −1, A44 ≤ −1 ⇒ A0 = TA ∈ L+

↑ , D = T, A ∈ L−↓

P bedeutet Rauminversion, T Zeitspiegelung und PT Raumzeitinversion. Wir bemerken,daß {1, P, T , PT} eine diskrete Untergruppe von L bilden. Da in L+

↑ die Assoziativität

trivialerwiese gegeben ist, 1 ∈ L+↑ gilt und (A−1)44 = (AT)44 > A44 ≥ 1 gilt, bleibt nur

die Abgeschlossenheit zu zeigen, d. h. A ∈ L+↑ , B ∈ L+

↑ ⇒ AB ∈ L+↑ , also (AB)44 ≥ 1.

Nun ist aber (AB)44 = A41 B14 +A42 B24 +A43 B34 +A44 B44 ≥ (A44B44)−|A41B14|−|A42B24|−|A43B34| = [(1+ |A14|2 + |A24|2 + |A34|2)(1+ |B41|2 + |B42|2 + |B43|2)]1/2−|A41B14| − |A42B24| − |A43B34| ≥ 1, wie man sich leicht überlegt. Man kann diegesamte Lorentzgruppe aus L+

↑ rekonstruieren, indem man zu jedem L0 ∈ L+↑ die

Elemente PL0,TL0 und PTL0 bildet. Man schreibt auch L = L+↑ ⊗ {1, P, T, PT} oder

L+↑ = L/{1, P, T, PT}.

e) L+↑ enthält neben boosts auch Rotationen (weshalb auch L nicht abelsch sein kann) und

beliebige Produkte von beiden.

f) Durch den Ausdruck xμ = (x1, x2, x3, x4) wird ein Punkt X = xμ eμ im Minkowski-Raum bezeichnet, bezogen auf das Basissystem e1, e2, e3, e4. Dabei ist {ei, i = 1, 2, 3}

Page 45: I Elektrostatik - bücher.de

22 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik 437

ein ONS im Ortsraum, e4 zeigt in t-Richtung. Der Punkt X ist natürlich eine festeGröße, nur seine Beschreibung kann sich ändern, wenn man das Bezugssystem ändert.Bei einer Lorentz-Transformation (LT ) werden die Komponenten xμ von X gemäßxμ → x′μ = Lμ ν xν transformiert. Da der Punkt X selbst unverändert bleibt, entsprichtdies der Basistransformation e′μ = Lμ ν eν . Dann gilt nämlich x′μ e′μ = Lμ ν xν Lμ σ eσ =xν LT

ν μ Lμ σ eσ = xν eν = X .

Ein beliebiger Vierervektor q ist nun durch q = qμ eμ definiert. Eine LT eμ → e′μentspricht einer Transformation qμ → q′μ = Lμ ν qν der Komponenten von q, d. h., einVierervektor transformiert sich bei einer LT wie der „Ortsvektor“ x. Da man i. allg.bei der Benutzung der kovarianten Schreibweise von den Einheitsvektoren eμ keinenGebrauch machen will, de f iniert man einen Vierervektor durch die Transformationsei-genschaften seiner Komponenten. Analog verfährt man bei der Definition der Tensoren:

Ein Zahlenschema Tα1α2 ...αn , α i = 1, 2, 3, 4 (i = 1, . . . , n) heißt Tensor n-ter Stufe,wenn es bei einer Lorentz-Transformation L in

T ′β1 ...βn

= Lβ1α1 Lβ2α2 . . . Lβnαn Tα1...αn

übergeht. Ein Vierervektor ist also ein Tensor erster Stufe. Skalare Größen transformie-ren sich nicht bei einer LT , sie besitzen auch keine Indizes. Bei einer LT gilt also füreinen Skalar s = s′ . Aus einem Vektor qμ enthält man z. B. durch die Produktbildungqμ qμ einen Skalar (Skalarprodukt):

(q′)2 = (q′μ q′μ ) = Lμ ν qν Lμ σ qσ = qγ qγ = q2.Aufgabe 22.1�

Elektrisches und magnetisches Feldeiner relativistisch bewegten Punktladung

Beispiel 22.2�

Eine elektrische Punktladung q bewegt sich auf einer geradenLinie mit der Geschwindigkeit �v = v�e3. Die Ladung ruht imbewegten System K

′. Welche Ladung sieht ein in K ruhender

Beobachter? Die Figur zeigt die geometrische Situation und denStoßparameter b. Zur Zeit t = t ′ = 0 möge der Ursprung beiderKoordinatensysteme zusammenfallen. Deshalb hat der Punkt Pim K ′-System die Koordinaten x′1 = b, x′2 = 0, x′3 = −vt ′ undliegt vom Ursprung O′ , d. h. von der Ladung q, im Abstand

r ′ =√

b2 + (vt ′)2.

Es ist notwendig, r ′ im System K auszudrücken. Die einzigeKoordinate, die transformiert werden muß, ist die Zeit

t ′ = γ(

t − v

c2 x3

)= γ t, (1)

x2

x1 x1

x2

x3

x3

'

'

'

vt

b

Pr

qO O'O'

nv

χ

Eine Punktladung q, ruhend imbewegten System K ′, wird vom imSystem K ruhenden Punkt P ausbeobachtet; b ist der Stoßparameter.

weil x3 = 0 und b = b′ für den Beobachter in P. Im System K ′ gibt es nur elektrischeFeldstärken E ′

ν (ν = 1, 2, 3). Im Punkt P in K ′ sind diese E ′i :

�E ′ = {E ′1, E ′

2, E ′3} =

q

r ′2�r ′

r ′

Page 46: I Elektrostatik - bücher.de

� Beispiel 22.2

438 IV Elektrodynamik

oder ausführlich

E ′1 = +

qb

r ′3, E ′

2 = 0, E ′3 = −qvt ′

r ′3,

B′1 = 0, B′

2 = 0, B′3 = 0.

(2)

Vom System K ′ transformieren sich die Feldstärken gemäß der inversen Gleichung (22.30).Gleichzeitig drücken wir die gestrichenen Koordinaten durch die ungestrichenen aus underhalten in K:

E1 = γ (E ′1 + β B′

2), E2 = γ (E ′2 − β B′

1), E3 = E ′3

B1 = γ (B′1 − β E ′

2), B2 = γ (B′2 + β E ′

1), B3 = B′3

(3)

und explizit mit (2)

E1 = γ E ′1 = +

qbγ(b2 + γ 2v2t2)3/2

, E2 = γ E ′2 = 0,

E3 = E ′3 = − qγvt

(b2 + γ 2v2t2)3/2,

B1 = 0, B2 = γ β E ′1 = β E1, B3 = B′

3 = 0.

(4)

Die relativistischen Effekte auf die Feldstärken werden am deutlichsten sichtbar, wennv → c: Dann entsteht zunächst durch die bewegte Ladung am Orte P eine magnetischeInduktion entlang der y-Achse (B2), deren Stärke für β → 1 gleich der elektrischenFeldstärke E1 wird. In der Tat, nach dem Biot-Savart-Gesetz erwarten wir

�B � qc�v �r

r3 (5)

und erkennen, daß die B2-Komponente der Gleichung (4) dem entsprechenden Ausdruck in(5) für kleine Geschwindigkeiten gleich wird. Die Transformationsgesetze der Relativitäts-theorie liefern also das Biot-Savartsche Gesetz einschließlich relativistischer Korrekturen.

Weiterhin sehen wir, daß die maximale E1-Komponente der elektrischen Feldstärke, die beit = 0 (dem Zeitpunkt des Vorbeifluges am Beobachter P) erreicht wird, durch

(E1)t=0 = +q

b2 γ (6)

gegeben ist. Bei hohen Geschwindigkeiten ist γ = 1/√

1 − β 2 � 1 und daher E1 sehr vielgrößer als der statische Wert, den die in 0 ruhende Punktladung am Orte P erzeugen würde.Man muß jedoch bedenken, daß die Wirkungsdauer dieser Feldstärke sehr verkleinert wird,nämlich

Δt =1γ

Δt ′ =1γ

bv. (7)

Für v → c bleibt die Größenordnung des Kraftstoßes

E1Δt = +q

b2 γ1γ

bv

= +q

b · verhalten. Die Figur verdeutlicht die Zeitabhängigkeit der Komponenten der elektrischenFeldstärke. Für β → 1 sieht der Beobachter praktisch nur ein transversales elektrischesFeld (E1) und eine gleichstarke, orthogonale magnetische Induktion (B2). Die longitudinaleKomponente E3 ist während des Anfluges der Ladung (t < 0) positiv und während des

Page 47: I Elektrostatik - bücher.de

22 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik 439

E1

E3

vt

vt

β 0β 0

β 1

β 1

0Zeitlicher Verlauf der Feldstärkekomponenten beim Vorbeiflug einer Punktladung.

Abflugs negativ. Sie mittelt sich also zeitlich zu Null. Wenn man die Trägheit der Apparaturdes Beobachters P in Rechnung stellt, so hat sie keine Bedeutung: Die Apparatur reagiertpraktisch nicht auf E3(t).

Interessant ist noch die räumliche Verteilung der Felder relativ zu einem instantanenBeobachter im Laborsystem, an demselben (instantanen) Ort der Ladung. Aus (4) folgt

E3

E1= −vt

b= cot χ

und damit entsprechend der ersten Figur (am Anfang diesesBeispiels), daß �E ∼ �n. Hierbei ist �n gemäß jener Figur einEinheitsvektor von der augenblicklichen Position der Ladungzum Beobachter P. Das elektrische Feld ist also nach wie vorein Zentralfeld. Mit b = r sin χ und vt = −r cos χ können wirE1, E2 und E3 aus (4) zusammenfassen zu

�E =q�r

r3γ 2(1 − β 2 sin2 χ )3/2. (8)

v

Veranschaulichung der Transversalitätdes elektrischen Feldes einer bewegtenLadung.

Dabei ist r2 = b2 + v2t2. Das �E-Feld ist, wie schon gesagt, radial gerichtet, aber dieKraftlinien sind nicht mehr isotrop (wegen des Zusatzterms (1 − β 2 sin2 ψ )−3/2). Siesind in der Figur verdeutlicht. Durch die Bewegung der elektrischen Ladung wird ihrelektrisches Feld transversaler, im Limes v → c sogar strikt transversal. Ein Beobachtersieht demnach eine mit nahezu Lichtgeschwindigkeit vorbeirauschende Ladung wie einenkurzen transversalen E-Feld-Blitz, d. h. wie einen transversalen Kraftstoß.

In der Schwerionenphysik ist dieser Effekt bedeutsam, weil hochgeladene relativistischeIonen als Quellen intensiver γ -Strahlen genutzt werden können. Die Weizsäcker-Williams-Methode (siehe Vorlesungen über Quantenelektrodynamik) hat hier ihren Ursprung.

Beispiel 22.2�

Invarianten des Feldes: Mit Hilfe der Tensorschreibweise lassen sich durch Kon-traktion zwei Größen finden, die sich beim Übergang zu anderen Inertialsystemennicht ändern. Zunächst gilt

Fμ ν Fμ ν = 2(B2 − E2), also �B2 − �E2 = invariant.

Page 48: I Elektrostatik - bücher.de

440 IV Elektrodynamik

Eine weitere Invariante erhält man durch Kontraktion des Feldtensors mit dem„vollständig antisymmetrischen Einheitstensor vierter Stufe“ definiert durch

εκ λ μ ν =

⎧⎪⎪⎪⎪⎪⎨⎪⎪⎪⎪⎪⎩

0 wenn zwei Indizes gleich sind,

+1 wenn (κ λ μ ν ) gerade Permutationvon (1234) ist,

−1 wenn (κ λ μ ν ) ungerade Permutationvon (1234) ist.

(22.32)

Man überzeugt sich sofort, daß εκ λ μ ν ein Tensor 4. Stufe ist, denn es muß gelten

ε′κ ′λ ′μ ′ν ′ = cκ ′κ cλ ′λ cμ ′μ cν ′ν εκ λ μ ν .

Aufgrund der Orthonormalitätsrelationen für die cμ ν und der Beziehungen (De-finitionen) in Gleichung (22.32) folgt nun sofort, daß für ε′κ ′λ ′μ ′ν ′ die zu (22.32)analogen Relationen gelten.

Es gilt nun

εκ λ μ ν Fκ λ Fμ ν = −8 i�E ·�B;

also ist das Skalarprodukt �E ·�B lorentz-invariant.

Natürlich läßt sich die Invarianz von B2 − E2 und �E ·�B auch aus den Transforma-tionsgleichungen (22.30) direkt beweisen. Das überlassen wir dem Leser. Es läßtsich zeigen, daß das Feld keine weiteren Invarianten besitzt.

Die Maxwellgleichungen: Mit Hilfe des Feldtensors Fμ ν lassen sich die vierMaxwellgleichungen in kovariante Form bringen. Es zeigt sich, daß je zwei vonihnen zu einer einzigen Vierervektorgleichung verschmelzen. Die Gleichungenlauten

∂Fμ ν

∂xν=

4πc

jμ , (22.33a)

∂Fμ ν

∂xλ+

∂Fν λ

∂xμ+

∂Fλ μ

∂xν= 0. (22.33b)

Die letzte Gleichung gilt automatisch für den antisymmetrischen Tensor Fμ ν =∂Aν /∂xμ − ∂Aμ /∂xν . Sie stellt eine Identität dar und heißt Jacobi-Identität. In derTat ist

∂∂xλ

(∂Aν

∂xμ− ∂Aμ

∂xν

)+

∂∂xμ

(∂Aλ

∂xν− ∂Aν

∂xλ

)+

∂∂xν

(∂Aμ

∂xλ− ∂Aλ

∂xμ

)= 0,

weil sich die Terme paarweise wegheben. Wie man durch Einsetzen der Glei-chungen (22.17) und (22.29) verifiziert, enthält Gleichung (22.33a) die beidenMaxwellgleichungen, die die Verbindung zwischen Feld und Ladungen herstellen:

μ = 1, 2, 3 : �∇ × �B − 1c· ∂�E

∂t=

4πc

�j; μ = 4 : �∇ · �E = 4π�.

Page 49: I Elektrostatik - bücher.de

22 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik 441

Die Gleichung (22.33b) liefert die beiden homogenen Maxwellgleichungen:

�∇ × �E +1c

∂�B∂t

= 0; �∇ ·�B = 0.

Man erhält nur vier verschiedene nichttriviale Gleichungen, denn wegen der Anti-symmetrie von Fμ ν verschwindet die linke Seite von Gleichung (22.33b), wennzwei Indizes gleich sind. Da ferner durch eine Permutation von (λ μ ν ) nichtsgeändert wird, genügt es, die Kombinationen (234), (341), (412) und (123) zubetrachten.

Jeder Term der Gleichung (22.33b) stellt einen Tensor 3-ter Stufe dar. Es läßt sichdurch Überschiebung mit dem schon erwähnten antisymmetrischen Einheitstensorεκ λ μ ν eine Vierervektorgleichung gewinnen, die ebenfalls die homogenen Max-wellgleichungen enthält:

εκ λ μ ν∂Fλ μ

∂xν= 0. (22.34)

Die ebene Lichtwelle: Im Raum ohne Ströme und Ladungen ist jμ (x) = 0. Dortgilt dann nach (22.33a) ∂Fμ ν /∂xν = 0, und aus (22.33b) folgt dann

∂∂xλ

· ∂∂xλ

Fμ ν = − ∂∂xμ

· ∂∂xλ

Fν λ − ∂∂xν

· ∂∂xλ

Fλ μ = 0,

also∂

∂xλ· ∂

∂xλFμ ν = 0 (22.35)

oder

� Fμ ν = 0.

Diese Gleichung erlaubt ebene Wellen vom Typ

Fμ ν (x) = fμ ν e ikσ xσ . (22.36)

Wird dies in (22.35) eingesetzt, ergibt sich unmittelbar

kλ kλ Fμ ν (x) = 0.

Weil Fμ ν (x) �= 0 ist, muß

kλ kλ = 0 (22.37a)

sein. Das muß in allen Lorentz-Systemen gelten. Folglich muß

{kλ } = {k1, k2, k3, k4}

ein Vierervektor sein, der sich gemäß

k ′μ = cμ ν kν (22.37b)

transformiert. Wir wollen nun den Viererwellenvektor kμ genauer identifizieren.Eine ebene Lichtwelle wird gewöhnlich durch

Fμ ν (�x, t) = fμ ν · e i(�k·�x−ω t) = fμ ν eikσ xσ (22.38)

Page 50: I Elektrostatik - bücher.de

442 IV Elektrodynamik

beschrieben, wobei die Elemente ±(B0)k, ± i(E0)k (k = 1, 2, 3) von fμ ν die

konstanten Amplituden sind. Offensichtlich muß {kμ} = {�k, iω/c} gelten. DieBeziehung (22.37a) ist demnach identisch mit der Dispersionsbeziehung

�k2 =ω 2

c2. (22.39)

Wegen der Kovarianz der Wellengleichung gilt in einem bewegten System K ′

F ′μ ν (�x′, t ′) = f ′μ ν e i(�k ′·�x′−ω ′t ′) = f ′μ ν e ik ′σ x′σ . (22.40)

Wir wollen überlegen, wie die beiden Wellen (22.38) und (22.40), die ein unddieselbe Welle beschreiben, am Raum-Zeit-Punkt �x, t zusammenhängen. BeideWellen (22.38) und (22.40) sind miteinander identisch, nur sind sie in verschie-denen Lorentzsystemen beschrieben. Am gleichen Raum-Zeit-Punkt hängen sieüber das Transformationsgesetz

F ′μ ν (�x′, t ′) = cμ σ cν τ Fσ τ (�x, t) (22.41)

zusammen. Die Tensor-Transformation gilt also am selben Raum-Zeit-Punkt�x, t,wobei auf der linken Seite der Punkt �x, t durch gestrichene Koordinaten �x′, t ′

ausgedrückt wird. Die obige Beziehung kann nur dann identisch erfüllt sein, wenndie Phase auf beiden Seiten gleich ist:

�k ′ ·�x′ − ω ′t ′ =�k ·�x − ω t.

oder mit�k = ω/c ·�n, wobei�n der Wellennormalenvektor ist

ω ′(�n′ ·�x′ − ct ′) = ω (�n ·�x − ct).

Wie wir oben gesehen haben, lassen sich die beiden Seiten dieser Gleichungschreiben als das Skalarprodukt kμ xμ des Vektors {xμ} = {�x, ict} mit dem

Viererwellenvektor {kμ} = {�k, iω/c} = ω/c{�n, i} = {�k, ik0}. Hierbei ist k =|�k| = ω/c = k0, weil kμ kμ =�k − ω 2/c2 = 0 ein Lichtvektor ist. Das folgtaus der Tatsache, daß Fμ ν (�x, t) die Wellengleichung erfüllt, also � Fμ ν oder(∂/∂xλ )(∂/∂xλ )Fμ ν (x�) = 0 = kλ kλ Fμ ν (x�), was direkt auf die Dispersionsbezie-hung (22.37a), also kλ kλ = 0 führt. Die Invarianz der Phase der ebenen Welleerscheint so wieder als Skalarprodukt zweier Vierervektoren.

Aus der Invarianz der Phase kμ xμ lassen sich Effekte wie Lichtaberration, Doppler-Verschiebung und Reflexion am bewegten Spiegel ableiten.

Da {kμ} ein Vierervektor sein muß, ergeben sich sofort gemäß der allgemeinenLorentz-Transformation von einem Inertialsystem zu einem mit�β =�v/c bewegtenInertialsystem die Transformationsgleichungen (22.37b), d. h. k ′

μ = cμ ν kν oderausführlich

ik‖0 = − iγ β k‖ + γ ik0 = iγ

(k0 −

�β ·�kβ

β

)

k ′‖ = γ (k‖ + iβ ( ik0))

�k ′⊥ =�k⊥

Page 51: I Elektrostatik - bücher.de

22 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik 443

also

k ′0 = γ (k0 −�β ·�k)

k ′‖ = γ (k‖ − β k0). (22.42)

Dabei ist

�k ′⊥ =�k⊥, γ =

1√1 − β 2

, k‖ =�k · �vv, �k⊥ =�k −

(�k · �v

v

)�vv.

Und als Vierervektoren zusammengefaßt

{kμ} = {�k⊥, k‖, k0} = {�k⊥,�k ·�β

β, k0} = {k⊥1, k⊥2,

�k ·�ββ

, k0}

(vgl. Aufgabe 22.3).

Die Lorentz-Transformation von {�k, ik0} hat natürlich genau die gleiche Form wiedie des Weltvektors {�x, ix0}, wie es entsprechend der Invarianz des Skalarproduk-tes kμ xμ sein muß. Für Lichtwellen ist nun nach (22.39)

|�k| = k0 =ωc

, |�k ′| = k ′0 =

ω ′

c.

Damit erhält man sofort aus der ersten Gleichung (22.42) die Doppler-Verschie-bungs-Formel

ω ′ = γ ω (1 − β cos Θ ) (22.43)

und aus allen Gleichungen (22.42) die Aberrationsgleichung

tan Θ ′ =k ′⊥

k ′‖

=k⊥

γ (k‖ − β k0)=

√k2 − k2 cos2 Θ

γ (k cos Θ − β k)

=k√

1 − cos2 Θγ k(cos Θ − β )

=sin Θ

γ (cos Θ − β ), (22.44)

die die Richtungsänderung der Lichtwelle in gegenein-ander bewegten Inertialsystemen zum Ausdruck bringt.Die Gleichung (22.43) ist die gewöhnliche Doppler-Beziehung, modifiziert mit dem Faktor γ = 1/

√1 − β 2.

Dieser Faktor bewirkt, daß es relativistisch eine trans-versale Doppler-Verschiebung auch dann gibt, wennΘ = π/2, was experimentell 1938 von Ives und Stilwelldurch Beobachtung des Lichtes von sich bewegendenAtomen (Atomstrahlung) nachgewiesen wurde.

k

θv

Die Definition des Winkels Θ inder Aberrationsgleichung.

Relativistischer Dopplereffekt und Aberration

Aufgabe 22.2�

Leiten Sie explizit die relativistische Doppler-Verschiebung und die Aberrationsformel her.Hinweis: Betrachten Sie das Verhalten einer ebenen Lichtwelle unter Lorentz-Transforma-tion.

Page 52: I Elektrostatik - bücher.de

� Aufgabe 22.2

444 IV Elektrodynamik

Lösung:

Die ebene Lichtwelle wird beschrieben durch den Ansatz

Fμ ν (�x, t) = fμ ν e i(�k·�x−ω t), (1)

wobei fμ ν für die konstanten Amplituden ±B0k, ± iE0k steht. Da die Wellengleichungkovariant ist, gilt im bewegten System

F ′μ ν (�x′, t ′) = f ′μ ν e i(�k ′ ·�x′−ω ′t ′). (2)

Gleichung (2) transformiert sich unter Lorentz-Transformation wie ein Tensor 2. Stufe

F ′μ ν (�x′, t ′) = cμ σ cν τ Fσ τ (�x, t). (3)

Unter Verwendung von Gleichung 2 erkennt man, daß die Phasen identisch sein müssen,also

�k′ ·�x′ − ω ′t ′ =�k ·�x − ω t (4)

mit�k′ = ω ′

c �n′ ist dies äquivalent zu

ω ′(�n′ ·�x′ − c t ′) = ω (�n ·�x − c t). (5)

Führt man die Vierervektoren {kμ } = {�k, iω/c} = {�k, ik0} und {xμ } = {�x, ict} ein, sokann man Gleichung (5) als Skalarprodukt schreiben. Der so definierte Vierervektor k läßtsich problemlos in ein Inertialsystem transformieren, das sich gegenüber dem ungestriche-nen System mit�β =�v/c bewegt.

Wellenvektor�k im ruhenden (a) undbewegten (b) System.

k k'

k'k'

θ θ'v v

Es gilt

�k′⊥ =�k⊥, k′‖ = γ (k‖ − β k0), k′0 = γ (k0 −�β ·�k). (6)

Hierbei ist γ = 1/√

1 − β 2. Aus der Figur entnimmt man ferner

k‖ =�k · �vv, �k⊥ =�k −

(�k · �v

v

)�vv. (7)

Aus k′0 = γ (k0 −�β ·�k) erhalten wir mit k′0 = ω ′/c:

ω ′

c= γ

(ωc− ω

cβ cos Θ

)⇐⇒ ω ′ = γ ω (1 − β cos Θ ). (8)

Gleichung (8) beschreibt die relativistische Doppler-Verschiebung. Aus der Figur entnimmtman den Zusammenhang

tan Θ ′ =k′⊥k′‖

. (9)

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22 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik 445

Dies läßt sich mit Hilfe von Gleichung (6) und (7) durch den Winkel Θ ausdrücken:

k′‖ = γ(�k · �v

v− β k0

)= γ

ωc

(cos Θ − β ) (10)

�k⊥ ·�k⊥ = k2 −(�k · �v

v

)2

=(ω

c

)2−

(ωc

)2cos2 Θ =

(ωc

sin Θ)2

|�k⊥| =ωc

sin Θ . (11)

Einsetzen der Gleichungen (10) und (11) in (9) liefert die Aberrationsformel

tan Θ ′ =sin Θ

γ (cos Θ − β ), (12)

welche nach obiger Figur die Richtungsänderung des Wellenzahlvektors, d. h. der Ausbrei-tungsrichtung, im bewegten System angibt.

Aufgabe 22.2�

Der Energie-Impuls-Tensor: Für die Dichte der Lorentz-Kraft (Kraft pro Volu-meneinheit), die auf eine Ladungsverteilung wirkt, kann man schreiben

�f = ��E +�jc

× �B. (22.45)

Die erste Komponente lautet, ausgedrückt durch den Feldtensor,

f1 = �E1 +1c

( j2B3 − j3B2) =1c

(F14 j4 + F12 j2 + F13 j3) =1c

F1ν jν ,

wobei der Term F11 j1 wegen F11 = 0 hinzugefügt werden konnte. Allgemeiner gilt

fk =1c

Fkν jν , k = 1, 2, 3. (22.46)

Da rechts ein Vierervektor steht, können wir auch die linke Seite zu einem solchenergänzen und schreiben

fμ =1c

Fμ ν jν . (22.47)

Wie man durch Ausrechnen von f4 sieht, lautet der Kraftdichtevektor

{ fμ } = {�f , ic�E ·�j}.

Der Ausdruck�E ·�j = ��v·�E =�v·�f = d�r/ dt ·�f = d�r/ dt ·�F/V in der vierten Kompo-nente bezeichnet die Leistungsdichte, also die pro Zeiteinheit und Volumeneinheitdurch das elektrische Feld an den Ladungen verrichtete mechanische Arbeit. DerVektor { fμ} beschreibt die Änderung der Dichte des mechanischen Impulses undder mechanischen Energie. Wir werden daher versuchen, die Erhaltungssätze fürdiese Größen abzuleiten.

Benutzen wir die Maxwellgleichung (22.33a), so ergibt sich

fμ =1

4πFμ ν

∂Fν λ

∂xλ. (22.48)

Page 54: I Elektrostatik - bücher.de

446 IV Elektrodynamik

Die rechte Seite läßt sich in zwei Terme aufspalten

4π fμ =∂

∂xλ(Fμ ν Fν λ ) − Fν λ

∂Fμ ν

∂xλ. (22.49)

Der zweite Summand läßt sich noch weiter umformen, indem wir die Antisym-metrie des Feldtensors benutzen und beim dritten Schritt die Maxwellgleichung(22.33b) substituieren:

Fν λ∂Fμ ν

∂xλ=

12

Fν λ∂Fμ ν

∂xλ+

12

Fλ ν∂Fμ λ

∂xν=

12

Fν λ

(∂Fμ ν

∂xλ+

∂Fλ μ

∂xν

)

= −12

Fν λ∂Fν λ

∂xμ= −1

4∂

∂xμ(Fν λ Fν λ ) = −1

4δμ λ

∂∂xλ

(Fσ τ Fσ τ ).

Damit ergibt sich für die Kraftdichte

fμ =1

4π∂

∂xλ

(Fμ ν Fν λ +

14

δμ λ Fσ τ Fσ τ

)oder fμ =

∂Tμ λ

∂xλ(22.50)

mit dem symmetrischen Energie-Impuls-Tensor

Tμ λ =1

(Fμ ν Fν λ +

14

δμ λ Fσ τ Fσ τ

). (22.51)

Die Elemente dieses Tensors lauten ausgeschrieben

(Tμ ν ) =

⎛⎜⎜⎝

T11 T12 T13 − icg1

T21 T22 T23 − icg2

T31 T32 T33 − icg3

− icg1 − icg2 − icg3 u

⎞⎟⎟⎠ . (22.52)

Hierin bedeuten

�g =1

4πc�E × �B =

1c2

�S (22.53)

die elektromagnetische Impulsdichte, die über den Faktor c2 mit dem Poynting-Vektor verbunden ist und

u =E2 + B2

8π(22.54)

die Energie des Feldes.

Die Elemente

Ti j =1

(EiE j + BiB j −

12

δ i j(E2 + B2)

)(22.55)

bilden den dreidimensionalen Maxwellschen Spannungstensor (vergleichen Siemit den früheren Resultaten aus Kapitel 13, Gleichungen (13.31)–(13.37)). AusGleichung (22.48) können wir entnehmen, daß die Spur des Energie-Impuls-Tensors verschwindet, denn

Spur(T ) = Tμ μ =1

(Fμ ν Fν μ + 4 · 1

4Fσ τ Fσ τ

)= 0. (22.56)

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23 Relativistisch-kovarianter Lagrange-Formalismus 447

Erhaltungssätze: Durch Volumenintegration über die räumlichen Komponentender Viererkraftdichte ergibt sich die Zeitableitung des mechanischen Impulses. MitGleichung (22.47) folgt

∂Pk

∂t=∫

V

fk dV =∫ ∂Tki

∂xidV −

∫ ∂∂t

gk dV oder

ddt

(�P + �G) =∫

V

�∇ · T dV =∮

O

�n · T dF, (22.57)

also der Impulserhaltungssatz, wobei wir �G =∫

V �g dV mit dem elektromagneti-schen Feldimpuls identifizieren: Die Zeitableitung des gesamten (mechanischenFeld-) Impulses ist gleich dem durch die Oberfläche fließenden Impuls (also Nullfür abgeschlossene Systeme).

Die verbleibende vierte Komponente

f4 =ic�E ·�j = − i

c�∇ ·�S +

1ic

· ∂u∂t

(22.58)

liefert integriert den Energieerhaltungssatz∫ (

�E ·�j +∂u∂t

)dV =

∂∂t

(W + U) = −∫

V

�∇ ·�S dV = −∮

�n ·�S dF.

Hier bezeichnet W die mechanische und U die Feldenergie im Volumen V . Fürabgeschlossene Systeme verschwindet wieder die rechte Seite.

Bei der Herleitung der Erhaltungssätze aus Gleichung (22.47) fällt auf, daß dieElemente (F14, F24, F34) des Energie-Impuls-Tensors als − ic�g interpretiert werden,während (F41, F42, F43) die Bedeutung von − i/c · �S besitzen. Also folgt hieraus allgemeinen Überlegungen wegen der Symmetrie des Tensors die Beziehung�S = c2�g, die bisher eher zufällig erschien. Tatsächlich handelt es sich hier umdie Masse-Energie-Beziehung E = mc2 bezogen auf den Energiestrom und dieImpulsdichte (= Massenstromdichte) des elektromagnetischen Feldes.

23 Relativistisch-kovarianterLagrange-Formalismus

In diesem Kapitel wollen wir die relativistisch-kovariante Formulierung der La-grangeschen Gleichungen der Mechanik besprechen. Deshalb erinnern wir kurzan die wesentlichen Züge der Lagrangeschen Formulierung der Punktmechanik.Eckpfeiler jener Theorie ist das Hamiltonsche Variationsprinzip. Es besagt, daßdas Zeitintegral über die Lagrange-Funktion L(q1, q2, . . . ; q1, q2, . . . ; t) extremalsein soll, d. h.

δt2∫

t1

dt L(q1, q2, . . . ; q1, q2, . . . ; t) = 0 (23.1)