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I . MEINUNGSSTANDII . VERORTUNG IN DER FALLLÖSUNGIII . UMGEKEHRTER ETBIIV. PUTATIVNOTWEHREXZESS

Der Erlaubnistatbestandsirrtum

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„Wrap up“: Irrtümer auf Tatbestandsebene

Irrtümer über Tatbestandsmerkmale:

Verkennung Annahme Verkennung Annahme Verkennung Annahme

Versuch 16 I 1 Wahndelikt Parallelwertung Irrelevant Irrelevant id Laiensphäre

(Tatbestandsirrtum) Umgekehrter Subsumtionsirrtum Subsumtionsirrtum

Deskriptive Normative Wertende

Tatbestands- irrtum

Umgekehrter Tatbestands-irrtum

Subsumtions- irrtum

Umgekehrter Subsumtions-irrtum

Sonderfall!

Sonderfall!

Kein Vorsatz16 I 1 StGB

Versuchs-strafbarkeit

Strafbarkeit +/-Parallel-wertung id Laiensphäre

Keine Strafbarkeit Wahndelikt

StrafbarIrrtum irrelevant

StraflosIrrtum irrelevant

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Fall 1: BGH NStZ 2012, 272: „Hells Angels“

T ist Mitglied der Hells Angels. Von Bekannten erfährt er, dass B, ein Mitglied der verfeindeten „Bandidos“, einen Mordanschlag auf ihn plant. Zur selben Zeit erlässt das Amtsgericht wegen des Verdachts einer Straftat im Rotlichtmilieu einen Durchsuchungsbeschluss gegen T. Um eine ungestörte Durchsuchung zu ermöglichen, soll der als gewaltbereit eingeschätzte T von einem Spezialeinsatzkommando im Schlaf überrascht werden.

T wird jedoch durch die Aufbrucharbeiten an seiner Wohnungstür geweckt. Nachdem T das Licht eingeschaltet hat und trotz seines Zurufes „Verpisst euch“ die Arbeiten fortgesetzt werden, sieht sich T in seiner Vermutung, es handele sich um den geplanten Anschlag der Bandidos, bestätigt.

In dieser von ihm als lebensbedrohlich empfundenen Situation gibt T, der damit rechnet, er könne alsbald durch die Tür von den vermeintlichen Angreifern beschossen werden, zu seiner Verteidigung zwei Schüsse auf die Tür ab. Einer der Schüsse trifft den Polizeibeamten O tödlich. Nunmehr geben sich die Polizeibeamten zu erkennen, woraufhin T sofort seine Waffe weglegt und ruft: „Wie könnt ihr so was machen? Warum habt ihr nicht geklingelt? Wieso gebt ihr euch nicht zu erkennen?“ Anschließend lässt sich T widerstandslos verhaften.

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Kommentare

Innenminister Rheinland-Pfalz (Lewentz): „Als Bürger und als Dienstherr der Polizei fühle ich mich nicht imstande, dieses Urteil zu akzeptieren. Ich muss es jedoch mit absolutem Unverständnis hinnehmen. [Dieses] Urteil (...) ermuntert Schwerstkriminelle in ihrem asozialen Tun.“

Pressemitteilung der deutschen Polizeigewerkschaft:„Den Schlusssatz ‚Im Namen des Volkes‘ hätten die Richter sich besser erspart, denn außer ihnen selbst versteht in Deutschland niemand dieses Urteil.“

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BGH NStZ 2012, 272: „Hells Angels“

Lösung des BGH:

I. TB des § 212 +

II. Rechtfertigung nach § 32 ?Gegenwärtiger rechtswidriger Angriff? (-)

III. Erlaubnistatbestandsirrtum?

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I. Meinungsstand

Strenge Schuldtheorie

Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen

Eingeschränkte Schuldtheorie

Rechtsfolgenverweisende eingeschränkte Schuldtheorie

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Strenge Schuldtheorie

Erlaubnistatbestandsirrtum wird nach § 17 behandelt

§ 16 I 1 erfasst lediglich Fälle des Tatbestandsirrtums; alle anderen Irrtümer sind demnach nach § 17 zu behandeln

Folge: (1) Vermeidbarer Verbotsirrtum: Bestrafung aus der

Vorsatztat, Möglichkeit der Milderung (2) Unvermeidbarer Verbotsirrtum: Keine Strafbarkeit

I. Meinungsstand

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Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen

Rechtfertigungsgründe sind negative Bestandteile eines „Gesamtunrechtstatbestandes“, die vom Vorsatz umfasst sein müssen

Beim Erlaubnistatbestandsirrtum entfällt somit der Vorsatz gemäß § 16 I 1 ( direkt ).

Folge: Keine Strafbarkeit wegen Vorsatztat Fahrlässigkeitsstrafbarkeit möglich (beachte § 15)

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(Reine) Eingeschränkte Schuldtheorie

Beim Erlaubnistatbestandsirrtum entfällt das Unrecht einer Vorsatztat

(das Unrecht, sich vorsätzlich rechtsfeindlich zu betätigen)§ 16 I 1 wird analog angewendet, der Vorsatz

entfällt.Folge:

Keine Strafbarkeit wegen Vorsatztat Fahrlässigkeitsstrafbarkeit möglich (beachte § 15)

I. Meinungsstand

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Rechtsfolgenverweisende (eingeschränkte) Schuldtheorie

Problem wird auf der Schuldebene gelöst.Erlaubnistatbestandsirrtum wird lediglich in

der Rechtsfolge dem § 16 I 1 (analog) untergeordnet.

Es entfällt nicht der Vorsatz, sondern die Vorsatzschuld.

Folge: Keine Strafbarkeit wegen Vorsatztat Fahrlässigkeitsstrafbarkeit möglich (beachte § 15)

I. Meinungsstand

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Praktische Auswirkungen des Meinungsstreits

I. Meinungsstand

Teilnahmestrafbarkeit Notwehr gegen den Irrenden

Meinungsstreit hat Konsequenzen für:

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Auswirkungen auf Teilnahmestrafbarkeit

Abwandlung Fall 1:

Die Verlobte V des T sieht aus dem Fenster, dass Polizeibeamte vor der Tür stehen. Sie ist der Meinung, T sei sich dessen ebenfalls bewusst. V gönnt den Polizisten eine „Abreibung“ und reicht T dessen Waffe.

Strafbarkeit der V?

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Auswirkungen auf Teilnahmestrafbarkeit

Strenge Schuldtheorie

Lehre von den negativen Tatbestands-merkmalen

Reine eingeschränkte Schuldtheorie

Rechtsfolgen-verweisendeeingeschränkte Schuldtheorie

§ 17: Bei vermeidbarem Verbotsirrtum entfällt die Schuld

§ 16 I 1 direkt:Vorsatz entfällt

§ 16 I 1 analog:Vorsatzunrecht entfällt

§ 16 I 1 analog in der Rechtsfolge:Vorsatzschuld entfällt

I. Meinungsstand

Teilnahmestraf-barkeit (+)

Teilnahmestraf-barkeit (-)

Lediglich mittelbare Täterschaft möglich

Teilnahmestraf-barkeit (-)

Lediglich mittelbare Täterschaft möglich

Teilnahmestraf-barkeit (+)

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Notwehr gegen den Irrenden

Fall 2:

O sieht wie T eine Frau verprügelt. T und F üben jedoch nur für eine Theaterszene. O möchte F zu Hilfe eilen und geht mit Faustschlägen auf T los. Nachdem O auf die Versuche des T, die Situation zu erklären, nicht reagiert, schlägt T (ein geübter Boxer) den O zu Boden, um sich zu verteidigen.

Ist T gemäß § 32 gerechtfertigt? I. Meinungsstand

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Notwehr gegen den Irrenden

Strenge Schuldtheorie

Lehre von den negativen Tatbestands-merkmalen

Reine eingeschränkte Schuldtheorie

Rechtsfolgen-verweisendeeingeschränkte Schuldtheorie

Vorsätzliches Handlungsunrecht besteht, lediglich Schuld entfällt

Vorsätzliches Handlungsunrecht entfällt

Vorsätzliches Handlungsunrecht entfällt

Vorsätzliches Handlungsunrecht besteht, lediglich Schuld entfällt

I. Meinungsstand

Angriff bleibt rechtswidrigNotwehr (+)

Angriff ist nicht rechtswidrigNotwehr ( - )

Defensiv-notstandsbefugnis möglich

Angriff ist nicht rechtswidrigNotwehr ( - )

Defensiv-notstandsbefugnis möglich

Angriff bleibt rechtswidrigNotwehr (+)

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Entscheidung des Meinungsstreits

Strenge Schuldtheorie

Lehre von den negativen Tatbestands-merkmalen

Reine eingeschränkte Schuldtheorie

Rechtsfolgen-verweisendeeingeschränkte Schuldtheorie

I. Meinungsstand

Kritik:T will objektiv rechtstreu handeln, irrt über tatsächliche Umstände.Entspricht Wertung des § 16 I 1, nicht des § 17.Bestrafung wg Vorsatzes ist nicht sachgerecht.

h.M.: (-)

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Entscheidung des Meinungsstreits

Strenge Schuldtheorie

Lehre von den negativen Tatbestands-merkmalen

Reine eingeschränkte Schuldtheorie

Rechtsfolgen-verweisendeeingeschränkte Schuldtheorie

I. Meinungsstand

Kritik:T will objektiv rechtstreu handeln, irrt über tatsächliche Umstände.Entspricht Wertung des § 16 I 1, nicht des § 17.

h.M.: (-)

Kritik:HM lehnt den zweistufigen Deliktsaufbau ab. Wertungs-unterschied zwischen TB und Rechtsfolge wird vernachlässigt.

h.M.: (-)

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Entscheidung des Meinungsstreits

Strenge Schuldtheorie

Lehre von den negativen Tatbestands-merkmalen

Reine eingeschränkte Schuldtheorie

Rechtsfolgen-verweisendeeingeschränkte Schuldtheorie

I. Meinungsstand

Kritik:T will objektiv rechtstreu handeln, irrt über tatsächliche Umstände.Entspricht Wertung des § 16 I 1, nicht des § 17.

h.M.: (-)

Kritik:HM lehnt den zweistufigen Deliktsaufbau ab. Wertungs-unterschied zwischen TB und Rechtsfolge wird vernachlässigt.

h.M.: (-)

Pro: Der Handlungsunwert wird aufgehoben, wenn der Täter von einer rechtfertigenden Sachlage ausgeht.

Kritik: Strafbarkeitslücken bei Teilnahme und Notwehr gegen den Irrenden

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Entscheidung des Meinungsstreits

Strenge Schuldtheorie

Lehre von den negativen Tatbestands-merkmalen

Reine eingeschränkte Schuldtheorie

Rechtsfolgen-verweisendeeingeschränkte Schuldtheorie

I. Meinungsstand

Kritik:T will objektiv rechtstreu handeln, irrt über tatsächliche Umstände.Entspricht Wertung des § 16 I 1, nicht des § 17.

h.M.: (-)

Kritik:HM lehnt den zweistufigen Deliktsaufbau ab. Wertungs-unterschied zwischen TB und Rechtsfolge wird vernachlässigt.

h.M.: (-)

Pro: Der Handlungsunwert wird aufgehoben, wenn der Täter von einer rechtfertigenden Sachlage ausgeht.

Kritik: Strafbarkeitslücken bei Teilnahme und Notwehr gegen den Irrenden

Kritik: Die Annahme eines Merkmals der „Vorsatzschuld“ wirke konstruiert.

Pro: Wertung des § 16 I 1 ist sachgerecht.Keine Strafbarkeitslücken

BGH: (+)

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Entscheidung des Meinungsstreits – Sicht der Rechtsprechung

BGH NStZ 2012, 272 (273):

„Die Voraussetzungen eines Irrtums über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes liegen vor. Dies führt gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 StGB zum Ausschluss der Vorsatzschuld.“

I. Meinungsstand

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Verortung in der Falllösung

A. Strafbarkeit des T wegen eines Vorsatzdelikts (§ 212)I. TatbestandII. Rechtswidrigkeit

- objektiv kein RechtfertigungsgrundIII. Schuld (alt.: Erlaubnistatbestandsirrtum)

1) Vorliegen eines ETBI- Wäre T nach dem vorgestellten SV gerechtfertigt?- Problem in Fall 1: Warnschuss erforderlich?

2) Darstellung des Meinungsstreits- Darstellung der Positionen- zum. Ablehnung der strengen Schuldtheorie

IV. Ergebnis: (-)

B. Strafbarkeit des T wegen eines Fahrlässigkeitsdelikts (§222)War das Nichtvorliegen einer rechtfertigenden Sachlage bei

Anwendung der gebotenen Sorgfalt objektiv erkenn- und vermeidbar?

II. Verortung in der Falllösung

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Ergebnis Fall 1

T hat sich nicht strafbar gemacht.

II. Verortung in der Falllösung

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Verortung in der Falllösung

C. Strafbarkeit des TeilnehmersI. Tatbestand

1) Objektiver TBa) Vorsätzliche rechtswidrige Haupttat

- Darstellung des Meinungsstreits

- Hier Entscheidung erforderlich!

(...)

II. Verortung in der Falllösung

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Umgekehrter Erlaubnistatbestandsirrtum

Fall 3:Zwischen den Eheleuten Tatjana (T) und Otfried (O) kommt es häufiger zu Auseinandersetzungen mit tätlichem Ausgang. Eines Tages gerät man in Streit. O will T gerade eine kräftige Backpfeife versetzen und holt deshalb mit der Hand zu einem Schlag aus. T missversteht das Verhalten und glaubt an eine Versöhnungsgeste. Dazu hat sie aber keine Lust. Deshalb kommt sie O zuvor und stößt ihn vehement zurück, so dass O – wie von T miteinkalkuliert und gewollt –nach hinten gegen ein scharfkantiges Bücherregal fällt und sich Prellungen zuzieht.

Strafbarkeit der T?

Lesen: OLG Celle v. 25.1.2013, Anm. Jahn, JuS 2013, S. 1042.

III. Umgekehrter Erlaubnistatbestandsirrtum

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Umgekehrter Erlaubnistatbestandsirrtum

I. Tatbestand: § 223 Abs. 1 StGB (+)II. Rechtswidrigkeit?

Rechtfertigung durch Notwehr, § 32 StGB?1) Notwehrlage: gegenwärtiger rechtswidriger

Angriff (+) 2) Notwehrhandlung: Erforderlich und geboten (+)3) Subjektives Rechtfertigungselement?

III. Umgekehrter Erlaubnistatbestandsirrtum

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Umgekehrter Erlaubnistatbestandsirrtum

I. Tatbestand: § 223 Abs. 1 StGB (+)II. Rechtswidrigkeit?

Rechtfertigung durch Notwehr, § 32 StGB?1) Notwehrlage: gegenwärtiger rechtswidriger

Angriff (+) 2) Notwehrhandlung: Erforderlich und geboten (+)3) Subjektives Rechtfertigungselement?

Wie wirkt sich der Umstand aus, dass T gar nicht von einem gegen sie gerichteten Angriff ausging?

III. Umgekehrter Erlaubnistatbestandsirrtum

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Umgekehrter Erlaubnistatbestandsirrtum

Lösungswege:

Frühere Meinung: Heute einhellige Meinung:Vorliegen der objektiven Subjektives Element erforderlichNotwehrvoraussetzungen zur (vollen) Rechtfertigung ausreichend

Strittig: Konsequenzen bei fehlendem Verteidigungswillen?

eA: Vollendungslösung, § 223 + aA: Versuchslösung, §§ 223, 22+ - Rechtfertigungswirkung entfällt - Teilweise Rechtfertigungswirkung- Bestrafung aus vollendeter Tat - Bestrafung allein wegen Versuchs

III. Umgekehrter Erlaubnistatbestandsirrtum

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Umgekehrter Erlaubnistatbestandsirrtum

Abwandlung zu Fall 3:T stößt den O, als dieser zum Schlag ausholt, nicht gezielt zurück. Vielmehr schüttet die T dem O infolge einer Ungeschicklichkeit heißen Kaffee auf das Bein. Mit einem Aufschrei zieht der „verbrannte“ O den ausgeholten Arm zurück. Unterstellen Sie, dass der Kaffeeaufguss nach Lage der Dinge zur Abwehr des von T gar nicht erkannten Angriffs erforderlich war.

Strafbarkeit der T nach § 229 StGB?

Problem: Rechtfertigung fahrlässiger Tat trotz fehlendemsubjektivem Rechtfertigungselement

III. Umgekehrter Erlaubnistatbestandsirrtum

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Umgekehrter Erlaubnistatbestandsirrtum

Problem: Rechtfertigung fahrlässiger Tat trotz fehlendemsubjektivem Rechtfertigungselement

1. Meinung: Rechtfertigung grds -, wenn subjektives Rechtfertigungselement

fehlt (Anlehnung an Vollendungslösung)

2. Meinung : Rechtfertigung grds +; das Erfolgsunrecht ist zentral für das (+) Fahrlässigkeitsdelikt. Der Versuch eines Fahrlässigkeitsdelikts

ist nicht strafbar – daher keine Sanktionierung entsprechenden

Handlungsunrechts.

III. Umgekehrter Erlaubnistatbestandsirrtum

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Putativnotwehrexzess

Fall 4

T hat O die Freundin ausgespannt. Daraufhin hat O dem T "Rache geschworen". Eines Abends geht T allein spazieren. Da kommt ihm der O mit erhobenen Händen entgegen. T ist sicher, O werde gleich auf ihn einprügeln. Darüber gerät er so in Furcht, dass er die seit dem Racheschwur des O bei sich geführte Schusswaffe zieht und ohne die noch ohne Weiteres mögliche Vorwarnung einen gezielten Beinschuss auf den herannahenden O abgibt. Der im Oberschenkel getroffene O hatte freilich nichts Böses im Sinn – im Gegenteil, er wollte sich mit T aussprechen.

Strafbarkeit des T?

IV. Putativnotwehrexzess

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Putativnotwehrexzess

Zusammentreffen von:

Putativnotwehr: T geht irrtümlich davon aus, die Voraussetzungen der Notwehr lägen

vor

Exzess: T überschreitet die Grenzen der Notwehr

aus Furcht

IV. Putativnotwehrexzess

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Putativnotwehrexzess

Prüfung der Strafbarkeit des T gemäß 223 Abs. 1 StGB:

I. TB (+)II. Rechtswidrigkeit (+)

Notwehr: kein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff (-)

III. Erlaubnistatbestandsirrtum (-) Auch nach der von T vorgestellten Situation wären die Voraussetzungen des § 32 StGB mangels Erforderlichkeit nicht gegeben.

IV. Schuld: Anwendbarkeit von § 33 StGB (analog)?(1) Direkt: (-), da kein Notwehrrecht(2) Analog: ?

IV. Putativnotwehrexzess

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Putativnotwehrexzess

Anwendbarkeit von § 33 StGB analog auf den Putativnotwehrexzess?

Pro: Situation psychologisch vergleichbar.

Contra: Hintergrund der Privilegierung des § 33: der Angreifer hat die

Überreaktion veranlasst Wertungswiderspruch: Angreifer wäre beim reinen ETBInach hM wg Fahrlässigkeit strafbar. Bei darüber hinausgehendem Exzess kann nicht über § 33 Straffreiheit erlangt werden.

Lösung (hM): Grds. § 33 nicht analog anwendbar; T ist strafbar. Ausnahme: bei Unvermeidbarkeit oder Veranlassung des Irrtums durch den Angreifer

IV. Putativnotwehrexzess

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Zum Schluss

Noch viel Glück bei der Examensvorbereitung !!!!