Identifikation Von Determinant En Der Finanzierung

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3 Identifikation von Determinanten der Finanzierung in Familienunternehmen3.1 Konzeptioneller RahmenKern dieser Arbeit ist die Analyse des Finanzierungsverhaltens von Familienunternehmen. Dabei soll insbesondere den spezifischen Eigenschaften der Eigentmerfamilie und deren Auswirkungen auf Entscheidungen der Finanzierung Rechnung getragen werden. Es gilt, diejenigen Faktoren und Eigenschaften eines Familienunternehmens zu bestimmen, die einen Einfluss auf das Finanzierungsverhalten haben. Hierzu werden sowohl allgemeine Finanzierungsdeterminanten (z.B. Unternehmensgre, -alter und -branche), die unabhngig vom Status eines Familienunternehmens bestehen, als auch fr Familienunternehmen spezifische Finanzierungsdeterminanten betrachtet. Letztere entstehen vorwiegend durch den mageblichen Einfluss der Eigentmerfamilie auf Finanzierungsentscheidungen. Dieser Einfluss manifestiert sich insbesondere in den Zielen der Eigentmerfamilie und den Corporate-Governance-Strukturen im Unternehmen. Diese wirken sich wiederum auf strategische Entscheidungen sowie die Unternehmensfinanzierung aus. Die spezifischen Ziele der Eigentmerfamilie knnen sich sowohl auf die Familie selbst als auch auf das Unternehmen fokussieren. Die Ausgestaltung der Corporate Governance ist durch die Eigentmerstruktur, die Besetzung der Geschftsfhrung und die Existenz eines Kontrollgremiums bedingt. Je nach Ausgestaltung dieser Corporate-Governance-Elemente existieren neben den Zielen der Eigentmerfamilie weitere Einflussfaktoren auf die Unternehmensfinanzierung. Demzufolge gliedert sich die Identifikation und Betrachtung der Finanzierungsdeterminanten in drei Bereiche: (i) allgemeine Unternehmenseigenschaften einesteils und (ii) Ziele der Eigentmerfamilie und (iii) Corporate-Governance-Strukturen als spezifische Finanzierungsdeterminanten andernteils (siehe Abbildung 3). Die Analyse des Finanzierungsverhaltens gliedert sich im Rahmen dieser Arbeit in zwei Teilkomponenten. Es gilt, den Einfluss der Finanzierungsdeterminanten sowohl auf (i) die Ausgestaltung des Finanzmanagements als auch (ii) die Nutzung von Finanzierungsinstrumenten zu untersuchen, um ein ganzheitliches Verstndnis fr Finanzierungsentscheidungen in Familienunternehmen zu erlangen.

S. Schraml, Finanzierung von Familienunternehmen, DOI 10.1007/978-3-8349-8474-6_3, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011

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3 Identifikation von Determinanten der Finanzierung in Familienunternehmen

Allgemeine Determinanten der Finanzierung Allgemeine Unternehmenseigenschaften

Spezifische Determinanten der Finanzierung

Ziele der Eigentmerfamilie

Corporate-GovernanceStrukturen

Ausgestaltung der Finanzierung Finanzmanagement Nutzung von Finanzierungsinstrumenten

Abbildung 3: Konzeptioneller Rahmen der Arbeit 54

Mehrere Theorien und wissenschaftliche Anstze55 ermglichen eine detaillierte Analyse dieser Finanzierungsdeterminanten und damit auch ein tieferes Verstndnis des Finanzierungsverhaltens von Familienunternehmen. Die in dieser Arbeit bercksichtigten Theorien umfassen verschiedene Perspektiven. So werden sowohl Anstze der Finanzierungstheorie als auch Anstze der Organisations- und Managementtheorie herangezogen. Dabei entspringen einige der Anstze zwar dem gleichen grundlegenden Gedankengebude, z.B. der Neuen Institutionenkonomik, tragen aber dennoch durch ihren spezifischen und fokussierten Blickwinkel unterschiedliche Erkenntnisse zur Lsung der Fragestellungen bei.

3.2 Allgemeine Finanzierungsdeterminanten 3.2.1 Einfhrende berlegungenDie im Folgenden vorgestellten allgemeinen Finanzierungsdeterminanten werden zum einen aus den traditionellen Finanzierungstheorien abgeleitet (Kapitel 3.2.2) und zum anderen den Erkenntnissen empirischer Arbeiten (Kapitel 3.2.3) entnommen (siehe Abbildung 4). Sie beziehen sich vorwiegend auf Unternehmenseigenschaften und stellen zentrale Entscheidungsfaktoren in der Unternehmensfinanzierung dar. Je nach

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Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. Wolf (2003) fr eine Abgrenzung zwischen Theorien und theoretischen Anstzen.

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Ausprgung knnen sie potentielle Finanzierungsmglichkeiten eines Unternehmens erweitern aber auch einschrnken.

Diskussion allgemeiner Finanzierungsdeterminanten in Familienunternehmen

Traditionelle Finanzierungstheorien

Allgemeine, empirisch geprfte Finanzierungsdeterminanten Unternehmensgre Unternehmensalter Unternehmensbranche Unternehmenswachstum

Neoklassische Finanzierungstheorie

Neue institutionenkonomische Finanzierungstheorie Informationskonomische Trade-Off-Theorie Signaltheorie Pecking-Order-Theorie

Irrelevanztheorem Trade-Off-Theorie

Abbildung 4: Diskussion allgemeiner Determinanten der Finanzierung56

Zu beachten ist, dass sich die Erluterungen zu den allgemeinen Finanzierungsdeterminanten in Kapitel 3.2 auf alle Unternehmenstypen beziehen, unabhngig von der Existenz eines Familieneinflusses. Sie stellen fr jegliches Unternehmen Determinanten der Finanzierung dar und sind nur bedingt von der Eigentmerfamilie beeinflussbar. Denn ein Teil der Aspekte spiegelt von Kapitalgebern vorgegebene Anforderungen an Unternehmenseigenschaften wider. Damit integrieren die folgenden Betrachtungen in Teilen auch die Perspektive externer Finanzierungspartner. Desweiteren wird bei der Erluterung traditioneller Finanzierungstheorien eine Bewertung dieser Theorien hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit auf Familienunternehmen vorgenommen. Dabei gilt es, die Grenzen dieser Theorien zur Erklrung von Finanzierungsentscheidungen in Familienunternehmen aufzuzeigen und die Notwendigkeit der Betrachtung spezifischer Determinanten der Finanzierung herauszustellen.

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Quelle: Eigene Darstellung.

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3 Identifikation von Determinanten der Finanzierung in Familienunternehmen

Gleichwohl stellt die Analyse einzelner Unternehmenseigenschaften vor dem Hintergrund der sehr heterogenen Familienunternehmen einen zwar noch allgemeinen, aber dennoch hilfreichen ersten Schritt fr das Verstndnis von Finanzierungsentscheidungen in Familienunternehmen dar. Empirische Studien, die es sich zum Ziel setzten, Finanzierungsdeterminanten der traditionellen Finanzierungstheorie zu belegen, konnten meist keine eindeutigen Ergebnisse erzielen und brachten zudem weitere, theoretisch oftmals eher vernachlssigte Finanzierungsdeterminanten hervor.57 Damit weisen partialanalytische Untersuchungen von Unternehmenseigenschaften hufig ein greres Erklrungspotential auf als die oftmals sehr abstrakten theoretischen Modelle. Daher werden nach der Erluterung traditioneller Finanzierungstheorien zentrale Unternehmenseigenschaften, die sich in empirischen Untersuchungen als relevante Finanzierungsdeterminanten hervorheben, vorgestellt.58 Aufgrund des grundlegenden Charakters allgemeiner Unternehmenseigenschaften als Finanzierungsdeterminanten, werden diese zwar nach der Vorstellung traditioneller Finanzierungstheorien erlutert, stellen aber nicht den Kern der vorliegenden Arbeit dar. Vielmehr dienen sie im Rahmen der empirischen Untersuchungen in Kapitel 5 als Kontrollvariablen. Damit einhergehend werden sie auch nicht in die Hypothesenbildung in Kapitel 4 einflieen.

3.2.2 Traditionelle Finanzierungstheorien3.2.2.1 Neoklassische Finanzierungstheorie Die Neoklassik entspringt der Mikrokonomik und basiert auf dem Prinzip des homo oeconomicus. Sie setzt rational handelnde und den eigenen Nutzen maximierende Marktteilnehmer voraus, deren vielfltige Interaktionen und komplexe Beziehungen nicht thematisiert werden.59 Im Rahmen finanzwirtschaftlicher berlegungen unter-

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Vgl. Harris/Raviv (1991) fr eine Auflistung empirischer Studien und der teilweise widersprchlichen Ergebnisse. Diese Faktoren erheben dabei keinen Anspruch auf Vollstndigkeit, vielmehr reflektieren sie solche Unternehmenseigenschaften, die fr privat gehaltene Familienunternehmen erhoben werden knnen und auch in bestehenden Studien zur Finanzierung von Familienunternehmen Einsatz gefunden haben. Insbesondere aufgrund der eingeschrnkten Datenverfgbarkeit werden Unternehmenseigenschaften, wie Profitabilitt und Unternehmensperformance auen vor gelassen. Vgl. Kirchgssner (2000), S. 12-27.

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stellt die Neoklassik somit einen vollkommenen Kapitalmarkt,60 auf dem Zahlungsstrme gehandelt werden und sowohl Nachfrage als auch Angebot direkt aufeinander treffen. Eine der zentralen Fragestellungen der neoklassischen Finanzierungstheorie betrifft die Relevanz von Kapitalstrukturentscheidungen.61 Die Kapitalstruktur bildet das Verhltnis von Finanzierungsformen zueinander ab. Dabei werden Finanzierungsformen, die dem Eigenkapital zuzurechnen sind, solchen, die dem Fremdkapital zuzuordnen sind, gegenbergestellt. Die Kapitalstruktur ist ein grundlegendes Forschungsobjekt wissenschaftlicher Untersuchungen der Unternehmensfinanzierung. Oftmals ist sie Ausgangspunkt fr weiterfhrende Analysen der Kausalzusammenhnge zwischen Kapitalstruktur und Unternehmensperformance oder Unternehmenswert.62 Fr den Zweck dieser Arbeit greift eine reine Betrachtung der Kapitalstruktur zu kurz. Eine umfassende Untersuchung und ein tiefgehendes Verstndnis des Finanzierungsverhaltens von Familienunternehmen bedrfen der detaillierteren Betrachtung der Unternehmensfinanzierung. So gilt es, nicht nur die aggregierte Kenngre der Kapitalstruktur zu untersuchen, sondern die Nutzung einzelner Finanzierungsinstrumente sowie die Ausgestaltung des Finanzmanagements zu analysieren. Dennoch bieten die neoklassischen Kapitalstrukturtheorien eine wichtige Grundlage fr das Verstndnis finanzwirtschaftlicher Entscheidungen und werden nachfolgend erlutert und diskutiert. Das vordergrndige Ziel neoklassisch orientierter Untersuchungen ist eine formal-theoretische Diskussion isoliert betrachteter Kapitalstrukturdeterminanten und die Ableitung einer optimalen Kapitalstruktur.63 Diese normativen Betrachtungen vernachlssigen dabei weitgehend unternehmensspezifische Eigenheiten und bedrfen einer Erweiterung, die in Kapitel 3.2.3, 3.3 und 0 vorgenommen wird.

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Ein vollkommener (oder synonym: perfekter) Kapitalmarkt zeichnet sich durch die NichtExistenz von Transaktionskosten und Steuern (Friktionslosigkeit) aus. Darber hinaus setzt er Informationseffizienz, rational handelnde Marktteilnehmer, die ihren Nutzen maximieren, sowie freien Kapitalmarktzugang fr alle Marktteilnehmer voraus, vgl. hierzu Copeland/Weston/Shastri (2005), S. 353-354. Fr eine ausfhrliche Abgrenzung und Definition der Begriffe vollkommen und vollstndig, vgl. Schmidt/Terberger (1997), S. 91. Vgl. Nemec (1999), S. 54; Schmidt/Terberger (1997), S. 55-66. Vgl. u.a. Chaganti/Damanpour (1991); Short (1994); Anderson (2002). Vgl. u.a. DeAngelo/Masulis (1980); Myers (1984); Myers/Majluf (1984).

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MODIGLIANI/MILLER legten im Jahr 1958 den Grundstein fr kapitalstrukturtheoretische Arbeiten.64 Das von ihnen vorgestellte Irrelevanztheorem basiert auf der Annahme eines vollkommenen Kapitalmarkts65 und der Zuordnung von Unternehmen zu spezifischen Risikoklassen anhand ihres Aktienrenditeprofils. Sie postulieren unter den getroffenen Annahmen die Unabhngigkeit des Marktwerts eines Unternehmens von der Kapitalstruktur. Ihren modelltheoretischen berlegungen zufolge ergibt sich der Marktwert durch Umfang und Risikoklasse der vom Unternehmen generierten Cashflows.66 Demzufolge bedingen vielmehr Investitions-, jedoch nicht Finanzierungsentscheidungen den Marktwert eines Unternehmens. Aufgrund der sehr starken, theoretischen Vereinfachung rufen die Forschungsergebnisse von MODIGLIANI/MILLER (1958) zahlreiche Kritiker hervor.67 Kernpunkt der Kritik ist die fehlende Anwendungsmglichkeit der Ergebnisse in der Praxis aufgrund der realittsfremden Annahme eines vollkommenen Kapitalmarkts. Besonders schwer wiegt dabei die Nichtbeachtung von Steuern, Insolvenzkosten68 und Informationsasymmetrien. Diese Kritikpunkte gelten fr die Analyse von Finanzierungsentscheidungen im Allgemeinen aber insbesondere auch fr privat gehaltene Familienunternehmen, da deren Finanzierung beispielsweise sehr stark von Informationsasymmetrien geprgt ist und auch die Verhinderung einer Insolvenz eine zentrale Rolle in der Finanzierung spielt. Gleichwohl oder sogar aufgrund der genannten Unzulnglichkeiten stellt das Irrelevanztheorem einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung theoretischer Anstze der Unternehmensfinanzierung dar, denn es bietet einen wichtigen Ausgangspunkt fr die Entwicklung weiterer Forschungsanstze, die schrittweise die in der Realitt bestehenden Einflussgren der Finanzierung bercksichtigen.

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Siehe Aussagen von Harris/Raviv (1991) und Jensen/Meckling (1976). Vgl. Funote 60. Vgl. Modigliani/Miller (1958). Zu den Kritikern zhlen insbesondere diejenigen Wissenschaftler, die finanztheoretische berlegungen weiter voran getrieben haben, u.a. Jensen/Meckling (1976); DeAngelo/Masulis (1980); Myers (1984); Myers/Majluf (1984). MODIGLIANI/MILLER widerrufen im Jahr 1963 ihr Irrelevanztheorem, indem sie die steuerlichen Vorteile der Aufnahme von Fremdkapital in ihre Betrachtungen einbeziehen, vgl. Modigliani/Miller (1963). Zudem greift MILLER im Jahr 1977 die Bedeutung von Steuern auf Personenund Unternehmensebene auf, argumentiert aber dennoch: I will argue that even in a world in which interest payments are fully deductible in computing corporate income taxes, the value of the firm, in equilibrium will still be independent of its capital structure, Miller (1977), S. 262.

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Zu diesen zhlt auch die Trade-Off-Theorie, die insbesondere den Kritikpunkt der fehlenden Betrachtung der Steuern und Insolvenzkosten aufgreift. KRAUS/LITZENBERGER (1973) entwickelten ein formales Modell zur Bercksichtigung von Steuern und Insolvenzkosten in finanztheoretische berlegungen.69 Eine der wesentlichen Arbeiten zur detaillierten Beachtung von Steuern erstellten DEANGELO/MASULIS (1980). Sie schlieen in ihre Analysen zur optimalen Wahl der Finanzierungsstruktur Steuern auf Personen- und Unternehmensebene sowie steuerliche Vorteile aus nichtfremdkapitalbasierten Steuerabzgen (sogenannte non-debt tax shields, wie beispielsweise Abschreibungen) mit ein. Sie argumentieren, dass aufgrund der steuerlichen Abzugsfhigkeit von Fremdkapitalkosten (tax shield) profitable Unternehmen, die nur in geringem Mae von non-debt tax shields profitieren knnen, eine Erhhung des Fremdkapitalanteils vornehmen sollten.70 Zudem ist die Existenz potentieller Insolvenzkosten, welche mit zunehmendem Fremdkapitalanteil und sinkender Profitabilitt steigen,71 zu bercksichtigen. Wie auch MYERS (1984) errtert, gilt es also bei der Bestimmung des Fremdkapitalanteils in der Finanzierung ein Gleichgewicht im Sinne eines Trade-Offs zwischen marginalen Insolvenzkosten und Vorteilen der steuerlichen Abzugsfhigkeit zu suchen.72 Folglich stellen finanzkonomische berlegungen im Sinne niedriger Insolvenzkosten und der Realisierung von Steuerersparnissen wichtige Entscheidungsfaktoren dar. So wrden beispielsweise eine hohe Profitabilitt und hohe Steuerstze fr eine starke Aufnahme von Fremdkapital sprechen. Die Existenz hoher Insolvenzkosten dagegen fr eine eher niedrige Fremdkapitalquote.73 Inwiefern diese Kriterien jedoch das tat-

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Vgl. Kraus/Litzenberger (1973), S. 912-922. Vgl. DeAngelo/Masulis (1980). Ein weiteres zentrales Argument fr dieses Verhalten ist die angenommene asymmetrische Besteuerung von Gewinnen und die Subventionierung von Verlusten. Dies verleitet profitable Unternehmen mit geringer Volatilitt zur verstrkten Nutzung von Fremdkapital. Vgl. Fama/French (2002), S. 6. Vgl. DeAngelo/Masulis (1980); Myers (1984), S. 577-581. Zur Diskussion der Relevanz von Insolvenzkosten fr Kapitalstrukturentscheidungen, vgl. u.a. Scott (1977); Altman (1984). Fr einen allgemeinen berblick zur Betrachtung von Insolvenzkosten, vgl. Brigham/Ehrhardt (2002), S. 678-679.

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Fr eine Anwendung der grundstzlichen berlegungen der steuerorientierten Trade-Off-Theorie auf Familienunternehmen, vgl. Lpez-Gracia/Snchez-Andjar (2007), S. 272-273.

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schliche Finanzierungsverhalten bestimmen, hngt von der bereinstimmung mit den theoretischen Annahmen dieser neoklassischen Modelle ab. So lsst sich beispielsweise die Fokussierung auf Steuerersparnisse als Treiber der Fremdkapitalfinanzierung kritisieren, zumal Fremdkapitalfinanzierung bereits in Zeiten Anwendung fand, in denen Unternehmenssteuern noch nicht existierten.74 Fr den speziellen Fall der Familienunternehmen ist zudem zu beachten, in welchem Ausma finanzkonomische berlegungen Teil der Zielstruktur der Eigentmerfamilie sind und welches Gewicht ihnen in der Entscheidungsfindung zugewiesen wird. Zwar wird die explizite Bercksichtigung von Insolvenzkosten dem stark ausgeprgten Sicherheitsstreben von Familienunternehmen gerecht, da ein Scheitern des Unternehmens sich auch auf die persnlichen Finanzen der Eigentmerfamilie auswirkt.75 ZELLWEGER (2006b) zeigt jedoch, dass Familienunternehmen das Erzielen von Steuerersparnissen durch die Aufnahme von Fremdkapital als eher unbedeutendes Ziel der Finanzierung einstufen.76 Analog kommen auch LPEZ-GRACIA/SNCHEZ-ANDJAR (2007) zum Ergebnis, dass Steuern keinen signifikanten Einfluss auf die Finanzierungswahl von Familienunternehmen aufweisen.77 Darber hinaus vernachlssigt die Trade-Off-Theorie weitere wichtige Finanzierungsziele der Eigentmerfamilie, da diese nicht nur von der Gewinnmaximierung angetrieben werden, sondern beispielsweise auch nach Unabhngigkeit und Kontrolle streben.78 Diese Vernachlssigung spiegelt sich auch in der fehlenden Differenzierung zwischen internem und externem Eigenkapital wider. Die Nutzung von externem Eigenkapital weist im Vergleich zu internem Eigenkapital genau entgegengesetzte Konsequenzen fr die Unabhngigkeit des Familienunternehmens auf, so dass eine Zusammenfassung beider Finanzierungsquellen zu einer allgemeinen Kategorie Eigenkapital gewisse Fehlinterpretationen birgt. Damit ist der Erklrungsbeitrag neoklassischer Finanzierungstheorien zum Verstndnis des Finanzierungsverhaltens von Familienunternehmen stark eingeschrnkt.

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Vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 333; Frank/Goyal (2007), S. 2. Vgl. Mishra/McConaughy (1999), S. 53-54. Vgl. Zellweger (2006b), S. 52-53. Vgl. Lpez-Gracia/Snchez-Andjar (2007), S. 279. Siehe Schilderungen in Kapitel 3.3.3.

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3.2.2.2 Neue institutionenkonomische Finanzierungstheorie Die Neoklassik ist aufgrund ihrer sehr starren modelltheoretischen Annahmen, insbesondere hinsichtlich der Annahme eines vollkommenen Kapitalmarkts, durch eine groe Realittsferne gekennzeichnet. Um die Schwchen der neoklassischen Theorie zu berwinden und die Anwendungsmglichkeiten der konomik zu erweitern, forcierten Wissenschaftler in den sechziger und siebziger Jahren die Entwicklung der Neuen Institutionenkonomik.79 Sie untersucht die Auswirkungen von Institutionen und formalen Strukturen auf das Verhalten der betroffenen Individuen. Institutionen sind dabei als Regelsysteme zur Vorgabe von Anreizsystemen und zur Steuerung von Verhaltensweisen zu verstehen.80 Beispiele hierfr sind Vertragswerke, Unternehmen oder sonstige Organisationen. Das Entstehen und die Ausgestaltung dieser Institutionen zur Bewltigung von Koordinationsproblemen zwischen Individuen bestimmen die Forschungsbereiche der Neuen Institutionenkonomik und sind eine wertvolle Weiterentwicklung der Neoklassik.81 Die Ausgestaltung der Unternehmensfinanzierung stellt einen zentralen Anwendungsbereich der Neuen Institutionenkonomik dar. Zu beachten ist, dass die Neue Institutionenkonomik kein einheitliches Theoriegebude zur Verfgung stellt, sondern von drei Forschungsstrngen reprsentiert wird, die das grundlegende Gedankengebude mit unterschiedlichem Fokus detaillieren. Hierzu zhlen (i) die Prinzipal-Agenten-Theorie, (ii) die Transaktionskostentheorie und (iii) die Verfgungsrechtetheorie.82 Diese drei Anstze basieren ihre Untersuchungen auf die ihnen gemeinsame Annahme eines unvollkommenen Kapitalmarkts, der sich durch die Existenz von Informationsasymmetrien, Transaktionskosten und den eigenen Nutzen maximierenden Individuen auszeichnet. Beziehungen und deren Eigenschaften zwischen miteinander agierenden Individuen werden explizit betrachtet.

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Die grundstzliche Argumentation der Neuen Institutionenkonomik lsst sich auf die Arbeit von Coase (1937) zurckfhren. Er verwies auf die Bedeutung von Institutionen, indem er bereits die kritische Frage stellte: But in view of the fact that it is usually argued that co-ordination will be done by the price mechanism, why is such organisation necessary?, Coase (1937), S. 388. Vgl. Richter/Furubotn (2003), S. 7; Schmidt/Terberger (1997), S. 387. Vgl. Picot/Dietl/Franck (2008), S. 34, 45-46. Zur Prinzipal-Agenten-Theorie, vgl. u.a. Jensen/Meckling (1976); Eisenhardt (1989). Zur Verfgungsrechtetheorie, vgl. u.a. Alchian/Demsetz (1972); Furubotn/Pejovich (1972). Zur Transaktionskostentheorie, vgl. Coase (1937); Teece (1984); Williamson (1985).

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Damit sind die Annahmen der Neuen Institutionenkonomik weit weniger realittsfremd als die Argumente der zuvor vorgestellten Theorien. Insbesondere die Bercksichtigung von Informationsasymmetrien prgte grundlegende Forschungsstrnge und Weiterentwicklungen der Finanzierungstheorie. Hierzu sind die Arbeiten von JENSEN/MECKLING (1976), ROSS (1973) und FAMA/JENSEN (1983) wegweisend. Sie fundieren ihre Aussagen auf kooperativen Beziehungen zwischen einem oder mehreren Auftraggebern, den Prinzipalen, und den Agenten, an die sie eine Aufgabe oder Entscheidung delegieren. ROSS (1973) beschreibt diese Beziehung folgendermaen: an agency relationship has arisen between two (or more) parties when one, designated as the agent, acts for, on behalf of, or as representative for the other, designated the principal, in a particular domain of decision problems.83 Prinzipal als auch Agent streben im Rahmen dieser Beziehung die Maximierung ihres persnlichen Nutzens an. Hufig divergieren jedoch die Ziele und zu verfolgenden Interessen von Prinzipal und Agent. Dies kann zu sogenannten Prinzipal-AgentenKonflikten fhren. Das Handeln des Agenten beeinflusst nicht nur dessen eigene Zielfunktion, sondern auch das Nutzenniveau des Prinzipals. Zudem kann der Prinzipal das Verhalten des Agenten aufgrund der Informationsasymmetrien nicht vollstndig beobachten, so dass sich fr den Agenten die Mglichkeit opportunistischen Handelns ergibt. Unterschiedliche Anstrengungen zur Reduzierung dieser Probleme bestehen, fhren jedoch zu sogenannten Agency-Kosten. Diese spiegeln den Aufwand fr Anstrengungen zur berwachung des Agenten durch den Prinzipal (monitoring costs) und zur freiwilligen Einschrnkung der Handlungsfreirume durch den Agenten (bonding costs) wider. Hinzu kommt der allgemeine Wohlfahrtsverlust des Prinzipals, da das Verhalten des Agenten von den Idealvorstellungen des Prinzipals abweicht (residual loss).84 Je nach Zeitpunkt des Zustandekommens der Prinzipal-Agenten-Konflikte werden diese nach der adversen Selektion (vor Vertragsabschluss) und dem moralischen Risiko (nach Vertragsabschluss) unterschieden.85 Die adverse Selektion umfasst das Problem

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Ross (1973), S. 134. Vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 308. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 61.

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der Unsicherheit des Prinzipals hinsichtlich der Qualitt des Agenten vor Zustandekommen des Vertrags. Aufgrund der asymmetrischen Informationsverteilung knnte der Agent seinen Informationsvorsprung ausnutzen und flschliche Informationen ber die eigene Qualitt kommunizieren. Dies kann eine Negativauslese hervorrufen und zu einem Marktversagen fhren, da Agenten mit schlechter Qualitt diejenigen mit guter Qualitt verdrngen knnten und sich die Prinzipale folglich aus dem Markt zurckziehen wrden.86 Aktivitten, die zwar Kosten verursachen, aber diesem Problem entgegenwirken, sind seitens des Agenten die proaktive Kommunikation und Bereitstellung von Gewhrleistungen (signaling) und seitens des Prinzipals intensive Prfmechanismen (screening). Der Prinzipal-Agenten-Konflikt des moralischen Risikos (moral hazard) behandelt Probleme, die aufgrund des fr den Agenten existierenden Spielraums fr opportunistisches Handeln nach Vertragsabschluss entstehen knnen. Der Prinzipal ist durch die Informationsasymmetrie einer Unsicherheit hinsichtlich des Verhaltens des Agenten ausgesetzt. Dieser kann aufgrund der begrenzten Beobachtbarkeit seiner Handlungen, Entscheidungen und Verhaltensweisen whlen, die den eigenen Nutzen erhhen, jedoch zu Lasten des Prinzipals gehen. Die Reduzierung des Arbeitseinsatzes, versteckter Konsum und eine strittige Investitionspolitik sind die in der Literatur vorwiegend diskutierten Ausprgungen der Moral-Hazard-Problematik.87 Dieses theoretische Fundament der Prinzipal-Agenten-Theorie wurde in zahlreichen Publikationen auf das Finanzierungsverhalten von Unternehmen angewendet, so dass die Finanzierungstheorie der Neoklassik einer grundlegenden Weiterentwicklung unterlaufen ist. Die informationskonomische Trade-Off-Theorie88 zur Bestimmung einer optimalen Kapitalstruktur zhlt zu den zentralsten Weiterentwicklungen im Rahmen der Finanzierungstheorie. Sie fokussiert Agency-Kosten, die nach Vertragsabschluss bzw. nach der Wahl der Finanzierungsform entstehen. Sie basiert auf der

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Vgl. Akerlof (1970). Vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 317-323. Sowohl der steuerorientierte Ansatz, u.a. von DeAngelo/Masulis (1980), als auch der agencytheoretische Ansatz von Jensen/Meckling (1976), der Agency-Kosten nach Kapitalzugang erfasst (und Steuern sowie Insolvenzkosten nicht bercksichtigt), werden in der Literatur als Trade-OffTheorien bezeichnet, vgl. Fama/French (2002).

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Grundannahme, dass nach Vertragsabschluss zwischen Kapitalnehmer und -geber opportunistisches Handeln des Kapitalnehmers zu Lasten des Kapitalgebers auftritt. Ein mgliches Szenario fr opportunistisches Handeln und die daraus folgenden Agency-Kosten stellt die Aufnahme von externem Eigenkapital dar. In diesem Fall muss der Eigentmer-Manager die Kosten fr seine Nutzenmaximierung durch den Konsum finanzieller und nicht-finanzieller Ressourcen nicht mehr selbst in voller Hhe tragen und knnte diesen (versteckten) Konsum auf Kosten des neuen Mitgesellschafters erhhen. Dieser wiederum htte dann Agency-Kosten aufgrund notwendiger berwachungsmechanismen als auch mglicher Wohlfahrtsverluste zu tragen. Es ist weiterhin davon auszugehen, dass der Kapitalgeber das opportunistische Verhalten des Kapitalnehmers antizipiert und die dadurch entstehenden Kosten bei der Kapitalvergabe im Preis bercksichtigt. Ein anderes Szenario mit ebenso resultierenden AgencyKosten stellt die Aufnahme von Fremdkapital dar. In diesem Fall existieren fr den Eigentmer-Manager erhhte Anreize, risikoreiche Investitionsprojekte zu verfolgen, da im Falle eines Projekterfolgs der Groteil des Gewinns ihm persnlich zu Gute kommt und im Falle eines Fehlschlags der Groteil der Verluste auf den nicht mehr bedienbaren Kreditgeber zurckfllt. Folglich entspringen hier die Agency-Kosten den gestiegenen Anreizen des Kapitalnehmers zur Verfolgung risikoreicher Investitionsprojekte, den folgenden Monitoring-Kosten der Kapitalgeber sowie den drohenden Insolvenzkosten.89 Auf Basis dieser jeweils entstehenden Kostenstrukturen postulieren JENSEN/MECKLING (1976) einen optimalen Mix von (internem als auch externem) Eigen- bzw. Fremdkapital, der einen Trade-Off der jeweils entstehenden Agency-Kosten ermglicht und diese im Gesamten minimiert. Dieser theoretische Ansatz scheint einen verbesserten Beitrag zur Erklrung des Finanzierungsverhaltens von Familienunternehmen leisten zu knnen. Zum einen be-

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Vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 312ff., 334ff. oder fr einen allgemeinen berblick, vgl. Harris/Raviv (1991), S. 300-306. Ein Instrument zur berwachung von Fremdkapitalnehmern sind sogenannte Covenants. Dies sind vertragliche Nebenbestimmungen der Kreditvertrge, die das Handeln der kapitalnehmenden Unternehmen dahingehend regeln, dass die finanziellen Ansprche der Kapitalgeber fortwhrend abgesichert sind, vgl. Smith/Warner (1979), S. 117-118; Baker/Wruck (1989), S. 169; Diem (2005), S. 88-89; Tirole (2006), S. 83-86. Zur Betrachtung der disziplinierenden Wirkung der Aufnahme von Fremdkapital im Fall von hohen, frei verfgbaren Cashflows auf die Prinzipal-Agenten-Beziehung zwischen externem Eigenkapitalgeber und Management (unter der Annahme der Trennung von Eigentum und Management im Unternehmen), vgl. Jensen (1986).

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trachten JENSEN/MECKLING (1976) das Szenario eines Eigentmer-Managers, welches fr viele Familienunternehmen zutrifft.90 Auerdem unterscheiden die Autoren zwischen internem und externem Eigenkapital. Zudem trgt die explizite Bercksichtigung von Informationsasymmetrien der Annahme Rechnung, dass privat gehaltene Familienunternehmen aufgrund ihrer geschlossenen Eigentmerschaft und der geringen Transparenzanforderungen hohe Informationsasymmetrien zwischen sich und potentiellen Kapitalgebern erzeugen.91 Andererseits argumentieren jedoch sowohl ANG (1992) als auch LPEZ-GRACIA/SNCHEZ-ANDJAR (2007), dass Familienunternehmen aufgrund ihrer persnlichen und informellen Zusammenarbeit mit Kapitalgebern, wie z.B. Banken, Informationsasymmetrien weitgehend reduzieren knnen,92 wodurch sich die Relevanz dieser Theorie wiederum verringern wrde. Zudem ergibt sich hinsichtlich der Bercksichtigung von Agency-Kosten eine groe praktische Hrde, da sich Agency-Kosten nur schwer operationalisieren und messen lassen.93 Darber hinaus weist die informationskonomische Trade-Off-Theorie Unzulnglichkeiten auf, die selbst JENSEN/MECKLING (1976) explizit in ihrer Arbeit erwhnen. Einen zentralen Kritikpunkt bildet die Fokussierung auf eine einzelne Entscheidung, ohne deren Nachwirkungen auf zuknftige Finanzierungsentscheidungen zu bercksichtigen. Die isolierte Betrachtung einer Periode ist realittsfremd, da ein Kapitalnehmer mit seinem Verhalten whrend einer Finanzierungsrunde bei Kapitalgebern einen Ruf aufbaut, der sich langfristig auf die Bereitschaft von Kapitalgebern zur Finanzierung des Unternehmens auswirkt. Folglich wird ein Kapitalnehmer sein Verhalten dahingehend optimieren, schdigendes Verhalten einzudmmen, um die zuknftige Finanzierung sicherzustellen. Durch dieses bewusste Verhalten reduzieren sich folglich die unterstellten Agency-Kosten der Finanzierungsbeziehung, so dass sich die Aussagekraft des informationskonomischen Trade-Offs einschrnkt.94 Dieser Kritikpunkt ist insbesondere fr Familienunternehmen relevant, da diese eine langfristige Ausrichtung beto-

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Vgl. ZEW (2008), S. 34-35; Klein (2004), S. 130-131. Vgl. Hall/Hutchinson/Michaelas (2000), S. 299; Brner et al. (2008), S. 3-4. Vgl. Ang (1992), S. 187-188, 194; Lpez-Gracia/Snchez-Andjar (2007), S. 278-279. Vgl. Barton/Matthews (1989), S. 2. Vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 351.

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nen95 und demnach auch ihre Finanzierung auf ein stabiles und nachhaltiges Fundament sttzen wollen. Ferner weisen JENSEN/MECKLING (1976) darauf hin, dass sie in ihrer Argumentation nur Aktien ohne Stimmrecht bercksichtigen.96 Folglich vernachlssigen sie all jene Konsequenzen der Finanzierung ber externes Eigenkapital, die die Unabhngigkeit und Kontrolle der Eigentmerfamilie beeintrchtigen. Somit findet ein weiteres wichtiges Ziel der Familie, der Erhalt der Unabhngigkeit, keine Bercksichtigung in der informationskonomischen Trade-Off-Theorie und schrnkt deren Anwendbarkeit fr Familienunternehmen weiter ein. Die Signal- und Pecking-Order-Theorien entsprechen wie die informationskonomische Trade-Off-Theorie einer Weiterentwicklung und Abwandlung der neoklassischen Modelltheorie. Die Kernmotivation dieser Erklrungsanstze rhrt von den starken Abweichungen empirisch belegter Finanzierungsstrukturen vom kapitalstrukturtheoretischen Optimum. Beide zielen daher nicht auf die Identifikation und Proklamation einer optimalen Kapitalstruktur ab, sondern zeigen weitere Kapitalstrukturdeterminanten auf. Dabei fundieren sie ihre Aussagen auch auf informationskonomische berlegungen. Sie leiten Kapitalstrukturentscheidungen aus der Betrachtung von Prinzipal-Agenten-Beziehungen zwischen kapitalsuchenden Unternehmen (Agent) und potentiellen Kapitalgebern (Prinzipal) vor Vertragsabschluss ab. Die Signaltheorie greift die insbesondere zu diesem Zeitpunkt bestehende stark asymmetrische Informationsverteilung ber die Qualitt eines Unternehmens auf. Den berlegungen von ROSS (1977) folgend, mssten Manager zum Abbau ihres Informationsvorsprungs ein positives Signal ber die wahrhaftige Gte des Unternehmens an die Kapitalgeber senden.97 Das aktive Aussenden von Signalen kann beispielsweise ber die Wahl einer Kapitalstruktur realisiert werden. Laut ROSS (1977) geben Manager mit der Wahl eines hohen Verschuldungsgrades ein Signal ber die positive Einschtzung der zuknftigen Unternehmensentwicklung ab, da sie zuversichtlich sind,

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Vgl. u.a. Ward (1997), S. 333; James (1999), S. 44; Le Breton-Miller/Miller (2006), S. 732-734; Miller/Le Breton-Miller (2006), S. 78. Siehe hierzu auch Schilderungen in Kapitel 3.3.3.3.3. Vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 351-352. Eine der Grundannahmen besteht darin, dass die Anreize fr die Manager so gesetzt sind (z.B. durch schwerwiegende Sanktionen), dass sie keine irrefhrenden oder falschen Signale aussenden, vgl. Ross (1977), S. 25ff.

96 97

3.2 Allgemeine Finanzierungsdeterminanten

35

die kontinuierlich auftretenden Zins- und Tilgungszahlungen zu stemmen.98 LELAND/PYLE (1977) verwenden in ihren Argumentationen auch die Signalhypothese und betrachten die Beteiligung des Managements oder des Eigentmers an einer Projektfinanzierung als positives Gtesignal.99 Dieser Ansatz ist grundstzlich schlssig, jedoch stellt sich im Kontext der in dieser Arbeit fokussierten Familienunternehmen die Frage, ob und wen Familienunternehmen mit Signalen bewusst adressieren. Zum einen existieren fr privat gehaltene Familienunternehmen weniger externe Kapitalgeber als fr ffentlich gelistete Unternehmen, zum zweiten zeichnen sie sich oftmals durch eine hohe Scheu gegenber Transparenz und Informationsweitergabe aus. Meist existiert nur ein begrenzter Kreis an eng verbundenen Kapitalgebern, denen Informationen ber die Unternehmensqualitt auch auf anderen Wegen zugnglich sind. Demzufolge ist es fraglich, inwiefern private Familienunternehmen eine bewusste Kommunikation an potentielle Kapitalgeber verfolgen und somit die Signaltheorie anwendbar ist.100 Whrend die Signaltheorie dem Konzept einer aktiven und bewussten Nachrichtenbermittlung folgt, sttzt sich die verwandte Pecking-Order-Theorie auf die Annahme passiver Signalaussendung. Ihre zentrale Aussage beruht auf einer Hackordnung (Pecking Order) der Nutzung von Finanzierungsinstrumenten. Diese uert sich in einer starken Prferenz fr interne Finanzierungsmittel im Vergleich zu externen Finanzierungsmitteln und im letzteren Fall in einer Vorliebe fr externes Fremdkapital im Vergleich zu externem Eigenkapital.101 In ihrer fundamentalen Arbeit erklren MYERS (1984) sowie MYERS/MAJLUF (1984) dies mit der asymmetrischen Informationsverteilung zwischen unternehmensinternen und -externen Personen (potentielle Kapitalgeber). Sie unterstellen, dass die Unsicherheit ber die Qualitt des Unternehmens in einer Fehlbewertung des Unternehmens durch externe Eigenkapitalinvestoren resultiert. Diese Bewertungsabweichungen haben zur Folge, dass Unternehmer im Fall einer berbewertung externes Eigenkapital aufnehmen und im Fall einer Unterbewertung externes Eigenkapital eher meiden, um stattdessen risikofreies Fremdkapital zu

98 99 100 101

Vgl. Ross (1977), S. 23, 25. Vgl. Leland/Pyle (1977), S. 372-380. Vgl. Zellweger (2006b), S. 54. Vgl. Myers (1984), S. 581.

36

3 Identifikation von Determinanten der Finanzierung in Familienunternehmen

nutzen oder sogar mgliche Investitionsprojekte zu verwerfen, was zu einer Unterinvestition fhren wrde.102 Mit diesem Verhalten senden die Unternehmen indirekt Signale ber ihre tatschliche Qualitt an die Kapitalgeber, so dass diese nur dann Eigenkapital investieren wrden, wenn sie den Grund fr die Bereitschaft des Unternehmens zur Eigenkapitalaufnahme auf ausgeschpfte Kapazitten der Fremdkapitalfinanzierung und nicht auf eine berwertung zurckfhren knnen. Demzufolge wrden auch die Investoren den Unternehmen eine gewisse Hackordnung auferlegen.103 Eine solche Rangfolge der Nutzung von Finanzierungsinstrumenten identifizierte auch DONALDSON (1961). Anhand empirischer Ergebnisse und persnlicher Beobachtungen stellt er eine klare Prferenz der Unternehmen fr interne finanzielle Ressourcen, wie beispielsweise einbehaltene Gewinne, fest. Falls diese internen Mittel nicht ausreichend sind und eine Ausweitung auf externes Kapital notwendig ist, wird zuerst Fremdkapital, insbesondere risikofreies oder -armes, in Betracht gezogen. Seinen Erkenntnissen folgend, bedenken die Unternehmen die Aufnahme von externem Eigenkapital erst nach Ausschpfung aller internen Quellen und externen Fremdkapitalquellen.104 Diese Rangfolge rhrt insbesondere von den Kosten der Finanzierung und den Zielstrukturen der Unternehmen her, die das Streben nach Unabhngigkeit und ungeteilter Kontrolle hoch bewerten. Die Pecking-Order-Theorie von DONALDSON (1961), MYERS (1984) und MYERS/MAJLUF (1984) kann fr Familienunternehmen von besonderer Relevanz sein, da sie auf tatschlichen Beobachtungen, auch von Finanzierungsentscheidungen in Familienunternehmen,105 fut und sich Familienunternehmen zudem vielfach durch ein sehr

102

Vgl. Myers (1984), S. 582-583; Myers/Majluf (1984), S. 188-190, 219. Mit der Aufnahme von externem Eigenkapital knnen somit nicht nur Transaktionskosten einhergehen sondern auch Verluste durch Fehlbewertungen aufgrund von Informationsasymmetrien bzw. durch Informationskosten, die der Aufklrung der Investoren dienen. Vgl. Myers (1984), S. 585. Vgl. Donaldson (1961), S. 67ff.; Myers (1984), S. 581ff. Fr eine bersicht zur Anwendung und Diskussion der Pecking-Order-Theorie in empirischen Studien, vgl. Harris/Raviv (1991), S. 306311. Studien von u.a. Mahrault (2000); Poutziouris (2001), Lpez-Gracia/Snchez-Andjar (2007) und Brner et al. (2008) wenden die Pecking-Order-Theorie zur Analyse von Finanzierungsentscheidungen in Familienunternehmen an.

103 104

105

3.2 Allgemeine Finanzierungsdeterminanten

37

niedriges Transparenzniveau auszeichnen.106 Familienunternehmen sehen sich somit in hohem Ausma sowohl Informationsasymmetrien als auch resultierenden Fehlbewertungen des Unternehmens ausgesetzt. Gleichwohl eine groe bereinstimmung des tatschlichen Finanzierungsverhaltens von Familienunternehmen und des unterstellten Nutzungsverhaltens der Pecking-Order-Theorie zutrifft, stellt sich die Frage, ob die Grnde fr diese Rangordnung tatschlich auf Informationsasymmetrien, Fehlbewertungen und drohende Unterinvestitionen zurck zu fhren sind. Vielmehr knnte die Angst vor einem Unabhngigkeits- und Kontrollverlust die Prferenz fr interne Finanzmittel und die Abneigung gegenber externem Eigenkapital erklren.107 3.2.2.3 Zusammenfassende kritische Betrachtung Unabhngig von ihrer hohen Bedeutung fr das grundlegende Verstndnis von Finanzierungsentscheidungen weisen die soeben vorgestellten, kapitalstrukturtheoretischen Anstze der Neoklassik und der Neuen Institutionenkonomik fr die bertragbarkeit auf die praktische Realitt einige Unzulnglichkeiten auf sowohl fr Unternehmen im Allgemeinen als auch Familienunternehmen im Speziellen. Die grten Kritikpunkte beziehen sich dabei auf die starken Vereinfachungen und die isolierte Betrachtung einzelner Fragestellungen, so dass sich nur schwer ein umfassendes Gefge zur Erklrung von in der Praxis existierendem Finanzierungsverhalten ergeben kann.108 Somit ist die Aussage von MYERS (1984): I do not want to sound too pessimistic or discouraged. We have accumulated many helpful insights into capital structure choice [] But our theories dont seem to explain actual financial behavior109, auch heute noch weitgehend gltig. Die Vereinfachungen ermglichen zwar die Entwicklung modelltheoretischer Anstze, limitieren aber gleichzeitig den Umfang des Erklrungspotentials. Insbesondere die Betrachtung von Zusammenhngen und Beziehungen auf Kapitalmrkten, bei denen

106

Vgl. Hall/Hutchinson/Michaelas (2000), S. 299; Brner et al. (2008), S. 3-4; Ali/Chen/Radhakrishnan (2007), S. 281. Vgl. Michaelas/Chittenden/Poutziouris (1998), S. 256. Vgl. Harris/Raviv (1991), S. 342, 350. Myers (1984), S. 575.

107 108 109

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3 Identifikation von Determinanten der Finanzierung in Familienunternehmen

Unternehmen lediglich als black boxes auftreten, greift zu kurz.110 Fr ein tiefgreifendes Verstndnis des Finanzierungsverhaltens, das im Idealfall ber die Betrachtung der Kapitalstruktur hinausgeht, bedarf es der Analyse von Personen, Prozessen und Entscheidungsrahmen in einem Unternehmen. Dem kann aber nur ber eine Erweiterung der vorgestellten Kapitalstrukturtheorien entsprochen werden.111 Diese Erweiterung entspricht der Notwendigkeit eines umfassenden Verstndnisses von Treibern der Finanzierungsentscheidungen in Familienunternehmen. Zum einen ist die Analyse von grundstzlichen Unternehmenseigenschaften, die zwar nicht direkt aus Theorien ableitbar sind, aber empirische Evidenz aufweisen, von Bedeutung (siehe Kapitel 3.2.3). Zum zweiten erfordert die Identifizierung von fr Familienunternehmen spezifischen Finanzierungsdeterminanten die Betrachtung von Zielen der im Unternehmen handelnden Entscheidungstrger. Strategie- und managementorientierte sowie verhaltenswissenschaftliche Anstze betonen die Notwendigkeit der Betrachtung komplexer Zielsysteme in Unternehmen. Dabei treten insbesondere solche Ziele, die ber eine reine finanzkonomische, vermgensmaximierende Motivation hinausgehen und einen starken Einfluss auf Finanzierungsentscheidungen haben, in den Vordergrund.112 Wie Kapitel 3.3.3 zeigen wird, weisen Familienunternehmen sehr spezifische Zielstrukturen auf, die sich von nicht-eigentmerdominierten Unternehmen mageblich unterscheiden knnen und Auswirkungen auf Finanzierungsentscheidungen haben. Durch die vereinfachte Betrachtung der Unternehmen als black box wird aber nicht nur die Analyse der Ziele der Entscheidungstrger, sondern auch die Betrachtung des Entscheidungsprozesses, resultierend aus der Struktur und dem Zusammenspiel zwischen Entscheidungstrgern, vernachlssigt. Die informationskonomische Trade-OffTheorie nach JENSEN/MECKLING (1976) greift zwar unterschiedliche PrinzipalAgenten-Konflikte und deren Kosten auf, doch auch diese bedrfen der Erweiterung. So weisen Familienunternehmen viele Besonderheiten in der Ausgestaltung ihrer Unternehmensfhrung und Corporate Governance aus (siehe Kapitel 3.4.3).

110

Vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 306-307; Barton/Gordon (1987), S. 68-69; Barton/Gordon (1988), S. 623. Die Pecking-Order-Theorie gibt bereits Hinweise auf die Relevanz der Prferenzen von Finanzverantwortlichen. Vgl. Barton/Gordon (1987); Barton/Gordon (1988); Matthews et al. (1994).

111

112

3.2 Allgemeine Finanzierungsdeterminanten

39

Je nach Struktur und Besetzung des Gesellschafterkreises und der Fhrungsbzw. Kontrollpositionen knnen zustzliche, im Rahmen der geschilderten Kapitalstrukturtheorien nicht betrachtete, unternehmensinterne Prinzipal-Agenten-Beziehungen auftreten, die sich auf die Finanzierung auswirken. Zustzlich sind die theoretischen Erluterungen der Prinzipal-Agenten-Theorie den Aussagen der fr Familienunternehmen relevanten Stewardship-Theorie gegenberzustellen. Darber hinaus gilt es auch, die Corporate Governance hinsichtlich ihrer Fhigkeiten und deren Auswirkungen auf die Finanzierung zu betrachten. Hierzu wird der Ressourcen-basierte Ansatz herangezogen. Auch diese Erweiterungen versprechen bei der Analyse des Finanzierungsverhaltens von Familienunternehmen einen zustzlichen Erklrungsbeitrag. Es ist somit grundstzlich festzustellen, dass eine allgemein gltige Finanzierungsregel nicht existiert. Die in dieser Arbeit fokussierte Zielgruppe der Familienunternehmen gestaltet sich zudem sehr heterogen. Es gibt kein typisches Familienunternehmen, fr das eine Entscheidungsfindung prognostiziert werden kann.113 Daher kann auch eine Ableitung einer optimalen Kapitalstruktur nicht stattfinden. Ziel der Arbeit ist vielmehr das Aufzeigen von Besonderheiten und damit die Untersuchung von fr Familienunternehmen spezifischen Determinanten der Finanzierung.

3.2.3 Allgemeine, empirisch geprfte Finanzierungsdeterminanten3.2.3.1 Unternehmensgre Die Gre des Unternehmens, in den meisten Untersuchungen gemessen anhand des Unternehmensumsatzes oder der Bilanzsumme, stellt vielfach einen limitierenden Faktor bei der Aufnahme von externem Kapital dar. Dabei ist die Unternehmensgre eine meist von externen Kapitalgebern auferlegte Finanzierungsdeterminante. Viele Kapitalgeber prferieren groe und damit auch etablierte Unternehmen. Fremdkapitalgeber tendieren beispielsweise dazu, groen Unternehmen eine hhere Stabilitt und breitere Diversifikation im operativen Geschft zu unterstellen. Folglich rechnen sie bei greren Unternehmen mit einem geringeren Insolvenzrisiko und

113

Zur hnlichen Problematik bei klein- und mittelstndische Unternehmen, vgl. Ang (1992), S. 199: There is no typical small business, consequently, there is no single prescription for financial decisions of such businesses.

40

3 Identifikation von Determinanten der Finanzierung in Familienunternehmen

demgem mit einer hheren Wahrscheinlichkeit der Erfllung von Zins- und Tilgungszahlungen.114 Dieses Verhalten der Kapitalgeber wrde auf eine hhere Verschuldungsmglichkeit grerer Unternehmen hinweisen. Diesen Zusammenhang konnten die Studien von beispielsweise ROMANO/TANEWSKI/SMYRNIOS (2001), COLEMAN/CARSKY (1999) und DAILEY/REUSCHLING/DEMONG (1977) hinsichtlich der Finanzierung mit Fremdkapital auch fr Familienunternehmen zeigen.115 Lnderspezifische Studien beispielsweise von RAJAN/ZINGALES (1995) zeigen jedoch auch gegenteilige Ergebnisse. Sie weisen darauf hin, dass in Deutschland kleinere Unternehmen hhere Fremdkapitalquoten als groe Unternehmen aufweisen.116 Den starken Rckgriff kleiner Unternehmen auf Fremdkapital konnten auch CHITTENDEN/HALL/HUTCHINSON (1996) insbesondere fr kurzfristiges Fremdkapital zeigen.117 Damit steht dieses Finanzierungsverhalten in Kontrast zu den oben angefhrten theoretischen berlegungen und einigen empirischen Beobachtungen in anderen Lndern. Eine Erklrungsmglichkeit fr die lnderspezifische Beobachtung knnte das spezifische banken- und kreditorientierte System der Unternehmensfinanzierung in Deutschland sein. Ein bankenorientiertes System, wie es in Deutschland besteht, zeichnet sich durch die dominante Rolle weniger Banken und die geringe Bedeutung ffentlicher Kapitalmrkte aus.118 Verstrkt durch die hohen Anforderungen ffentlicher Kapitalmrkte an die dort gelisteten Unternehmen scheint ein solches System insbesondere fr kleine Unternehmen eine starke Ausrichtung der Unternehmensfinanzierung auf Fremdkapital zu bewirken.

114

Vgl. u.a. Titman/Wessels (1988), S. 5-6. Grundstzlich existieren fr den angenommenen positiven Zusammenhang zwischen Unternehmensgre und Verschuldungsmglichkeit widersprchliche Ergebnisse. Fr eine Auflistung dieser Studien vgl. Wahl (2004), S. 100. Vgl. Romano/Tanewski/Smyrnios (2001), S. 300-302; Coleman/Carsky (1999), S. 80; Dailey/Reuschling/DeMong (1977), S. 31-33. CHITTENDEN/HALL/HUTCHINSON zeigen diesen Zusammenhang fr langfristiges Fremdkapital, vgl. Chittenden/Hall/Hutchinson (1996), S. 64. Vgl. Rajan/Zingales (1995), S. 1457. Vgl. Chittenden/Hall/Hutchinson (1996), S. 64. Vgl. fr einen berblick Audretsch/Elston (1997), S. 102-104. Im Gegensatz zum bankenorientierten System steht das kapitalmarktbasierte System, wie in den USA, das sich durch die starke Rolle der Kapitalmrkte und eine nur gering konzentrierte Bankenlandschaft charakterisieren lsst, vgl. Allen/Gale (1995), S. 180.

115

116 117 118

3.2 Allgemeine Finanzierungsdeterminanten

41

Eng verbunden mit den zuvor geschilderten Erkenntnissen zur Unternehmensgre ist die Thematik der Transaktionskosten.119 Dies sind Kosten der Anbahnung, Vereinbarung, Durchfhrung und berwachung120 einer Finanzierungsrunde und treten bei jedem Transfer von Kapital fr alle beteiligten Parteien auf. Damit stellen sie insbesondere fr kleine Unternehmen mit beschrnkten finanziellen Ressourcen eine Hrde zur Aufnahme externen Kapitals dar.121 Aus Perspektive der Kapitalgeber, insbesondere der Eigenkapitalgeber, werden Transaktionskosten als ein wichtiges Entscheidungskriterium bei der Vergabe finanzieller Ressourcen erachtet. Transaktionskosten stellen fr sie eine Einschrnkung ihrer Rendite auf das eingesetzte Kapital dar. Da Transaktionskosten zu einem groen Anteil eine fixe Kostenstruktur aufweisen, gehen kleinere Finanzierungen mit, relativ gesehen, hheren Transaktionskosten einher. Demzufolge reduzieren viele Kapitalgeber die absolute Anzahl an Einzeltransaktionen und vergeben Kapital nur in groen Volumina. Damit bevorzugen sie die Finanzierung von tendenziell greren Unternehmen. Dieses Verhalten ist insbesondere bei verbrieften Kapitalmarktprodukten oder privatem Beteiligungskapital zu beobachten. Kleinen und mittleren Unternehmen stehen diese Finanzierungsinstrumente daher nur eingeschrnkt zur Verfgung.122 Die KfW Bankengruppe sprach im Kontext des privaten Beteiligungskapitals sogar von einem ungedeckten Bedarf und einer Eigenkapitallcke fr Unternehmen mit einem Beteiligungsbedarf zwischen einer und fnf Millionen Euro.123 Die Deckelung nach unten beruht wiederum auf der spezifischen Marktstruktur in Deutschland.124 So-

119 120

Zur Transaktionskostentheorie, vgl. Coase (1937); Williamson (1985). Zur Unterscheidung von ex-ante und ex-post Transaktionskosten, vgl. Richter/Furubotn (2003), S. 58-62, 152. Vgl. u.a. Titman/Wessels (1988), S. 14; Cassar/Holmes (2003), S. 127. Vgl. Achleitner/Poech/Groth (2005), S. 17; Cassar/Holmes (2003), S. 127. Fr eine differenzierte Betrachtung von Fremdkapitalgebern und deren unterschiedlichen Anstzen bezglich der Bereitstellung von Kapital fr kleine und mittlere Unternehmen, vgl. Berger/Udell (2006). Vgl. KfW Bankengruppe (2003), S. 9, 11. Fr eine Beschreibung von Spezialprogrammen und von der Regierung untersttzen Frderungen kleiner Unternehmen, vgl. Audretsch/Elston (1997), S. 104-105. Zu beachten ist, dass die vorliegende Arbeit etablierte Familienunternehmen fokussiert und daher Venture Capital, das an junge Start-Up-Unternehmen mit einer kleinen Unternehmensgre vergeben wird, nicht betrachtet wird.

121 122

123 124

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3 Identifikation von Determinanten der Finanzierung in Familienunternehmen

genannte Mittelstndische Beteiligungsgesellschaften (MBG) bieten beispielsweise in einzelnen Bundeslndern im Sinne einer Selbsthilfeeinrichtung der Wirtschaft Einzelengagements bis zu einer Hhe von etwa einer Million Euro an. Dieses Angebot weist auf eine oftmals stark ausgeprgte lokale Versorgung der eher kleinen Unternehmen hin.125 Es bleibt also festzuhalten, dass die Unternehmensgre einen Einfluss auf das Finanzierungsverhalten aufweisen kann. Dies ist fr die vorliegende Untersuchung von Familienunternehmen eine wichtige Beobachtung, da ein Groteil der deutschen Familienunternehmen den kleinen und mittleren Unternehmen zuzurechnen ist.126 Da jedoch die Richtung des Greneffekts nicht eindeutig zu bestimmen ist, bedarf das Grenkriterium im Rahmen der empirischen Untersuchung in Kapitel 5 einer besonders reflektierten Betrachtung. Wie alle weiteren allgemeinen Unternehmenseigenschaften fliet die Unternehmensgre als Kontrollvariable in die empirischen Auswertungen ein. 3.2.3.2 Unternehmensalter Stark verbunden mit der Unternehmensgre sind das Alter und die Entwicklungsstufe eines Unternehmens. Alle drei Faktoren knnen die Reife eines Unternehmens abbilden. Das Unternehmensalter soll dennoch als separate Gre in die Betrachtungen und empirischen Auswertungen einflieen, da bei Familienunternehmen Alter und Unternehmensgre nicht selbstverstndlich korrelieren. So zeigen einige Studien beim Vergleich von Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen, dass Familienunternehmen zwar durchschnittlich lter, aber kleiner als Nicht-Familienunternehmen sind.127 hnlich wie im vorangegangenen Kapitel kann zur Entwicklungsstufe eines Unternehmens grundstzlich argumentiert werden, dass mit zunehmendem Unternehmensalter die Stabilitt der Cashflows und Gewinne steigt, das Ausfallrisiko fr Kapitalgeber

125 126 127

Vgl. u.a. Dailey/Reuschling/DeMong (1977), S. 32; Van Auken (2001), S. 247. Vgl. IfM Bonn (2007), S. 20-23. Vgl. Kotey (2005b), S. 13; Gallo/Tpies/Cappuyns (2004), S. 317; Klein (2000), S. 162; Westhead/Cowling (1998), S. 44, 48.

3.2 Allgemeine Finanzierungsdeterminanten

43

sinkt und daher mehr externes Kapital in Anspruch genommen werden kann.128 Gleichzeitig lsst sich aber auch der umgekehrte Zusammenhang aus Sicht der Unternehmen schlussfolgern. Etablierte Unternehmen mit stabilen Gewinnen und oftmals eher moderatem Wachstum knnen ihren Finanzierungsbedarf auch durch Innenfinanzierung decken. Im Vergleich zu sehr jungen Unternehmen, die im Extremfall nur negative Cashflows aufweisen, sind reife Unternehmen nicht mehr so stark auf externe Kapitalgeber angewiesen. Insbesondere wenn sie nur mige Wachstumschancen und damit einen begrenzten Finanzierungsbedarf aufweisen.129 Es lsst sich also folgern, dass sich mit fortschreitender Unternehmensentwicklung die durch die Kapitalgeber bestimmten Mglichkeiten der Finanzierung mit externen Mitteln erhhen, sich jedoch gleichzeitig auch die Mglichkeiten der Finanzierung durch interne Mittel tendenziell verbessern. Daher ist die Nutzung der mit dem Unternehmensalter steigenden externen Optionen auch von der Profitabilitt und dem Finanzierungsbedarf der Unternehmen abhngig. Fr diese Zusammenhnge lassen sich in empirischen Untersuchungen nur teilweise Belege finden. Die generelle Bedeutung des Faktors Alter in der Finanzierung von Familienunternehmen zeigen beispielsweise Studien von LPEZ-GRACIA/SNCHEZANDJAR (2007), COLEMAN/CARSKY (1999) und CHITTENDEN/HALL/HUTCHINSON (1996).130 Zudem beobachten PETERSEN/RAJAN (1994), dass sich mit zunehmendem Alter und damit auch mit intensiveren Finanzierungsbeziehungen zwischen Kapitalnehmer und -geber, sowohl die Verfgbarkeit als auch die Konditionen von Finanzierungsinstrumenten verbessern knnen.131 Dieses Ergebnis entspricht den in Kapitel 3.2.2.2 bereits erluterten informationskonomischen berlegungen.

128

Vgl. Berger/Udell (1998), S. 622-623; Van Auken (2001), S. 242. BERGER/UDELL (1998) sprechen trotz der nicht perfekten Korrelation zwischen Gre und Alter von einem size-age continuum. Demzufolge steigt mit Gre und Alter die (Mglichkeit der) Nutzung externer Finanzmittel. Vgl. u.a. Coleman/Carsky (1999), S. 75, 80; Chittenden/Hall/Hutchinson (1996), S. 65. Vgl. Lpez-Gracia/Snchez-Andjar (2007), S. 280; Coleman/Carsky (1999), S. 80; Chittenden/Hall/Hutchinson (1996), S. 64-65. Vgl. Petersen/Rajan (1994), S. 14-15, 26, 35-36.

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3 Identifikation von Determinanten der Finanzierung in Familienunternehmen

Im Gegensatz dazu konnten die Untersuchungen von beispielsweise ROMANO/TANEWSKI/SMYRNIOS (2001) und GALLO/VILASECA (1996) keinen signifikanten Zusammenhang zwischen Unternehmensalter und Finanzierungsverhalten identifizieren.132 Diese gegenstzlichen Beobachtungen mgen die eher seltene Verwendung des Unternehmensalters als Erklrungsvariable der Finanzierung erklren. 3.2.3.3 Unternehmensbranche Eine weitere allgemeine Finanzierungsdeterminante ist die Unternehmensbranche. Einzelne Industrien knnen sich sehr stark in der Volatilitt des operativen Geschfts und der Gewinne unterscheiden, so dass sich die Branchenzugehrigkeit auch auf die Finanzierungsmglichkeiten der Unternehmen auswirkt. Zudem variiert mit der Industrie und dem Geschftsmodell auch der Finanzierungsbedarf eines Unternehmens.133 So zhlt beispielsweise das produzierende Gewerbe zu den sehr kapitalintensiven Industrien, da hohe Investitionen in das Anlagevermgen notwendig sind und der Bedarf fr externes Kapital stark ausgeprgt ist. Demzufolge zeigen einige empirische Studien, dass sich Unternehmen der gleichen Industrieklassifikation in ihrem Finanzierungsverhalten hneln und ber Industrieklassifikationen hinweg unterscheiden. Dabei fokussieren sich bestehende Untersuchungen meist auf die Analyse des Verschuldungsgrads und der Nutzung spezifischer Finanzierungsinstrumente, die sich zur Finanzierung kapitalintensiver Maschinenparks (z.B. Leasing) eignen.134 Dabei bestehen auch fr die Unternehmensbranche als Finanzierungsdeterminante nicht nur eindeutige empirische Ergebnisse.135 Dennoch soll die Industrieklassifikation als relevante Kontrollvariable in die empirischen Untersuchungen dieser Arbeit einflieen, da ihre Erklrungskraft fr viele Belange der Unterneh-

132 133

Vgl. Romano/Tanewski/Smyrnios (2001), S. 301; Gallo/Vilaseca (1996), S. 394. Vgl. Ferri/Jones (1979), S. 631. In einigen Studien werden Branchenklassifizierung und Unternehmensrisiko (Volatilitt) als jeweils eigenstndige Variablen untersucht, vgl. u.a. Titman/Wessels (1988), S. 6. Vgl. u.a. Coleman/Carsky (1999), S. 80-81; Harris/Raviv (1991), S. 333-334; Bradley/Jarrell/Kim (1984), S. 869. Untersuchungen von beispielsweise Romano/Tanewski/Smyrnios (2001) und Cassar/Holmes (2003) konnten keinen signifikanten Einfluss der Branchenklassifizierung auf die Finanzierung in Familienunternehmen zeigen, vgl. Romano/Tanewski/Smyrnios (2001), S. 301-303; Cassar/Holmes (2003), S. 136.

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3.2 Allgemeine Finanzierungsdeterminanten

45

mensfinanzierung als hoch eingeschtzt wird. Deutsche Familienunternehmen finden sich in sehr unterschiedlichen Industrien wieder,136 so dass sich interessante Erkenntnisse fr das Finanzierungsverhalten ergeben knnten. 3.2.3.4 Unternehmenswachstum Grundstzlich ist zwischen Unternehmen mit zuknftig groen Wachstumschancen und Unternehmen mit einem bereits hohen erzielten Unternehmenswachstum zu unterscheiden. Erstere stehen groen Investitionsmglichkeiten gegenber. Um den daraus resultierenden Finanzierungsbedarf zu decken, reichen die intern generierten finanziellen Ressourcen oftmals nicht aus, so dass sie sich verstrkt externen Finanzierungsmglichkeiten zuwenden.137 Analog zeigen Studien von COLEMAN/CARSKY (1999), CASSAR/HOLMES (2003) und RICHTER/ENGLISCH/RETTING (2005), dass Unternehmen, die bereits ein starkes Wachstum realisiert haben, eine diversifiziertere Finanzierungsstruktur aufweisen.138 Gleichzeitig lsst sich aber auch argumentieren, dass wachstumsstarke Unternehmen im Falle von profitablem Wachstum auch ber umfassende Mglichkeiten zur Finanzierung ihres Kapitalbedarfs ber interne Mittel verfgen sollten, so dass sich der Umfang an externer Finanzierung reduziert.139 Somit knnte das erzielte Unternehmenswachstums als Proxy fr die Verfgbarkeit interner Mittel dienen. Demnach wrde ein negativer Zusammenhang zwischen profitablem Unternehmenswachstum und der Nutzung externer Finanzierungsinstrumente die Aussagen der Pecking-Order-Theorie sttzen.140 Diese ungeklrten Zusammenhnge bedingen sich vorwiegend durch die komplexen Wechselbeziehungen zwischen erzieltem Unternehmenswachstum, zuknftigen Wachstumschancen und der Finanzierung, die sich nicht eindeutig auflsen lassen. Folglich ist die Operationalisierung und Interpretation der Variable Unternehmens-

136 137 138

Vgl. Klein (2004), S. 48-51. Vgl. Lpez-Gracia/Snchez-Andjar (2007), S. 274. Vgl. Coleman/Carsky (1999), S. 81; Cassar/Holmes (2003), S. 138, 141; Richter/Englisch/Retting (2005), S. 8. Vgl. Brailsford/Oliver/Pua (2002), S. 11; Lpez-Gracia/Snchez-Andjar (2007), S. 274. Vgl. Myers (1984), S. 589.

139 140

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3 Identifikation von Determinanten der Finanzierung in Familienunternehmen

wachstum fr die Wirkungsrichtung des Zusammenhangs entscheidend. Zudem ist zu beachten, dass Unternehmenswachstum auf unterschiedlichste Art und Weise gemessen werden kann und sich auch dadurch Abweichungen in den Ergebnissen einzelner Studien ergeben knnen.141

3.3 Ziele der Eigentmerfamilie als spezifische Finanzierungsdeterminanten 3.3.1 Einfhrende berlegungenZiele stellen einen in der Zukunft angestrebten Zustand dar. Sie weisen meist eine sehr greifbare Formulierung auf und unterscheiden sich damit sehr stark von eher vage formulierten Visionen.142 Sie bilden richtungsweisende Leitlinien des Handelns ab, die es ermglichen, Krfte und Interessen zu bndeln und bewusst einzusetzen. Gleichzeitig erlauben sie eine berwachung der Handlung einzelner Individuen, da sie bei der Prfung der Zielerreichung sowohl Erfolg als auch Misserfolg sichtbar machen.143 Ziele weisen zwar vorwiegend eine griffige und einfache Formulierung auf, ihr Zustandekommen ist jedoch oftmals sehr komplex. Da sie Fundamentalentscheidungen hinsichtlich der Zukunft abbilden, ist ihre Definition von zentraler Bedeutung und bedarf der genauen Abstimmung zwischen den betroffenen Parteien. In Familienunternehmen kann sich dieser Prozess zustzlich erschweren. Durch die starke berlappung zwischen Familie und Unternehmen144 mssen die jeweiligen Ziele der beiden Systeme miteinander vereinbart werden. Da sich aber die Werte und Ziele von Familie und Unternehmen meist stark unterscheiden, kann es zu Konflikten in der Zielbildung eines Familienunternehmens kommen. So ergeben sich beispielsweise bei Themen, wie Ausschttungspolitik und Vergtung, hufig Streitpunkte. Daher stellt sich bei Famili-

141

Wachstum kann beispielsweise anhand der Vernderungen des Umsatzes, der Mitarbeiterzahl oder des Unternehmensvermgens gemessen werden. Desweiteren ist zu klren, ber welchen Zeitraum hinweg die Vernderungen in der gewhlten Mazahl erfasst werden. Vgl. Bea/Haas (2005), S. 67. Vgl. Baus (2007), S. 87. Vgl. Holland/Boulton (1984), S. 17-18; Tagiuri/Davis (1996), S. 200-206. Siehe zudem die Erluterungen in Kapitel 2.1.

142 143 144

3.3 Ziele der Eigentmerfamilie als spezifische Finanzierungsdeterminanten

47

enunternehmen die Frage, ob die festzulegenden Ziele eher der Familie (family first) oder dem Unternehmen (business first) dienen.145 Darber hinaus ist zu beachten, dass die zu verfolgenden Ziele in Familienunternehmen nicht nur von einer gleichgesinnten Gruppe oder gar einer Person bestimmt werden. Das Dreikreis-Modell von GERSICK ET AL. (1997) zeigt, dass Individuen eines Familienunternehmens verschiedenen Kategorien im Rahmen der berlappung der Systeme Familie, Unternehmen und Eigentum zugeordnet werden knnen (siehe Abbildung 5).146

Familie

5

Unternehmen

1 4

7 6 3 Eigentum

2

Abbildung 5: Subsysteme und Rollen in Familienunternehmen147

Je nach Zugehrigkeit weisen die einzelnen Personen eine unterschiedliche Rolle und damit auch Zielausprgung auf.148 Zieldifferenzen knnen sich beispielsweise zwischen aktiv in der Geschftsfhrung ttigen Familiengesellschaftern (Bereich 7), nichtaktiven Familiengesellschaftern (Bereich 4) und reinen Familienmitgliedern (Bereich 1) ergeben. Zudem wirft hufig die Zusammenarbeit zwischen aus der Familie stam-

145 146

Vgl. Ward (1987), S. 6; Reid et al. (1998), S. 55-58; Gersick et al. (1997), S. 7. Vgl. Gersick et al. (1997), S. 6. Durch die berlappung der drei Systeme ergeben sich potentiell sieben Zugehrigkeitskategorien, denen Personen im Kontext eines Familienunternehmens zuzuordnen sind. Quelle: In Anlehnung an Gersick et al. (1997), S. 6. Vgl. Tagiuri/Davis (1996), S. 201-203.

147 148

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3 Identifikation von Determinanten der Finanzierung in Familienunternehmen

menden Managern (Bereich 5 oder 7) und externen Fremdmanagern (Bereich 2 oder 6) Konflikte hinsichtlich der Definition von Zielen auf. Eng verbunden mit der Analyse der Ziele der Eigentmerfamilie ist die Frage nach der organisatorischen Einbindung der Familie und den Kontextgegebenheiten. Diese bestimmen sich durch die Eigenschaften und den Zusammenhalt der Familie einesteils (Family Governance) und den Strukturen der Unternehmensfhrung andernteils (Corporate Governance).149 Dabei ist zu beachten, dass nur die Systeme Unternehmen und Eigentum formal vorgegebene Strukturen und stabilisierende Regeln aufweisen. Die Familie und ihre Angehrigen unterliegen dagegen keinen offiziellen Entscheidungswegen und Regeln.150 Kapitel 0 greift explizit diese Ausprgungen und Konsequenzen der Corporate Governance auf, um aufzuzeigen, inwiefern neben den individuell geprgten Zielen der Familie auch die organisatorischen Strukturen der Corporate Governance auf Unternehmensentscheidungen und damit auch das Finanzierungsverhalten Einfluss nehmen.

3.3.2 Relevanz von Zielen aus theoretischer SichtWie zuvor erlutert, stellen Ziele ein komplexes Konstrukt in Familienunternehmen dar. Ihre Rolle als Finanzierungsdeterminante in Familienunternehmen ist noch weitgehend unerforscht. Dennoch existieren einige theoretische Anstze, die die hohe Relevanz der ganzheitlichen Erfassung von Zielstrukturen zur Erklrung von unternehmerischen Verhaltensweisen aufzeigen. Indem sich die Theorien auf die vielfltigen Beweggrnde von Eigentmern und Managern fokussieren, tragen sie einigen Unzulnglichkeiten traditioneller Finanzierungstheorien Rechnung.

149

Unter Family Governance ist die interne Organisationsstruktur der Eigentmerfamilie zu verstehen, die u.a. dem Management von Konflikten, Sonderrechten und Rollen einzelner Familienmitglieder im Unternehmen dient, vgl. Koeberle-Schmid/Ntzel (2005), S. 22-23. Im Gegensatz dazu regelt die Corporate Governance die Leitung und Kontrolle des Unternehmens im Sinne aller Anspruchsgruppen, vgl. Witt (2003), S. 1. Eine detaillierte Definition der Corporate Governance findet sich in Kapitel 3.4.1.

150

Vgl. Baus (2007), S. 15. Beispiele fr solche Regelungen und Strukturen sind Gesellschaftervertrge, Gesellschafterversammlungen, Geschftsordnungen und Kontrollorgane, wie z.B. ein Beirat.

3.3 Ziele der Eigentmerfamilie als spezifische Finanzierungsdeterminanten

49

3.3.2.1 Strategie- und managementorientierter Ansatz Den Kritikpunkt der zu stark vereinfachenden Annahmen der traditionellen Kapitalstrukturtheorien greifen insbesondere BARTON/GORDON (1987, 1988) und BARTON/MATTHEWS (1989) in ihren Arbeiten zum sogenannten strategy paradigm auf.151 Sie argumentieren, dass sich das Augenmerk der Analyse von Finanzierungsentscheidungen auf komplexe Zusammenhnge innerhalb eines Unternehmens und den Entscheidungshorizont der Eigentmer und des Managements sttzen muss. Vor dem Hintergrund dieser Forderung wird deutlich, dass sich die finanzkonomischen Theorien nur zur Erklrung von Kapitalmarkt-bezogenen Beziehungen eignen und Mechanismen auf Ebene der individuellen Unternehmen auen vor lassen.152 Das Ziel der Vertreter des strategy paradigm ist es folglich, Erkenntnisse der strategischen Managementliteratur in die Finanzierungstheorie zu transferieren, um ein verbessertes Verstndnis des Finanzierungsverhaltens auf Unternehmensebene zu ermglichen. Dabei berufen sie sich auch auf Vorarbeiten von ANDREWS (1987), der sich im Rahmen seiner Untersuchungen zu Finanzierungsentscheidungen ebenso fr eine Bercksichtigung strategischer berlegungen ausspricht.153 Er schlgt vor, persnliche Prferenzen der Entscheidungstrger als zentrale Finanzierungsdeterminanten zu verwenden und finanzkonomische Faktoren als begrenzenden Rahmen individueller Prferenzen zu betrachten. BARTON/GORDON (1987, 1988) fhren darauf basierend aus, dass die auf Vermgensmaximierung der Gesellschafter fokussierte Sichtweise der traditionellen Kapitalstrukturtheorie die existierende Vielfalt von Zielen der Entscheidungstrger im Unternehmen nicht ausreichend widerspiegelt.154 So betonen FINDLAY/WHITMORE (1974), dass das Management eines Unternehmens neben dem Ziel der Vermgensmaximierung fr

151

Vgl. Barton/Gordon (1987), S. 68-69; Barton/Gordon (1988), S. 623; Barton/Matthews (1989), S. 2. Vgl. Miller (1977), S. 272; Barton/Gordon (1987), S. 69. Vgl. Andrews (1987), S. 12. Vgl. Barton/Gordon (1987), S. 70. Auch Vertreter der theoretischen und empirischen Finanzierungsforschung stellen das alleinige Ziel der Vermgensmaximierung in Frage, vgl. Sealey (1978).

152 153 154

50

3 Identifikation von Determinanten der Finanzierung in Familienunternehmen

die Gesellschafter auch den eigenen Nutzen verfolgt und maximiert.155 Die Gltigkeit dieses Arguments ist dabei vom Ausma der Trennung zwischen Eigentum und Management als auch der Ausgestaltung von Anreizstrukturen fr das Management abhngig. Zudem argumentiert CARLETON (1978), dass das Management Finanzierungsentscheidungen vor dem Hintergrund einer umfassenden Unternehmensstrategie zu treffen hat und daher auch auf Basis einer vielfltigen Zielstruktur handelt.156 Entsprechend uerte sich SOLOMON bereits im Jahr 1963 zur Notwendigkeit der Erweiterung des Zielhorizonts bei der Analyse der Unternehmensfinanzierung: But what if management has other motives, such as maximizing sales or size, growth or market share, or their own survival, or peace of mind?157 Dieses Argument trifft insbesondere fr Familienunternehmen zu.158 Denn wie in Kapitel 3.3.1 beschrieben, existieren in ihnen unterschiedliche Systeme und damit auch Zielstrukturen. So mssen die Prferenzen des Unternehmens und der Familie miteinander vereinbart werden.159 Zudem zeigen empirische Studien, dass bei finanziellen Zielen nicht unbedingt die Vermgensmaximierung im Vordergrund steht, sondern vielmehr auch Aspekte wie Unabhngigkeit, Langfristigkeit und Liquiditt.160 Weiterhin legen Familienunternehmen groen Wert auf zahlreiche nicht-finanzielle Ziele,161 deren Verfolgung laut CHRISMAN/CARROLL (1984) aber keine negativen, sondern vielmehr positive Auswirkungen auf die Realisierung monetrer Ziele hat.162 Dennoch knnen sie sich auf einzelne Finanzierungsentscheidungen auswirken. So ist bei-

155

Vgl. Findlay/Whitmore (1974), S. 26. Die Autoren sprechen in diesem Zusammenhang von einer shareholder wealth maximization und der managerial welfare maximization. Vgl. Carleton (1978), S. 7. Vgl. Solomon (1963), S. 24. Vgl. Barton/Matthews (1989), S. 3; Levin/Travis (1987), S. 31; Chrisman/Chua/Litz (2003), S. 468-470; Tagiuri/Davis (1992), S. 46; McCann/Leon-Guerrero/Haley (2001), S. 55; Westhead (2003), S. 100; IfM Bonn (2006), S. 46. Vgl. Ward (1987), S. 6; Reid et al. (1998), S. 55-58; Gersick et al. (1997), S. 7. Vgl. Redlefsen/Eiben (2006), S. 5; McCann/Leon-Guerrero/Haley (2001), S. 55; Westhead (2003), S. 100; Tagiuri/Davis (1992), S. 46. Vgl. Chrisman/Chua/Litz (2003), S. 468-470. CHRISMAN/CHUA/LITZ betonen, dass sie vielmehr die Wertmaximierung als die Vermgensmaximierung als Endziel von Familienunternehmen erachten. Nicht-monetre Ziele spielen zu dessen Erreichung eine zentrale Rolle. Vgl. Chrisman/Carroll (1984), S. 62-64.

156 157 158

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161

162

3.3 Ziele der Eigentmerfamilie als spezifische Finanzierungsdeterminanten

51

spielsweise anzunehmen, dass das Streben nach Unabhngigkeit und Kontrolle einen negativen Einfluss auf die Nutzung von externem (Fremd- und Eigen-)Kapital nimmt. Hinzu kommt, dass in privat gehaltenen Unternehmen mit einem sehr starken Einfluss der Eigentmerfamilie persnliche Vorlieben mit Nachdruck durchgesetzt werden knnen. Familienunternehmen sind im Vergleich zu ffentlichen Unternehmen sehr viel freier in ihren finanziellen Entscheidungen, da sie vorwiegend keiner Abhngigkeit von familienfremden Gesellschaftern, Investoren und Analysten ausgesetzt sind. Dadurch besteht fr Familienunternehmer eine bessere Mglichkeit der Umsetzung von Zielen, die sich nicht nur auf die Unternehmenswertmaximierung ausrichten.163 An dieser Stelle ist jedoch anzumerken, dass es jedoch bei einem sehr breiten familiren Gesellschafterkreis mit unterschiedlichen Rollen und Positionen der Familienmitglieder inner- bzw. auerhalb des Unternehmens auch zu Konflikten kommen kann, die ein Durchsetzen von Vorlieben einzelner Personen erschweren.164 Zudem spielt die Ausgestaltung und Besetzung der Geschftsfhrung und eventuell existierender Kontrollgremien eine entscheidende Rolle bei der Frage, welche persnlichen Ziele in welchem Ausma im Rahmen des Familienunternehmens verfolgt werden knnen.165 Einige Studien zur Finanzierung von eigentmerdominierten Unternehmen haben den strategie- und managementorientierten Erklrungsansatz von BARTON/GORDON (1987, 1988) bereits aufgegriffen und empirisch getestet. So existieren mehrere Arbeiten zur Finanzierung von jungen oder kleinen Unternehmen, deren Kernaussagen aufgrund der Eigentmerdominanz der analysierten Unternehmen weitgehend auf Familienunternehmen bertragen werden knnen. PETTY/BYGRAVE (1993) und MCMAHON/STANGER (1995) erweitern in ihren Untersuchungen den Horizont der finanziellen und nicht-finanziellen Ziele der Unternehmen.166 CHAGANTI/DECAROLIS/DEEDS (1995) analysieren und besttigen den Einfluss der Zielausrichtung des Unternehmers auf die Unternehmensfinanzierung und VAN AUKEN (2001) fokussiert sich auf die Eigen-

163 164 165 166

Vgl. Kets de Vries (1993), S. 62; Levin/Travis (1987), S. 30. Vgl. Gersick et al. (1997), S. 5-7, 19-22; Tagiuri/Davis (1996), S. 201-202. Siehe Schilderungen in Kapitel 0. Vgl. Petty/Bygrave (1993), S. 131-135; McMahon/Stanger (1995), S. 22-28.

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3 Identifikation von Determinanten der Finanzierung in Familienunternehmen

schaften des Entscheidungstrgers hinsichtlich dessen Erfahrungen mit unterschiedlichen Finanzierungsformen.167 Fr die Zielgruppe der Familienunternehmen integrieren ROMANO/TANEWSKI/SMYRNIOS (2001) in die Untersuchung von Kapitalstrukturdeterminanten Ziele und Eigenschaften der Entscheidungstrger und knnen deren Einfluss empirisch belegen.168 GALLO/TPIES/CAPPUYNS (2004) verweisen zwar nicht auf die Arbeiten von BARTON/GORDON, berufen sich aber in ihrer Untersuchung der finanziellen Logik von Familienunternehmen vorwiegend auf persnliche Prferenzen und Charakteristika der Entscheidungstrger.169 Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass die Perspektiven traditioneller Kapitalstrukturtheorien anzupassen sind und in diesem Zuge eine Erweiterung der betrachteten Zielstruktur ber die Vermgensmaximierung der Gesellschafter hinaus notwendig ist. Die vielfltigen Ziele der Eigentmerfamilie sind als Einflussfaktoren der Finanzierung zu untersuchen. 3.3.2.2 Verhaltenswissenschaftliche Anstze Verhaltenswissenschaftliche Anstze sind in ihren Annahmen und Aussagen der Argumentation des strategie- und managementorientierten Erklrungsansatzes in Kapitel 3.3.2.1 hnlich. Im Kontrast zur traditionellen Finanzierungstheorie stellen sie zur Analyse von Entscheidungsfindungen ebenso menschliches Verhalten in den Vordergrund.170 Da die verhaltenswissenschaftlichen Anstze dennoch einige Besonderheiten aufweisen, werden im Folgenden die Grundzge der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie kurz geschildert. Schwerpunkt liegt dabei auf denjenigen Erkenntnissen der Verhaltenswissenschaft, die die zuvor geschilderten berlegungen untermauern und einen Erklrungsbeitrag zum Verstndnis des Finanzierungsverhaltens von privat gehaltenen Familienunternehmen leisten.

167 168 169 170

Vgl. Chaganti/DeCarolis/Deeds (1995), S. 14-16; Van Auken (2001), S. 241-244. Vgl. Romano/Tanewski/Smyrnios (2001), S. 294-295. Vgl. Gallo/Tpies/Cappuyns (2004), S. 314-316. Eine klare Abgrenzung verhaltenswissenschaftlicher Anstze ist nur bedingt mglich, da sich diese aus einer parallelen Existenz zahlreicher Theorien und Effekte zusammensetzen und bisher kein ganzheitliches Grundgerst definiert werden konnte.

3.3 Ziele der Eigentmerfamilie als spezifische Finanzierungsdeterminanten

53

Ausgangspunkt der verhaltenswissenschaftlichen Anstze ist die Synthese zwischen konomie und Psychologie. Grundgedanke der konomie ist das rational handelnde Individuum.171 KIRCHGSSNER (2000) als auch FREY (1990) erlutern diesbezglich, dass sich in Entscheidungssituationen der grundstzliche Mglichkeitsraum eines Individuums durch dessen Prferenzen und Wnsche definiert. Restriktionen fr diese Vorlieben ergeben sich durch externe Gegebenheiten, wie beispielsweise die verfgbaren Ressourcen hinsichtlich Zeit und Geld.172 Der Annahme der konomie des rationalen Handelns wurden jedoch auch Grenzen aufgezeigt. Forscher der Psychologie, wie KAHNEMAN und TVERSKY, stellten in ihren empirischen Untersuchungen systematische Abweichungen vom modelltheoretisch vorhergesagten Verhalten der handelnden Individuen fest,173 und bedingten die Annherung der Disziplinen konomie und Psychologie. Ein mit reiner Logik und statistischen Verfahren erklrbares Verhalten von Individuen ist ihren zahlreichen Untersuchungen zufolge auszuschlieen. WISWEDE (1988) betont hierzu, dass im wirtschaftlichen Kontext nicht vorausgesetzt werden kann, dass einzelne Personen im konomischen Sinne effizient agieren.174 Die angesprochenen Verhaltensanomalien konnten insbesondere auch auf Kapitalmrkten identifiziert werden. Deren Untersuchung nimmt sich der Forschungsstrang der sogenannten behavioral finance an.175 Die Analyse des tatschlichen Entscheidungsverhaltens von Akteuren auf ffentlichen Kapitalmrkten steht darin im Vordergrund. Um eine Erklrung von Verhaltensbeobachtungen zu ermglichen, findet eine Auflockerung der realittsfremden Annahmen neoklassischer Finanzierungstheorie Anwendung. Dies betrifft insbesondere die Aspekte des vollkommenen Marktes und der Rationalitt handelnder Personen. Zu letzterem Aspekt erarbeiteten der Nobelpreistrger SIMON sowie die Wissenschaftler MARCH und CYERT das Konzept der begrenzten Rationalitt (bounded rationality). Sie argumentieren, dass Individuen in ihrer Informationsaufnahme und -verarbeitung und damit auch in der Wahrnehmung ihrer Entscheidungsmglichkeiten eingeschrnkt sind. Diese Restriktionen beziehen

171 172 173 174 175

Vgl. Wiswede (1988), S. 528. Vgl. Kirchgssner (2000), S. 12-16; Frey (1990), S. 67. Vgl. Tversky/Kahneman (1974); Kahneman/Tversky (1979). Vgl. Wiswede (1988). Fr eine Einfhrung und einen umfassenden berblick, vgl. Shleifer (2000); Shiller (2000).

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3 Identifikation von Determinanten der Finanzierung in Familienunternehmen

sich beispielsweise auf die verfgbare Zeit und begrenzt verfgbare Informationen. Zudem haben auch das bestehende Vorwissen oder existierende Vorurteile der Entscheidungstrger einen Einfluss auf den Entscheidungsprozess.176 Aufgrund dieser beschrnkten kognitiven Kapazitten der Individuen sind rationale Entscheidungsfindungen als eher unsicher einzustufen.177 Als Konsequenz gilt es, das Umfeld und die persnliche Prgung der handelnden Personen zu analysieren, um eine in der Realitt existierende Entscheidungsfindung nachvollziehen zu knnen.178 Zudem behandeln die Verhaltenswissenschaften auch motivationale Faktoren als entscheidungsrelevante Eigenschaften der Individuen. Dabei geht es um die Anreizstrukturen der Individuen, die dafr notwendig sind, dass sich diese in Organisationen einbringen und deren Fortbestand sichern. Laut BARNARD (1938) und MARCH/SIMON (1958) uern sich die Bedrfnisse der handelnden Personen nicht nur in materieller sondern auch in nicht-materieller Form.179 Damit erwehren sich diese Wissenschaftler des stark postulierten Prinzips der Gewinnmaximierung in Unternehmen.180 So argumentierte beispielsweise bereits ROTHSCHILD im Jahr 1947, dass sich das zentrale Ziel eines Unternehmers nicht durch die reine Gewinnmaximierung, sondern durch sichere Gewinne und damit auch den langfristigen Erhalt des Unternehmens definiert.181 All diese Beobachtungen gehen mit der Annahme einher, dass sowohl die Vielzahl an Pr-

176

Vgl. Simon (1955); March/Simon (1958); Cyert/March (1963). Der Einfluss von Vorurteilen, Einstellungen und sozialen Normen auf den Entscheidungsprozess stellt im Rahmen der bounded rationality nur einen Teilaspekt dar, wird aber im Rahmen der theory of reasoned action nher beleuchtet, vgl. Fishbein/Ajzen (1975); Ajzen/Fishbein (1980). Die behavioral corporate finance unterscheidet zwischen nicht-rationalem Verhalten der Entscheidungstrger im Unternehmen und der Investoren auf den Kapitalmrkte, vgl. Shefrin (2001), S. 114. Diese Arbeit fokussiert aufgrund der geringen Aktivitt von Familienunternehmen auf Kapitalmrkten, das Entscheidungsverhalten der Personen im Unternehmen. Da sich der Forschungsstrang der behavorial finance vorwiegend auf Entscheidungen der Akteure ffentlicher Kapitalmrkte konzentriert, diese Arbeit jedoch privat gehaltene Familienunternehmen fokussiert, werden die zahlreichen Effekte und Erkenntnisse der behavioral finance nicht einzeln ausgefhrt. Fr eine Integration verhaltenswissenschaftlicher Erklrungsanstze in ein konzeptionelles Modell zur Erklrung von Kapitalstrukturentscheidungen in privat gehaltenen Unternehmen, vgl. Matthews et al. (1994). Vgl. Barnard (1938), S. 139ff.; March/Simon (1958), S. 83ff. Die Autoren verweisen zudem auf ein Gleichgewicht zwischen angebotenen Anreizen fr die Individuen und deren geleisteten Beitrgen fr das Unternehmen, vgl. Barnard (1938), S. 83. Vgl. Cyert/March (1995), S. 9-11. Vgl. Rothschild (1947), S. 307-308.

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3.3 Ziele der Eigentmerfamilie als spezifische Finanzierungsdeterminanten

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ferenzen der Entscheidungstrger als auch deren Vorwissen und Prgung eine wichtige Rolle spielen. Im Falle der in dieser Arbeit zu analysierenden Familienunternehmen bezieht sich dies auf die Ziele und Eigenschaften der Eigentmerfamilie. Dies besttigen auch Studien zu Familienunternehmen, die abermals darauf verweisen, dass sich die spezifische Ausprgung der Ziele durch das Zusammenspiel der Systeme Familie und Unternehmen ergibt.182 Aufgrund der Existenz zahlreicher Ziele mehrerer Personen innerhalb eines Unternehmens ist zu beachten, dass sich diese zu Zielen der Organisation zusammenfgen mssen. Es obliegt daher den einzelnen Personen, mit ihren individuellen Zielen eine Koalition zu bilden, die es ermglicht, auf Ebene der Organisation gemeinsam getragene Ziele zu definieren. Der damit einhergehende Verhandlungs- und Kontrollprozess zur Zielbildung auf Ebene des Unternehmens ist daher fr eine erfolgreiche Zieldefinition ebenso entscheidend, wie die klare Definition und Abstimmung persnlicher Ziele.183 Abschlieend kann den Erkenntnissen der verhaltenswissenschaftlichen Theorie folgende Aussage entnommen werden, die in dieser Arbeit sowohl theoretisch als auch empirisch Anwendung findet: Bei der Analyse von Finanzierungsentscheidungen knnen komplexe Zusammenhnge nur unter Einbezug entscheidungsrelevanter menschlicher Eigenschaften der handelnden Individuen verstanden werden. Die persnliche Prgung als auch die emotionalen sowie motivationalen Beweggrnde der Entscheidungstrger sollten in die Analysen einflieen. Dabei sind sowohl Ziele auf persnlicher Ebene als auch auf Ebene der Organisation zu betrachten. Im Kontext dieser Arbeit lsst sich diese Differenzierung insofern umsetzen, als zwischen Zielen, die sich explizit an der Familie orientieren, und Zielen, die sich auf das Familienunternehmen beziehen, unterschieden wird.184

182 183 184

Vgl. Sharma/Chrisman/Chua (1997), S. 5-6. Vgl. Cyert/March (1995), S. 29-44. Vgl. Sharma/Chrisman/Chua (1997), S. 7.

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3 Identifikation von Determinanten der Finanzierung in Familienunternehmen

3.3.3 Ziele in Familienunternehmen3.3.3.1 berblick ber wichtige Ziele in Familienunternehmen Bevor die Besonderheiten spezifischer Ziele der Systeme Familie und Unternehmen erlutert werden, gilt es, einen umfassenden berblick ber allgemein existierende Ziele in Familienunternehmen zu gewinnen. Hierzu werden empirische Studien, die die Bedeutung der Ziele fr die Familienunternehmen ber Fragebgen oder Interviews erfasst haben, herangezogen.185 Tabelle 2 zeigt die Ergebnisse vier relevanter Arbeiten, die auf Basis ihrer Studienergebnisse Rangfolgen bedeutender Zielen in Familienunternehmen erstellt haben. Die jeweiligen Rangfolgen der Ziele belegen die in Kapitel 3.3.2.1 und 3.3.2.2 betonte Vielfalt der Ziele in Familienunternehmen und zeigen zudem die hohe Bedeutung nicht-konomischer Ziele auf. So stehen insbesondere die langfristige Sicherung und Unabhngigkeit des Unternehmens sowie die Wettbewerbsfhigkeit und hohe Qualitt der Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens im Vordergrund. Um darauf basierend eine detaillierte Analyse der Unternehmensziele und ihrer potentiellen Auswirkungen auf das Finanzierungsverhalten von Familienunternehmen zu ermglichen, wird auf die bereits hingewiesene Unterteilung zwischen persnlichen, auf die Familie bezogenen Zielen einerseits und auf das Unternehmen fokussierte Ziele andererseits, zurckgegriffen. Indikativ wurde diese Unterteilung auch schon in der Tabelle umgesetzt. Diejenigen Ziele, die tendenziell den familienorientierten Zielen zuzuordnen sind, wurden grau unterlegt.

185

Die Studien betreffen Untersuchungen in unterschiedlichen Lndern. Daher sei darauf hingewiesen, dass HOFSTEDE ET AL. Unterschiede in Zielausprgungen auch auf die Nationalitt, die vorherrschende Kultur sowie die Wirtschaftskraft zurckfhren, vgl. Hofstede et al. (2002), S. 795.

3.3 Ziele der Eigentmerfamilie als spezifische Finanzierungsdeterminanten

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Tabelle 2: Zentrale Studienergebnisse zu Zielstrukturen in Familienunternehmen 186Tagiuri/Davis (1992) 524 Familienunternehmen USA 1. 1. Make profit now Achieve excellence in the companys field of work 2. Make profits later 2. Provide good service to customers 2. Have a quality service 2. Establish and maintain a particular image for the company 3. Have a quality product 3. Provide a good work atmosphere 4. Develop scalable and profitable products or services 5. Provide a source of personal satisfaction for those who work in the company 6. Achieve financial growth and security for the owner 7. Grow by expansion of existing business 8. Be a responsible source of supply for customers 8. Present a good corporate image 8. Provide me with a challenge 9. Utilize the human resources now available within the company 10. Provide people with opportunity for personal growth and development McCann/LeonGuerrero/Haley (2001) 231 Familienunternehmen USA 1. 2. 3. 4. 5. Building an effective management team Assuring long-term financial performance Maintaining existing market niche Assuring adequate resources for growing the business Providing non-family employees with opportunities for growth Effective estate planning Emphasizing the business aspect of the family business Strategic planning Assuring integration of basic family values into the business Assuring separation of family and business matters Developing new and quality products Short-term profitability Providing family members with opportunities for growth Identifying and training a family successor Emphasizing the family aspect of the family business Individual financial planning for family members Westhead (2003) 272 Familienunternehmen Grobritannien 1. Ensure the survival of the business 2. Ensuring employees have secure jobs 3. Ensuring independent ownership 4. Increasing market value of the business 5. Voting shares are not sold outside family 6. Enhancing reputation and status of business in local community 7. Maintain/enhance lifestyle of owner 8. Accumulating family wealth 9. Passing business to next generation 10. Providing employment to family members of management team 11. Providing employment to family members 12. Family objectives have priority over business objectives IfM Bonn (2006) 1.011 Familien- und NichtFamilienunternehmen* Deutschland 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.*

6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13.

Erhhung der Kundenzufriedenheit Unternehmenssicherung Langfristige Steigerung des Unternehmenswerts Persnliche Ziele Imageverbesserung Erhhung der Marktanteile Gesellschaftliche Ziele kologische Ziele Kurzfristige GewinnmaximierungPriorisierung der Ziele entspricht der Bewertung der Familienunternehmen

14. 15. 16.

186

Quelle: Vgl. Tagiuri/Davis (1992), S. 46; McCann/Leon-Guerrero/Haley (2001), S. 55; Westhead (2003), S. 100; IfM Bonn (2006), S. 46. Fr eine vollstndige und lngere Liste der Rangfolge von Zielen, vgl. Tagiuri/Davis (1992), S. 47-48. Die Aufzhlungsweise bei der Rangfolge der Ziele von TAGIURI/DAVIS (1992) wurde aus dem Originalartikel bernommen. Die graue Unterlegung einiger Ziel