IDTpub120410_Nodari

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Deutsch als Fremdsprache/Deutsch als Zweitsprache/Deutsch als Muttersprache – Perspektiven Einer Deutschdidaktik 1 Claudio Nodari (Zürich) Traditionsgemäss wird zwischen Lernenden des Deutschen als Erstsprache (= Muttersprache), als Zweitsprache und als Fremdsprache unterschieden. Danach richten sich auch die entsprechenden Teilbereiche der Deutschdidak- tik aus. Lassen sich diese Zielgruppen wirklich so eindeutig definieren, wie die entsprechenden Didaktiken es suggerieren? Wann genau wird eine DaZ- Schülerin zur DaM-Schülerin? Wo genau ist die Grenze zwischen DaF- und DaZ-Lernenden in der Deutschschweiz? Wie sinnvoll ist eine Trennung der drei Didaktiken in der Ausbildung in Anbetracht der zunehmend mehrspra- chigen Klassen? Im vorliegenden Beitrag wird diesen Fragen nachgegangen und für eine stärkere Vernetzung, ja sogar für ein organisches Zusammen- wachsen von DaF/DaZ/DaM plädiert. Die Überschrift meines Beitrages nimmt Bezug auf die Rede von Peter Bich- sel anlässlich der Gründung der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des mehrsprachigen Unterrichts in der Schweiz (APEPS) am 18. November 1994 in Luzern. Bichsels Titel lautete: „Es gibt nur Eine Sprache“. 2 In seiner Rede zitiert er unter anderem Jean Paul mit einem Satz aus seiner Erzie- hungslehre „Levana“ von 1807: „Sprache lernen ist etwas Höheres als Spra- chen lernen.“ Dieser Satz bringt das Thema meines Beitrages auf den Punkt. Wer Deutsch lehrt, soll nicht nur die deutsche Sprache an sich lehren. Beim Lernen des Deutschen geht es um mehr! Es geht um die Fähigkeit, mit Sprache differen- ziert umzugehen, mit Sprache Komplexes zu verstehen und auszudrücken, mit Sprache das eigene Denken zu ordnen. Insofern geht es bei Sprachunter- richt – und bei Unterricht überhaupt – immer auch um die Förderung jener Sprachkompetenzen, die für einen angemessenen Bildungserfolg notwendig sind. Zunächst gehe ich auf das Problem der Zielgruppendefinition in der DaM- /DaZ-/DaF-Didaktik ein. Hier wird sich zeigen, dass die Grenzen zwischen den drei Teilbereichen der Deutschdidaktik alles andere als klar sind. Durch die Ausdifferenzierung des Begriffes Sprachkompetenz möchte ich die Ge- meinsamkeiten aller drei Teilbereiche aufzeigen und anschliessend anhand einiger Textbeispiele untermauern. Mit vier konkreten Schlussfolgerungen, 1 Der Beitrag ist in leicht abgeänderter Form erschienen In Monica Clalüna; Barbara Etterich (Hrsg.) (2009). Deutsch unterrichten zwischen DaF, DaZ und DaM. Akten der Zweiten Gesamtschweizerischen Tagung für Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer, Bern, 20. und 21. Juni 2008. Sondernummer Rundbrief AkDaF, S. 11–24. 2 http://www.plurilingua.ch/Gruendungsrede.aspx (17.8.2009).

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  • Deutsch als Fremdsprache/Deutsch als Zweitsprache/Deutsch als Muttersprache Perspektiven Einer Deutschdidaktik1 Claudio Nodari (Zrich)

    Traditionsgemss wird zwischen Lernenden des Deutschen als Erstsprache (= Muttersprache), als Zweitsprache und als Fremdsprache unterschieden. Danach richten sich auch die entsprechenden Teilbereiche der Deutschdidak-tik aus. Lassen sich diese Zielgruppen wirklich so eindeutig definieren, wie die entsprechenden Didaktiken es suggerieren? Wann genau wird eine DaZ-Schlerin zur DaM-Schlerin? Wo genau ist die Grenze zwischen DaF- und DaZ-Lernenden in der Deutschschweiz? Wie sinnvoll ist eine Trennung der drei Didaktiken in der Ausbildung in Anbetracht der zunehmend mehrspra-chigen Klassen? Im vorliegenden Beitrag wird diesen Fragen nachgegangen und fr eine strkere Vernetzung, ja sogar fr ein organisches Zusammen-wachsen von DaF/DaZ/DaM pldiert. Die berschrift meines Beitrages nimmt Bezug auf die Rede von Peter Bich-sel anlsslich der Grndung der Arbeitsgemeinschaft zur Frderung des mehrsprachigen Unterrichts in der Schweiz (APEPS) am 18. November 1994 in Luzern. Bichsels Titel lautete: Es gibt nur Eine Sprache.2 In seiner Rede zitiert er unter anderem Jean Paul mit einem Satz aus seiner Erzie-hungslehre Levana von 1807: Sprache lernen ist etwas Hheres als Spra-chen lernen. Dieser Satz bringt das Thema meines Beitrages auf den Punkt. Wer Deutsch lehrt, soll nicht nur die deutsche Sprache an sich lehren. Beim Lernen des Deutschen geht es um mehr! Es geht um die Fhigkeit, mit Sprache differen-ziert umzugehen, mit Sprache Komplexes zu verstehen und auszudrcken, mit Sprache das eigene Denken zu ordnen. Insofern geht es bei Sprachunter-richt und bei Unterricht berhaupt immer auch um die Frderung jener Sprachkompetenzen, die fr einen angemessenen Bildungserfolg notwendig sind. Zunchst gehe ich auf das Problem der Zielgruppendefinition in der DaM-/DaZ-/DaF-Didaktik ein. Hier wird sich zeigen, dass die Grenzen zwischen den drei Teilbereichen der Deutschdidaktik alles andere als klar sind. Durch die Ausdifferenzierung des Begriffes Sprachkompetenz mchte ich die Ge-meinsamkeiten aller drei Teilbereiche aufzeigen und anschliessend anhand einiger Textbeispiele untermauern. Mit vier konkreten Schlussfolgerungen,

    1 Der Beitrag ist in leicht abgenderter Form erschienen In Monica Clalna; Barbara Etterich (Hrsg.) (2009). Deutsch unterrichten zwischen DaF, DaZ und DaM. Akten der Zweiten Gesamtschweizerischen Tagung fr Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer, Bern, 20. und 21. Juni 2008. Sondernummer Rundbrief AkDaF, S. 1124. 2 http://www.plurilingua.ch/Gruendungsrede.aspx (17.8.2009).

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    die fr ein strkeres Zusammenwachsen der drei Teilbereiche pldieren, schliesst der Beitrag ab. 1 Umrisse der DaM-/DaZ-/DaF-Didaktik 1.1 Zur DaM-Didaktik Die Didaktik des Deutschen fr Deutschsprachige richtet sich traditionsge-mss an Heranwachsende in ffentlichen und privaten Schulen im deutsch-sprachigen Raum. Die Anfnge der Deutschdidaktik sind heute kaum mehr definierbar. Das Lesen- und Schreibenlernen in den Schulen des 19. Jahr-hunderts ist nicht gleichzusetzen mit Deutschlernen. Auch in den Mitte des 19. Jahrhunderts aufkommenden Gymnasien steht nicht Sprachkompetenz im Vordergrund des Deutschunterrichts, sondern die Literatur, das Schreiben von Aufstzen gemss den literarischen Vorbildern. Erst seit den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts spricht man von einer ei-gentlichen Fachdidaktik Deutsch, bei der die Frage der sprachlichen Kompe-tenzen im Mittelpunkt steht. Im Lehrplan fr die Volksschulen des Kantons Zrich (1991) wird der Deutschunterricht wie folgt umrissen:

    Im Deutschunterricht liegt das Schwergewicht beim eigenen aktiven sprachli-chen Handeln der Schlerinnen und Schler. Die Beherrschung des Hochdeut-schen als Schriftsprache, d.h. der Fhigkeit, Texte unterschiedlicher Art zu lesen und zu schreiben, ist eines der Hauptziele des Deutschunterrichts und des gesam-ten Unterrichts berhaupt. Es ist wichtig, dass die Schlerinnen und Schler eine positive Beziehung zu Texten aufbauen knnen und die Fhigkeit erwerben, aus Texten selbstndig zu lernen. (S. 107)3

    Der Deutschunterricht zielt somit auf die Entwicklung einer Sprachkompe-tenz, die Voraussetzung fr schulische Bildung ist, und stellt den Umgang mit schriftlichen Texten in den Vordergrund. Bildungserfolg hngt also im Wesentlichen vom erfolgreichen Umgang mit schriftlichen Texten ab. Allerdings kann der Deutschunterricht heute angesichts der wachsenden Komplexitt der Fachinhalte und der Fachsprachen kaum mehr allen An-sprchen unterschiedlicher Fachsprachen gengen. Heute wird demzufolge zunehmend gefordert, dass die Fachsprachen in den einzelnen Fchern the-matisiert und angemessen gefrdert werden mssen, und zwar nicht primr um der Sprachfrderung willen, sondern in erster Linie, um die Fachinhalte besser zu verstehen und nachhaltig zu lernen. Die herkmmliche DaM-Didaktik geht von monolingual aufwachsenden Lernenden aus, die Deutsch als Erstsprache zu Hause lernen und in der Re-gel aus bildungsnahen Familien stammen. Allerdings trifft man rein mono-

    3www.volksschulamt.ch/file_uploads/bibliothek/k_268_Lehrplan/4470_0_lehrplanfrdievolkss

    chule.pdf (25.1.2009).

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    lingual deutschsprachige Klassen nur mehr selten an. Nicht nur Kinder aus zugewanderten Familien sind zweisprachig. Auch Kinder von Schweizer Eltern wachsen zwei- oder mehrsprachig auf. Eine homogen deutschsprachi-ge Klasse drfte wohl eher die Ausnahme sein, whrend mehrsprachige Klassen zumindest in der Volksschule die Regel sind. Eine Deutschdidaktik, die diese Realitt nicht beachten wrde, wre heute obsolet. Die Ausbildung der Lehrpersonen an den frheren Lehrerseminarien und Universitten hat die wachsende Mehrsprachigkeit in den Schulen lange Zeit ignoriert, und Lehrpersonen, die ihre Ausbildung noch vor 10 Jahren abgeschlossen haben, fhlen sich angesichts der sprachlichen Heterogenitt in ihren Klassen oft berfordert. Der Fachbereich Deutsch an der Pdagogischen Hochschule Zrich heisst heute Deutsch/Deutsch als Zweitsprache. Damit wird betont, dass ein be-trchtlicher Teil der Kinder in der Volksschule nicht monolingual aufwchst. Deutsch ist fr sie nicht die Familiensprache, es ist eine neue Sprache, die sie erst whrend der zweiten Sozialisation ausserhalb des Familienhauses lernen. Wer mit diesen Kindern und Jugendlichen arbeitet, muss z.B. darauf Rcksicht nehmen, dass die meisten Mehrsprachigen nicht das gleiche Sprachgefhl wie eine monolingual deutschsprachige Person aufweisen.4 Lange Zeit war die Deutschdidaktik strikt monolingual deutsch ausgerichtet. Das ndert sich nun langsam, nicht nur an den pdagogischen Hochschulen: Das Thema des 17. Symposions Deutschdidaktik 2008 war Differenz und Entwicklung im Deutschunterricht. Im Programm wurde angekndigt:

    Mit den Schlsselbegriffen Differenz und Entwicklung werden die unterschied-lichen Ausgangslagen und Lernwege der Schlerinnen und Schler in das Blick-feld gerckt. Didaktik muss immer den individuellen Lernweg ins Zentrum neh-men; dies gilt besonders im Hinblick auf die Benachteiligten in unserer Gesell-schaft wie z.B. Kinder mit Migrationshintergrund, Hauptschler/innen, Bil-dungsverweigerer. Bei der Herausbildung der zentralen Qualifikationen in einer Wissensgesellschaft (Texte verstehen und Wissen formulieren) sollte die Deutschdidaktik fhrend sein. Mit dieser Perspektive werden die klassischen In-halte des Deutschunterrichts in eine vernderte Perspektive gerckt.5

    1.2 Zur DaZ-Didaktik Die DaZ-Didaktik entstand in den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts als Didaktik des Deutschen fr Menschen mit Migrationshintergrund, die im deutschen Sprachraum leben. Die Entwicklung der Fachzeitschriften bezeugt

    4 Die berhmte Glinzsche Klangprobe bringt in mehrsprachigen Klassen nicht viel. Heisst es Ich rufe ihn oder Ich rufe ihm? DaZ-Kinder hren oft keinen Unterschied, sogar deutschsprachige Kinder aus bildungsfernem Milieu hren ihn manchmal nicht. Ich refem heisst es in der Mundart. hnlich verhlt es sich z.B. mit ich frage sie ich frage ihr. 5 http://www.symposion-deutschdidaktik.de/ (17.8.2009).

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    die Etablierung der DaZ-Didaktik. 1975 erschien die erste Nummer der Zeit-schrift Deutsch lernen als Fachzeitschrift fr den Unterricht mit auslndi-schen Arbeitnehmern. 1984 erschien die Zeitschrift Bildungsarbeit in der Zweitsprache Deutsch. 2001 wurden die zwei Zeitschriften zusammenge-legt, seither gibt es fr die DaZ-Didaktik die Zeitschrift Zweitsprache Deutsch. Die Zielgruppe der DaZ-Didaktik ist erstaunlich breit gefchert. Es zhlen dazu sowohl kleine Kinder, die im Kindergarten zum ersten Mal mit der deutschen Sprache in Kontakt kommen, als auch neu zugewanderte Erwach-sene, die in unterschiedlichem Alter und mit unterschiedlicher schulischer Bildung in den deutschen Sprachraum einwandern. Somit sind auch die Schulungsformen sehr unterschiedlich und reichen vom Klassenunterricht in der ffentlichen Schule bis zum privaten Einzelunterricht. Was diese Zielgruppe vereint, ist der Stellenwert der deutschen Sprache in ihrem Leben. Deutsch ist nicht einfach eine zustzliche Fremdsprache, son-dern eine Sprache, in der man tglich lebt, in der man Beziehungen aufbaut. Es ist die Sprache der Umgebung und somit eine wichtige Sozialisations-sprache. Der Solothurner Lehrplan der Volksschule nahm als erster in der Schweiz einen speziellen Lehrplan fr Deutsch als Zweitsprache auf.6 Die Richtziele werden wie folgt definiert:

    Handlungs- und Kommunikationsfhigkeit Die Schlerin und der Schler sollen mglichst rasch und umfassend handlungs- und kommunikationsfhig werden, damit sie sich in der neuen Umgebung (Schu-le und Alltag) zurechtfinden und behaupten knnen. Die Handlungs- und Kom-munikationsfhigkeit umfasst vier Bereiche, in denen sie die ntige Selbstsicher-heit und das ntige Bewusstsein entwickeln mssen, um in ihrem Integrations-prozess zunehmend Erfolg und Wertschtzung zu erfahren. Den vier Bereichen sind entsprechende Richtziele zuzuordnen: - rtliche und sprachliche Orientierung - Orientierung im Leben mit zwei Kulturen - Zweitsprachliches Wissen und Knnen - Selbstndigkeit im Handeln und Lernen.

    Fr Kinder und Jugendliche mit Deutsch als Zweitsprache in ffentlichen Schulen gelten die gleichen schulischen Anforderungen wie fr monolingua-le deutschsprachige Kinder. Im Wesentlichen wird Bildungserfolg ange-strebt, auch wenn die Voraussetzungen dafr bei vielen Kindern mit Migra-tionshintergrund ungnstig sind. Ein 12-jhriges Kind, das in die Schweiz einreist und keine Kenntnisse der Schulsprache mitbringt, hat es nicht leicht, denn innerhalb weniger Jahre sollte es so viel Deutsch lernen, dass es in einer weiterfhrenden Schule bestehen kann.

    6 Solothurner Lehrplan, Deutsch fr Fremdsprachige (1997).

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    Was die DaZ-Didaktik fr Kinder und Jugendliche speziell auszeichnet, sind drei Dimensionen:

    1. Sie richtet sich nach den Lernzielen und Lerninhalten der offiziellen Lehrplne. Wenn es um Bildungserfolg geht, kennen die ffentli-chen Schulen keinen offiziellen Mehrsprachigkeitsbonus. In die-sem Sinne wird von den Zugewanderten eine perfekte Anpassung verlangt. Das Ziel des schulischen DaZ-Unterrichts ist somit der Erwerb der Bildungssprache Deutsch sowie die soziale und schuli-sche Integration.

    2. Der Prozess des Spracherwerbs ist geprgt durch gesteuertes und ungesteuertes Lernen. Die mndlichen Fhigkeiten entwickeln sich relativ schnell. In der Deutschschweiz bedeutet dies, dass die Kinder und Jugendlichen nach ein bis zwei Jahren auch den lokalen Dialekt lernen. Die Folge daraus ist nicht selten eine Stagnation des Er-werbsprozesses in der Standardsprache.

    3. Die DaZ-Didaktik bernimmt ihr methodisches Instrumentarium hauptschlich aus der Didaktik des Deutschen als Fremdsprache und nicht aus der DaM-Didaktik. Aus diesem Grund wurden in der Deutschschweiz auch spezielle Lehrwerke fr den DaZ-Unterricht entwickelt.7

    Mit dem Projekt netzwerk-sims der Nordwestschweizerischen Erziehungsdi-rektion (NW-EDK) wird die Grenze zwischen DaZ- und DaM-Didaktik auf-gehoben.8 Sims bedeutet Sprachfrderung in mehrsprachigen Klassen. Das Netzwerk vereint 19 Schulen aus 9 Kantonen, die alle einen hohen An-teil an mehrsprachigen Kindern aufweisen. Mit dem NW-EDK-Projekt wird nicht mehr die DaZ-Didaktik in den Vordergrund gestellt, sondern die Sprachfrderung fr alle Kinder in einem mehrsprachigen Umfeld. Das Ziel ist eine Sprachfrderung fr alle, ob monolingual oder multilingual, ob Deutsch-Anfnger oder deutschsprachig von Haus aus. Auf der Homepage www.netzwerk-sims.ch ist das Projekt dargestellt, auf dem Schweizer Bil-dungsserver (www.educanet2.ch>community sims) sind heute an die 60 Unterrichtsskizzen zur gezielten Sprachfrderung abgelegt. Lehrpersonen in mehrsprachigen Klassen knnen so von Erfahrungen der sims-Schulen profi-tieren und das erprobte Unterrichtsmaterial in der eigenen Klasse einsetzen.

    7 Ambhl-Christen, E/Neugebauer, C./Nodali, C. (1994). Kontakt 1 Deutsch fr fremdspra-chige Jugendliche. LMV, Zrich. und Neugebauer, C./Nodari, C. (2002). Pipapo 1 Deutsch fr fremdsprachige Kinder und Jugendliche. LMV Kt. Aargau und Zrich, Buchs/Zrich. und Bai, G./Neugebauer, C./Nodari, C./Peter, S. (2010). HOPPLA 1 Deutsch fr mehrsprachige Kindergruppen. Schulverlag plus und Zrich. 8 www.netzwerk-sims.ch (25.1.2009).

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    1.3 Zur DaF-Didaktik Deutsch als Fremdsprache ist die lteste der drei Deutschdidaktiken, sie exi-stiert seit Deutsch als Fremdsprache schulisch unterrichtet wird, also seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Wie alle Fremdsprachendidaktiken wurde sie anfangs stark von der Didaktik des Lateinischen geprgt und durchlief die klassischen Phasen: von der Grammatik-bersetzungsmethode ber den audiovisuellen Unterricht bis zur Kommunikations- und Handlungsorientie-rung und den Niveaubeschreibungen des Gemeinsamen Europischen Refe-renzrahmens fr Sprachen (GER). Die Didaktik des Deutschen als Fremdsprache wendet sich an nicht deutsch-sprachige Lernende, die ausserhalb des deutschsprachigen Raumes leben und somit nicht im tglichen Kontakt mit der deutschen Sprache sind. Diese Um-schreibung der Zielgruppe ist selbstverstndlich nur annhernd zutreffend, denn einerseits kann ein Deutsch lernender amerikanischer Wissenschaftler mehrere Jahre in der Deutschschweiz leben und nur gerade im Deutschkurs mit Deutsch in Kontakt kommen, andererseits kommt eine Schlerin der Schweizerschule in Barcelona fnf Tage pro Woche in Kontakt mit Deutsch. Die Bandbreite der mglichen Zielgruppen ist wiederum sehr gross. Es kn-nen Kinder oder Erwachsene sein, in ffentlichen oder privaten Schulen, die in extensivem Unterricht von 2 bis 4 Lektionen pro Woche oder in intensive-ren Unterrichtsformen wie z.B. im Immersionsunterricht Deutsch lernen. Wenn wir die Programme der vergangenen Internationalen Deutschlehrerta-gungen (IDT) betrachten, fllt auf, dass der Bereich DaF von Konferenz zu Konferenz immer strker ausgeweitet wurde und DaZ zunehmend ins Blick-feld rckte. Einerseits wurden die Themen der Sektionen gemss den unter-schiedlichen Lerngruppen und -formen differenziert, andererseits wurde das Thema der Mehrsprachigkeit und der Nutzung von anderssprachlichen Res-sourcen strker ins Zentrum gestellt. In Amsterdam (1997) widmete die Sek-tion Frhes Fremdsprachenlernen die Hlfte der zur Verfgung stehenden Zeit dem kindlichen Lernen innerhalb des deutschsprachigen Raumes, also Fragen der DaZ-Didaktik. An der IDT 2001 in Luzern war die Mehrspra-chigkeit das zentrale Thema. In Graz (2005) befassten sich zwei Sektionen mit DaZ-Fragen und mehrere Vortrge mit dem Thema Sprache und Inte-gration.9 An der IDT 2009 in Jena/Weimar bercksichtigten ein Podium, drei Vortrge und acht Sektionen den DaZ-Aspekt. Mit dem GER hat der Europarat der Fremd- und Zweitsprachdidaktik klare Konturen gegeben und einheitliche Niveaus der Sprachkompetenz bestimmt: von A1 bis C2. Das Werk hat zwar im Titel die Bestimmung Referenzrah-

    9 Im Anschluss an die Grazer Tagung entstand auch das Trinationale Expertenforum, das sich

    u.a. mit Fragen des Deutscherwerbs in Verbindung mit der Genehmigung von Aufenthalts-bewilligungen auseinandersetzt. www.sprachenrechte.at/cgi-bin/TCgi.cgi?target=home&P_KatSub=35 (17.8.2009)

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    men fr Sprachen, gemeint sind aber die sogenannten Fremdsprachen, also nicht die Erstsprachen. Mit Deskriptoren werden die sprachlichen Kompetenzen auf den sechs Ni-veaus beschrieben. Auf den Niveaus A1 bis B1 sind es vor allem alltags-sprachliche Kompetenzen (z. T. zu touristischen Zwecken: A1 Ich kann eine kurze, einfache Postkarte schreiben). Auf den Niveaus B2 bis C2 sind komplexere sprachliche Kompetenzen beschrieben, ber die vor allem Aka-demiker verfgen mssen (C2 Ich kann anspruchsvolle Artikel schreiben, die einen Sachverhalt gut strukturiert darstellen). Was im GER nicht be-schrieben wird, sind die Voraussetzungen, die ein anderssprachiger Mensch mitbringen muss, um das Niveau C2 zu erreichen bzw. um Sprachleistungen auf dem Niveau C2 zu erbringen. Offensichtlich ist, dass die Mehrheit der monolingual deutschsprachigen Menschen im Schreiben das Niveau C2 nie erreicht. Das bedeutet also, dass anderssprachige Menschen zumindest im Schreiben hhere Kompetenzen erreichen knnen als die Mehrheit der mo-nolingual deutsch sprechenden. Das Problem des GER-Einsatzes bei der Festlegung von Curricula (zum Beispiel an den Schweizerschulen im Ausland) ist genau das Fehlen von bildungssprachlichen Deskriptoren. Es werden auf den Niveaus zunehmend Kompetenzen im Umgang mit Texten verlangt, doch es wird nicht angege-ben, wie diese Kompetenzen aufgebaut werden. Der GER geht davon aus, dass die Fhigkeit, z.B. eine Zusammenfassung oder einen Bericht zu schreiben, in der Erstsprache erworben wird und nicht im Fremdsprachenun-terricht. Obschon der GER die Mehrsprachigkeit befrwortet, sttzt er sich auf eine monolinguale Definition der Zielgruppen. Zuerst werden die Erst-sprache und mit ihr alle notwendigen bildungssprachlichen Kompetenzen erworben, darauf knnen die Kompetenzen in den Fremdsprachen aufgebaut werden. 2. Dimensionen der Sprachkompetenz Es stellt sich hier die Frage, was denn Sprachkompetenz genau umfasst. Unter dem Begriff der Sprachkompetenz werden Fhigkeiten und Fertigkei-ten auf verschiedenen Ebenen der Sprachverarbeitung und Sprachanwen-dung zusammengefasst. Portmann-Tselikas (1998) unterscheidet zwischen der Sprachkompetenz im engeren Sinn, der soziolinguistischen Kompetenz, der sprachlogischen Kompetenz (= Diskurskompetenz) und der strategischen Kompetenz.10 Unter der Sprachkompetenz im engeren Sinn werden einerseits die Kenntnis-se einer Sprache als solche im Bereich des Hr- und des Leseverstehens, des

    10 Portmann-Tselikas, P.R. (1998). Sprachfrderung im Unterricht. Orell-Fssli, Zrich, 5051.

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    Sprechens und des Schreibens sowie der Grammatik und des Wortschatzes verstanden. Es handelt sich um die grundlegenden Fertigkeiten, die es einer Person ermglichen, ihren Alltag sprachlich zu bewltigen. Da jede Sprache anders ist, mssen diese Kompetenzen fr jede Sprache weitgehend neu erworben werden. Mit der soziolinguistischen Kompetenz ist das Wissen um kulturell bedingte Verhaltensweisen in einer bestimmten Sprach- und Kulturregion gemeint. Eine Person mit soziolinguistischer Kompetenz kann sich in verschiedenen sozialen Situationen angemessen verhalten. Eine solche Person weiss bei-spielsweise, wie man eine ranghhere Person anspricht, welche Fragen man einer anderen Person stellen oder nicht stellen darf oder wie und wann man grsst. Die soziolinguistischen Normen unterscheiden sich stark von Sprach-region zu Sprachregion, sogar innerhalb des gleichen Sprachgebietes. Da jede Person beim Aufwachsen mit den soziolinguistischen Normen ihres Umfeldes vertraut gemacht wird, wird richtiges Verhalten in diesem Bereich als Bestandteil einer guten Erziehung angesehen. Menschen, die sich in meh-reren Sprachgemeinschaften bewegen, mssen somit die unterschiedlichen Verhaltensnormen der entsprechenden Sprachrume kennen und unterschei-den knnen, wenn sie nicht anecken und als unhflich erscheinen wollen. Sprachlogische Kompetenzen sind gefordert, wenn sich Menschen mit sprachlich komplexen Sachverhalten auseinandersetzen. Die sprachlogische Kompetenz ermglicht es einer Person, z.B. einen kohrenten Text zu ver-fassen oder die Zusammenhnge und Sachverhalte beim Lesen eines Textes zu verstehen. Eine hohe sprachlogische Kompetenz ist verlangt, wenn die Kommunikation ausschliesslich ber Texte verluft, die ausserhalb ihres eigentlichen Kontextes verfasst bzw. rezipiert werden. Die sprachlogische Kompetenz ist nicht an eine bestimmte Sprache gebunden und muss deshalb auch nicht in jeder neu gelernten Sprache neu aufgebaut werden. Bei der Sprachlogik handelt es sich vielmehr um eine Kompetenz, die nur einmal, und zwar meist schulisch, erworben wird und in allen gelernten Sprachen angewendet werden kann. Die strategische Kompetenz umfasst die Fhigkeit, Probleme bei der sprach-lichen Verstndigung und beim Sprachenlernen zu lsen. Lernende mit einer hohen strategischen Kompetenz wissen beispielsweise, wie man bei Kom-munikationsschwierigkeiten nachfragt, wie man einen Vortrag plant und hlt oder wie man vorgeht, wenn man einen komplexen Text lesen bzw. schrei-ben muss. Wie die sprachlogische Kompetenz ist auch die strategische Kompetenz nicht an eine bestimmte Sprache gebunden und kann in ver-schiedenen Sprachen eingesetzt werden, wenn sie einmal aufgebaut ist. Ganz entscheidend fr den Schulerfolg sind die sprachlogischen und die strategischen Kompetenzen. Der schulische Unterricht ist geprgt vom Um-gang mit zunehmend komplexerem Fachwissen, das in allen Fchern in sprachlich anspruchsvollen Texten sowohl mndlich als auch schriftlich

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    behandelt wird. Selbstverstndlich sieht der Sprachgebrauch im ersten Schuljahr anders aus als in einer Maturaklasse. Die Anforderungen sind je-doch altersgemss anspruchsvoll. Die Lernenden mssen altersgemsse Sachverhalte vor allem ber Sprache verstehen, und es wird erwartet, dass sie ihr Wissen und ihre berlegungen nachvollziehbar darlegen. Die Lernenden mssen diese Sprachleistungen nicht nur in der Bildungs-sprache Deutsch erbringen, sondern zunehmend auch in den schulischen Fremdsprachen. Dies wird denn auch auf den oberen Niveaustufen des GER verlangt. All diese Leistungen knnen nur dann erbracht werden, wenn die Lernenden ber eine hohe sprachlogische Kompetenz verfgen. Diese er-mglicht sowohl den Umgang mit komplexen Fachtexten als auch den Um-gang mit anspruchsvollen Texten in den Fremdsprachen. Da diese Leistun-gen in allen Schulfchern verlangt werden, fhrt eine schwach entwickelte sprachlogische Kompetenz unweigerlich zu Schulmisserfolg. Unabdingbar fr den Schulerfolg ist auch eine hohe strategische Kompetenz. Eine Zusammenfassung, einen Bericht oder eine Stellungnahme schreiben oder ein Resultat, ein Problem, einen Sachverhalt mndlich darlegen oder einen Vortrag vorbereiten und halten all diese sprachlichen Ttigkeiten erfordern ein strategisches Vorgehen, das von Textsorte zu Textsorte ver-schieden ist. Fr die erste Gliederung eines Vortrages kann ein Mindmap helfen, fr eine Zusammenfassung eine Liste mit den zentralen Stichwrtern usw. Die erwhnten Techniken knnen Teil eines strategischen Vorgangs sein, der zu einer qualitativ hoch stehenden sprachlichen Leistung fhrt. Dem Aufbau der sprachlogischen und der strategischen Kompetenz kommt also eine herausragende Bedeutung fr den Schulerfolg zu. Heute spricht man diesbezglich von Textkompetenz:

    Textkompetenz ermglicht es, Texte selbstndig zu lesen, das Gelesene mit den eigenen Kenntnissen in Beziehung zu setzen und die dabei gewonnenen Informa-tionen und Erkenntnisse fr das weitere Denken, Sprechen und Handeln zu nut-zen. Textkompetenz schliesst die Fhigkeit ein, Texte fr andere herzustellen und damit Gedanken, Wertungen und Absichten verstndlich zu machen. (Portmann, 2005)11

    Wirft man einen Blick auf den traditionellen Sprach- und Sachunterricht, fllt auf, dass diese anspruchsvollen sprachlogischen und strategischen Lei-stungen zwar stndig eingefordert, aber nicht immer gezielt aufgebaut und weiterentwickelt werden. Mit dem Projekt Sprachprofile fr die Volksschu-le Basel-Stadt Ein Konzept zur Sprachfrderung in allen Fchern legt das Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt ein Instrument vor, das genau diese Lcke fllt. Es beschreibt die fr den Schulerfolg ausschlagge-

    11 Portmann-Tselikas, P. R. (2005). Was ist Textkompetenz.

    http://elbanet.ethz.ch/wikifarm/textkompetenz/uploads/Main/PortmannTextkompetenz.pdf (17.8.2009). Siehe dazu auch: Portmann-Tselikas, P. R. (2008). Textkompetenz. Fremd-sprache Deutsch, H. 39, S. 516.

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    benden sprachlichen Ttigkeiten vor allem auf der Ebene der sprachlogi-schen und strategischen Kompetenzen, und zwar fcher- und stufenbergrei-fend, vom Kindergarten bis zur Matura. Das Ziel ist, dass in jedem Unter-richt sprachliche Frderung stattfindet ganz im Sinne der alten Forderung, dass jeder Unterricht auch Sprachunterricht ist und somit alle Lernenden hhere Chancen auf Schulerfolg haben.12 3 Texte von Deutschlernenden Im Folgenden werden einige Texte von Lernenden wiedergegeben. Sie zei-gen exemplarisch, dass sprachliche Probleme nicht ausschliesslich mit Fremdsprachigkeit zu tun haben.

    Text 1 Am morge ste ich gerne auf wen Mama wekt. Dan gehe ich frustken und dann esse ich Brott. Dan gehe ich go waschen und geh ich ruter und zie di Jake und Schue. Und gehe ich zu den Hasen und dan zieich den Tekan und ge in Schuel. Deutschsprachige Schlerin, 2. Schuljahr, Primarschule Zrich

    Text 2 Es ist den gebustag fon Herr Jakob Ein tag Herr Jakob war in der Stul gesits und schaud den Kuchucksuhr und den Hund auch. Es war sein gebrstag aber seine Mama komt nicht. Und Herr Jakob blest einen Luftbalon. Und auch hold seinen Glas fon Schampei-nier und sted for den Kuckuckusuhr. Und pltzlich der Kuckuck raus ged. Und der Luftbalon explotirt. Spanisch- und katalanischsprechende Schlerin, 3. Schuljahr, Schweizerschule Bar-celona

    Text 3 Die Rennmeuse haben warscheindlich en zu kleines Terarium gehabt. Dar-um baute der ein aufbau fr die Meuse. Sie haben eine ganz schone ausru-stung bekommen. Sie brauchen sicher etwas um sich versteken zu konnen. Die Wstenspringmeusen msse Sie zum klettern haben sie haben z ho oben ein versteck bekommen. Die Wstenspirengmeusen brauche Holzige sachen weil die noch daran knabern knnen.

    12 Nodari, C. (2007). Sprachprofile Ein Konzept zur stufen- und fcherbergreifenden Sprachfrderung an den Schulen Basel-Stadt. In Schmlzer-Eibinger, S./ Weidacher, G. (Hrsg.) Textkompetenz Eine Schlsselkompetenz und ihre Vermittlung Tbingen, S. 223227. siehe auch: http://www.edubs.ch/die_schulen/schulen_bs/sprachunterricht/sprachprofile.pt (25.1.2009).

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    Deutschsprachiger Schler, 7. Schuljahr, Sekundarschule C, Zrich

    Text 4 Was die rztin uns erzhlt hat Sie sagt wenn die Frauen oder Mdchen probleme haben knnen sie bei uns vorbeikommen und ihre probleme an uns beichten wir sind mit Frau Rasser und Frau Grob dort hin gegangen es war sehr uninteressant und langweilig dort knnen die Frauen wenn sie Schwanger sind das Baby gebehren und sie hat gesagt man weis das man pubertet wen unsen Geschlecht sich verndert Trkisch- und deutschsprachiger Schler, 9. Schuljahr, Sekundarschule C, Zrich

    Text 5 Meine mann heisst Rajmohan und die kinder heissen Janarthan (m) und Janani (w) meine Schwiegemtter wohnt auch bei mir meine mann geht ar-beiten und Sie liebt mich sehr. Tamil- und deutschsprechende Hausfrau, Sprachkurs fr Frauen, Zrich

    Text 6 Mein erste Tag in Zrich. Von meine familienstad Nantes in west Frankhreit habe ich nach Zrich gefrt. Mit mein auto have ich 1000 km gefrt. Ich bin um 4 uhr in Zrich angekommen. Ich habe eine Tschechin Familien besucht. Sie haben mir, zur seinen Haus, fur eine woche sclaffen, eingeladen. Sie haben zwei kinders 4 jahren alt und 2 jahren alt. Zacharias und Salom sprachen zu mir auf Swiss Deutsch, also habe ich gar nichts verstanden. Franzsisch- und englischsprechende Akademikerin, 6 Wochen Sprachkurs an der ETH Zrich

    Die Texte sind zwar von Lernenden unterschiedlichen Alters und unter-schiedlichen Bildungsgrades geschrieben, deshalb lassen sich daraus weder in Bezug auf die Sprachkompetenzen noch in Bezug auf Frdermglichkei-ten Schlussfolgerungen ziehen. Die ersten fnf Texte zeigen aber eindeutig fehlende Textkohrenz. Die deutschsprachliche Kompetenz allein gengt nicht, um auch Texte verfassen zu knnen (siehe Texte 1, 3 und 4). Auch ist nicht unbedingt die Reduziertheit zielsprachlicher Kenntnisse ausschlagge-bend fr die Textqualitt. Text 6 zeigt klar, dass auf einem tiefen lerner-sprachlichen Niveau ein Text ohne allzu grosse Kohrenzprobleme produ-ziert werden kann. Fr den schulischen Unterricht kann festgehalten werden, dass sprachliches Wissen und Knnen immer einhergehen muss mit der Frderung von sprach-logischen und strategischen Kompetenzen, egal, ob es sich um den Unter-richt einer Fremdsprache oder in einer Fachsprache (Physik, Geografie usw.)

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    handelt. Fr einen guten Bildungserfolg bentigen Lernende eine stark aus-gebildete Textkompetenz. 4. Schlussfolgerungen Die vorangehenden berlegungen haben gezeigt, dass eine eindeutige Zu-ordnung einer Zielgruppe zu den drei Teilbereichen der Deutschdidaktik weder mglich noch sinnvoll ist. Angesichts der wachsenden Mehrsprachig-keit und der gesellschaftlichen Anforderungen erscheint die unreflektierte Weiterfhrung der drei Teilbereiche als kontraproduktiv. 4.1 Zur Fachdidaktik Deutsch Die drei Fachdidaktiken fr DaM, DaZ und DaF mssen strker zusammen-wachsen und Synergien nutzen. Die Trennung der drei Deutschdidaktiken fr DaM, DaZ und DaF war, historisch gesehen, sicher sinnvoll. Dank der Definition einer Didaktik des Deutschen als Zweitsprache wurde die Ziel-gruppe Kinder mit Migrationshintergrund erkannt und ernst genommen. Die Separierung hat aber auch zu einer unproduktiven Abkapselung des DaZ-Unterrichts und der DaZ-Didaktik gefhrt, denn Lehrpersonen in Re-gelklassen mssen sich nicht gross um die DaZ-Kinder kmmern, solange es Spezialistinnen dafr gibt. Die DaM-Didaktik knnte viel von der DaF-/DaZ-Didaktik profitieren vor allem in Bezug auf den Unterricht in mehrsprachigen Klassen. Die DaF-Didaktik knnte viel von der DaM-Didaktik profitieren vor allem im Be-reich des gestaltenden Umgangs mit Sprache. Die Didaktik des Deutschen (und allgemein der Sprache) sollte sich zudem vermehrt den Fragen zuwen-den, die das Ziel Textkompetenz in den Mittelpunkt stellen, auch bei Kur-sen fr bildungsferne Migrierte. In der politischen Diskussion um Deutschkenntnisse von Zugewanderten knnte sich eine starke Fachdidaktik Deutsch mit mehr Gewicht zu Wort melden als eine Fachdidaktik DaZ, die es an Deutschschweizer Universitten nicht gibt und die sich an pdagogischen Hochschulen nicht mit der Ziel-gruppe erwachsene Migrierte beschftigt. Fazit: Es gibt nur Eine Deutschdidaktik. Dahinter steht die Vision einer starken Fachdidaktik Deutsch, in der nicht die Sprache (als Erst-, Zweit- oder Fremdsprache) im Vordergrund steht, sondern die lernenden Menschen, egal, wo sie sich befinden. Im Vordergrund steht der Mensch als Sprache lernendes und mit Sprache handelndes Wesen, nicht die Sprache als Mittel zur Kommunikation.

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    4.2 Zur Ausbildung von Lehrpersonen Deutschlehrpersonen sollten fhig sein, Deutsch fr unterschiedliche Ziel-gruppen und in unterschiedlichen Schulformen zu unterrichten. Fr die Grundausbildung von Lehrpersonen sollten mglichst alle Zielgruppen be-rcksichtigt werden. Somit knnte eine Lehrperson nach Abschluss der Aus-bildung ber die notwendigen Grundlagen verfgen, um sowohl in einer mehrsprachigen Klasse im Kleinbasel als auch in einer Schweizerschule im Ausland zu unterrichten. Die didaktische Vertiefung erfolgt im Feld, unter-sttzt durch Weiterbildung. Auch nationale und internationale Tagungen sollten sich strker nach The-men ausrichten. In einer Tagung z.B. zum Thema Schreiben auf Deutsch knnten so die verschiedensten Umstnde, in denen auf Deutsch geschrieben wird, innerhalb von Workshops behandelt werden, whrend in Plenarvortr-gen die bergreifenden Aspekte beleuchtet werden.13 Fazit: Es gibt nur Eine Deutschdidaktik. Dahinter steht die Vision von einer Lehrpersonenausbildung, die nicht allein die Schule im Umkreis einer bestimmten pdagogischen Hochschule vor Augen hat, sondern die Mobilitt der Lehrpersonen mit bercksichtigt. 4.3 Zur Curriculumsentwicklung von Sprachkursen Jeder Sprachunterricht muss selbstverstndlich alle Bereiche der Sprach-kompetenz bercksichtigen. Eine Sprachfrderung, die allein auf das sprach-liche Wissen und Knnen abzielt, greift zu kurz. Vor allem Schlerinnen und Schler aus bildungsfernem Milieu werden damit zustzlich benachteiligt. Fazit: Es gibt nur Eine Sprachdidaktik. Dahinter steht die Vision, dass sprachlogische und strategische Kompetenzen in jedem Unterricht gefrdert und nicht bloss gefordert werden. 4.4 Zur Lehrplanentwicklung In zuknftigen Lehrplnen muss die Sprachfrderung in allen Fchern inte-griert sein. Wenn jeder Unterricht sprachfrdernd wirken soll, dann muss auch jeder Fachlehrplan (fach-)sprachliche Ziele vorgeben. Damit ist ge-meint, dass sich die Sprachfrderung nicht allein auf den Deutschunterricht beschrnken kann, sondern in jedem Fach ein wichtiges Anliegen sein muss, denn nur wer die Fachsprache wirklich versteht, kann die Fachinhalte wirk-lich verstehen und lernen.

    13 Siehe dazu 13 www.netzwerk-sims.ch (Tagungen) (20.1.2010).

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    Fazit: Es gibt nur Eine Deutschdidaktik. Dahinter steht die Vision einer starken Fachdidaktik Deutsch, die zu einem wichtigen Partner aller anderen Fachdidaktiken wird. Oder eben gemss Jean Paul: Sprache lernen ist etwas Hheres als Spra-chen lernen.