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1 ifo Dresden berichtet 3/2006 Inhalt ifo Dresden berichtet 3/2006 Themenschwerpunkt: Probleme demographischer Projektionen Themenschwerpunkt: Probleme demographischer Projektionen 3 Beate Grundig und Carsten Pohl Die aktuelle Bevölkerungsprognose des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) – unter besonderer Berücksichtigung des Freistaates Sachsen 4 Hansjörg Bucher Prognoserechnungen für die Bevölkerung werden in Deutschland von verschiedenen Institutionen auf wechselnden räumlichen Ebenen betrieben. Die Bevölkerungsprognose des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, welche in diesem Beitrag vorgestellt wird, ist dabei die einzige, die sowohl bundes- weit flächendeckend als auch kleinräumig durchgeführt wird. Neben der Darstellung wesentlicher Ergeb- nisse aus der Bevölkerungsprognose unter besonderer Berücksichtigung Sachsens wird ein Vergleich mit der Prognose des Statistischen Landesamtes des Freistaates Sachsen vorgenommen. Wie lässt sich neben der Kopfzahl der zukünftigen Bevölkerung auch die Haushaltszahl verlässlich prognostizieren? 15 Jürgen Hübner Die Prognose von Haushalten ist für die neuen Bundesländer von besonderer Bedeutung, da sich die Haushaltsstrukturen nach der Wende erheblich verändert haben und noch immer verändern. Im Landes- betrieb für Datenverarbeitung und Statistik Brandenburg wird derzeit eine Haushaltsprognose für das Jahr 2006/2007 vorbereitet. Dabei wird deutlich, dass die Prognose von verlässlichen Haushaltszahlen aufgrund der ungenauen Ausgangsdaten, der rasanten Entwicklung im familiären und persönlichen Be- reich und der unterschiedlichen angewandten Modelle und Methoden gegenwärtig sehr schwierig ist. Typisierung auf räumlich tief gegliederter Ebene als Beitrag zur Beurteilung der demographischen Entwicklung eines Gebietes 21 Annett Kirschke Die demographische Entwicklung in Sachsen verläuft auf regionaler Ebene unterschiedlich. Bevölke- rungsrückgang und Bevölkerungswachstum existieren nebeneinander, sodass das Interesse an kleinräu- migen statistischen Analysen stetig gewachsen ist. Um einen systematischen Überblick über die regiona- len Bevölkerungsentwicklungen im Freistaat Sachsen zu erlangen, hat das Statistische Landesamt einen Ansatz zur kleinräumigen Typisierung und Gruppierung der Gemeinden nach ihren demographischen Ent- wicklungstrends erarbeitet. Der aktuelle Arbeitsstand wird in diesem Artikel vorgestellt. Aktuelle Forschungsergebnisse Deutsche Konjunkturperspektiven 2006/2007: Im Aufschwung 28 Wolfgang Nierhaus Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Frühjahr 2006 in einem kräftigen Aufschwung. Nach wie vor sind die Impulse aus dem Ausland beträchtlich, die Exporte sind bis zuletzt stark gestiegen. Die privaten Haus- halte dürften ihre Ausgaben wieder etwas erhöhen, zumal im späteren Verlauf dieses Jahres zusätzliche Käufe vor allem von Gebrauchsgütern getätigt werden, um die im kommenden Jahr höhere Mehrwert- steuer zu vermeiden. Im Jahresdurchschnitt wird die gesamtwirtschaftliche Produktion um 1,8 % zuneh- men. Im Jahr 2007 wird die Konjunktur spürbar an Fahrt verlieren, da wichtige Impulse schwächer wer- den und die Finanzpolitik einen deutlich restriktiveren Kurs fährt. Das reale Bruttoinlandsprodukt dürfte

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Inhalt

ifo Dresden berichtet 3/2006

Themenschwerpunkt: Probleme demographischer Projektionen

Themenschwerpunkt: Probleme demographischer Projektionen 3Beate Grundig und Carsten Pohl

Die aktuelle Bevölkerungsprognose des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) – unter besonderer Berücksichtigung des Freistaates Sachsen 4Hansjörg Bucher

Prognoserechnungen für die Bevölkerung werden in Deutschland von verschiedenen Institutionen aufwechselnden räumlichen Ebenen betrieben. Die Bevölkerungsprognose des Bundesamtes für Bauwesenund Raumordnung, welche in diesem Beitrag vorgestellt wird, ist dabei die einzige, die sowohl bundes-weit flächendeckend als auch kleinräumig durchgeführt wird. Neben der Darstellung wesentlicher Ergeb-nisse aus der Bevölkerungsprognose unter besonderer Berücksichtigung Sachsens wird ein Vergleich mitder Prognose des Statistischen Landesamtes des Freistaates Sachsen vorgenommen.

Wie lässt sich neben der Kopfzahl der zukünftigen Bevölkerung auch die Haushaltszahl verlässlich prognostizieren? 15Jürgen Hübner

Die Prognose von Haushalten ist für die neuen Bundesländer von besonderer Bedeutung, da sich dieHaushaltsstrukturen nach der Wende erheblich verändert haben und noch immer verändern. Im Landes-betrieb für Datenverarbeitung und Statistik Brandenburg wird derzeit eine Haushaltsprognose für dasJahr 2006/2007 vorbereitet. Dabei wird deutlich, dass die Prognose von verlässlichen Haushaltszahlenaufgrund der ungenauen Ausgangsdaten, der rasanten Entwicklung im familiären und persönlichen Be-reich und der unterschiedlichen angewandten Modelle und Methoden gegenwärtig sehr schwierig ist.

Typisierung auf räumlich tief gegliederter Ebene als Beitrag zur Beurteilung der demographischen Entwicklung eines Gebietes 21Annett Kirschke

Die demographische Entwicklung in Sachsen verläuft auf regionaler Ebene unterschiedlich. Bevölke-rungsrückgang und Bevölkerungswachstum existieren nebeneinander, sodass das Interesse an kleinräu-migen statistischen Analysen stetig gewachsen ist. Um einen systematischen Überblick über die regiona-len Bevölkerungsentwicklungen im Freistaat Sachsen zu erlangen, hat das Statistische Landesamt einenAnsatz zur kleinräumigen Typisierung und Gruppierung der Gemeinden nach ihren demographischen Ent-wicklungstrends erarbeitet. Der aktuelle Arbeitsstand wird in diesem Artikel vorgestellt.

Aktuelle Forschungsergebnisse

Deutsche Konjunkturperspektiven 2006/2007: Im Aufschwung 28Wolfgang Nierhaus

Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Frühjahr 2006 in einem kräftigen Aufschwung. Nach wie vor sinddie Impulse aus dem Ausland beträchtlich, die Exporte sind bis zuletzt stark gestiegen. Die privaten Haus-halte dürften ihre Ausgaben wieder etwas erhöhen, zumal im späteren Verlauf dieses Jahres zusätzlicheKäufe vor allem von Gebrauchsgütern getätigt werden, um die im kommenden Jahr höhere Mehrwert-steuer zu vermeiden. Im Jahresdurchschnitt wird die gesamtwirtschaftliche Produktion um 1,8 % zuneh-men. Im Jahr 2007 wird die Konjunktur spürbar an Fahrt verlieren, da wichtige Impulse schwächer wer-den und die Finanzpolitik einen deutlich restriktiveren Kurs fährt. Das reale Bruttoinlandsprodukt dürfte

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Inhalt

lediglich um 1,2 % steigen. Bei schwächerem Expansionstempo wird die Beschäftigung langsamer zu-nehmen als im laufenden Jahr; die Zahl der Arbeitslosen wird nur noch um 140.000 auf dann 4,44 Mill.sinken (2006: –281.000) Die Inflationsrate dürfte sich von 1,6 % (2006) auf 2,5 % erhöhen.

Selbstständigkeit und demographischer Wandel 35Mandy Kriese

Die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland ist durch niedrige Geburtenraten und sinkende Sterblichkeitgekennzeichnet. Bereits seit langem ist bekannt, dass diese Entwicklungen die Bevölkerungsstruktur ver-ändern werden. In Zukunft wird es immer weniger Menschen in Deutschland geben, die im Durchschnittzudem deutlich älter sein werden als heute. Im vorliegenden Beitrag wird analysiert, wie sich diese demo-graphischen Veränderungen auf das Potenzial an selbstständigen Personen mit Beschäftigten auswirkenkönnen. Dafür wird die angebotsseitige Entwicklung der Selbstständigkeit in Deutschland bis zum Jahr2050 abgeschätzt.

Im Blickpunkt

Arbeitslosigkeit im internationalen Vergleich 42Uwe Kratzsch

Dieser Beitrag bietet einen Überblick über das Arbeitslosigkeitsrisiko spezieller Bevölkerungsgruppen iminternationalen Vergleich. Wie aufgezeigt wird, sind Jugendliche in Deutschland weniger stark von Ar-beitslosigkeit bedroht, als es in anderen hoch entwickelten Volkswirtschaften der Fall ist. Dagegen istDeutschland, verglichen mit anderen OECD-Staaten, in extrem hohem Maße von Arbeitslosigkeit untergering Qualifizierten sowie unter Älteren betroffen, was den Schluss nahe legt, dass nicht der technischeWandel oder die Globalisierung per se Schuld an der Arbeitslosigkeit sind, sondern dass institutionelleRahmenbedingungen erheblichen Einfluss auf die Jobchancen besitzen.

Daten und Prognosen

Arbeitsmarktentwicklung im Vergleich 46

Ausgewählte Ergebnisse aus dem ifo Konjunkturtest 48

Aus der ifo Werkstatt

ifo Veranstaltungen 52

ifo Vorträge 52

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Gebiet des demographischen Wandels forschen. Im ersten Beitrag stellt Dr. Hansjörg Bucher, wissenschaftli-cher Oberrat beim Bundesamt für Bauwesen und Raum-ordnung (BBR), die aktuelle Bevölkerungsprognose desBBR mit besonderem Fokus auf den Freistaat Sachsenvor. Dazu wird zunächst das Verfahren der BBR-Bevöl-kerungsprognose mit den zugrunde gelegten Annahmenerläutert. Anschließend werden die Ergebnisse der Prog-nose bis zum Jahr 2020 anhand verschiedener Kennzif-fern, z. B. der Alterung der Bevölkerung, dargestellt. EinVergleich der Ergebnisse des BBR mit Bevölkerungspro-jektionen anderer Institute macht deutlich, dass es zwargewisse Diskrepanzen in der Einschätzung der künftigenEntwicklung gibt. Allerdings sind diese derart gering,dass die politische Bewertung sowie die Ableitung vonKonsequenzen ähnlich ausfallen.

Im zweiten Beitrag geht Dr. Jürgen Hübner, wissen-schaftlicher Mitarbeiter im Landesbetrieb für Datenverar-beitung und Statistik Brandenburg, insbesondere auf diePrognose von Haushaltszahlen ein. Die Prognose vonHaushalten ist für die neuen Bundesländer von besonde-rer Bedeutung, da sich die Haushaltsstrukturen nach der Wende erheblich verändert haben und noch immerverändern. Zur Prognose der Haushalte in Brandenburgwerden sowohl das Haushaltemitgliederquotenverfahrenals auch Makrosimulationen angewendet. Nach der Darstellung der Prognoseergebnisse werden Verbesse-rungsmöglichkeiten hinsichtlich der Methodik aufge-zeigt.

Im dritten und letzten Artikel dieses Schwerpunkteszeigt Annett Kirschke, wissenschaftliche Mitarbeiterinbeim Statistischen Landesamt des Freistaates Sachsen,inwiefern sich eine räumliche Typisierung zur Beurteilungder demographischen Entwicklung eines Gebietes eig-net. Denn die demographische Entwicklung in Sachsenverläuft auf regionaler Ebene unterschiedlich, sodass Bevölkerungsrückgang und Bevölkerungswachstum nebeneinander auftreten. Um Aussagen zur demogra-phischen Entwicklung machen zu können, hat das Sta-tistische Landesamt einen Ansatz zur kleinräumigen Typi-sierung und Gruppierung der Gemeinden nach ihrendemographischen Entwicklungstrends erarbeitet.

In jüngster Zeit ist der demographische Wandel stärker indas öffentliche Interesse gerückt. Neben Expertenkom-missionen und Zukunftsinitiativen zum demographischenWandel in mehreren Bundesländern gibt es auch auf lo-kaler und überregionaler Ebene mehr und mehr Bündnis-se und Initiativen, um frühzeitig auf die Auswirkungen derdemographischen Entwicklung reagieren zu können. Einenentscheidenden Einfluss hat der demographische Wan-del auch auf die sozialen Sicherungssysteme.

Der Anstieg in der Lebenserwartung sowie die anhal-tend niedrige Geburtenrate werden dazu führen, dassder Anteil der älteren Menschen in der deutschen Bevöl-kerung stetig zunimmt. Gleichzeitig wird die Bevölkerungschrumpfen, da die Zahl der Sterbenden die Anzahl derLebendgeborenen übersteigt und voraussichtlich nichtdurch Zuwanderung kompensiert werden kann. Obwohlüber diese grundlegenden Entwicklungsmuster weitest-gehend Einigkeit unter Demographieforschern in Deutsch-land besteht, sind Bevölkerungsprojektionen dennochmit Unsicherheiten behaftet.

Die vorliegende Ausgabe von ifo Dresden berichtet istdaher dem Schwerpunktthema „Probleme demographi-scher Projektionen“ gewidmet. Grundlage für die in die-ser Rubrik veröffentlichten Beiträge ist ein Workshop,den die Dresdner Niederlassung des ifo Instituts in Zu-sammenarbeit mit Prof. Dr. Helmut Seitz, Lehrstuhl fürempirische Finanzwissenschaft und Finanzpolitik an derTU Dresden, und dem Statistischen Landesamt des Frei-staates Sachsen im Oktober 2005 am ifo Institut in Dres-den veranstaltet hat.

Ziel des Workshops war es, Demographen und An-wender bzw. Nutzer von Bevölkerungsprojektionen zusammenzubringen. Dabei wurde zum einen deutlich,mit welchen Problemen sich Demographieforscher beider Erstellung von Bevölkerungsprognosen auseinandersetzen müssen. Zum anderen konnten auf der Nutzersei-te zahlreiche Fragen hinsichtlich der Verfügbarkeit spezi-eller Prognosen, wie z. B. die Prognose von Haushalts-zahlen, welche für den Wohnungsmarkt von Bedeutungist, beantwortet werden.

Probleme demographischer Projektionen – die Artikel

Der ifo Dresden berichtet Themenschwerpunkt bestehtaus drei Artikeln externer Wissenschaftler, die auf dem

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Aktuelle Forschungsergebnisse

Themenschwerpunkt: Probleme demographischer Projektionen Beate Grundig und Carsten Pohl*

* Beate Grundig und Carsten Pohl sind wissenschaftliche Mitarbeiter inder Dresdner Niederlassung des ifo Instituts.

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Prognoserechnungen für die Bevölkerung werden vonverschiedenen Institutionen auf wechselnden räumlichenEbenen betrieben. In Deutschland leistet die amtlicheStatistik wesentliche Prognosearbeiten. Das StatistischeBundesamt betrachtet mit seinen Bevölkerungsvoraus-berechnungen den Gesamtraum, in Koordination mitden Statistischen Landesämtern auch die 16 Bundeslän-der. Unterhalb der Länderebene werden teilräumlichePrognosen auf Kreis- oder gar Gemeindeebene durch-geführt, von den Statistischen Landesämtern für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich. Schließlich gibt es Prog-nosen diverser kommunaler Statistischer Ämter für deren Städte und Stadtteile. Die BBR-Bevölkerungsprog-nose ist die einzige, die sowohl bundesweit flächen-deckend als auch kleinräumig (auf Kreisebene) von Amtswegen durchgeführt wird. Als Teil der Raumordnungs-prognose mit weiteren Merkmalen wie private Haushalte,Erwerbspersonen oder Wohnungsmarktaktivitäten ist sie eingebettet in eine Vorausschau der räumlichen Ent-wicklung.

Die BBR-Bevölkerungsprognose wird völlig eigen-ständig und wissenschaftlich unabhängig durchgeführt.Sie ist deshalb auch nicht kongruent mit den anderenamtlichen Prognosen – dies wäre schon rein technischgar nicht möglich. Es bestehen gleichwohl enge Zusam-menhänge zwischen der jeweils aktuellen koordiniertenBevölkerungsvorausberechnung und der BBR-Progno-se. Diese „Verwandtschaften“ beziehen sich auf großeTeile des methodischen Ansatzes und auf das Annah-mengerüst. Die Annahmensetzung ist immer Ergebniseiner intensiven Diskussion, für die die Prognostiker auchgerne externes Fachwissen heran ziehen. Bereits seitJahrzehnten besteht eine wechselseitige Kooperationdergestalt, dass die BBR-Prognostiker an den Annahmen-diskussionen der koordinierten Bevölkerungsvorausbe-rechnung teilnehmen und umgekehrt deren Produzentenin die Annahmenfindung der BBR-Raumordnungsprog-nose eingebunden sind [vgl. für eine ausführliche Dar-stellung BUNDESAMT FÜR BAUWESEN UND RAUMORDNUNG

(2006), Kapitel 2].

Das Verfahren

Als Methode der BBR-Bevölkerungsprognose wird dieauch in der amtlichen Statistik gebräuchliche jährlicheFortschreibung der Bevölkerung mit den natürlichen undräumlichen Bewegungen benutzt. Die Geburten, Sterbe-fälle und Wanderungen werden mit Raten aus der Bevöl-kerung abgeleitet. Zentrale Aufgabe des Prognostikersist die Festlegung dieser Raten. Unter der Berücksichti-gung bisheriger räumlicher Trends und deren Stabilitätwerden Entwicklungen angenommen, die zu regionalenKonvergenzen, Divergenzen oder aber zu stabilen Mustern führen können. Für die Außenwanderungenwird ein langjähriger Erwartungswert vorgegeben, ohnedie tatsächlichen kurzfristigen Schwankungen treffen zuwollen. Eine eigenständige und besondere Komponentedes Modells betrifft die Binnenwanderung, bei der simul-tan die Fortzüge aller Teilräume auf die Zielräume verteiltwerden. Basis jener Operation ist die tatsächliche Wanderungsverflechtung zwischen den Kreisen seit derEinigung. Ergebnis des Prognoseprozesses ist eine räumlich differenzierte Bevölkerungsentwicklung, dieeine große Vielfalt an Konstellationen des demographi-schen Wandels zeigt.

Die formale Bevölkerungsprognose wird durchge-führt mit einem mathematischen Gleichungssystem. Esbesteht aus einer Definitionsgleichung und mehrerenVerhaltensgleichungen. Die Gleichungen besitzen einentheoretischen Gehalt, weil sie einen postulierten Zusam-menhang zwischen den Modellgrößen abbilden und einenempirischen Gehalt, weil die in den Gleichungen verwen-deten Parameter auf tatsächlich gemessenen Größenund deren Fortschreibung in die Zukunft basieren.

Die Definitionsgleichung beschreibt den Bevölke-rungsprozess als Zusammenhang zwischen dem Bevöl-kerungsbestand einer Ausgangssituation, den Bevölke-rungsbewegungen des folgenden Zeitraums und demBevölkerungsbestand am Ende dieses Zeitraums. DieBevölkerungsbewegungen werden durch Verhaltensglei-chungen beschrieben, in denen jeweils eine Komponen-te aus dem Bevölkerungsbestand oder Teilen davon (derso genannten „Risikobevölkerung“) abgeleitet wird. DieBerücksichtigung des inneren Aufbaus der Bevölkerung

* Dr. Hansjörg Bucher ist wissenschaftlicher Oberrat beim Bundesamt fürBauwesen und Raumordnung in Bonn.

Die aktuelle Bevölkerungsprognose des Bundes-amtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) –unter besonderer Berücksichtigung des FreistaatesSachsenHansjörg Bucher*

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nach Geschlecht und Alter ist wesentliches Element die-ses Konzeptes. Dadurch wird der wechselseitige Einflussvon Struktur und Dynamik einer Bevölkerung systema-tisch erfasst: Die Altersstruktur einer Bevölkerung beein-flusst deren Dynamik, die Dynamik wiederum formt diekünftige Altersstruktur.

Aus dem Modell ergeben sich die strategischen Variablen, die das Prognoseergebnis maßgeblich mit-bestimmen: die altersspezifischen Fertilitätsraten derKreise, die geschlechts- und altersspezifischen Morta-litätsraten der Kreise, die altersspezifischen Mobilitäts-raten, die internationalen Wanderungsströme über dieGrenzen der Bundesrepublik Deutschland. Daneben gibtes Annahmen einer zweiten Stufe, die die innere Zusam-mensetzung oder die räumliche Verteilung der Bevölke-rung betreffen. Das Prognosemodell ist formal eher spar-sam. Es erhält seine hohe Komplexität durch die weitgetriebene Ausdifferenzierung in der sachlichen und räumlichen Dimension.

Die Annahmen

Der „Wenn-Dann-Charakter“ einer Prognoserechnungverleiht den Annahmen die entscheidende Bedeutung.Die Annahmen sind das „Wenn“, mit dem letztlich diePrognoseergebnisse festgelegt sind. Insofern ist die An-nahmensetzung die zentrale Aufgabe des Prognostikers.Die Begründung und die Offenlegung der Prognose-annahmen sind unabdingbar für die Einschätzung undBewertung der Ergebnisse; Transparenz und Nachvoll-ziehbarkeit der Annahmen definieren die Qualität einerPrognose.

Mit der steigenden Modellkomplexität gerät der Prog-nostiker in ein Dilemma: Die Annahmen, die in das Prog-noseinstrumentarium hineingesteckt werden, sind soumfangreich, dass sie kaum noch vermittelbar sind. Alsgangbarer Weg bietet sich ein hierarchisches Verfahrenan, bei dem die Annahmen zunächst für größere sachli-che und/oder räumliche Einheiten gesetzt und dannschrittweise ausdifferenziert werden. Für diesen mehr-stufigen Prozess werden systematische Regeln aufge-stellt, die aus vier Schritten bestehen:

(1) Zunächst wird eine räumliche Ebene definiert, aufder Modellparameter prognostiziert werden sollen. Diesekünstliche Zwischenebene (zwischen dem Gesamtraumund den Kreisen liegend) besitzt Eigenschaften, die fürdie Fortschreibung der Parameter günstig sind (z. B. Ho-mogenität im demographischen Geschehen).

(2) Auf dieser Zwischenebene findet der erste Prog-noseakt statt. Es werden für zunächst größere Personen-gruppen die Verhaltensparameter in die Zukunft projiziert.Basis hierfür sind qualifizierte Trends der Vergangenheit.

(3) Diese Annahmen werden räumlich weiter ausdiffe-renziert, von der Zwischenebene auf die Kreisebene her-unter gebrochen.

(4) Schließlich wird die grobe sachliche Differenzie-rung von Altersgruppen hin zu einzelnen Jahrgängenverfeinert, wobei in der Regel zusätzliche Informationenüber die Feinaltersstruktur anderer räumlicher Ebenenhinzugezogen werden.

Nach diesem Grundmuster werden in der Prognosedie Fertilitätsraten und die Mobilitätsraten der Fortzügeprognostiziert. Die Zuzüge innerhalb Deutschlands wer-den aus den Fortzügen in Kombination mit deren Ziel abgeleitet. Die Zuzüge aus dem Ausland werden als ab-solute Größen vorgegeben und dann auf Zielregionenund Bevölkerungsgruppen verteilt. Hierfür sind Annah-men „zweiter Ordnung“ notwendig – räumliche Vertei-lungsschlüssel und Strukturmuster, mit denen zunächstgrobe Prognoseergebnisse verfeinert werden.

Die großen Trends zeigen nach wie vor Ost-West-Unterschiede, jedoch mit weiterhin abnehmender Ten-denz. (1) Die Fertilität des Westens wird als weitgehendstabil erwartet, der Osten zeigt Angleichungstendenzenbezüglich der Häufigkeit wie auch des Alters derGebärenden. (2) Die Lebenserwartung wird im Westenkontinuierlich steigen, der Osten wird kräftig aufholen. (3) Die Mobilität innerhalb Deutschlands wird ihre Musternicht grundsätzlich ändern. Doch führen altersstruktu-relle Verschiebungen dazu, dass das Wanderungs-volumen insgesamt sinkt, dass sich Prozesse wie dieSuburbanisierung oder die Ost-West-Wanderung ab-schwächen. (4) Für die internationalen Wanderungenwird ein langjähriger Durchschnittswert aus der Vergan-genheit übernommen. Er liegt sehr nahe bei der mittlerenVariante aus der 10. koordinierten Bevölkerungsvoraus-berechnung. Der Westen wird weiterhin überdurch-schnittlich an diesen Außenwanderungen partizipieren.

Die Ergebnisse

Der demographische Wandel setzte bereits vor vierzigJahren ein. Dessen Bestandteile sind:

– die veränderte Dynamik des Bevölkerungswachstums,– die Veränderung der Altersstruktur der Bevölkerung,– die wachsende Internationalisierung der Bevölkerung

durch Zuwanderungen aus dem Ausland.

Die langfristig erwarteten Trends der Bevölkerungsab-nahme, der Alterung und der Internationalisierung wur-den bisher überlagert durch Besonderheiten, deren – zumeist politische oder ökonomische – Ursachen bereits viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte zurückliegen

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(Weltkriege, Wirtschaftszyklen, politische Umbruch-phasen). Zudem zeigten bereits frühere Bevölkerungs-prognosen, dass zwar die Alterung und die Internationa-lisierung überall – wenn auch unterschiedlich intensiv –stattfinden werden, dass jedoch die Abnahme der Bevölkerung keineswegs alle Regionen treffen wird.Mindestens für die nächsten beiden Jahrzehnte wird es – wie bisher auch schon – ein Nebeneinander von wach-senden und schrumpfenden Gemeinden und Regionengeben.

Die Bevölkerungsdynamik

Eine Gleichzeitigkeit von Wachstum und Schrumpfunggibt es bereits seit längerem. Im Gefolge des demo-graphischen Wendeschocks war die Schrumpfungzunächst fast ausschließlich ein Phänomen der neuenLänder, der Westen dagegen verzeichnete Bevölke-rungszuwächse. Dieses Bild hat sich längst verändert.Im Verlauf des Zeitraums 1990–2002 zeigten sich folgen-de Trends:

– sinkende Geburtenzahlen,– Sterbefälle, die – als Spätfolge des Geburtenrückgangs

im I. Weltkrieg – zunächst stagnierten bis leicht sanken,die nunmehr aber tendenziell wieder steigen,

– die Konsolidierung der (Brutto-)Zuzüge aus dem Ausland auf mittlerem Niveau zwischen 800 Tsd. und 900 Tsd.,

– eine leicht sinkende Zahl der Fortzüge aus Deutschlandum rund 700 Tsd. Personen.

Daraus resultierten stetig steigende Sterbeüberschüsseund ein um ein stabiles Niveau schwankender Außen-wanderungssaldo mit der Folge, dass der zunächst nochhohe jährliche Zuwachs der Bevölkerung stark sank undgegen Null tendierte.

Unter den getroffenen Annahmen wird folgendeBevölkerungsentwicklung erwartet: Im Zeitraum 2003bis 2020 rechnen wir für Deutschland mit Sterbeüber-schüssen in einer Größenordnung von ca. 4,6 Mill. Ausdem Ausland werden Wanderungsgewinne von über4 Mill. kommen und somit die Sterbeüberschüsse nichtmehr ganz ausgleichen können. Die Bevölkerung wirddadurch ganz leicht, um keine halbe Million Personenabnehmen, was noch nicht einmal einem halben Prozententspricht. Die zusätzlichen räumlichen Bewegungen –Binnenwanderungen über Kreisgrenzen hinweg – führennur zu Umverteilungen, damit allerdings zu einer wesent-lich höheren Dynamik in Teilräumen. Zentrale Bedeutungerlangen auch die Veränderungen der inneren Zusam-mensetzung der Bevölkerung.

Der Ost-West-Vergleich

Der Wendeschock führte zu gravierenden Unterschiedenim demographischen Geschehen der alten und der neu-en Länder. Künftig werden diese Gegensätzlichkeitensich abschwächen. Immer deutlicher wird, dass beideLandesteile sich auf eine ähnliche Zukunft hinbewegen,dass allerdings die rasanten Veränderungen nach derWende im Osten zu einer vorübergehenden Beschleuni-gung des demographischen Wandels führten. DerWesten als Ganzes wird bis 2020 noch nicht mit Bevöl-kerungsabnahmen zu rechnen haben, die Sterbeüber-schüsse von gut 3 Mill. (hohe Eintreffwahrscheinlichkeit)werden immer noch durch Wanderungsgewinne aus den neuen Ländern und aus dem Ausland von gut 4 Mill.(hohes Prognoserisiko) überkompensiert. In den darauffolgenden dreißig Jahren ist dann auch für den WestenBevölkerungsschwund angesagt, wie weitergehendeModellrechnungen zeigen (vgl. Tabl. 1).

Die neuen Länder verbuchten von 1990 bis 2002 fast1 Million Sterbeüberschüsse und verloren weitere 770 Tsd.Personen durch Abwanderung in den Westen, konntenaber aus dem Ausland knapp 600 Tsd. Zuzüge netto ver-buchen. Unterm Strich ergab sich ein Bevölkerungsver-lust von knapp 1,2 Mill. oder fast 7 %. Während des Zeit-raums bis 2020 wird sich der Schrumpfungsprozessverlangsamen, auch die Ursachen werden ihre Gewichteverschieben. Dies geschieht dadurch, dass die Sterbe-überschüsse in etwa auf dem bisherigen Niveau bleiben,dass sich jedoch die Binnenwanderungsverluste gegen-über dem Westen entschieden verringern und dass dieAußenwanderungsgewinne nur geringfügig abnehmen.

Die neuen Länder verlieren demnach ca. 1,3 Mill. anBevölkerung, den Sterbeüberschuss von 1,4 Mill. kön-nen sie nur geringfügig mit Wanderungsgewinnen min-dern. Die wesentliche Bestimmungsgröße der Dynamiksind die natürlichen Bewegungen, und da die Lebenser-wartung erfreulicherweise stark steigt, ist es die geringeZahl an Geburten, die hauptsächlich diese Entwicklungbestimmt. Nach 2020 wird sich diese Tendenz noch be-schleunigen, weil dann die geburtenschwachen Jahr-gänge der Wendezeit in die Elterngeneration hineinge-wachsen sein werden und zu einem weiteren – dannstrukturbedingten – Geburtenrückgang führen.

Innerhalb der neuen Länder (einschließlich Berlin) hatder Freistaat Sachsen eine besondere demographischeEntwicklung durchgemacht. Die Bevölkerung nahm et-was stärker ab, weil die Sterbeüberschüsse etwashöher, die Wanderungsverluste Richtung Westen leichtüberdurchschnittlich, die Wanderungsgewinne gegen-über dem Ausland dagegen leicht unterdurchschnittlichausfielen. Unter weitgehenden Status-quo-Annahmender bisherigen Trends wird die Bevölkerung Sachsens

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um weitere gut 10 % abnehmen und 2020 knapp unter3,9 Mill. Personen liegen. Wichtigste Ursache dieser Ab-nahme werden die Sterbeüberschüsse sein. Weniger alshalb so groß werden die Wanderungsverluste Sachsensinnerhalb Deutschlands erwartet, die durch Wande-rungsgewinne aus dem Ausland allerdings zum größerenTeil kompensiert werden können. Geringere Abnahmenwerden für die Regionen Dresden und Leipzig erwartet.Insofern zeigt sich hier eine ostdeutsche Besonderheit.Während im Westen die Dekonzentrationsprozesse –wenn auch abgeschwächt – voran schreiten, zeichnensich im Osten innerhalb der Schrumpfung Konzentra-tionsprozesse ab, weil die ländlichen, dünn besiedeltenRäume noch stärker Bevölkerung verlieren werden.

Die Alterung der Bevölkerung

Alterung bezieht sich auf die innere Zusammensetzungder Bevölkerung und insbesondere auf die Relation derAltersgruppen zueinander. Der Anteil jüngerer Alters-gruppen sinkt zumeist, der Anteil älterer Menschen steigtstark an. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung steigtebenfalls. Dies kann auf verschiedene Weisen geschehen.

Der Vergleich der alten und der neuen Länder macht diesfür die 1990er Jahre deutlich: Motor der Alterung war imOsten die Abnahme der Jugendlichen, im Westen dage-gen die Zunahme der alten Menschen (vgl. Abb. 1). Diesist jedoch nur eine Momentaufnahme, der Alterungspro-zess wird – dies zeigen auch die Langfristprognosen desStatistischen Bundesamtes – erst in den 2030er Jahrenihren Höhepunkt erreichen.

In den alten Ländern wurde die Alterung getragendurch eine Zunahme der Menschen über 26 Jahre, sehrstark (um jahresdurchschnittlich über 2 %) durch die 60-bis 75-Jährigen („Junge Alte“) und am stärksten durchdie über 75-Jährigen (die „Hochbetagten“, fast 2,6 %).Die jugendlichen Altersklassen wurden durchlaufen vondemographischen Wellen, ausgelöst durch den Baby-Boom der 1960er Jahre und den anschließenden „Pillen-knick“. So nahm die Altersgruppe der 20- bis unter 26-Jährigen in den 1990er Jahren Jahr für Jahr um fast 2 Prozent ab, die Zahl der 6- bis unter 16-Jährigen alsNachkommen der Baby-Boomer stieg dagegen um überein Prozent an. Der starke Geburtenrückgang der sech-ziger und siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts führtenun – eine Generation später – zu einem „Echo-Effekt“bei deren Kindern mit Schwerpunkt im Vorschulalter.

Tabelle 1: Bevölkerungsbilanzen in Vergangenheit und Zukunft

Quellen: Laufende Raumbeobachtung des BBR; BBR-Bevölkerungsprognose 2002–2050/Exp.

Bund Alte Länder Neue Länder Sachsen

1990 Bevölkerung 79.753,2 61.573,6 18.179,5 4.764,3

1991 bis 2002 natürlicher Saldo –1.078,9 –88,9 –990,0 –325,2

Außenwanderungssaldo 3.846,4 3.250,0 596,4 119,1

Binnenwanderungssaldo 0,0 776,7 –776,7 –221,9

Gesamtwanderungssaldo 3.846,4 4.042,3 –180,3 –102,8

2002 Bevölkerung 82.520,7 65.511,4 17.009,2 4.336,3

2003 bis 2020 natürlicher Saldo –4.560,1 –3.138,1 –1.422,0 –410,8

Außenwanderungssaldo 4.169,2 3.524,7 644,5 138,0

Binnenwanderungssaldo 0,0 527,0 –527,0 –184,2

Gesamtwanderungssaldo 4.169,2 4.051,7 117,5 –46,2

2020 Bevölkerung 82.129,8 66.441,0 15.704,2 3.891,2

2050 Bevölkerung 77.260,2 64.151,0 13.109,2 3.117,0

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Aktuelle Forschungsergebnisse

In den neuen Ländern war die Alterung eine Folge desGeburtenrückgangs und der Westwanderung mit star-ken Abnahmen fast aller Gruppen unter 26 Jahren. Hinzukam – noch stärker als im Westen – die Zunahme derjungen Alten, was den Alterungsprozess dort beschleu-nigte. Die Zahl der Kinder im Vorschulalter halbierte sichnahezu, die Zahl der Schulpflichtigen sank um ein Sechs-tel, die der 20- bis unter 26-Jährigen um knapp ein Vier-tel. Diese schockartigen altersstrukturellen Veränderun-gen werden noch auf Jahrzehnte hinaus diedemographische Entwicklung der Bevölkerung prägenund kontinuierliche Planungen erschweren.

Die altersstrukturellen Veränderungen der nächstenZukunft sind weitgehend von Ereignissen festgelegt,

die weit in der Vergangenheit liegen. DemographischeWellen, ausgelöst von historischem Geschehen oderverhaltensbeeinflussendem Wertewandel, prägen nochheute die innere Zusammensetzung der Bevölkerungund deren aktuelle wie künftige Dynamik. Osten und Westen haben häufig gleichgerichtete Tendenzen, jedoch bei unterschiedlicher Intensität. Die neuen Ländererwarten stärkere altersstrukturelle Verwerfungen als die alten Länder. Dies betrifft die Zunahme der Hoch-betagten (um 66 % gegenüber knapp 40 %) ebenso wie die Abnahme der Jugendlichen von 16 bis unter 26 Jahre (–40 % gegenüber Konstanz). Ähnlich starkeAbnahmen werden für die unter 6-jährigen Kinder ge-sehen.

–1,06

1,12

1,12

–1,98

–0,79

0,54

2,11

2,57

–4 –2 0 2 4

bis unter 6

6 bis unter 16

16 bis unter 20

20 bis unter 26

26 bis unter 40

40 bis unter 60

60 bis unter 75

75 und älter

1993

–200

2

–2,75

–3,82

1,47

–0,08

–1,91

0,03

3,13

1,79

–4 –2 0 2 4

–0,71

–1,08

–0,42

0,19

–0,72

0,57

0,49

2,15

–4 –2 0 2 4

bis unter 6

6 bis unter 16

16 bis unter 20

20 bis unter 26

26 bis unter 40

40 bis unter 60

60 bis unter 75

75 und älter

2002

–202

0

–0,61

–1,06

–2,37

–2,08

–1,11

–0,34

0,17

3,64

–4 –2 0 2 4

alte Länder neue Länder

Abbildung 1: Dynamik ausgewählter Altersgruppen in Vergangenheit und Zukunft und im Ost-West-Vergleich(Angaben in Prozent)

Quellen: Laufende Raumbeobachtung des BBR; BBR-Bevölkerungsprognose 2002–2050/Exp.

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Aktuelle Forschungsergebnisse

Gegenläufige Entwicklungen sind zu erwarten bei

– den 20- bis unter 26-Jährigen mit Abnahmen um überein Drittel in den neuen Bundesländern, dagegen mit leichten Zunahmen im Westen;

– den 40- bis unter 60-Jährigen mit Zunahmen um 10 %im Westen, mit Abnahmen um ca. 6 % im Osten.

Diese wenigen Beispiele zeigen, dass die Alterung in denverschiedensten Ausprägungen auftritt und daher auchunterschiedlichsten Handlungsbedarf erzeugen kann.Unstrittig ist, dass die Alterung überall stattfindet, jedochmit wechselnder Geschwindigkeit. Große Teile der neuenLänder, insbesondere wenn sie eine geringere Verdich-tung aufweisen, werden schneller altern (als Maßzahl fürdie Altersstruktur bzw. die Alterung wurde in den karto-graphischen Darstellungen das Billeter-Maß verwendet)(vgl. Abb. 2). Im Westen ist dieser siedlungsstrukturelleZusammenhang ebenfalls festzustellen, wenn auch aufniedrigerem Niveau. Die Rheinschiene, über Stuttgartnach München hin verlängert, altert langsamer, ebensoviele kreisfreie Städte, die jedoch bereits eine ältereAusgangsposition hatten. Signifikant schneller ist dieAlterung in suburbanen Räumen mit nachlassender Zu-zugsintensität. Eine relativ homogene Bevölkerungdurchläuft dort ihren Familienzyklus, von den jungenFamilien, die ehemals aus der Stadt gezogen waren,werden Rentnerehepaare und Witwen übrig bleiben.

Unter den neuen Ländern hatte Sachsen bereits zurZeit der Einigung eine überdurchschnittlich alte Bevölke-rung. Bis 2002 nahm die Zahl der über 60-Jährigen um15 % zu, dadurch stieg der Anteil dieser Gruppe auf fast28 %. Dieser Trend wird sich fortsetzen (vgl. Abb. 3). Die„Alten“ werden bis 2020 um weitere 13 % wachsen, ihrAnteil dann sogar auf über 35 % steigen, weil zugleichdie jungen und mittleren Altersgruppen abnehmen wer-den. Die unter 20-Jährigen gehen bereits bis 2010 umein weiteres Viertel zurück und stagnieren dann auf nied-rigem Niveau. Die aktive Bevölkerung (hier: die 20- bisunter 60-Jährigen) wird um ein Fünftel schrumpfen.Sachsen wird eines der ältesten Bundesländer bleiben.Die Anpassung der sozialen Infrastruktur an diese demo-graphischen Rahmenbedingungen wird zu einer zentra-len Zukunftsaufgabe der nächsten vierzig Jahre gemachtwerden müssen. Denn diese Alterung wird weit über dasJahr 2020 hinausgehen und seinen Höhepunkt erstdann erreichen, wenn die Babyboom-Generation dashochbetagte Alter erreicht haben wird.

Das räumliche Muster der Alterung Sachsens wirdstark von der Selektivität der Wanderungen beeinflusst.Die beiden großen Städte Leipzig und Dresden profitie-ren von den Wanderungsgewinnen junger Menschen imAlter unter 25 Jahren, altern dadurch deutlich langsamer

als der Rest des Landes. Auch einige Kreise in der Nach-barschaft von Städten können über den – wenn auchabgeschwächten – Suburbanisierungsprozess ihre Alterungetwas bremsen. Dagegen müssen die geringer verdichte-ten Kreise in peripherer Lage mit einer deutlich schnellerenAlterung rechnen. Dadurch ergibt sich eine Besonderheitgegenüber den alten Ländern: Die Alterung wird imOsten nicht nur sehr viel weiter fortgeschritten sein. Dieältesten Bevölkerungen werden dort in den ländlichenRegionen leben. Im Westen hingegen wird ein kleinräumi-ges Gefälle erwartet, wobei die Kernstädte dann amjüngsten und die Umlandkreise mit wachsender Distanzzum Kern auch älter sein werden. Auch dies ist eine Folgevon Suburbanisierung, die jedoch Jahrzehnte zurück liegt.

Die Positionierung der BBR-Ergebnisse in der Prognoselandschaft

Die BBR-Prognose liefert bundesweit flächendeckendkleinräumige Ergebnisse. Der Rechenakt samt der An-nahmensetzung vollzieht sich auf der Kreisebene. Prog-nosen für größere räumliche Einheiten wie die Länder er-geben sich durch Aggregation der Kreisergebnisse.Dieses methodische Vorgehen des bottom up hat großeVorteile, erschwert andererseits einen Abgleich derAnnahmen mit anderen Prognosen für größere Einheiten.Prognosevergleiche sind daher am leichtesten anzu-stellen über die Prognoseergebnisse, wiewohl hinterihnen immer ein ganzes Bündel von Annahmen steckt.Ein Ergebnisvergleich wird hier versucht anhand der Be-völkerungszahl in Deutschland, die für das Jahresende2020 vom BBR und Institutionen der amtlichen Statistikprognostiziert wurde.

Diese Zahl wird auf zwei räumlichen Ebenen zu ande-ren Prognosen in Beziehung gesetzt. Auf Länderebeneliegt die zehnte koordinierte Bevölkerungsvorausberech-nung der amtlichen Statistik vor. Auf Kreisebene gibt esvon den Statistischen Landesämtern jeweils für die Kreiseihrer Länder eine kleinräumige Prognose. Sie sind unter-einander nicht abgestimmt – weder im methodischenSinne koordiniert über gemeinsame Modellelementenoch inhaltlich abgestimmt über Modellannahmen.

Aus der zehnten koordinierten Bevölkerungsvor-ausberechnung wurde die mittlere Variante 5 ausge-wählt, um auf der räumlichen Ebene der Bundesländereinen Vergleich mit der BBR-Prognose zu ziehen. In derBundessumme liegt die Variante 5 der 10. Koordiniertenum ein halbes Prozent über dem Ergebnis der BBR-Prog-nose. In den Ländern zeigt sich eine stärkere Abwei-chung zwischen den Prognosen, die sich allerdings aufwenige Länder konzentriert. Denn elf der sechzehn Bun-desländer haben eine Differenz von weniger als 3 % im

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10

ifo Dresden berichtet 3/2006

Aktuelle Forschungsergebnisse

Die Bevölkerung des Kreises ist (gemessen am Bundeswert)

deutlich älter

älter

durchschnittlich alt

jünger

deutlich jünger

Abbildung 2: Junge und alte Bevölkerungen (2002)

Quelle: Laufende Raumbeobachtung des BBR.

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Aktuelle Forschungsergebnisse

Prognoseergebnis. Größere Abweichungen verzeichnendie Stadtstaaten und solche Länder, für die der Bevölke-rungsaustausch mit diesen Stadtstaaten einen hohenAnteil am gesamten Mobilitätsvolumen besitzt (Branden-burg mit Berlin, Mecklenburg-Vorpommern mit Ham-burg). Dies weist auch schon auf die Ursachen jener Ab-weichungen hin. In der BBR-Prognose werden diekleinräumigen Wanderungen explizit berücksichtigt undnehmen dort einen Umfang an, der zu einer stärkerenräumlichen Umverteilung führt, als dies in der 10. Koordi-nierten der Fall ist. Resultat ist, dass die Wanderungs-gewinner der Suburbanisierung (hier: Brandenburg undMecklenburg-Vorpommern) in der BBR-Prognose einehöhere Dynamik aufweisen. Umgekehrt erzielen dieStadtstaaten ein höheres Prognoseergebnis in der10. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung.

Fasst man nunmehr die Länder, die als Herkunfts- undZielregionen jener Wanderungsströme fungieren, zuGruppen zusammen, dann saldieren sich die Zuzügeund Fortzüge innerhalb dieser Aggregate, der Umvertei-lungseffekt zwischen den Ländern verschwindet. Esverbleiben die großräumigen Wanderungen über dieLändergruppen hinaus. Zu einem solchen Vergleich wur-den fünf Ländergruppen gebildet, die diese Saldierungder kleinräumigen Wanderungen leisten. Ergebnis fürdiese Gruppen war eine starke Annäherung der Progno-seergebnisse. Das heißt, die BBR-Annahmen zur klein-räumigen Wanderung tragen zu einem erheblichen Teilzu den Abweichungen in den Prognoseergebnissen bei.Allerdings sind diese Annahmen sehr solide empirischabgesichert, denn sie stützen sich auf die tatsächlicheWanderungsverflechtung zwischen den Kreisen seit der

Die Alterung verläuft (gemessen an der Bundesentwicklung)

deutlich schneller

schneller

durchschnittlich schnell

langsamer

deutlich langsamer

Abbildung 3: Alterung in Sachsen bis 2020

Quelle: BBR-Bevölkerungsprognose 2002–2050/Exp.

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Aktuelle Forschungsergebnisse

Ergebnisvergleich zwischen zwei Prognosen im Jahr 2020 auf der Ebene von Ländergruppen

–3

–2,5

–2

–1,5

–1

–0,5

0

0,5

1

1,5

2

Süden Norden Mitte West Mitte Ost Großraum Berlin

in %

relative Abweichung

Ergebnisvergleich zwischen zwei Prognosen im Jahr 2020 auf Länderebene

–4

–3

–2

–1

0

1

2

3

4

Ham

burg

Ber

lin

Bad

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Wür

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Bre

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Sac

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alt

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n

Bra

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burg

in %

relative Abweichung

Abbildung 4: Ergebnisvergleich zwischen zwei Prognosen auf der Ebene von Ländern bzw. von Ländergruppen

Quellen: BBR-Bevölkerungsprognose 2002–2050/Exp.; Statistisches Bundesamt (10. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, Variante 5).

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Aktuelle Forschungsergebnisse

kleinräumig

bis unter 90

90 bis unter 97

97 bis unter 103

103 bis unter 110

110 und mehr

Bevölkerung 2020 der BBR-Prognose in Prozent der Bevölkerung 2020 der Prognosen der Statistischen Landesämter

groflräumig

Abbildung 5: Vergleich der BBR-Bevölkerungsprognose mit Prognosen der Statistischen Landesämter(kleinräumig und großräumig)

Quellen: BBR-Bevölkerungsprognose 2002–2050/Exp., Statistische Landesämter.

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Aktuelle Forschungsergebnisse

Einigung und berücksichtigen zusätzlich die Altersstruk-tur der Wandernden.

Unter den Prognosedifferenzen verbleiben weiteresystematische Reste, denn das BBR prognostiziert diebeiden Gruppen der neuen Länder günstiger und imGegenzug zwei Gruppen der alten Länder (Norden,Süden) schwächer (vgl. Abb. 4). Dies ist auf die Ost-West-Wanderungen zurück zu führen, die allerdings in derBBR-Prognose nicht eigenständig gesetzt werden, sondern sich aus der Wanderungsverflechtungsmatrixzwischen allen Kreisen der Bundesrepublik ergeben. Wesentlicher Grund für die sinkenden Binnenwande-rungsverluste der neuen Länder ist der Potenzialansatzder Fortzüge. Ab Ende dieses Jahrzehnts kommen diegeburtenschwachen Jahrgänge des Wendeschocks indas mobile Alter, so dass das Abwanderungspotenzialstark schrumpft, während das Zuwanderungspotenzialaus dem Westen relativ stabil bleibt. Die Abweichungenzwischen der BBR-Prognose und der mittleren Varianteder 10. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnungsind so gering, dass sie sich in ihren Aussagen nicht wi-dersprechen, vielmehr gegenseitig in der Sicht der Dingebestätigen und ergänzen.

Die Abweichung in den Prognoseergebnissen desBBR und des Statistischen Landesamtes Sachsen (3. Regionalisierte Bevölkerungsprognose für den Frei-staat Sachsen bis 2020, Variante 1) beträgt auf der Län-derebene knapp 2,8 %. Sie zeigt systematische Ab-weichungen auf der Kreisebene (vgl. Abb. 5). DieseDifferenzen bewegen sich entlang dem kleinräumigensiedlungsstrukturellen Gefälle. Die Städte werden nachder BBR-Prognose Ende 2020 eine niedrigere Bevölke-rung haben, deren benachbarte Umlandkreise dagegeneine größere Bevölkerung. Diese räumliche Konstellationnährt die Vermutung, dass die Ursache dieser Ab-weichungen in den Annahmen zur kleinräumigen Stadt-

Umland-Wanderung begründet liegt. Deren Annahmen-setzung ist in den neuen Ländern derzeit aus mehrerenGründen besonders heikel. Das BBR rechnet mit einerabgeschwächten Mobilitätsneigung (= Verhaltenseffekt),doch befinden sich in jener Lebensphase, in der die Sub-urbanisierung vollzogen wird, in den nächsten Jahren diegeburtenstarken Jahrgänge der frühen Honecker-Ära(= Struktureffekt). Das Wanderungsvolumen ins Umlandzeigt deshalb, obwohl sich dessen zwei Determinantenverändern werden, eine gewisse zeitliche Stabilität. DerWechsel von den Kreisen auf die Regionen bringt erheb-lich mehr Übereinstimmung zwischen den beiden Prog-nosen. Dieser Befund bekräftigt die Vermutung, dass dieAnnahmen zur kleinräumigen Wanderung für die Diffe-renzen verantwortlich sind.

Fazit

Wenngleich es gewisse Varianzen in der Einschätzungder künftigen Entwicklung durch die verschiedenen Prog-noseinstitute immer geben wird, so ist doch an einerähnlichen politischen Bewertung und der Ableitung vonKonsequenzen nicht zu zweifeln. Der demographischeWandel wird räumlich höchst verschiedene Konstellatio-nen ausbilden. Die Regionen der neuen Länder werdendabei in der näheren Zukunft stärkeren Wandlungenausgesetzt sein und wohl auch größeren politischenHandlungsbedarf erzeugen.

Literatur

BUNDESAMT FÜR BAUWESEN UND RAUMORDNUNG (Hrsg.)(2006): Raumordnungsprognose 2020/2050, BerichteBand 23, Bonn.

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wirtschaftlichen Einheiten von Personengemeinschaftenoder auch einzelner Personen. Personen, die allein oderzusammen mit anderen Personen eine wirtschaftlicheEinheit bilden, zusammen wohnen und gemeinschaftli-che Hauswirtschaft führen, sind die Bevölkerung in Pri-vathaushalten [vgl. LANDESBETRIEB FÜR DATENVERARBEITUNG

UND STATISTIK (2004)]. Wesentliche Daten der Privathaus-halte werden im Mikrozensus – einer jährlichen einpro-zentigen Stichprobenerhebung – abgebildet.

Im Unterschied zu den primärstatistischen Erhebun-gen können die Register nur Informationen über dieWohnhaushalte liefern, das heißt, sämtliche Personen,die in einer Wohnung zusammenleben, bilden einenHaushalt – den Wohnhaushalt. Die Abbildung der wirt-schaftlichen Einheit kann bei Registerauswertungen zumgegenwärtigen Zeitpunkt nicht erfolgen.

Im Haushalt – egal ob Privat- oder Wohnhaushalt –werden wichtige private Fragen mit hoher volkswirt-schaftlicher Bedeutung geplant, entschieden undgemeinsam wahrgenommen, bspw. Entscheidungenbezüglich der Anzahl der Kinder, deren Schulbildung, derEinkommens- und Vermögensgestaltung, Vornahmegroßer Investitionen (Hausbau, Miete, Konsumgüter),des Arbeits- und Wohnortes oder des Freizeitverhaltens(Sport, Kultur, Reisen) und vieles andere mehr.

Ermittlung der Haushaltsanzahl

Im Mikrozensus erfolgt die Ermittlung der Haushaltsan-zahl durch Interviewerbefragung, allerdings mit den be-kannten Einschränkungen, die im Wesentlichen durcheine relativ kleine Stichprobengröße bedingt sind.

Der KOSIS-Verbund hat ein Generierungsverfahrenzur kleinräumigen Ermittlung der Haushalte z. B. in Städ-ten entwickelt, in dem Informationen aus dem Melde-register zur Zuordnung von einzelnen Personen zu einemHaushalt genutzt werden. Besonders die nichtehelichenLebensgemeinschaften sind schwierig zu erfassen. Für die geplante neue Register-Volkszählung mussebenfalls ein spezielles Generierungsverfahren genutztwerden.

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Aktuelle Forschungsergebnisse

Warum Haushaltsprognosen

Im Zusammenhang mit der stärker in das deutsche Inte-resse gerückten Debatte um die demographische Ent-wicklung hat sich die Landesregierung Brandenburgsdes Themas „Bevölkerungsentwicklung“ besonders an-genommen. Gerade die Prognose von Haushalten ist fürdie Neuen Länder von besonderer Bedeutung, da sichdie Haushaltsstrukturen nach der Wende erheblich ver-ändert haben und noch immer verändern. Beschränkun-gen bei der Erstellung von Haushaltsprognosen ergebensich aus der vorhandenen Datenlage und der Abschät-zung der zukünftigen demographischen Entwicklung.

Gesetzliche Grundlagen

Die amtliche Statistik der Bundesrepublik Deutschlandist gesetzlich streng geregelt. Im Gesetz über die Statis-tik für Bundeszwecke (Bundesstatistikgesetz – BStatG)sind die Grundlagen für die statistischen Erhebungengenannt. Besonders der § 1 [Statistik für Bundeszwecke]betont das föderativ gegliederte Gesamtsystem der amt-lichen Statistik, die Grundsätze der Neutralität, Objekti-vität und wissenschaftlichen Unabhängigkeit und dassdie für die Bundesstatistik erhobenen Einzelangabendurch eine anordnende Rechtsvorschrift festgelegt wer-den müssen.

Im § 7 [Erhebungen für besondere Zwecke] Absatz (4)werden die „freiwilligen Erhebungen der Bundesstatisti-ken ohne Auskunftspflicht“ abgehandelt. Sie dürfenjeweils höchstens zehntausend Befragte umfassen. ImAbsatz (5) heißt es dann, dass auch zur Darstellungeines Verlaufs von bis zu fünf Jahren Wiederholungsbe-fragungen zulässig sind.

Der Haushalt

Der Begriff des Haushalts ist sehr vielgestaltig. Er kanneine finanzielle Ausgaben-Einnahmen-Situation desStaates, einer Firma, eines Unternehmens oder einesPrivathaushaltes kennzeichnen. Bei der Energieversor-gung wird unter Haushalt eine Abrechnungseinheit ver-standen. In der Bevölkerungsstatistik sind Haushalte die

* Dr. Jürgen Hübner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Landesbetriebfür Datenverarbeitung und Statistik Brandenburg.

Wie lässt sich neben der Kopfzahl der zukünftigenBevölkerung auch die Haushaltszahl verlässlichprognostizieren?Jürgen Hübner*

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Aktuelle Forschungsergebnisse

Weiterhin ist die genaue Einwohnerzahl eine wichtigeVoraussetzung für die Ermittlung der Haushalte. Die Ein-wohnerzahl wird durch Fortschreibung der Bevölke-rungszählungen ermittelt. Letztmalig fanden Volkszäh-lungen 1987 in den alten Ländern und 1981 in denneuen Ländern statt.

In Brandenburg angewendete Verfahren

Haushaltemitgliederquotenverfahren

Zur Prognose von Haushalten wurde in Brandenburg ein vom Thüringer Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik entwickeltes Haushaltemitgliederquoten-verfahren auf die Belange Brandenburgs angepasst. Erforderliche Eingabegrößen sind eine Bevölkerungs-prognose, die Bevölkerung in Privat- und in Anstalts-haushalten und aus den Mikrozensuserhebungen derletzten drei Jahre die Zugehörigkeit der Personen zu denHaushalten, differenziert nach Haushaltsgrößen (1 bis 5und mehr Personen) und nach dem Alter (Altersstufenvon 5 Jahren).

Makrosimulation

Für das ProFamy-Verfahren wurden die am Bundesinsti-tut für Bevölkerungsforschung beim Statistischen Bun-desamt vorliegenden Erfahrungen genutzt. Im Übrigensei auf die Ausführungen von Gert Hullen und auf dieVeröffentlichungen in der Quartalsschrift „Daten + Analy-sen, Heft I/2004,“ des Landesbetriebes für Datenverar-beitung und Statistik Brandenburg verwiesen.

Weitere Vorhaben

Der Landesbetrieb für Datenverarbeitung und StatistikBrandenburg plant für zukünftige Haushaltsprognosen,die im Zusammenhang mit den Bevölkerungsprognosenerstellt werden sollen, eine Kombination der beiden ge-nannten Prognoseverfahren. Zuerst wird mit ProFamyeine Haushaltsprognose für das gesamte Land Branden-burg ermittelt. Anschließend wird mit dem Haushaltemit-gliederquotenverfahren die kleinräumigere Haushaltsprog-nose für die einzelnen Landkreise und kreisfreien Städteberechnet. Tiefere regionale Gliederungen sind nichtmöglich, da die Ausgangsdaten des Mikrozensus auf-grund des Stichprobencharakters dies nicht zulassen.Mit einer erneuten Volkszählung sind dann räumliche

Gliederungen – mindestens bis zu 10.000 Einwohner-Gemeinden – möglich.

Dazu wurde u. a. durch die amtliche Statistik einHaushaltegenerierungsverfahren entwickelt und im Zu-sammenhang mit einem „Zensustest“ erprobt. Gegen-wärtig wird es auf der Basis der Testergebnisse weiter-entwickelt. Der Grundgedanke: Durch Verknüpfung derAngaben aus einer Gebäude- und Wohnraumzählungmit einigen Informationen aus den Melderegistern sowieder Nutzung weiterer Registerinhalte kann die Anzahlund Struktur der Wohnhaushalte mit ausreichender statis-tischer Genauigkeit abgebildet werden.

Prognose mit dem Haushaltemitglie-derquotenverfahren

Ist-Werte

Seit der deutschen Wiedervereinigung sind 15 Jahre ver-gangen. Wie in anderen Bereichen gab es auch bei derBevölkerungsentwicklung einen umfangreichen Bruch.Dieser und das für diese Prozesse typische Überschwin-gen gestalten die Prognose für das Land Brandenburgsehr schwierig.

– Die Geburtenzahl sank von 32.997 (1990) auf 18.148(2004) um 45 %.

– Das Geburtenalter der Frauen erhöhte sich stark: Beiden meisten geborenen Kindern im Jahr 1990 warendie Frauen 20 bis 26 Jahre alt und sind jetzt – im Jahr2004 – 26 bis 32 Jahre alt. Das Alter der höchsten Gebärfreudigkeit stieg im gleichen Zeitraum von 23 bis24 auf 29 Jahre und liegt damit fast auf dem Niveauder alten Bundesländer.

– Das Heiratsalter stieg bei den Männern von 1990 bis2004 von 30,0 auf 36,6; also um fast 7Jahre, das derFrauen von 27,3 auf 33,4 und somit um etwa 6 Jahre an.

– Die Anzahl der Eheschließungen halbierte sich, von21.151 im Jahr 1989 auf 11.258 im Jahr 2004. 43 %der brandenburgischen Kinder wurden im Jahr 2004 ineiner Ehe geboren, in der gesamten Bundesrepublikwaren es dagegen 72 %.

– Die Anzahl der Scheidungen entwickelte sich von8.401 im Jahr 1989 über 3.949 (1995) auf 5.773(2004). Im Jahr 2004 erfolgten in Brandenburg 22,5 Scheidungen auf 10.000 Einwohner – in den altenBundesländern lag diese Quote bei 26,6.

– Die nichtehelichen Lebensgemeinschaften wurden 1995 erstmalig im Mikrozensus erhoben, es waren etwa 70.000. Bis zum Jahr 2004 stieg die Anzahl auf ca. 109.000, also um 56 %.

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Aktuelle Forschungsergebnisse

Unter dem Eindruck dieser Entwicklungen sind Progno-sen besonders schwierig. Die im Landesbetrieb für Da-tenverarbeitung und Statistik des Landes Brandenburggetroffenen Annahmen gehen von einer langfristigenAnnäherung der brandenburgischen Haushaltsstruktu-

ren an die Schleswig-Holsteins aus. Die aktuellen Trendswerden sich abschwächen, eventuell umkehren.

Die Entwicklung der brandenburgischen Privathaushaltevon 1991 bis 2004 stellt sich demzufolge so dar:

0

100

200

300

400

500

1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003

Tausend

Zweipersonenhaushalte

Einpersonenhaushalte

Dreipersonenhaushalte

Vier- und Mehrpersonenhaushalte

Abbildung 1: Entwicklung der brandenburgischen Haushalte von 1991–2004

Quelle: Landesbetrieb für Datenverarbeitung und Statistik (2005).

Haushaltsgröße % % p. a.

Einpersonenhaushalte 51 3,20

Zweipersonenhaushalte 40 2,60

Dreipersonenhaushalte 0 –0,02

Vier- und Mehrpersonenhaushalte –37 –3,50

Alle Haushalte 1 0,08

Tabelle 1: Entwicklung der brandenburgischen Haushalte im Jahr 2004 zu 1991

Quelle: Landesbetrieb für Datenverarbeitung und Statistik (2005).

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Aktuelle Forschungsergebnisse

Deutlich sichtbar ist der Trend zu kleinen Haushalten,also die recht gleichmäßige Zunahme der Haushalte miteiner oder mit zwei Personen. Die Anzahl der 3-Perso-nenhaushalte ist fast konstant geblieben, während 4- undMehrpersonenhaushalte seltener werden (vgl. Abb. 1und Tab. 1).

Bevölkerungsprognose

Die Bevölkerungsprognose ist die Basis der Haushalte-prognose. Sie muss einer Haushaltsprognose vor-geschaltet sein. Diese Prognose ist mit – gemessen anden anderen Annahmen – geringeren Unsicherheiten aufgrund der relativ stabilen Entwicklungen behaftet.

Umfang der Ausprägungen im Mikrozensus

Die Stärke der Geburtskohorten (in 5-Jahresschrittenvon 0 bis 80 Jahren) und die Haushaltsstruktur (Anzahlder Haushaltsmitglieder von 1 bis 5 in Personenhaushalten)

sind stark schwankend. Besonders bei den gering be-setzten Randgruppen besteht das Risiko, große Ver-zerrungen im Datensatz des Mikrozensus zu haben. Hierwerden noch Untersuchungen zu der Verteilungsfunktionmit dem Ziel der besseren Abbildung der schwach besetz-ten Ränder und deren besserer Modellierung als möglicherachtet. Ähnliche Probleme, aber auch Lösungsan-sätze, sind bei der Festlegung des Startwertes der Haus-haltsprognose möglich. Der Startwert wird als Mittelwertder letzten drei Jahre in den jeweiligen Altersklassen derEin- bis Fünf- und Mehr-Personenhaushalte definiert.

Proberechnung mit Haushaltemitgliederquoten-verfahren 2003

Die Berechnung der brandenburgischen Privathaushaltenach der Haushaltsgröße wurde im Jahr 2003 als „Vor-untersuchung“ für den Zeitraum von 2005 zu 2020durchgeführt. Die prognostizierte Haushaltsentwicklungbis 2020 ist in Abbildung 2 und zusammengefasst in Ta-belle 2 dargestellt.

Abbildung 2: Entwicklung der brandenburgischen Haushalte (2006–2020)

Quelle: Landesbetrieb für Datenverarbeitung und Statistik.

0

100

200

300

400

500

0202510201025002

Tausend

Vier- und Mehrpersonenhaushalte

Dreipersonenhaushalte

Einpersonenhaushalte

Zweipersonenhaushalte

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Aktuelle Forschungsergebnisse

Proberechnungen mit ProFamy

Erste aktuelle Proberechnungen für 2005 mit dem Mako-simulationsprogramm ProFamy für eine Haushaltspro-gnose Brandenburgs zeigen große Differenzen zu denvorherigen Rechnungen mit dem Haushaltemitglieder-quotenverfahren. Das wird besonders bei der zukünftigen

Anzahl der Einpersonenhaushalte sichtbar (vgl. Abb. 3).Die Ursachen für die Differenzen sind in der unterschiedli-chen Einschätzung der zukünftigen Entwicklung, beson-ders der Anzahl der Einpersonenhaushalte, zu sehen.Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung beim Sta-tistischen Bundesamt geht bei seinen Berechnungen,anders als der Landesbetrieb für Datenverarbeitung und

Haushaltsgröße 2005 2020 % % p. a.

in Tausend

Einpersonenhaushalte 377,7 426,2 12,8 0,8

Zweipersonenhaushalte 415,4 439,4 5,8 0,4

Dreipersonenhaushalte 210,1 177,4 –16 –1,1

Vier- und Mehrpersonenhaushalte 167,5 131,6 –21 –1,6

Tabelle 2: Entwicklung der brandenburgischen Haushalte (2005–2020)

Quelle: Landesbetrieb für Datenverarbeitung und Statistik.

Abbildung 3: Entwicklung der brandenburgischen Haushalte (2006–2020), Berechnung mit ProFamy

Quelle: Landesbetrieb für Datenverarbeitung und Statistik.

0

100

200

300

400

500

600

700

Tausend

Zweipersonenhaushalte

Einpersonenhaushalte

Drei- und Mehrpersonenhaushalte

2005 2010 2015 2020

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Aktuelle Forschungsergebnisse

Statistik des Landes Brandenburg, von einer Fortset-zung des Trends aus Tabelle 1 aus. Da es sich um eineerste Testrechnung handelt, sind weitere Untersuchun-gen und Diskussionen zu den unterstellten Entwicklun-gen der Anzahl und Struktur der einzelnen Haushalts-gruppen erforderlich.

Verbesserungsmöglichkeiten der Haushalts-prognose

Eine Verbesserung der vorhandenen Datenbasis wirdzukünftig durch Weiterentwicklungen des Mikrozensusund vor allen Dingen durch eine neue „Startbasis“ auf-grund der Ergebnisse einer Volkszählung sein.

Mikrozensus

Basis des Mikrozensus ist die 1990 gezogene Ein-Pro-zent-Stichprobe. Diese wird nach Regionen gewichtetund gemeindescharf geteilt. In den vergangenen Jahrenwurden im Land Brandenburg zwei Gemeindegebiets-reformen durchgeführt. Mit den Ergebnissen einer neuenVolkszählung wird eine neue und genauere Basis für dieStichprobenziehung und die Auswertung geschaffen.Damit würde eine Verbesserung der Startwerte für eineHaushaltsprognose erreicht.

Allerdings sind die Mikrozensusdaten gegenwärtignur sehr eingeschränkt für eine verbesserte Prognosenutzbar. Da der relative Standardfehler mit geringeremErhebungsumfang steigt, sind die Ergebnisse für dasLand Brandenburg, einem kleinen Bundesland, fehler-anfälliger. Auch hat eine Reihe gesetzlicher Änderungen(Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften, Durchführung desMikrozensus ab 2005 unterjährig) zu Brüchen in denZeitreihen geführt. Schließlich hat das Land Brandenburgzwar relativ wenige Ausländer, diese sind aber überwie-gend in Heimen untergebracht. Das kann zu Klum-pungseffekten führen und erschwert ein Fortschreibender Daten in die Zukunft.

Volkszählung

In der Bundesrepublik fand die letzte Volkszählung, beider auch die Haushalte erfasst wurden, 1987 statt. Inden Neuen Ländern war dies im Jahr 1981. Eine Neu-zentrierung der Ausgangsdaten ist durch den langenZeitraum und die gravierenden Veränderungen im sozia-len Umfeld dringend erforderlich. Gegenwärtig wird eineneue europaweite Volkszählung, an der sich auch dieBundesrepublik Deutschland beteiligen muss, für dasJahr 2010/2011 vorbereitet.

Zusammenfassung

Eine verlässliche Haushaltszahl zu prognostizieren istaufgrund der ungenauen Ausgangsdaten, der rasantenEntwicklung im familiären und persönlichen Bereich undder unterschiedlichen angewandten Modelle und Metho-den gegenwärtig sehr schwierig. In Landesbetrieb fürDatenverarbeitung und Statistik Brandenburg wird eineHaushalteprognose für das Jahr 2006/2007 vorbereitet.Dazu sind allerdings noch einige methodische Fragen zuden beiden vorgesehenen Prognoseverfahren zu klären.Einen besonderen Schwerpunkt bilden dabei die Gewin-nung von zuverlässigeren und kleinräumigen Ausgangs-daten sowie möglichst realistische Annahmen zur weite-ren demographischen Entwicklung.

Literatur

LANDESBETRIEB FÜR DATENVERARBEITUNG UND STATISTIK

(Hrsg.) (1993): Statistisches Jahrbuch 1993 Branden-burg, Potsdam.

LANDESBETRIEB FÜR DATENVERARBEITUNG UND STATISTIK

(Hrsg.) (2004): Statistisches Jahrbuch 2004 Branden-burg, Potsdam.

LANDESBETRIEB FÜR DATENVERARBEITUNG UND STATISTIK

(Hrsg.) (2005): Statistisches Jahrbuch 2005 Branden-burg, Potsdam.

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Aktuelle Forschungsergebnisse

Die demographische Entwicklung in Sachsen verläuft aufregionaler Ebene unterschiedlich. Bevölkerungsrück-gang und Bevölkerungswachstum existieren nebenein-ander. Das Interesse an kleinräumigen statistischen Ana-lysen ist stetig gewachsen. Um einen systematischenÜberblick über die regionalen Bevölkerungsentwicklun-gen im Freistaat Sachsen zu erlangen, hat das Statisti-sche Landesamt einen Ansatz zur kleinräumigen Typisie-rung und Gruppierung der Gemeinden nach ihrendemographischen Entwicklungstrends erarbeitet. Deraktuelle Arbeitsstand wird in diesem Artikel vorgestellt.

Überblick über die Bevölkerungsentwicklung inSachsen 1990 bis 2004

Die Bevölkerungsentwicklung im Freistaat Sachsen istvon einem fortgesetzten Rückgang der Einwohnerzahlund einer beschleunigten Alterung gekennzeichnet.Ende 2004 verzeichnete Sachsen etwa 4,296 Mill. Ein-wohner. Das sind über 616.000 Personen oder 13 %

* Annett Kirschke ist Referentin für Bevölkerungsstatistik und Bevölke-rungsprognose im Statistischen Landesamt des Freistaates Sachsen.

Typisierung auf räumlich tief gegliederter Ebeneals Beitrag zur Beurteilung der demographischenEntwicklung eines GebietesAnnett Kirschke*

Abbildung 1: Bevölkerungsentwicklung im Freistaat Sachsen 1990 bis 2004

Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen.

01.01.1990=100 01.01.1990=100105

100

95

90

85

105

100

95

90

85

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004

© Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen

Deutschland

Sachsen

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Aktuelle Forschungsergebnisse

weniger als Anfang 1990. Im gleichen Zeitraum beliefsich der Einwohnerrückgang in den neuen Bundeslän-dern insgesamt auf 11 % (vgl. Abb. 1), das frühere Bun-desgebiet ist um 8 % gewachsen. Das gegenwärtigeDurchschnittsalter der sächsischen Bevölkerung beträgt44,4 Jahre. Das sind etwa 5 Jahre mehr als 1990.Sachsen ist damit das Bundesland mit der demogra-phisch ältesten Bevölkerung.

Neben Gemeinden mit starkem Bevölkerungsrück-gang gibt es auch in Sachsen wachsende Regionalein-heiten. In der Bilanz von 1990 bis 2004 zeigt sich Bevöl-kerungswachstum vor allem im Umfeld der kreisfreienStädte (vgl. Abb. 2). Die kreisfreien Städte und der son-stige ländliche Raum weisen in diesem Betrachtungszeit-raum eher Bevölkerungsverluste auf. Untersuchungen imZeitvergleich zeigen aber auch hierbei Veränderungen.So weisen Dresden und Leipzig seit 2000 bzw. 2002 Bevölkerungsgewinne auf.

Die Bevölkerungszahl wird durch Wanderungsbewegun-gen (Zu- und Fortzüge) und die natürliche Bevölkerungs-bewegung (Geburten und Sterbefälle) bestimmt.Während auf Landesebene die rückläufige Bevölke-rungsentwicklung im Zeitraum 1990 bis 2004 zu 60%vom Geburtendefizit und zu 40% von Wanderungsverlu-sten determiniert wird, zeigt sich auf der Gemeindeebe-ne ein viel differenzierteres Bild (vgl. Abb. 3). Die 134 Ge-meinden mit Bevölkerungszuwachs profitieren bis aufeine Ausnahme von Wanderungsgewinnen, welche aberzumeist ein Geburtendefizit ausgleichen müssen. Von den381 Gemeinden mit Bevölkerungsrückgang weisen 272sowohl Geburtendefizite als auch Wanderungsverlusteauf. 109 Gemeinden erzielten zwar einen Wanderungs-gewinn, das Geburtendefizit überkompensierte aber denWanderungsgewinn.

Schon am Beispiel der Kreise zeigt sich, dass auchdie Alterung regional unterschiedlich schnell verläuft.

Abbildung 2: Veränderung der Bevölkerung des Freistaates Sachsen 2004 gegenüber 1990 nach Ge-meinden

Quellen: Landesvermessungsamt Sachsen, Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen.1

Veränderung der Bevölkerung

starkes Wachstum (24)

geringes Wachstum (61)

Stagnation (112)

geringe Schrumpfung (231)

starke Schrumpfung (87)

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Aktuelle Forschungsergebnisse

Von 1990 bis 2004 hat sich in allen Kreisen das Durch-schnittsalter erhöht (vgl. Abb. 4). Der Zuwachs schwanktaber zwischen 3,8 Jahren in Leipzig und 10,9 Jahren inHoyerswerda.

Anforderungen an eine kleinräumige Typisierung

Ausgangspunkt unserer Arbeiten war ein Auftrag der Enquete-Kommission „Demographische Entwicklungund ihre Auswirkungen auf die Lebensbereiche derMenschen im Freistaat Sachsen sowie ihre Folgen für die politischen Handlungsfelder“ des Sächsischen Land-tages.

Um zu einem systematischen Überblick über dieregional stark differenzierte Bevölkerungsentwicklung imFreistaat Sachsen und damit zusammenhängenden Fol-gen, aber auch über potenzielle Handlungsfelder zu er-langen, sollte eine möglichst kleinräumige Typisierung

und Gruppierung der Gemeinden nach ihren Entwick-lungstrends erarbeitet werden.

Für die Arbeit der Enquete-Kommission war es wich-tig, die Gemeinden des Freistaates so zusammenzu-fassen, dass zukunftsgerichtete Maßnahmen zielgenauabgestellt werden können. Die Zusammenfassung nachKreisen ist als administrative Gliederung u. a. auf Grundder bestehenden deutlichen Unterschiede innerhalb derKreise nicht ausreichend für diese Aufgabe.

Bisherige Typisierungen, wie zum Beispiel im Prog-nosemodell SIKURS basieren auf der vergangenenEntwicklung. Diese gehen davon aus, dass die imzurückliegenden Betrachtungszeitraum gemessenenGemeinsamkeiten und Unterschiede der betrachtetenregionalen Einheiten im Prognosezeitraum gleich bleiben. Die Indikatoren für solche Typisierungen sind inder Regel gebräuchliche demographische Parameterwie allgemeine Bewegungsziffern oder Strukturmaße für einen vergangenen Zeitraum. Bei den bislang vom

Abbildung 3: Bevölkerungsentwicklung im Freistaat Sachsen 1990 bis 2004 nach Gemeinden

Quellen: Landesvermessungsamt Sachsen, Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen.1

Bevölkerungszunahme

Bevölkerungsabnahme

Wanderungsgewinn>Geburtenüberschuss (3)Geburtenüberschuss>Wanderungsgewinn (0)Wanderungsgewinn>Geburtendefizit (130)Geburtenüberschuss>Wanderungsverlust (1)

Geburtendefizit>Wanderungsgewinn (109)Wanderungsdefizit>Geburtenüberschuss (0)Geburtendefizit>Wanderungsverlust (141)Wanderungsverlust>Geburtendefizit (131)

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Hoyerswerda, Stadt

Aue-Schwarzenberg

Görlitz, Stadt

Zwickauer Land

Stollberg

Chemnitzer Land

Vogtlandkreis

Sächsische Schweiz

Löbau-Zittau

Mittweida

Chemnitz, Stadt

Niederschlesischer Oberlausitzkreis

Plauen, Stadt

Döbeln

Mittlerer Erzgebirgskreis

Annaberg

Riesa-Großenhain

Leipziger Land

Bautzen

Meißen

Delitzsch

Zwickau, Stadt

Torgau-Oschatz

Muldentalkreis

Weißeritzkreis

Freiberg

Kamenz

Leipzig, Stadt

Dresden, Stadt

0 32 34 36 38 40 42 44 46 48

Jahre

1990

Veränderung 1990 bis 2004

Sachsen 1990

Sachsen 2004

© Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen

Hoyerswerda, Stadt

Aue-Schwarzenberg

Görlitz, Stadt

Zwickauer Land

Stollberg

Chemnitzer Land

Vogtlandkreis

Sächsische Schweiz

Löbau-Zittau

Mittweida

Chemnitz, Stadt

Niederschlesischer Oberlausitzkreis

Plauen, Stadt

Döbeln

Mittlerer Erzgebirgskreis

Annaberg

Riesa-Großenhain

Leipziger Land

Bautzen

Meißen

Delitzsch

Zwickau, Stadt

Torgau-Oschatz

Muldentalkreis

Weißeritzkreis

Freiberg

Kamenz

Leipzig, Stadt

Dresden, Stadt

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Aktuelle Forschungsergebnisse

Abbildung 4: Durchschnittsalter der Bevölkerung des Freistaates Sachsen 1990 und 2004 nach Kreisen

Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen.

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Aktuelle Forschungsergebnisse

Statistischen Landesamt durchgeführten Typisierungenwurde zudem getrennt nach natürlicher und nach räum-licher Bevölkerungsbewegung analysiert.

Die neue Typisierung wurde auf eine rein demogra-phische Typisierung eingegrenzt – wohlwissend, dasssich z. B. wirtschaftliche Entwicklungen mehr oder weni-ger schnell und deutlich in demographischen Indikatoren(z. B. Wanderungsverhalten) niederschlagen.

Indikatorenset für das demographische Potenzial

Zur Veranschaulichung der neuen Typisierung wurde derBegriff „demographisches Potenzial“ entwickelt. Mittelsder Indikatoren des demographischen Potenzials soll dieaktuelle und zukünftige demographische Leistungsfähig-keit der Gemeinden in geeigneter Weise beschriebenwerden. Darüber hinaus sollten die Indikatoren aberauch einfach und statistisch zuverlässig zu berechnensein.

Leitinformation für das neu entwickelte Indikatoren-set ist die aktuelle Altersstruktur. Nach unserer Auf-fassung spiegelt die Altersstruktur die vergangenedemographische Entwicklung in komprimierter Form wider und ist gleichzeitig der bestimmende Faktor für diezukünftige Entwicklung. Zum jetzigen Zeitpunkt lebenbereits 75 % der voraussichtlichen Bevölkerung des Jahres 2020. Diese Jahrgänge werden in diesem Per-spektivzeitraum die natürliche Bevölkerungsbewegungbestimmen und die Größe des Mobilitätspotenzials do-minieren.

Neben der Altersstruktur wurden die demographi-schen Einflussgrößen Geburtenniveau, Wanderungs-gewinne/-verluste am aktuellen Rand sowie die vergan-gene Bevölkerungsentwicklung für die Typisierungherangezogen.

Folgende Indikatoren wurden letztendlich zur Be-schreibung des demographischen Potenzials ausge-wählt:

– Allgemeine Altersstruktur: Durchschnittsalter – Anteil der demographisch aktiven Bevölkerung: Anteil

der Bevölkerung im Alter von 10 bis unter 30 Jahren inProzent

– Alterungspotenzial: Anteil der Bevölkerung im Alter von60 und mehr Jahren in Prozent

– Geburtenniveau: Zusammengefasste Geburtenziffer– Wanderungsgewinne/-verluste: Wanderungssaldo der

deutschen Bevölkerung mit Sachsen und dem Bundes-gebiet je 1.000 Einwohner

– Vergangene Bevölkerungsentwicklung: Veränderungder Bevölkerung in den vergangenen 3 Jahren in Prozent

Das demographische Potenzial beschreibt immer nurQualitäten, die am Niveau vom Freistaat Sachsen ge-messen sind. Ein „vergleichsweise starkes demographi-sches Potenzial“ bedeutet, dass die Regionaleinheit imSachsenmaßstab recht günstig da steht. Das ist nichtgleichzusetzen mit „Bevölkerungswachstum“.

Ergebnisse

Auf der Grundlage dieser demographischen Indikatorenwurde das demographische Potenzial der 515 Gemeindenbeschrieben und voneinander abgegrenzt (vgl. Abb. 5).Datengrundlage für die Berechnung der Indikatoren sindhier die statistischen Werte der letzten drei Jahre (2002–2004), um die Zufallschwankungen bei derartigen kleinenstatistischen Einheiten auszugleichen. Als Ergebnis sind 6 Typen des demographischen Potenzials definiert wor-den.

Zur besseren Veranschaulichung wurde das demo-grafische Potenzial wie folgt verbal beschrieben:

Typ 1: vergleichsweise starkes demografisches Potenzial Typ 2: mäßiges demographisches Potenzial Typ 3: durchschnittlich positives demographisches Po-

tenzialTyp 4: durchschnittlich negatives demographisches Po-

tenzial Typ 5: eingeschränktes demographisches Potenzial Typ 6: schwaches demographisches Potenzial

Die vorliegende Einteilung der Gemeinden nach demdemographischen Potenzial ist ein Zwischenergebnis,da die Qualitätsprüfungen noch nicht abgeschlossensind und Aussagen über die Eignung des Indikatorensetsfür die Belange der Kommission ausstehen.

Ausblick

Unsere aktuellen Überlegungen zielen darauf, die allge-meine Vorgehensweise bei der Einteilung der Regional-einheiten und der Festlegung der Grenzen noch besseran die Zielstellung anzupassen oder die Gewichte ein-zelner Indikatoren zu verändern. So könnten zum Bei-spiel durch die Aufspaltung des Mobilitätsindikators diezunehmend wichtigen innersächsischen Wanderungenein größeres Gewicht erhalten. Darüber hinaus ist dieBetrachtung einzelner Gemeinden notwendig, die aufGrund von Besonderheiten wie Militärstandorte, großeAltenheime, Wohnheime für Asylbewerber oder Spät-aussiedler o. ä. ggf. unplausible Einordnungen erfahrenhaben.

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Aktuelle Forschungsergebnisse

Abbildung 6 zeigt am Beispiel einer höheren Gewichtungdes Geburtenniveaus im Typisierungsprozess, welcheAuswirkungen sich bei der Zuordnung der Gemeindenergeben können. Am deutlichsten fällt die Veränderungdes demografischen Potenzials der Umlandgemeindender kreisfreien Städte von „vergleichsweise stark“ auf„mäßig“ auf, da in diesen Gemeinden die Wanderungen

einen höheren Einfluss auf die Entwicklung haben. Insge-samt geht die Zahl der Gemeinden mit „vergleichsweisestarkem Potenzial“ zurück, da sich das Geburtenniveaudurch weniger starke regionale Schwankungen aus-zeichnet. Ausführliche Bewertungen und Schlussfolge-rungen aus diesen beiden und gegebenenfalls weiterenTypisierungen stehen zur Zeit noch aus.

Abbildung 5: Gemeindetypen nach dem demographischen Potenzial I

Quellen: Landesvermessungsamt Sachsen, Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen.1

Demographisches Potenzial

vergleichsweise stark (115)mäßig (104)durchschnittlich positiv (97)durchschnittlich negativ (90)eingeschränkt (85)schwach (24)

TypAllgemeine

Altersstruktur

Anteil der demographisch

aktiven Bevölkerung

Alterungs-potenzial

Geburten-niveau

Wanderungs-gewinne bzw.

-verluste

Vergangene Bevölkerungs-

entwicklung

1 ++ ++ ++ + + ++

2 0 0 0 + + 0

3 ++ ++ ++ + -- --

4 0 0 0 + -- --

5 -- -- -- ++ - --

6 -- -- -- -- -- --

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Aktuelle Forschungsergebnisse

Zusätzlich zur Funktion einer Zuarbeit für die Enquete-Kommission wird die Typisierung nach dem demogra-phischen Potenzial auch einen wichtigen Beitrag für die Modellierung bei den regionalisierten Bevölkerungs-prognosen des Statistischen Landesamtes leisten kön-nen. Das betrifft insbesondere die Qualitätssicherung beider Ermittlung und Beschreibung von modellinternen

Gebietstypen, zu denen die Gemeinden mit ähnlichemdemographischen Verhalten für die eigentliche Progno-serechnung zusammengefasst werden.

Abbildung 6: Gemeindetypen nach dem demographischen Potenzial II

Quellen: Landesvermessungsamt Sachsen, Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen.1

Demographisches Potenzial

vergleichsweise stark (83)mäßig (137)durchschnittlich positiv (100)durchschnittlich negativ (86)eingeschränkt (65)schwach (44)

TypAllgemeine

Altersstruktur

Anteil der demographisch

aktiven Bevölkerung

Alterungs-potenzial

Geburten-niveau

Wanderungs-gewinne bzw.

-verluste

Vergangene Bevölkerungs-

entwicklung

1 ++ ++ ++ ++ - 0

2 ++ + ++ ++ - -

3 0 0 0 0 - -

4 ++ + ++ -- - -

5 -- -- -- 0 0 -

6 -- -- -- 0 -- --

1 Darstellung auf der Grundlage der Vektordaten der Verwaltungsgrenzen(VÜK200) mit Erlaubnis des Landesvermessungsamtes Sachsen; Er-laubnis-Nr. 2917/2006. Jede Vervielfältigung bedarf der Erlaubnis desLandesvermessungsamtes Sachsen.

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Aktuelle Forschungsergebnisse

Weltwirtschaftliches Umfeld

Die Expansion der Weltwirtschaft ist im Frühjahr 2006nach wie vor kräftig. Im Verlauf des vergangenen Jahreshat sie an Breite gewonnen. Während die Produktion inden USA in der Grundtendenz weiter deutlich stieg undsich das rasche Wachstum in China ungebremst fort-setzte, wurde die Schwächephase, die sich in Japan, im Euroraum sowie in vielen Schwellenländern in derzweiten Jahreshälfte 2004 eingestellt hatte, nach undnach überwunden. Die Auftriebskräfte sind in Folge dergünstigen Ertragslage der Unternehmen, steigenderVermögenspreise und niedriger Zinsen so stark, dass die dämpfenden Wirkungen höherer Rohstoffpreise mehrals ausgeglichen wurden. Der Preisanstieg hat sich inden Industrieländern energiepreisbedingt im vergan-genen Herbst vorübergehend verstärkt. Zu spürbarenZweitrundeneffekten kam es aber nicht. Nach wie vor geringe Inflationserwartungen sind ein wichtiger Grund dafür, dass die langfristigen Zinsen nur wenigstiegen.

Die Weltwirtschaft wird im Prognosezeitraum weiterzügig expandieren, wenngleich infolge nachlassenderexpansiver Wirkungen der Geldpolitik und leicht anzie-hender langfristiger Zinsen etwas langsamer als bisher.Dabei wird sich das Konjunkturgefälle zwischen denIndustrieländern weiter verringern. Das reale Bruttoin-landsprodukt in der Welt wird 2006 um 3,4 % und 2007um 3,1 % zunehmen. Der Welthandel dürfte um 8,5 %bzw. 7,5 % ausgeweitet werden. Die globalen Ungleich-gewichte, insbesondere das Leistungsbilanzdefizit derUSA, werden sich dabei kaum verringern.

Im Euroraum setzt sich die konjunkturelle Erholungfort. Die konjunkturellen Auftriebskräfte unterscheidensich dabei in den einzelnen Volkswirtschaften weiterhindeutlich. In Deutschland, Österreich und den Niederlan-den wird die Konjunktur vor allem von den Exporten ge-tragen, in Spanien, Italien und Frankreich steigt vor allemdie Binnennachfrage. Mit der Erholung haben sich die In-flationsrisiken erhöht. Die Europäische Zentralbank (EZB),die im vergangenen Jahr die Zinswende vollzog, wirddaher bestrebt sein, den Expansionsgrad ihrer Geldpoli-tik weiter zu verringern. Zugleich kommt die Budget-konsolidierung allmählich voran. Export und Anlagein-vestitionen werden aber weiter deutlich expandieren. Imkommenden Jahr wird die konjunkturelle Dynamik durchdie etwas langsamere Gangart der Weltkonjunktur, leicht

steigende Zinsen und einen nachlassenden Immobilien-preisanstieg, aber auch durch die restriktive Finanzpolitikin Deutschland, gedämpft. Im Jahresergebnis nimmt dasreale Bruttoinlandsprodukt 2007 um 1,8 % zu, nach2,1 % in diesem Jahr. Die Inflationsrate wird 2006 auf-grund eines geringeren Anstiegs der Energiepreise auf2 % sinken; 2007 wird sie infolge der Anhebung derMehrwertsteuer in Deutschland etwas höher ausfallen(2,2 %).

Ausblick für Deutschland

Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Frühjahr 2006in einem kräftigen Aufschwung. Nach wie vor sind dieImpulse aus dem Ausland beträchtlich, die Exporte sindbis zuletzt stark gestiegen. Die positive Grundtendenzder Konjunktur zeigt sich vor allem darin, dass sich dieAusrüstungsinvestitionen weiter gefestigt haben. Auchdie Verbraucher sind optimistischer geworden; die Um-sätze des Einzelhandels zogen nach der Jahreswendeetwas an. Der konjunkturelle Aufschwung strahlt auf denArbeitsmarkt aus. So ist die Zahl der sozialversiche-rungspflichtig Beschäftigten in der zweiten Jahreshälfte2005 kaum noch zurückgegangen, und die Arbeitslosig-keit ist gesunken, wenn auch großenteils als Folge vonSondereinflüssen im Zusammenhang mit der Arbeits-marktpolitik.

Die Institute erwarten, dass sich der Aufschwung indiesem Jahr spürbar verstärkt. Die Exporte werden aber-mals kräftig ausgeweitet, da die Weltwirtschaft weiterhinsehr zügig expandiert. Überdies gewinnt nun auch die In-landsnachfrage an Fahrt. Die Investitionen legen ver-stärkt zu; dazu trägt auch bei, dass die Zinsen immernoch niedrig sind. Ferner stützen finanzpolitische Maß-nahmen, insbesondere die verbesserten Abschreibungs-bedingungen, die Investitionstätigkeit. Die privaten Haus-halte dürften ihre Ausgaben wieder etwas erhöhen,zumal sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt aufhellt. Imspäteren Verlauf dieses Jahres werden zudem zusätzli-che Käufe vor allem von Gebrauchsgütern getätigt, umdie im kommenden Jahr höhere Mehrwertsteuer zu vermei-den. Die Institute rechnen mit einem Vorzieheffekt in Höhevon etwa 0,2 % in Relation zum Bruttoinlandsprodukt.

Deutsche Konjunkturperspektiven 2006/2007: Im Aufschwung 1

zusammengefasst von Wolfgang Nierhaus*

* Dr. Wolfgang Nierhaus ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter am ifo Insti-tut für Wirtschaftsforschung München tätig.

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Aktuelle Forschungsergebnisse

Im Jahresdurchschnitt 2006 wird die gesamtwirtschaftli-che Produktion voraussichtlich um 1,8 % zunehmen. DieZahl der Arbeitslosen wird im Jahresverlauf etwas sinkenund sich im Jahresdurchschnitt auf 4,58 Mill. belaufen.Der Anstieg der Verbraucherpreise dürfte sich auf 1,6 %zurückbilden; dabei ist unterstellt, dass es aus dem Aus-land keine neuen Teuerungsimpulse gibt (vgl. Tab. 1).

Im kommenden Jahr wird die Konjunktur spürbar anFahrt verlieren, da wichtige Impulse schwächer werdenund Belastungen hinzukommen.2 So wird die Weltkon-junktur voraussichtlich etwas langsamer expandieren.Die Geldpolitik wirkt weniger anregend, weil die EZB dieZinsen in diesem Jahr weiter leicht anheben wird. Die Inlandsnachfrage wird vor allem durch den Schwenk zu einer deutlich restriktiven Finanzpolitik gedämpft.

Die Mehrwertsteuer und andere Steuern sollen spürbarangehoben werden, und dieser negative Impuls wirddurch die Senkung der Beiträge zur Sozialversicherungnicht ausgeglichen. Betrachtet man das gesamte Maß-nahmenpaket, so wird das reale Bruttoinlandsproduktum etwa einen halben Prozentpunkt geringer steigen, alses sonst der Fall wäre. Im Jahr 2007 wird es lediglich um1,2 % zunehmen (vgl. Abb. 1). Bei der schwächeren kon-junkturellen Expansion wird die Beschäftigung langsa-mer zunehmen als im laufenden Jahr. Die Zahl der regist-rierten Arbeitslosen dürfte sich um nur noch 140.000 auf4,44 Mill. zurückbilden. Die Inflationsrate wird sich auf2,5 % erhöhen.

Allerdings gibt es Risiken. So würde ein erneuterPreisschub beim Erdöl, ausgelöst durch eine befürchtete

2002 2003 2004 2005 2006 2007

Bruttoinlandsprodukta

(Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %)

0,1 –0,2 1,6 0,9 1,8 1,2

Westdeutschlandb, c –0,1 –0,3 1,6 1 1,9 1,2

Ostdeutschlandc 1,1 1 1,9 –0,1 1,3 0,8

Erwerbstätiged (1.000 Personen) 39.096 38.722 38.868 38.783 38.889 39.073

Arbeitslose (1.000 Personen) 4.061 4.377 4.381 4.861 4.580 4.440

Arbeitslosenquotee (in %) 9,4 10,2 10,1 11,2 10,6 10,2

Verbraucherpreisef

(Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %)

1,4 1,1 1,6 2,0 1,6 2,5

Lohnstückkosteng

(Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %)

0,8 0,7 –1,0 –0,9 –0,7 0,1

Finanzierungssaldo des Staatesh

in Mrd. Euro –79,6 –86,6 –81,2 –74,5 –67,4 –46,5

in % des nominalen Bruttoinlandsprodukts

–3,7 –4,0 –3,7 –3,3 –2,9 –2,0

Leistungsbilanzsaldo (Mrd. Euro) 43,4 40,3 81,9 92,2 98,2 110,5

a) In Preisen des Vorjahres. – b) Einschließlich Berlin. – c) Rechenstand: Februar 2006; in Preisen des Vorjahres. – d) Im Inland. – e) Ar-beitslose in % der inländischen Erwerbspersonen (Wohnortkonzept). – f) Verbraucherpreisindex (2000=100). – g) Im Inland entstandeneArbeitnehmerentgelte je Arbeitnehmer bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt in Preisen des Vorjahres je Erwerbstätigen. – h) In der Ab-grenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (ESVG 95); unter Berücksichtigung der „Minderausgaben“ infolge des Verkaufs vonverbrieften Forderungen der Postbeamtenversorgungskasse.

Tabelle 1: Eckdaten der Prognose

Quellen: Statistisches Bundesamt, Bundesagentur für Arbeit, Arbeitskreis VGR der Länder, Deutsche Bundesbank, 2006 und 2007: Prog-nose der Institute.

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Aktuelle Forschungsergebnisse

Angebotsverknappung, die Konjunktur dämpfen. Auchbestehen Risiken im Inland. Sollten die Unternehmer undKonsumenten weitere Abgabenerhöhungen befürchten,könnten sich ihre Erwartungen deutlich verschlechtern,und die Konjunktur würde sich stärker eintrüben als prog-nostiziert. Es besteht aber auch die Chance, dass derProduktionsanstieg höher ausfällt als hier vorausgesagt.Dafür könnte auch der Verlauf früherer Konjunkturzyklensprechen. So nahm in der Vergangenheit die gesamt-wirtschaftliche Kapazitätsauslastung häufig über einigeJahre hinweg zu, wenn ein Aufschwungsprozess ersteinmal eingesetzt hatte.

Exkurs: Ostdeutschland

Im vergangenen Jahr ist die gesamtwirtschaftliche Pro-duktion in den neuen Bundesländern gesunken, nach-dem sie drei Jahre in Folge stärker als in den altenBundesländern gestiegen war. Ausschlaggebend für die Schwäche war der überaus kräftige Rückgang derWertschöpfung im Baugewerbe. Die Beseitigung der

Flutschäden aus dem Jahr 2002 hatte die Bautätigkeitdrei Jahre lang gestützt und die strukturelle Anpassungdes immer noch verhältnismäßig großen Bausektors hin-ausgezögert. Diese Sonderentwicklung lief 2004 weit-gehend aus, und die Aufträge für Bauarbeiten sanken imvergangenen Jahr rapide. Fast ebenso stark wirkte sichder weitere Rückgang der Wertschöpfung im öffent-lichen Sektor aus. Das Minus in diesen beiden Wirt-schaftsbereichen wurde durch das Plus bei Handel undVerkehr, bei Finanzierung, Vermietung und Unterneh-mensdienstleistungen, aber auch beim VerarbeitendenGewerbe nicht wettgemacht.

Im Verarbeitenden Gewerbe hat die Wertschöpfung2005 um 6 % und damit mehr als doppelt so kräftig zugelegt wie in den alten Bundesländern. Die Auslands-umsätze stiegen weiterhin sehr dynamisch, und die ostdeutschen Produzenten profitierten über Zulieferbe-ziehungen vom Exportboom in Westdeutschland. Beige-tragen zur Expansion hat auch die erneut verbessertepreisliche Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Indust-rie. Die Lohnkostenbelastung der Produktion ist im Mittelgegenüber westdeutschen Standorten weiter gesunken,

Abbildung 1: Reales Bruttoinlandsprodukt, saison- und arbeitstäglicher Verlauf (verkettete Volumenanga-ben in Mrd. Euro)

Quellen: Statistisches Bundesamt, Berechnungen der Institute, ab 1. Quartal 2006: Prognose der Institute.

480

490

500

510

520

530

540

550

560

570

I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

–4

–2

0

2

4

6

8

10

12

14

16

18

laufende Jahresrate¹ (rechte Skala)Mrd. EuroJahresdurchschnitt²

Prognosezeitraum

3,21,2 0,1 –0,2

1,6

0,9

1,8

1,2

1) Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %, auf Jahresrate hochgerechnet.2) Zahlenangaben: Veränderung der Ursprungswerte gegenüber dem Vorjahr in %.

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Aktuelle Forschungsergebnisse

und im Durchschnitt realisieren die Industrieunternehmenin den neuen Bundesländern seit 2003 höhere Gewinn-margen als die im Westen.

In diesem und im nächsten Jahr wird die gesamtwirt-schaftliche Produktion in Ostdeutschland (ohne Berlin)wieder expandieren, wenn auch langsamer als imWesten. Den größten Wachstumsbeitrag wird erneut dasVerarbeitende Gewerbe leisten, das von der Belebungder Inlandsnachfrage in Deutschland profitieren wird.Dies wird auf die unternehmensnahen Dienstleister aus-strahlen. Der Rückgang der Bauproduktion wird sichabflachen. Insgesamt wird das Bruttoinlandsprodukt indiesem Jahr um 1,3 % und im kommenden Jahr um0,8 % zunehmen.

Die leichte Abnahme des Bruttoinlandsprodukts imvergangenen Jahr hat den Rückstand der neuenBundesländer in der Pro-Kopf-Produktion, der sich von2001 bis 2004 verringert hatte, wieder etwas größerwerden lassen. Diese erreicht zwei Drittel des westdeut-schen Wertes (vgl. Tab. 2). Zur Verringerung des Abstan-des in den vergangenen Jahren trug die anhaltend rück-läufige Einwohnerzahl bei. Die Produktivitätslücke schließtsich nur langsam, obwohl in den vergangenen Jahren inden neuen Bundesländern stärker Beschäftigung ab-gebaut worden ist als in den alten. Die Produktivität je Erwerbstätigen beträgt im Durchschnitt der neuen Län-der derzeit 77 % des Westniveaus; je Arbeitsstunde liegtsie aufgrund der längeren Arbeitszeiten im Osten bei73 %. Gegen eine Beschleunigung des Aufholprozessesbei der Produktivität sprechen die – verglichen mit West-deutschland – geringeren Investitionen in Ausrüstungenund sonstige Anlagen.

Im Jahr 2005 hat sich im Gefolge der Produktions-schwäche die an sich schon schwierige Situation aufdem ostdeutschen Arbeitsmarkt nochmals verschlech-tert. Die Zahl der Erwerbstätigen im Inland nahm ge-genüber dem Vorjahr um 74.000 Personen bzw. 1,3 %ab. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftig-ten ging sogar um 3 % zurück. Teilweise resultiert diesaus der Rückführung von arbeitsmarktpolitischen Instru-menten wie Arbeitsbeschaffungs- und Strukturan-passungsmaßnahmen, durch die ein sozialversicherungs-pflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründet wird.Dass der Rückgang der Erwerbstätigkeit nicht noch kräf-tiger ausgefallen ist, kommt allein aus der Ausweitungvon staatlich subventionierten Ich-AGs (+31.000) sowieder Bereitstellung von Arbeitsgelegenheiten. Im Jahres-durchschnitt gab es in Ostdeutschland 80.000 dieserZusatzjobs; dies waren etwa 40 % aller in Deutschlandangebotenen Arbeitsgelegenheiten. Der Anteil derPersonen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen an denErwerbsfähigen beträgt in Ostdeutschland 5,3 % (West-deutschland: 2,2 %).

Die Lage auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt wird sichim Prognosezeitraum nur wenig verbessern, obwohl diegesamtwirtschaftliche Produktion wieder expandierenwird. Der Produktionszuwachs ist jedoch nicht kräftiggenug, um die Nachfrage nach Arbeitskräften zu stei-gern. Hinzu kommt, dass der Personalabbau in denöffentlichen Bereichen fortgesetzt wird. Der Rückgangsozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnis-se wird sich im Verlauf dieses Jahres verlangsamen. Dieweitere Zunahme von Arbeitsgelegenheiten trägt dazubei, dass die Erwerbstätigkeit nur noch geringfügigabnimmt. Im Jahr 2007 wird sich der Rückgang fortset-zen, auch weil sich in Ostdeutschland der Anstieg dergesamtwirtschaftlichen Produktion ebenfalls abflachenwird.

Die Arbeitslosigkeit wird gleichwohl im Prognosezeit-raum weiter rückläufig sein. Der Hauptgrund liegt beimArbeitskräfteangebot, das in Folge geburtenschwacherJahrgänge und verstärkter Abwanderung abnimmt.Hinzu kommt im laufenden Jahr die Arbeitsmarktpolitikmit der zunehmenden Bereitstellung von Zusatzjobs. Ins-gesamt werden in Ostdeutschland (einschließlich Berlin)im kommenden Jahr 1,5 Mill. Personen als Arbeitsloseregistriert sein; die Arbeitslosenquote wird 16,7 % betra-gen, nach 17,0 % in diesem Jahr (vgl. Tab. 3).

Zur Wirtschaftspolitik

Obwohl die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr mit demkräftigsten Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts seitdem Jahr 2000 rechnen kann, haben sich die fundamen-talen Bedingungen wenig geändert. Das Kernproblemder Wachstumsschwäche bleibt. Die Lage auf demArbeitsmarkt wird sich zwar konjunkturell bessern, einnennenswerter Rückgang der strukturell hohen Arbeits-losigkeit ist aber nicht zu erwarten. Daneben bestehendie Probleme in den Sozialversicherungen fort, und dieLage der öffentlichen Haushalte ist nach wie vor ange-spannt. Der Handlungsbedarf für die Wirtschaftspolitikhat sich somit nicht verringert.

Vorrang in der Wirtschaftspolitik sollten solche Refor-men haben, die das Wachstumspotenzial der deutschenWirtschaft anheben und für mehr Beschäftigungsdyna-mik sorgen. Die Bundesregierung hat einige Maßnahmenbeschlossen, die durchaus in die richtige Richtung ge-hen. Höhere öffentliche Investitionen und mehr Ausga-ben für Forschung und Entwicklung wirken sich positivauf das mittelfristige Wachstum aus. Werden diese Pläneumgesetzt, dürfte dies neben der sich abzeichnendenBesserung der kommunalen Haushaltslage dazu beitra-gen, dass der jahrelange Abwärtstrend der öffentlichenInvestitionen umgekehrt wird. Ferner wurde mit der

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Aktuelle Forschungsergebnisse

Tabelle 2: Indikatoren zum wirtschaftlichen Aufholzprozess in Ostdeutschland, Relationszahlen für Ost-deutschland (ohne Berlin) in jeweiligen Preisen.

Quellen: Statistisches Bundesamt (Rechenstand: Februar 2006), Arbeitskreis VGR der Länder (Rechenstand: März 2006), Arbeitskreis Er-werbstätigenrechnung des Bundes und der Länder (Rechenstand: März 2006), Berechnungen der Institute.

1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

Westdeutschland=100

Bruttoinlandsprodukt

nominal je Einwohnera 50,5 57,3 60,6 62,7 63,1 62,6 63,3 63,1 63,9 65,5 66,7 67,4 67,0

Bauinvestitionen

nominal je Einwohnera 145,8 180,6 186,0 177,7 170,4 153,7 138,9 124,6 106,6 102,7 104,2

Investitionen in neue Ausrüstungen und sonstige Anlagen

nominal je Einwohnera 90,5 103,4 105,0 104,0 94,1 92,3 90,1 85,2 72,0 63,9 63,5

Arbeitnehmerentgelt je

Arbeitnehmera 69,2 72,3 74,8 75,4 75,7 75,9 76,6 76,8 76,9 77,2 77,5 77,9 77,7

Arbeitsstunde der Arbeitnehmera

68,4 69,3 69,9 70,5 71,4 72,0 72,7

Arbeitsproduktivität je

Erwerbstätigena, b 59,6 64,8 66,4 68,6 69,7 69,6 70,8 72,2 74,1 75,9 76,8 77,3 77,2

Arbeitsstunde der Erwerbstätigena, b 64,1 65,4 66,9 69,1 71,4 72,3 73,1 73,3

Lohnstückkostena, c

Basis Personen 116,1 111,5 112,7 109,9 108,7 109,1 108,2 106,4 103,8 101,7 101,0 100,7 100,7

Basis Stunden 106,7 105,9 104,3 101,9 100,1 99,5 99,4

Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr

Bevölkerunga

Ostdeutschland –0,7 –0,6 –0,4 –0,4 –0,3 –0,4 –0,5 –0,6 –0,8 –0,9 –0,8 –0,7 –0,7

Westdeutschland 1,0 0,5 0,4 0,4 0,3 0,1 0,2 0,3 0,4 0,4 0,2 0,1 0,1

Erwerbstätige (Inland)a

Ostdeutschland –2,6 2,6 2,1 –0,8 –1,3 0,2 0,2 –0,9 –1,6 –1,6 –1,1 0,0 –1,3

Westdeutschland –1,1 –0,6 –0,1 –0,2 0,1 1,4 1,6 2,4 0,8 –0,4 –0,9 0,4 0,0

Arbeitsvolumena

Ostdeutschland – – – – – – –0,7 –2,4 –3,1 –3,0 –1,7 0,0 –2,0

Westdeutschland – – – – – – 0,8 1,2 –0,1 –1,1 –1,3 0,9 –0,3

a) Angaben für Ostdeutschland: neue Bundesländer ohne Berlin, für Westdeutschland: alte Bundesländer einschließlich Berlin. – b) Brut-toinlandsprodukt in jeweiligen Preisen je Erwerbstätigen (Arbeitsstunde der Erwerbstätigen). – c) Im Inland entstandene Arbeitnehmerent-gelte je Arbeitnehmer (Arbeitsstunde der Arbeitnehmer) bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen je Erwerbstätigen(Arbeitsstunde der Erwerbstätigen).

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Tabelle 3: Arbeitsmarktbilanz. Jahresdurchschnitte in 1.000 Personen.

Quellen: Statistisches Bundesamt, Bundesagentur für Arbeit, Arbeitskreis Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder (Rechen-stand: Februar/März 2006), 2006 und 2007: Prognose der Institute.

2002 2003 2004 2005 2006 2007

Deutschland

Erwerbstätige Inländer 38.994 38.632 38.782 38.672 38.766 38.936

Arbeitnehmer 34.992 34.562 34.564 34.317 34.322 34.413

darunter:

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 27.629 27.007 26.561 26.238 26.209 26.311

Ausschließlich geringfügig Beschäftigte 4.148 4.322 4.742 4.748 4.742 4.720

Zusatzjobs 12 225 313 350

Selbstständige 4.002 4.070 4.218 4.355 4.444 4.523

darunter:

Förderung der Selbstständigkeita 59 111 237 326 341 364

Pendlersaldo 102 90 86 111 123 137

Erwerbstätige Inland 39.096 38.722 38.868 38.783 38.889 39.073

Arbeitslose 4.061 4.377 4.381 4.861 4.580 4.440

Arbeitslosenquoteb 9 10 10 11 11 10

Erwerbslosec 3.229 3.703 3.931 3.893 3.540 3.360

Erwerbslosenquoted 7,6 8,7 9,2 9,1 8,4 7,9

Aktive Arbeitsmarktpolitik

Kurzarbeit 207 195 151 126 85 100

Beschäftigung schaffende Maßnahmen 194 145 119 61 35 30

Berufliche Weiterbildung 340 260 184 114 105 110

Westdeutschlande

Erwerbstätige Inländerf 31.399 31.128 31.275 31.247 31.356 31.526

Arbeitslose 2.498 2.753 2.783 3.246 3.060 2.950

Arbeitslosenquoteb 7,4 8,1 8,2 9,4 8,9 8,6

Aktive Arbeitsmarktpolitik

Kurzarbeit 162 160 122 101 65 75

Beschäftigung schaffende Maßnahmen 46 32 24 13 10 10

Berufliche Weiterbildung 198 161 121 77 70 70

Ostdeutschlande

Erwerbstätige Inländerf 7.595 7.504 7.507 7.425 7.410 7.410

Arbeitslose 1.563 1.624 1.599 1.614 1.520 1.490

Arbeitslosenquoteb 17,1 17,8 17,6 17,9 17,0 16,7

Aktive Arbeitsmarktpolitik

Kurzarbeit 45 35 29 25 20 25

Beschäftigung schaffende Maßnahmen 148 113 95 49 25 20

Berufliche Weiterbildung 142 99 63 38 35 40

a) Existenzgründungszuschüsse, Überbrückungsgeld und Einstiegsgeld. – b) Arbeitslose in % der inländischen Erwerbspersonen (Er-werbstätige Inländer plus Arbeitslose). – c) Definition der ILO. – d) Erwerbslose in % der inländischen Erwerbspersonen (ErwerbstätigeInländer plus Erwerbslose). – e) Westdeutschland: alte Bundesländer ohne Berlin, Ostdeutschland: neue Bundesländer einschließlichBerlin. – f) Schätzung der Institute auf Basis der Länderergebnisse der Erwerbstätigenrechnung von Februar/März 2006.

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Aktuelle Forschungsergebnisse

Eigenheimzulage eine Steuervergünstigung abgeschafft,was den Staat immerhin mittelfristig um rund 6 Mrd. Europro Jahr entlastet. Gleichzeitig wurden allerdings Steuer-vergünstigungen ausgeweitet.

Die Finanzpolitik misst der Konsolidierung deröffentlichen Haushalte zu Recht hohe Priorität bei. Aller-dings soll die Abnahme des Defizits nicht generell übergeringere Ausgaben, sondern vor allem über eine höhereSteuerbelastung erreicht werden. Die Institute habenimmer wieder dafür plädiert, die Haushaltskonsolidierungüber die Ausgabenseite vorzunehmen. Höhere Steuernsind der falsche Weg, denn sie schaden aller Erfahrungnach dem Wachstum und der Beschäftigung. Vor die-sem Hintergrund sollte die Bundesregierung die geplanteAbgabenerhöhung überdenken. Wenn jedoch eineErhöhung der Mehrwertsteuer beschlossene Sache ist,sollte zumindest die Abgabenbelastung insgesamt nichterhöht werden. So könnten im nächsten Jahr die Sozial-beiträge in dem Maße gesenkt werden, wie die Mehr-wertsteuer erhöht wird. Die Institute schlagen jedocheinen anderen Weg vor: Die Regierung sollte die Mehr-wertsteuer in zwei Stufen erhöhen: Im kommenden Jahrum 2 Prozentpunkte, im Jahr 2008 um einen weiterenProzentpunkt. Dieser sollte dazu verwendet werden,einen Beitrag zur Finanzierung der für 2008 geplantenUnternehmensteuerreform zu leisten, die mit einer Netto-entlastung der Unternehmen verbunden sein sollte.Käme es mit Blick auf die Defizitwirkungen nur zu eineraufkommensneutralen Steuerreform, würde sich dieAttraktivität Deutschlands für inländische und ausländi-sche Investoren zwar auch verbessern, eine zusätzlicheChance für deutlich mehr Wachstum und Beschäftigungwäre aber vergeben. Gleichzeitig sollte der Subventions-abbau forciert werden. Die Institute haben wiederholtdafür plädiert, die Koch-Steinbrück-Liste als Basis zunehmen. Die dort genannten Finanzhilfen und Steuerver-günstigungen sollten in einem Zeitraum von fünf Jahrenabgeschafft werden. Große Einsparmöglichkeiten gibt eszudem auf der Ausgabenseite, insbesondere im Bereichder Arbeitsmarktpolitik.

Die Lohnpolitik hat in den vergangenen Jahreneinen moderaten Kurs verfolgt und so dazu beigetragen,dass im Zuge des jetzigen Aufschwungs auch die Zahlder sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zunehmenwird. Im Interesse einer nachhaltigen Besserung auf dem Arbeitsmarkt sollte dieser Kurs fortgesetzt werden.

Mit Blick auf 2007 ist zudem wichtig, dass die Tarifpolitikden durch die Mehrwertsteuererhöhung ausgelöstenSchub bei den Verbraucherpreisen nicht zur Grundlagefür Tarifforderungen macht.

Die Geldpolitik hat gegen Ende des vergangenenJahres die Zinswende eingeleitet und damit ihren Expan-sionskurs etwas abgeschwächt. Mittelfristig wird die EZBden Leitzins, ähnlich wie die amerikanische Notenbank,auf den „neutralen Zins“ anheben. Auf Basis theoreti-scher Überlegungen und eigener Schätzungen veran-schlagen die Institute diesen im Euroraum auf 3 1/2 bis4 %. Dieses Zinsniveau wird die EZB im Prognosezeit-raum voraussichtlich nicht anstreben. Die Institute erwar-ten vielmehr, dass die Zinsen nur moderat angehobenwerden, so dass der maßgebliche Leitzins im Jahr 2007bei 3 % liegt.

1 Gekürzte Fassung des „Frühjahrsgutachtens“ der in der Arbeitsgemein-schaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute e.V.,Berlin, zusammengeschlossenen Institute, veröffentlicht in: ifo Schnell-dienst, 8/2006, S. 3 ff.

2 Das ifo Institut schätzt die konjunkturelle Entwicklung im Jahr 2007etwas optimistischer ein als die Mehrheit der Institute. Diese Einschät-zung stützt sich zu einem großen Teil auf die endogene Konjunkturdyna-mik der deutschen Wirtschaft. Nach einem „klassischen“ Abschwung inden ersten Jahren dieses Jahrzehnts, der von einem Rückgang derTrendwachstumsrate begleitet war, wurde sowohl bei der gesamtwirt-schaftlichen Produktion als auch bei den Ausrüstungsinvestitionen imLaufe des Jahres 2004 der untere Wendepunkt erreicht. Seitdem befin-det sich die deutsche Wirtschaft in einem konjunkturellen Aufschwung,der sich zu Beginn dieses Jahres weiter verstärkt hat. Nach Analysendes ifo Instituts [vgl. H. BANDHOLZ, G. FLAIG und J. MAYR (2005): Wachs-tum und Konjunktur in OECD-Ländern: Eine langfristige Perspektive. In: ifo Schnelldienst, Jg. 58, Nr. 4] hält ein solcher Aufschwung in derRegel über etwa 4 Jahre an. Deshalb dürften die endogenen Auftriebs-kräfte, die von einer weiterhin hohen Exportdynamik begleitet werden, imJahre 2007 kräftig genug sein, dass die dämpfenden Effekte der geplan-ten fiskalpolitischen Maßnahmen nicht so stark durchschlagen wie vonder Mehrheit der Institute angenommen. Die Investitionsdynamik bei denAusrüstungen und im Wirtschaftsbau wird sich im nächsten Jahr nichtabschwächen. Auch das Arbeitsvolumen wird leicht steigen. Damit wer-den sowohl die Arbeits- als auch die Gewinneinkommen stärker expan-dieren als von der Mehrheit der Institute prognostiziert. Außerdem dürfteder negative Effekt der Mehrwertsteuererhöhung auf den Konsum nichtso groß sein wie allgemein vermutet. Aufgrund der hohen staatlichenDefizite wurde eine Steuererhöhung von vielen bereits seit längeremerwartet und hat zur Konsumschwäche und dem Anstieg der Sparquotein den vergangenen Jahren beigetragen. Durch die Steuererhöhungselbst sinken deshalb das permanente Einkommen und der Konsumweniger als das gemessene laufende verfügbare Einkommen. Trotz derMehrwertsteuererhöhung dürfte aus all diesen Gründen der private Kon-sum im Jahre 2007 sogar leicht zulegen. Alles in allem erwartet das ifoInstitut, dass das reale Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2007 mit 1,7% umeinen halben Prozentpunkt stärker steigen wird, als von der Mehrheit derInstitute prognostiziert.

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Betracht, sind sie doch aus heutiger Perspektive kaumabzuschätzen.

Die Vorausschätzungen basieren einerseits auf denvorliegenden Bevölkerungsprojektionen und andererseitsauf einer Abschätzung der Zu- und Abgänge in bzw. ausder Selbstständigkeit. Die zugrunde liegenden Berech-nungen wurden disaggregiert nach Altersgruppen undWirtschaftszweigen durchgeführt. Datengrundlage bil-dete die 10. Koordinierte Bevölkerungsvorausberech-nung des Statistischen Bundesamtes und der Mikrozen-sus aus dem Jahr 2003. Die zwei folgenden Abschnitteerläutern zunächst die verwendeten Datenquellen.Anschließend wird auf die Hochrechnungen näher einge-gangen.

Entwicklung der Bevölkerung

Die Annahmen für die Entwicklung der Bevölkerungstammen vom Statistischen Bundesamt. Bei einer kon-stanten Geburtenhäufigkeit von ca. 1,4 Kindern pro Frau, einem jährlichen positiven Wanderungssaldo von200.000 Menschen und einem Anstieg der Lebenser-wartung auf 86,6 (vorher 80,8) Jahre für Frauen und 81,1(vorher 74,8) Jahre für Männer wird die BevölkerungDeutschlands in den nächsten 45 Jahren von 82,8 Mill.auf 74,8 Mill. Menschen schrumpfen. Der Anteil der über60-Jährigen wird gleichzeitig von einem Viertel auf mehrals ein Drittel ansteigen, während der Anteil der unter 20-Jährigen von einem Fünftel auf ein Sechstel sinken wird.

Für die folgende Untersuchung ist vor allem die Be-völkerung im erwerbsfähigen Alter von Bedeutung, alsoalle Personen im Alter von 15 bis 65 Jahren. Diese Grup-pe machte im Jahr 2005 noch 68,2 % der Gesamtbevöl-kerung aus. Bis zum Jahr 2050 wird ihr Anteil nur nochbei 60,0 % liegen. Wird davon ausgegangen, dass es eintypisches Einstiegsalter in die Selbstständigkeit gibt, soist die Verschiebung innerhalb der Altersstruktur der Be-völkerung auch in diesem Kontext relevant. In Abbil-dung 1 sind die Bevölkerungsstrukturen von 2005 undvon 2050 grafisch dargestellt. Am deutlichsten wird derRückgang in der Gruppe der 35- bis 50-Jährigen. DerAnteil dieser Gruppe an der erwerbsfähigen Bevölkerunglag im Jahr 2005 noch bei 36,0 %. Bis zum Jahr 2050wird diese Gruppe nur noch 30,3 % der erwerbsfähigenBevölkerung ausmachen.

Die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland ist durchniedrige Geburtenraten und sinkende Sterblichkeitgekennzeichnet. Bereits seit langem ist bekannt, dassdiese Entwicklungen die Bevölkerungsstruktur verändernwerden. In Zukunft wird es immer weniger Menschen inDeutschland geben, die im Durchschnitt zudem deutlichälter sein werden als heute.

Es ist davon auszugehen, dass diese Entwicklungenin den unterschiedlichsten Bereichen wie den Systemender sozialen Sicherung oder bei den Staatsfinanzenspürbar sein werden [vgl. MILBRADT und MEIER (2004)]. Injüngster Vergangenheit sind die Auswirkungen der de-mographischen Entwicklung auf die Arbeitsmärkte insZentrum der Diskussion gerückt [vgl. DITTRICH et al.(2004)]. Im Vordergrund der Betrachtung steht dabeihauptsächlich die Entwicklung der Beschäftigung, derArbeitslosigkeit und der Lohnstruktur. Selten wurden indiesem Zusammenhang bisher die Konsequenzen fürdie Selbstständigkeit analysiert. Aber auch hier werdendie Veränderungen in der Altersstruktur der Bevölkerungnicht folgenlos bleiben, denn eine zahlenmäßig kleinereund zudem ältere Bevölkerung bringt auch wenigerpotenzielle Selbstständige hervor. Ein lebhaftes Unter-nehmensgründungsgeschehen ist jedoch wichtig, denneine „Kultur der Selbstständigkeit“ ist Voraussetzung für einen funktionierenden Strukturwandel. Strukturwan-del, hervorgerufen durch den technologischen Fortschrittund den damit einhergehenden Änderungen der ge-samtwirtschaftlichen Nachfrage nach Produkten undDienstleistungen, ist für den Erhalt der Wettbewerbs-und Innovationsfähigkeit in einer Volkswirtschaft drin-gend notwendig. Ferner ist das Potenzial an Selbststän-digen auch wichtig, um geeignete Nachfolger im Mana-gement von existierenden Unternehmen zu finden.

Daher soll in diesem Artikel der Versuch unternom-men werden, die langfristige Entwicklung des Potenzialsan Selbstständigen vor dem Hintergrund des demogra-phischen Wandels zu prognostizieren. Danach wird ana-lysiert, ob die Bevölkerungsentwicklung den Struktur-wandel beeinflussen kann.

Das Potenzial an Selbstständigen wird ausschließlichvor dem Hintergrund der angebotsseitigen Folgen desdemographischen Wandels geschätzt. NachfrageseitigeEffekte sind hingegen nicht Gegenstand der Analyse. In-sofern sind die Ergebnisse als Tendenzaussage zu be-werten. Zu berücksichtigen ist zudem, dass die Zahl derzukünftig Selbstständigen auch stark von den politischenRahmenbedingungen abhängt. Auch Veränderungendieser Rahmenbedingungen bleiben im Folgenden außer

* Mandy Kriese ist Doktorandin in der Dresdner Niederlassung des ifo In-stituts.

Selbstständigkeit und demographischer WandelMandy Kriese*

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Aktuelle Forschungsergebnisse

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Aktuelle Forschungsergebnisse

Erfassung der Selbstständigkeit

Soll eine Prognose über das Potenzial an Selbstständi-gen angefertigt werden, muss bekannt sein, wie vieleneue Selbstständige jedes Jahr in einer Volkswirtschafthinzukommen und wie viele von ihnen ihre Selbststän-digkeit wieder aufgeben. Gesucht wird also eine detail-lierte Gründungsstatistik, die exakt die Neuzugänge indie Selbstständigkeit erfasst. Die gibt es für Deutschlandbislang nicht [vgl. FRITSCH et al. (2003)]. Es existieren abereinige Datenquellen, aus denen sich Informationen überGründungen von Betrieben ableiten lassen. Hier sindzum Beispiel die Statistik der sozialversicherungspflichtigBeschäftigten, die Gewerbeanzeigenstatistik oder dieMannheimer Gründungspanels des Zentrums fürEuropäische Wirtschaftsforschung zu nennen.

Jede dieser Datenquellen weist gewisse Stärken undSchwächen bei der Erfassung des Gründungsgesche-hens auf. Zur Person des Gründers sind lediglich in derGewerbeanzeigenstatistik (wenige) Merkmale enthalten.

Für die vorliegende Untersuchung werden allerdingsInformationen über das Alter, in dem Personen üblicher-weise eine selbstständige Tätigkeit aufnehmen bzw. die-se wieder aufgeben, benötigt. Diese Information ist aberkeiner dieser Datenquellen zu entnehmen. Auf der Basisdes Mikrozensus ist eine solche Schätzung hingegendurchführbar. Aus diesem Grund wurde für die vorliegen-de Arbeit auf diese Datenquelle zurückgegriffen.

Als Mehrzweckstichprobe erhebt der Mikrozensusu. a. Informationen zur Suche, zur Ausübung und zur Be-endigung einer erwerbswirtschaftlichen Selbstständig-keit von Männern und Frauen. Er ist zwar nicht als Grün-dungsstatistik konzipiert, enthält jedoch auch eineVielzahl von gründungsrelevanten Merkmalen.

Mithilfe des Mikrozensus ist es möglich, ein recht ge-naues Bild der selbstständigen Personen zu zeichnen.Als „selbstständig“ werden im Mikrozensus alle Perso-nen gezählt, die ein Unternehmen oder eine Arbeitsstätteals Eigentümer, Miteigentümer, Pächter oder selbststän-diger Handwerker leiten, freiberuflich tätig sind oder

Abbildung 1: Bevölkerungspyramide Deutschlands 2005 und 2050

Quelle: Statistisches Bundesamt (2003).

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Aktuelle Forschungsergebnisse

wenn sie Hausgewerbetreibender oder Zwischenmeistersind, mit fremden Hilfskräften in eigener Arbeitsstätte imAuftrag von Gewerbetreibenden Arbeit an Heimarbeiterweitergeben oder Waren herstellen und bearbeiten. Per-sonen, die in einem arbeitsrechtlichen Verhältnis stehenund lediglich innerhalb ihres Arbeitsbereiches selbststän-dig disponieren können (z. B. selbstständige Filialleiter)zählen hingegen nicht dazu [vgl. STATISTISCHES BUNDESAMT

(2004)].Die Teilnehmer am Mikrozensus werden nach ihrem

Status im Beruf befragt. Es gibt dabei die Unterschei-dung zwischen Selbstständigen mit Beschäftigten undSelbstständigen ohne Beschäftigte. Da davon ausge-gangen wird, dass die Impulse von Klein- und Kleinst-unternehmen für Strukturwandel, Innovationen undWachstum in der Gesamtwirtschaft vergleichsweise ge-ring sind, wird auf die Untersuchung von Selbstständi-gen ohne Beschäftigte verzichtet. Aus denselben Grün-den wird auch darauf verzichtet, die Selbstständigkeit imNebenerwerb zu betrachten. Die folgenden Überlegun-gen beziehen sich insofern allein auf Selbstständige mitBeschäftigten.

Bestand im Jahr 2003

Um einen Eindruck von den hier untersuchten Größen-ordnungen zu vermitteln, werden zuerst die Bestands-zahlen aus dem Jahr 2003 vorgestellt.

Im Jahr 2003 gab es 1,8 Mill. selbstständige Personenmit Beschäftigten in Deutschland. Die Verteilung derSelbstständigen auf die einzelnen Wirtschaftszweige istin Abbildung 2 dargestellt. Von allen Selbstständigen mitBeschäftigten sind mit 36,4 % die meisten bei denSonstigen Dienstleistungen vorzufinden, mit 6,0 % sinddie wenigsten in der Land- und Forstwirtschaft.

Prognoseergebnisse

Nachdem der Bestand an Selbstständigen mit Beschäf-tigten für das Jahr 2003 bekannt ist, ergibt sich die Frage nach der Entwicklung des Bestandes im Prog-nosezeitraum.

Prinzipiell ergibt sich die Zahl der Selbstständigeneines Jahres jeweils aus den Selbstständigen des Vorjah-res plus Zugänge abzüglich Abgänge. Deshalb erfolgtdie Analyse in drei Schritten. Im ersten Schritt werden dieZugänge prognostiziert. Mit deren Hilfe können dannRückschlüsse auf die Abgänge gezogen werden.Schließlich kann das Potenzial an Selbstständigen insge-samt prognostiziert werden.

Zugänge in die Selbstständigkeit

Zu den Zugängen werden alle Teilnehmer des Mikro-zensus gezählt, die sich im Jahr vor der Befragung

Abbildung 2: Verteilung der Selbstständigen mit Beschäftigten im Jahr 2003 auf die einzelnen Wirtschaftszweige

Quellen: Berechnungen des ifo Instituts, Statistisches Bundesamt (Mikrozensus).

24,5%

31,9%

36,4%

6,0%

Land- und Forstwirtschaft

Sonstige Dienstleistungen

Produzierendes Gewerbe

Handel, Gastgewerbe und Verkehr

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Aktuelle Forschungsergebnisse

selbstständig gemacht haben und dabei Beschäftigtehatten. Für die vorliegende Untersuchung wird davonausgegangen, dass sich die Eintrittswahrscheinlichkeitenin die Selbstständigkeit in den einzelnen Altersklassenund Sektoren über den Prognosezeitraum hinweg nichtverändern. Diese Annahme basiert auf der Überlegung,dass in jedem Jahr potenziell der gleiche Bevölkerungs-anteil in jeder Altersgruppe überhaupt den Mut zur Über-nahme unternehmerischen Risikos aufbringen wird.

Die Berechnung erfolgt in mehreren Schritten. Zuerstwerden alle Zugänge in die Selbstständigkeit und alleTeilnehmer des Mikrozensus 2003 ihren entsprechendenAltersgruppen und Wirtschaftszweigen zugeordnet.Dadurch kann, indem die Anzahl der Zugänge durch dieAnzahl der Gesamtteilnehmer geteilt wird, in einem zwei-ten Schritt für jede einzelne Gruppe die Eintrittswahr-scheinlichkeit in die Selbstständigkeit berechnet werden.In einem dritten Schritt wird berechnet, wie hoch dieAnteile der Bevölkerung sind, die in den einzelnen Wirt-schaftszweigen arbeiten. So können in einem viertenSchritt mithilfe der Bevölkerungsprognose die Zugängein die Selbstständigkeit mit Beschäftigten für jede einzel-ne Gruppe bestimmt werden. Für das Jahr 2003 ergibtdas einen Wert von 78.000 Personen.

Die Prognose der Zugänge in die Selbstständigkeiterfolgt durch Multiplikation der Eintrittswahrscheinlichkei-ten aus dem Jahr 2003 mit den Werten der Bevölke-rungsfortschreibung des jeweiligen Prognosejahres. DieZahl der Zugänge in die Selbstständigkeit wird der Prog-nose zur Folge im Jahr 2050 bei ca. 58.000 liegen. Diesist, verglichen mit 2003, ein Rückgang von 25,7 %.

Abgänge aus der Selbstständigkeit

Bevor Aussagen über den zukünftigen Bestand anSelbstständigen getroffen werden können, ist die Prog-nose der Abgänge aus der Selbstständigkeit notwendig.

Zu den Abgängen zählen alle Personen, die im Vor-jahr selbstständig mit Beschäftigten gewesen sind, imJahr der Mikrozensusbefragung hingegen nicht mehrselbstständig waren. Da in dieser Untersuchung nur dieBevölkerung im Alter von 15 bis 65 Jahren berücksichtigtwird, zählen auch alle über 65-jährigen Menschen zu denAbgängen. Diese Annahme ist vor dem Hintergrund dersteigenden Lebenserwartung im Allgemeinen und derNachfolgeproblematik bei Selbstständigen im Speziellenetwas problematisch: Es ist durchaus möglich, dass eineselbstständige Person bis zu ihrem 70. Lebensjahr unddarüber hinaus arbeitet. Gesetzliche Regelungen, wie zumBeispiel die Erhöhung des Renteneintrittsalters, spielenfür diese Personengruppe eine untergeordnete Rolle. DieSuche nach dem geeigneten Nachfolger führt dagegen

für viele Selbstständige zu Verzögerungen bei der Been-digung ihrer Tätigkeit. Es ist zudem unklar, wie sich diesteigende Lebenserwartung auf die Dauer der aktivenSelbstständigkeitsphase im Lebenszyklus auswirkenwird. Da diese Problematik noch einer näheren Analysebedarf, wird der Fokus der aktuellen Untersuchunghauptsächlich auf die unter 65-jährigen Personen gelegt.

Für das Basisjahr (2003) werden die Abgangsratenaus der Selbstständigkeit berechnet, indem die absoluteAnzahl der Abgänge im Laufe des Jahres 2003 durch dieAnzahl der Selbstständigen in der jeweiligen Gruppe ge-teilt wird. Da annahmegemäß auch die über 65-Jährigenaus der Selbstständigkeit ausscheiden, müssen die Ab-gänge noch um die 65-jährigen Selbstständigen desVorjahres ergänzt werden. Im Jahr 2003 gab es insge-samt 55.000 Abgänge aus der Selbstständigkeit.

Zur Prognose der Abgänge aus der Selbstständigkeitwerden die Abgangswahrscheinlichkeiten aus dem Mik-rozensus 2003 für die einzelnen Altersgruppen und Wirt-schaftszweige konstant gehalten und in jedem Jahr mitdem Wert der Bevölkerungsprognose der jeweiligenGruppe multipliziert. Zu dem Ergebnis werden danachdie 65-jährigen Selbstständigen des Vorjahres, dieannahmegemäß ausscheiden, hinzuaddiert. Die Zahl derAbgänge aus der Selbstständigkeit wird der Prognosezufolge im Jahr 2050 bei ca. 66.000 liegen. Das ist ver-glichen mit dem Jahr 2003 ein Anstieg von fast 20 %.

Bestand an Selbstständigen

Die Prognose der Selbstständigkeit bis zum Jahr 2050erfolgt auf Basis der Zugänge in sowie der Abgänge ausder Selbstständigkeit für jedes Jahr getrennt nach Wirt-schaftszweigen und Altersgruppen. Die Zahl der Selbst-ständigen in Periode t+1 ergibt sich dabei aus denSelbstständigen in Periode t, die eine Altersgruppe jün-ger sind, zuzüglich den Zugängen, abzüglich der Abgän-ge in der Periode t+1. Insgesamt wird es im Jahr 2050 etwa 1,3 Mill. Selbst-ständige mit Beschäftigten geben. Dies entspricht einemRückgang um 28,7 % gegenüber dem Basisjahr 2003 indem es noch etwa 1,8 Mill. Selbstständige mit Beschäf-tigten gab (vgl. Abb. 3).

Allerdings geht aus Abbildung 3 hervor, dass dieserRückgang erst ab dem Jahr 2012 einsetzen wird. Vorherwird die Gesamtzahl der Selbstständigen mit Beschäftig-ten sogar leicht ansteigen. Etwa ab dem Jahr 2033 wirdder Rückgang dann leicht gedämpft verlaufen. Dieserletzte Effekt ist auch der Grund, warum der Prognose-zeitraum so groß gewählt wurde. Zwar ist bis 2050 dieZahl der Selbstständigen nicht zuverlässig zu prognosti-zieren, doch zeigt sich an Abbildung 3 sehr deutlich, dass

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Aktuelle Forschungsergebnisse

sich die rasche Abnahme der Selbstständigen in denJahren 2015 bis 2030 nicht in dem Maße fortsetzen wird.

Zu Beginn des Prognosezeitraums wird die Zahl derZugänge in die Selbstständigkeit größer sein als die Zahlder Abgänge. Diese Konstellation wird zu einem Anstiegder selbstständigen Personen mit Beschäftigten führen,weil in den nächsten Jahren noch bevölkerungsstarkeJahrgänge in ihre gründungsaktive Phase kommen undzugleich die altersbedingten Abgänge niedrig sind. Ab2013 werden während des gesamten Prognosezeit-raums die Abgänge aus der Selbstständigkeit gegen-über den Zugängen in die Selbstständigkeit überwiegen,so dass die Selbstständigen insgesamt zurückgehen.Dieser Rückgang wird in zwei Etappen verlaufen. Bisetwa zum Jahr 2030 wird der Bestand an selbstständi-gen Personen sehr schnell zurückgehen. Danach wirdsich die Geschwindigkeit des Rückgangs verringern.Hier spiegeln sich Veränderungen in der Bevölkerungs-struktur wieder: Bis etwa zum Jahr 2030 werden dieAbgänge aus der Selbstständigkeit stark zunehmen.Diese Zunahme fällt in den Zeitraum, in dem auch diestark besetzten Jahrgänge der Baby-Boom-Generationihr 65. Lebensjahr vollenden und somit aus der Betrach-tung hier herausfallen werden. Wenn diese Generationaus der betrachteten Altersgruppe ausgeschieden seinwird, wird die Anzahl der Abgänge aus der Selbststän-digkeit ebenfalls rückläufig sein. Das führt dazu, dass der

Rückgang der Selbstständigen mit Beschäftigten nach2030 nicht mehr ganz so schnell verlaufen wird.

Das Durchschnittsalter der Selbstständigen wird bis2050 insgesamt von 45,9 auf 49,0 Jahre, um 3,1 Jahreansteigen. Allerdings ist zu beachten, dass in dieserUntersuchung nur die 15- bis 65-jährigen Personen be-trachtet werden. Somit ist es aus den oben beschriebe-nen Gründen wahrscheinlich, dass in der vorliegendenUntersuchung das Durchschnittsalter der Selbstständi-gen insgesamt im Jahr 2050 unterschätzt wird.

Kann die Verschiebung der Altersstruktur denStrukturwandel beeinflussen?

Die Berechnungen haben gezeigt, dass das Potenzial anSelbstständigen insgesamt vor dem Hintergrund der de-mographischen Entwicklungen wahrscheinlich deutlichzurückgehen wird. An dieser Stelle schließt sich unmittel-bar die Frage an, ob alleine der Rückgang der Selbst-ständigen und die Verschiebung der Altersstruktur auchAuswirkungen auf die Branchenstruktur haben können.

Dass sich bei der Selbstständigkeit in den letztenJahren enorme Umbrüche vollzogen haben, wird in Ab-bildung 4 deutlich. Hier ist die Entwicklung der Anteileder Selbstständigen in den einzelnen Sektoren in derVergangenheit dargestellt. Der Anteil der Selbstständigen

Abbildung 3: Zugänge, Abgänge und Bestand an Selbstständigen mit Beschäftigten von 2003 bis 2050

Quellen: Berechnungen des ifo Instituts, Statistisches Bundesamt (Mikrozensus), 10. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung.

1.200.000

1.300.000

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Bestand (linke Skala) Zugänge (rechte Skala) Abgänge (rechte Skala)

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Aktuelle Forschungsergebnisse

mit Beschäftigten im tertiären Sektor nahm von 62,2 %im Jahr 1991 auf 69,5 % im Jahr 2004 zu.

Der Strukturwandel hin zu einem stärkeren Dienstleis-tungssektor ist wenig überraschend. Schon Jean Foura-stié entwickelte im Jahr 1954 die Drei-Sektoren-Hypo-these, die unter anderem besagt, dass Länder mithohem Pro-Kopf-Einkommen den Hauptanteil ihres Ge-samteinkommens im Tertiärsektor (also dem Dienstleis-tungssektor) erwirtschaften. Bei Fortschreibung des sichin Abbildung 4 abzeichnenden Trends würde sich eineweitere Stärkung des Dienstleistungssektors ergeben.

Die wesentlichen Effekte des demographieinduzier-ten Strukturwandels werden sich vermutlich aus der Ver-schiebung der Nachfragestruktur (z. B. Pflegedienstleis-tungen) ergeben. Doch auch die Veränderungen in derAltersstruktur könnten den Strukturwandel beeinflussen,wenn die Altersstruktur der Zugänge und Abgänge zwi-schen den einzelnen Branchen sehr stark variiert. Dasist, wie aus Tabelle 1 zu entnehmen, eher nicht der Fall.Dort ist das Durchschnittsalter der Zugänge und der Ab-gänge mit der dazugehörigen Standardabweichung je-weils für das Jahr 2003 eingetragen.

Die Unterschiede im Durchschnittsalter der Zugängein die Selbstständigkeit sind eher gering. Am ältestensind die Zugänge bei den Sonstigen Dienstleistungen mit38,6 Jahren. Am jüngsten sind sie in der Land und Forst-wirtschaft mit 36,6 Jahren, die Standardabweichung ist

mit 10,0 Jahren in diesem Wirtschaftszweig aber aucham höchsten. Je stärker die Streuung der Zugänge, de-sto weniger ist eine Branche kurzfristig von der Verschie-bung der Altersstruktur betroffen, d. h. die Übergängeverlaufen glatter.Das Durchschnittsalter der Abgänge aus der Selbststän-digkeit variiert noch stärker, als das der Zugänge. Hierliegt die Streuung immer zwischen 11 und 12 Jahren.Trotzdem liegt das durchschnittliche Alter der Abgängein den unterschiedlichen Wirtschaftszweigen recht nahebeieinander.

Diese eher kleinen Unterschiede im Durchschnitts-alter der Zu- und Abgänge in den unterschiedlichen Wirt-schaftszweigen führen dazu, dass der Einfluss der de-mographischen Entwicklung auf den Strukturwandeleher gering anzusetzen ist. Strukturwandel in einerVolkswirtschaft wird hauptsächlich von der Nachfrage-seite bestimmt. Da hier jedoch nur die Angebotsseiteuntersucht wird, ist eine verlässliche Prognose der Bran-chenstruktur in diesem Zusammenhang unter diesenVoraussetzungen nicht möglich.

Fazit

Im vorliegenden Beitrag wurde analysiert, wie sich de-mographische Veränderungen auf das Potenzial an

Abbildung 4: Entwicklung der Anteile der Selbstständigen im primären und sekundären mit dem tertiärenSektor von 1991 bis 2004

Quelle: Statistisches Bundesamt (2005).

25%

30%

35%

40%

45%

50%

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65%

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75%

1991

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2000

2001

2002

2003

2004

Selbstständige mit Beschäftigten im tertiären Sektor

Selbstständige mit Beschäftigten im primären und im sekundären SektorSelbstständige mit Beschäftigten im primären und im sekundären Sektor

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Aktuelle Forschungsergebnisse

selbstständigen Personen mit Beschäftigten auswirkenkönnen. Dafür wurde die angebotsseitige Entwicklungder Selbstständigkeit in Deutschland bis zum Jahr 2050abgeschätzt.

Der Artikel gibt Antwort auf eine ganz spezifische Fra-ge: Was würde passieren, wenn für die Entwicklung derSelbstständigkeit nur die demographische Veränderungder Bevölkerung verantwortlich wäre?

Das Potenzial an selbstständigen Personen wird auf-grund der schrumpfenden und alternden Bevölkerungrückläufig sein. Gab es im Jahr 2003 noch etwa 1,8 Mill.Selbstständige mit Beschäftigten, werden es im Jahr2050 noch 1,3 Mill. sein. Das entspricht einem Rück-gang von 28,7 %.

Allerdings reicht die alleinige Betrachtung demogra-phischer Veränderungen nicht aus, wenn ein umfassen-des Bild der Selbstständigkeit von morgen wiedergege-ben werden soll. Einige Effekte, die in dieserUntersuchung nicht erfasst werden, sind zum Beispiel:

(1) Es ist möglich, dass sich das durchschnittliche Ein-trittsalter in die Selbstständigkeit aufgrund der steigen-den Lebenserwartung erhöhen wird. Ausschlaggebendfür die Entscheidung „Selbstständigkeit“ vs. „AbhängigeBeschäftigung“ ist der Barwert der erwarteten Zukunfts-erträge. Dieser Barwert steigt mit einer längeren Ver-weildauer in der Selbstständigkeit natürlich an.

(2) Wie bei der Prognose der Abgänge aus derSelbstständigkeit bereits erörtert, gelten gesetzliche Re-gelungen wie das Renteneintrittsalter für selbstständigePersonen nicht. Also können sich aufgrund der Nachfol-geproblematik, sowie aufgrund der steigenden Leben-serwartungen auch bei den Abgangswahrscheinlichkei-ten aus der Selbstständigkeit Veränderungen ergeben.

(3) Um ein vollständiges Bild der Entwicklung derSelbstständigkeit wiedergeben zu können, müssen auch

Nachfrageeffekte und gesamtwirtschaftliche Rahmenbe-dingungen modelliert werden.

Literatur

DITTRICH, M. et al. (2004): Demographische Entwicklungim Freistaat Sachsen – Analyse und Strategien zumBevölkerungsrückgang auf dem Arbeitsmarkt, ifodresden studien 36, Dresden / München.

FOURASTIÉ, J. (1954): Die große Hoffnung des 20. Jahr-hunderts, Köln.

FRITSCH, M. et al. (2003): Die statistische Erfassung vonGründungen in Deutschland – Ein Vergleich von Be-schäftigtenstatistik, Gewerbeanzeigenstatistik undden Mannheimer Gründungspanels, Allgemeines Sta-tistisches Archiv 86, 87–96, Physica – Verlag.

MILBRADT, G. und J. MEIER (Hrsg.) (2004): Die demogra-phische Herausforderung – Sachsens Zukunft ge-stalten, Verlag Bertelsmann Stiftung, Gütersloh.

STATISTISCHES BUNDESAMT (Hrsg.) (2003): BevölkerungDeutschlands bis 2050, 10. Koordinierte Bevölke-rungsvorausberechnung, Wiesbaden.

STATISTISCHES BUNDESAMT (Hrsg.) (2004): Bevölkerung undErwerbstätigkeit, Stand und Entwicklung der Erwerbs-tätigkeit, Ergebnisse des Mikrozensus 2003, Allge-meine und methodische Erläuterungen“, Fachserie 1/Reihe 4.1.1.

STATISTISCHES BUNDESAMT (Hrsg.) (2005): GendermonitorExistenzgründung 2004, Existenzgründung im Kon-text der Arbeits- und Lebensverhältnisse in Deutsch-land, Eine Strukturanalyse von Mikrozensusergebnis-sen, Bonn.

Tabelle 1: Durchschnittsalter und Standardabweichung der Zu- und Abgänge für das Jahr 2003

Quellen: Berechnungen des ifo Instituts, Statistisches Bundesamt (Mikrozensus).

WirtschaftszweigLand- und

ForstwirtschaftProduzierendes

Gewerbe

Handel, Gast-gewerbe und

Verkehr

Sonstige Dienstleistungen

Zugänge

Mittelwert 36,6 38,2 37,3 38,6

Standardabweichung 10,0 9,6 9,8 7,8

Abgänge

Mittelwert 47,4 46,4 46,4 45,5

Standardabweichung 11,9 11,3 11,0 12,1

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Im Blickpunkt

In diesem Beitrag wird das Arbeitslosigkeitsrisiko spezi-eller Bevölkerungsgruppen in Deutschland mit dem inanderen hoch entwickelten Volkswirtschaften verglichen.Deutschland ist im Vergleich zu anderen hochindustriali-sierten OECD-Ländern weniger stark von Jugendarbeits-losigkeit, dafür jedoch in extrem hohem Maße von Arbeits-losigkeit unter gering Qualifizierten und unter Älterenbetroffen. Dies legt den Schluss nahe, dass eben nicht –wie häufig argumentiert – der unabänderliche technischeWandel oder die Globalisierung per se Schuld an der Ar-beitslosigkeit sind, sondern dass institutionelle Rahmen-bedingungen, die von der Politik und den Tarifparteienbeeinflusst werden können, erheblichen Einfluss auf dieJobchancen besitzen.

Qualifikationsspezifische Arbeitslosigkeit

Das Arbeitslosigkeitsrisiko in Deutschland ist in hohemMaße qualifikationsspezifisch, d. h. das Risiko, arbeitsloszu werden, hängt in den alten wie auch in den neuenBundesländern erheblich vom Bildungsstand einer Per-son ab. Während Personen mit Hoch- bzw. Fachhoch-schulabschluss sowie Personen mit einem Berufsab-schluss nur unterdurchschnittlich von Arbeitslosigkeitbedroht sind, ist für Personen ohne Berufsabschluss (Geringqualifizierte) das Risiko, arbeitslos zu werden,überdurchschnittlich hoch. Im Jahr 2004 belief sich dieArbeitslosenquote der Geringqualifizierten in den altenBundesländern auf 21,7 % und in den neuen Bundeslän-dern gar auf 51,2 %, während die durchschnittliche Ar-beitslosenquote nach Abgrenzung der Bundesagenturfür Arbeit bei 9,2 % in West- und bei 19,9 % in Ost-deutschland lag [vgl. REINBERG und HUMMEL (2005), S.2].

Der äußerst starke Zusammenhang zwischen Ar-beitslosigkeit und Qualifikation hierzulande beschertDeutschland im internationalen Vergleich eine Sonder-stellung, wie ein Blick auf Abbildung 1 zeigt. Die Abbil-dung liefert einen Überblick über die qualifikationsspezifi-schen Arbeitslosenquoten nach Abgrenzung der OECDin ausgewählten Ländern im Jahr 2003. In allen Ländern– bis auf Dänemark – ist das Risiko, arbeitslos zu wer-den, umso höher, je geringer der Bildungsstand einerPerson ist, wobei gering Qualifizierte ausnahmslos amstärksten von Arbeitslosigkeit bedroht sind.1 Wie die Ab-bildung aber auch deutlich zeigt, muss das Arbeitslosig-keitsrisiko für Geringqualifizierte nicht notwendigerweisesolche Ausmaße wie in Deutschland annehmen. Im Jahr2003 lag die Arbeitslosenquote von Personen ohne

Berufsabschluss bzw. ohne Abitur in Deutschland mit18,0 % rund 6 Prozentpunkte über der Quote von Frank-reich und gut 10 Prozentpunkte über der Quote vonÖsterreich, wobei letztere mit 7,9 % exakt der durch-schnittlichen Arbeitslosenquote von Geringqualifiziertenin allen OECD-Staaten entsprach. In den skandinavischenLändern Dänemark, Schweden und Norwegen lagen dieArbeitslosenquoten für Geringqualifizierte gar um 11 bis14 Prozentpunkte unter der entsprechenden Arbeitslo-senquote in Deutschland. Bei den Hochqualifizierten liegtDeutschland dagegen durchaus im Normalbereich, imJahr 2003 betrug die Arbeitslosigkeit dieser Personen-gruppe hierzulande 5,2 % gegenüber 3,9 % im OECD-Durchschnitt. Hier funktioniert der Arbeitsmarkt weitge-hend, denn Arbeitslosenquoten um die 5 % sind durchausnoch mit Fluktuationen und Suchphasen der Arbeitskräf-te kompatibel.

Worin können mögliche Ursachen für das im Ver-gleich zu anderen OECD-Staaten hohe Arbeitslosig-keitsrisiko für gering Qualifizierte in Deutschland liegen?Oft ist zu hören, dass die hohe Arbeitslosigkeit unter Ge-ringqualifizierten in Deutschland eine zwangsläufige Fol-ge des technischen Fortschritts ist und wenig dagegengetan werden könne.2 Da der technische Fortschritt je-doch nicht auf Deutschland allein beschränkt oder hierstärker als in anderen hoch entwickelten Volkswirt-schaften ausgeprägt ist, scheidet er als möglicheErklärung aus. Ähnlich verhält es sich mit der Globalisie-rung, welche ebenso für die hohe Arbeitslosigkeit unterGeringqualifizierten in Deutschland verantwortlich ge-macht wird. Zwar sehen sich deutsche Unternehmendurch sinkende Kommunikations- und Transportkostenund durch den Fall des Eisernen Vorhangs einer wach-senden Konkurrenz auf den Weltmärkten ausgesetzt,Unternehmen in Frankreich, Österreich oder Skandina-vien stehen jedoch ebenso im globalen Wettbewerb,ohne dass die Arbeitslosigkeit unter den Geringquali-fizierten in diesen Ländern solche Ausmaße wie inDeutschland annimmt. Die Ursache für das im Vergleichzu anderen OECD-Staaten hohe Arbeitslosigkeitsrisikofür gering qualifizierte Personen hierzulande ist vielmehrin Deutschland selbst zu suchen und wurde in zahlreichenStudien auch bereits identifiziert. Arbeitslosigkeit ent-steht, wenn die Löhne über dem Markt räumenden Niveauliegen bzw. nicht auf dieses Niveau fallen können. Letzte-res ist in Deutschland einerseits durch Tarifbindungen und

* Uwe Kratzsch arbeitet als studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Fi-nanzwissenschaft der Technischen Universität Dresden.

Arbeitslosigkeit im internationalen VergleichUwe Kratzsch*

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Im Blickpunkt

andererseits wegen der Ausgestaltung des Sozialstaatesnicht möglich, welcher – in dem er Lohnersatzeinkom-men zahlt – einen impliziten Mindestlohn definiert.

Altersspezifische Arbeitslosigkeit

Trotz jährlich wiederkehrender Medienberichte über feh-lende Ausbildungsplätze scheint Deutschland im Ver-gleich zu anderen OECD-Staaten keinesfalls besondersstark von Jugendarbeitslosigkeit betroffen zu sein, wieein Blick auf Abbildung 2 zeigt. Im Jahr 2004 lag die Ar-beitslosenquote von Personen im Alter zwischen 15 und24 Jahren in Deutschland bei 11,7 % und damit 1,7 Pro-zentpunkte unter dem OECD-Durchschnitt. Zwar war dieJugendarbeitslosigkeit in Deutschland somit leicht höherals in Österreich aber doch deutlich niedriger als inFrankreich, wo die hohe Jugendarbeitslosigkeit von21,3 % und die damit verbundene Perspektivlosigkeit

vieler Jugendlicher einen entscheidenden Beitrag zu denwochenlangen Ausschreitungen im vergangenen Spät-herbst geleistet haben dürften. In Deutschland sind diegewachsenen Strukturen der dualen Ausbildung in denvergangenen Jahren allerdings an ihre Grenzen ge-stoßen. Wachsende Anteile der Ausbildungsbewerberkönnen nicht mehr aufgenommen werden. Die Jugend-lichen, die keinen Ausbildungsplatz erhalten, erscheinenjedoch nicht in der Arbeitslosenstatistik, weil sie statt-dessen in staatlich geförderte Ausbildungen gehen.3

Ähnlich ungünstig wie für Geringqualifizierte sieht inDeutschland die Arbeitsmarktsituation für ältere Men-schen aus. Wie Abbildung 3 entnommen werden kann,sind Personen im Alter zwischen 55 und 64 Jahren inDeutschland im Vergleich zu anderen OECD-Staaten inerheblichem Maße von Arbeitslosigkeit bedroht. Im Jahr2004 lag die Arbeitslosenquote der Älteren hierzulandebei 11,3 % und damit 6,6 Prozentpunkte über demOECD-Durchschnitt. In Frankreich war die Arbeitslosigkeit

Abbildung 1: Qualifikationsspezifische Arbeitslosenquoten im internationalen Vergleich

Quelle: OECD (2005), S. 250–252.

18,0

12,1

9,9

7,9

6,3

6,1

6,1

5,7

3,9

6,1

4,4

3,9

3,6

6,1

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4,3

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2,0 2,4

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2,5

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Por

tuga

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Nor

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weniger als höhere Sekundarbildung (kein Berufsabschluss oder Abitur)

höhere Sekundarbildung (Berufsschulabschluss oder Abitur)

Hochschulbildung

in %

Anm: Arbeitslosenquoten für Personen im Alter zwischen 24 und 64 Jahren, 2003.

11,2

11,1

10,7

7,2

6,9

6,7

10,2

7,5

9,5

9,2

6,7

5,4

2,9

5,2

3,3

5,1

5,2

3,4

4,7

2,6 2,9

4,9

3,4

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ifo Dresden berichtet 3/2006

Im Blickpunkt

Abbildung 2: Jugendarbeitslosigkeit im internationalen Vergleich

Quelle: OECD (2005), S. 241–243.

22,0 21,3 20,8

17,5 17,015,3

11,8 11,7 11,7 11,0 10,99,5

8,1 7,8 7,7

0

5

10

15

20

25S

pani

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in %

Anm: Arbeitslosenquoten für Personen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren, 2004.

Abbildung 3: Altersarbeitslosigkeit im internationalen Vergleich

Quelle: OECD (2005), S. 241–243.

11,3

7,3 7,16,3

5,6 5,64,9

4,5 4,4 3,8 3,6 3,2 3,12,4

1,1

0

2

4

6

8

10

12

14

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Finn

land

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Bel

gien

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Gro

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en

Irlan

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weg

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in %

Anm: Arbeitslosenquoten für Personen im Alter zwischen 55 und 64 Jahren, 2004.

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Im Blickpunkt

älterer Menschen 5,0 Prozentpunkte niedriger als inDeutschland, während die entsprechenden Arbeits-losenquoten bspw. in Schweden um 6,4 Prozentpunkte,in Österreich um 6,8 Prozentpunkte und in Norwegengar um 10,2 Prozentpunkte unter der deutschen Quotelagen. Die 1984 in Deutschland eingeführte Möglichkeitzur Frühverrentung bei nur geringen Rentenkürzungensowie die Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslo-sengeldes für ältere Arbeitslose auf 32 Monate im Jahr1987 haben in der Vergangenheit entscheidend zu dieserSituation beigetragen und prägen – trotz gegensteuern-der Politikmaßnahmen in den letzten Jahren – immernoch die Lage älterer Arbeitnehmer am deutschen Ar-beitsmarkt [vgl. KRAATZ, RHEIN und SPROß (2006)].

Literatur

BERMAN, E., J. BOUND und S. MACHIN (1998): Implicationsof Skill-Biased Technological Change: InternationalEvidence, Quarterly Journal of Economics 113 (4), S. 1245–1280.

KRAATZ, S., T. RHEIN UND C. SPROß: Bei der BeschäftigungÄlterer liegen andere Länder vorn, IAB Kurzbericht

Nr. 5, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschungder Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg.

ORGANISATION FOR ECONOMIC CO-OPERATION AND DEVELOP-MENT (Hrsg.) (2005): OECD Employment Outlook2005, Statistical Annex, Paris.

REINBERG, A. und M. HUMMEL (2005): Höhere Bildungschützt auch in der Krise vor Arbeitslosigkeit, IABKurzbericht Nr. 9, Institut für Arbeitsmarkt- und Be-rufsforschung der Bundesagentur für Arbeit, Nürn-berg.

1 Nach Abgrenzung der OECD fallen unter den Begriff „Geringqualifizierte“Personen, die weder einen Berufsabschluss noch Abitur besitzen.

2 In der Tat finden bspw. Berman, Bound und Machin (1998), dass derRückgang der Nachfrage nach gering qualifizierten Arbeitskräften in denUSA und in anderen entwickelten Volkswirtschaften in den 1970er und1980er Jahren eine Folge des so genannten „skill-biased technologicalchange“ war, welcher die Nachfrage nach hoch qualifizierten Arbeitskräf-ten erhöht, jedoch die Nachfrage nach gering qualifizierten Arbeitskräf-ten senkt.

3 Die Teilnehmerzahlen in berufsvorbereitenden Maßnahmen sind in denletzten Jahren ebenso gestiegen wie die Zahl der Besucher von Berufs-fachschulen. Allein in den sächsischen Berufsfachschulen ist die Schü-lerzahl von ca. 8.000 im Jahr 1993 auf über 40.000 im Jahr 2005 ange-wachsen.

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Daten und Prognosen

Arbeitsmarktentwicklung im Vergleich bg

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2003

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2005

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Anm.: Durch die Einführung des SGB II im Januar 2005 sind Vorjahresvergleiche nur eingeschränkt möglich.

Abbildung 1: Arbeitslose in Sachsen (2003 bis 2006)

Quelle: Bundesagentur für Arbeit

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Arb

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te (i

n %

)

Sachsen Ostdeutschland Westdeutschland Deutschland

Anm.: Durch die Einführung des SGB II im Januar 2005 sind Vorjahresvergleiche nur eingeschränkt möglich.

Abbildung 2: Arbeitslosenquoten in Sachsen, in Ost-, West- und Gesamtdeutschland (2001 bis 2006)

Quelle: Bundesagentur für Arbeit

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Daten und Prognosen

Quellen: Bundesagentur für Arbeit, Berechnungen des ifo Instituts.

Tabelle 1: Arbeitsmarktentwicklung im Vergleich

Beschäftigung und Zweiter Arbeitsmarkt (in 1.000 Personen)

Sozialversicherungs-pflichtig Beschäftigtea Gemeldete Stellenb

Beschäftigte in arbeitsmarktpolitischen

Maßnahmenc

Febr.2006

Vor-monat

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April2006

Vor-monat

Vor-jahres-monat

April2006

Vor-monat

Vor-jahres-monat

Brandenburg 680 682 687 19 17 15 13 13 16

Mecklenburg-Vorp. 477 480 479 16 15 12 13 14 12

Sachsen 1.291 1.296 1.310 28 22 19 23 24 32

Sachsen-Anhalt 703 709 707 19 16 12 12 14 17

Thüringen 684 687 695 15 13 14 11 12 17

D Ost (mit Berlin) 4.845 4.861 4.900 127 110 89 88 94 114

D West (ohne Berlin) 20.993 20.988 21.090 419 397 345 151 167 217

D gesamt 25.837 25.849 25.990 546 506 434 238 261 331

Arbeitslosigkeit

Arbeitslose (in 1.000 P.)

Arbeitslosenquoted

(in %)Langzeitarbeitslosee

(in % der Arbeitslosen)

April2006

Vor-monat

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April2006

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April2006

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Vor-jahres-monat

Brandenburg 243 255 259 19,8 20,8 21,0 39,3 37,7 41,4

Mecklenburg-Vorp. 180 191 193 22,2 23,5 23,4 35,9 34,8 43,6

Sachsen 407 426 429 20,4 21,4 21,2 40,4 39,2 41,8

Sachsen-Anhalt 249 261 277 21,1 22,1 23,0 41,0 40,0 44,5

Thüringen 205 217 222 18,2 19,3 19,5 38,5 37,0 39,1

D Ost (mit Berlin) 1.589 1.660 1.713 20,4 21,3 21,6 40,2 39,3 41,2

D West (ohne Berlin) 3.201 3.317 3.339 10,9 11,3 11,3 41,0 40,1 32,8

D gesamt 4.790 4.977 5.052 12,9 13,4 13,5 40,7 39,8 35,6

Anm.: a) Die Zahlen zur Beschäftigung werden mit zweimonatiger Verzögerung veröffentlicht. – b) Als gemeldete Stellen gelten denArbeitsagenturen zur Besetzung gemeldete Arbeitsplätze mit einer vorgesehenen Beschäftigungsdauer von mehr als 7 Kalendertagen. – c) Dazu zählt der Bestand an Kurzarbeitern, an geförderten Arbeitnehmern in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (inkl. tradionelle Struktur-anpassungsmaßnahmen) und an Teilnehmern in beruflicher Weiterbildung. – d) In % der abhängigen zivilen Erwerbspersonen. – e) AlsLangzeitarbeitslose gelten alle Personen, die am jeweiligen Stichtag der Zählung 1 Jahr und länger bei den Arbeitsagenturen arbeitslosgemeldet waren. Angaben ohne zugelassene Träger (Optionskommunen), da für diese keine Daten zu Langzeitarbeitslosen vorliegen.

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GK=[(GL+200)(GE+200)]1/2–200. Die beiden VariablenGL und GE werden zur Vermeidung von negativen Wer-ten im Wurzelterm jeweils um die Konstante 200 erhöht.

Das ifo Geschäftsklima basiert auf zirka 7.000 mo-natlichen Meldungen. Die Anzahl der ostdeutschen Teil-nehmer beträgt rund 1.400. Zirka 600 Meldungen kom-men aus Sachsen. In Zukunft werden weitere Details ausdem ostdeutschen Konjunkturtest auf den Internetseitender ifo Niederlassung Dresden veröffentlicht.

Im Rahmen des ifo Konjunkturtestes werden monatlichUnternehmen des verarbeitenden Gewerbes, des Bau-hauptgewerbes, des Großhandels und des Einzelhan-dels (die gewerbliche Wirtschaft) nach der gegenwärti-gen und der zukünftigen Geschäftslage befragt. DieUnternehmen können ihre gegenwärtige Geschäftslagemit „gut“, „befriedigend“ oder „schlecht“ und ihre Ge-schäftserwartungen für die nächsten sechs Monate mit„günstiger“, „gleich bleibend“ oder „ungünstiger“ bewer-ten.

Die dargestellten Grafiken basieren auf saisonberei-nigten Saldenwerten. Der Geschäftslage-Saldo ergibtsich aus der Differenz der Prozentanteile der „gut“- undder „schlecht“-Meldungen. Der Geschäftserwartungen-Saldo wird als Differenz der Prozentanteile von „günsti-ger“- und „ungünstiger“-Meldungen berechnet.

Das Geschäftsklima (GK) ist ein Mittelwert aus denSalden der Geschäftslage (GL) und der Erwartungen(GE). Es berechnet sich formal aus der Beziehung:

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Daten und Prognosen

Ausgewählte Ergebnisse aus dem ifo Konjunkturtestgv

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Deutschland Ostdeutschland Sachsen

a) Der zehnjährige Durchschnitt des Geschäftsklimas in der gewerblichen Wirtschaft in Deutschland beträgt –10,2 (Ostdeutschland: –11,4; Sachsen: –15,4)

Abbildung 1: Geschäftsklimaa

Gewerbliche Wirtschaft Deutschland, Ostdeutschland und Sachsen

Quelle: ifo Konjunkturtest.

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Daten und Prognosen

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Geschäftsklima Deutschland Geschäftslage Ostdeutschland

Geschäftsklima Ostdeutschland Geschäftserwartungen Ostdeutschland

Abbildung 2: Geschäftsklima, Geschäftslage und GeschäftserwartungenGewerbliche Wirtschaft Ostdeutschland (Geschäftsklima gewerbliche Wirtschaft Deutschland zum Vergleich)

Quelle: ifo Konjunkturtest.

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Geschäftsklima Ostdeutschland Geschäftslage Sachsen

Geschäftsklima Sachsen Geschäftserwartungen Sachsen

Abbildung 3: Geschäftsklima, Geschäftslage und GeschäftserwartungenGewerbliche Wirtschaft Sachsen (Geschäftsklima gewerbliche Wirtschaft Ostdeutschland zum Vergleich)

Quelle: ifo Konjunkturtest.

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Geschäftsklima Ostdeutschland Geschäftslage Sachsen

Geschäftsklima Sachsen Geschäftserwartungen Sachsen

Abbildung 4: Geschäftsklima, Geschäftslage und GeschäftserwartungenVerarbeitendes Gewerbe Sachsen (Geschäftsklima verarbeitendes Gewerbe Ostdeutschland zum Vergleich)

Quelle: ifo Konjunkturtest.

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Grundstoff- u. Produktionsgütergewerbe Verbrauchsgüter produzierendes Gewerbe

Investitionsgütergewerbe Nahrungs- und Genußmittelgewerbe

Abbildung 5: GeschäftsklimaBranchen des verarbeitenden Gewerbes Sachsen

Quelle: ifo Konjunkturtest.

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Ostdeutschland Tiefbau Sachsen Tiefbau

Abbildung 6: GeschäftsklimaHoch- und Tiefbau Ostdeutschland und Sachsen

Quelle: ifo Konjunkturtest.

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Ostdeutschland Großhandel Sachsen Großhandel

Ostdeutschland Einzelhandel Sachsen Einzelhandel

Abbildung 7: GeschäftsklimaGroß- und Einzelhandel Ostdeutschland und Sachsen

Quelle: ifo Konjunkturtest.

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die Politik der Europäischen Zentralbank in zahlreichenPublikationen. Seit 2005 leitet er die Konjunkturfor-schungsstelle (KOF) der ETH Zürich, die Konjunkturpro-gnosen für die Schweiz liefert und zu aktuellen wirt-schafts- und finanzpolitischen Fragen berät.

Im Rahmen der Dresdner Vorträge zur Wirtschafts-politik referierte am 11. Mai 2006 Prof. Dr. Jan-EgbertSturm zum Thema „Die Rolle der Kommunikation in derGeldpolitik“. Prof. Sturm ist einer der führenden Forscherzur Geldpolitik in Europa und analysierte insbesondere

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Aus der ifo Werkstatt

ifo Veranstaltungen

Auf der diesjährigen Jahreskonferenz der Scottish Eco-nomic Society in Perth (Schottland) trug am 24. April2006 Carsten Pohl, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei ifoDresden, zum Thema „Educational Achievements ofSecond Generation Immigrants in Germany“ vor.

Am 28. April 2006 referierte Beate Grundig, wissen-schaftliche Mitarbeiterin in der ifo Niederlassung Dres-den, im Rahmen der Jahreskonferenz des EuropeanLow-Wage Employment Research Network in Sandbjerg(Dänemark) zum Thema „Why is the Share of WomenWilling to Work in East Germany Larger than inWest Germany? A logit model of extensive labour supplydecision“.

Am 3. Mai 2006 hielt Heinz Schmalholz, wissenschaftli-cher Mitarbeiter bei ifo Dresden, im Rahmen des Lunch-time Seminars am ifo Institut in München einen Vortragzum Thema „Mittelstandsbericht Sachsen 2005/06 mitSchwerpunkt Unternehmensnachfolge“.

Im Rahmen des Mittagsseminars der TU Dresden refe-rierten am 8. Mai 2006 Gerhard Kempkes, wissen-schaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Empirische

Finanzwissenschaft und Finanzpolitik an der TU Dres-den, sowie Carsten Pohl, wissenschaftlicher Mitarbeiterbei ifo Dresden, zum Thema „How Efficient are GermanUniversities: Preliminary Evidence from Data Envelop-ment Analysis and Stochastic Frontier Analysis“.

Am 10. Mai 2006 referierte Gerit Vogt, wissenschaftli-cher Mitarbeiter in der ifo Niederlassung Dresden, imRahmen des Lunchtime Seminars am ifo Institut in Mün-chen zum Thema „Analyse der Prognoseeigenschaftenvon ifo Konjunkturindikatoren unter Echtzeitbedingungen“.

Am 17. Mai 2006 trugen Beate Grundig und CarstenPohl, beide wissenschaftliche Mitarbeiter bei ifo Dres-den, zum Thema „Demographischer Wandel und Ar-beitsmarkt in Ostdeutschland“ im Lunchtime Seminaram ifo Institut in München vor.

Am 19. Mai 2006 hielt Christian Leßmann, Doktorand inder ifo Niederlassung Dresden, anlässlich der Jahresmit-gliederversammlung des Verbands mitteldeutscherFrucht-Großhändler e.V. im Dresdner Hilton Hotel einenVortrag zum Thema „Demographische Entwicklung imFreistaat Sachsen“.

ifo Vorträge