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2003 Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München Kommentar Edda Müller Verbraucherschutz und Wettbewerb Forschungsergebnisse Wolfgang Nierhaus und Jan-Egbert Sturm Methoden der Konjunkturprognose Daten und Prognosen Klaus Beck Teuro und Einzelhandel Joachim Gürtler und Arno Städtler Leasing: Geschäftsklima auf neuem Tief Oscar-Erich Kuntze Norwegen: Beitritt zur Europäischen Union? Im Blickpunkt Gernot Nerb Wettbewerbsposition der Industrie ifo Schnelldienst 56. Jg., 8.–9. KW, 28. Februar 2003 4

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2003

Institut fürWirtschaftsforschungan der Universität München

KommentarEdda Müller■ Verbraucherschutz und Wettbewerb

ForschungsergebnisseWolfgang Nierhaus und Jan-Egbert Sturm■ Methoden der Konjunkturprognose

Daten und PrognosenKlaus Beck■ Teuro und Einzelhandel

Joachim Gürtler und Arno Städtler■ Leasing: Geschäftsklima auf neuem Tief

Oscar-Erich Kuntze■ Norwegen: Beitritt zur Europäischen Union?

Im BlickpunktGernot Nerb■ Wettbewerbsposition der Industrie

ifo Schnelldienst56. Jg., 8.–9. KW, 28. Februar 2003

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ISSN 0018-974 X

Herausgeber: ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V., Poschingerstraße 5, 81679 München, Postfach 86 04 60, 81631 München,Telefon (089) 92 24-0, Telefax (089) 98 53 69, E-Mail: [email protected]: Dr. Marga Jennewein.Redaktionskomitee: Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Werner Sinn, Prof. Dr. Gebhard Flaig, Thomas J. Darcy, Dr. Gernot Nerb, Dr. Wolfgang Ochel.Dr. Heidemarie C. Sherman, Dr. Martin Werding.Vertrieb: ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V.Erscheinungsweise: zweimal monatlich.Bezugspreis jährlich:Institutionen EUR 225,– Einzelpersonen EUR 96,–Studenten EUR 48,–Preis des Einzelheftes: EUR 10,–jeweils zuzüglich Versandkosten. Layout: Pro DesignSatz und Druck: ifo Institut für Wirtschaftsforschung.Nachdruck und sonstige Verbreitung (auch auszugsweise): Nur mit Quellenangabe und gegen Einsendung eines Belegexemplars.

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Verbraucherschutz und Wettbewerb

Während die Europäische Kommission die EU-Harmonisierung des Wettbewerbs-rechts plant, läuft parallel in Deutschland die Diskussion zur Modernisierung desdeutschen UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb). Einigkeit bestehtüber den Handlungsbedarf und darüber, dass Verbraucherinteressen auch im Wett-bewerbsrecht eine größere Rolle spielen müssen. Prof. Dr. Edda Müller, Vorstanddes Verbraucherzentrale Bundesverbands, kommentiert die Vorhaben und zeigtMöglichkeiten zur stärkeren Berücksichtigung des Verbraucherschutzes auf.

Methoden der KonjunkturprognoseWolfgang Nierhaus und Jan-Egbert Sturm

Im Sommer und zum Jahresende veröffentlicht das ifo Institut seine Konjunktur-prognosen für die Bundesrepublik Deutschland. Im Frühjahr und im Herbst nimmtes an der Gemeinschaftsdiagnose der sechs führenden Wirtschaftsforschungs-institute teil. Der Beitrag beschreibt, welche makroökonomischen Aggregate pro-gnostiziert werden und welche Methoden dabei angewandt werden. Im Einzelnenwerden die ökonometrische Prognose, der Indikatoransatz und das iterativ-analy-tische Verfahren vorgestellt. Außerdem wird auf die besonderen Spezifika der ifoKonjunkturprognose eingegangen.

Entwicklung der Einzelhandelspreise und der Lebenshaltungs-kosten seit Einführung des EuroKlaus Volker Beck

Die Preisentwicklung im Einzelhandel und in der Lebenshaltung stand vor allem imvergangenen Jahr in der öffentlichen Diskussion. Betrachtet man die Preisent-wicklung in 2002 im Einzelhandel, insbesondere bei Nahrungs- und Genussmit-teln sowie bei Gebrauchsgütern, zeigt sich ein nur leichter Anstieg bzw. teilweisesogar ein Rückgang der Einzelhandelspreise. Für 2002 ist also kein »Teuro«-Effektim gesamten Preisniveau des Einzelhandels festzustellen. Allerdings sind die Le-benshaltungskosten insgesamt im Vergleich zu den Einzelhandelspreisen seitdem Basisjahr 1995 deutlich stärker angestiegen und bewegen sich auf einemwesentlich höheren Niveau. Insofern hat der Einzelhandel im Rahmen der Le-benshaltungskosten insgesamt eher einen deutlich dämpfenden Einfluss auf diegesamte Preisentwicklung ausgeübt. Dabei handelt es sich aber um Durch-schnittspreise über ganze Waren- und Dienstleistungsgruppen, in denen stärkerePreissteigerungen einzelner Güter und das Agieren einzelner »schwarzer Scha-fe«in der großen Zahl der aktiven Marktteilnehmer nicht zum Ausdruck kommen.

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Kommentar

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Forschungsergebnisse

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Daten und Prognosen

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Leasing: Stark eingetrübte Erwartungen drücken Geschäftsklima auf neues TiefJoachim Gürtler und Arno Städtler

Nach den neuesten Ergebnissen des ifo Konjunkturtests Leasing fiel der Ge-schäftsklimaindex im vierten Quartal 2002 auf den niedrigsten Wert seit Beginnder Umfrage. Dies lag in erster Linie an den deutlich weniger zuversichtlichen Ge-schäftserwartungen, bei der Beurteilung der aktuellen Geschäftslage gewannendie positiven Einflüsse dagegen etwas an Gewicht. Fast jedes fünftes Leasing-unternehmen bewertete die Lage als günstig, 69% als befriedigend, und 12%empfanden den augenblicklichen Geschäftsverlauf als schlecht. Zwei von dreiLeasinggesellschaften klagen mittlerweile über Behinderungen ihrer Geschäftstä-tigkeit, wobei 43% der Testteilnehmer Behinderungen durch rechtliche und steu-erliche Rahmenbedingungen an erster Stelle nannten.

Norwegen: Doch noch Beitritt zur Europäischen Union?Oscar-Erich Kuntze

2002 nahm in Norwegen das reale Bruttoinlandsprodukt um etwa 11/4% und da-mit dem westeuropäischen Durchschnitt entsprechend zu. Auf dem Arbeitsmarktblieb die Situation stabil, und die Arbeitslosenquote lag im Jahresdurchschnitt bei3,9%. Die Lebenshaltungskosten erhöhten sich um 1,3%. 2003 dürfte das realeBIP nur um etwa 1% expandieren. Die Arbeitslosenquote wird sich im Schnitt desJahres auf 41/2% erhöhen, und die Konsumentenpreise werden um 21/2% überdem Niveau von 2002 liegen. 2004 wird die Konjunktur zunehmend an Schwunggewinnen. Das reale BIP dürfte um 21/2% steigen. Die Arbeitslosenquote wird abernoch bei 41/2% verharren. Die Preissteigerung wird 23/4% betragen.

Wettbewerbsposition der Industrie hat trotz höherem Euro noch wenig gelittenGernot Nerb

Nach den Ergebnissen einer aktuellen telefonischen Umfrage, die das ifo Institutim Auftrag der Wirtschaftswoche im Januar bei 1 000 Unternehmen durchgeführthat, hat die Wettbewerbsposition deutscher Untermnehmen bisher durch den hö-heren Euro-Kurs noch keinen größeren Schaden erlitten. Der Besserungstrend,der im zweiten Halbjahr 2002 von den Unternehmen beobachtet worden war,scheint aber vorbei zu sein. Mit weiter steigendem Euro-Kurs dürften die negati-ven Einflüsse auf die Wettbewerbsfähigkeit die Oberhand gewinnen. Es ist dannzu befürchten, dass die Exporte, das bisher einzige Zugpferd der Konjunktur,deutlich weniger stark wachsen.

Die 54. Jahresversammlung des ifo Instituts findet am Dienstag, den 24. Juni2003, im Haus der Bayerischen Wirtschaft statt. Als Hauptredner konnte Dr. HorstKöhler, Geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds, gewon-nen werden. Die Tagesordnung wird in Kürze bekannt gegeben.

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Im Blickpunkt

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Mitteilung des Instituts

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56. Jahrgang – i fo Schne l ld ienst 4/2003

Modernisierung des Wettbe-werbsrechts – Chancen undRisiken für die Verbraucher

EU-Harmonisierung des Wettbe-werbsrechts

Während die Europäische Kommissiondie EU-Harmonisierung des Wettbe-werbsrechts plant, läuft parallel inDeutschland die Diskussion zur Moderni-sierung des deutschen UWG (Gesetz ge-gen den unlauteren Wettbewerb). Einig-keit besteht über den Handlungsbedarfund darüber, dass Verbraucherinteressenauch im Wettbewerbsrecht eine größereRolle spielen müssen. Doch wie das ge-nau aussehen soll, ist noch immer unklar.

Das Bundesjustizministerium hat am27. Januar 2003 einen Referentenentwurfzum neuen UWG veröffentlicht, der bis-lang allerdings den Erwartungen an dieAusgestaltung eines hohen Verbraucher-schutzniveaus nicht gerecht wird.

Auf europäischer Ebene hat die Euro-päische Kommission zwei voneinanderunabhängige Initiativen zur Harmoni-sierung des Wettbewerbs- bzw. Lau-terkeitsrechts entwickelt. Einen »Vor-schlag für eine Verordnung über Ver-kaufsförderung im Binnenmarkt« (DGMARKT) sowie das »Grünbuch zum Ver-braucherschutz in der EuropäischenUnion« mit »Folgemaßnahmen zumGrünbuch« (DG SANCO).

Während die Verordnung über Verkaufs-förderung nur einen kleinen Ausschnittdes Lauterkeitsrechts betrifft (Liberali-sierung des Bereiches der Wertreklame),soll das Grünbuch zum Verbraucher-schutz einen allgemeinen Rechtsrahmenschaffen. Hierbei wird ein umfassenderSchutz der Verbraucher vor unlauterenGeschäftspraktiken angestrebt.

Ein solcher verlässlicher Rechtsrahmenist dringend erforderlich, da ohne um-fassende Rahmenregelung eine Rechts-zersplitterung und die Absenkung desSchutzniveaus droht. Es müssen zu-nächst Rahmenbedingungen des euro-päischen Wettbewerbsrechts festge-

schrieben werden, in die die punktuellenRegeln des Verordnungsentwurfs in ge-änderter Fassung, etwa durch einenSondertatbestand, einbezogen werden.Dabei darf auch der Grundsatz dergegenseitigen Anerkennung, das so ge-nannte Herkunftslandprinzip, eine voll-ständige Harmonisierung nicht ersetzen.Würden wesentliche Eckpunkte des eu-ropäischen Wettbewerbsrechts nicht ge-regelt, wäre faktisch ein »race to the bot-tom« zu befürchten, durch den der Ver-braucherschutz erheblich verringert wer-den würde.

Das Grünbuch beschränkt sich bislangauf allgemeine Absichtserklärungen wieder Sicherstellung eines hohen Verbrau-cherschutzniveaus. Der Gehalt dieser Er-klärungen wird sich jedoch an der kon-kreten Ausgestaltung einer Regelungmessen lassen müssen.

Forderungen an das EU-Wettbewerbsrecht

Die EU-Harmonisierung bietet uns jetztdie Möglichkeit, der Funktion des Ver-brauchers im Marktprozess angemessenRechnung zu tragen.

Nur ein einheitlich hohes Schutzniveauwird das Vertrauen der Verbraucher in denBinnenmarkt herstellen können. Geradedas Vertrauen der Verbraucher in grenz-überschreitende Waren- und Dienstleis-tungsangebote ist jedoch notwendigeVoraussetzung für einen funktionierendenBinnenmarkt.

Ein leistungsfähiges und modernes Wett-bewerbsrecht muss deshalb Europa weit:

• den Verbraucherschutz als Ziel desWettbewerbsrechts festschreiben,

• verbraucherorientierte Markttranspa-renz sicherstellen,

• den Verbrauchern ein allgemeines Ver-tragsauflösungsrecht gewähren, wennder Vertragsschluss auf einer unlaute-ren Handlung beruht,

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Verbraucherschutz und Wettbewerb

Edda Müller*

* Prof. Dr. Edda Müller ist Vorstand des Verbrau-cherzentrale Bundesverbands (vzbv) e.V.

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Kommentar

i fo Schne l ld ienst 4/2003 – 56. Jahrgang

• den Verbrauchern einen Schadensersatzanspruch beiunlauteren Handlungen einräumen,

• eine Abschöpfung von Unrechtsgewinnen aufgrund un-lauterer Werbung einführen,

• Regeln für die Werbung mit gesundheitlichen, ökologi-schen und ethischen Bezügen aufstellen,

• Kinder- und Jugendschutz besonders hervorheben,• ein ausdrückliches Verbot diskriminierender Werbung nor-

mieren,• eine Strohmannklausel einbauen.

Defizite des Wettbewerbsrechts

Wir haben im Rahmen der Überlegungen zur Modernisierungdes Wettbewerbsrechts schon deutlich gemacht, dass wireine Neuausrichtung für notwendig halten. Ein modernesWettbewerbsrecht des 21. Jahrhunderts muss den Ansprü-chen des europäischen Binnenmarktes gerecht werden.

Obwohl der Verbraucherschutzgedanke mittlerweile in wei-te Teile des Rechts Einzug erhalten hat, weist das heutigeWettbewerbsrecht in wesentlichen Bereichen Defizite für denVerbraucher auf. Ich möchte unsere einzelnen Forderungs-punkte noch einmal aufgreifen und anhand von Beispielenaus unserer praktischen Arbeit belegen.

Verankerung des Verbraucherschutzes

Noch immer ist der Verbraucherschutz nicht im Gesetz fest-geschrieben. So stehen sich Anbieter- und Verbraucherinter-essen nicht gleichwertig gegenüber, und dieses Ungleichge-wicht beeinträchtigt nicht nur den rechtlichen und wirtschaft-lichen Schutz des Verbrauchers, sondern behindert auch ei-ne effiziente Ausgestaltung wettbewerblicher Prozesse. DerVerbraucherschutz muss daher unbedingt als Schutzzweckdes Gesetzes festgeschrieben werden, sonst gehen Interes-sensabwägungen meistens zu Lasten des Verbrauchers.

Markttransparenz

Auch fehlt eine im materiellen Wettbewerbsrecht veranker-te umfassende verbraucherorientierte Markttransparenz. Die-se erfordert nicht nur einen umfassenden Schutz vor irre-führender Werbung, sondern darüber hinaus ein ausrei-chendes Maß entscheidungsrelevanter Informationen. Daseuropäische Leitbild stellt richtigerweise auf den »informier-ten Verbraucher« ab.

Da dem Verbraucher in der Marktwirtschaft quasi die Rolledes Schiedsrichters über die Güte verschiedener Angebo-te zufällt, muss ihm auch eine sachgerechte Marktent-scheidung im freien Leistungswettbewerb ermöglicht wer-

den. Schließlich kann sich nur auf Grundlage einer sachge-rechten Entscheidung der Verbraucher das bessere Ange-bot am Markt durchsetzen.

Dem Informationsbedürfnis der Verbraucher entsprechendmüssen Produkte mit Hinweisen auf die ethischen, sozia-len und ökologischen Rahmenbedingungen, unter denensie entstanden sind, versehen werden. Diese Informations-pflicht sollte sich nicht nur auf die Produkte selbst, sondernauch auf deren Herstellung und Entsorgung beziehen. Ver-braucher haben ein berechtigtes Interesse daran zu erfah-ren, wie der Strom gewonnen wird, mit dem sie beliefert wer-den. Genauso interessiert es sie, ob das fragliche Produktunter dem Einsatz von Kinderarbeit hergestellt wurde undob ihre Gartenmöbel aus nachhaltig angebautem Holz oderaus Tropenhölzern bestehen.

In der Werbung suggerieren Bilder dem Käufer immer wie-der einen Herstellungshintergrund, der mit der Realität nichtszu tun hat. In der Lebensmittelwerbung ist dies häufig dieDarstellung ländlicher Idylle, die unterstellt, dass zum Bei-spiel Milch oder Eier von freilaufenden, »glücklichen« Tierenstammen, auch wenn die Milch aus der Stallhaltung unddie Eier aus der Legebatterie kommen.

Allgemeines Vertragsauflösungsrecht

Ein weiteres Defizit des derzeitigen Wettbewerbsrechts istdas Fehlen eines allgemeinen Vertragsauflösungsrechts.Dem Verbraucher fehlt oft das Verständnis, warum er einenVertrag erfüllen muss, wenn er aufgrund einer wettbe-werbswidrigen Handlung zu dem Vertragsabschluss be-stimmt wurde.

Viele Firmen verwenden zum Beispiel kostenaufwendige0190-Nummern in der Werbung, um bei den Verbrauchernin wettbewerbswidriger Weise abzukassieren. ZahlreicheFälle betreffen die Gewinnspielwerbung. Hier werden denVerbrauchern hohe Gewinne angekündigt, weitere Infor-mationen können sie über eine 0190-Nummer erfragen.

Das Gleiche gilt für unlautere Faxwerbung: Jeden Tag flat-tern bei Verbrauchern unerwünschte Faxe in die Haushalte.Wem das zu viel wird, wird in Aussicht gestellt, er könne dieFaxflut durch die Anwahl einer 0190-Nummer abbestellen.Diese Gebührenpflicht besteht trotz der Unlauterkeit der Wer-bung, der Verbraucher bleibt auf seinen Kosten sitzen.

Schadensersatz bei unlauterer Werbung

Häufig erleiden die Verbraucher infolge sittenwidriger undirreführender Werbung auch einen materiellen Schaden. Dasheutige Wettbewerbsrecht räumt den Verbrauchern jedoch

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Kommentar

weder einen eigenen Schadensersatzanspruch ein, noch giltdas UWG als Schutzgesetz nach § 823 II BGB.

Im Bereich des »Grauen Kapitalmarkts« werden Anlegerüberredet, sichere Anlageformen wie zum Beispiel Kapital-lebensversicherungen vorzeitig zu kündigen und das aus-gezahlte Guthaben in hochriskante »atypische stille Beteili-gungen« zu investieren. Dem Verbraucher entsteht durchdie vorzeitige Kündigung der Lebensversicherung ein Scha-den, da er nicht die Summe der eingezahlten Beträge zu-rück erhält, sondern nur einen Teilbetrag. Selbst wenn er be-züglich des neuen Anlagevertrags den Rücktritt erklärt, wirdihm diese Differenz nicht erstattet.

Gewinnabschöpfungsanspruch

Den Verbraucherverbänden stehen wettbewerbsrechtlicheUnterlassungsansprüche zu. In der Praxis zeigt sich allerdingshäufig, dass Unternehmen die außergerichtlichen Unterlas-sungserklärungen oder erstrittenen gerichtlichen Unterlas-sungsurteile lediglich zum Anlass nehmen, ihre Werbung ge-ringfügig abzuändern, sie aber im Kern nicht aufgeben.

Ein Unterlassungstitel allein ist auch dann kein tauglichesgeneralpräventives Instrument, wenn abgemahnte Firmenschon an der einmaligen Werbeaktion erheblich profitiert ha-ben. Dies ist zum Beispiel im unlauteren Direktmarketing derFall, wenn moderne Massenkommunikationsmittel wie Fax,E-Mail oder SMS eingesetzt werden, um Waren oder Dienst-leistungen anzubieten.

Es bedarf eines zusätzlichen generalpräventiven Instru-mentariums, um unlauteren Wettbewerb, insbesondereauch Erstverstöße, nachhaltig sanktionieren zu können, da-mit sich unlauterer Wettbewerb für die Wettbewerbsstörernicht lohnt.

Deshalb muss ein verschuldensunabhängiger Gewinnab-schöpfungsanspruch eingeführt werden, den entweder Ver-braucherverbände oder staatliche Behörden durchsetzenkönnen. Eine EU-Richtlinie müsste jedenfalls festlegen, dassaufgrund unlauterer Werbung erzielte Unrechtsgewinne nichtbei den Unternehmen belassen werden dürfen.

Werbung mit gesundheitlichen, ökologischen undethischen Bezügen

Zu vielen Bereichen fehlen außerdem Sondertatbestände,die die Bedeutung besonders wichtiger Themen unter-streichen.

Gesundheit, Umweltschutz und ethische Belange der Be-völkerung sind zum Beispiel als überragende Ziele anerkannt.

Deshalb liegt in der Verfolgung unlauterer Werbung mit ge-sundheitlichen, ökologischen und ethischen Bezügen aucheiner unserer praktischen Schwerpunkte. Bereits seit denneunziger Jahren führen wir regelmäßige Aktionen zu die-sem Thema durch und stoßen dabei auf die unterschied-lichsten Fälle: unspezifische Bezeichnungen wie »Bio« oder»Öko«, irreführende Verwendungen von Gütesiegeln undEmblemen oder auch Süßigkeiten, die mit Vitaminen ange-reichert werden und dann mit ihrer positiven Gesundheits-wirkung locken.

Seit einem Jahr führen wir nun gemeinsam mit dem öster-reichischen Verein für Konsumenteninformation ein Projektdurch, in dem irreführende Werbung für Lebensmittel, Nah-rungsergänzungsmittel und Schlankheitsprodukte zentra-ler Gegenstand der projektbezogenen Verfahren ist. Dabeikommt gerade Werbung mit gesundheitlichen Bezügen häu-fig vor. Die Wirkung solcher Werbung ist so groß, dass sichfür die Unternehmen das Risiko einer Gesetzesüberschrei-tung scheinbar lohnt. Noch nicht einmal die Bioproduzentenmachen vor falschen und ungenauen Versprechungen halt!

Kinder- und Jugendschutz

Auch kinderspezifische Werbung hat einen besonderen wett-bewerbsrechtlichen Stellenwert und Unwertgehalt, da sieoft die Unerfahrenheit, Leichtgläubigkeit und leichte Beein-flussbarkeit dieser Personen zu geschäftlichen Zwecken ge-zielt ausnutzt. Auch hier ist ein Sondertatbestand dringenderforderlich. Die Werbung zum Beispiel für Süßwaren,Handys oder Computerspiele sollte keine direkten Kaufap-pelle an Minderjährige richten. Es darf auch nicht sein, dassKinder unmittelbar aufgefordert werden, ihre Eltern oder Drit-te zum Kauf der beworbenen Ware oder Dienstleistung zubewegen oder dass Minderjährige mit Gewinnspielen odermit Zugaben zum Kauf verführt werden.

In vielen Jugendzeitschriften wird zum Beispiel mit Klingel-tönen geworben, die sich die Jugendlichen über eine 0190-Nummer, bei der hohe Gebühren anfallen, auf ihr Handy spie-len lassen können. Auch wenn die Minutenpreise für die-sen Service angegeben sind, können die meisten Jugend-lichen dadurch nicht abschätzen, welche Kosten insgesamtauf sie zukommen. Die so gekauften Klingeltöne werden imÜbrigen schnell uninteressant, so dass sie von den Ju-gendlichen meist regelmäßig und in kurzen Abständen durchneue ersetzt werden.

Verbot diskriminierender Werbung

Als Sondertatbestand fehlt auch ein ausdrückliches Verbotdiskriminierender Werbung aufgrund des Geschlechts, ei-ner Behinderung, der Rasse, der Religion oder der Herkunft.

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Kommentar

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So ist zum Beispiel die überzogene freizügige Darstellungvon Frauen in der Werbung zu sanktionieren, wenn sie ent-würdigend und kränkend ist.

Strohmannklausel

Daneben fehlt eine Strohmannklausel durch die Profiteureunlauterer Werbung in den Haftungsverbund aufgenommenwerden. Denn eine effektive Rechtsverfolgung ist nach demheutigen Wettbewerbsrecht dann nicht möglich, wenn sichdie tatsächlich Verantwortlichen hinter Strohmännern,Scheinfirmen oder Postfachadressen verstecken. Etwa inFällen unlauterer Gewinnspielwerbung oder Telefaxwerbungerweist sich die Durchsetzung von Unterlassungsansprü-chen oft als schwierig, da als Adresse zumeist ein Postfachim In- oder Ausland angegeben wird, die Firma aber in demLand, in dem das Postfach unterhalten wird, gar nicht an-sässig ist. Ausländische Unternehmen, die unlautere Wer-bung versenden, werden bei nächster Gelegenheit wiederabgemeldet, die verantwortlichen Hintermänner sind alsbaldunter einer neu gegründeten Firma aufs Neue aktiv.

Zusammenfassung

Mit der EU-Harmonisierung des Wettbewerbsrechts habenwir jetzt die Chance, die Interessen der Verbraucher ange-messen zu berücksichtigen. Wichtig ist daher ein umfas-sender Regelungsansatz, durch den die Verbraucher-schutzstandards auf ein hohes Niveau angeglichen werden.Auf keinen Fall darf durch die Teilregelung der Wertreklamedurch eine Verordnung eine Schneise in das Wettbewerbs-recht der Mitgliedstaaten geschnitten und eine einheitlicheRegelung torpediert werden.

Durch die Harmonisierung des Wettbewerbsrechts müs-sen Verbraucherschutz und Markttransparenz festge-schrieben, einschlägige Sanktionen eingeräumt und dieDurchsetzung der Verbraucherrechte optimiert werden. Nurso wird ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleistet,das das Vertrauen der Verbraucher in den europäischenBinnenmarkt herstellen kann. Gerade dieses Vertrauen istaber notwendige Voraussetzung für einen funktionierendengrenzüberschreitenden Markt.

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Prognoseziel: Die Konjunktur

Mit Konjunkturprognosen soll auf ge-samtwirtschaftlicher Ebene die zukünfti-ge Wirtschaftsentwicklung abgeschätztwerden. Im Zentrum stehen Aussagenüber Tempoänderungen und Wende-punkte von makroökonomischen Varia-blen im konjunkturellen Verlauf (Konjunk-turzyklus). Als Konjunkturzyklus bezeich-net man die in marktwirtschaftlichen Sys-temen immer wieder auftretendenSchwankungen der wirtschaftlichen Ak-tivität, die bei allen Besonderheiten undohne ausgeprägte Periodizität doch ge-wisse Regelmäßigkeiten aufweisen. Ge-meinsames Charakteristikum aller Kon-junkturzyklen ist, dass sie aus kumulati-ven Aufschwungs- bzw. Abschwungs-phasen bestehen, wobei die einzelnenPhasen jeweils durch untere bzw. oberekonjunkturelle Wendepunkte miteinanderverbunden sind (vgl. Kasten 1), (vgl.Vosgerau 1978).

In Deutschland werden konjunkturelleSchwankungen auf gesamtwirtschaft-licher Ebene an der Entwicklung der vier-teljährlichen gesamtwirtschaftlichen Pro-duktion festgemacht. Zentraler Maßstabhierfür ist das reale Bruttoinlandsprodukt(BIP). Das reale BIP (Produktion im Inlandbewertet in konstanten Preisen eines Ba-sisjahres) misst die Fertigung von Warenund Dienstleistungen – ohne Einrechnungvon Vorleistungen – sowie ihre Verwen-dung unabhängig davon, in welchem Um-fang inländische oder ausländische Wirt-schaftseinheiten dazu beigetragen haben.Für die Wahl des realen BIP spricht, dass

Preissteigerungen üblicherweise nicht alsErhöhung der wirtschaftlichen Aktivität ge-wertet werden.

In der Prognosepraxis wird davon aus-gegangen, dass sich die Zeitreihe desvierteljährlichen realen BIP in verschie-dene Bewegungskomponenten zerlegenlässt (Zeitreihenzerlegung). Zu unter-scheiden sind systematische Kompo-nenten (wie Trendkomponente, Kon-junkturkomponente, Saisonkomponen-te und Arbeitstagekomponente), die sichin ihrer zeitlichen Entwicklung durch re-gelmäßig wiederkehrende wirtschaftlicheoder durch kalendarische Phänomeneerklären lassen. Daneben gibt es die un-systematische Komponente (irregulärerRest) (vgl. Goldrian 1996; Nierhaus1999). Die Trendkomponente umfasstden langfristigen Entwicklungspfad derZeitreihe des realen BIP, die Konjunktur-komponente die mittelfristige zyklische

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Wolfgang Nierhaus und Jan-Egbert Sturm2

Methoden der Konjunkturprognose1

Im Sommer und zum Jahresende veröffentlicht das ifo Institut seine detaillierten Konjunk-

turprognosen für die Bundesrepublik Deutschland. Im Frühjahr und im Herbst nimmt es an

der Gemeinschaftsdiagnose der sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute teil. Der fol-

gende Beitrag beschreibt, welche makroökonomischen Aggregate prognostiziert werden und

welche Methoden dabei angewandt werden. Im Einzelnen werden die ökonometrische Pro-

gnose, der Indikatoransatz und das iterativ-analytische Verfahren vorgestellt. Außerdem

wird auf die besonderen Spezifika der ifo Konjunkturprognose eingegangen.

1 Teile des Aufsatzes basieren auf einem im ifoSchnelldienst erschienenen Artikel aus dem Jahr1998 (Nierhaus 1998).

2 Unter Mitarbeit von Wolfgang Meister.

Abb. 1

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Forschungsergebnisse

i fo Schne l ld ienst 4/2003 – 56. Jahrgang

Bewegung. Da die Trennung zwischen der Trend- und derKonjunkturkomponente letztlich nur subjektiv erfolgen kann,weil die Länge des Konjunkturzyklus schwankt, werdenbeide Komponenten vielfach auch zur sog. glatten Kom-ponente zusammengefasst. Die kurzfristige saisonale Kom-ponente spiegelt die innerhalb eines Jahres regelmäßigwiederkehrenden Veränderungen der BIP-Zeitreihe wider.Die Arbeitstagekomponente erfasst kurzfristige Einflüsse,die auf Unregelmäßigkeiten im Kalender zurückgehen (z.B.Schalttage, bewegliche Feiertage, spezielle Feiertagsre-gelungen oder divergierende Wochentagsstrukturen im Mo-nat). Diese bewirken eine unterschiedliche Zahl von Ar-beitstagen pro Periode, was Auswirkungen auf die ge-samtwirtschaftliche Produktion haben kann. Die Rest-komponente berücksichtigt schließlich verbleibende un-systematische Einflüsse auf das reale BIP. Zu diesen zäh-len einerseits zufällige Störungen des Wirtschaftsgesche-hens, andererseits aber auch erklärbare Sonderfaktorenwie Auswirkungen von Streiks, saisonunüblicher Witterungoder kurzfristige Reaktionen der Marktakteure auf wirt-schaftspolitische Maßnahmen (vgl. Deutsche Bundesbank1987, S. 31).

Da die einzelnen Bewegungskomponenten des realen BIPempirisch nicht beobachtbar sind, müssen sie durch spe-zielle statistische Verfahren (Saisonbereinigung, Trendbe-reinigung, Kalenderbereinigung) geschätzt werden. Aufgrundverschiedener Ansätze kann es in der Rechenpraxis zu unter-schiedlichen Ergebnissen insbesondere am aktuellen Randkommen, was insofern misslich ist, als die Treffsicherheiteiner Prognose naturgemäß davon abhängt, wie gut dieaktuelle konjunkturrelevante Bewegung der gesamtwirt-schaftlichen Produktion approximiert wird. Für die Messungder konjunkturellen Dynamik des realen BIP werden nor-malerweise Veränderungsraten verwendet (vgl. Kasten 2).Dabei können sinnvollerweise alle Reihenwerte auf den ent-sprechenden Wert des Vorjahres bezogen werden oder– sofern die Zeitreihe in saison- und kalenderbereinigter Formvorliegt – auch auf den Wert der jeweiligen Vorperiode.

Was wird prognostiziert?

In der Rechenpraxis der großen Prognoseinstitutionen wirddas reale Bruttoinlandsprodukt in aller Regel nicht aus ei-

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Kasten 1: Konjunkturzyklen

a) Klassische Konjunkturzyklen

Klassische Konjunkturzyklen (»classical business cycles«) sind Schwankungen in den absoluten Niveauwerten dersaison- und kalenderbereinigten gesamtwirtschaftlichen Produktion (vgl. Naggl 1999, S. 55). Dabei werden Phasenmit zunehmender Produktion (Aufschwung) von Phasen mit rückläufiger Wirtschaftsleistung (Abschwung) unter-schieden. Da die Produktion in nahezu allen Ländern im Trend zunimmt, dauern Aufschwungsphasen im Allgemeinenlänger als Abschwungsphasen (vgl. Abb. 1).

b) Wachstumszyklen

Wachstumszyklen (»growth cycles«) sind definiert als Schwankungen in den Abweichungen der saison- und kalender-bereinigten Produktion von ihrem Trend. Obere Wendepunkte in Wachstumszyklen finden sich dort, wo die Pro-duktion am weitesten über dem Trend liegt, untere Wendepunkte dort, wo die Produktion am weitesten unter demTrend liegt. Abschwungsphasen von Wachstumszyklen umfassen nicht nur Phasen mit sinkender Produktions-tätigkeit, sondern auch Phasen mit lediglich unterdurchschnittlich zunehmender Produktionstätigkeit, währendklassische Zyklen nur absolute Rückgänge der Produktion beinhalten. Wachstumszyklen gibt es deshalb in vielenIndustrieländern häufiger als klassische Zyklen, zudem sind Auf- und Abschwungsphasen von Wachstumszyklenetwa gleich lang.

Wendepunkte von Wachstumszyklen und Wendepunkte von klassischen Zyklen können zu unterschiedlichenZeitpunkten auftreten. Dies liegt daran, dass Wendepunkte in klassischen Zyklen dort zu finden sind, wo dieVeränderungsrate der saison- und kalenderbereinigten Produktion (gegenüber der Vorperiode) null beträgt, währendWendepunkte der trendbereinigten Produktion grosso modo dadurch gekennzeichnet sind, dass dort die Verän-derungsrate der saison- und kalenderbereinigten Produktion gleich der Trendwachstumsrate ist. Im idealtypischenFall einer Sinusschwingung um einen linear steigenden Trend liegen die oberen Wendepunkte von Wachstumszyklenvor den oberen Wendepunkten von klassischen Zyklen, während die unteren Wendepunkte von Wachstumszyklenden Wendepunkten von klassischen Zyklen nachlaufen (vgl. Abb. 1). Auch in der Realität zeigen sich die oberenWendepunkte von Wachstumszyklen normalerweise vor den oberen Wendepunkten von klassischen Zyklen, wäh-rend untere Wendepunkte keinen eindeutigen Zusammenhang erkennen lassen. Oftmals wird der Trendwert dergesamtwirtschaftlichen Produktion auch als nichtstrukturelle Schätzung des »potential output« interpretiert, dieAbweichung vom Trend als »output gap«.

Alternativ können Wachstumszyklen auch als Zyklen von Veränderungsraten (gegenüber der Vorperiode oder aberdem vergleichbaren Vorjahreszeitraum) aufgefasst werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Wendepunktevon Wachstumsratenzyklen einen deutlichen Vorlauf vor den Wendepunkten der trendbereinigten Produktion haben.

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Forschungsergebnisse

nem eindimensionalen Schätzansatz gewonnen. In Deutsch-land wird z.B. das reale BIP gemäß den ökonomischenHaupttätigkeiten, die im Europäischen Sys-tem Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnun-gen (ESVG 1995) ausgewiesen werden, dis-aggregiert geschätzt nach

– der Entstehung in den großen Wirt-schaftsbereichen (Land- und Forstwirt-schaft, Fischerei, Produzierendes Ge-werbe ohne Baugewerbe, Baugewerbe,Handel, Gastgewerbe und Verkehr, Fi-nanzierung, Vermietung und Unterneh-mensdienstleister sowie öffentliche undprivate Dienstleister)5,

– nach der Verwendung für den (privatenund öffentlichen) Konsum bzw. für Inves-titionen (Ausrüstungen, Bauten und Vor-ratsveränderungen einschließlich Netto-zugang an Wertsachen) unter Berück-sichtigung der Außenhandelsbeziehun-gen (Exporte abzüglich Importe von Wa-ren und Dienstleistungen).

Normalerweise liefern die beiden Ansätzeunterschiedliche Ergebnisse für das realeBruttoinlandsprodukt. In Deutschland ist dieEntstehungsseite des BIP am »aktuellenRand«6 wirtschaftsstatistisch besser fundiert.Auf eine finale Abschätzung des BIP über dieVerwendungsseite wird deshalb bei Kurz-

fristprognosen üblicherweise verzichtet. Ansonsten erfolgtder notwendige Abgleich beider BIP-Seiten in aller Regel da-

9

Kasten 2: Veränderungsraten

Die Veränderung der Werte einer Zeitreihe ty lässt sich auf unter-schiedliche Art darstellen (Nierhaus 1999). Soll die aktuelle Ver-änderung gegenüber der Vorperiode im Mittelpunkt stehen, dannwird die laufende bzw. konjunkturelle Rate herangezogen. DiesesVerfahren wendet man sinnvollerweise nur für Zeitreihen in saison-und kalenderbereinigter Form an. Die laufende diskrete Verände-rungsrate ty∆ (in Prozent) ist gegeben durch den Ausdruck:

(2.1) 1001001

×=∆

−t

tt y

yy

Oftmals werden saison- und kalenderbereinigte Zeitreihen in loga-rithmischer Form aufbereitet. Dann kann die laufende stetige Ver-änderungsrate ty∆ (in Prozent) durch die erste Differenz der (na-türlichen) Logarithmen dargestellt werden3:

(2.2) )ln(ln100 1−−×=∆ ttt yyy

Soll die Veränderung der Zeitreihe gegenüber dem Vorjahr be-trachtet werden (oder liegen die Daten nicht in saison- undkalenderbereinigter Form vor4, so wird die Veränderungsrate auf denvergleichbaren Vorjahreszeitraum bezogen:

(2.3) 100100 −

×=∆

−mt

tt y

yy

oder

(2.4) )ln(ln100 mttt yyy −−×=∆

wobei m die Gesamtzahl der Perioden pro Jahr darstellt.

Oftmals sollen Vergleiche direkt auf Jahresbasis angestellt werden.Die Umrechnung in laufende Jahresraten ermöglicht einen direktenVergleich von unterjährigen Veränderungsraten. Die Formeln für die

laufende Jahresrate anty∆ einer saison- und kalenderbereinigten

Zeitreihe ty lauten:

(2.5) 100100 −

×=∆

nm

nt

tant y

yy

oder

(2.6) ( )nttant yy

n

my −−××=∆ lnln100

wobei n )1( n≤ die Zahl der betrachteten Teilperioden darstellt. ImFall nm = spricht man auch von Jahresverlaufsrate. Schließlich lässtsich auch die durchschnittliche Veränderung (pro Periode) über einenbestimmten Zeitraum (z.B. n Perioden) berechnen. Die Formeln für

die durchschnittliche Veränderungsrate avty∆ lauten:

(2.7) 100100

1

×=∆

n

nt

tavt y

yy

oder

(2.8) ( )nttavt yy

ny −−×=∆ lnln

100

3 Der Vorteil von stetigen Veränderungsraten liegt zumeinen darin, dass der Rechengang insbesondere beiVerknüpfungen von Variablen einfacher ist, zum ande-ren sind stetige Veränderungsraten symmetrisch. Steigtder Wert einer Zeitreihe beispielsweise in der ersten Pe-riode von 100 auf 110 und sinkt in der nächsten Peri-ode wieder auf 100, so ergibt die diskrete Verände-rungsrate einen Anstieg um 10,00% in der ersten undeinen Rückgang um (nur noch) 9,09% in der zweitenPeriode, während die stetigen Veränderungsraten inden beiden Zeiträumen mit ± 9,53% vom Betrag hergleich groß sind.

4 Der Vorjahresvergleich kann als rudimentäre Saison-bereinigungsmethode aufgefasst werden. Bei Verän-derungsraten gegenüber dem Vorjahr fallen saisonaleEinflüsse quasi »automatisch« heraus, sofern sie vonJahr zu Jahr annähernd konstant bleiben. Bei Vorjah-resvergleichen von Quartals- und Monatswerten ausZeitreihen mit starkem Kalendereinfluss sollte noch ei-ne ergänzende Kalenderbereinigung der Ursprungs-werte vorgenommen werden.

5 In einer hierzu parallel durchgeführten zweiten Entste-hungsrechnung wird das reale BIP aus einer Schätzungder Arbeitsproduktivität (pro Stunde) und des geleis-teten Arbeitsvolumens (Produkt aus der Zahl der jähr-lich zur Verfügung stehenden Arbeitstage, der Zahlder je Arbeitstag geleisteten Arbeitsstunden und derErwerbstätigenzahl) abgeleitet.

6 Zeitraum, der kalendarisch ganz oder zumindest teil-weise bereits abgelaufen ist, für den aber noch keinoder nur unvollständiges Datenmaterial vorliegt.

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durch, dass Komponenten der Entstehungs- bzw. Verwen-dungsseite, die statistisch nicht sonderlich gut abgesichertsind oder bei denen sich kleinere Bewegungen der absolu-ten Werte aufgrund ihres Volumens nur minimal in der Ver-änderungsrate niederschlagen, entsprechend korrigiert wer-den, wobei die so gewonnenen Schätzungen hinsichtlich ih-rer ökonomischen Konsistenz selbstverständlich überprüftwerden müssen. Jede Prognose des realen Bruttoinlands-produkts und seiner Entstehungs- und Verwendungskom-ponenten wird normalerweise ergänzt durch eine Schätzung

– der Preisindizes der Verwendungskomponenten des BIP,woraus sich die nominale Verwendungsseite ergibt so-wie – unter Hinzunahme ergänzender Berechnungen –die Verteilung des BIP (im Inland entstandene Arbeits-einkommen, Betriebsüberschüsse, Selbständigen- undVermögenseinkommen unter Hinzurechnung der Ab-schreibungen sowie der Produktions- und Importabga-ben abzüglich der Subventionen),

– der wichtigsten Arbeitsmarktdaten (Erwerbstätige, Selb-ständige, beschäftigte Arbeitnehmer, Arbeitslose, Er-werbspersonenpotential und Stille Reserve),

– der staatlichen Einnahmen (Steuern, Sozialbeiträge, Ver-mögenseinkommen, Verkäufe usw.), der Ausgaben (Vor-leistungen, Arbeitnehmerentgelte, monetäre Sozialleis-tungen, Bruttoinvestitionen usw.) und des Finanzie-rungssaldos.

Wie wird prognostiziert?

Für die Konjunkturprognose stehen heute mehrere Verfah-ren zur Verfügung, die auf unterschiedlichen statistischenund theoretischen Voraussetzungen beruhen: Der Indika-toransatz, die iterativ-analytische Methode und die ökono-metrische Prognose. Es handelt sich hierbei nicht um ein-ander ausschließende Ansätze, sondern um Methoden, diein der Rechenpraxis miteinander kombiniert werden können,so dass ihre jeweiligen Vorteile gemeinsam nutzbar sind.

Der Indikatoransatz wird primär für Kurzfristprognosen miteinem Zeithorizont von bis zu maximal neun Monaten her-angezogen. Das Konzept nützt den systematischen Gleich-bzw. Vorlauf von monatlichen Indikatoren aus Konjunktur-umfragen (wie dem ifo Konjunkturtest) bzw. aus der amt-lichen Statistik gegenüber zu prognostizierenden Referenz-reihen aus. Indikatoransätze werden auch für die Schätzungvon Werten aus zurückliegenden Perioden verwendet, so-fern es für diese noch keine amtlichen Angaben gibt.

Das iterativ-analytische Verfahren (VGR-Methode) wird fürden klassischen Prognosezeitraum von ein bis zwei Jahrenbenützt. Die Methode stützt sich in besonderem Maße aufdie Prognosen einzelner Experten. Die Konsistenz der Ein-zelschätzungen wird iterativ, d.h. in einem mehrstufigen, sich

wiederholenden Rechenprozess im System der Volkswirt-schaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) sichergestellt. Da-bei stehen gleichberechtigt formale wirtschaftsstatistischeVerfahren neben nichtformalisierten Ansätzen, die auf derpersönlichen Kenntnis über das Wirtschaftsgeschehen be-ruhen (intuitive Prognoseverfahren). Der besondere Vorteilder Methode besteht darin, dass alle verfügbaren qualitati-ven wie quantitativen Informationen in die Prognose einge-baut werden können. Das iterativ-analytische Verfahren istdaher sehr flexibel bei der Berücksichtigung von wirt-schaftlichen Ereignissen, die in dieser Form oder in dieserStärke in der Vergangenheit noch nicht eingetreten waren(exogene Schocks).

Die ökonometrische Prognose baut auf der Regressions-analyse von Zeitreihen aus der Wirtschaftsstatistik auf. Mitgroßen Strukturmodellen wird bevorzugt die mittelfristigeWirtschaftsentwicklung abgeschätzt. Außerdem lässt sichder Einfluss unterschiedlicher – im Modell exogen gesetz-ter – Parameter (z.B. Steuer- und Zinssätze) auf die endo-genen Modellvariablen (Bruttoinlandsprodukt, Preise usw.)abschätzen. Neben Strukturmodellen werden auch zeitrei-henanalytische Verfahren eingesetzt, die Prognosewerte oh-ne größere Rückgriffe auf explizite ökonomische Zu-sammenhänge hauptsächlich aus der Entwicklung der ei-genen Vergangenheit erklären. Autoregressive Schätzme-thoden lassen sich in Konkurrenz zu Indikatoransätzen gutfür Kurzfristprognosen nutzen.7

Die ökonometrische Prognose

Die ökonometrische Prognose baut auf der Regressions-analyse auf. In der heutigen Praxis kommt dem Einsatz vonökonometrischen Strukturmodellen und autoregressivenSchätzansätzen besondere Bedeutung zu. Bei allen ökono-metrischen Verfahren wird zunächst der durchschnittliche Zu-sammenhang zwischen den zu prognostizierenden Variablenund ihren Erklärungsvariablen (Regressoren) für die Vergan-genheit geschätzt. Die eigentliche Prognose erfolgt mit Hilfeder ermittelten Regressionsbeziehung, sofern genügend Wer-te für die erklärenden Variablen im Prognosezeitraum zur Ver-fügung stehen. In autoregressiven Schätzansätzen werdenalle Variable allein mit Hilfe ihrer vergangenen Werte pro-gnostiziert, während Strukturmodelle immer auch Variableenthalten, die nicht durch das Modell erklärt werden und des-halb zusätzlich geschätzt werden müssen (exogene Variable).

Strukturmodelle fassen die wichtigsten Beziehungen zwi-schen den modellbestimmten (= endogenen) Variablen und

10

7 Daneben gibt es freilich noch eine Anzahl anderer statistischer Prognose-verfahren (neuronale Netze, chaostheoretische Ansätze usw.), die sich al-lerdings zum Teil noch im Entwicklungsstadium befinden und deshalb nochnicht in nennenswertem Umfang in die praktische Prognosearbeit Ein-gang gefunden haben.

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den exogenen Variablen in einem System von Verhaltens-und Definitionsgleichungen zusammen.

– Verhaltensgleichungen bilden die theoretisch angenom-menen Reaktionsmuster der Wirtschaftssubjekte ab, dienach den Sektoren der VGR zusammengefasst werden(private Haushalte, Unternehmen, staatlicher Sektor, Aus-land). Dabei wird davon ausgegangen, dass alle Glei-chungen, die ökonomisches Verhalten widerspiegeln,durch Zufallseinflüsse gestört werden können.8

– Definitionsgleichungen sichern die Konsistenz des öko-nometrischen Modells. Sie bilden die wichtigsten Kontender volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung in Gleichungs-form ab (Ex-post-Identitäten), vielfach können sie auchals Ex-ante-Markträumungsbedingungen (Gleichge-wichtsbedingungen) interpretiert werden. Da Definitions-gleichungen immer erfüllt sind, enthalten sie keine Zu-fallseinflüsse (vgl. Kasten 3).

In gesamtwirtschaftlichen Strukturmodellen zählen zu denmodellbestimmten Variablen, die durch Verhaltensgleichun-gen erklärt werden, die Verwendungskomponenten privaterbzw. öffentlicher Konsum (C), Bruttoinvestitionen (I), Expor-te (X) und Importe (M). Zu den exogenen Variablen gehörenin der Regel das Welthandelsvolumen, die Wechselkurse, dieZinsen, die öffentlichen Abgabensätze und der nicht von derKonjunktur beeinflusste Teil der Staatsausgaben. Zu den De-finitionsgleichungen gehört üblicherweise die bekannte ma-

11

Ka st en 3: Ök on om e t ri sc hes St ru k t u rm o d e l l

Ei n an s ch a u l ich es Be is p iel lief er t das fol ge n de St r u ktu r m o de ll, da s au s ei n er dy n am is c h e n Kon s u m fu n ktion ( Gl ei - ch u n g 3 .1) u n d ein er Ei n ko m m e n s ide n ti tä t ( Gle ich u n g 3 .2) b es t eh t :

( 3 .1 ) tttt uCYC 11 +λ+β= −

( 3 .2 ) ttt ZCY +=

Gl ei ch u n ge n (3. 1) un d ( 3.2 ) hei ß en St r u ktu r gl ei ch u n ge n . Da bei be ze ich n e tY : Ei n ko m m e n in Per i od e t , ( )Tt ,,2,1 K= , tC :

Ko n s u m , tZ : Su m m e au s In v es t it ion en un d Au ß e n b eit r ag , β , λ : Re gr es s ion s p ar a m eter ( m i t β : m a r gi n al e Ko n s u m -

n e ig u n g ) , tu1 : Zu fal ls v ar iab le mi t Er wa r t u n g s wer t 0)( 1 =tuE u n d Va r ia n z 0)( 221 >σ=tuE . Fer n er se i tZ u n kor r el ier t m it

tu1 , d. h . 0),( 1 =tt uZCov . Di e V ar i ab le tZ i s t ex og en , tY u n d tC wer d en en do gen vi a tZ , 1−tC u n d tu1 b es t im m t:

( 3 .3 ) tttt uZCC 11 1

1

11 β−+

β−β+

β−λ= −

( 3 .4 ) 1

1

1

1

1 11 tttt uZCYβ−

+β−

+β−

λ= −

Gl ei ch u n ge n (3. 3) un d ( 3.4 ) bil den die r e du zie r te F or m des Mo del ls . Die Au s dr ü ck e )1( β−

β u n d

)1(

1

β− s in d die au s der

ko m p ar a tiv - s tat is c h e n An al ys e b eka n n te n ku r z fr i s ti ge n M u lt ip lik ato r e n :

β−β=

∆∆

1t

t

Z

C , β−

=∆∆

1

1

t

t

Z

Y

Si e geb en di e Ver ä n d er u n g der en do gen en Va r ia ble n tC u n d tY bei ei n er Än der u n g der ex og en e n Var iable n tZ an .

Da r ü ber hi n au s las s en si ch dy n a m is ch e M u lt ipl ik ato r en ab le ite n , di e di e Ver ä n d er u n g en von tC u n d tY bei ei n er Än de -

r u n g vo n stZ − ( )01 ≥≥− st zei gen . Zu n äch s t fo lgt au s den Gl ei ch u n ge n (3. 3) un d ( 3.4 ) du r ch wi eder h ol tes Ei n s etz en di eF i n a lfo r m d es M o del ls :

( 3 .5 ) ∑∑−

=−

=−

β−

β−

λ+

β−

β

β−

λ+

β−

λ=1

01

1

00 1

1

1111

t

sst

st

sst

st

t uZCC

( 3 .6 ) ∑∑−

=−

=−

β−

β−

λ+

β−

β−

λ+

β−

λ=1

01

1

00 1

1

11

1

11

t

sst

st

sst

st

t uZCY

8 Entsprechend komplexe Strukturmodelle enthalten zusätzlich auch nochtechnische Gleichungen und institutionelle Gleichungen. Technische Glei-chungen sind z.B. makroökonomische Produktionsfunktionen, die den Zu-sammenhang zwischen dem Einsatz von Produktivleistungen und der Aus-bringung im Rahmen von Produktionsprozessen auf gesamtwirtschaftli-cher Ebene zeigen. Typische Beispiele für institutionelle Gleichungen sindSteueraufkommensfunktionen, die die Beziehung zwischen dem Steuer-aufkommen und der jeweiligen Bemessungsgrundlage darstellen. Auchtechnische und institutionelle Gleichungen sind in der Regel zufallsbehaftet.

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kroökonomische Relation: BIP = C + I + X – M. Diese Glei-chung kann zum einen als Ex-post-Identität im Sinne des Gü-terkontos der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung aufge-fasst werden, zum anderen als Ex-ante-Markträumungsbe-dingung. In letzterer Interpretation besagt die Gleichung, dassdie geplante Güternachfrage C + I + X – M dem geplantenGüterangebot (in Höhe des BIP) entspricht, so dass der Gü-termarkt geräumt und damit im Gleichgewicht ist.

Der Vorteil von Strukturmodellen besteht vor allem darin,dass die zugrunde gelegten ökonomischen Theorien in denVerhaltensgleichungen (Konsumfunktion, Investitionsfunk-tion usw.) explizit niedergeschrieben sind. Damit lassen sichdiese ökonomischen Thesen durch das Modell auf ihre em-pirische Relevanz hin rigoros testen. Dynamische Struktur-modelle9 erlauben es zudem, die Interaktion von endoge-nen Variablen ex-post, d.h. im Stützzeitraum der Regres-sion, systematisch zu simulieren (dynamische Simulation)und ex-ante für Prognosen zu verwenden. Auch lassen sichAlternativprognosen für unterschiedliche exogene Größen(wie Wechselkurse oder Welthandelsvolumen) durchfüh-

ren. Insbesondere kann der Einfluss unterschiedlicher Staats-ausgaben bzw. Steuer- und Zinssätze auf die Wirtschafts-entwicklung quantifiziert werden. Derartige Alternativrech-nungen lassen sich mit anderen Prognoseverfahren entwe-der gar nicht oder nur mit großem Zeitaufwand bewältigen.Schließlich können auch Konjunkturindikatoren in Struktur-modelle einbezogen werden.

Der Nachteil von Prognosen mit ökonometrischen Struk-turmodellen liegt darin, dass alle exogenen Variablen fürden Prognosezeitraum modellextern bestimmt werdenmüssen. Dies kann zum einen durch einfache Setzung ge-schehen, zum anderen durch zusätzliche Schätzungenmit Hilfe eines neuen Modells. Im letzteren Fall bestehtallerdings die Gefahr des infiniten Regresses, da auch dasneue Modell in der Regel exogene Größen enthält usw.Ein weiteres Problem besteht darin, dass die geschätztenVerhaltensgleichungen eines ökonometrischen Modellsinfolge von Strukturbrüchen im Prognosezeitraum – ins-besondere durch Verhaltensänderungen von Investorenund Verbrauchern in Reaktion auf wirtschaftspolitischeMaßnahmen – ihre ökonomische Relevanz verlieren kön-nen, was die Aussagekraft bei Alternativprognosen na-

12

au s der si ch un m it tel bar d ie ges u c h te n d yn am i s ch en M u lti pl ika tor e n er r ec h n e n :

β−

β

β−

λ=∆∆

− 11

s

st

t

Z

C,

β−

β−

λ=∆∆

− 1

1

1

s

st

t

Z

Y

Dy n a m is ch e M u lt ipl ik ator e n ch a r ak ter i s i er e n das dy n a m is ch e Ver h al ten de s Mod ell s bez ü gl ic h Än der u n g en der ex og en e n Va r i abl en ; i n d ies em Be is p ie l d ie Su m m e au s In v es t it ion en un d Au ß e n b eit r ag ( )tZ .

Um au fz u ze ig en , wi e en do gen e Var iab le üb er di e Zeit h in w eg au f ein e n s t oc h as tis ch en Sch oc k r eag ier e n , der di r ek t au f di es e Var i ab le oder in dir ekt ü ber an d er e en do gen e Var iab le au s ge ü bt wir d , wer d en so g. im pu ls e r e s p on s e F u n kti on e n ver w en det . Im vor l ie gen den Beis pie l kan n ein Sc h oc k bzw . ein Im pu ls led igl ich von der Zu fal ls v ar iab len tu1 au s g eh e n .

Di es er Sch oc k beei n f lu s s t un m it tel ba r den Ko n s u m tC ( we s we gen es als s t oc h as tis ch er Kon s u m s c h oc k bet r ac h t et wir d)

u n d – ü ber die Ein ko m m e n s i de n ti tät ( 3.2 ) – in di r ek t au c h das Vo lks ei n ko m m e n tY . N at u r g em ä ß kom m t es zu we it er e n Re ak tio n en in den be ide n en do gen en Va r ia ble n , da si ch di e An f an g s effe kt e des Im pu l s es im M ode ll na ch un d n ach weit er

for t pf lan zen . Die im pu ls e r e s p on s e F u n kti on e n – die si ch in di es e m Bei s pi el au f die t Au s dr ü ck e

β−

β−

λ1

1

1

s

mit

1,,0 −= ts K reduzieren – verfolgen die Ausbreitung dieses Schocks im Modell.

F ü r die Pr og n os e is t ei n e ak tu e lle n u m er i s c h e Spe zi fik ati on de s M od ell s Vor a u s s et zu n g. Hi er z u sin d die Pa r am et er der Ver h al ten s gl ei ch u n ge n (im Be is pie l: β u n d λ ) fü r den Be oba ch t u n gs z eit r a u m au s den Ze it r ei h en wer t en der en do gen en u n d ex og en e n Var iab len ( h ier : tC , tY u n d tZ ) zu sc h ät ze n . Das bei Ein ze lgl eic h u n ge n ü bl ich e Ver f ah r en , die Pa r am et er

s o zu wäh l en , das s die Su m m e der Re s i du e n qu adr a te , im Be is p ie l: ( )∑∑=

−=

λ−β−=T

tttt

T

tt CYCu

1

21

1

21 m in im i er t wir d

( M et h od e der kl ein s te n Qu a dr a te ) , fü h r t be i Str u kt u r m od ell en we gen der Kor r el ati on vo n er k lä r en d en Va r ia bl en mit den Zu fa lls gr ö ß e n in der Re gel zu in ko n s i s t en t en Sc h ät zu n ge n ( s o is t im Bei s pi el da s Ein k om m en tY abh än g ig vo n tu1 ; vg l.Gl ei ch u n g 3. 4) . Es gibt al le r di n g s ein e Viel zah l ök on om e tr i s c h er Ver f ah r en , die ko n s i s t en t e u n d u n ver z er r te Sch ätz wer t eder Pa r am eter gewä h r lei s te n .

Fortsetzung Kasten 3:

9 Dynamische Strukturmodelle enthalten – neben exogenen Variablen – auchzeitverzögerte endogene Variable als Regressoren.

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turgemäß einschränkt (Lucas-Kritik).10 Schließlich sindStrukturmodelle am aktuellen Rand bezüglich neuer In-formationen im Vergleich zu anderen Prognosemetho-den relativ unflexibel.11

Seit Beginn der achtziger Jahre hat sich eine zweite Klas-se von ökonometrischen Prognosemodellen, die sog.vektorautoregressiven Schätzansätze (VAR-Modelle) aufdem Prognosemarkt etabliert.12 Bei diesen Modellen, dieauf zeitreihenanalytischen Verfahren basieren, ist die arbi-träre Unterscheidung zwischen endogenen und exogenenVariablen, die für die Klasse ökonometrischer Struktur-modelle wesentlich ist, aufgehoben. VARs können als ei-ne Verallgemeinerung von autoregressiven Ansätzen (AR-Modelle) aufgefasst werden. In AR-Modellen wird jede Va-riable aus eigenen verzögerten Werten und einer Zufalls-größe dargestellt. Bei VAR-Modellen wird dieses Grund-prinzip auf einen Vektor von Variablen (Systemvariable)übertragen, d.h. jede Systemvariable wird durch eigeneverzögerte Werte und durch die verzögerten Werte allerübrigen Systemvariablen (plus Zufallsschocks) erklärt (vgl.Kasten 4).

Aufgrund der Beschränktheit der Datenmenge ist die An-zahl der Variablen in einem VAR-Modell ziemlich begrenzt.Dadurch ist es schwierig, z.B. spezielle Merkmale des Steu-ersystems abzubilden. Aus diesem Grund werden VAR-Mo-delle im Gegensatz zu Strukturmodellen, in denen die Zahlder Variablen im Prinzip unbegrenzt ist, relativ selten für spe-zifische Politiksimulationen herangezogen (wie Änderun-gen in den jeweiligen Grenzsteuersätzen). Ein Vorteil vonVAR-Modellen besteht darin, dass sie wegen des Fehlensvon exogenen Variablen keine Informationen aus dem Pro-gnosezeitraum benötigen, so dass »unbedingte« Progno-sen13 über beliebig weite Zeiträume möglich sind. Nachtei-lig ist allerdings, dass die prognostizierte Entwicklung allerVariablen – unabhängig von wirtschaftstheoretischen Über-legungen – allein aus der Dynamik der Zeitreihen folgt. Hin-zu kommt die letztlich willkürliche Auswahl von Variablen und

Verzögerungen; auch bleibt die Problematik von Struktur-brüchen im Prognosezeitraum bestehen.

Exkurs: Stationäre Zeitreihen und Kointegration

Seit den achtziger Jahre ist es in der Ökonometrie immer deut-licher geworden, dass es bei der Modellierung von Zeitreihendarauf ankommt, ob der stochastische Prozess, der die Zeit-reihenwerte generiert, invariant bezüglich der Zeit ist. Ändernsich nämlich die stochastischen Eigenschaften eines Pro-zesses über die Zeit hinweg, d.h. ist der Prozess nichtstatio-när, dann ist es oftmals schwierig, die Zeitreihe über vergan-gene bzw. zukünftige Zeitintervalle hinweg durch einfache li-neare Modelle abzubilden. Ist der stochastische Prozess hin-gegen zeitinvariant, d.h. stationär, dann lässt sich der Prozessdurch eine Gleichung mit festen Koeffizienten darstellen, dieman mit Standardmethoden schätzen kann (vgl. Stock 1987).

Vielen makroökonomischen Zeitreihen liegen allerdingsnichtstationäre Prozesse zugrunde. So ist das reale Brutto-inlandsprodukt in vielen Industrieländern fast durchwegs ste-tig gestiegen. Allein aus diesem Grund dürften sich die sto-chastischen Eigenschaften, die der Zeitreihe des BIP zu-grunde liegen, heute ziemlich grundlegend von denen vor50 Jahren unterscheiden.

Regressiert man nichtstationäre Variable aufeinander, dannbesteht die Gefahr der sog. Scheinkorrelation. Konventio-nelle Signifikanztests können in diesem Fall eine Abhängig-keit zwischen Variablen indizieren, die in Wirklichkeit gar nichtbesteht. Da viele makroökonomische Zeitreihen nichtsta-tionär sind, ist es häufig erforderlich, durch geeignete Trans-formationen daraus neue stationäre Zeitreihen zu bilden, dieman mit Standardmethoden regressieren kann. So ist dieZeitreihe des Logarithmus des realen Bruttoinlandsproduktsnormalerweise nicht zeitinvariant, hingegen ist die Verän-derungsrate des BIP (erste Differenz der Logarithmen; vgl.Kasten 2) stationär. Sie oszilliert um einen (festen) Mittelwert,und ihre Varianz ist grosso modo keine Funktion der Zeit,also konstant.

Durch die Differenzenbildung gehen aber Informationen überdie Langfristbeziehungen zwischen Variablen verloren. Nunist es aber durchaus möglich, dass zwei Variable nichtstatio-nären Prozessen folgen, es aber trotzdem eine Linearkom-bination gibt, die stationär ist. Ist dies der Fall, so sind diebeiden Variablen kointegriert. Beispielsweise sind sowohlder Konsum als auch das Einkommen nichtstationäre Varia-ble, gleichwohl kann man erwarten, dass sie sich langfristigähnlich bewegen, so dass eine Linearkombination der bei-den Größen stationär sein sollte (vgl. Engle und Granger 1987).

Ein Hauptmerkmal kointegrierter Variablen ist, dass ihre Zeit-pfade vom Ausmaß der jeweiligen kontemporären Abwei-

13

10 Nach der Lucas-Kritik können sich die Regressionsparameter ökonome-trischer Modelle unter dem Einfluss der Wirtschaftspolitik dann ändern,wenn die Marktakteure veränderte Politikregeln erkennen und in ihr öko-nomisches Verhalten einbeziehen. Sofern ein Strukturmodell derartige Er-wartungsanpassungen nicht adäquat (d.h. über hinreichend mikroöko-nomisch fundierte Optimierungskalküle) berücksichtigt, eignen sich Mo-delle, deren Parameter auf der Basis zurückliegender Daten geschätztwurden, bestenfalls näherungsweise für die Evaluierung zukünftiger wirt-schaftspolitischer Maßnahmen (vgl. Lucas 1976).

11 Diese Starrheiten lassen sich allerdings durch ein »Nachsteuern von Hand«,auch »fine-tuning« genannt, reduzieren. Technisch geschieht das, indemfür diejenigen Störvariablen der Verhaltensgleichungen, deren Ergebnis-se im Prognosezeitraum oder bereits am aktuellen Rand aufgrund neuerInformationen korrekturbedürftig erscheinen, statt Null ein Wert eingesetztwird, der das Prognoseergebnis in die gewünschte Richtung ändert (jud-gemental adjustment).

12 Das vektorautoregressive Schätzverfahren geht auf Sims zurück (vgl. Sims1980).

13 Hängt die Richtigkeit einer Prognose dagegen vom Zutreffen bestimmterAnnahmen über exogene Variable ab, so spricht man von einer »beding-ten« Prognose.

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chungen vom langfristigen Gleichgewicht beeinflusst wer-den. Kehrt ein System (automatisch) zum langfristigen Gleich-gewicht zurück, so sollten die Bewegungen zumindest ei-niger Variabler von der Größe des kurzfristigen Ungleichge-wichts abhängig sein. So impliziert die Keynesianische Kon-sumtheorie eine gleichgerichtete Langfristbeziehung zwi-schen Konsum und Einkommen. Ist in der Vorperiode derfaktische Konsum größer als der Gleichgewichtskonsum,der aus der Langfristbeziehung folgt, so sollte in der lau-fenden Periode das Einkommen rascher als der Konsum

steigen, um die Lücke zumindest zu verkleinern. Dies kanndadurch geschehen, dass (1) das Einkommen zunimmtund/oder die Konsumausgaben sinken, (2) dass der Kon-sum steigt und das Einkommen noch stärker zunimmt oder(3) dass der Konsum und das Einkommen sinken, letzteresaber weniger stark. Ohne eine komplette dynamische Spe-zifikation des Modells lässt sich nicht bestimmen, welcherder drei Fälle eintreten wird. Nichtsdestotrotz sollte aber diekurzfristige Dynamik des Modells von der Abweichung zurLangfristbeziehung beeinflusst werden.

14

Ka st en 4: V e k t ora ut ore gr ess i ve s M od el l (VAR )

Ei n Bei s pi el fü r ein ve kt or a u t or e gr es s ive s M od ell is t das fo lg en d e VAR , das ei n e n Vekt or ( )tt YC , ( )Tt ,,1 K= , be s te h en d

au s Kon s u m tC u n d Ei n ko m m en tY , al lei n d u r ch eig en e v er z ög er t e Wer t e ( )11, −− tt YC s ow ie Zu f al ls s ch o ck s er k lä r t:

( 4 .1 ) tttt vYCC 1112111 +α+α= −−

( 4 .2 ) tttt vYCY 2122121 +α+α= −−od er in Ve kt or f or m

+

αααα

=

t

t

t

t

t

t

v

v

Y

C

Y

C

2

1

1

1

2221

1211

tv1 u n d tv2 s in d Zu fa ll s va r ia bl e m it Er war tu n gs wer t 0)()( 21 == tt vEvE u n d Var ian z 21

21 )( σ=tvE , 2

222 )( σ=tvE . Fer n er ge lte

0),(),( 11 == −− tittit YvCovCvCov fü r 2,1=i u n d 0),(),( 2211 == −− rttrtt vvCovvvCov ( )0≠r . Di e Re gr es s ion s p ar a m et er ijα( )2,1, =ji kön n en mi t der Me th o de der kl ein s te n Qu a dr a te ko n s i s t en t ges c h ä tzt wer d en . Au s pr og n os tis ch er Sic h tbe s t eh t der be s o n der e Vor t ei l von VAR - M ode lle n dar in , da s s si e weg en des F eh l en s von ex og en e n Var iab len kein ezu s ä tzl ich en In for m at ion en au s dem Pr og n os eze it r au m ben öti gen , so das s Pr o gn o s e n ü ber be lie big weit e Zei tr ä u m e oh n e m o de lle x ter n e I n f or m at ion en ge m ac h t wer d en k ön n en .

In vielen Fällen ist es möglich, Strukturmodelle in VAR-Modelle zu überführen. Als Beispiel kann das Strukturmodellvon Kasten 3 dienen, sofern der Zeitpfad der Variablen tZ ( I n v es t iti on en + Au ß en b eitr ag ) ein e m au tor e gr es s iv en

Pr oz es s er s ter Or dn u n g AR ( 1) fo lg t, d.h . es gel te ttt uZZ 21 +ρ= − ; ( 0>ρ ; tu2 : Zu fal ls v ar iab le) . Au s der Su bs t itu ti on von

tt uZ 21 +ρ − i n die Gl ei ch u n ge n (3. 3) un d ( 3.4 ) der r e du zie r te n For m f ol gt näm li ch :

(4.3) ( )ttttt uuZCC 2111 1

1

11β+

β−+

β−βρ+

β−λ= −−

( 4 .4 ) ( )ttttt uuZCY 2111 1

1

11+

β−+

β−ρ+

β−λ= −−

wor a u s s i ch un ter Ber ü ck s ic h ti gu n g von 111 −−− −= ttt CYZ :

( 4 .5 ) ( )ttttt uuYCC 2111 1

1

11β+

β−+

β−

βρ+

β−βρ−λ= −−

( 4 .6 ) ( )ttttt uuYCY 2111 1

1

11+

β−+

β−

ρ+

β−ρ−λ= −−

er g ib t, was ein VAR - M ode ll m it de n Par am e ter n β−βρ−λ=α

111,

β−βρ=α

112,

β−ρ−λ=α

121,

β−ρ=α

122,

β−β+

=1

211

ttt

uuv

u n d β−

+=

121

2tt

tuu

v i s t .

Offe n s ich tli ch im pli zi er t das Str u k tu r m od el l Re s t r ik tio n e n fü r die VAR - D ar s tel lu n g: Di e vier VAR - K oeffi zi en t en ijα ( )2,1, =ji

s i n d je tzt F u n k tio n e n der Pa r am eter λ , β der dy n am is c h e n Kon s u m fu n kti on so wie des Pa r a m et er s ρ des AR ( 1) Pr oz es s es . Au ß er d em si n d di e VAR - Z u fa lls s c h oc ks tv1 u n d tv2 L i n e ar k om b in ati on e n der Zu fal ls v ar iab len tu1 u n d tu2 .Di es e Res t r i kti on e n ble ibe n bei der nor m al en VAR - An al ys e offe n b ar un b er ü ck s ic h ti gt . Dam i t is t da s VAR - M ode ll( G le ich u n g en 4. 1 u n d 4. 2) au ch fü r an der e m ögl ich e s t r u ktu r el le Be zie h u n ge n zwi s ch en de n Var i ab len C , Y u n d Zgü lt ig, wa s ein zu s ä tzl ich er Vor t ei l v on VAR - M ode lle n i s t ( Ku gl er 1 99 6) .

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56. Jahrgang – i fo Schne l ld ienst 4/2003

Forschungsergebnisse

Der Indikatoransatz

Das Konzept nutzt den systematischen Gleichlauf bzw. Vor-lauf von Konjunkturindikatoren gegenüber den zu prognos-tizierenden Referenzvariablen aus, die dann – nach Ablaufder Prognoseperiode – von den statistischen Ämtern aus-gewiesen werden. Die meisten Indikatoren stammen vonmonatlichen, viertel- oder halbjährlichen Befragungsergeb-nissen, hinzu kommen schnell verfügbare Informationen ausder amtlichen Monatsstatistik. Nach der Art des statistischenMessverfahrens lassen sie sich in quantitative und qualita-tive Indikatoren einteilen.

Quantitative Konjunkturindikatoren resultieren aus stetig ge-messenen Daten. In aller Regel handelt es sich um monat-lich veröffentlichte Volumen-, Umsatz- oder Preisindizesder amtlichen Statistik (z.B. Index des Auftragseingangs, In-dex der Einzelhandelsumsätze, Preisindex für die Lebens-haltung aller privaten Haushalte usw.). Die hohe Messge-nauigkeit dieser Indikatoren kann sich in der Prognosepra-xis aber auch als Nachteil erweisen: Es dauert geraume Zeit,bis die Indizes von den statistischen Ämtern erhoben, auf-bereitet und veröffentlicht werden, so dass sie zum Pro-gnosezeitpunkt oftmals noch nicht im gewünschten Umfangbzw. in der benötigten Aktualität zur Verfügung stehen. Hin-zu kommt, dass sie aufgrund zunächst fehlender Meldun-gen später revidiert werden können, was bei Konjunktur-prognosen entsprechend berücksichtigt werden muss.14

Qualitative Indikatoren werden aus nicht-stetig gemessenenDaten gewonnen (kategoriale Variable). Gute Beispiele dafürsind die Indikatoren, die aus Unternehmensbefragungen desifo Instituts stammen. Hier gibt es einmal Fragen, die, ob-wohl qualitativ gestellt, auf quantitative Variable der amtlichen

Statistik Bezug nehmen.15 Ein typisches Beispiel ist die Fra-ge: »Unsere inländische Produktionstätigkeit ist gestiegen (+),etwa gleich geblieben (=) oder gesunken (–)«.16 Die entspre-chende monatliche Referenzreihe aus der Industriestatistikfür Deutschland ist der Produktionsindex, die wiederum hier-zu passende vierteljährliche Referenzreihe aus der VGR istdie Bruttowertschöpfung im Verarbeitenden Gewerbe.

Wichtiger noch für die Kurzfristprognose sind qualitative Indi-katoren, die – über das quantitativ ausgerichtete Erhebungs-programm der amtlichen Statistik hinaus – Informationen überUrteile und Erwartungen der Unternehmen liefern. Zu diesenIndikatoren, die in Deutschland zum überwiegenden Teil ausBefragungen des ifo Instituts herrühren, gehören etwa dieBeurteilung der Fertigwarenlager durch die Unternehmen desVerarbeitenden Gewerbes oder die Frage nach den Erwar-tungen zur allgemeinen Geschäftslage: »Unsere Geschäftsla-

15

Da VAR- M od ell e pr i n zi pi ell nu r en do gen e Var iab le en th a lte n , wi r d ih r dyn a m i s ch es Ve r h a lte n nor m al er wei s e üb er im pu ls e r e s p on s e F u n kti on e n an al ys i er t ( vgl . Kas ten 3) . Id ea lty pis ch mö ch t e man s t oc h as tis ch e Sch o ck s , d.h . ein m al ig e Im pu ls e in de n Re s i du e n ( wi e tv1 u n d tv2 ) sp ezi fis ch en en do gen en Va r ia ble n (wi e tC ode r tY ) zu or d n en , so das s sic h zei gen lä s s t,

wi e ein e zu f äll ige Än de r u n g ein er Va r ia ble n all e ü br ige n Var iab len ü ber di e Zei t h in weg be ei n fl u s s t. So fer n die St ör ter m e( tv1 u n d tv2 ) mi tei n an de r u n ko r r e lie r t si n d, is t die s ver gle ic h s w eis e ein fac h . We n n di e St ör ter m e je doc h m it ein an d er

ko r r eli er t s in d (w as of t gen u g der F all is t) , s o gib t es kei n e ele m e n ta r e Me th o de me h r , s t oc h as tis ch e Sch o ck s ein d eu tig s p ez ifi s ch en Va r iabl en zu zu o r d n en . In der ar t ig en Fäl le n is t es in zwi s c h en üb li ch gew or den , wil lkü r li ch al le In iti ale ff ekt ede r j en i ge n Var i ab len zu zu or d n en , die zu er s t im Sy s te m er s ch e in t (C h ol es k i- D ek om p os i ti on ) . Obw oh l z. B. 1v m it 2v

ko r r eli er t wär e , wü r de man dan n de n ges am t en In iti al eff ekt dem Kon s u m u n d ni ch t de m Ein kom m e n zu we is en . Be idi es em Vor ge h en is t fr e ili ch pr obl em ati s ch , das s die im pu ls e r e s p on s e F u n kti on e n von de r jew eil ige n Rei h en fo lge de r Gl ei ch u n ge n im Mod el l abh ä n g ig sin d. Ei n e an der e M ög lic h ke it be s tü n d e dar i n , ei n s og . s t r u ktu r el le s VAR- M od ell ( SVAR) zu s pez ifi zi er e n , in de m ein ige zu s ä tzl ich e Res tr i kt ion en , die au s der ökon o m i s ch en Th eor ie he r vo r ge h e n , ben ü t zt wer de n ,u m die im pu ls e r e s p on s e F u n kti on e n zu ide n t ifizi er en . So im pl izi er t das s t r u ktu r el le Mo del l von Ka s t en 3 ( er gän zt um de n

AR ( 1 ) Pr oz es s fü r tZ ) , das s β−β+

=1

211

ttt

uuv u n d

β−+

=1

212

ttt

uuv gil t, wob ei tu1 u n d tu2 die ei gen tl ich en ex og en e n

Än der u n g en in de n b eid en Va r ia bl en tC u n d tZ s i n d .

Fortsetzung Kasten 4:

14 So werden vom Statistischen Bundesamt in Deutschland für den Pro-duktionsindex für das Produzierende Gewerbe zunächst vorläufige Mo-natswerte publiziert, die für Unternehmen, deren Daten noch nicht ein-gegangen sind, die entsprechenden Werte des Vormonats enthalten. Erstetwa drei Wochen später folgen berichtigte Werte. Die berichtigten Wer-te werden, sobald Ergebnisse der umfassenderen vierteljährlichen Pro-duktionserhebung vorliegen, nochmals revidiert und schließlich erfolgt –jeweils zu Jahresbeginn – eine sog. Jahreskorrektur sämtlicher Monats-daten des Vorjahres.

15 Der Vorteil, dass im ifo Konjunkturtest originär stetige Daten in katego-rialer Form erhoben werden, liegt darin, dass durch die verringerte Infor-mationsanforderung die Erhebungskosten für die Firmen sinken, weil derZeitaufwand für die Beantwortung der Fragen geringer ist. Dies erhöht na-turgemäß die Antwortbereitschaft der befragten Unternehmen.

16 Um aus den Antworten einen Indikator für die Gesamtwirtschaft herzu-leiten, werden die Einzelangaben zunächst zusammengewichtet. DasErgebnis drückt aus, welcher gewichtete Prozentsatz der befragten Un-ternehmen eine günstige, eine indifferente oder negative Meldung abge-geben hat (z.B. »gestiegen«: 40%; »etwa gleich geblieben«: 50%, »ge-sunken«: 10%). Dann wird ein Saldo aus den positiven und negativen Pro-zentsätzen gebildet (im Beispiel: 40% – 10% = + 30%). Durch das An-einanderreihen der Salden entstehen Zeitreihen, die mit Daten aus deramtlichen Statistik verglichen werden können (vgl. Lindlbauer 1995).

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i fo Schne l ld ienst 4/2003 – 56. Jahrgang

ge wird in den nächsten 6 Monaten in konjunktureller Hin-sicht – also unter Ausschaltung rein saisonaler Schwankun-gen oder unterschiedlicher Monatslängen – eher günstiger (+),etwa gleich bleiben (=) oder eher ungünstiger (–)«. Bei dieserFrage bleibt sogar offen, was unter dem Begriff »Geschäfts-lage« konkret zu verstehen ist (z.B. erwarteter Umsatz, zu-künftige Produktion, voraussichtliche Gewinnsituation usw.).Da Urteile und Erwartungen im Allgemeinen Auslöser für unter-nehmerische Handlungen sind, eignen sich derartige Ten-

denzfragen besonders gut als Frühindikatoren, wobei aller-dings die entsprechenden Referenzreihen aus der amtlichenStatistik – in einem der eigentlichen Konjunkturprognose vor-gelagerten Schritt – erst zu identifizieren sind. Ein nationalund international besonders beachteter qualitativer Frühindi-kator für die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland ist z.B.das ifo Geschäftsklima, das als Mittelwert aus den Saldender aktuellen Geschäftslagebeurteilung und der Geschäfts-erwartungen für die nächsten sechs Monate berechnet wird.

16

Kasten 5: Fehlerkorrekturmodelle

Existiert eine Langfristbeziehung, so kann die Abweichung von dem langfristigen Gleichgewichtswert die kurzfristigeDynamik der Systemvariablen bestimmen (Fehlerkorrekturmodell). Nimmt man im Beispiel an, dass Konsum undEinkommen in den ersten Differenzen stationär sind (d.h. die beiden Variablen sind integriert vom Grad 1), so könnteein elementares (Vektor-) Fehlerkorrekturmodell für Konsum und Einkommen lauten:

(5.1) ( ) tttt YCC 1111 ζ+η−γ−=∆ −−

(5.2) ( ) tttt YCY 2112 ζ+η−γ=∆ −−

In diesem Modell reagieren Konsum und Einkommen auf kontemporäre stochastische Schocks (repräsentiert durchdie beiden stationären Zufallsvariablen t1ζ bz w. t2ζ ) so wie au f die Ab we ich u n g in der vo r an geg an gen en Pe r io de vo m

la n g fr i s ti ge n Glei ch gew ich ts wer t 11 −− η− tt YC , wo bei 1γ , 2γ u n d η Re gr es s i on s pa r am et er dar s t ell en . Is t die Abwe ich u n g

11 −− η− tt YC pos iti v, so si n kt ce te r is pa r i bu s de r Kon s u m u n d das Ein k om m en st eig t. Da s lan gfr is t ig e Glei ch gew ich t is t

da n n er r ei ch t, wen n tt YC η= g il t.

Das Beispiel zeigt sehr anschaulich die enge Verbindung, die zwischen Fehlerkorrekturmodellen und kointegriertenVariablen besteht. Annahmegemäß sind die beiden ersten Differenzen auf der jeweils linken Seite der beidenGleichungen tC∆ bz w. tY∆ s ta tio n är . Dam it mü s s e n die Au s dr ü c ke au f der rec h te n Sei te de r beid en Gl eic h u n ge n

eb en fal ls st ati on ä r sei n . Da di e bei den Zufallsvariablen t1ζ bz w. t2ζ an n a h m e gem äß st ati on är sin d, mu s s zw an g s lä u f ig

au ch di e L i n e ar k om b in ati on 11 −− η− tt YC s ta tio n är s ein . Dam it sin d abe r Kon s u m un d Ein kom m e n ko in teg r ie r t mi t dem Ko in teg r at io n s p ar a m e ter η . Of fen s ic h t lic h for der t die F e h l er k or r ek tu r dar s t ell u n g , das s die be ide n Var iab le n ko in teg r ie r t s i n d . Dies es Er geb n i s än de r t si ch au ch nic h t , wen n das Mod el l z.B. dadu r ch ver a llg em ein er t wir d , das s ver z ög er t eDi ff er e n ze n von Ko n s u m un d E in k om m en in di e Gle ich u n gen au fg en o m m e n wer den :

(5.3) ( ) tttttt YCYCC 111211111110 ζ+∆ϕ+∆ϕ+η−γ−ϕ=∆ −−−−

(5.4) ( ) tttttt YCYCY 212212111220 ζ+∆ϕ+∆ϕ+η−γ+ϕ=∆ −−−−

Wiederum sind be id e Zufallsvariablen t1ζ bz w. t2ζ u n d al le Te r m e, die Diff er e n z en C∆ bzw . Y∆ en th alte n , st ati on är .

Da m i t i s t ab er au ch die L i n e ar k om b in ati on vo n K on s u m u n d E in kom m en 11 −− η− tt YC s t at ion är .

Betrachtet man die beiden Gleichungen, so fällt die Ähnlichkeit mit dem bivariaten VAR-Modell in Kasten 4 ins Auge.Das vektorielle Fehlerkorrekturmodell (Vector Error-Correction Model; VECM) ist offensichtlich ein in den erstenDifferenzen bivariates VAR-Modell, das um die beiden Fehlerkorrekturterme ( )111 −− η−γ− tt YC bzw . ( )112 −− η−γ tt YC

er we ite r t wu r de . Die be ide n Par am e te r 1γ bzw . 2γ def in i er e n dab ei di e An pa s s u n g s ge s c h wi n di gk eit . Je gr ö ß er 1γ is t ,de s t o s ch n el ler re ag ier t der Ko n s u m au f di e Abwe ic h u n g vom la n gf r i s ti gen Glei ch g ew ich t in der Vo r p er i ode . Um g eke h r twü r d en seh r kle in e W er t e von 2γ in d izi er e n , da s s da s Ein k om m en au f den Gl ei ch g ewi ch ts f eh l er de r Vor per iod e kau m r e ag ier t. Si n d sch li eß li ch be ide Ko ef fiz ien te n N u ll , so is t die Ku r z fr i s td yn am i k u n a bh ä n gi g von de r lan gfr is tig en Dy n am ik. In di es em Fal l gib t es kei n e F e h l er k or r ek tu r dar s t ell u n g ̧ Kon s u m u n d Ein ko m m e n s in d n ich t ko in teg r ie r t un d das Mo del l geh tin e in tr a diti on ell es VAR- M od ell i n e r s t en Di ffe r e n ze n ü be r .

Wenn zumindest einer der beiden Parameter 1γ bz w. 2γ von Null verschieden ist, so reagiert umgekehrt wenigstenseine der beiden Variablen auf der linken Gleichungsseite auf die Vorperioden-Abweichung vom langfristigen Gleich-gewicht. Die einfache Schätzung eines VAR-Modells in ersten Differenzen wäre in diesem Fall offensichtlich falsch,weil es eine Fehlerkorrekturdarstellung gibt. Die Nichtberücksichtigung der Langfristbeziehung 11 −− η− tt YC wü r d eei n e n Sp ezi fi kat ion s f eh l er be deu ten .

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Forschungsergebnisse

Es wird seit 1972 regelmäßig vom ifo Institut veröffentlicht.Gegenüber der Konjunkturkomponente des Produktionsindexim Verarbeitenden Gewerbe hat das ifo Geschäftsklima einendurchschnittlichen Vorlauf von zwei Monaten (vgl. Kasten 6).

Der Vorteil qualitativer Indikatoren für die Kurzfristprognose be-steht naturgemäß in der besonders raschen Verfügbarkeit (beiifo Konjunkturtestdaten bereits in der vierten Woche des lau-fenden Berichtsmonats). Daher können gleichlaufende quali-tative Indikatoren dazu verwendet werden, bereits vor dem Er-

scheinen der amtlichen Statistik Vorstellungen zumindest überdie Entwicklungsrichtung, in gewissem Ausmaß aber auchüber die Intensität der Änderungen zu gewinnen. Im Falle ech-ter Frühindikatoren lassen sich entsprechende Hinweise aufdie voraussichtliche Veränderung der amtlichen Statistik in denfolgenden Monaten gewinnen. Dies gilt besonders für Befra-gungsdaten, die sich auf Erwartungen und Pläne von Unter-nehmen beziehen. Weiterhin ist vorteilhaft, dass qualitativeKonjunkturindikatoren – bis auf allfällige Änderungen von Er-gebnissen in saisonbereinigter Form infolge eines verlänger-

ten Stützzeitraums – keinen späteren Korrek-turen unterliegen. Im Durchschnitt zeigen sieein stabileres Verhalten über die konjunkturel-len Auf- und Abschwungsphasen hinweg, d.h.saisonale und zufällige Einflüsse wirken sichweniger stark aus als bei Indikatoren der amt-lichen Statistik. Insbesondere in Urteilsreihenaus dem ifo Konjunkturtest haben kurzfristigenichtkonjunkturelle Schwankungen einen ge-ringeren Anteil an der Gesamtstreuung als inden meisten quantitativen Reihen (vgl. Lindl-bauer 1995, S. 76). Zudem enthalten qualita-tive Indikatoren in aller Regel keinen Trend;sie zeigen also bis auf saisonale und Zufalls-einflüsse die »reine« Konjunktur.

Nachteilig ist allerdings, dass der Vorlauf dermeisten Indikatoren bei einem Befragungs-horizont von bis zu sechs Monaten relativkurz ist. Deshalb können qualitative (wie auchquantitative) Indikatoren konjunkturelle Wen-depunkte überhaupt nur dann signalisieren,wenn diese nicht allzu weit entfernt sind. Pro-bleme aus der zeitlich begrenzten Reichweiteergeben sich insbesondere an unteren kon-junkturellen Wendepunkten, also bei Pro-gnosen des beginnenden konjunkturellenAufschwungs: Hier ist der Vorlauf zumeistdeutlich geringer als an oberen Wende-

17

Ka st en 6: if o G esc hä f t s k l i m a un d K on j un k t u rk om p one nt e d erPr od uk t i on i m V era rb ei t end en Ge w erb e

Der durchschnittliche Vorlauf eines konjunkturellen Frühindikators ge-genüber einer Referenzreihe wird üblicherweise anhand vonKorrelogrammen geprüft. Hierbei wird der Frühindikator auf derZeitachse sukzessive verschoben, und die Korrelation zwischen demverschobenem Frühindikator und der Referenzreihe jedes Mal neuberechnet. Wird z.B. festgestellt, dass die Korrelation (gemessen amKorrelationskoeffizienten) zwischen den beiden Reihen dann amgrößten ist, wenn der Zeitindex t des Frühindikators um zwei Perio-den vermindert wird, dann beträgt der mittlere Vorlauf des Indikatorszwei Perioden.

Das ifo Geschäftsklima ist das geometrische Mittel aus den Saldender aktuellen Geschäftslagebeurteilung und der Geschäftserwartun-gen für die nächsten sechs Monate.17 Aus theoretischen Gründen istzu erwarten, dass die Vorlaufeigenschaften der beiden originärenIndikatoren Geschäftslage und Geschäftserwartungen bzw. dasdaraus abgeleitete ifo Geschäftsklima gegenüber der Konjunktur-komponente (Trendabweichung) des Produktionsindex des Verarbei-tenden Gewerbes18 jeweils unterschiedlich sind. Eine Korrelogramm-analyse für den Zeitraum Januar 1991 bis November 2002 bestätigtdiese Vermutung; so beträgt der durchschnittliche Vorlauf der Ge-schäftserwartungen gegenüber der Trendabweichung der Produktionsechs Monate, die Beurteilung der Geschäftslage ist koinzident unddas ifo Geschäftsklima schließlich hat einen Vorlauf von zwei Monaten(vgl. Abb. 2).

In der Prognosepraxis wird naturgemäß nicht nur das ifo Ge-schäftsklima (oder seine beiden Komponenten Geschäftslage bzw.Geschäftserwartungen) zur Quantifizierung der Produktion im Verar-beitenden Gewerbe genutzt. So ist zu erwarten, dass auch vergan-gene Werte der Produktion Informationen enthalten, die prognostischnutzbar sind. Folgt man einem derartigen autoregressiven Ansatz zurAbschätzung der Konjunkturkomponente der Produktion, so ist zufragen, ob die drei Indikatoren Geschäftslage, Geschäftserwartungenund Geschäftsklima in statistisch signifikantem Ausmaß zusätzlicheInformationen enthalten, die über das hinausgehen, was durch dieverzögerten Werte der Produktion bereits erklärt wird.

Um dies zu testen, werden verschiedene Modelle zur Bestimmungder Konjunkturkomponente der Produktion ( P ) geschätzt. Konkretwird ein univariater autoregressiver Ansatz benützt, der um jeweilseinen der drei ifo Klimaindikatoren (und möglicherweise um desseneigene verzögerte Werte) erweitert wird. Das Akaike (1969, 1970)Final-Prediction-Error-Kriterium (FPE-Kriterium) wird herangezogen,um die geeignete Spezifikation für die verzögerte abhängige Variableund den jeweiligen Klimaindikator auszuwählen. Gleichung (6.1) zeigtdas Ergebnis für den Saldo der Geschäftslage ( GL ) (Standardabwei-chungen in Klammern):

17 Formal ergibt sich das ifo Geschäftsklima GK aus derBeziehung

wobei GL den Saldo aus den positiven und nega-tiven Meldungen zur aktuellen Geschäftslage be-zeichnet und GE den Saldo aus den positiven und ne-gativen Meldungen zu den Geschäftsaussichten inden nächsten sechs Monaten. Zur Vermeidung vonnegativen Werten im Wurzelterm werden die beidenVariablen GL und GE jeweils um die Konstante 200erhöht.

18 Für die Berechnung der Konjunkturkomponente wur-de zunächst die saison- und kalenderbereinigte Pro-duktion im Verarbeitenden Gewerbe (in Logarithmen)mit einem Hodrick-Prescott-Filter (λ = 14 400) trend-bereinigt. Die Trendabweichung wurde dann anhandder Differenzen der logarithmierten saison- und kalen-derbereinigten Reihe und der Trendreihe berechnet.

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i fo Schne l ld ienst 4/2003 – 56. Jahrgang

punkten, d.h. beim beginnenden Abschwung. QualitativeFrühindikatoren, die für Deutschland untere konjunkturelleWendepunkte vergleichsweise zuverlässig angekündigt ha-ben, sind die Exporterwartungen für die nächsten drei Mo-nate, die Beurteilung der Fertigwarenlager und die Ge-schäftserwartungen für die nächsten sechs Monate. GuteFrühindikatoren für obere Wendepunkte sind die Urteile über

den Auftragsbestand, das Fertigwarenlage-rurteil und die Beurteilung der augenblick-lichen Geschäftslage (alle genannten Indi-katoren stammen aus dem ifo Konjunktur-test) (vgl. Nerb 1995, S. 324).

Es ist wenig sinnvoll, für verschiedene Län-der einheitliche Indikatoren bestimmen zu wol-len. Außerdem muss darauf hingewiesen wer-den, dass auch aus Unternehmens- und Ver-braucherbefragungen gewonnene Konjunk-turindikatoren – trotz der im langfristigenDurchschnitt oftmals größeren Stabilität –kurzfristig sensibel reagieren können. Einzel-ne Monatsergebnisse können durch unsys-tematische Zufallseinflüsse (u.a. saison-unübliche Witterung, Streiks, wechselndesMeldeverhalten der Befragungsteilnehmer,besondere wirtschaftspolitische bzw. welt-politische Ereignisse) nach oben oder nachunten verzerrt sein. Besser abgesicherte Pro-gnosen lassen sich deshalb erst nach Vorlie-gen von mindestens zwei Monatsergebnis-sen machen, was freilich einen entsprechen-den Aktualitätsverlust bedeutet. Schließlichkönnen zum Prognosezeitpunkt verschiede-ne (quantitative wie qualitative) Indikatorenunterschiedliche Signale über den weiterenKonjunkturverlauf geben. In derartigen Situ-ationen bleibt es letztlich der persönlichen Er-fahrung überlassen, welches aktuelle Gewichtden einzelnen Indikatoren beigemessen wird,sofern nicht durch geeignete Aggregation derEinzelindikatoren ein Gesamtindikator vorliegt,dessen Konjunktursignal eindeutiger ist.

Das iterativ-analytische Verfahren

Der iterativ-analytische Ansatz ist das um-fassendste und flexibelste Prognoseverfah-ren. Noch mehr als ökonometrische Struk-turmodelle basiert dieser Ansatz auf detail-lierten Annahmen über exogene Variable undPolitikparameter, die ihrerseits zumeist aufvorgelagerten prognostischen Überlegungenberuhen, in manchen Fällen jedoch ledig-lich Setzungen sind (Randbedingungen derPrognose). Iterativ-analytische Schätzungen

sind damit immer »bedingte« Prognosen.19

18

(6.1) ( ) ( ) ( ) ( ) 674,0007,0

024,0

082,0

197,0

084,0

497,0

115,0

185,02

21

=+++= −−

R

GLPPP tttt

Nach dem FPE-Kriterium ist der unverzögerte Wert der Geschäftslage( tGL ) optimal. Gleichung (6.2) zeigt das Ergebnis für den Saldo der Ge-

schäftserwartungen ( GE ):

(6.2) ( ) ( ) ( ) ( ) 674,0009,0

032,0

081,0

214,0

084,0

505,0

103,0

031,02

421

=+++= −−−

R

GEPPP tttt

Nach dem FPE-Kriterium ist diesmal der um 4 Monate verzögerte Wertder Geschäftserwartungen ( 4−tGE ) optimal. Gleichung (6.3) zeigt schließ-

lich das Ergebnis für den Saldo des Geschäftsklimas (GK ):

(6.3) ( ) ( ) ( ) ( ) 686,0009,0

037,0

080,0

214,0

084,0

471,0

108,0

161,02

121

=+++= −−−

R

GKPPP tttt

Hier ist nach dem FPE-Kriterium der um 1 Monat verzögerte Wert des ifoGeschäftsklimas optimal. Die Ergebnisse machen klar, dass gemäß demFPE-Kriterium von Akaike in allen drei Fällen die Indikatoren aus dem ifoKonjunkturtest in den univariaten autoregressiven Schätzansatz zusätz-lich einbezogen werden sollten, da sie offensichtlich Informationen ent-halten, die in den verzögerten Werten der abhängigen Variablen nichtenthalten sind. Zudem gehen die Geschäftserwartungen – wie es nachder Korrelogrammanalyse zu erwarten war – mit dem größten Lag in dieRegressionsgleichung ein, während die Geschäftslage unverzögert ent-

halten ist. Schließlich nimmt das Bestimmtheitsmaß (2R ) – das gleich

dem Anteil der erklärten Varianz an der Gesamtvarianz der abhängigenVariablenwerte ist – für das ifo Geschäftsklima den höchsten Wert an.Offenbar ist der prognostische Gehalt der beiden Teilindikatoren Ge-schäftslage bzw. Geschäftserwartungen größer, wenn sie in einem Ge-samtindikator wie dem ifo Geschäftsklima zusammengefasst werden.

Fortsetzung Kasten 6:

19 Welche Variable aus der eigentlichen Konjunkturprognose heraus erklärt undwelche Variablen als Randbedingungen gesetzt werden, kann nicht defini-torisch, sondern allein im Hinblick auf die jeweilige Problemstellung ent-schieden werden. Die Aussagekraft einer Konjunkturprognose hängt davonab, inwieweit zentrale Variable durch die eigentliche Prognose erklärt oderlediglich in den Annahmen enthalten sind (vgl. Weichhardt 1982, S. 11).

Abb. 2

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Forschungsergebnisse

Zu den wichtigsten Annahmen, die bei der Prognose derdeutschen Konjunktur regelmäßig gemacht werden, zäh-len die Entwicklung von Weltkonjunktur, Welthandel, Roh-stoffpreisen und Wechselkursen. Hinzu kommen Annahmenüber den erwarteten Kurs der Geld-, Fiskal- und Lohnpoli-tik. Hierzu gehören konkret die voraussichtliche Höhe derLeitzinsen sowie der kurz- und langfristigen Zinsen in derEuropäischen Währungsunion und die absehbare Entwick-lung von Tariflöhnen und Steuersätzen, Sozialbeiträgen so-wie staatlich administrierten Preisen. Diese Annahmen kön-nen sich zum Teil auf bereits bekannte Tatsachen (z.B. be-reits beschlossene Erhöhungen von Sozialabgaben oder in-direkten Steuern, Lohnerhöhungen aus früheren Tarifrun-den) stützen, überwiegend beruhen sie jedoch auf eigenenprognostischen Überlegungen.20 Zu den weiteren Randbe-dingungen der Prognose, die normalerweise nicht explizitausgeführt werden, zählen Einflussgrößen wie das allgemeinepolitische Umfeld, die meteorologischen Bedingungen oderdie Entwicklung an den internationalen Finanz- und Devi-senmärkten. Radikale Änderungen dieser Faktoren (exoge-ne Schocks) können unkalkulierbare Strukturbrüche im Ver-halten von Wirtschaftssubjekten und Wirtschaftspolitik be-wirken. Deshalb wird in aller Regel von Konstanz bzw. vonNormalentwicklung ausgegangen, d.h. es wird die Abwe-senheit von exogenen Schocks postuliert (Status-quo-Hypothese).

Vor dem Beginn der eigentlichen Prognose wird beim iterativ-analytischen Verfahren versucht, den Standort im Konjunk-turzyklus zu bestimmen. Hierzu werden die neuesten amt-lichen Daten und Befragungsergebnisse interpretiert und aufdie jeweils aktuellen Konjunkturkräfte hin analysiert(Konjunkturdiagnose).21 Insbesondere wird gefragt, ob die je-weiligen Faktoren im Prognosezeitraum fortbestehen, sich ver-stärken oder abschwächen. Hinzu kommt die Suche nachneuen Kräften, die sich endogen aus dem Zyklus heraus er-geben oder von außen auf die Wirtschaft einwirken können.Insbesondere werden die neuralgischen Punkte für die jewei-lige Prognose herausgearbeitet. Die Untersuchungs-schwerpunkte wechseln dabei von Prognose zu Prognose.

An die Analyse der aktuellen Konjunkturkräfte schließt sichdie eigentliche Prognosearbeit an. Abweichend vom Pro-cedere in ökonometrischen Strukturmodellen werden beimiterativ-analytischen Verfahren die volkswirtschaftlichen Kern-größen nicht simultan bestimmt, sondern zunächst unab-hängig voneinander geschätzt. Bei diesem ersten Progno-seschritt können sowohl indikatorgestützte als auch öko-nometrische Verfahren für die Einzelschätzungen der BIP-Komponenten, des Arbeitsmarkts und des Staatskontos zurAnwendung gelangen. Hinzu kommen nichtformalisierte, aufder persönlichen Kenntnis des gegenwärtigen und des ver-gangenen Wirtschaftsgeschehens beruhende Ansätze (in-tuitive Prognoseverfahren). Sie basieren auf dem theoreti-schen Wissen und auf der Erfahrung des Prognostikers, ins-besondere auf der Kenntnis der durchschnittlichen Streu-ung der zu prognostizierenden Variablen in der Vergangen-heit sowie der singulären Anpassungsreaktionen bei exo-genen historischen Schocks. Des Weiteren werden Analo-gien aus früheren vergleichbaren Konjunkturphasen heran-gezogen (stilized facts), hinzu kommen Trendextrapolatio-nen von Einzelvariablen und autoregressive Ansätze. Schließ-lich gibt es institutionell prädeterminierte Schätzansätze. Die-se werden u.a. bei der Prognose der staatlich geleistetenTransfers an die privaten Haushalte (Geldleistungen der So-zialversicherung, Geldleistungen für die Kindererziehung,Sozialhilfe usw.) verwendet oder bei der Prognose der Ar-beitseinkommen (z.B. tarifvertraglich vereinbarte Lohner-höhungen oder spezielle Arbeitszeitregelungen in einzelnenWirtschaftsbereichen).

In einem zweiten Schritt werden die Einzelschätzungen derBIP-Komponenten mit Hilfe des Kontensystems der Volks-wirtschaftlichen Gesamtrechnungen zusammengefügt. In ei-nem mehrstufigen (iterativen) Prozess werden die Teilprog-nosen des BIP, des Arbeitsmarkts und des Staatskontos aufihre ökonomische Konsistenz geprüft und solange geändert(»rundgerechnet«), bis sich ein widerspruchsfreies Bild ergibt,dem die größte subjektive Wahrscheinlichkeit beigemessenwird. Bei der Überprüfung macht man sich vor allem die sal-denmechanischen Zusammenhänge der VGR zunutze. ZurAbsicherung und Überprüfung der iterativ-analytischen Pro-gnoseergebnisse können zusätzlich auch ökonometrischeStrukturmodelle verwendet werden. Weicht eine analytischePrognose – bei gleich gesetzten exogenen Variablen undPolitikparametern – gravierend vom Modellergebnis ab, sokann dies auf Prognosefehler hindeuten. Strukturmodelle sinddamit ein wichtiges Instrument zur Konsistenzprüfung von ite-rativ-analytischen Schätzergebnissen. Letztere können – vi-ce versa – natürlich auch zur Überprüfung der Spezifikationeines Strukturmodells herangezogen werden.

Der besondere Vorteil des iterativ-analytischen Verfahrensbesteht darin, dass das gesamte verfügbare qualitative wiequantitative Datenmaterial verwendet werden kann. NeueInformationen am aktuellen Rand lassen sich jederzeit mü-

19

20 Dabei ist insbesondere auf die innere Konsistenz der Annahmen zu ach-ten: So muss eine Annahme über den Euro-Wechselkurs gegenüber demUS-Dollar u.a. harmonieren mit den Annahmen über den Kurs der Geld-politik in den USA und in der Europäischen Währungsunion. Auch sinddie jeweiligen Staats- und Leistungsbilanzdefizite zu berücksichtigen.

21 Hierzu ein Beispiel: So muss am aktuellen Randm geprüft werden, ob ei-ne signifikante Erhöhung der Vorratsinvestitionen, die sich in den jüngstenVGR-Ergebnissen finden mag, ein Indiz für eine konjunkturelle Besse-rung ist (wenn z.B. die Unternehmen in Erwartung steigender Umsätzeihre Rohstofflager aufstocken) oder aber für eine Verschlechterung (wennaufgrund sinkender Umsätze die Fertigwarenlager ansteigen, so dass ei-ne Einschränkung der Produktion zu erwarten ist) oder ob sich dahinterlediglich ein statistisches Messproblem verbirgt. Letzteres wäre dannder Fall, wenn z.B. das Statistische Bundesamt aufgelaufene Differenzenzwischen der Entstehungs- und Verwendungsseite des BIP bei der ers-ten vorläufigen Schätzung mangels näherer Information der Lagerverän-derung zuordnet und sie erst später bei mehr Information als Konsum,Investition oder Export verbucht.

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helos einbauen. Es gibt keine Begrenzung der Variablenzahl.Aufgrund der Mehrstufigkeit des Verfahrens können die Teil-prognosen von Bereichsspezialisten erstellt werden, die aufihrem jeweiligen Arbeitsgebiet über ein großes Detailwissenverfügen. Der Schätzansatz bietet eine besondere Flexibi-lität, sich auf die jeweils wichtigsten neuralgischen Punkteder Konjunktur am aktuellen Rand und im eigentlichen Pro-gnosezeitraum zu konzentrieren. Besondere Vorteile erge-ben sich auch bei der Berücksichtigung von Statistikmän-geln oder bei der Einbeziehung von wirtschaftlichen Sonder-ereignissen (exogene Schocks, Vorzieh- und Nachholeffek-te, Großprojekte). Wie die Erfahrungen mit den Prognosenfür die deutsche Wirtschaft nach der Wiedervereinigung zei-gen, können selbst Transformationsprozesse, die ja von gro-ßen Strukturbrüchen gekennzeichnet sind, in gewissen Gren-zen berücksichtigt werden. Schließlich können für iterativ-analytische Teilprognosen (insbesondere für die Verwen-dungskomponenten des realen BIP) bei Bedarf auch spe-zielle ökonometrische Schätzgleichungen, zeitreihenanaly-tische Verfahren oder Indikatoransätze herangezogen wer-den, was eine Brücke zu den anderen Prognosemethodenschlägt. Nachteilig ist allerdings, dass die Komplexität desVerfahrens die Konsistenz der einzelnen Teilschätzungen ge-fährden kann. Außerdem sind iterativ-analytische Progno-sen aufgrund des angewandten Methodenpluralismus inter-subjektiv immer nur begrenzt nachvollziehbar.

Die ifo Konjunkturprognose

Die übliche ifo Konjunkturprognose für Deutschland hat ei-nen Prognosehorizont von bis zu zwei Jahren und basiertauf dem iterativ-analytischen Verfahren, in das ökonometri-sche Schätzungen einzelner BIP-Komponenten integriertsind. Für die wichtige Analyse und Diagnose der konjunk-turellen Situation am aktuellen Rand, die naturgemäß dieAusgangsbasis für die Konjunktur im Prognosezeitraum bil-det und auf die im ifo Institut besonderes Augenmerk ge-legt wird, werden in der Regel VAR gestützte Indikatoran-sätze herangezogen. Diese basieren primär auf eigenen Be-fragungsergebnissen und Monatsdaten der Bundesstatis-tik (vgl. Übersicht). Für ergänzende Kontrollrechnungen undPolitiksimulationen wird derzeit ein internationales ökono-metrisches Strukturmodell verwendet, das die wichtigstenwestlichen Industrieländer abbildet und über die Außen-handelsverflechtungen miteinander verknüpft (Oxford Eco-nomic Forecasting-Modell). Mit dem Modell werden vor-rangig auch die Auswirkungen von internationalen Ereig-nissen auf die Entwicklung der Weltwirtschaft und der deut-schen Wirtschaft abgegriffen, wobei selbstverständlich auchdie Ergebnisse des ifo World Economic Survey (WES) Be-rücksichtigung finden.

In der Rechenpraxis wird vom ifo Institut eine Vielzahl von Va-riablen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen und an-

derer amtlicher Statistiken (z.B. Spezialhandelsstatistik, Ver-braucherpreisstatistik, Arbeitsmarkt- und Tariflohnstatistik,Abrechnungsergebnisse der Sozialversicherungsträger usw.)vorausgeschätzt. Die Teilprognosen, die bis auf das Staats-konto auf vierteljährlicher, oftmals sogar auf monatlicher Ba-sis erstellt werden, werden mit Hilfe des Tabellensystems derVGR zusammengefasst und für die Veröffentlichung auf Halb-jahres- bzw. Jahreswerte umgerechnet. Besonders wichti-ge Kennzahlen werden für West- und Ostdeutschland ge-trennt prognostiziert; die Werte für Gesamtdeutschland er-geben sich in derartigen Fällen nachrichtlich.

Das reale Bruttoinlandsprodukt wird zunächst getrennt ausden einzelnen Komponenten der Entstehungs- und Ver-wendungsseite geschätzt. Die Entstehungsseite des BIPfolgt aus der prognostizierten Entwicklung der amtlichen Pro-duktionsindizes (aus den Bereichen Bergbau, Energie, Ver-arbeitendes Gewerbe und Bau) bzw. den produzierten Men-gen landwirtschaftlicher Güter, aus den voraussichtlichenUmsätzen von Groß- und Einzelhandel sowie aus der er-warteten Produktion im Dienstleistungssektor und beim Staat(unter Einrechnung der Wertschöpfung der privaten Haus-halte und Organisationen ohne Erwerbszweck). Die Pro-duktion in den beiden letztgenannten Sektoren wird globalüber die voraussichtliche Entwicklung der Arbeitsprodukti-vität und der Zahl der Beschäftigten quantifiziert. Die Ver-wendungsseite des BIP wird disaggregiert geschätzt übereine Prognose der Inlandsnachfrage (Konsum, Anlagein-vestitionen und Vorratsveränderungen) und des Außenbei-trags. Die Prognose der Anlageinvestitionen erfolgt wiede-rum getrennt nach Ausrüstungsinvestitionen, sonstigen An-lagen, gewerblichem und öffentlichem Bau sowie Woh-nungsbau. Der Außenhandel wird über eine Schätzung derWaren- und Dienstleistungsströme zwischen In- und Aus-land erfasst, wobei fallweise auch eine disaggregierte Quan-tifizierung des Warenhandels nach Ländern und Länder-gruppen vorgenommen wird. Die Verteilungsseite des Brut-tonationaleinkommens ergibt sich aus der Abschätzung derLohn- und Gehaltsentwicklung (die wiederum von der er-warteten – bzw. in Teilbereichen bereits bekannten – Anhe-bung der Tarifverdienste und der Zahl der beschäftigten In-länder abhängt) und der Unternehmens- und Vermögens-einkommen. Letztere ergeben sich aus der Saldenmecha-nik der VGR residual, wobei neben dem nominalen BIP undden Arbeitnehmerentgelten (Bruttolöhne und -gehälter zu-züglich Sozialbeiträge der Arbeitgeber) der Saldo der Pri-märeinkommen aus der übrigen Welt, die Abschreibungen,die den wertbedingten Verschleiß der Produktion messen,und die Produktions- und Importabgaben abzüglich der Sub-ventionen geschätzt werden.

Zusätzlich wird das Staatsbudget quantifiziert, das einmalvom nominalen Staatskonsum abhängt, d.h. von der Wert-schöpfung der staatlich Bediensteten und von den Güter-käufen der Gebietskörperschaften und der Sozialversiche-

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Forschungsergebnisse 21

ÜbersichtAusgewählte Indikatoren für die ifo Kurzfristprognose

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rung. Außerdem sind die zukünftigen Einnahmen an direk-ten und indirekten Steuern sowie die Transferzahlungen desStaates detailliert abzugreifen. Schließlich wird die voraus-sichtliche Arbeitsmarktentwicklung in Abstimmung mit dererwarteten Konjunktur in den wichtigsten Wirtschaftssek-toren prognostiziert. Die Gesamtzahl der Beschäftigten hängtab von der Entwicklung des realen BIP und der erwartetenVeränderung der Arbeitsproduktivität, die Zahl der Arbeits-losen folgt aus der Differenz von Arbeitsangebot und derZahl der Erwerbstätigen (abhängig Beschäftigte und Selb-ständige). Insbesondere gilt es den zum Prognosezeitpunktbereits bekannten arbeitsmarktpolitischen MaßnahmenRechnung zu tragen, die erfahrungsgemäß in nicht uner-heblichem Maße auf die Arbeitsmarktentwicklung einwirkenkönnen. Zusätzlich ist die Veränderung der Stillen Reserveabzuschätzen.

Die Schätzung der Verwendungsseite des BIP erfolgt in je-weiligen und konstanten Preisen; die Entstehungsseite wirddagegen nur real prognostiziert. Die Verteilung des Brutto-nationaleinkommens, die sich zum Teil residual ergibt, wirdaufgrund des fehlenden Mengengerüsts lediglich in laufen-den Preisen ausgewiesen. Die Überprüfung der Prognoseauf ökonomische Konsistenz erfolgt in mehreren Schritten:Die Produktionsschätzungen, wie sie sich aus dem VGR-Rahmen ergeben, werden in der Regel durch spezifischeBranchenprognosen (wichtige Industriesparten und Handel)abgeglichen, deren Bausteine nicht zuletzt wieder aus ifoKonjunkturumfragen genommen werden. Der iterativ-ana-lytischen Top-Down-Prognose wird also eine sektorale Bot-tom-up-Prognose gegenübergestellt. Eine zweite Kontrolleder Entstehungsseite erfolgt dadurch, dass die Teilergeb-nisse für einzelne Wirtschaftsbereiche mit den Prognosenfür verwandte Nachfragekategorien abgestimmt werden (soEinzelhandel mit privatem Konsum oder Bauproduktion mitBauinvestitionen). Die Prognose des realen privaten Kon-sums wird insbesondere überprüft durch einen Abgleichmit den verfügbaren Einkommen (Bruttolöhne und -gehäl-ter nach Abzug von Lohnsteuer und Sozialversicherungs-beiträgen der Arbeitnehmer, Saldo der übertragenen Ein-kommen und verteilte Betriebsüberschüsse und Selbstän-digeneinkommen einschließlich der Vermögenseinkommen)unter Berücksichtigung der Sparquote (Ersparnis in % desverfügbaren Einkommens einschließlich der Zunahme be-trieblicher Versorgungsansprüche) und der Verbraucher-preisentwicklung. Die Prognose der Waren- und Dienstleis-tungsimporte wird anhand der Importelastizität überprüft,die sich implizit aus der BIP-Prognose ergibt. Auch ein Kon-sistenzcheck der Schätzungen von Einkommensverwen-dung und -verteilung wird gemacht, indem z.B. die Ent-wicklung der Ausrüstungsinvestitionen mit der erwartetenVeränderung der Gewinne verglichen wird. In einem mehr-stufigen Prozess werden die einzelnen Teilprognosen aufKonsistenz solange geprüft und immer wieder geändert, bissich ein ökonomisch widerspruchsfreies Bild ergibt. In der

letzten Iterationsrunde werden Feinabstimmungen primärnur noch bei den Vorratsinvestitionen und den Unterneh-mens- und Vermögenseinkommen vorgenommen, weil die-se Aggregate selbst ex-post von der amtlichen Statistik le-diglich mit größeren Schätzungenauigkeiten ermittelt wer-den können.

Summa Summarum

Letztlich basieren alle vorgestellten Prognosemethoden aufder systematischen, theoriegestützten Fortschreibung derdurchschnittlichen Entwicklung der Vergangenheit in die Zu-kunft. Der Schätzfehler wird dann minimal sein, wenn dasvorhandene Wissen des Prognostikers über die Gegenwart(Diagnose der gegenwärtigen konjunkturellen Situation) mög-lichst umfassend ist, die im Schätzzeitraum geltenden Rah-menbedingungen hinreichend gut getroffen werden (was dieAbwesenheit von Strukturbrüchen oder internationalen Kri-sen beinhaltet) und die zugrunde gelegten wirtschaftstheo-retischen Paradigma angemessen sind. Letzterer Punkt ver-dient besondere Aufmerksamkeit: Anders als in vielen Na-turwissenschaften besteht in den Wirtschaftswissenschaf-ten nahezu keine Möglichkeit, Erkenntnisse über den Zu-sammenhang zwischen erklärenden und zu erklärenden Va-riablen in kontrollierten Experimenten zu gewinnen. Volks-wirtschaftliche Theorien sind daher lediglich orts- und zeit-gebundene Quasi-Gesetze. Sie gelten umso gesicherter, jemehr Widerlegungsversuche sie überstanden haben. Gleich-wohl bleibt aber immer eine mehr oder weniger ausgeprägteUnsicherheit über die Gültigkeit der für die Prognose her-angezogenen Gesetzmäßigkeiten bestehen.

Konjunkturprognosen lassen sich damit als theoriegestütz-te »Wenn-Dann«-Aussagen auffassen, denen im Zeitpunktder Erstellung die größte subjektive Eintrittswahrscheinlich-keit zugebilligt wird.22 Ändern sich wichtige Rahmendaten,so sind Prognoserevisionen und auch Prognosefehler ge-radezu zwangsläufig. Für Konjunkturprognosen besteht dasDilemma oftmals darin, dass in wirtschaftlich turbulentenZeiten, in denen die Nachfrage nach Prognosen naturge-mäß besonders groß ist, die Produktionsbedingungen fürwissenschaftliche Prognosen besonders schlecht sind (vgl.Borchardt 1979, S. 8).

Nicht von der Hand zu weisen ist dabei die Gefahr, dass Pro-gnosen nach ihrer Veröffentlichung durch entsprechendeReaktionen seitens der Marktakteure oder der Wirtschafts-politik Verstärkungs- oder Abschwächungseffekte (»Feed-back-Effekte«) bis hin zur Selbstzerstörung bzw. Selbster-

22

22 Der deutsche Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirt-schaftlichen Entwicklung (SVR) stellt hierzu fest: Die Prognose »ist eineProjektion, der wir zwar eine größere Wahrscheinlichkeit beimessen als al-len anderen, aber sie braucht noch nicht einmal eine hohe Wahrschein-lichkeit zu besitzen.« SVR, Jahresgutachten 1964/65, TZ 217.

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füllung hervorrufen. So kann im Falle einer Rezessions-prognose eine Tendenz zur Selbstverstärkung der konjunk-turellen Prozesse dann ausgelöst werden, wenn sich Inves-toren und Verbraucher nach der Veröffentlichung der Pro-gnose in ihren Entscheidungen besonders zurückhalten.Wird umgekehrt ein prognostizierter Konjunkturabschwungdurch das Gegensteuern der Wirtschaftspolitik rechtzeitigabgewendet, so würde dadurch die urspüngliche Ein-schätzung der Konjunktur zunichte gemacht (vgl. Oppen-länder 2000, S. 429 ff.; Weichhardt 1982, S. 19 ff.) Not-wendig für das Auftreten derartiger Feedback-Effekte ist,dass eine hinreichend große Zahl von Marktakteuren die je-weiligen Prognosen kennt und ihnen Glauben schenkt. An-gesichts der modernen Informationsgesellschaft könntenderartige Wirkungsmechanismen heute sogar häufiger alsfrüher auftreten. Freilich sind Feedback-Prozesse angesichtsder Länge von Entscheidungs- und Wirkungsverzögerun-gen umso weniger wahrscheinlich, je kürzer der Prognose-zeitraum ist. Das Beharrungsvermögen der Verhaltenswei-sen von Wirtschaftssubjekten dürfte zudem auch heute nochbeträchtlich groß sein. Gleichwohl: Da Rückkoppelungs-Effekte niemals ausgeschlossen werden können, kommtdem Prognostiker eine besonders große Verantwortung zu.

Bei der Interpretation von quantitativen Prognosen solltestets im Auge behalten werden, dass die Veröffentlichungexakter Zahlen allein aus Gründen der Rechengenauigkeitund der arithmetischen Nachvollziehbarkeit erfolgt. Denn diezukünftige wirtschaftliche Entwicklung lässt sich aufgrundder vielfältigen Rahmenbedingungen und des ständigenWandels, dem menschliches Verhalten unterliegt, nicht exaktermitteln. Im Vergleich von prognostizierten Zahlen mit denveröffentlichten amtlichen Ist-Zahlen darf zudem nicht über-sehen werden, dass sich die statistisch bekannte Aus-gangslage zum Zeitpunkt einer Prognose in aller Regel an-ders darstellt, als sie später – oftmals nach deutlichen Kor-rekturen des amtlichen Datenmaterials – erscheint.

Schließlich sind Konjunkturprognosen – trotz aller Verfeine-rungen und Weiterentwicklungen der Schätzverfahren – inden letzten beiden Jahrzehnten nicht leichter geworden. Inbesonderem Maße schlägt hier die Internationalisierung derWirtschaft und die Globalisierung der Märkte mit ihren viel-fältigen Rückwirkungen zu Buche. Außerdem gilt es demRegimewechsel der Wirtschaftspolitik – Abkehr von nach-frageorientierten Maßnahmen, Hinwendung zu angebots-politischen Maßnahmen – Rechnung zu tragen. Der kon-junkturelle Primärimpuls staatlicher Ausgabenprogramme istvergleichsweise leicht abzugreifen. Angebotspolitik zielt da-gegen in ihrer kurzfristigen Wirkungsrichtung auf die Erwar-tungsbildung der Marktakteure ab, die naturgemäß schwerzu prognostizieren ist. Hier kommt den monatlichen Kon-junkturumfragen besondere Bedeutung zu, da sie frühzei-tig über Erwartungsänderungen der Marktteilnehmer Aus-kunft geben können.

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Die Entwicklung des Index der Einzel-handelspreise und der Preisindizes für dieLebenshaltung, gemessen durch das Sta-tistische Bundesamt1, zeigt die Preisver-änderungen für ausgewählte Güter undDienstleistungen seit Beginn 2002 zumeinen auf der Stufe des institutionellen Ein-zelhandels und zum anderen auf der Stu-fe des privaten Verbrauchs. Die Bezugs-größe für die Indizes ist die Summe derUmsätze im Einzelhandel bzw. die Sum-me der Ausgaben für den privaten Ver-brauch im Basisjahr (1995), wie sie durchdie amtliche Statistik nachgewiesen wird.Die Indizes werden als gewogener Durch-schnitt aus den Preisveränderungszahlen(Durchschnittsmesszahlen) für eine re-präsentative Auswahl von Gütern undDienstleistungen im Einzelhandel bzw. inder Lebenshaltung (Warenkorb2) gebildet.Als Wägungszahlen für die Gewichtungder einzelnen Güter und Dienstleistungenim Warenkorb dienen die Umsätze derUnternehmen des Einzelhandels bzw. dieAusgaben der privaten Haushalte für die-jenigen Güter und Dienstleistungen im Ba-sisjahr, für die Einzelpreisreihen als reprä-sentativ angesehen werden. Die monat-lich ermittelten Wettbewerbspreise sindim Allgemeinen effektive Endverbrau-cherpreise einschließlich Mehrwertsteuer,Verbrauchssteuern und anderer gesetz-licher Abgaben.

Mit einem Anteil von fast zwei Dritteln ha-ben die jeweiligen Umsätze mit Waren ver-schiedener Art (mit Schwerpunkt auf demSortimentseinzelhandel mit Nahrungs-und Genussmitteln) sowie die Umsätze imSonstigen Facheinzelhandel (mit Schwer-punkt auf den Gebrauchsgütern) bei derWägung das größte Gewicht. Bei der Wä-gung der Strukturanteile der Ausgaben fürdie Lebenshaltung nach Verwendungs-zwecken spielen neben den Ausgabender Konsumenten im Einzelhandel für dieverschiedenen Warengruppen vor allemdie Ausgaben für Wohnungszwecke, Ver-kehr und Freizeit sowie Daseinsvorsorgeeine wichtige Rolle. Insgesamt nimmt dieGruppe der einzelhandelsrelevanten Gü-ter ungefähr ein Drittel der Strukturantei-le für die Lebenshaltung ein.

Geringfügige Veränderung derEinzelhandelspreise

Tabelle 1 gibt einen Überblick über denIndex bzw. die Veränderung der Einzel-handelspreise nach Wirtschaftszweigen.Auf die Jahresdurchschnittswerte der In-dizes 2001 und 2002 bezogen zeigt sichsowohl bei den ausgewählten Waren-gruppen als auch im Gesamtindex3 2002

Lebenshaltungskosten seit Einführung des Euro

Klaus Volker Beck

Entwicklung der Einzelhandelspreise und der

Die Preisentwicklung im Einzelhandel und in der Lebenshaltung stand vor allem im vergan-

genen Jahr erheblich in der öffentlichen Diskussion. Der vorliegende Beitrag nimmt die Dis-

kussion auf und zeigt die Preisentwicklung in 2002 im Einzelhandel sowie in der Lebenshal-

tung auf. Im Einzelhandel bezieht sich die Analyse im Wesentlichen auf die Preisentwicklung

bei Nahrungs- und Genussmitteln sowie bei Gebrauchsgütern. Im Bereich der Lebenshaltung

wird die Bedeutung der Ausgaben für einzelhandelsaffine Güter den Ausgaben für andere Ver-

wendungszwecke wie u.a. Verkehr und Bildungswesen gegenübergestellt. In Ergänzung zur

Preisentwicklung in Einzelhandel und Lebenshaltung wird auf den Rang der Einzelhandels-

ausgaben im Rahmen der Lebenshaltungskosten insgesamt, auf Strukturverschiebungen in

den Ausgabeblöcken für die Lebenshaltung sowie auf die für die »Teuro«-Diskussion einfluss-

reiche Konjunktur- und Kaufkraftentwicklung eingegangen.

1 Vgl. Statistisches Bundesamt, Preisindizes für dieLebenshaltung 2002 und 2001, Fachserie 17/Rei-he 7.

2 Jeweils zum Basisjahr, zuletzt 1995, überarbeitetdas Statistische Bundesamt den Warenkorb hin-sichtlich seiner Zusammensetzung und seiner Ge-wichtung. Ab dem kommenden Jahr gilt 2000 alsBasisjahr.

3 Der Gesamtindex der Einzelhandelspreise nachWirtschaftszweigen umfasst: Einzelhandel mit Wa-ren verschiedener Art; Facheinzelhandel mit Nah-rungsmitteln, Getränken und Tabakwaren; Apo-theken, Facheinzelhandel mit medizinischen, or-thopädischen und kosmetischen Artikeln; Sonsti-ger Facheinzelhandel; Einzelhandel (nicht in Ver-kaufsräumen); Einzelhandel mit Kraftwagen; Ein-zelhandel mit Kraftwagenteilen und Zubehör; Ein-zelhandel mit Krafträdern, Teilen und Zubehör; Tank-stellen.

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Daten und Prognosen 25

im Vergleich zum Vorjahr eine nur leichte Steigerung um0,7%. Die monatlichen Preisveränderungen in Prozent wei-sen im Jahresverlauf 2002 für die verschiedenen Monate aufdeutlich niedrigere Preissteigerungen im Vergleich zu 2001hin; lediglich im Sonstigen Facheinzelhandel blieb der Preis-anstieg gleich, jedoch auf niedrigem Niveau.

Im Rahmen des im Jahresverlauf 2002 in der Öffentlichkeitvieldiskutierten »Teuro«-Effekts interessiert zunächst die mo-natliche Preisentwicklung von Dezember 2001 auf Januar2002. In der Tat zeigte sich im Januar 2002 und im Vergleichzu den folgenden monatlichen Jahresdurchschnittswerten2002, gegenüber dem jeweiligen entsprechenden Vorjahres-ergebnis, relativ hohe Preiszunahmen; allerdings spielten auchschon in den vorherigen Monaten vorgezogene Preiserhö-hungen wie beispielsweise im Segment der Spirituosen einegewisse Rolle. Im Verlauf der darauf folgenden Monate, abApril 2002 und danach noch deutlicher, flachte sich der Preis-auftrieb allerdings spürbar und durchgehend ab. Im Dezem-ber 2002 war im Vergleich zum Vorjahresmonat im gesamtenEinzelhandel nach dem Preisindex für den Einzelhandel ins-gesamt nur noch ein relativ geringer Preisanstieg (0,2%) zubeobachten. Der Einzelhandel mit Waren verschiedener Art(Sortimentseinzelhandel mit Nahrungs- und Genussmitteln),der auch die Discounter umfasst, verzeichnete im Dezember2002 sogar einen geringfügigen Preisrückgang um 0,2%, undbeim Einzelhandel mit Gebrauchsgütern war in diesem Mo-nat mit 0,0% kein Preisanstieg festzustellen (vgl. Tab. 1).

Veränderung der Lebenshaltungskosten

Ähnlich dem Rückgang der Einzelhandelspreise sind auchdie Lebenshaltungskosten in 2002 verglichen mit dem Vor-

jahr langsamer angestiegen, wenngleich im Verhältnis zumEinzelhandelspreisindex auf wesentlich höherem Niveau (vgl.Tab. 2). Der Gesamtindex4 der Lebenshaltungskosten nahm2002 mit 1,3% gegenüber 2001 (2,5%) deutlich wenigerstark zu. Im Jahresvergleich 2002 zu 2001 sind bei Nah-rungsmitteln und alkoholfreien Getränken die durch-schnittlichen Preissteigerungsraten mit 0,9% gegenüber4,5% erheblich niedriger ausgefallen; bei Gebrauchsgüternwie Bekleidung und Schuhen sowie Einrichtungsgegen-ständen für den Haushalt zeigten sie mit Anstiegen um 0,7bzw. 1% eine gleichbleibende, also sehr verhaltene Ent-wicklung. Auch die Ausgaben für Wohnungszwecke stie-gen 2002 mit durchschnittlich 0,7% im Vergleich zum Vor-jahr (3,0%) deutlich langsamer an. Bei den Beherbergungs-und Gaststättendienstleistungen war 2002 mit 3,6% im Ver-gleich zum Vorjahr (1,7%) allerdings eine merkliche bzw.überdurchschnittlich hohe Preissteigerung festzustellen. DieAusgaben für Verkehr wiesen 2002 bei sehr unruhigem mo-natlichen Verlauf insgesamt zwar eine rückläufige Preis-steigerungsrate von 3,2 auf 1,9% aus, zuletzt im Dezem-ber 2002 stiegen sie jedoch wieder um 3,4% kräftig an(vgl. Tab. 2).

Etwa entsprechend der Entwicklung bei den Einzelhan-delspreisen zeigten sich in der Lebenshaltung im Januar2002 und im Vergleich der monatlichen Jahresdurch-

T a b . 1 I n d e x / ( V e r ä n d e r u n g a ) ) der Einzelhandelspreise nach Wirtschaftszweigen(1995 = 100)

Indexentwicklung

Jahr/Monat

Insgesamt1 000

(Jahresindex)

Einzelhandel mit Warenverschiedener Artb)

330,33(Indexanteil)

Facheinzelhandel mitNahrungsmitteln,

Getränken,Tabakwaren

37,15(Indexanteil)

Sonstiger Facheinzel-handelc)

306,74(Indexanteil)

2001d) 104,6 (1,6) 104,1 (2,8) 107,9 (3,8) 102,2 (0,7)

2002d) 105,3 (0,7) 105,1 (1,0) 109,7 (1,7) 102,9 (0,7)

Dezember 2001 104,8 (1,3) 104,7 (3,1) 108,1 (3,3) 102,8 (0,9)

Januar 2002 105,3 (1,8) 105,9 (3,6) 110,5 (4,6) 103,0 (1,2)

Februar 2002 105,4 (1,6) 105,7 (3,0) 110,3 (3,8) 103,0 (1,2)

März 2002 105,6 (1,5) 105,7 (2,4) 110,1 (2,9) 103,2 (1,2)

April 2002 105,7 (1,2) 105,7 (1,6) 110,2 (2,0) 103,1 (1,0)

Dezember 2002 105,0 (0,2) 104,5 (−0,2) 109,2 (1,0) 102,8 (0,0)a) Veränderung gegenüber dem entsprechenden Vorjahresergebnis in Prozent. - b) Schwerpunkt Sortimentseinzelhandel mit Food and Non-Food-Artikeln. - c) Einzelhandel mit Gebrauchsgütern. - d) Jahresdurchschnittszahlen.

Quelle: Preisindizes für die Lebenshaltung (Eilbericht), Statistisches Bundesamt, Fachserie 17/Reihe 7, Dezember 2002.

4 Der Gesamtindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte enthält fol-gende Verwendungszwecke: Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke;Alkoholische Getränke, Tabakwaren; Bekleidung und Schuhe; Wohnung,Wasser, Strom, Gas und andere Brennstoffe; Einrichtungsgegenständeu.ä. für den Haushalt sowie deren Instandhaltung; Gesundheitspflege; Ver-kehr; Nachrichtenübermittlung; Freizeit, Unterhaltung und Kultur; Bil-dungswesen; Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen; AndereWaren und Dienstleistungen.

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schnittswerte 2002 gegenüber 2001 nur leichte Verände-rungen, insgesamt aber dennoch höhere Preiszunahmen.Im Verlauf der folgenden Monate bis April 2002 stiegen diePreise auch hier weniger stark an, und bis zum Jahresendeflachte der Preisauftrieb weiter ab. Im Dezember 2002 warmit 1,1% ein geringerer Preisanstieg im Vergleich zum Vor-jahresmonat (1,7%) zu registrieren. Wohl ursächlich für diedurchschnittlich verhaltene Preisentwicklung bei den Le-benshaltungskosten war aber der Einzelhandel und dort vorallem die Warengruppen Nahrungsmittel und alkoholfreieGetränke (– 1,0%) sowie Bekleidung und Schuhe, bei de-nen zum Jahresschluss 2002 sogar Preisrückgänge fest-zustellen waren (vgl. Tab. 2).

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang sind nebenpreisrelevanten Entwicklungen vor allem strukturelle Ver-änderungen im Einzelhandel insgesamt. Die rückläufigeUmsatzentwicklung im gesamten Einzelhandel liegt nichtnur an den ungünstigen konjunkturellen Rahmenbedin-gungen, sondern ist mehr und mehr auch auf Struktur-verschiebungen zurückzuführen. Dem zunehmenden Kreisder älteren Kunden mit beispielsweise höheren Ausgabenfür Gesundheit und Altersvorsorge stehen höhere An-sprüche insbesondere der jüngeren Konsumenten in denBereichen Verkehr, Wohnung und Freizeit sowie Urlaubgegenüber, so dass das klassische Einzelhandelsangebotin seiner Struktur in vielen Fällen nicht mehr der aktuellenNachfrage der privaten Haushalte entspricht. Viele Kon-sumausgaben gehen weitgehend am klassischen Einzel-handel vorbei, so dass der Anteil des Einzelhandelsum-satzes an den gesamten Konsumausgaben sich von rund40% im Jahr 1980 auf etwa ein Drittel in 2001 verringerthat (vgl. Greipl und Täger 2001). Um dieser strukturell be-dingten Ausgabenverlagerung der privaten Haushalte bei

der Nachfrage nach Waren im Einzelhandel besser be-gegnen zu können, versuchen vor allem die großen Ein-zelhandelsunternehmen, sich immer stärker auf die Ent-wicklung von neuen Waren- und Dienstleistungsangebo-ten für Güter der Unterhaltung und Freizeit zu konzentrie-ren. Diese zum Teil sehr speziellen Produktgruppen tra-gen wesentlich zur Individualisierung der Nachfrage vonKonsumenten mit relativ hoher Kaufkraft bei.

Entwicklung der Einzelhandelspreise im Vergleich zu den Lebenshaltungskosten

In der Übersicht zeigen die Veränderungen bei den Einzel-handelspreisen sowie den Lebenshaltungskosten im Jah-resverlauf 2002 eine nur leicht ansteigende und zum Teilsogar fallende Tendenz. Dabei muss allerdings deutlich dar-auf hingewiesen werden, dass es sich um Durchschnitts-preise über größere Warengruppen handelt, in denen mög-licherweise (kurzfristige) stärkere Preissteigerungen einzel-ner Güter und das Agieren einzelner »schwarzer Schafe« inder großen Mehrheit wettbewerbskonformer Verhaltens-weisen nicht ausreichend zum Ausdruck kommen. Ähnli-ches gilt für die Entwicklung in der Lebenshaltung, wobeiaber die Kosten der Lebenshaltung, und zwar besondersin solchen Bereichen, die nicht zum Einzelhandel gehören,deutlich stärker anstiegen. Der Anstieg der Gesamtindizesim Einzelhandel und in der Lebenshaltung geben Auskunftüber die unterschiedlich schnellen Veränderungen (vgl.Tab. 3). Dennoch hielt sich in der Bevölkerung die Diskus-sion um den »Teuro«-Effekt und der Eindruck »gefühlter«Preissteigerungen, die im Wesentlichen überdurchschnitt-lich hohen Preisanstiegen einzelner Güter im Einzelhandelzugeschrieben wurden. Im Folgenden sollen die dafür maß-

T a b . 2 P r e i s i n d e x / ( V e r ä n d e r u n g a ) ) f ü r d i e L e b e n s h a l t u n g a l l e r p r i v a t e n H a u s h a l t e n(1995 = 100)

Indexentwicklung

Jahr/Monat

Gesamtindex

(1 000)

Nahrungsmittelund alkoholische

Getränke131,26

(Indexanteil)

Wohnung, Wasser,Strom, Gas und

andere Brennstoffe274,77

(Indexanteil)

Verkehr

138,82(Indexanteil

Beherbergungs-und Gaststätten-diensteistungen

46,8(Indexanteil)

2001b) 109,6 (2,5) 105,8 (4,5) 114,2 (3,0) 117,2 (3,2) 108,0 (1,7)

2002b) 111,0 (1,3) 106,8 (0,9) 115,0 (0,7) 119,4 (1,9) 111,9 (3,6)

Dezember 2001 109,6 (1,7) 106,2 (4,7) 114,0 (1,0) 115,6 (1,2) 108,0 (2,1)

Januar 2002 110,6 (2,1) 108,9 (5,8) 114,6 (1,1) 116,9 (1,6) 109,9 (3,7)

Februar 2002 110,9 (1,7) 108,4 (4,9) 114,7 (0,9) 117,7 (0,5) 110,4 (3,6)

März 2002 111,1 (1,8) 108,2 (3,7) 114,9 (1,1) 119,0 (1,5) 110,3 (3,7)

April 2002 111,2 (1,6) 108,1 (2,1) 115,0 (0,9) 120,4 (2,0) 110,8 (3,2)

Dezember 2002 110,8 (1,1) 105,1 (−1,0) 115,2 (1,1) 119,5 (3,4) 111,5 (3,2)a) Veränderung gegenüber dem entsprechenden Vorjahresergebnis in Prozent. - b) Jahresdurchschnittszahlen.

Quelle: Preisindizes für die Lebenshaltung (Eilbericht), Statistisches Bundesamt, Fachserie 17/Reihe 7, Dezember 2002.

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Daten und Prognosen 27

geblichen Gründe in Konjunktur, Kaufkraft und Handel kurzangesprochen werden.

Entwicklungen in Konjunktur, Kaufkraft und Handel

Nach einer konjunkturellen Erholung in der ersten Jahreshälf-te 2002 gerieten weltweit die Stimmung und das Konsumkli-ma der Verbraucher ab dem Sommer 2002 vor allem aufgrunddes aufkommenden Konflikts im Mittleren Osten in eine er-neute Schwächephase. Die damit verbundenen wirtschaft-lichen und politischen Unsicherheiten führten zu den bekanntenheftigen Kursrückgängen an den Börsen und zum Anstieg derRohölpreise. Die hieraus resultierenden negativen Vermö-genseffekte und erschwerten Finanzierungsbedingungen wirk-ten sich hemmend auf die Konsumbereitschaft der Verbrau-cher und die Investitionsneigung der Unternehmen aus. DerIndikator für das Weltwirtschaftsklima des vierteljährlich vomifo Institut durchgeführte World Economic Survey lag im Okt-ober 2002 mit einem Stand von 86,8 Punkten (1995 = 100)deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt von 93,9 (vgl.CESifo, Ifo World Economic Survey 2002).

In Deutschland stieg das reale Bruttoinlandsprodukt im Jah-resdurchschnitt 2002 um geschätzte 0,2% an, was praktischeiner Stagnation entspricht. Das Geschäftsklima für die ge-werbliche Wirtschaft scheint zwar nach einer über halbjähri-gen kontinuierlichen Eintrübung im Januar 2003 einen Tief-punkt gefunden zu haben und im Verarbeitenden Gewerbesind die Auftragseingänge leicht nach oben gerichtet, dieImpulse beruhen aber vornehmlich auf der nach wie vor ho-hen Auslandsnachfrage. Neben den weltwirtschaftlichen Un-sicherheiten mit ihren Rückwirkungen auf Deutschland be-

einflussten ab Herbst 2002 vor allem die An-kündigung der Bundesregierung, in größeremUmfang (Verbrauchs-)Steuern und Sozialab-gaben zu erhöhen, zusätzlich das Konsum-klima. Der antizipierte Kaufkraftentzug durchSparmaßnahmen und Abgabenerhöhungender verschiedenen Gebietskörperschaftenwirkte restriktiv auf die Konsum- und Investi-tionsneigung von Verbrauchern und Unter-nehmen.

Auch die Entwicklung des privaten Ver-brauchs blieb in 2002 mit nominal 0,9% er-heblich hinter den Erwartungen zurück (vgl.Sinn et al. 2002). Maßgeblich hierfür war,dass zum ersten Mal seit 1992 die Kaufkraftder privaten Haushalte – gemessen am realverfügbaren Einkommen – abgenommenhat. Außerdem stieg die Sparquote aufgrunddes zunehmenden Vorsorgesparens an. Al-les in allem sank der private Konsum real um0,5%, was einem aus konjunktureller Sicht

ähnlich schlechten Ergebnis zuletzt im Jahr 1982 entspricht.

Aufgrund der Konjunkturschwäche und des daraus resul-tierenden schlechten Konsumklimas haben sich nach vor-läufigen Angaben des Statistischen Bundesamts in 2002 dieUmsätze im Einzelhandel rückläufig entwickelt. Insgesamtmuss der Einzelhandel für das Jahr 2002 ein nominales Um-satzminus in der Größenordnung von 2,5% (real – 2%) ver-kraften. Der inhabergeführte Facheinzelhandel mit Lebens-mitteln musste in einem unter extremem Wettbewerbsdruckstehenden Markt überdurchschnittlich hohe Minusraten ineiner Größenordnung von nominal 5 bis 8% hinnehmen.Selbst Nischenmärkte mit Naturkostprodukten aller Art, diegenerell über eine kaufkräftige Kundschaft verfügen, dürf-ten nach Jahren beträchtlichen Wachstums kaum noch Um-satzzunahmen verzeichnet haben. Die Discounter konntendagegen mit vehementen Niedrigpreis- und Werbeaktivitä-ten ein Plus in der Größenordnung von nominal 8% erzie-len. Der Marktanteil der filialisierten Discounter mit ihrempreisgünstigen Angebot macht damit inzwischen etwa einDrittel des Lebensmittelmarkts aus.

Fazit

Angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheiten in Deutsch-land bestehen anhaltende Konjunktur-, Konsum- und In-vestitionsschwächen. Sie sind vor allem auf die hohe undvermutlich noch steigende Arbeitslosigkeit, die Vermö-gensverluste der privaten Haushalte an der Börse, das wach-sende Bewusstsein, dass für die soziale Sicherung der Zu-kunft zunehmend auch eigene Zusatzleistungen aufgebrachtwerden müssen, die wirtschaftlichen Folgen der Attentatedes 11. September und den gegenwärtig drohenden Krieg

Tab. 3Gesamtindices (Veränderung a)) Einzelhandelspreise/Lebens-haltungskosten (1995 = 100)

Gesamtindex GesamtindexIndexentwicklungJahr/Monat Einzelhandelspreise Lebenshaltungskosten

Insge-samt

Verän-derung

Insge-samt

Verän-derung

1995 100,0 . 100,0 .

1996 100,8 0,8 101,4 1,4

1997 101,3 0,5 103,3 1,9

1998 101,7 0,4 104,3 1,0

1999 101,9 0,2 104,9 0,6

2000 103,0 1,1 106,9 1,9

2001 104,6 1,6 109,6 2,5

2002 105,3 0,7 111,0 1,3a) Veränderung gegenüber dem entsprechenden Vorjahresergebnis inProzent.

Quelle: Statistisches Bundesamt, Preisindices für die Lebenshaltung,Fachserie 17/Reihe 7, Dezember 2002.

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Daten und Prognosen

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um den Irak sowie steigende Steuern und Abgaben zu-rückzuführen. Bei nur leichtem Anstieg bzw. teilweise so-gar einem Rückgang der Einzelhandelspreise und der Le-benshaltungskosten ist für 2002 kein »Teuro«-Effekt im ge-samten Preisniveau des Einzelhandels festzustellen. Aller-dings sind die Lebenshaltungskosten insgesamt im Vergleichzu den Einzelhandelspreisen seit dem Basisjahr 1995 deut-lich stärker angestiegen und bewegen sich auf einem we-sentlich höheren Niveau. Insofern hat der Einzelhandel imRahmen der Lebenshaltungskosten insgesamt eher einendeutlich dämpfenden Einfluss auf die gesamte Preisent-wicklung ausgeübt. Dabei muss allerdings darauf hinge-wiesen werden, dass es sich um Durchschnittspreise überganze Waren- und Dienstleistungsgruppen handelt, in de-nen möglicherweise (kurzfristige) stärkere Preissteigerungeneinzelner Güter und das Agieren einzelner »schwarzer Scha-fe« in der großen Zahl der aktiven Marktteilnehmer nicht aus-reichend zum Ausdruck kommen.

Nach Berechnungen und Schätzungen des ifo Instituts wirdsich für 2003 kein belebender Umsatzverlauf im Einzelhan-del ergeben. Infolge der ungünstigen und strukturellen Rah-menbedingungen im Rahmen des Einzelhandels und derLebenshaltung insgesamt ist für den Einzelhandel mit einemweiteren leichten Umsatzminus in der Größenordnung vonrund 1% zu rechnen. Für das zweite Halbjahr 2003, wenndie Konsumenten mehr Informationen über ihre aktuellensowie künftigen Belastungen und deren Auswirkungen fürdie Daseinsvorsorge verfügen, kann allerdings eine leicht po-sitive Entwicklung im Einzelhandel erwartet werden.

Literatur

CESifo, Ifo World Economic Survey (2002), 1 (4), December.Greipl, E. und Uwe Chr. Täger (2001), »Handels- und wettbewerbspolitischeEntwicklungen der deutschen und europäischen Warendistribution«, ifoSchnelldienst 54 (19), 27–39.Sinn, H.-W., W. Nierhaus, W. Meister, O.-E. Kuntze und J.-E. Sturm (2002),»ifo Konjunkturprognose 2003: Nur zögerliche Belebung«, ifo Schnelldienst 55(24), 22–44.

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Die markante Investitionszurückhaltungder Unternehmen im vergangenen Jahrhat auch in der Leasingbranche kräftigeBremsspuren hinterlassen, wie der jüngs-te Konjunkturtest bei den Leasingunter-nehmen zeigt. Bereits seit fast zwei Jah-ren ist der Stimmungsindikator – mit Aus-nahme des ersten Quartals 2002 – ab-wärts gerichtet. Das Geschäftsklima, dasgeometrische Mittel aus Geschäftslageund Geschäftserwartungen, fiel im vier-ten Quartal 2002 auf den niedrigsten Wertseit Beginn der Umfrage im Jahr 1990und erreichte zum Jahresende ein neu-es »All time low« (vgl. Abb. 1). Dies lag inerster Linie an den deutlich weniger zu-versichtlichen Geschäftserwartungen, beider Beurteilung der aktuellen Geschäfts-lage gewannen die positiven Einflüsse da-gegen etwas an Gewicht. Fast jedes fünf-te Leasingunternehmen bewertete imvierten Quartal die Lage als günstig, 69%als befriedigend, und 12% der Testteil-nehmer empfanden ihren augenblick-lichen Geschäftsverlauf als schlecht. DieUrteile liegen aber noch weit vom ver-gleichbaren Vorjahreswert entfernt (persaldo + 7% gegenüber + 24% im 4. Quar-tal 2001). Der Optimismus in den Erwar-tungen für das erste Halbjahr 2003 hatkräftig nachgelassen, mit per saldo + 10%hatten die zuversichtlichen Stimmen nurnoch ein geringes Übergewicht. 30% derTestteilnehmer erwarten einen günstige-ren Geschäftsverlauf, jeder fünfte ist aberskeptisch.

Nachdem die Leasingunternehmen imersten Quartal 2002 erstmalig mit einemspürbar rückläufigen Neugeschäft kon-frontiert wurden, blieben auch die Ergeb-

nisse des zweiten, dritten und viertenQuartals deutlich hinter den Vorjahres-werten zurück. Allerdings hat sich der Ab-wärtstrend nicht weiter beschleunigt. Diepositiven Erwartungen im dritten Quartal

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Geschäftsklima auf neues Tief

Joachim Gürtler und Arno Städtler

Leasing: Stark eingetrübte Erwartungen drücken

Die Besorgnis erregende Investitionsschwäche in Deutschland hält noch immer an. Im Jahr

2002 reduzierten sich die Ausgaben für Ausrüstungsgüter und sonstige Anlagen nach Anga-

ben des Statistischen Bundesamtes nominal um rund 6,5%, nach – 4,3% in 2001. Die Inves-

titionen erweisen sich damit weiter als die Achillesferse der Konjunkturentwicklung. Aus-

schlaggebend hierfür sind die gering ausgelasteten Produktionskapazitäten bei weiterhin

labiler Gesamtnachfrage und die Unsicherheit bezüglich der künftigen wirtschaftlichen Ent-

wicklung, hinzu kommen verstärkte Finanzierungs- und Ertragsprobleme vieler mittelständi-

scher Unternehmen, die Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe sowie die anhal-

tend schwachen Aktienbörsen. Last but not least ist die große Verunsicherung der Investo-

ren durch das Steuerpaket der Bundesregierung zu nennen.

Abb. 1

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Daten und Prognosen

i fo Schne l ld ienst 4/2003 – 56. Jahrgang

2002 haben sich bei den Leasingunternehmen offenbar er-füllt, zum Jahresende hin verbuchten die Unternehmen wohleine leichte Zunahme beim Neugeschäft. Gegenüber demvergleichbaren Vorjahr dürfte das Plus sogar noch einen»Tick« höher gelegen haben, offenbar prägten gewisse Vor-zieheffekte das relativ gute Quartalsergebnis. Erstmals seit1994 verfehlt das Neugeschäft im Mobilien-Leasing im Jah-resdurchschnitt das Vorjahresergebnis, und zwar in einerGrößenordnung von gut 2% (Städtler 2002). Gleichwohl dürf-te die Leasingquote 2002 weiter gestiegen sein (über 22%).Diese neuerlichen Marktanteilsgewinne sind nicht zuletztauch auf die zurückhaltendere Kreditvergabe des Banken-sektors gegenüber mittelständischen Unternehmen zu-rückzuführen.

In Bezug auf das künftige Neugeschäft ist der bisherigeOptimismus aber von deutlicher Skepsis abgelöst worden.Die Diskussion zur »Leasingsteuer« und zur »Dienstwa-genbesteuerung« hat die Testteilnehmer wohl veranlasst,die Entwicklung des Neugeschäfts vorsichtig einzuschät-zen. Nur noch 21% der Leasinggesellschaften erwartenin den nächsten Monaten ein höheres Neugeschäft, jederzweite rechnet mit einer gleichbleibenden Entwicklung,aber 29% der Testteilnehmer befürchten eine weitere Ab-nahme.

Nach wie vor etwas günstiger scheint die aktuelle Ge-schäftslage im Kraftfahrzeug-Leasing zu sein. Der Ge-schäftsverlauf hat sich im Berichtszeitraum sogar noch ver-bessert, per saldo sprachen zwei von fünf Testteilnehmernvon einem günstigen Geschäftsverlauf. Dennoch lassen dieAuftragsbücher vieler Unternehmen zu wünschen übrig, dasNeugeschäft ist sowohl gegenüber dem Vorquartal als auchdem Vorjahresquartal etwas deutlicher zurückgegangen alsim Durchschnitt der Leasingbranche. Die Geschäftsaus-sichten für das erste Halbjahr 2003 waren wieder stärkervon Optimismus geprägt, gleichwohl dürfte das Neugeschäftin den ersten Monaten 2003 aber noch rückläufig sein.

Zwei von drei Leasinggesellschaften klagen mittlerweile überBehinderungen der Geschäftstätigkeit. Das nachlassendeNeugeschäft macht zwar den Unternehmen immer nochschwer zu schaffen, die Sorgen über schwach gefüllte Auf-tragsbücher stehen aber nicht mehr an erster Stelle. NachAnsicht der Testteilnehmer boten zwar die fehlenden Auf-träge im vierten Quartal 2002 etwas weniger Anlass zur Kri-tik, fast 40% der Unternehmen klagten aber immer nochdarüber. Behinderungen durch rechtliche und steuerlicheRahmenbedingungen erhöhten sich dagegen kräftig undstehen dabei an erster Stelle: 43% der Testteilnehmer fühl-ten sich zuletzt davon betroffen. Sowohl die »Leasingsteu-er« als auch die »Dienstwagensteuer« dürften hierfür ver-antwortlich sein. Die konjunkturelle Entwicklung hat denFachkräftemangel von Leasingexperten fast vergessen las-sen, nur noch vereinzelt waren diese Klagen zu hören (4%

gegenüber 22% im entsprechenden Vorjahresquartal). Re-finanzierungsprobleme blieben mit 12% der Nennungen un-verändert, sonstige Einflussgrößen spielten nach wie vor kei-ne Rolle (3%).

Beschäftigung tendiert leicht nach oben

Nachdem das Beschäftigungswachstum in der Leasing-branche bis zur Jahresmitte 2002 – wenn auch mit Unter-brechungen – spürbar an Schwung verlor, tendieren zu-mindest die geglätteten Werte nach oben. Nach den ak-tuellen Befragungsergebnissen hatten im vierten Quartal2002 45% der Leasingunternehmen Personal eingestellt,dem standen aber 16% mit Personalentlassungen gegen-über, 39% der Testfirmen konnten ihr Personal halten. Ins-gesamt erhöhte sich damit vorübergehend die Zahl der Be-schäftigten um rund 1%. Dabei fällt auf, dass die kleine-ren Gesellschaften ihr Personal in etwa halten konnten, diegrößeren dagegen Personal einstellten. Als Trendwendeam Arbeitsmarkt ist diese vorübergehende Verbesserungaber noch nicht zu interpretieren: Die Erwartungen für dienächste Zeit sind nach wie vor von Vorsicht geprägt, po-sitive und negative Stimmen halten sich lediglich die Waa-ge. Die überwiegende Mehrheit der Testteilnehmer (78%)geht davon aus, dass sich die Zahl der Beschäftigten inden nächsten Monaten im Großen und Ganzen kaum ver-ändern wird (vgl. Abb. 2).

30

Abb. 2

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Daten und Prognosen

Gesamtwirtschaftliche Ausrüstungsinvestitionen:Prognose extrem schwierig

Das Steuerpaket der Bundesregierung und die nach wie vorsehr verhaltene Konjunkturentwicklung haben bei den In-vestoren zu einer fehlenden Planungssicherheit und zu ei-nem ausgeprägten Attentismus geführt. Es werden nur diewichtigsten Anschaffungen getätigt und die zyklischen Auf-wärtstendenzen dadurch unterdrückt. Das Geschäftsklimader Leasinggesellschaften, das zusammen vom ifo Institutund dem Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen(BDL) ermittelt wird, korreliert meist sehr eng mit der allge-meinen Investitionsentwicklung, da die Leasinggesellschaf-ten alle Arten von Investitionsgütern an alle Sektoren derWirtschaft vermieten und die Leasingquote für Mobilien mitgut 22% recht hoch ist.

Das ifo Geschäftsklima Leasing verschlechterte sich ab demzweiten Quartal 2002 deutlich und hat im vierten Quartal so-gar einen neuen Tiefpunkt erreicht, obwohl die Geschäfts-lageurteile der Leasinggesellschaften etwas besser ausge-fallen waren als zuvor, was vermutlich auch mit gewissenVorzieheffekten von Investoren im Hinblick auf die für 2003geplanten Maßnahmen der Bundesregierung zusammen-hing. Für die Klimaeintrübung waren ausschließlich die kaumnoch zuversichtlichen Geschäftserwartungen der Leasing-gesellschaften für das erste Halbjahr 2003 verantwortlich.Diese sind in erster Linie von den Steuerplänen der Regie-

rung beeinflusst, die die Leasingbranche überproportionalbelasten würden. Sowohl die »Leasingsteuer« als auch die»Dienstwagensteuer« würden hier massiv zu Buche schla-gen. Der scheinbare Widerspruch zwischen dem aktuellenVerlauf des Leasing-Geschäftsklimas und der Entwicklungder gesamtwirtschaftlichen Ausrüstungsinvestitionen im drit-ten und vierten Quartal 2002 ist auf diese besonders star-ken Auswirkungen des Steuerpakets auf das Leasingge-schäft zurückzuführen. Die Unsicherheit ist so groß, dasserstmals seit 25 Jahren weder vom BDL noch vom ifo Ins-titut eine Prognose für das Leasingneugeschäft des Jahres2003 abgegeben werden konnte.

Sollten die Maßnahmen der Bundesregierung, euphemis-tisch »Steuervergünstigungsabbaugesetz« genannt, tat-sächlich umgesetzt werden, so muss für die Leasingbran-che in 2003 mit einem kräftigen Minus im Neugeschäft ge-rechnet werden. Das würde auch die gesamtwirtschaftlichenAusrüstungsinvestitionen tangieren, denn Leasinginvestitio-nen können derzeit gar nicht in nennenswertem Umfang wie-der vom Investitionskredit der Banken substituiert werden.

Sollte das Steuerpaket allerdings alsbald zurückgezogenwerden, so ist damit zu rechnen, dass sich die seit drei Quar-talen aufwärts gerichtete Entwicklung der Ausrüstungsin-vestitionen fortsetzt und eventuell schon im zweiten Quar-tal 2003 eine positive Veränderungsrate erreicht wird (vgl.Abb. 3). Im Jahresdurchschnitt könnte dann das vom ifoInstitut prognostizierte nominale Wachstum von reichlich 3%realisiert werden. Zugleich würde dann der Leasing-Ge-schäftsklimaindex bei der nächsten Erhebung wohl einenkräftigen Sprung nach oben machen.

Literatur

Städtler, A. (2002), »Leasing im Sog der Investitionsflaute – Trotz Einbußenim Neugeschäft werden Marktanteilsgewinne realisiert«, ifo Schnelldienst 55(22), 34–42.

31

Abb. 3

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Das politische und soziale Umfeld war2002 geprägt von der anhaltendenSchwäche der Sozialdemokraten, wäh-rend sich die im Herbst 2001 ans Rudergelangte bürgerliche Regierungskoalitiongut etablieren konnte. Kurz danach büß-te die tradierte Einkommenspolitik ihreGrundlage ein. Heuer und in den kom-menden Jahren könnte die seit dem Be-ginn der siebziger Jahre das Land spal-tende Frage des Beitritts zur EU, wennauch unter internen Spannungen, über-raschend zu einer neuen Position führen.

Die im zwanzigsten Jahrhundert das po-litische Leben dominierende sozialde-mokratische Arbeiderparti erlitt bei denParlamentswahlen vom September 2001eine schwere Niederlage und konnte nurnoch 24,4% der Stimmen auf sich verei-nigen. Von diesem Rückschlag hat sie sichnoch nicht erholt; gemäß Umfragen unter-stützen sie nur noch 15 bis 20% der Wäh-ler. Damit wird sie von der deutlich links-stehenden Sosialistisk Vensterparti hartbedrängt. 2002 wurde das Formtief durcheinen in der Öffentlichkeit ausgetragenen,auch als Generationenkonflikt zu verste-henden Streit innerhalb der Parteispitzeunterstrichen. Nach einer längeren Pha-

se der Schuldzuweisungen begann derden Traditionalisten zuzurechnende Par-teichef Jagland einen Disput um den Par-teivorsitz mit dem als Erneuerer gelten-den Fraktionsvorsitzenden und Wahlver-lierer Stoltenberg. Letzterer ist zwar im vo-rigem Herbst Parteichef geworden. Dochdamit geht die Konsolidierung und derNeuaufbau der Arbeiderparti erst los. Bisdieser nicht abgeschlossen ist, und daskann Jahre dauern, dürfte das der rech-ten Mitte zuneigende Regierungsbünd-nis im Sattel bleiben. Unter dem Pre-mierminister Bondevik koalieren dessenChristliche Volkspartei, die konservativeHöyre sowie die kleine liberale Venstre.Diese drei Parteien haben indes nur62 von 165 Sitzen im Storting. Minder-heitsregierungen sind wie in Dänemarkund in Schweden auch in Norwegenschon lange die Norm. Mehrheiten wer-den von Fall zu Fall gebildet; der Staats-haushalt 2003 wurde z.B. mit Hilfe derrechtsstehenden Fremskrittspartiet ver-abschiedet. Sprengstoff innerhalb der Ko-alition bildet u.a. die in der Koalitionsver-einbarung tabuisierte, in der öffentlichenDiskussion seit einiger Zeit aber wiederhoch aktuelle Frage des EU-Beitritts. Auchdas Erstarken der Immigranten gegen-über kritischen Fortschrittspartei, die Um-fragen zufolge bei bis zu einem Viertel derWähler auf Sympathien stößt, bereitetProbleme.

Die innerhalb der Koalition mit Tabu be-legte Frage des EU-Beitritts könnte indesin absehbarer Zeit eine Stellungnahme derRegierung erzwingen, nachdem es imLande diesbezüglich bis zum Herbst 2002ruhig geblieben war. Doch erstens wer-den zunehmend die wirtschaftlichenNachteile eines Abseitsstehens auch vonder traditionell euroskeptischen, vonLandwirtschaft und Fischerei lebendenBevölkerung erkannt. Zweitens sind dieSpannungen zwischen EU und Norwegenso gewachsen, dass sich eine grundle-

Oscar-Erich Kuntze

Norwegen: Doch noch Beitritt zur Europäischen Union?

Moderates Wirtschaftswachstum 2002 und 2003. Deutliche Konjunkturerholung 2004. Geld-,

Finanz- und Lohnpolitik stimulieren. Überhöhter Wechselkurs der Krone bremst kräftig. Stei-

gende Chancen für einen Beitritt zur EU. Immer noch günstige Lage auf dem Arbeitsmarkt.

Rascherer Preisanstieg. Weiterhin sehr hohe Überschüsse der Leistungsbilanz.

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Daten und Prognosen 33

gende Neuorientierung aufdrängt. Und drittens ergeben dieResultate von Meinungsumfragen seit einigen Monaten ei-ne Zweidrittelmehrheit der Befürworter. Einen unerwarteten,kräftigen Stimmungsumschwung hatte es auch in Schwe-den Mitte der neunziger Jahre nach jahrzehntelanger Euro-paskepsis gegeben.

Mit den im Frühjahr 2002 erfolgten, weit überhöhten Tarif-abschlüssen für den privaten Sektor und für die öffentlichBediensteten ist die seit Mitte der neunziger Jahre die Unter-nehmerverbände, Gewerkschaften und Staat verbindendekorporativistische Klammer endgültig obsolet geworden.Und es ist nicht zu erkennen, wie die überfällige Lohnmäßi-gung in diesem traditionell konsensual bestimmten Land aufantagonistischem Wege ohne schwere politische und volks-wirtschaftliche Reibungsverluste herbeigeführt werden kann.

Von der Wirtschaftspolitik erhält die Konjunktur 2003 und2004 Anstöße. Dabei steht nicht mehr der 2002 dominie-rende Spagat zwischen expansiv ausgerichteter Finanz- undstabilisierungsorientierter Geldpolitik im Mittelpunkt, sonderndie auch 2004 noch exzessiven Lohnerhöhungen sowiedie für Unternehmen auf dem Festland exportdämpfende,ausgeprägte Überbewertung der Krone. Der jahrelange Dis-sens zwischen Finanz- und Geldpolitik ist heuer gemildert,da die Zentralbank im vergangenen Herbst auf einen weni-ger restriktiven Kurs eingeschwenkt ist. Damit wird zwar demüberhöhten Wechselkurs der Krone entgegengewirkt. Aberdessen in der Vergangenheit zu beobachtende Volatilitätresultiert nur teilweise aus Zinsdifferenzen. Vielfach reflek-tieren sie die Spekulation auf steigende oder sinkende Öl-preise etc., denen mit der klassischen Wechselkurspolitiknicht beizukommen ist. Die Lohnentwicklung für 2003 istweitgehend determiniert, und es gibt keine Anzeichen für ei-ne nennenswerte lohnpolitische Mäßigung im Jahre 2004.Integrationspolitisch sind jedoch Überraschungen möglich,mit erheblichen Rückwirkungen auch auf das soziale undpolitische Umfeld.

Wirtschaftsentwicklung 2002

Die weltwirtschaftlichen Rahmendaten stellten sich etwafolgendermaßen dar: In den Vereinigten Staaten stieg dasreale Bruttoinlandsprodukt um 21/2%. In Japan entsprachenNachfrage und Produktion annähernd den Volumina von2001. In Mitteleuropa expandierte die gesamtwirtschaftli-che Erzeugung um fast 21/2%. In Westeuropa, wie auch inder EU, nahm das reale Bruttoinlandsprodukt um knapp 1%zu; im Euro-Raum stieg es um gut 3/4% und in Deutschlandum 1/4%. Der Einfuhrpreis für Rohöl betrug in den westlichenIndustrieländern im Jahresdurchschnitt ca. 25 US-Dollar proBarrel; gegenüber dem Vorjahr ist das eine Verteuerung umrund 4%. Industrierohstoffe (ohne Öl) verbilligten sich gegen-über dem Jahr 2001 auf Dollar-Basis um etwa 3%. Der

Wechselkurs des Euro betrug im Schnitt des Jahres0,95 US-Dollar; im Jahre 2001 waren es 0,90 US-Dollargewesen. Das Volumen des Welthandels hat gegenüber2001 um 23/4% expandiert.

In Norwegen haben weltwirtschaftliche Flaute, kräftig über-bewertete Krone und restriktive Geldpolitik die konjunktu-relle Entwicklung stärker geprägt als expansive Finanz- undLohnpolitik. Das reale Bruttoinlandsprodukt nahm ver-mutlich – die vorläufigen Zahlen werden erfahrungsgemäßnoch revidiert – um etwa 11/4% und damit etwa dem west-europäischen Durchschnitt entsprechend zu. Dahinter stehtein Anstieg im ersten Halbjahr, gefolgt von einem leichtenRückgang. Obwohl bei den öffentlichen Investitionen Gegen-steuer gegeben wurde, sind die Bruttoanlageinvestitionenauf dem Festland eingebrochen; das gilt besonders für dieUnternehmensinvestitionen, da die preisliche Wettbe-werbsfähigkeit gegenüber der Auslandskonkurrenz durchstarke Lohnanhebungen und die kräftige Aufwertung derKrone erheblich gelitten hat. Der private Konsum expan-dierte hingegen – stimuliert vom starken Reallohnanstiegund von Steuersenkungen – deutlich, obwohl sich die Spar-quote spürbar erhöhte und die Lage auf dem Arbeitsmarktweniger günstig geworden ist (Arbeitslosenquote 3,9% imJahresdurchschnitt). Die Ausfuhr hat gegenüber 2001 an-nähernd stagniert, und der Import nahm etwas zu. Vor al-lem dank stark verbilligter Importe sind die Konsumenten-preise bis zum Herbst langsam, dann aber schneller ge-stiegen; das Niveau von 2001 wurde um 1,3% übertroffen.Die Leistungsbilanz wies neuerlich einen sehr hohen Über-schuss aus.

Träger des wirtschaftlichen Wachstums war der Verbrauch.Der private Konsum expandierte um knapp 3%, obwohldie Beschäftigung kaum noch zunahm und die Sparquote(ca. 7%), mitbedingt durch die sehr hohen Realzinsen, deut-lich stieg. Anregend wirkten vor allem die realen verfügba-ren Einkommen infolge der um rund 31/4% erhöhten Real-löhne, der Reduktion direkter und indirekter Steuern (Ein-kommen-, Flug-, Immobilien- sowie der extrem hohen Alko-holsteuern; Halbierung des Mehrwertsteuersatzes für Nah-rungsmittel; Abschaffung der Besteuerung von Dividenden).Bei dauerhaften Gütern verschob sich die Nachfrage inso-fern, als der im Zuge des Wohnbaubooms 1999/2001 leb-hafte Absatz von Einrichtungsgegenständen mit dem kaumnoch expandierenden Wohnungsbau nachließ, während et-was mehr neue Personenautos gekauft wurden. Die Kurs-verluste an den Aktienbörsen beeinflussten das Verhalten derVerbraucher nicht nennenswert und wesentlich weniger alsin Schweden, wo im Gegensatz zu Norwegen viele Haus-halte Aktien besitzen. Außerdem ist die Bedeutung der – fürdie Aufnahme von Hypotheken wichtigen – Preise von Im-mobilien erheblich größer als jene der Aktien. Der Staats-verbrauch nahm um 21/2% zu, wesentlich bedingt durchdie hohen Lohnsteigerungen im öffentlichen Dienst.

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Daten und Prognosen

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Die Bruttoanlageinvestitionen sind um 21/4% zurückge-gangen. Die 2001 registrierte ausgeprägte Rezession re-sultierte aus der starken Verringerung der Investitionen imErdöl- und Ergassektor, während das Vorjahresniveau aufdem Festland knapp gehalten werden konnte. Nun war esumgekehrt: Im Off-shore-Bereich wurde mehr investiert, aufdem Festland sanken die Investitionen trotz abgeschaffterInvestitionssteuer spürbar, obwohl die öffentliche Hand nachder kräftigen Einschränkung 2001 erheblich mehr investierthat. Vor allem der Unternehmenssektor schränkte seine In-vestitionen ein. Dies war vor allem eine Reaktion auf diewesentlich verschlechterte preisliche Wettbewerbsfähig-keit gegenüber der ausländischen Konkurrenz im In- undAusland infolge stark steigender Lohnstückkosten sowie dererheblichen Überbewertung des Wechselkurses der Kro-ne. Nachlassender Auftragseingang, sinkende Auslastungder Kapazitäten, ungünstigere Absatz- und Ertragserwar-tungen sowie hohe Realzinsen taten ein Übriges. Hiervonwaren die Ausrüstungsinvestitionen besonders betroffen.Die Entwicklung der Baubeginne im Wohnungsneubau lässtauf einen spürbaren Rückgang im Wohnungsbau schließen,obwohl die Instandhaltungsinvestitionen erheblich ausge-weitet wurden. Diese, im Widerspruch zum kräftigen Real-einkommensanstieg der privaten Haushalte stehende Ent-wicklung erklärt sich teilweise mit dem Rückgang des sozi-alen Wohnungsbaus. Ferner ergab er sich aus dem wäh-rend der vorangegangenen Boomjahre entstandenen Über-hang an teueren Wohneinheiten, der abgebaut werdenmusste. Entscheidend dürften jedoch die hohen Realzinsen,die weniger günstige Lage auf dem Arbeitsmarkt sowie dieErwartung nur mehr schwach steigender Preise für Wohn-immobilien gewesen sein.

Der Export von Gütern und Dienstleistungen ist nur weniggestiegen. Die Lieferungen traditioneller Waren wurden durchdas schwache weltwirtschaftliche Wachstum im Allgemei-nen, den scharfen Lohnstückkostenanstieg sowie den über-höhten Wechselkurs der Krone und die weltweite Schwä-che im IT-Sektor im Besonderen behindert. Gegenüber demUS-Dollar wertete die Krone um ca. 16% auf, und die seit1998 zu beobachtende Aufwertung gegenüber den Eurosetzte sich fort. Das Resultat wäre wesentlich schlechter ge-wesen, hätten die wichtigsten Exporteure ihre Kronenprei-se nicht zu Lasten ihrer Gewinne um ungefähr 10% gesenkt,um Marktanteile zu halten. Der Absatz von Öl und Erdgas,auf den ungefähr die Hälfte der Ausfuhr von Gütern entfal-len, expandierte schwächer als zuvor; zwar wurde in neu-en Gasfeldern die Produktion aufgenommen, aber Erdöl wur-de weniger gefördert worden, weil die Produktion im erstenHalbjahr eingeschränkt und Förderanlagen im zweiten Se-mester stillgelegt wurden. Die Einfuhr ist schwach gestie-gen, weil die Käufe von Investitionsgütern kräftig sanken undExportprodukte zu einem erheblichen Teil importierte Vor-produkte und/oder Komponenten enthalten. Das Aktivumder Leistungsbilanz wies bei verschlechterten Terms of

Trade zwar gegenüber 2001 einen deutlichen Rückgang aus,blieb mit einer Größenordnung von 14% des BIP jedochaußerordentlich hoch.

Auf dem Arbeitsmarkt ist die Situation im Verlauf des Jah-res zwar stabil geblieben, gegenüber 2001 aber etwas un-günstiger geworden. Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Ar-beitslosenquote (3,9% im Jahresdurchschnitt) blieben imVerlauf fast konstant. Im industriellen Bereich gestricheneArbeitsplätze wurden durch Einstellungen im Dienstleis-tungssektor kompensiert. Auf verschiedenen Gebieten blie-ben Fachkräfte immer noch gesucht.

Die Preise sind trotz stark gesunkener Einfuhrpreise, her-abgesetzter indirekter Steuern und recht mäßigem Wirt-schaftswachstums im Verlauf des Jahres weiter gestiegen.Die Konsumentenpreise lagen um 1,3% über dem Niveauvon 2001. Ursache dieser relativ enttäuschenden Entwick-lung waren vor allem die stark gestiegenen Lohnstückkos-ten sowie die direkten und indirekten Folgen der ab Herbstrasant erhöhten Preise für elektrischen Strom (in geringeremMaße auch infolge anziehender Preise für Mineralölproduk-te) als Resultat von Wassermangel bei den Kraftwerken, gro-ßer Kälte und dem völlig deregulierten Markt für Elektrizität.

Wirtschaftspolitik

Die Konjunktur erhält von der Wirtschaftspolitik 2003 und2004 immer noch Impulse; sie dürften jedoch schwächersein als 2002. Die Finanzpolitik wirkt zwar immer noch sti-mulierend, wiewohl mit abnehmender Intensität. Ähnlichesist von der Lohnpolitik zu erwarten. Demgegenüber begin-nen die geldpolitischen Lockerungen ab Herbst 2003 an-satzweise und 2004 deutlich zu wirken; dabei geht es zu-nächst lediglich um ein allmähliches Nachlassen der sehrstraffen Zügel. Die erheblich überbewertete Krone wertetsich zunächst noch etwas auf, doch dürfte im späteren Ver-lauf von 2003 eine allmähliche Abwertung erfolgen, die sich2004 fortsetzt; infolge der zeitlichen Verzögerung entfaltetdie vorjährige starke Aufwertung erst heuer ihre retardie-rende Wirkung voll.

Die Finanzpolitik bleibt 2003 und 2004 expansiv, wenn auchmit nachlassender Intensität, wie der Staatshaushalt 2003zeigt. Wichtiges Ziel bleibt auch über 2003 hinaus die Sen-kung der (wie auch in Dänemark und Schweden) im west-europäischen Vergleich mit ca. 55% des BIP weit überhöh-te Steuer- und Abgabenbelastung, welche angesichts derjährlichen exorbitanten Haushaltsüberschüsse infolge reich-lich fließender Einnahmen aus der Erdöl- und -gasförde-rung von den Wählern nicht mehr toleriert wird. Zwar wur-den die Einkommensteuersätze nochmals herabgesetzt.Allerdings profitieren hiervon – infolge der relativ geringenmarginalen Konsumquote weniger verbrauchswirksam – vor-

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wiegend die Bezieher höherer Einkommen. Ferner wurdeneinige Verbrauchsteuern (u.a. die Besteuerung von Alkoho-lika) gesenkt. Die Bezieher von Mindestpensionen erhaltenhöhere Zuwendungen. Und schließlich wird die im viertenQuartal 2002 erfolgte Abschaffung der Investitionssteuer erstheuer voll budgetwirksam. Gleichzeitig erfolgten jedoch auchSparmaßnahmen; u.a. wurde der Selbstbehalt beim Kaufvon Medikamenten erhöht und die Arbeitslosenunterstüt-zung gekürzt. Schwerer wiegen die budgetierten Abstrichebei den geplanten Zuwendungen an Krankenhäuser, wobeihier allerdings nicht unterstellt wird, dass diese in vollem Um-fang durchzusetzen sind. Die Einnahmen aus der Öl- undErdgasförderung wurden mit 172,8 Mrd. NOK (23,7 Mrd. q)angesetzt. Hiervon werden 138 Mrd. NOK an den der Zu-kunftssicherung dienenden »Zukunftsfonds« überwiesen,dessen Vermögen sich damit Ende 2003 auf 846 Mrd. NOKbelaufen dürfte. 34,8 Mrd. NOK werden in den Staats-haushalt 2003 eingestellt. Damit wird bereits sehr schnellgegen die erst 2002 eingeführten »Neuen Haushaltsregeln«verstoßen. Diese besagen, dass lediglich die rechnerischenZinsen des »Zukunftsfonds« in Höhe von 4% für die Deckungdes um die Öl- und Gaseinnahmen bereinigten Etatdefizitsherangezogen werden dürfen. Heuer wird der hierdurchgesetzt Rahmen um gut 4 Mrd. NOK überschritten. Mäßi-ges Wirtschaftswachstum bei gleichzeitigen Steuerentlas-tungen dürfte zu einem weiteren Rückgang des Haushalts-überschusses auf eine Größenordnung von 10% des BIPführen.

Die Geldpolitik ist immer noch deutlich restriktiv, obwohl dieZentralbank auch mit Blick auf die lahmende Konjunktur ih-ren Leitzins (Satz für Depositen der Geschäftsbanken beider Notenbank) im Dezember 2002 sowie im Januar 2003um jeweils 1/2 Prozentpunkt auf nunmehr 6% herabgesetzthat; im vergangenen Juli war er auf 7% angehoben wor-den, nachdem man ihn im Zuge der Ereignisse vom Sep-tember 2001 auf 6,5% gesenkt hatte. Norges Bank ver-

folgt seit Mai 2001 ein Inflationsziel, nachdem sich die vor-her angestrebte Wechselkursstabilität der Krone gegenüberdem Euro nicht realisieren ließ. Dieses stellt darauf ab, denAnstieg der Verbraucherpreise mittelfristig auf 2,5% p.a. zubegrenzen. Dahinter steht die Vorstellung, der Wechsel-kurs der Krone könne gegenüber dem Euro am leichtestenstabil gehalten werden, wenn der Preisauftrieb in Norwegenetwa jenem im Euro-Raum gleicht. Die jüngste Lockerungder monetären Zügel sowie die wahrscheinlichen weiterenzwei Zinssenkungen erscheinen angemessen. Denn die Kon-sumentenpreise stiegen 2002 im Jahresdurchschnitt nur um1,2%, die konjunkturelle Entwicklung ist schwach, die mas-sive Überbewertung der Krone wird nur langsam korrigiertwerden, die Finanzpolitik ist weniger expansiv als im vorigenJahr, der führende Gewerkschaftsbund LO hat sich gegen-über der Regierung zur Lohnmäßigung bereit erklärt, unddie Absatz- und Ertragsaussichten der Unternehmen aufdem Festland haben sich infolge von Aufwertung und star-kem Lohnanstieg massiv verschlechtert, mit negativen Aus-wirkungen auf die Investitionstätigkeit. Sobald jedoch die In-flation infolge von anziehender Konjunktur und sinkendemWechselkurs der Krone spürbar steigt, dürfte die Zentral-bank das geldpolitische Ruder wieder herumlegen. Dieseswird jedoch kaum vor Anfang 2004 der Fall sein, so dass dieKonjunktur ab Herbst 2003 von der monetären Seite güns-tig beeinflusst wird und restriktive Wirkungen frühestens ge-gen Ende kommenden Jahres zu erwarten sind.

Die Lohnpolitik bildet zusammen mit der Wechselkurspoli-tik seit dem Jahre 2000 die wirtschaftspolitische Achilles-ferse. Die auch den Lohnanstieg 2003 weitgehend deter-minierende Lohnrunde 2002 war mit Gehaltserhöhungenvon 5% in der Privatwirtschaft und 6% im öffentlichen Dienstweit überzogen. Heuer steigen die Arbeitsentgelte in etwagleichem Ausmaß. Im Jahre 1999 konnte an den in der ers-ten Hälfte der neunziger Jahre in punkto Lohn- und Preis-stabilisierung so erfolgreichen Sozialpakt (»Solidaritätsiniti-

ative«) angeknüpft werden. Extreme Ge-haltserhöhungen und Aktienoptionszutei-lungen, welche sich Manager vor allem gro-ßer Unternehmen zugestanden hatten, pro-vozierten indes – wie in den Niederlandenauch – hohe Lohn- und Gehaltsforderun-gen und bewirkten damit das Scheitern die-ses stabilitätspolitischen Ansatzes. Ende Ja-nuar 2003 schlossen Regierung und der ein-flussreiche Gewerkschaftsverband LO einAbkommen, in dem sich letzterer zu mäßi-gen Lohnsteigerungen verpflichtet. Es soll-te jedoch nur eine leichte Verlangsamung desLohnauftriebs ins Jahr 2004 hinein unterstelltwerden.

Ordnungspolitisch will die Regierung mit De-regulierung und Liberalisierung fortfahren.Derzeit sieht sie sich hierin jedoch mit lan-

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Daten und Prognosen

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desweitem Widerstand konfrontiert. Dieser resultiert aus denin letzter Zeit gegenüber Ende 2001 auf das dreifache ge-stiegenen Preisen für Elektrizität. Norwegen erzeugt 99%seiner Elektrizität aus Wasserkraft, Strom war immer preis-wert, und daher wird auch viel damit geheizt. Ab 1991 bil-det sich der Strompreis frei nach Angebot und Nachfrageim Rahmen der skandinavischen Strombörse. Im vergan-genen Sommer herrschte allerdings eine Trockenheit wie seitJahrzehnten nicht mehr, und die Wasserstände in den Re-servoirs sanken stark. Gleichwohl wurde bei voll ausgelas-teten Kapazitäten Strom nach Schweden geliefert, wo eben-falls Dürre herrschte. Bei außergewöhnlich kaltem Winter-wetter wurde Strom knapp, und die Preise schossen der-art in die Höhe, dass sozial Schwache ob der drastischsteigenden Stromrechnungen in Not geraten. Hieraus re-sultiert die landesweite Frage, ob nicht eine Regulierung desStrompreises geboten sei. Die Regierung lehnt dies, wieauch die Vergabe von Heizzuschüssen ab, verweist auf dieungewöhnlichen Witterungsbedingungen und empfiehlt,Strom zu sparen. Es erscheint fraglich, ob die ordnungs-politische Kraftprobe damit vom Tisch ist.

Integrationspolitisch bleibt die Mitgliedschaft im 1993 ge-gründeten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) – zusam-men mit der EU, Island und Liechtenstein – der Angelpunkt.Seitdem wurden mehr als 4000 EU-Regularien im Nach-vollzug übernommen, ohne dass Norwegen bei deren Aus-gestaltung hätte nennenswert mitreden können. Das erregtzunehmenden Unmut. Hinzu kommt die jüngst seitens derKommission erhobene und seitens der Adressaten alsbarsch empfundene Forderung an die drei EWR-Partner,ihren Beitrag an die EU künftig um das dreißigfache zu er-höhen; der Beitrag gilt als Ausgleich für den ungehindertenZugang der Drei zum EU-Binnenmarkt. Allein Norwegenwürde mit 3,9 Mrd. NOK (535 Mill. q) belastet. Über-raschenderweise hat diese Avance, die den politischen undwirtschaftlichen Preis für die integrationspolitische Außen-seiterrolle Norwegens weiter erhöhen würde, die Zahl derBefürworter einer EU-Mitgliedschaft stark steigen lassen.Besonders drastisch ist der Umschwung bei den oppo-sitionellen Sozialdemokraten sowie bei der SosialistiskVensterparti; letztere zählten bei den Volksabstimmungenüber einen EU-Beitritt 1972 und 1994 zu den engagiertes-ten EU-Gegnern. In den anderen bisher EU-skeptisch ein-gestellten Parteien ist der Wandel erst in Gang gekommen.Derzeit plädieren, Umfrageergebnissen zufolge, annäherndzwei Drittel der Wähler für einen Beitritt. Erklären lässt sichdies einmal mit dem aus der Außenseiterposition herausbesonders stark empfundenen Gefühl außenpolitischer Ohn-macht angesichts der Irak-Krise. Aber auch wirtschaftlicheGründe sind von Belang. Es geht u.a. um den Fischexport(Fischerei- und Agrarprodukte sind vom EWR-Abkommenausgeklammert, doch wird der Handel durch Abkommenauf bilateraler Basis erleichtert), der bei den Bewohnernder bisher EU-skeptischen Küstenregionen zum Mei-

nungsumschwung führte. Und schließlich scheint die all-gemeine Ansicht Platz zu greifen, dass man besser gleichMitglied würde, wenn man schon den Großteil der Geset-ze und Verordnungen von der EU übernehmen und erheb-liche Gelder an diese zahlen müsse. Integrationspolitischwird der Ausgang des schwedischen Referendums überdie Einführung des Euro im September dieses Jahres so-wie einer bei positivem Ausgang wahrscheinlichen Ab-stimmung in Dänemark wesentlichen Einfuss auf die künf-tige Haltung Norwegens gegenüber der EU haben. Dochauch unabhängig davon könnte es mit der Entscheidungzum EU-Beitritt schnell gehen – wie 1994 in Schweden.Sollte Norwegen auch noch den Euro einführen, dann wä-re das die Wirtschaftsentwicklung ungünstig beeinflussen-de Problem des stark schwankenden Wechselkurses derKrone großenteils gelöst.

Wirtschaftsentwicklung 2003

Als weltwirtschaftliche Rahmenbedingungen werden an-genommen: Es kommt nicht zu einem bewaffneten Kon-flikt im Irak. In den USA erhöht sich das reale Bruttoin-landsprodukt um 21/2%. Die gesamtwirtschaftliche Erzeu-gung expandiert in Japan um fast 3/4%. In Mitteleuropanehmen Nachfrage und Produktion um 23/4% zu. In West-europa wird das reale Bruttoinlandsprodukt um knapp1% ausgeweitet; für die EU sowie für den Euro-Raum sindniedrigere Raten zu erwarten. Der Einfuhrpreis für Rohölliegt in den westlichen Industrieländern im Schnitt des Jah-res bei 261/2 US-Dollar pro Barrel. Die Preise für Indus-trierohstoffe (ohne Öl) steigen im Jahresmittel um 21/2%.Der Wechselkurs des Euro bewegt sich im Schnitt desJahres innerhalb einer Bandbreite von 1 bis 1,10 US-Dol-lar. Das Volumen des Welthandels expandiert in einer Grö-ßenordnung von 53/4%.

In Norwegen dürfte die Konjunktur, wie in den anderen west-europäischen Ländern auch, erst nach dem Winterhalbjahrlangsam wieder an Dynamik gewinnen, wenn die Irak-Kri-se nicht mehr belastet. Bremsklötze in Form des überhöh-ten Wechselkurses der Krone und des starken Anstiegsder Lohnkosten bleiben jedoch bestehen. Von einer ausge-wogenen und spannungsarmen Entwicklung kann nach wievor keine Rede sein. Der ökonomische Preis für das inte-grationspolitische Abseitsstehen wird höher. Das reale Brut-toinlandsprodukt nimmt bei allmählich schwächer werden-den Impulsen seitens der Wirtschaftspolitik um etwa 1% zu– sogar noch langsamer als der westeuropäischen Durch-schnitt, was dafür spricht, dass die Nutzung der reichenÖl- und Erdgasressourcen nicht optimal ist. Die Bruttoan-lageinvestitionen werden sich zwar beleben, doch ist diesnur den zunehmenden Investitionen im Off-shore-Bereichzu danken. Privater Konsum und Staatsverbrauch expan-dieren etwas langsamer als im Vorjahr, bleiben jedoch die

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Daten und Prognosen 37

entscheidenden Stützen der Konjunktur. Die Ausfuhr stag-niert annähernd auf dem Niveau des Vorjahres, während dieEinfuhr deutlich zunimmt. Vom Außenbeitrag kommt folglichein negativer Impuls. Der infolge von Sondereffekten zuletztstarke Preisauftrieb schwächt sich nur allmählich ab, so dassdie Konsumentenpreise um 21/2% über dem Niveau von2002 liegen dürften. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ver-schlechtert sich nochmals, und die Arbeitslosenquote steigtauf 41/2% im Jahresdurchschnitt. Das Aktivum der Leis-tungsbilanz sinkt weiter auf eine Größenordnung von 12%des BIP.

Der private Konsum expandiert vermutlich um 21/2%. Aus-schlaggebend für die trotz weiterer Steuerentlastungen (aller-dings weniger ausgeprägt als 2002) und niedrigerer Zinsengegenüber dem Vorjahr zu erwartende Verlangsamung istdie weniger günstige Lage auf dem Arbeitsmarkt sowie derhöhere Kaufkraftentzug durch die am Jahresanfang rascheund anschließend nur langsam abflauende Verteuerung derLebenshaltung. Auch steigen die Nominallöhne, u.a. kon-junkturbedingt, mit knapp 5% eher etwas weniger stark als2002, zumal die Wage-drift im Zuge der Entspannung aufdem Arbeitsmarkt spürbar abnimmt. Die realen verfügbarenEinkommen nehmen mit fast 2% nicht mehr so ausgeprägtzu wie im vergangenen Jahr. Der Rückgang der Verände-rungsrate wird nur teilweise kompensiert durch einen er-fahrungsgemäß in derartigen Situationen eintretenden An-stieg der Sparquote. Die weiter abflauende Konjunktur imWohnungsbau lässt weniger lebhafte Käufe von Einrich-tungsgegenständen erwarten. Auch der Absatz neuer Per-sonenautos dürfte bestenfalls das Ergebnis von 2002 errei-chen. Der Staatsverbrauch expandiert vermutlich um 2%und damit stärker als geplant.

Die Bruttoanlageinvestitionen (ca. + 1%) dürften nur sehrlangsam aus der dreijährigen Rezession heraus finden. Aus-

schlaggebend ist die starke Ausweitung der Investitionen imErdöl- und Erdgassektor; auf diesen entfällt etwa ein Fünf-tel des Investitionsvolumens. Die vom Statistischen Zent-ralamt regelmäßig durchgeführte Investitionsumfrage lässteinen Anstieg in der Größenordnung von 12% erwarten. Die-se sind in Bereichen geplant, in denen weniger Importe, son-dern vielmehr heimische Produktion zum Einsatz kommen,der Impuls für das Wirtschaftswachstum also auch relativgrößer ist als in den Vorjahren. Allerdings ist die Korrelationzwischen Planung und Realisierung in diesem Sektor we-nig ausgeprägt, so dass man immer mit negativen oder po-sitiven Überraschungen rechnen muss. Heuer wird die An-nahme eines beträchtlichen Zuwachses gestützt durch diemit den hohen Ölpreisen (an welche die Gaspreise gekop-pelt sind) verbundenen Ertragsverbesserungen der Ölge-sellschaften sowie den seit einiger Zeit sinkenden Anteil dernorwegischen Erzeugung an der Weltproduktion, dem mannun entgegentreten will. In der Festlandsindustrie setzt sichder Attentismus bei den Investitionen – das betrifft sowohlAusrüstungen als auch Bauten – ungebremst fort. Hieranändert auch die Ende 2002 abgeschaffte Investitionssteu-er nichts. Der überhöhte Wechselkurs der Krone, die zu-nächst noch sinkende Kapazitätsauslastung, im internatio-nalen Vergleich weiter deutlich überdurchschnittlich stei-gende Lohnstückkosten, die bis weit ins laufende Jahr hin-ein gedrückten Absatz- und Ertragserwartungen sowie ganzallgemein die schleppende Konjunkturentwicklung im Inlandwirken retardierend. Die Ausrüstungsinvestitionen dienenweitestgehend der Rationalisierung und dem Ersatz veral-teter Anlangen. Konjunkturentwicklung und langsamer stei-gende Hauspreise, vor allem aber die ungünstigere Lage aufdem Arbeitsmarkt lässt einen Rückgang des Wohnungs-neubaus erwarten. In Bürobauten wird erheblich weniger in-vestiert als Reaktion auf die während der vergangenen Jah-re entstandenen Überkapazitäten, aus denen beträchtlicheLeerstände, sinkende Verkaufserlöse sowie fallende Mieten

Veränderungsraten des realen BIP und seiner Komponenten– in % –

2001 2002a) 2003a) 2004a)

SSb) NBc) OECDd) SSb) NBc) OECDd)

Bruttoinlandsprodukt 1,4 1,1 0,8 2,0 1,6 2,9 2,5 2,3Inlandsnachfrage (Festland) 1,8 1,6 1,8 2,2 2,7 2,5 2,5 2,8Privater Verbrauch 2,5 3,0 2,7 3,5 3,2 3,6 3,2 2,9Staatsverbrauch 2,0 2,6 1,6 0,8 0,5 2,0 2,0 1,0Bruttoanlageinvestitionen – 4,6 – 2,2 1,6 3,5 2,2 0,5 0,0 4,7Exportee) 4,2 0,1 0,3 1,5 0,6 3,7 1,8 2,8Importee) 0,0 0,9 4,3 3,7 3,4 2,9 1,3 4,2

Industrieproduktion (ohne Bau) – 0,2 0,8 n.a. n.a. n.a. n.a. n.a. n.a.Konsumentenpreise 3,0 1,2 3,1 2,0 2,3 1,4 2,3 2,5Arbeitslosenquote 3,6 3,9 4,4 4,3 4,0 5,0 4,2 3,9Leistungsbilanz (Saldo)f) 15,4 13,7 11,4 12,0 16,4 11,6 11,0 15,8Finanzierungssaldo des Staatesf) 15,0 12,4 n.a. n.a. 10,2 n.a. n.a. 9,8

a) Schätzungen. – b) Statistisk Sentralbyrå, Oslo, vom Dezember 2002. – c) Norges Bank, Oslo, vom Dezember 2002. – d) Organisation for Eco-nomic Cooperation and Development, Paris, vom November 2002. – e) Güter und Dienstleistungen. – f) In Prozent des Bruttoinlandspro-dukts (BIP).

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Daten und Prognosen

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resultieren. Die öffentliche Hand will ihre Bauinvestitionennach der vorjährigen Expansion auf dem Niveau von 2002etwa stabil halten. Doch könnte angesichts der sich ab-zeichnenden Schwierigkeiten in der Baubranche eine Auf-stockung der Mittel erfolgen.

Der Export von Gütern und Dienstleistungen gewinnt auchheuer noch nicht wieder an Schwung, obwohl Öl- und Gas-ausfuhren steigen dürften; das Volumen wird wohl gegen-über 2002 stagnieren oder etwas zurückgehen. Zu schwerbelasten der Wechselkurs der Krone sowie die hohen undweiter kräftig steigenden Lohnstückkosten die preislicheKonkurrenzfähigkeit. Da die Einfuhr, stimuliert vor allem vomprivaten Konsum, jedoch spürbar steigt, dürfte das Akti-vum der Leistungsbilanz trotz nochmals etwas verbesser-ter Terms of Trade auf eine Größenordnung von 12% desBIP sinken.

Auf dem Arbeitsmarkt – einem Nachläufer der Konjunktur– verschlechtert sich die Lage langsam aber stetig, und zwarauf sektoral breiter Basis, in allen Regionen des Landesund bei allen Altersgruppen. Es sind vor allem Berufsan-fänger, Kräfte mit geringer Qualifikation, Asylanten mitSprachproblemen sowie Beschäftigte mit zeitlich befriste-ten Verträgen, die entweder keine Arbeit bekommen oderentlassen werden. Die in den vergangenen Jahren meist aus-geprägte Knappheit an Fachkräften ist, wenn auch stark ab-geschwächt, auf einigen Gebieten allerdings immer nochzu beobachten. Bei sinkender Beschäftigung dürfte die Ar-beitslosenquote im Jahresdurchschnitt auf 41/2% steigen –das ist weit weniger als im westeuropäischen Durchschnitt,liegt aber deutlich über der Marke der Vollbeschäftigung.

Die Preisentwicklung ist zunächst noch durch hohe Infla-tionsraten gekennzeichnet. Ab dem zweiten Quartal flaut dieTeuerung spürbar ab. Dann werden die im laufenden Win-terhalbjahr aufgetretenen Verwerfungen bei den Elektrizitäts-und sonstigen Energiepreisen korrigiert, und die Herabset-zung einiger indirekter Steuern (auf Alkoholika, Tabakwarenetc.) kommt stärker zum Tragen. Allerdings geht von derLohnkostenentwicklung immer noch inflationärer Druck aus,und die Importpreise wirken nicht mehr im bisherigen Ma-ße stabilisierend. Die Konsumentenpreise liegen um 21/2%über dem Niveau von 2002.

Wirtschaftsentwicklung 2004

Als weltwirtschaftliche Rahmendaten werden angenom-men: In den Vereinigten Staaten expandiert das reale Brut-toinlandsprodukt um 23/4%. Nachfrage und Produktion neh-men in Japan um 11/4% zu. In Mitteleuropa steigt die ge-samtwirtschaftliche Erzeugung um ungefähr 3%. In West-europa, der EU und im Euro-Raum erhöht sich das realeBruttoinlandsprodukt um knapp 21/2%; in Deutschland ex-

pandiert es um fast 21/4%. Der Importpreis für Rohöl liegtin den westlichen Industrieländern im Jahresdurchschnitt bei24 US-Dollar pro Barrel. Industrierohstoffe (ohne Öl) kos-ten etwa 6% mehr als 2003. Der Wechselkurs des Euro liegtim Schnitt des Jahres innerhalb einer Bandbreite von 1,05 bis1,15 US-Dollar. Das Volumen des Welthandels dürfte in ei-ner Größenordnung von 7% ausgeweitet werden.

Auch in Norwegen gerät die Konjunktur stärker in den Auf-wind des weltwirtschaftlichen Aufschwungs. Dabei wirkt dieWirtschaftspolitik immer noch anregend. Entscheidend sindjedoch die Anstöße, welche der Export durch den weltwirt-schaftlichen Aufschwung bekommt, flankiert von einer all-mählichen Abwertung der überbewerteten Krone. Hinzu ad-dieren sich die Anstrengungen des Öl- und Erdgassektors,den Anteil auf dem Weltmarkt wieder zu erhöhen oder zu-mindest zu halten. Die von der Außenwirtschaft kommen-den Impulse werden die Inlandsnachfrage deutlich anregen.Das gilt vor allem für den privaten Konsum, während Staats-verbrauch und Bruttoanlageinvestitionen nur in etwas schnel-lerem Rhythmus als im Vorjahr ausgeweitet werden. Dasreale Bruttoinlandsprodukt expandiert um 21/2%, was et-wa dem westeuropäischen Durchschnitt entspricht. Da derArbeitsmarkt auch auf eine Verbesserung der Konjunkturerst mit größerer Verzögerung reagiert, wird die Lage erstab der Jahresmitte spürbar günstiger; die Arbeitslosenquo-te dürfte im Jahresdurchschnitt wieder bei 41/2% liegen.Die Preise steigen wieder schneller, vor allem infolge von Im-portverteuerung und konjunkturbedingter Ausweitung derGewinnmargen; die Verbraucherpreise liegen um 23/4% überdem Niveau von 2003. Trotz verschlechterter Terms ofTrade dürfte die Leistungsbilanz wieder einen Überschussin der Größenordnung von 12% des BIP ausweisen.

Die Ausfuhr von Gütern und Dienstleistungen, welche gut40% des BIP ausmacht, dürfte um 31/4% expandieren. ImVerlauf bedeutet das eine erhebliche Beschleunigung. Die-se wird sowohl von erhöhten Öl- und Gaslieferungen, aberauch vom verstärkten Absatz traditioneller Produkte getra-gen. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit ist nicht mehrso unter Druck wie in den vergangenen Jahren, da die Kro-ne allmählich abwertet und die Lohnstückkosten bei wenigverändertem Lohnauftrieb, aber besserer Kapazitätsaus-lastung, langsamer als bisher steigen – sie erhöhen sich aberimmer noch stärker als im westeuropäischen Mittel. Die Öl-und Ergasexporteure wollen die bis 2002 zu registriertenVerluste an Weltmarktanteilen zumindest stoppen oder An-teile zurück erobern. Entscheidend ist für die Exportent-wicklung jedoch der weltwirtschaftliche Aufschwung, zumaldieser auch Westeuropa erfasst, wohin mehr als drei Vier-tel der Güterausfuhr (inklusive Erdöl und Erdgas) gehen.Die Einfuhr nimmt etwas stärker zu als die Ausfuhr, so dassdie Leistungsbilanz bei leicht verschlechterten Terms of Tra-de einen Überschuss in der Größenordnung von 11% desBIP ausweisen dürfte.

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Daten und Prognosen 39

Der private Konsum dürfte um annähernd 3% ausgeweitetwerden. Das Konsumklima verbessert sich deutlich, da dieLage auf dem Arbeitsmarkt im weiteren Verlauf günstiger wirdund die Reallöhne kräftig steigen. Denn bei konjunkturbedingtwieder zunehmender Wage-drift ist mit einem Nominallohn-anstieg um reichlich 5% zu rechnen. Da zudem weitere Steu-erentlastungen zu erwarten sind, nehmen die realen verfüg-baren Einkommen um 21/2% zu. Auch wird die Sparquoteweiter sinken, mitbedingt durch rückläufige Zinsen; sie wirdaber immer noch spürbar über dem langfristigen Durchschnittliegen. Dauerhafte Güter profitieren in erster Linie von der leb-haften Konsumkonjunktur. Das gilt auch für Einrichtungs-gegenstände, zumal der Wohnungsneubau wieder expan-diert. Auch Pkw dürften häufiger gekauft werden. Der Staats-verbrauch nimmt um reichlich 2% zu.

Die Bruttoanlageinvestitionen steigen um etwa 11/2%, wo-bei sich die einzelnen Aggregate wieder sehr unterschied-lich entwickeln. Der 2003 bestimmende Aufschwung imÖl- und Erdgassektor geht – den freilich wenig verlässlichenPlanungen zufolge – nämlich nicht weiter, sondern wird voneiner moderate Zunahme abgelöst. Auf dem Festland gehtdie Rezession bei den Unternehmensinvestitionen zu En-de, gefolgt von einer raschen Erholung. Denn die Auslas-tung der Kapazitäten sowie die Produktions- und Gewinn-erwartungen erhöhen sich deutlich. Stimulierend wirken derAufschwung der Inlandsnachfrage, die günstigeren Export-aussichten dank weltwirtschaftlichem Aufschwung und sin-kendem Wechselkurs der Krone, sowie niedrigere Zinsenund verbesserte Auslastung der Kapazitäten. Anregend wirktauch die Aufwärtsentwicklung im zuvor stark gebeuteltenIT-Sektor. Nach wie vor dominieren Rationalisierungs- undErsatzinvestitionen; nur allmählich wird auch mehr in dieErweiterung der Anlagen investiert. Die Bauinvestitionen ten-dieren wieder aufwärts. So nimmt der Wohnungsneubau zu,angeregt durch die günstige Entwicklung von realen ver-fügbaren Einkommen und Arbeitsmarkt, günstige Zinsen

und im Verlauf etwas schneller steigendenHauspreisen. Der öffentliche Bau nimmtschwach zu, und der gewerbliche Baukommt noch nicht recht in Schwung, da be-sonders bei Büroraum noch Leerstände ab-zubauen sind.

Auf dem Arbeitsmarkt setzt sich die im spä-teren Verlauf von 2003 begonnene Besserungfort. Die Beschäftigung steigt (im industriellenSektor setzt sich der Abbau nicht mehr fort),Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit werden ab-gebaut. Wie schon während früherer Auf-schwungsphasen zu beobachten, dürfte auchschnell wieder verbreitet Mangel an Fach-kräften spürbar werden. Die Arbeitslosen-quote dürfte auf 41/4% zurück gehen.

Die Preisentwicklung tendiert wieder stärker aufwärts. Zwarerhöhen sich die Lohnstückkosten im Zuge der mit dem kon-junkturellen Aufschwung verbundenen besseren Kapazi-tätsauslastung spürbar langsamer. Es dürften auch wiederindirekte Steuern gesenkt werden, und die Zinsen bleibenimmer noch niedrig. Aber die Nachfragentwicklung erlaubteine Ausweitung der in den zurückliegenden Jahren ge-drückten Gewinnmargen, und die Importpreise wirken beiabwärts tendierendem Wechselkurs der Krone inflationär.Die Konsumentenpreise liegen um 23/4% über dem Niveauvon 2003.

Abgeschlossen am 10. Februar 2003

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Seit 1994 werden die am ifo Konjunktur-test für das Verarbeitende Gewerbe teil-nehmenden Firmen viermal im Jahr – jeweilszu Quartalsanfang – danach gefragt, wiesich ihrer Meinung nach die Wettbewerbs-situation in den abgelaufenen drei Mona-ten im Inland und auf den Auslandsmärktenentwickelt hat. Bei den Antworten zu denAuslandsmärkten wird nach der Entwick-lung innerhalb und außerhalb der EU unter-schieden.

Wie sich aus Abbildung 1 ergibt, hatte sichnach Einschätzung der Industrieunterneh-men ihre Wettbewerbsfähigkeit im zweitenHalbjahr 2002 auf den Inlands- und Aus-landsmärkten gebessert. Offensichtlich hatsich der bereits in dieser Zeit gestiegene Eu-ro nicht unmittelbar in einer ungünstigerenEinschätzung der Wettbewerbslage nieder-geschlagen. Erst mit der Fortsetzung des Aufwertungs-trends verringerten sich im vierten Quartal 2002 die von denIndustriefirmen empfundenen Zugewinne an Wettbe-werbsfähigkeit und verschwanden komplett zu Jahresan-

fang 2003, wie die jüngste Erhebung zeigt. Die negativenEinflüsse des gestiegenen Euro kompensierten offensicht-lich die positiven Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähig-keit der deutschen Industrie, die davon ausgehen, dass derPreisanstieg in Deutschland weiterhin deutlich unter demim gesamten Euro-Raum liegt.

Nach Einschätzung der Unternehmen vom Januar 2003 hatdie Wettbewerbsposition bisher zwar noch keinen größe-ren Schaden erlitten; der Besserungstrend, der im zweitenHalbjahr 2002 von den Unternehmen beobachtet wordenwar, scheint aber vorbei zu sein.

Mit weiter steigendem Euro-Kurs dürften die negativen Ein-flüsse auf die Wettbewerbsfähigkeit die Oberhand gewin-nen. Es ist dann zu befürchten, dass die Exporte, das bis-her einzige Zugpferd der Konjunktur, deutlich weniger starkwachsen. Hierfür sprechen die Ergebnisse einer aktuellentelefonischen Umfrage, die das ifo Institut im Auftrag derWirtschaftswoche vor kurzem bei 1 000 Unternehmendurchgeführt hat. Rund ein Drittel der befragten Indus-triefirmen gab dabei an, der starke Euro bremse bereitsderzeit ihre Exporte (vgl. Abb. 2). Nennenswerte Entlas-tungen auf der Kostenseite durch billige Importe sehen diemeisten Unternehmen dagegen durch den starken Euronicht. Nur bei 14% der Industrieunternehmen drückt nachdieser Umfrage der hohe Außenwert des Euro die Im-portrechnungen. Im Dienstleistungssektor, Baugewerbeund Handel ist wegen der geringeren Außenhandelsver-flechtungen der Anteil noch geringer.

Um den Verlust von Marktanteilen im Ausland infolge derEuro-Aufwertung zu begrenzen, sind viele Exportfirmen zuPreiskonzessionen bereit: 39% der Industrieunternehmenwollen die Preissenkungen durch Kostenabbau auffangen(vgl. Abb. 3). Da die Personalausgaben den größten Kos-

Euro noch wenig gelittenErgebnisse einer Sonderfrage des ifo Konjunkturtests vom Januar 2003

Gernot Nerb

Wettbewerbsposition der Industrie hat trotz höherem

Abb. 1

Abb. 2

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Im Blickpunkt 41

tenblock bilden, droht eine neue Entlassungswelle. Ein wei-teres Drittel der Industrieunternehmen sieht keine Chance,die geringeren Gewinne infolge von Preissenkungen im Aus-landsgeschäft, die durch den stärkeren Euro erzwungen wur-den, zu kompensieren. Die verbleibenden 28% der Indus-trieunternehmen beabsichtigen ihre Preise im Auslandsge-schäft stabil zu halten, auch wenn sich hierdurch ein Ver-lust an Marktanteilen ergeben sollte.

Bisher rechnen die Industrieunternehmen nur mit einer kur-zen Korrekturphase des Euro, nicht aber mit einem sich fort-setzenden Aufwärtstrend. Nur 36% der Industrieunterneh-men gaben an, dass sie sich bereits auf eine weitere Auf-wertung des Euro eingestellt hätten; fast zwei Drittel be-antworteten diese Frage mit Nein und gaben an, dass siein diesem Fall erst neu planen müssten. Hier liegt ein er-hebliches Risikopotential für die deutsche Konjunktur. Le-diglich im Grundstoffbereich der Industrie scheinen dieUnternehmen sich überwiegend auf den Fall eines weitersteigenden Euro vorbereitet zu haben (z.B. durch Absiche-rungsgeschäfte).

Abb. 3

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ifo Forschungsberichte

1 Internationaler Vergleich der Systeme zur Besteuerung der Land- und Forstwirtschaft.Von R. Parsche, P. Haug, A. Marcelo, Ch.W. Nam, B. Reichl. 232 S. 2001. E 20,–

2 Municipal Finance and Governance in Poland, the Slovak Republic, the Czech Republic and Hungary.Von Ch.W. Nam, R. Parsche, B. Reichl. 91 S. 2001. E 15,–

3 Verkehrsprognose Bayern 2015.Von R. Ratzenberger, J. Schmeider. 233 S. 2001. E 35,–

4 Baukosten und Bauhandwerk im internationalen Vergleich.Von E. Gluch, K. Behring, V. Rußig. 182 S. 2001. E 19,–

5 Fachkräftebedarf bei hoher Arbeitslosigkeit.Von S. Munz, W. Ochel. 166 S. 2001. E 15,–

6 Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt in Bayern.Von B. Alecke, H. Hofmann, V. Meier unter Mitarb. von J. Riedel, F. Scharr, G. Untiedt, M. Werding. 252 S. 2001. E 18,–

7 Anpassung und Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs im Saarland.Von R. Parsche, Chr. Baretti, R. Fenge u.a. 284 S. 2001. E 25,–

8 Schätzung der Bemessungsgrundlagen der steuerlichen Ostförderung.Von A. Müller, E. Gluch, P. Jäckel, A. Städtler. 95 S. 2002. E 15,–

9 Fusion E.ON-Ruhrgas – Die volkswirtschaftlichen Aspekte.Von H.-W. Sinn. 74 S. 2002. E 20,–

10 Der kommunale Finanzausgleich Sachsen. Prüfung des Änderungsbedarfs für das geltende FAG im Gefolge des Urteils des Ver-fassungsgerichtshofes des Freistaats Sachsen vom 23. November 2000 zum FAG 1997.Von R. Parsche, Ch.W. Nam, I. Wagner. 265 S. 2002. E 25,–

11 Neugestaltung des Soziallastenansatzes im kommunalen Finanzausgleich Rheinland-Pfalz.Von R. Parsche, Chr. Baretti, E. Langmantel. 62 S. 2002. E 11,–

12 Möglichkeiten und Risiken der Einführung eines grenzüberschreitenden Vorsteuerabzugs auf europäischer Ebene.Von A. Gebauer, Ch.W. Nam, R. Parsche unter Mitarb. von D. Radulescu, B. Reichl. 91 S. 2002. E 15,–

13 Entwicklung des Umsatzsteueraufkommens und finanzielle Auswirkungen neuerer Modelle bei der Umsatzbesteuerung.Von D. Dziadkowski, A. Gebauer, W. Ch. Lohse, Ch. W. Nam, R. Parsche. 145 S. 2002. E 17,–

14 Wirtschaftslage und Reformprozesse in den Ländern Zentralasiens unter dem Einfluss des Afghanistankriegs.Von J. Albrecht, G. Huber, S. Schönherr unter Mirarbeit von R. Osterkamp. 93 S. 2002. E 10,–

15 Bewegungslose Arbeit, gefesselter Blick. Sehen und Arbeiten bei neuen Produktionsmethoden.Von U. Adler. 103 S. 2002. E 10,–

16 Emissionshandel mit Treibhausgasen in der Europäischen Union.Von J. Wackerbauer. 80 S. 2003. E 10,–

Zu beziehen beimifo Institut für Wirtschaftsforschung, Poschingerstr. 5, 81679 München

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ifo Forschungsberichte

Institut fürWirtschaftsforschungan der Universität München

Emissionshandel mitTreibhausgasen in derEuropäischen Union

von

Johann Wackerbauer

16

Forschungsbereich Umwelt, Regionen, Verkehr

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The international platform of Ludwig-Maximilians University’s Center for Economic Studies and Ifo Institute for Economic Research

LARS CALMFORSUniversity of Stockholm

GIANCARLO CORSETTI (Chairman)Università di Roma Tre

JOHN FLEMMINGWadham College, Oxford

SEPPO HONKAPOHJA (Vice Chairman)University of Helsinki

JOHN KAYSt. John’s College, Oxford

WILLI LEIBFRITZOECD

GILLES SAINT-PAULUniversité des Sciences Sociales, Toulouse

HANS-WERNER SINNifo Institut and Universität München

XAVIER VIVESINSEAD

CHAPTER 1

ECONOMIC OUTLOOK

CHAPTER 2

SUBSIDIARITY

CHAPTER 3

FINANCIAL ARCHITECTURE

EEAGEEAG

FISCAL POLICY

CHAPTER 4

CHAPTER 5

BRAIN DRAIN

EEUROPEANUROPEAN EECONOMYCONOMY 20032003RREPOREPORTT ONON THETHE

EUROPEAN ECONOMIC

ADVISORY GROUP AT

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im Internet: http://www.ifo.de

Englisch:http://www.cesifo.de/IfoInstitute

ifo Institut für Wirtschaftsforschung

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