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II Entscheidungsprozesse und soziales Handeln Referat: Handeln in Routinen Seminar: Mikrosoziologische Theorien Dozent: Prof. Dr. Jörg Rössel Referenten: Sibylle Baumgartner, Marion Ludwig, Luise Möller

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II Entscheidungsprozesse und soziales Handeln

Referat: Handeln in Routinen

Seminar: Mikrosoziologische TheorienDozent: Prof. Dr. Jörg Rössel

Referenten: Sibylle Baumgartner, Marion Ludwig, Luise Möller

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Gliederung

1. Definition „Routine“2. Routinekonzept in der soziologischen

Forschung3. Rolle von Routinen in

Entscheidungsprozessen4. Beibehaltung/Abweichung von RoutinenLiteratur

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1. Definition Routine

„Alternative, die einer Person als Lösung in den Sinn kommt, wenn sie erneut einer Entscheidungssituation begegnet.“

Routine: „Durch einmaliges Lernen“bis zu

„Stark überlernte Gewohnheiten“

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2. Routinekonzept in der soziologischen Forschung

• Grundlage: Charles Camic „The Matter of Habit“• Begriffsverwendung: ‚Habit‘ wird durch ‚Gewohnheit‘ ersetzt

Konzeptionelle Überlegungen

• Gewohnheitskonzept ist in zeitgenössischen soziologischen Literatur nur spärlich zu finden

• Vorherrschend: Model des aktiven Handelns Akteure wählen bewusst zwischen verschiedenen Alternativen und richten danach ihr Handeln aktiv aus

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2. Routinekonzept in der soziologischen Forschung

Konzeptionelle Überlegungen

• Gewohnheitsbegriff verwendbar in vielen Kontexten• Grundgedanke: Bezeichnung einer mehr oder weniger

selbstauslösenden Disposition oder Tendenz, sich nach einer früher erlernten Handlungsweise zu verhalten

• Unreflektiert• Dauerhaft generalisierte Disposition• Resistent gegenüber äusseren Einflüssen

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2. Routinekonzept in der soziologischen Forschung

Konzeptionelle Überlegungen

• Beginn 18. Jhd. Verständnis von Gewohnheit: Verhalten als feste mechanische Reaktion auf bestimmte Stimuli

• Einfluss der Gewohnheitsforschung anderer Wissenschaften auf soziologische Betrachtung:– Zuwachs der biologischen Wissenschaft und Forschung:

• Gewohnheit als Erklärungsmodell zur Definition von elementarem Verhalten niederer Spezies

– Verstärkte psychologische Forschung:• 19. Jhd. Anlehnung der Psychologie an Biologie• „Gewohnheit“ als primärer Prozess des menschlichen Organismus

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2. Routinekonzept in der soziologischen Forschung

Émile Durkheim

• Gewohnheiten:– bilden sich über einen längerfristigen Zeitraum– schwer wieder abzulegen– nahezu resistent gegenüber jeder Veränderung– Anerzogen

• Gedanken resultieren aus unbewusst etablierten Gewohnheiten• Nicht Gefühle und Ideen haben stärksten Einfluss auf

menschliches Handeln, sondern Gewohnheit

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2. Routinekonzept in der soziologischen Forschung

Émile Durkheim

• Wo sind Formen der Gewohnheit zu finden?– Arbeitende Gesellschaft– Religion Theorie zur Erklärung von täglichen

Routinen– Moral

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2. Routinekonzept in der soziologischen Forschung

Anthony Giddens

– Routinen bilden Grundlage für soziale Ordnung– Institutionen bestehen nur, weil sie sich ständig

durch Routinen reproduzieren– Alltagshandeln ist routiniert

• Sonst müssten bei jeder Handlung Vorteile/Nachteile, Folgen und Alternativen abgewogen werden

• Mensch braucht aber Kontinuität „Seinsgewissheit“ (sonst Angst)

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3. Rolle von Routinen in Entscheidungsprozessen

Drei Phasen des Entscheidungsprozesses:

1. Problemidentifikation und Generierung von Verhaltensalternativen- Repräsentationen von Zielen, Handlungen, Situationen im Gedächtnis eng gekoppelt- Gemeinsam bei Entscheidungsproblem berücksichtigt

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3. Rolle von Routinen in Entscheidungsprozessen

Drei Phasen des Entscheidungsprozesses:

2. Informationssuche- Zunehmende Routinisierung verringert Komplexität Suchstrategien und Menge der Informationen

3. Bewertung und Entscheidung- Kontextfaktoren begünstigen einfachere Suchstrategien- Bei Zeitdruck eher Handlung in Routinen

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„Preference Theory: An Affect-Based Approach to Recurrent Decision Making“ (Betsch)

• Modell der Preference Theory• Entscheidungen stützen sich auf Routinen• Entscheidungsprozess von affektiven

Reaktionen beeinflusst

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„Preference Theory: An Affect-Based Approach to Recurrent Decision Making“ (Betsch)

Definition Affekt

• Positive und negative Gefühle, die durch einen Stimulus ausgelöst werden

• Erste Reaktion, die automatisch auftaucht• Affektive Orientierung an einem Verhalten ist

Produkt eines Lernprozesses

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„Preference Theory: An Affect-Based Approach to Recurrent Decision Making“ (Betsch)

A-Modus

• Informationen aus Arbeitsnetzwerk werden immer im A- Modus verarbeitet

• Erfordert nur minimale mentale Leistungen• Struktur Arbeitsnetzwerk bleibt erhalten• Verschiebungen bei neuen Informationen, gehemmt

durch Routinen• Bei A-Modus haben neue Informationen geringen Einfluss

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„Preference Theory: An Affect-Based Approach to Recurrent Decision Making“ (Betsch)

S-Modus

• Kann Struktur Arbeitsnetzwerk verändern• Mentale Kontrolle, Aktives Überlegen• Änderung der Gewichtungen im Arbeitsnetzwerk• In Abwesenheit der S-Modus-Kontrolle fallen

Beziehungen in alten Status

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A-Modus oder S-Modus?

• S-Modus nur, wenn...

... Genügend kognitive KapazitätNegativer Affekt hochTiefe Affektive Kohärenz

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Entscheidung

• Wenn Affektive Kohärenz kritische Schwelle übersteigt wird Verarbeitung beendet

• Erreichung der Schwelle hängt von 3 Faktoren ab:– Affekte gegenüber Verhaltensalternativen möglichst weit

auseinander– Affekte innerhalb eines Verhaltens kohärent– Unter Zeitdruck ist Schwelle gesenkt

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Kognition (Konsequenzen, Risiken)

Affekte (bisherige Erfahrungen: positiv = frühere

Zielerreichung, negativ = frühere Zielhinderung)

Je höher die Übereinstimmung mit dem früher gelösten

Problem, und je positivere Affekte ausgelöst werden, desto

eher wird die Routine gewählt.

4. Beibehaltung/Abweichung von Routinen

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4. Beibehaltung/Abweichung von Routinen

Status Quo: Problemerkennung – keine Gegenargumente

• Wiederkehrendes Problem, das früher erfolgreich gelöst wurde = positive Affekte

• Nichtübereinstimmung tief

• Informationsprozess kurz

• A-Modus

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4. Beibehaltung/Abweichung von Routinen

Challenge: Problemerkennung - Gegenargumente

• Wiederkehrendes Problem

• Zusätzliche Informationen, die gegen Routine sprechen

• Kaum Einfluss im A-Modus, da affektive Kohärenz schnell erreicht

ist

• Im S-Modus bräuchte es eine Veränderung der Verknüpfungen

bessere Lösung ist damit aber nicht gesichert!

• Deshalb werden neue Informationen vernachlässigt, damit die

affektive Kohärenz hoch bleibt

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4. Beibehaltung/Abweichung von Routinen

Konflikt: Mangelhafte Problemerkennung – Gegenargumente

• Problem ist früheren Situationen nicht sehr ähnlich

• Argumente gegen die Routine

• Im A-Modus wird die Schwelle der affektiven Kohärenz gesenkt,

sodass schneller eine Übereinstimmung stattfindet

• Problem: Die affektive Kohärenz sollte möglichst hoch sein, sonst

Gefahr eines Fehlverhaltens

• Deshalb nach Möglichkeit S-Modus, um Verknüpfungen zu verändern

• Informationen haben beim Konflikt mehr Einfluss

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4. Beibehaltung/Abweichung von Routinen

Zweifel: Mangelhafte Problemerkennung – keine Gegenargumente

• Im A-Modus gleich wie Konflikt, affektive Kohärenz ist schnell

erreicht und die Routine wird gewählt

• Vorhersage im S-Modus schwierig, da man Informationsarchitektur

nicht kennt

• Tendenz zur Routinenabweichung, da genügend Zeit und

Ressourcen für genauere Inspektion der Informationen vorhanden

sind

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4. Beibehaltung/Abweichung von Routinen

Fazit

• Routinen sind lebenswichtig

• Unter Zeitdruck und mit wenig kognitiven

Ressourcen sind Routinen notwendig

• Routinen sind oft ökonomischer

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Diskussionsbeispiel

Konzentrationslager

• Extreme Unvorhersehbarkeit

• Personen ohne Routinen

• Personen mit minimalen Routinen

• Personen mit stark umstrukturierten

Persönlichkeiten aufgrund von Routinen

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Literatur

• BETSCH, Tilmann (2005): Preference Theory - An Affect Based Approach to

Recurrent Decision Making. In: Tilman Betsch und Susanne Haberstroh (Hg.); The

Routines of Decision Making.

• BETSCH, Tilmann (2005): Wie beeinflussen Routinen das Entscheidungsverhalten?

Psychologische Rundschau 56: 261- 270.

• CAMIC, Charles (1986). The Matter of Habit. American Journal of Sociology 91. pp

1039-1087.

• GIDDENS, Anthony (1997): The constitution of society. Outline of the Theory of

Structuration. Frankfurt/New York: Campus Verlag: pp 91 – 147.