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III. Kristallstrukturbestimmung 3.1 Problemstellung Die Intensität eines Bragg-Reflexes ist gegeben durch 2 hkl 2 2 2 F G P r I 0 = (3.1) wobei r 0 der klassische Elektronenradius und P der Polarisationsfaktor ist. Die Gitteramplitude G enthält Informationen über die Größe und Form des (makroskopischen) Objektes, während die Anordnung der Atome innerhalb der Elementarzelle durch die Strukturamplitude F hkl beschrieben wird: ) lz ky hx ( i 2 j j r G i j j hkl G j j j j e ) G ( f e ) G ( f F F + + π - - = = = v v v v v (3.2) Durch Fourier-Rücktransformation erhält man daraus die Elektronendichte - = ρ hkl r G i hkl e F V 1 ) r ( v v v (3.3) Man kann also durch Bestimmung aller F hkl die Elektronendichte innerhalb der Elementarzelle und damit die Kristallstruktur bestimmen. Sowohl Lage als auch Intensität sehr vieler (möglichst aller!) Bragg-Reflexe messen Bestimmung der Phasen der F hkl (wird später erläutert) Wie viele Reflexe müssen denn eigentlich gemessen werden? Dies können wir mithilfe der Gl.(3.3) abschätzen. Wenn wir im Ortsraum die Elektronendichte mit einer Auflösung von Δx bestimmen wollen, müssen wir im reziproken Raum alle Reflexe bis zu q = ±π/Δx erfassen (Abtasttheorem). In einer Kugel mit Radius q hat man etwa N = π/6 · (a/Δx) 3 Reflexe. Rechnet man beispielsweise mit folgenden Zahlenwerten a = 5 Å und Δx = 0.25Å so erhält man N 4000. 3.2 Ewald-Kugel und Ausbreitungskugel Die Bragg-Bedingung lässt sich im reziproken Raum durch die Beziehung i f k k G v v v - = (3.4) ausdrücken, wobei k f und k i die Wellenvektoren der gebeugten und der einfallenden Welle sind, und der Betrag beider Vektoren gegeben ist durch |k i | = | k f | = k = 2π/λ. Die Schar aller möglichen Einfalls- und Ausfallsvektoren spannen daher eine Kugel mit dem Radius k = 2π/λ auf, die man als Ewaldkugel bezeichnet. Das Zentrum der Ewaldkugel wird dabei durch den Quellpunkt des Wellenvektors k i der einfallenden Welle gegeben, der mit seinem Aufpunkt auf den Nullpunkt des reziproken Gitters zeigt (Abb.1). Wird die Einfallsrichtung geändert, dreht sich die Ewaldkugel innerhalb der sogenannten Ausbreitungskugel (Radius 2k; Mittelpunkt ist der Ursprung des reziproken Gitters). Die Ausbreitungskugel umfasst

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III. Kristallstrukturbestimmung

3.1 Problemstellung Die Intensität eines Bragg-Reflexes ist gegeben durch

2hkl

222 FGPrI0

⋅⋅⋅= (3.1)

wobei r0 der klassische Elektronenradius und P der Polarisationsfaktor ist. Die Gitteramplitude G enthält Informationen über die Größe und Form des (makroskopischen) Objektes, während die Anordnung der Atome innerhalb der Elementarzelle durch die Strukturamplitude Fhkl beschrieben wird:

)lzkyhx(i2

jj

rGi

jjhklG

jjjj e)G(fe)G(fFF++π−−

⋅=⋅== ∑∑vv vv

v (3.2)

Durch Fourier-Rücktransformation erhält man daraus die Elektronendichte

∑ ⋅−⋅=ρ

hkl

rGihkl eF

V1

)r(vv

v (3.3)

Man kann also durch Bestimmung aller Fhkl die Elektronendichte innerhalb der Elementarzelle und damit die Kristallstruktur bestimmen.

• Sowohl Lage als auch Intensität sehr vieler (möglichst aller!) Bragg-Reflexe messen • Bestimmung der Phasen der Fhkl (wird später erläutert)

Wie viele Reflexe müssen denn eigentlich gemessen werden? Dies können wir mithilfe der Gl.(3.3) abschätzen. Wenn wir im Ortsraum die Elektronendichte mit einer Auflösung von ∆x bestimmen wollen, müssen wir im reziproken Raum alle Reflexe bis zu q = ±π/∆x erfassen (Abtasttheorem). In einer Kugel mit Radius q hat man etwa N = π/6 · (a/∆x)3 Reflexe. Rechnet man beispielsweise mit folgenden Zahlenwerten a = 5 Å und ∆x = 0.25Å so erhält man N ≈ 4000.

3.2 Ewald-Kugel und Ausbreitungskugel Die Bragg-Bedingung lässt sich im reziproken Raum durch die Beziehung

if kkGvvv

−= (3.4) ausdrücken, wobei kf und ki die Wellenvektoren der gebeugten und der einfallenden Welle sind, und der Betrag beider Vektoren gegeben ist durch |ki| = |kf| = k = 2π/λ. Die Schar aller möglichen Einfalls- und Ausfallsvektoren spannen daher eine Kugel mit dem Radius k = 2π/λ auf, die man als Ewaldkugel bezeichnet. Das Zentrum der Ewaldkugel wird dabei durch den Quellpunkt des Wellenvektors ki der einfallenden Welle gegeben, der mit seinem Aufpunkt auf den Nullpunkt des reziproken Gitters zeigt (Abb.1). Wird die Einfallsrichtung geändert, dreht sich die Ewaldkugel innerhalb der sogenannten Ausbreitungskugel (Radius 2k; Mittelpunkt ist der Ursprung des reziproken Gitters). Die Ausbreitungskugel umfasst

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daher jenes Gebiet im reziproken Raum, in dem reziproke Gitterpunkte mittels Beugung bei der gegebenen Wellenlänge untersucht werden.

Abb. 1: Ewaldkugel und Ausbreitungskugel Die Bragg-Bedingung ist genau dann erfüllt, wenn ein reziproker Gitterpunkt die Ewaldkugel schneidet. Dies kann auf verschiedene Art und Weise erfüllt werden:

• Verwendung von polychromatischer Strahlung. Damit liegt eine Schar von Ewaldkugeln verschiedener Größe vor und es finden sich immer passende Ewaldkugeln (mit Radius r = 2π/λ), die einen reziproken Gitterpunkt G schneiden. Dies ist Grundlage des Laue-Verfahrens.

• Verwendung von monochromatischer Strahlung. Hier wird die Ewaldkugel – wie oben

beschrieben – durch die Ausbreitungskugel gedreht. Dies ist Grundlage der sogenannten Drehkristallverfahren.

Es bleibt noch zu erwähnen, dass die Anzahl der zugänglichen Reflexe in der Ausbreitungskugel ungefähr proportional ihres Volumens ansteigt. Wird die Wellenlänge um den Faktor zwei vermindert, können daher rund achtmal soviel reziproke Gitterpunkte erfasst werden. 3.3 Die Laue-Methode Dies ist das älteste (siehe Abb.2) und einfachste Verfahren, mittels Röntgenstrahlen Informationen über die Struktur von Kristallen zu erhalten. Voraussetzung ist polychromatische Strahlung. Bei der Anordnung gemäß Abb.3 ’sucht’ sich dann jede Netzebene selbst die Wellenlänge heraus, für die die Braggbedingung erfüllt ist. Der Winkel des gebeugten Strahls zum Primärstrahl muss dann gleich dem Doppelten des Winkels der reflektierten Netzebene zum Primärstrahl sein.

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Abb. 2: Versuchsanordnung zur Röntgenbeugung von W. Friedrich, P. Knipping und Max von Laue, 1912, Deutsches Museum (FB).

Strahlt man nun in bestimmten Richtungen ein, z.B. entlang einer Symmetrieachse oder parallel zu einer Spiegelebene, so lässt sich aus der Laue-Aufnahme die Symmetrie direkt ablesen. Zum Beispiel führt eine dreizählige Symmetrieachse zu einer dreizähligen Symmetrie in der Laue Aufnahme (Abb.4). Dabei ist zu beachten, dass nur die sogenannten Laue-Symmetrien erfasst werden und dass bestimmte Kristallfehler, vor allem Verzwillingungen, andere Symmetrien vortäuschen können. Im folgenden setzen wir voraus, dass derartige Defekte nicht vorliegen.

Netzebenen Kristall

KollimierterPrimärstrahl

Primärstrahlfänger

Reflexe

Film

Abb. 3: Schema einer Laue-Kamera

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1 001

11 02

reciprocal directions

Abb. 4: links: Laue-Simulation von hexagonalem Al2O3 (c-plane) in Rückstrahlgeometrie rechts: Experiment

Bei massiven Kristallen ist es nicht besonders günstig in Transmissionsgeometrie zu arbeiten. Hier werden bevorzugt Rückstreugeometrien (Abb.5) angewandt.

Abb. 5: Konventionelle Laue-Kamera in Rückstrahlgeometrie (mit Polaroid-Film)

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Einschränkung der Laue Methode für Laborquellen: Für die Kristallstrukturbestimmung müssen nicht nur die Lagen der Reflexe sondern auch deren Intensitäten genau vermessen werden. Dabei erweist es sich bei der Laue-Technik als Problem, dass die Spektralverteilung einer Röntgenröhre sehr kompliziert ist. Neben dem Bremsspektrum treten charakteristische Linien auf, und das gesamte Spektrum ist durch Absorption in der Anode modifiziert. Daher wird die Laue-Methode im Labor nicht für die Strukturbestimmung eingesetzt. Aufgrund ihrer Einfachheit ist sie aber nach wie vor für Orientierungsbestimmungen im Labor unverzichtbar. Allerdings kann man aus der Symmetrie des Laue-Bildes bereits schon die wesentlichen Symmetrien des Kristalls (Laue-Klassen) ermitteln (Abb.4). Renaissance der Laue-Methode am Synchrotron Im Falle der Synchrotronstrahlung steht ein praktisch unstrukturiertes weißes Spektrum zur Verfügung, dessen Verlauf sehr genau berechnet werden kann. Wegen der hohen Intensität und der geringen Divergenz der Synchtrotonstrahlung erlebt die Laue-Methode eine Renaissance am Synchrotron Vorteile

• biologische Systeme • schnell (keine Strahlenschäden für empfindliche Kristalle) • zeitaufgelöst (< 50 ps) • Verwendung von 2D-Detektoren (Image Plates oder CCD-Detektoren, Abb.6)

Abb. 6: Moderne Laue-Kamera (mit Image Plate) Nachteile:

• Jeder Reflex wird durch unterschiedliche Wellenlänge angeregt (Zuordnung!) • Probleme mit höheren Harmonischen (z.B 004 mit λ/2 und 002 mit λ überlagern sich)

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3.4 Drehkristallverfahren Richtet man einen hochkollimierten (d.h. parallelen) monochromatischen Röntgenstrahl auf die einkristalline Probe, so ist im allgemeinen zu erwarten, dass kein einziger Reflex angeregt wird, da die Bragg-Bedingung auf wenige Winkelsekunden genau erfüllt sein muss. Justiert man auf eine bestimmte Winkelstellung des Kristalls, so können ein oder wenige Reflexe angeregt werden. Um viele Reflexe auf einen Film aufzunehmen, muss daher der Kristall während der Aufnahme definiert gedreht werden. Darauf beruht das Drehkristallverfahren. Bei diesem Verfahren justiert man den Kristall so auf eine zum Primärstrahl senkrechte Drehachse, dass diese mit einem Basisvektor des direkten Gitters zusammenfällt. Ist z.B. a3

die Drehachse müssen folglich wegen der Orthogonalitätsrelation

bi aj = δij (3.5)

in der Äquatorebene (definiert durch Drehachse und Primärstrahl, Abb.7) alle Reflexe in der Form hk0 vorliegen (sogenannte 0-te Schicht). Weitere Schichten liegen dann parallel zu dieser Ebene; diese können dann mit den entsprechenden Indizes l durchnummeriert werden.

Abb.7: Schema einer Drehkristall-Kamera Mit der Drehung des Kristalls passieren nach und nach alle reziproken Gitterpunkte innerhalb der Ausbreitungskugel die Ewaldkugel. Rückt man nun die Ewaldkugel in die Symmetrieachse des Filmzylinders, in der auch der Kristall liegt, so sieht man, dass die Schichten des reziproken Gitters die Ewaldkugel entlang eines bestimmten Breitengrades schneiden, so dass die jeweils angeregten Reflexe einer Schicht immer auf derselben Schnittlinie liegen (Abb.8)

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Abb.8: Beispiel einer Drehkristallaufnahme

Da alle Reflexe einer gesamten Schicht des reziproken Gitters auf einer einzigen Linie liegen, ergeben sich bei komplexeren Strukturen experimentell Auflösungsprobleme. Daher spielt diese Technik heute praktisch keine Rolle mehr. 3.5 Weißenberg-Technik Diese Technik (Abb.9) ist in gewisser Weise eine Abwandlung des Drehkristallverfahrens. Allerdings wird hier durch eine Ringblende nur eine Schicht des reziproken Gitters herausgegriffen. Durch simultane Drehung des Kristalls und Translation des Filmzylinders wird erreicht, dass die verschiedenen Reflexe einer Schicht über den ganzen Film verteilt werden (siehe Beispiel in Abb.10).

Abb.9: Schema einer Weißenberg-Kamera; K: Kristall, R: Röntgenstrahl, B: Blende, F:

Filmzylinder, S: Schlitten

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Störend ist die Verzerrung, die sich durch die ungleichartige Bewegung von Kristall und Film ergibt. Diese kann allerdings eindeutig in eine regelmäßige Anordnung des reziproken Gitters überführt werden. Eine verzerrungsfreie Abbildung des reziproken Raumes wird durch die Buerger-Präzessions-Methode erreicht.

Abb.10: Beispiel einer Weißenberg-Aufnahme

Abb.11: ‚Antike’ (1919) und moderne (Huber Diffraktionstechnik) Weißenbergkamera.

Die Weißenberg-Methode hat sich in den vergangenen Jahrzehnten kaum verändert (Abb.11).

3.6. Buerger-Präzessions-Methode Für das Verständnis dieser Technik sind Abb.1, Abb.7 und die folgende Abb.12 wichtig. Eine Drehung des Kristalls bedeutet, dass bei stationärer Ewaldkugel (durch Nullpunkt des reziproken Gitters und Einfallsrichtung festgelegt) das reziproke Gitter durch die Ewaldkugel hindurchläuft. Wie bereits bei der Drehkristallmethode diskutiert, sind die reziproken Gitterpunkte in Schichten angeordnet, die senkrecht zu einem herausgegriffenen Basisvektor des direkten Gitters sind. Ist nun die Drehachse parallel zu einem solchen Basisvektor, so liegen für eine Schicht des reziproken Gitters alle möglichen Beugungsrichtungen auf einem Kegel (dies ist der Kegel, der jeweils die Schichtlinien bei der Drehkristall-Methode liefert).

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Läßt man nun den Winkel µ gegen 90° gehen (Abb1 rechts) - d.h. Drehachse und Primärstrahl fallen aufeinander - liegt schließlich die 0-te Schicht tangential zur Ewaldkugel und liefert keine Reflexe mehr. Das ist die Ausgangssituation für die Buerger-Präzessions-Methode (Abb.12a). Wird nun der Winkel µ um den Betrag µ’ zurückgestellt (µ = 90° -µ’), so schneidet die 0-te Schicht die Ewaldkugel wieder (Abb.12b) und alle möglichen Reflexe liegen auf einem Kegel mit Öffnungswinkel 2µ’, dessen Achse mit dem erwähnten Basisvektor zusammenfällt. Für andere Schichten hat der Kegel einen anderen Öffnungswinkel (also verschieden von 2µ’), so dass mit entsprechenden Ringblenden die gewünschten Schichten ausgewählt werden können. Nur für die 0-te Schicht enthält dieser Kegel den Primärstrahl. Der entsprechende zirkulare Ausschnitt aus einer Schicht des reziproken Gitters wird auf den Film projiziert. Um nun eine Vielzahl von Reflexen auf der 0-ten Schicht zu erfassen, führen Kristall und Film eine Präzessionsbewegung um den Primärstrahl durch (Abb.12c)

0

RELP

(a)

0

RELP

(b)

0

RELP

(c)Film

Präzessions-bewegung

Abb.12: Schema der Präzessionsgeometrie

(a) 0-te Schicht des reziproken Gitters senkrecht zum Primärstrahl (µ = 90°) (b) Basisvektor um µ’ zu Primärstrahl geneigt, d.h., die Schicht schneidet die

Ewaldkugel entlang des gezeichneten Kreises (c) Der parallel zur Schicht des reziproken Gitters ausgerichtete Film zeigt eine

kreisförmige Spur des Schnittes der Schicht zur Ewaldkugel. Mittels einer geeigneten Ringblende wird die gewünschte reziproke Schicht ausgewählt. Der Film und der Kristall führen eine Präzessionsbewegung um den Primärstrahl durch.

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Bei der Präzessionsmethode erhält man eine unverzerrte Abbildung des reziproken Gitters. Dabei führt eine Achse des Kristalls eine Präzessionsbewegung um den Primärstrahl durch. Zur Abbildung gelangt die senkrecht zu dieser Achse stehende Ebene des reziproken Gitters (das ist in der nebenstehenden Abb.13 einer Präzessionsaufnahme eines hexagonalen LiAlSiO4 Kristalls die Papierebene). In Abb.14 ist eine kommerziell erhältliche Kamera gezeigt.

Abb.13: Beispiel einer Buerger-Präzessions-Aufnahme eines hexagonalen LiAlSiO4-Kristalls.

Abb.14: Moderne Buerger-Präzessions-Kameras (Huber Diffraktionstechnik, Stoe GmbH) 3.7 Diffraktometer-Messungen Besonders präzise lassen sich die Reflexintensitäten mit einem Diffraktometer messen. Für die Strukturbestimmung werden vorwiegend Vierkreisdiffraktometer in Eulergeometrie (Abb.15a) oder sogenannte Kappa-Diffraktometer (Abb.15b) eingesetzt, wobei die Einfallsebene immer horizontal bleibt. Das heißt, der Kristall wird (mittels der χ und φ-

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Achse) so ausgerichtet, dass der Beugungsvektor in der Horizontalebene liegt, und die Bragg-Bedingung mittels der ω und 2θ-Achse eingestellt werden kann.

Abb. 15: (a) Vierkreisdiffraktometer (Eulergeometrie) und (b) Kappa-Diffraktometer Die Bewegungen eines Kristalls auf einem Kappa-Diffraktometers sind etwas schwieriger zu verstehen (wird durch entsprechende Software berechnet), allerdings besteht hier der Vorteil, dass der Raum über dem Kristall völlig frei bleibt, es also zu keinen Abschattungseffekten kommt. Als Nachteil wäre zu nennen, dass der χ−Bereich auf 0 .. 100° beschränkt ist, während mit dem Vierkreisdiffraktometer der volle Bereich 0° .. 180° zugänglich ist. Sehr wichtig ist zunächst eine genaue Kristallzentrierung auf dem Diffraktometer. Die Kristallstrukturbestimmung wird in den meisten Geräten vollautomatisch vorgenommen. Die Intensität der von dem Kristall abgebeugten Strahlung wird von einem auf dem 2θ-Kreis befindlichen Szintillationszähler detektiert. Durch die Rotation aller Kreise können die verschiedenen Netzebenen eines Kristalls in Reflexionsstellung gebracht und somit ein Datensatz erstellt werden. Zunächst werden beim sogenannten "Peak-Hunting" willkürlich einige (20...50) möglichst intensitätsstarke Reflexe gesammelt. Damit kann die Elementarzelle des Kristalls bestimmt werden und somit jeder mögliche Reflex angefahren werden (Bestimmung der Orientierungsmatrix). Nun kann in Abhängigkeit von den Zellparametern der reziproke Raum systematisch nach Reflexen abgesucht und die zur Strukturanalyse nötige Anzahl an Daten gesammelt werden. Weiterhin werden während der Messung intensive Reflexe immer wieder gemessen (Referenzreflexe), um einerseits die konstante Strahlungsleistung der Röntgenquelle und andererseits den Zustand des Kristalls zu prüfen. Die gesamte Prozedur ist recht zeitraubend. Erfahrungsgemäß können damit pro Tag ca. 500-1000 Reflexe vermessen werden, so dass leicht mehrere Wochen für eine komplette Strukturanalyse benötigt werden. Wesentlich zeitsparender ist der Einsatz von Flächendetektoren (Vieldraht-Proportionalitäts-zähler, Bildplatten, CCDs). Die Aufnahmetechnik ähnelt dabei sehr der bei der Drehkristall-technik, nur wird der Kristall nicht vorher in eine definierte Lage justiert. Der Vorteil dieses Verfahrens gegenüber "herkömmlichen" Diffraktometern mit Szintillationszählern besteht darin, dass die gesamte Beugungsinformation eines Kristalls wie auf einem Film festgehalten wird. Probleme bei einer Strukturbestimmung, welche beispielsweise durch verwachsene oder verzwillingte Kristalle, Bildung inkommensurabler Phasen oder dem Auftreten von Überstrukturen verursacht werden, können leichter erkannt und in einer Vielzahl von Fällen auch zufriedenstellend gelöst werden. Darüber hinaus können im Vergleich zu "herkömmlichen" Diffraktometern je nach Güte eines Kristalls und unabhängig von der Größe

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und Symmetrie der Elementarzelle Beugungsdaten in weitaus kürzerer Zeit gesammelt werden.

Abb. 16: Verwendung eines Flächendetektors zur Strukturbestimmung 3.8 Korrekturterme bei der Intensitätsbestimmung Zur quantitativen Datenauswertung müssen die Intensitäten der Reflexe genau bestimmt werden. Dies beinhaltet neben dem notwendigen Untergrundabzug auch die Berücksichtigung von diversen Korrekturtermen

a) Polarisationskorrektur: Wie aus Vorlesung 2 (Gl. 2.14) bekannt, wird der Strahlungsanteil mit Polarisationsrichtung des elektrischen Feldvektors senkrecht zur Reflexionsebene unabhängig von Einfallswinkel reflektiert (s-Polarisation), während der Strahlungsanteil parallel zur Reflexionsebene (p-Polarisation) eine winkelabhängige Schwächung erfährt, sie nimmt mit cos22θ ab. Zerlegt man die (bei Laborquellen vorliegende) unpolarisierte Röntgenstrahlung in die beiden Komponenten parallel und senkrecht zur Ebene, so wird die eine Hälfte nicht, die andere mit cos22θ geschwächt, so dass insgesamt ein Polarisationsfaktor von

( )2/)2cos1P'P 22 θ+== (3.6)

resultiert. Wird ein Monochromator verwendet, so ist die einfallende Strahlung durch diesen Effekt vorpolarisiert. Dies kann man durch einen experimentell zu bestimmenden Faktor K korrigieren:

( ))K1/()2cosK1'P 2 +θ+= (3.7)

Allerdings ist die Korrektur sehr klein, und die Abweichung von Gl.(3.6) ist meist kleiner als 1%.

b) Lorentzfaktor: Dieser Faktor berücksichtigt, dass (abhängig von der Messtechnik) bei

der Messung (ω-scan mit konstanter Winkelgeschwindigkeit) von Reflexintensitäten verschiedene Reflexe sich unterschiedlich lang in Bragg-Stellung befinden. Dieser

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geometrische Effekt wird als Lorentzkorrektur bezeichnet und der entsprechende Korrekturfaktor lautet:

θ= 2sin1L (3.8)

c) Absorptionskorrektur: Je nach Einfallswinkel auf den Kristall und Kristallform werden verschiedene Strecken durchstrahlt. Wenn der Kristall zum Beispiel als dünnes Plättchen vorliegt, dann nimmt der ein- und ausfallende Röntgenstrahl je nach Orientierung des Kristalls verschieden lange Wege, so dass stark richtungsabhängige Fehler entstehen. Je größer der lineare Absorptionskoeffizient µ und je größer und anisotroper der Kristall ist, umso stärker ist dieser Effekt. In der Regel wird eine numerische Korrektur vorgenommen. Für sehr exakte Messungen kann der Kristall zu einer Kugel geschliffen werden.

3.9 Direkte Methoden Wie bereits abgeleitet, ist nach der kinematischen Theorie die Intensität eines Reflexes dem Betragsquadrat des Strukturfaktors proportional. Dieser wiederum kann in der einfachsten Näherung bei bekannter Struktur aus den Atompositionen in der Elementarzelle und den Atomformfaktoren fi (i steht für die Atomsorte; f hängt von sinθ/λ ab) berechnet werden. Verfährt man so, so nimmt man implizit an, dass die Elektronendichte des Kristalls sich aus sphärischen Elektronendichten der Einzelatome zusammensetzen. Dies ist eigentlich nicht korrekt, da z.B. Bindungsladungen – die sich ja zwischen den Atomen befinden – nicht berücksichtigt werden. Für die Strukturbestimmung ist dies jedoch eine ausreichend gute Näherung. Daher ist der Strukturfaktor durch Gl.(3.2) gegeben, während die Elektronendichte des Kristalls durch Gl.(3.3) beschrieben werden kann. Im allgemeinen ist der Strukturfaktor eine komplexe Zahl1. Da aber im Rahmen der kinematischen Näherung die Intensität dem Betragsquadrat des Strukturfaktors proportional ist, kann die Messung nur den Betrag des Strukturfaktors liefern. Dann gilt aber

G*GG FFF vvv

−== , (3.9)

was bedeutet, dass das Beugungsbild ein zusätzliches Inversionszentrum enthält (das ist die sogenannte Friedel’sche Regel2, siehe auch Abb.4), so dass sich die 32 Kristallklassen auf die 11 Laue-Gruppen reduzieren. 3.9.1 Pattersonfunktion

Ein erster Ansatz zur Lösung des Phasenproblems ergab sich mithilfe der sogenannten Pattersonfunktion3 P(u) gemäß

1 Dabei sehen wir davon ab, dass durch die sogenannte anomale Dispersion bereits die Atomformfaktoren komplex sind, wobei der imaginäre Anteil die Absorption beschreibt. 2 Durch die anomale Dispersion wird die Friedel’sche Regel im Prinzip aufgehoben – leider ist der Effekt meist sehr schwach, so dass die Friedel’sche Regel effektiv weiterhin gültig ist. 3 Sie geht zurück auf Lindo Patterson (1902-1966), der die Methode 1934 einführte.

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rGi

G

*GG eFF

V1

)u(Pvv

v

vvv −∑= (3.10)

Nach dem Faltungstheorem der Fouriertransformation kann man die Pattersonfunktion auch schreiben als Paarkorrelations-Funktion

dV)ur()r()u(Pvvvv

+ρρ= ∫ , (3.11)

sie enthält daher Informationen über Differenz-Gittervektoren. Eigenschaften der Pattersonfunktion

• Wenn die Struktur aus N Atomen besteht, dann hat die Patterson-Funktion N2 Peaks. • Die Translationssymmetrie der Elektronendichte und der Patterson-Funktion sind

gleich. In anderen Worten: beide Elementarzellen sind gleich groß. Allerdings hat die Elementarzelle der Elektronendichte N Peaks, die Elementarzelle der Patterson-Funktion N2 Peaks.

• Das Maximum der Patterson-Funktion ist immer am Ursprung (0,0,0) und stellt den interatomaren Vektor eines Atoms mit sich selbst dar.

• Die Patterson-Funktion ist immer zentrosymmetrisch, selbst wenn die Kristallsymmetrie und damit die Elektronendichte nicht zentrosymmetrisch ist. Wenn es einen Vektor zwischen den Atomen A und B gibt, dann gibt es auch den umgekehrten Vektor zwischen B und A.

• Die Peaks aus der Fouriertransformation der Strukturfaktoren sind viel schärfer als die Patterson-Peaks (aus den Beträgen der Strukturfaktoren).

Mithilfe der Pattersonfunktion gelingt es bei hinreichend einfachen Strukturen bzw. bei zusätzlichen Kenntnissen über die Struktur (Teilstrukturen über Chemie, anomale Streuung, usw.) die Struktur unter logischen Gesichtspunkten abzuleiten. Insbesondere erlaubt sie die Bestimmung der Phasen und die absoluten Atomlagen im realen Raum von bestimmten schweren Atomen (z.B. Metallatome in Proteinkristallen). Ist die Lage der Schweratome in der Elementarzelle bekannt, so benutzt man zur Bestimmung der Lagen der übrigen Atome die Streuphasen der Schweratome, da diese die Streufaktoren der Einheitszelle dominieren. So erhält man ein Strukturmodell aus dem wiederum die Stukturfaktoren berechnet werden können. 3.9.2 Direkte Methoden

Intention aller direkten Methoden ist es, aus dem experimentell bestimmten Datensatz die Phasen direkt abzuleiten. Dieses Problem ist bislang nicht allgemein lösbar, jedoch existiert ein Reihe bekannter Beziehungen, die unter Umständen eine Bestimmung der Phasen möglich macht. Die von HARKER und KASPER angewendeten Ungleichungen auf den Strukturfaktor Fhkl ermöglichen es, mit Hilfe der sogenannten unitären Strukturamplituden Uhkl mit Uhkl = Fhkl/Z und Z als der Anzahl der in der Elementarzelle vorhandenen Elektronen, Voraussagen über die Wahrscheinlichkeit des Vorzeichens (der Phase) des Strukturfaktors in Abhängigkeit von seinem Betragsquadrat zu treffen. Ein anderer Ansatz von SAYRE, KARLE UND HAUPTMANN bezieht sich auf die Strukturbestimmung von zentrosymmetrischen Kristallen. Der generelle Gang soll im weiteren kurz erläutert werden. Bei zentrosymmetrischen Kristallen muss gelten:

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)rGcos()G(f2ee)G(fF j

2/N

1jj

rGirGi2/N

1jjG

jj vvvv vvvv

v ⋅=

+⋅= ∑∑

=

=

(3.12)

Das heißt, alle Strukturfaktoren sind reell, und es ist nur noch das Vorzeichen der Strukturfaktoren unbekannt. Hält man sich nun vor Augen, dass aus Gl.(3.2) folgt:

)'rr(GiN

1'jj

N

1jj

2G

jje)G(f)G('fFvvv

vvv −

= =

⋅=∑∑ (3.13)

so hat man ein hoch überbestimmtes Gleichungssystem für die unbekannten Orte rj. Im allgemeinen kommen bei Kupferstrahlung pro Atom in der Einheitszelle etwa 150 (zentroymmetrische Kristalle) bzw. 75 (nicht-zentrosymmetrische Kristalle) unabhängige Reflexe. Bei jeweils drei Koordinaten liegt also 50- bzw. 25-fache Überbestimmtheit vor. Das engt den Spielraum für die Phasen der Strukturfaktoren ein und ist so Basis für die direkten Methoden. SAYRE, KARLE UND HAUPTMANN konnten nun zeigen, dass sich der Strukturfaktor FG aus der Produktsumme aller Strukturfaktoren gemäß

∑ −=

'G'GG'GG FFkF

v

vvvv (3.14)

berechnen lässt, wobei k ein nichtnegativer Proportionalitätsfaktor ist. Hierbei zeigt sich, dass gewöhnlich ein Glied dieser Summe in Relation zu den anderen so groß ist, dass es den Absolutwert des Strukturfaktors FG bestimmt. Greift man sich nun einen starken Reflex G heraus, ist dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit von dem stärksten Glied beeinflusst. Damit kann für das Vorzeichen (Signum SG) der Phase eines Reflexes G folgende bekannte sogenannte Σ2-Beziehung formuliert werden :

'GG'GG SSS vvvv−⋅= (3.15)

bzw.

1SSS 'GG'GG +=⋅⋅ −vvvv (3.16)

Hierbei werden also drei Reflexe miteinander gekoppelt. Damit kann man aus zwei bekannten Phasen eine dritte bestimmen und so fort. Je mehr Phasen so bestimmt sind, umso verlässlicher funktioniert das Verfahren. Im günstigsten Falle sind damit alle Phasen bestimmbar. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Zuordnung einer Phase zu einem Reflex hkl richtig erfolgt ist ergibt sich nach COCHRAN und WOOLFSON zu

+=

− 'GG'GG EEEN

1tanh

21

21

p rvvv (3.17)

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wobei N die Anzahl gleich schwerer Atome in der Elementarzelle ist, und EG sogenannte normierte Strukturfaktoren sind. Diese werden erhalten, indem man den jeweiligen Strukturfaktor durch den Mittel- bzw. Erwartungswert über alle Strukturfaktoren eines Datensatzes dividiert. Man geht daher so vor, dass man gegebenenfalls einfach einen Basissatz von Phasen errät und damit weiterrechnet. Anschließend lässt sich dann mittels Gl.(3.17) die Güte der errechneten Struktur überprüfen. Auf diese Weise können eine Vielzahl von Versuchen durchgeführt werden und automatisch der beste ausgewählt werden. Am Ende bedürfen diese Strukturen noch der Überprüfung in bezug auf chemische Stimmigkeit, bzw. anhand vorhandenen Wissens zu Teilstrukturen. Eine detaillierte Darstellung der hier nur grob skizzierten Methode findet sich in W.Massa, Kristallstrukturbestimmung, Teubner 2002, ISBN 3-519-23527-7.