Im Fokus: Mobile Health Technologies · Die Studie "mHealth App Developer Economics 2015"...

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Herbst 2016 Neue Möglichkeiten für die Gesundheitsversorgung der Zukunft Regulatorische Herausforderungen für Mobile Health Technologies Innovative Sensorik für Menschen mit chronischen Erkrankungen Medizin Innovativ - MedTech Summit Im Fokus: Mobile Health Technologies

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Page 1: Im Fokus: Mobile Health Technologies · Die Studie "mHealth App Developer Economics 2015" beschreibt eine Professionalisierung der weltweit rund 45.000 Produzenten von mobilen Gesundheitsanwendungen.

Herbst 2016

Neue Möglichkeiten für die Gesundheitsversorgung der Zukunft

Regulatorische Herausforderungen für Mobile Health Technologies

Innovative Sensorik für Menschen mit chronischen Erkrankungen

Medizin Innovativ - MedTech Summit

Im Fokus:Mobile Health Technologies

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Liebe Leserinnen und Leser, in den letzten Jahren hat sich der Trend zur Digitalisierung zum wich-tigsten Innovationsmotor der Me-dizin entwickelt. Das Team des Kongresses MedTech Summit hat dieses Thema im Juni 2016 aufge-griffen und eine Kongressreihe zu "Mobile Health Technologies" konzipiert. Wir freuen uns, Ihnen die Inhalte dieser spannenden Kongressreihe präsentieren zu können: Informieren Sie sich über Wearables und die neuen Möglichkeiten der Gesundheitsversor-gung von morgen. Marktpotenzial und Geschäftsmodelle für Mo-bile-Health-Produkte werden genau beleuchtet, ebenso wie die regulatorischen Herausforderungen. Einige Beispiele für Weara-bles zeigen, dass schon jetzt Patienten z. B. mit chronischen Er-krankungen oder Epilepsie geholfen werden kann und die mul-tiparametrische Aufzeichnung von Vitaldaten die Überwachung komplexer Krankheitsverläufe unterstützt.

Ab 2017 findet der Kongress MedTech Summit jährlich im Ver-bund mit der Medizintechnik-Messe MT-CONNECT statt: Neben Fachvorträgen zu Technologietrends im Kongressbereich werden Marktthemen zu Förderung und Finanzierung sowie Kostenerstat-tung direkt im Geschehen der neuen Messe für die Medizintechnik stattfinden. Das Partnering for MedTech & Pharma ist erstmals in das Kongress- und Messeprogramm integriert und ermöglicht effi-zientes B2B-Networking zwischen allen Teilnehmern des MedTech Summit sowie den Ausstellern und Besuchern der MT-CONNECT. Nutzen Sie die Möglichkeit zum prozessübergreifenden Erfah-rungsaustausch vom 21.-22. Juni 2017 in Nürnberg.

Viel Spaß bei der Lektüre wünscht Ihnen das Team des Kongresses MedTech Summit

EditorialInhalt

Im Fokus

4 Wearables Neue Möglichkeiten für die Gesundheits ver­sorgung der Zukunft

6 Studie zu mHealth- Anwendungen Markt für Gesundheits­ Apps wächst

8 Regulatorische Herausforderungen für Mobile Health Technologies

Interview

10 Mobile Health – Marktpotenzial und Geschäftsmodelle

Expertenbeiträge

12 Innovative Sensorik für Menschen mit chronischen Erkrankungen

14 Nächste Generation von tragbarem, prädiktivem und geschütztem medizinischen Monitoring

Aus der Praxis

16 Sensoren und Aktoren für Smart Wearables

17 NEMOS – Eine Chance für Epilepsiepatienten

18 Elektronik und Mobile Health: Herausforderun-gen in Bedienbarkeit, Haptik und Materialauswahl

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Der ideele Träger des MedTech Summit ist das Forum MedTech Pharma e.V., das größte Netzwerk

der Gesundheitsbranche in Deutschland und Europa. Es fördert Kooperationen, vermittelt Kontakte

und informiert über neueste Trends und Innovationen auf Fachtagungen und Weiterbildungsveran-

staltungen. Die über 600 Mitgliedsinstitutionen aus Wissenschaft, Wirtschaft, dem Klinikbereich und

dem Gesundheitswesen kommen aus dem gesamten Bundesgebiet und 14 weiteren Ländern; aus

der Medizin, Medizintechnik, Pharma und angrenzenden Bereichen. Das Netzwerk umfasst insgesamt

10.000 Kunden aus 31 Ländern, davon 4.000 Unternehmen, 1.500 Institute und Kliniken.

Der Kongress MedTech

Summit erfährt die

besondere Unterstützung

durch das Bayerische

Staatsministerium für

Wirtschaft und Medien,

Energie und Technologie.

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Seit einiger Zeit gibt es sogar Wearables mit me-dizinischer Zertifizierung und auch im Präventions-bereich spielen die tragbaren Helfer eine immer wichtigere Rolle. Der medizinische Bereich ist der-zeit einer der wichtigsten Wachstumsmärkte für den Wearables-Sektor.Durch den demographischen Wandel und das krän-kelnde Gesundheitssystem besteht mittlerweile ein erhöhtes Interesse an innovativen Lösungen zur Behandlung von chronischen Krankheiten oder zur aktiven Krankheitsprävention. Ein Beispiel dafür ist die Volkskrankheit Diabetes. Hier gibt es einige sehr interessante Lösungen und Möglichkeiten, um zuckerkranke Menschen zu unterstützen. Bereits heute können verschiedene Sensoren Echtzeit-Messungen durchführen und diese Daten auch auf das Handy des Erkrankten übertragen. Diese Sen-soren werden u. a. in Form eines smarten Pflas-ters auf die Haut geklebt. Die App auf dem Han-dy warnt, wenn kritische Werte gemessen werden oder erinnert an die nächste Medikamentendosis. In manchen Fällen kann auch die Insulingabe über das smarte Pflaster gelöst werden. Ein spannendes Produkt wird gerade in Kalifornien entwickelt. Dabei handelt es sich um eine künst-liche Pankreas, die auf den Körper aufgebracht werden kann und somit Insulingabe, Glukagongabe und die Messung der Gesundheitswerte kombiniert. Einen weiteren großen Bereich im Gesundheits-markt nehmen Wearables zur Prävention von Krankheiten ein. Für Brustkrebs gibt es nun ein Produkt, das unter dem BH getragen werden kann und früh auf gefährliches Zellwachstum hinweist. Der bequeme und diskrete Einsatz ermöglicht es Frauen, jeden Monat ihre Brust zu untersuchen. Auch gegen Hautkrebs kann mit den Innovationen

aus dem Wearable-Bereich vorgesorgt werden. Mittlerweile gibt es den ersten dehnbaren Haut-sensor, der den Nutzer über die Menge der UV-Strahlung und mögliche Überexposition informiert. Aber auch für seltenere Krankheiten bieten Wear-ables Unterstützung. So etwa bei der Autoimmun-erkrankung "Lupus", die viele verschiedene Symp-tome, wie Hautauschläge oder Nierenversagen, verursachen kann. Hohe UV-Belastung löst bei dieser Erkrankung möglicherweise einen akuten Schub aus. Ein neues Wearable kann nun anhand der individuellen UV-Verträglichkeit des Trägers auf eine zu hohe Belastung aufmerksam machen und so einem Schub vorbeugen. Wearable-Innovationen und -Produkte werden in vielerlei Hinsicht die Gesundheitsversorgung ver-ändern. So können beispielsweise Patienten mehr Kontrolle und Information über ihre Krankheit und den Behandlungsverlauf erlangen. Auch Ärzte pro-fitieren von besseren Daten durch häufigere, vom Patienten selbst durchgeführte Messungen. Chro-nisch Kranke können sich mit Hilfe von Telemoni-toring den einen oder anderen Arztbesuch sparen.

Mit Wearables werden wir in Zukunft mehr über uns und unsere Gesundheit wissen und auch ge-gebenenfalls bereits eingreifen können, bevor wir wirklich krank werden.

Wearables – Neue Möglichkeiten für die Gesundheitsversorgung der Zukunft

Wearables sind Technologien und Geräte, die in Körpernähe, am oder sogar im Körper ge­tragen werden können. Der breiten Masse sind derartige Produkte vor allem in Form von Fitnessarmbändern bekannt, jedoch reicht die Produktpalette auf dem Wearable­Markt weit über den Sportbereich hinaus.

Christian StammelWearable Technologies [email protected]

Im Fokus

2014

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200

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450 Sport, Fitness and Wellness Trackers

Healthcare Devices

Wearable Cameras

Smart Watches

Wearable 3D Motion

Smart Clothing

2015 2016 2017 2018 2019

Verkaufsentwicklung von Wearable Technology Geräten.Im Jahr 2015 wurden fast 150 Mio. Geräte verkauft, ein sehr starkes Wachstum zu 2014. Die weiteren Zahlen zeigen die Prognose der Wearable Technologies AG zum ansteigenden Verkauf.

Grafik: Wearable Technologies AG auf der Basis von "ABIresearch"-Daten

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Die Studie "mHealth App Developer Economics 2015" beschreibt eine Professionalisierung der weltweit rund 45.000 Produzenten von mobilen Gesundheitsanwendungen. Die "typische Firma" habe inzwischen mehr als 100 Angestellte und arbeite mit Ärzten oder anderen Experten aus dem Gesundheitsbereich zusammen. In acht Prozent der Fälle handele es sich bei dem Anbieter noch um eine "Garagenfirma", in der die Entwickler gleich-zeitig die Eigentümer der Firma sind. Diese Start-ups hatten im Jahr 2014 noch rund 15 Prozent der Marktanbieter ausgemacht. Erklären kann man dies durch die zunehmende Dominanz von IT-Unternehmen und klassischen App-Entwicklern, die zusammen fast die Hälfte der mHealth-Anbieter ausmachen. 2014 betrug deren Anteil gemeinsam nur 38 Prozent. Weitere Daten legt die Studie dazu zwar nicht vor, eine Erklärung dafür könnte aber sein, dass etablierte Firmen vielversprechende Start-ups inzwischen aufge-kauft oder sich Expertise in Sachen Gesundheits-anwendungen ins eigene Haus geholt haben. Wie die Marktbeobachtung zudem ergab, offerieren 84 Prozent der Anbieter von Gesundheits-Apps weni-ger als zehn Lösungen im Markt, 30 Prozent bieten sogar nur eine einzige mHealth-Applikation an.

Anteil von Medizintechnikunternehmen, die Apps anbieten, wächstEinen deutlichen Zuwachs bei den Anbietern von mHealth-Apps gibt es auch in den spezifischen Branchen: Binnen Jahresfrist hat sich der Anteil

Studie zu mHealth­AnwendungenMarkt für Gesundheits-Apps wächst

Der Markt für mobile Gesundheitsanwendungen (mHealth) wächst rasant: Laut einer Studie des Berliner Marktforschungsinstitut "Research2Guidance" wurden alleine im vergangenen Jahr weltweit 103.000 neue Gesundheitsapps in den einschlägigen App­Stores publiziert. Rund drei Milliarden Mal seien solche Anwendungen aus den Bereichen Gesundheit, Fitness und Medizin im Jahr 2015 heruntergeladen worden. Das ist fast eine Verdopplung im Ver­gleich zum Jahr 2013: Damals lag die Zahl der Downloads für mHealth­Anwendungen noch bei 1,7 Milliarden.

von App-Anbietern, die direkt aus der pharma-zeutischen Industrie stammen, von drei auf fünf Prozent erhöht. Auch der Anteil der Medizintech-nikunternehmen, die mHealth-Apps anbieten, steigerte sich von fünf auf sechs Prozent. Etwas ungenau bleibt die Studie bei der Abgren-zung des Begriffs "Gesundheitsanwendungen". Die Verfasser differenzieren nicht zwischen Ge-sundheitsanwendungen, zu denen zum Beispiel auch Fitness-Apps zählen, und Medical Apps, de-ren Zweckbestimmung die medizinische Diagnose oder Therapie von Patienten ist und die den glei-chen gesetzlichen Bestimmungen unterliegen wie Medizinprodukte. Bei letzteren dürfte der Anteil der branchenspezifischen Anbieter durchaus noch höher sein. Sicher ist aber auch, dass sich Me-dizintechnikunternehmen und Pharmafirmen im Bereich "mHealth" den Markt mit IT-Firmen und klassischen App-Entwicklern teilen.

Wenige Apps erreichen viele NutzerAllgemein ist die Strahlkraft der meisten Apps eher gering, wie die Untersuchung zeigt. Dafür verbreiten sich einige wenige Apps sehr stark. So erreichten 62 Prozent der Anbieter von Gesund-heits-Apps im vergangenen Jahr gerade einmal bis zu 5.000 Downloads, 21 Prozent kamen auf bis zu 10.000 Nutzer, sechs Prozent auf bis zu 100.000 Anwender. Europa ist mit rund 40 Pro-zent der mHealth-Anwendungen global gesehen der größte Anbieter, dicht gefolgt von Nordame-rika mit rund 32 Prozent Marktanteil. Die größte Entwicklung verzeichnen asiatische Länder; deren Anteil an mHealth-Anbietern stieg binnen Jahres-frist von 12 auf 23 Prozent. Die Hauptzielgruppe der Anbieter von Gesundheits-Apps ist laut Studie mit 48 Prozent die der chronisch kranken Men-schen. Die rund 5.000 Anbieter, die sich an der Umfra-ge beteiligten, prognostizieren, dass der m Health- Markt vor allem für Mediziner und die Medizintech-nikindustrie eine Bedrohung in Bezug auf ihr Ge-schäftsfeld darstellen kann. Am meisten profitieren werden die Patienten, mutmaßen die Unternehmer.

Tim [email protected]

Im Fokus

Wellness oder Medizinprodukt?

Gesundheits­Apps vermessen unsere

Fitness, analysieren physiologische

Daten und berechnen die Dosierung

von Medikamenten. Wo aber ist die

Grenze zwischen Wellnessanwendung

und Medizinprodukt? Das

Bundesinstitut für Arzneimittel und

Medizinprodukte (BfArM) bietet eine

Orientierungshilfe zu Medical Apps

auf seiner Homepage an.

www.bfarm.de

Nationale Informationsplattform MedizintechnikMedizintechnologie.de

Nationale Informationsplattform MedizintechnikMedizintechnologie.de

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MEDICA 201614.-17. November

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Im Fokus

Um in diesem Zusammenhang regulatorische Herausforderungen klären zu können, ist eine der wesentlichsten Herausforderungen zu prüfen, wann eine Mobile Application eine Mobile Medical Application – also ein Medizinprodukt ist.

"Mobile Health" oder "mHealth" ist ein Überbegriff für die Unterstützung medizinischer Behandlun-gen bzw. für die Unterstützung des Gesundheits-wesens durch mobile Geräte wie Smartphones oder Tablets. Der Begriff wird vielfältig in Zusam-menhang mit der Verwendung von Mobiltelefonen verwendet: Vereinfachung der Erfassung von Pa-tientendaten in der Gesundheitsversorgung, ver-besserte Kommunikation von gesundheitsbezoge-nen Daten zwischen Arzt und Patienten bis hin zu Echtzeit-Medikationsüberwachung und Insulin-dosis-Kalkulatoren.Im Zusammenhang mit dem breiten Überbegriff "Mobile Health" werden im allgemeinen Fragen des Datenschutzes, des Nutzens für das Gesund-heitssystem, klinische Evidenz und technische Fra-gen wie Interoperabilität diskutiert.In diesem Artikel soll auf einen weiteren zent-ralen Aspekt der regulatorischen Anforderungen fokussiert werden: Auf die so genannten "Mo-bile Medical Applications – MMA”. Diese werden von der "Food and Drug Administration (FDA)" als Anwendungen für mobile Endgeräte (wie Smart-phones oder Tablets), die medizinisches Personal oder Patienten bei der Diagnose, Therapie oder Überwachung von Krankheiten oder Verletzungen unterstützen, bezeichnet.

Ist die Mobile Application ein Medizinprodukt? Eine der wesentlichsten Herausforderungen, ist zu klären: wann eine Mobile Application eine Mobi-

Regulatorische Herausforderungen für Mobile Health Technologies

Bei der Entwicklung von Mobile Health Technologies müssen regulatorische Anforderungen berücksichtigt werden, die von Beginn an eine umfassende Dokumentation und eine grundle­gende Systematik erfordern. Doch was bedeutet Mobile Health Technologies eigentlich genau und wann ist eine mobile Applikation ein Medizinprodukt?

le Medical Application – also ein Medizinprodukt ist. Die klare Abgrenzung zu Wellness und Sport (Stichwort "Quantified Self") bzw. zu rein administ-rativen Tools wie elektronischen Patientenakten ist zunächst entscheidend. Eine große Hilfe bei der Abgrenzung ist eine klar definierte Zweckbestim-mung durch den Hersteller. Diese sollte den As-pekt beschreiben, wie medizinisches Personal oder Patienten bei der Diagnose, Therapie oder Über-wachung von Krankheiten oder Verletzungen durch die App unterstützt werden. Eine gute Anleitung bietet der EU-Leitfaden MEDDEV 2.1/6 "Qualificati-on and Classification of stand alone software", der aktualisiert im Juli 2016 publiziert wurde. Wenn unterschiedliche Varianten einer Mobile Application

(Medizinprodukt / Nicht Medizinprodukt) denkbar sind, sollte der Hersteller dies durch die Zweckbe-stimmung und in Anlehnung an den MEDDEV-Leit-faden dokumentieren.

Software­Enwicklungsprozess, Dokumentation und klinische BewertungIst die Mobile Application ein Medizinprodukt, liegt die Herausforderung schlechthin darin, sich im Irr-garten der regulatorischen Anforderungen rechtzei-tig zu orientieren. Da diese vor allem auch auf Rück-verfolgbarkeit, die Erstellung von Dokumentation und klar geregelte Entwicklungsprozesse ab zielen, muss von Anfang an systematisch vorgegangen werden. Hier sind begleitend eine Software-Akte (IEC 62304), eine Risikomanagement-Akte (ISO 14971) und eine Gebrauchstauglichkeits-Akte (IEC 62366) anzufertigen. Ist die Software erst einmal erstellt, ist es zu spät. Auch die klinische Validierung ist für viele App-Ent-wickler Neuland. Die Fähigkeit der Mobile Medical Application, die Zweckbestimmung zu erfüllen, muss in einer klinischen Bewertung nachgewiesen und systematisch dokumentiert werden.Generell erfordert die Entwicklung von Mobile Me-dical Applications die frühzeitige Einbindung von Regulatory-Know-how, ausreichend Zeit und Res-sourcen zur Umsetzung der regulatorischen Anfor-derungen. Dies sollte bei der Produktentwicklung und Projektplanung von Anfang an berücksichtigt werden.

Dipl.-Ing. Martin Schmid, en.co.tec Schmid KG [email protected]

IST DIE MOBIlE APPlICATION EIN MEDIzINPRODuKT, lIEGT DIE HERAuSFORDERuNG DARIN, SICH IM IRRGARTEN DER REGulATORISCHEN ANFORDERuNGEN RECHTzEITIG zu ORIENTIEREN.

DER BEGRIFF "MOBIlE HEAlTH" WIRD VIElFälTIG IN zuSAMMENHANG MIT DER VERWENDuNG VON MOBIlTElEFONEN GENANNT.

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Interview

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Welche wirtschaftliche Bedeutung hat der aktuelle Trend "Mobile Health" für deutsche Unternehmen?Die Relevanz dieses Trends ist sehr groß. Den meisten Akteuren ist bewusst, dass die Digitale Transformation auch den Bereich der Medizintech-nik und Gesundheitswirtschaft stark beeinflussen wird. Deshalb wurden in den vergangenen Jahren viele Pilotprojekte auf den Weg gebracht, um Er-fahrungen und Daten zu sammeln. Wichtig ist da-bei die Frage: Worin liegt ein echter Zusatznutzen? Vorteilhaft war dabei, dass sich der Trend im Con-sumerbereich sehr schnell entwickelt hat. Aktuell verlagert sich der Fokus der Weiterentwicklung auf den evidenzbasierten Bereich medizinisch relevan-ter Applikationen. Noch ist die wirtschaftliche Be-deutung von Mobile Health gering, aber es zeichnet sich ab, dass zukünftig viele Angebote in der Ge-sundheitsversorgung nur noch vermarktet werden können, wenn sie mit Funktionalitäten aus dem Bereich Mobile Health ausgestattet sind.Wie groß schätzen Sie den Anteil medizintechni­scher Anwendungen im Umfeld von Wearables und Fitness­Gadgets ein? Ist zu befürchten, dass der Anteil gegenüber Consumables sehr klein bleibt?Während sich bei Consumables, z. B. Fitness-Tools, bereits eine erste Sättigung abzeichnet, ist der Bereich medizintechnischer Applikationen, bei-spielsweise im Bereich kardiovaskulärer Risikopa-tienten, gerade stark ansteigend. Je umfangreicher und präziser das verfügbare Wissen und die Aus-sagekraft von gemessenen Daten ist, desto mehr werden medizinische Anwendungen an Bedeutung

gewinnen. Wenn Funktionen wie eine zuverlässi-ge Detektion von Vorhofflimmern etabliert sind, dann können diese medizinischen Anwendungs-felder zum Massenmarkt werden. Hinzu kommt der Trend, dass immer mehr Menschen gerne die eigene Kontrolle über ihren Gesundheitszustand wünschen und zunehmend bereit sind, in die er-forderlichen Produkte zu investieren.Wie sehen mögliche Geschäftsmodelle für Mobile Health aus? Spielt die Erstattung durch Kranken­kassen dabei überhaupt eine Rolle?Die Rolle der Krankenkassen wird wichtiger wer-den. Krankenkassen haben ein Interesse, durch die Möglichkeiten von Mobile Health effektive Incen-tivierungsmodelle auf den Weg zu bringen. Der Schwerpunkt liegt hier also bei der Prävention. Aber auch das Monitoring von Risikopatienten spielt eine Rolle, da eine wirksame Patientenüber-wachung auch im Interesse der Kassen liegt. Paral-lel dazu wird es einen immer wichtiger werdenden Selbstzahlerbereich geben.

Auf welche Kriterien achten Sie besonders bei der Beurteilung, ob ein neues Mobile­Health­Projekt investitionswürdig ist?Im Vordergrund steht die Frage nach dem medizini-schen Nutzen einer Innovation. Die Idee sollte von Anfang an mit Daten und Branchenwissen unter-füttert werden: Wie sind Prävalenz und Präzedenz der adressierten Indikationen? Welche Länderspezi-fika sind zu berücksichtigen? Wie sieht das Wett-bewerbsumfeld aus? Die wichtigsten Stolperfallen müssen sorgfältig geprüft werden, z. B. Risiken bei der Zulassung. Eine Wirtschaftlichkeitsanalyse folgt dann als nächster Schritt, bei dem die Belastbarkeit des Business-Case geprüft wird. Auch nicht zu ver-nachlässigen ist die Berücksichtigung gesellschaft-licher und ethischer Fragestellungen.Ist im Bereich "Mobile Health" tendenziell eher mit einem schnellen ROI im Vergleich mit klassischen Medizinprodukten zu rechnen?Im Bereich "Mobile Health" kann tatsächlich mit einem vergleichsweise schnellen Return on Invest-ment gerechnet werden. Generell haben Lösungen mit einem hohen Anteil an Digitalisierung den Vor-teil einer guten Skalierbarkeit und profitieren von der aktuell hohen Dynamik am Markt. Als Folge sind bereits starke M&A-Aktivitäten in diesem Um-feld zu beobachten.Welche spezifischen Risiken müssen Hersteller beachten, z. B. kurze Lebenszyklen, Preisverfall, Datenschutz?Die hohe Marktdynamik stellt gleichermaßen eine große Chance und ein großes Risiko dar. Deshalb

ist ein exzellentes Timing ganz entscheidend. Der richtige Zeitpunkt für den Marktstart einer Inno-vation in diesem Segment entscheidet wesent-lich über Erfolg oder Misserfolg. Um dem Risiko der Marktdynamik und der kurzen Lebenszyklen entgegenzuwirken, müssen von Anfang an Über-legungen angestellt werden, welche Schritte der Weiterentwicklung und welche systematische Ausweitung auf neue Zielgruppen sinnvoll sind. Selbstverständlich müssen Unternehmer auch die jeweils geltenden Regularien für Datenaustausch, Datenanalyse und Verschlüsselung kennen und in ihre Projektplanungen einbeziehen, um nicht am Thema "Datenschutz" zu scheitern.

Das Interview führte Dr. Matthias Schier.

Dr. Patrick PfefferGeschäftsführer [email protected]

Dem Bereich "Mobile Health" wird bis zum Jahr 2020 ein Wachstum von über 41 % vorhergesagt*. Diese hohe Marktdynamik stellt gleichermaßen eine große Chance und ein großes Risiko dar.

* Roland Berger, Digital and disrupted: All change for healthcare, 2016

Mobile Health – Marktpotenzial und GeschäftsmodelleInterview mit Dr. Patrick Pfeffer, aescuvest

Unternehmen aus der Gesundheitswirtschaft sehen sich mit der Digitalen Transformation und folglich mit dem neuen Technologietrend "Mobile Health" konfrontiert. Um die Chancen optimal zu nutzen und Risiken aus dem Weg zu gehen, brauchen sie fundierte Hintergrund­informationen. Das Forum MedTech Pharma hat mit Dr. Patrick Pfeffer, Geschäftsführer der Aescuvest GmbH, gesprochen. Als Spezialist für Crowd­Financing hat er täglich mit innovati­ven Projektideen zu tun und setzt sich mit den Trends der Gesundheitswirtschaft auseinander.

IM VORDERGRuND STEHT DIE FRAGE NACH DEM MEDIzINISCHEN NuTzEN EINER INNOVATION.

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Innovative Sensorik für Menschen mit chronischen Erkrankungen

Patienten mit chronischen Erkrankungen benötigen Hilfe. Bestimmte Krankheiten wie z. B. Diabetes mellitus oder Alzheimer­Demenz nehmen zu und die Versorgung mit herkömmlichen personalintensiven Mitteln ist begrenzt. Der enorme technische Fortschritt in der Mikroelek­tronik und der Sensorik erlaubt innovative Ansätze, um den betroffenen Patienten zu helfen.

Peter GersingGrey [email protected]

Die Neuerungen in der Digitaltechnik haben in den letzten Jahren Quantensprünge gemacht, die mit Recht als "Digitale Revolution" bezeichnet werden. Dort, wo diese Technologie in der Medizin einge-setzt wird, ist es möglich, Innovationen zur Behand-lung chronisch kranker Patienten zu entwickeln.

Beispiel Diabetes Typ 1Beim "Firefly-Projekt" wurde modernste Sensorik eingesetzt, um die Symptome einer Unterzuckerung frühzeitig erkennen zu können. In enger Zusam-menarbeit mit medizinischen Wissenschaftlern hat man für dieses Projekt Sensoren entwickelt, deren Messwerte für den Blutzuckergehalt über komplexe Algorithmen ausgewertet werden und Krankheits-symptome bereits im Vorfeld erkennen lassen. Der Firefly ist "nicht-invasiv" und kann bequem wie eine Armbanduhr getragen werden. Somit ist eine per-manente Messung der entscheidenden Parameter und eine zuverlässige Frühwarnung vor Unterzu-cker-Zuständen gewährleistet.

Beispiel AutismusJe frühzeitiger Autismus erkannt wird, desto wir-kungsvoller lassen sich therapeutische Maßnah-men einsetzen und damit die Symptome nachhal-tig lindern. Das Projekt "TALI" ermöglicht bereits in frühester Kindheitsphase eine Messung des Krankheitsgrades. Mit Hilfe eines Spiels werden krankheitstypische Herausforderungen an das Kind gestellt. Eine Analysesoftware läuft im Hin-

tergrund und erkennt und misst z. B. den Grad der Aufmerksamkeit. In klinischen Studien hat sich gezeigt, dass die regelmäßige Wiederholung solch spezialisierter Spiele zu messbaren Verbesserun-gen der Symptome führt. Die frühe Erkennung, das frühe Training und die Messbarkeit der Wir-kung unterschiedlicher Trainingskonzepte verspre-chen in diesem Bereich erhebliche Fortschritte in der Behandlung der Krankheit.

Weitere medizinische AnwendungsgebieteIn enger Zusammenarbeit mit Medizin und For-schung wurden für weitere Anwendungen zuge-schnittene Sensorgeräte und die zugehörigen Al-gorithmen entwickelt, mit denen sich Krankheiten besser überwachen lassen. Rückenbewegungen lassen sich permanent exakt vermessen, was eine bedeutende Grundlage für Diagnose und Behandlung ist. Die Herzleistung lässt sich nicht-stationär mit einem kleinen Sensorgerät überwachen. Im Alltag können Risikopatienten durch permanente Messung somit über kritische Situationen alarmiert werden, die da-rüber hinaus auch über mobile Kommunikation zur Notversorgung eskalierbar sind.Parkinsontypische Bewegungsstörungen lassen sich genauestens mit Sensorik erfassen. Das ermöglicht eine präzisere medikamentöse Einstellung. Zudem eröffnet sich in diesem wie auch in anderen Krank-heitsbildern die Möglichkeit, klinische und phar-mazeutische Studien durchzuführen, die auf einer großen, objektiv gemessenen Anzahl von Daten ba-sieren. Neueste Forschungsprojekte konzentrieren sich auf Patienten mit Alzheimer-Demenz. Dabei geht es erneut darum, krankheitstypische Situationen der Patienten – in diesem Falle Verwirrtheitszustände, Orientierungslosigkeit, Unruhe – digital zu erfassen sowie die Wirkung von Maßnahmen oder Medi-kamenten zu messen. Darüber hinaus schlägt der Rechner nach der Auswertung der Parameter Be-

Expertenbeitrag

Das Wearable "Firefly" hilft Diabetes-Typ-1-Patienten einen Unterzucker-Zustand durch permanente, nicht-invasive Messung der Symptome frühzeitig zu erkennen. Es wird dabei bequem wie eine Armbanduhr getragen.

Autismus frühzeitig erkennen: Das Projekt "TALI" ermöglicht bereits in früher Kindheitsphase eine Messung der Aufmerksamkeit und der Reaktionen.

handlungsmaßnahmen vor und unterstützt damit Patienten und pflegende Angehörige. So kann in-novative Sensorik helfen, die selbstbestimmte Le-bensphase der Patienten im familiären Umfeld zu verlängern.

Worauf kommt es an?In allen genannten Projekten hat sich gezeigt, dass die enge Zusammenarbeit zwischen Medizinern und Ingenieuren der Schlüssel zum Erfolg ist. Die Symp-tome der Krankheiten müssen genau verstanden sein und die Erfassung mit der optimalen Sensorik gemeinsam abgestimmt werden. Die Entwicklung komplexer Algorithmen für die Erkennung krank-heitsspezifischer Signaturen ist die Kunst, die weite-re Innovationen hervorbringen wird, um Menschen zu helfen und die Arbeit der Mediziner optimal zu unterstützen.

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Expertenbeitrag

Wolfgang WernerBiovotion [email protected]

Nächste Generation von tragbarem, prädiktivem und geschütztem medizinischen Monitoring

Fitness­ oder pseudo­medizinische Wearables überschwemmen derzeit den Consumer­Markt: Sie verfolgen und dokumentieren die täglichen Freizeitaktivitäten ihrer Benutzer und messen dazu eine oder zwei Arten von Vitaldaten, die oftmals klinisch nicht validiert sind. Sie spei­chern den Aufenthaltsort des Trägers, schätzen seinen Allgemeinzustand oder bewerten seine Schlafqualität. Als Lifestyle­Applikationen zielen sie primär auf gesundheitsbewusste Anwen­der, die sich um ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit kümmern, und nicht auf Patienten, die unter chronischen oder kritischen Zuständen leiden.

Das medizinische Wearable "biovotion" wird am Oberarm getragen und zeichnet die Vitaldaten Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung, Schrittanzahl, Hauttemperatur, Perfusion und Hautleitfähigkeit simultan auf.

Um komplexe Krankheitsverläufe optimaler zu überwachen, sind Illustrationen der Daten notwendig, die beispielsweise den Verlauf der Vitaldaten eines Patienten übersichtlich gestalten.

Expertenbeitrag

Um medizinische Wearables in den klinischen Alltag integrieren zu können, müssen sie präzise Messwer-te liefern, die mit dem "Standard of Care" vergleich-bar sind. Die Gebrauchstauglichkeit darf Patienten in ihrer Umgebung nicht behindern und sollte sich nahtlos in den Alltag integrieren lassen. Die gesam-

melten Daten müssen zeitnah komprimiert, prozes-siert und illustriert werden, damit klinische Entschei-dungen getroffen werden können. Zum Schutz der personenbezogenen Daten haben Übertragung und Speicherung allen nationalen und internationalen Datenschutzanforderungen zu genügen.

Komplexe Krankheitsverläufe optimal überwachenDie Firma Biovotion hat ein medizinisches Weara-ble entwickelt, das am Oberarm getragen wird und mehrere Vitaldaten simultan in klinischer Qualität aufzeichnet. Der Fokus der Entwicklung lag darin, dem Patienten ein Gerät zur Verfügung zu stellen, das ohne Kabel, Schalter und Stecker auskommt und keinerlei Einschränkung im Alltag darstellt. Das Laden des Akkus erfolgt induktiv mit einem me-dizinischen Ladegerät, das dem Qi-Standard ent-spricht. Zuerst werden die Vitaldaten Herzfrequenz, Sauer-stoffsättigung, Schrittanzahl, Hauttemperatur, Per-fusion und Hautleitfähigkeit simultan aufgezeich-net. Anhand dieser Werte sind nun weitere Daten wie z. B. Stressparameter, Atemfrequenz, Herzra-tenvariabilität berechenbar. Viele dieser Parameter können sowohl im Ruhezustand als auch unter Be-wegung bestimmt werden.Das klinische Personal hat damit die Möglichkeit, anhand einer multiparametrischen Aufzeichnung der Vitaldaten auch komplexe Krankheitsverläufe optimaler zu überwachen. Dazu sind Illustrationen der Daten notwendig, die beispielsweise den Ver-lauf der Vitaldaten eines Patienten übersichtlich darstellen, so dass der behandelnde Arzt auf einen Blick den Zustand seines Patienten erfassen kann.

Kritische Situationen vorhersagenDer Krankheitsverlauf kann so prognostiziert und eventuell kritische Situationen im Vorfeld abgefan-gen werden. Für den stationären Einsatz können mit den bereits zugelassenen Softwareanwendun-gen Herzrate, Sauerstoffsättigung, Atemfrequenz, Blutdruck und Temperatur gemessen und damit kritische Situationen bis zu sechs Stunden vorher-gesagt werden. Das ermöglicht dem Arzt, frühzeitig zu intervenieren. Die Problematik zum jetzigen Zeitpunkt besteht darin, die "isolierten" Vitaldaten von unterschied-lichen Geräten zusammenzuführen und in das Kliniksystem zu integrieren. Ein Wearable, das die-se Parameter misst und entsprechend analysiert, könnte wesentlich zur Verbreitung der innovati-ven Technologie beitragen. Der nächste sinnvolle Schritt ist die Anwendung des "biovotion" im am-bulanten Pflegebereich.

BEI DER ENTWICKluNG VON WEARABlES IST ES WICHTIG, DASS DIESE MöGlICHST KEINE EINSCHRäNKuNG IM AllTAG DARSTEllEN.

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Aus der Praxis

Kleine, direkt am Körper getragene Geräte wie z. B. Armbänder, die die Schrittfrequenz oder auch den Puls anzeigen, sind auf dem Fitness­Markt bereits etabliert. In diesen sogenannten Weara­bles kommen miniaturisierte Sensoren zum Ein­satz, die während des Gebrauchs zuverlässig und kontinuierlich Messwerte aufnehmen und diese mit Verfahren aus dem Bereich des maschinellen Lernens in Bewegungsinformationen und Vital­parameter wandeln.

Im regulierten Umfeld des Gesundheitswesens sind mit diesen neuen Technologien, bei entsprechen-der Etablierung der notwendigen Geschäftsmodelle für Ärzte und Kostenträger, zukünftig neue Anwen-dungen denkbar. Beispiele für professionelle medi-zinische Szenarien von Wearables sind zum einen im klinischen Umfeld die Echtzeitbild- bzw. Video-übertragung mit sogenannten Smart Glasses für die Telemedizin oder Telekonsultation und Ausbildung denkbar. Aber auch im persönlichen Lebensumfeld des Patienten können Telemonitoring-Applikatio-nen für EKG, Blutdruck und Puls, Blutzucker, Ge-wicht, Bewegung und Ernährung Einzug finden.Die immer fortschrittlicheren Anwendungen trei-ben auch die Weiterentwicklung der eingesetz-ten Technologien auf Komponenten- und System-

Mehr als 30 Prozent aller Epilepsiepatienten leiden trotz Einnahme geeigneter Medikamente unter immer wiederkehrenden epileptischen Anfällen. Die transkutante Vagusnervstimulation (t­VNS) ist seit Jahren ein anerkanntes Verfahren zur Be­handlung der pharmakoresistenten Epilepsie. Sie aktiviert den Vagusnerv, ohne einen operativen Eingriff vornehmen zu müssen.

Die Methode basiert darauf, dass ein Ast des Va-gusnervs, der sogenannte Ramus auricularis nervi vagi (RANV), die Haut der Ohrmuschel im Bereich der Concha sensibel versorgt. Daher kann dieser Ast transkutan mit elektrischen Impulsen stimu-liert werden. Die Stimulationsparameter der t-VNS, wie Intensität, Pulsdauer und Frequenz sind so ge-wählt, dass die Reizweiterleitung analog zur inva-siven VNS über dick-myelinisierte Aß-Fasern er-folgt. Die afferenten Fasern des RANV projizieren ebenso wie der zervikale Ast des Nervus vagus in

Aus der Praxis

NEMOS ­ Eine Chance für Epilepsiepatienten

Sensoren und Aktoren für Smart Wearables

Herbert Froschcerbomed [email protected]

den Nucleus tractus solitarii (NTS) im Hirnstamm. Der NTS ist der Ausgangspunkt für die Aktivierung eines komplexen zerebralen Netzwerks, das wei-testgehend dem der invasiven VNS entspricht und mit der antikonvulsiven Wirkung assoziiert ist.Die t-VNS-Therapie erfolgt mit dem transkutanen Vagusnervstimulator NEMOS. Dieser besteht aus einer Stimulationseinheit und einer speziellen Ohr-elektrode. Die sanften elektrischen Impulse werden durch die Stimulationseinheit erzeugt, die in etwa die Größe eines herkömmlichen Mobiltelefons hat. Diese ist mit der Ohrelektrode verbunden, die man wie einen Ohrhörer trägt. Die Impulse werden über die Ohrelektrode durch die Haut an einen Ast des Vagusnervs abgegeben.Neben geringen Nebenwirkungen hat die t-VNS-Therapie den Vorteil, dass sie keine Operation bzw. Klinikaufenthalt nach sich zieht und die Anwendung im Alltag einfach und auch für Kinder geeignet ist.

Die t-VNS- Therapie erfolgt

mit dem transkutanen

Vagusnerv-stimulator

NEMOS. Dieser

besteht aus einer Stimula-

tionseinheit und einer speziellen

Ohrelektrode.

ebene voran. Sensoren werden künftig kleiner und haben einen immer geringeren Energieverbrauch. Als Sensorsysteme besitzen sie eine höhere Inte-grationsdichte durch bereits eingebettete Mikrocon-troller und Software zur Datenvorverarbeitung. Bei der Kombination verschiedener Sensoren in einer Anwendung können durch die Sensorfusion Mess-daten mittels Algorithmen entsprechend statis-tischer Eigenschaften kombiniert werden, um die gesuchte Information bestmöglich zu bestimmen. Aus der Kombination eines verrauschten und stabi-len Signals mit einem rauscharmen, aber driftenden Signal wird dadurch ein rauscharmes und zugleich stabiles Signal. Mit diesen Multisensorsystemen ent-stehen Smart Wearables, die beispielsweise bei der Indoor-Navigation oder anderen Lokalisierungsan-wendungen eine Kontextsensitivität ermöglichen. Zukünftig könnten Smart Wearables nicht nur In-formationen erfassen und auswerten, sondern auch Empfehlungen für das Wohlempfinden geben, z. B. dass man etwas trinken, essen oder sich ausruhen sollte. Damit diese Wearables dann auch selbstver-sorgend, also ganz ohne Batteriewechsel oder Auf-laden eines Akkus auskommen, können sogenannte "Energy Harvester" die benötigte Energie direkt aus der menschlichen Bewegung oder der Hauttempera-tur "ernten" und für den Betrieb verwenden.

Simon [email protected]

Der selbstschließende Schuh erntet Energie aus Schritt und Tritt. Der dargestellte "Energy Harvester" wird in der Schuhsohle integriert.

Die körpernahe Sensorik von Hahn-Schickard lässt den Krankheitszustand von Personen mit Parkinson über Bewegungsdetektion einordnen.

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Page 10: Im Fokus: Mobile Health Technologies · Die Studie "mHealth App Developer Economics 2015" beschreibt eine Professionalisierung der weltweit rund 45.000 Produzenten von mobilen Gesundheitsanwendungen.

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Die Geräteentwicklung von Mobile Health Techno­logies hat sich in den letzten Jahren stark gewan­delt: Ging es vor einigen Jahren noch um die Rea­lisierbarkeit von Funktionalitäten, so werden diese heute als Grundanforderung vorausgesetzt. Viele Funktionen sollen dabei auf immer weniger Platz untergebracht werden. Der Anwender und seine Ansprüche rücken zunehmend in den Fokus:Geräte für den Mobile-Health-Markt sind im Ideal-fall kostengünstig, einfach zu bedienen, robust und sehen gut aus. Themen wie Haptik, Usabi-lity und moderne Gehäusekunststoffe sowie de-ren Verarbeitung spielen bei der Entwicklung eine wichtige Rolle. Bedienoberfläche, Tasten, Displays und Geräteform müssen auf die Bedürfnisse des Kunden abgestimmt sein, so dass auch wenig technikaffine Nutzer problemlos mit innovativen Geräten zurechtkommen – die Altersstruktur des Health-Care-Marktes findet hier bisweilen noch zu wenig Beachtung. Der Alltagseinsatz für elektro-nische High-Tech-Produkte sollte auch unter här-testen Bedingungen gewährleistet sein. Durch die richtige Wahl von Material und Oberfläche können

Geräte einen täglichen Einsatz mit Reinigungs- und Desinfektionsmittel verkraften – eine Anfor-derung, die beispielsweise bei telemedizinischen Anwendungen eine wichtige Komponente dar-stellt. Mobile-Health-Funktionen sollten zudem Erschütterungen und starker Sonneneinstrahlung Stand halten. Die Herausforderungen für den "Electronic Manufacturing Service" sind vielschich-tig und verlangen deswegen die interdisziplinäre Zusammenarbeit von von Gehäuseentwickler, De-signer und Usability-Engineer zum frühestmögli-chen Zeitpunkt. Die Berücksichtigung des Wech-sels von der Produkt- hin zur Systemorientierung erfordert einen interdisziplinäreren Ansatz unter Einbindung aller am Prozess Beteiligten.

Elektronik und Mobile Health: Herausforderungen in Bedienbarkeit, Haptik und Materialauswahl

Peter Sommerbebro electronic GmbH [email protected]

Im Fokus: user Experience. Das Nutzererlebnis rückt bei der Entwicklung neuer Mobile-Health-Geräte immer mehr in den Mittelpunkt. Entscheidend ist, dass künftig auch die Altersstruktur des Health-Care-Marktes mehr Beachtung findet.

Im Verbund mit

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