image - Dereneville · 2021. 3. 21. · haften Tannoy-Canterbury-15-HE-Lautspre-cher, die...

13

Transcript of image - Dereneville · 2021. 3. 21. · haften Tannoy-Canterbury-15-HE-Lautspre-cher, die...

Page 1: image - Dereneville · 2021. 3. 21. · haften Tannoy-Canterbury-15-HE-Lautspre-cher, die mittlerweile auch schon ein rundes Jahrzehnt in seinem Besitz sind. Horstmann hatte die Boxen
Page 2: image - Dereneville · 2021. 3. 21. · haften Tannoy-Canterbury-15-HE-Lautspre-cher, die mittlerweile auch schon ein rundes Jahrzehnt in seinem Besitz sind. Horstmann hatte die Boxen
Page 3: image - Dereneville · 2021. 3. 21. · haften Tannoy-Canterbury-15-HE-Lautspre-cher, die mittlerweile auch schon ein rundes Jahrzehnt in seinem Besitz sind. Horstmann hatte die Boxen

42

Es gibt Menschen, die sind einem schon auf-grund der Dinge sympathisch, die man übersie gehört hat, bevor man ihnen tatsächlichbegegnet. Zu dieser Sorte gehört der 1950geborene Rainer Horstmann. Arroganz,Geheimniskrämerei oder auch nur Voreinge-nommenheit einem Mitmenschen gegenüber,der zwar furchtbar gerne Musik von derSchallplatte hört, aber nie ernsthaft an einemFrästisch oder einer Drehbank gestanden odereine richtige Arbeitszeichnung erstellt hat,sind ihm vollkommen fremd, (Gast-)Freund-lichkeit, Zuvorkommenheit und Aufgeschlos-senheit dagegen selbstverständlich. Im Übri-gen ist Horstmann keineswegs ein unverbind-licher Tüftler, der seine Sache nur aus Spaß ander Freud macht. Immerhin hat er im Verlaufder letzten sieben, acht Jahre einen beträchtli-chen Teil seines Privatvermögens in die Ver-folgung seines Zieles investiert, eine möglichstperfekte Analogplattenwiedergabe zu errei-chen, und hauptsächlich von einer kleinenRente gelebt. Wesentliche Unterstützungerhielt er von seiner Lebensgefährtin IreneDereneville, die nicht nur ihren Familienna-men als Markenbezeichnung zur Verfügungstellte, sondern ihrem Mann auch die Hälfteihrer Doppelgarage als Werkstatt überließ.Allerdings sollte jetzt von den Investitionenlangsam einmal etwas in die Kasse zurück -

fließen. Die Zeichen dafür stehen durchausgünstig: Mit der Dereneville-Magic-Mat, einerPlattenmatte aus 0,4 Millimeter Silikon aufeinem Kern aus Glasfiber, die sich im In- undAusland schon recht gut verkauft, und derpfiffigen, per USB-Kabel am Rechner vielfältigeinstellbaren Motordose DAE-01 mit inte-grierter Steuerung liegen mittlerweile dieersten in größerem Umfang kommerziell ver-wertbaren Produkte vor. Auf der HIGH END2016 erlebte zudem die Produktionsversiondes Tangentialtonarms Dereneville DTT-02,seines neuen Mammutprojektes, am Laufwerkseines Kollegen und Mitbewerbers HolgerWilhelm von Tonetool ihre offizielle Premiere. Angefangen hatte Horstmanns Beschäfti-gung mit Musik und Tontechnik, wie das häu-fig der Fall ist, schon zu Jugendzeiten. Gebo-ren in Gütersloh in eher einfachen Verhältnis-sen, gab es für den jungen Rainer nur wenigeSpielsachen – daher bastelte er schon früh vie-les selbst. Recht schnell begann er, Lautspre-cher zu bauen, und betätigte sich daneben alsSchlagzeuger in einer Band. 1978 richtete sichHorstmann, der zu diesem Zeitpunkt bereitsein Maschinenbaustudium abgeschlossenhatte, dann im Keller der elterlichen Wohnungsein erstes Hobbytonstudio ein, in dem erDiashows vertonte, Konzertmitschnitte bear-beitete und Musikkassetten produzierte. Es

Wenn man sich ohne Vorkenntnisse ein Bild vom Schöpfer des „teuerstenPlattenspielers der Welt“ machen würde, entspräche es aller Wahrschein-lichkeit nach in nichts der realen Person Rainer Horstmann. Dabei hatteder überaus liebenswerte, bescheidene Tüftler und gelernte Maschinen-bauer den im Netz oftmals erwähnten Preis für sein ambitioniertestesWerk Dereneville VPM-2010 ursprünglich nur genannt, um den Druck derÖffentlichkeit erst mal loszuwerden und in aller Ruhe daran weiterarbeitenzu können.

Von drei Musketieren und extremem MaschinenbauEin Besuch bei Rainer Horstmann

Page 4: image - Dereneville · 2021. 3. 21. · haften Tannoy-Canterbury-15-HE-Lautspre-cher, die mittlerweile auch schon ein rundes Jahrzehnt in seinem Besitz sind. Horstmann hatte die Boxen

43

buch schrieb. Dazu kamen rund 100 Rund-funk- und TV-Werbespots und nochmals 10Musikalben. Das Gütersloher Nachtsang-geläut wurde 1990 zum ersten Mal mit Orgelund Bläserchorälen auf CD gebannt; ein Stückdavon ist übrigens auch auf der bekanntenManger-Demo-CD und -LP Musik von einemanderen Stern verewigt. 1999 traf den inzwischen sehr erfolgreichenUnternehmer ein Schicksalsschlag: Ein schwe-rer doppelter Bandscheibenvorfall und diedaraus resultierende totale Berufsunfähigkeitlegten Rainer Horstmanns Leben über einJahr lang fast lahm. Es folgte der Verkauf desgroßen Studiokomplexes an einen Nachfolger,

dauerte nicht allzu lange, bis er sich auch andie Produktion seiner ersten Langspielplattemachte: Vom Gütersloher Nachtsanggeläutwurden 1981 in nur sechs Wochen 1200 Stückinnerhalb des Gütersloher Landkreises ver-kauft. Es folgten weitere Produktionen imAuftrag von Kirchen, Chören und Bands. Ausdem Hobby wurde damit ein Beruf: 1982 ließRainer Horstmann ein großes Ton- und Film-studio auf 900 Quadratmetern Fläche errich-ten. Allein das Aufnahmeatelier maß 150 Qua-dratmeter, bei 5,5 Metern Deckenhöhe. In denfolgenden rund anderthalb Jahrzehnten ent-standen dort etwa 500 Image- und Industrie-filme, für die er fast immer selbst das Dreh-

Page 5: image - Dereneville · 2021. 3. 21. · haften Tannoy-Canterbury-15-HE-Lautspre-cher, die mittlerweile auch schon ein rundes Jahrzehnt in seinem Besitz sind. Horstmann hatte die Boxen
Page 6: image - Dereneville · 2021. 3. 21. · haften Tannoy-Canterbury-15-HE-Lautspre-cher, die mittlerweile auch schon ein rundes Jahrzehnt in seinem Besitz sind. Horstmann hatte die Boxen

Links oben: Ein Lasersystem überprüft ununterbrochen den 90-Grad-Win-kel des Tonarms zur Plattenrille

Links: Das ‚Cueing‘ des ansonsten vollautomatisch arbeitenden Tangential-tonarms kann mittels eines großen Drehknopfs vonstatten gehen. Ein Dis-play gleich daneben informiert über den Betriebszustand

Links unten: Nicht von ungefähr ähnlich wie Präzisionsroboter in der fein-mechanischen Industrie aussehend: Seitenansicht des Tonarms

Oben: Am Laufwerk finden bei Bedarf neben dem hauseigenen Tangential-tonarm gleich mehrere herkömmliche Drehtonarme Platz

Rechts oben: Auch das Anschlussmaterial, über das der diffizilen Konstruk-tion Leben eingehaucht wird, ist durchweg auf höchstem Industriestandard(für Produktionsmittel, nicht für schnöde Konsumprodukte)

Page 7: image - Dereneville · 2021. 3. 21. · haften Tannoy-Canterbury-15-HE-Lautspre-cher, die mittlerweile auch schon ein rundes Jahrzehnt in seinem Besitz sind. Horstmann hatte die Boxen
Page 8: image - Dereneville · 2021. 3. 21. · haften Tannoy-Canterbury-15-HE-Lautspre-cher, die mittlerweile auch schon ein rundes Jahrzehnt in seinem Besitz sind. Horstmann hatte die Boxen

47

Dereneville VPM-2010, zügig voran. Aller-dings galt es, dem ohne jegliche Kompromis-se entworfenen Laufwerk und erst recht demdazugehörigen Tangentialtonarm noch Lebeneinzuhauchen, denn im Bereich der elektro-nischen Steuerung von diffizilen Arbeitsvor-gängen kannte Horstmann sich weniger aus.Da traf es sich gut, dass Lippstadt seit jeherdie Heimat von Hella ist, einem der großenZulieferer und Entwickler für die Automobi l -industrie im Bereich Fahrzeugelektronik, dermit Behr-Hella Thermocontrol auch in derKlimasteuerung führend ist: Mit Dipl.-Ing.Johannes Gremme und Dr. Hans-BernhardBröcker gewann das Projekt zwei enthusiasti-sche Mitstreiter, die halfen, dem großen Lauf-werk das Laufen beizubringen. Seither kom-men die beiden des Öfteren am Wochenendevorbei, um gemeinsam mit Horstmann wei-terzuentwickeln, zu testen und zu bauen.Dass dabei gerne auch mal Bauteile zum Ein-satz kommen, die für den Automobilbereichin großen Stückzahlen hergestellt werden undeinem Einzelkämpfer wie Horstmann sonstin vergleichbarer Funktionalität und Präzisi-on gar nicht oder nur zu einem indiskutablenPreis zur Verfügung stünden, ist schon fastselbstverständlich. Im Herbst 2011 war es dann so weit: Anläss-lich des alljährlich von der Analogue AudioAssociation abgehaltenen Analog Forums imMercure Hotel in Krefeld wurde das ersteDereneville-Laufwerk präsentiert. Wie ange-sichts des wirklich einmaligen Aufwands zuerwarten war, stieß es auf riesige Resonanz,auch wenn sich in ästhetischer Hinsicht an derLaufwerksbasiskombination aus blauem Cori-an und etlichen messing- beziehungsweisegoldfarbenen Einlagen die Geschmäckerschieden. Von der Außenwelt isoliert wurdedas 60 Kilogramm schwere Laufwerk mittelsvier luftgefederten Standbeinen. Das Designwar aber wohl wirklich das Letzte, was die dreiMusketiere in ihrem Drang nach Perfektionbedacht hatten. Auch Sinn und Zweck derKameraüberwachung für die Tonabnehmer -nadel – so hilfreich sie auch bei der Justagesein mochte – ließen sich im Übrigen nichtauf Anhieb jedem Interessierten vermitteln.Gleichwohl zog die Präsentation viele Kom-plimente von Fachleuten und Anrufe vonVinylenthusiasten aus aller Welt nach sich, die

dem Horstmann weiterhin als Kundenberaterfür Film und Fernsehen zur Seite stand. 2002entdeckte der Ostwestfale dann in einemKiosk ein von einem Duisburger Verlag neuherausgegebenes „Magazin für analoges HiFiund Vinyl-Kultur“ namens LP. Schlagartigerkannte er, dass Vinylplatten und Analog-plattenspieler zumindest in einem bestimm-ten Kreis noch immer „in“ waren und sogarmit teilweise beträchtlichem Aufwand neuePlattenlaufwerke, Tonarme und Tonabnehmerentwickelt wurden. „Erst dachte ich, bei denPreisen hätte sich ein Fehler eingeschlichenund es wäre stets eine zusätzliche Null hinterdem eigentlichen Betrag abgedruckt worden“,erinnert sich Rainer Horstmann. Bald wurdeihm aber klar, dass derartige Preise in der Tataufgerufen und bezahlt wurden, um mit denbetreffenden Geräten die Grenzen der Schall-plattenwiedergabe auszuloten. Langsam ent-stand bei ihm der Wunsch, selbst ein neues,richtig gutes Laufwerk zu konstruieren. 2007 zog Horstmann gemeinsam mit seinerneuen Lebensgefährtin nach Lippstadt um.Angesichts der idealen Raum- und Platzbe-dingungen im neuen Domizil konnte er seineIdee, einen Plattenspieler zu bauen, endlich indie Tat umsetzen. 2009 wurde eine 1974erDeckel-FP2-Werkzeugfräsmaschine mit nach - träglich angebautem Digitalsteuer- undMess gerät angeschafft und in der kleinenWerkstatt in der heimischen Doppelgarageinstalliert. Nun ging der Bau seines erstenPlattenspielers, des mittlerweile berühmten

Aus den beiden Detailbildern vom Tonarm mit Auf-hängung und Steuerung wird einem schnell klar,welch ein enormer Aufwand vonnöten ist, wennder theoretische Vorteil von ,null Spurfehlwinkel‘ beiTangentialtonarmen möglichst verlustfrei in die Rea-lität umgesetzt werden soll

Page 9: image - Dereneville · 2021. 3. 21. · haften Tannoy-Canterbury-15-HE-Lautspre-cher, die mittlerweile auch schon ein rundes Jahrzehnt in seinem Besitz sind. Horstmann hatte die Boxen
Page 10: image - Dereneville · 2021. 3. 21. · haften Tannoy-Canterbury-15-HE-Lautspre-cher, die mittlerweile auch schon ein rundes Jahrzehnt in seinem Besitz sind. Horstmann hatte die Boxen

49

Obwohl sich die Produktion einer Kleinstse-rie also durchaus lohnen könnte, kam es bis-lang aber nicht dazu. Stattdessen wurde 2012ein zweites Laufwerk in Angriff genommen,diesmal ein direkt angetriebenes. Wie das erstearbeitet es mit einem Magnettellerlager, dasimstande ist, den schweren, mehrlagigen Tel-ler scheinbar schwerelos seine Runden drehenzu lassen. Mit diesem Prinzip handelte Horst-mann sich allerdings ein Problem ein, das vonden einschlägigen Herstellern bis dato nichtzufriedenstellend gelöst werden konnte unddaher zumeist verschwiegen wurde: Die nach-weisbare Beeinflussung des empfindlichenTonabnehmersystems durch das starkeMagnetfeld führt in der Praxis zu einer Verän-derung der Auflagekraft während des Abtast-vorganges. Durch das Einarbeiten mehrererMu-Metallscheiben in den Plattenteller – wasaufgrund der Beschaffenheit dieses Materialsschwieriger ist, als es sich anhört – gelingt esHorstmann aber, eine weitgehende Abschir-mung des Abtastvorganges vom unterliegen-den Magnetfeld zu erreichen. Wohl einmaligist auch, dass bei seinen Laufwerken die Sei-tenführung des Tellerlagers von zwei Kugella-gern übernommen wird. Die zur Schaeffler-Gruppe gehörende FAG hat bereits Interessedaran bekundet, diese Art der Lagerung fürihre Labormesstische zu übernehmen.Bisher ist das Direct-Drive-Laufwerk Dere-neville DD-01 allerdings noch nicht über denPrototypstatus hinausgekommen, da die Prio-ritäten mittlerweile wiederum anders gelegtwurden: Neben der Entwicklung eines modu-laren Laufwerks stand zunächst eine grundle-gende Überarbeitung beziehungsweise Wei-terentwicklung des tangentialen Tonarmkon-zeptes im Vordergrund, das endlich zurSerienreife gebracht werden sollte – stellt esdoch so etwas wie den roten Faden in derGeschichte des jungen Betriebs dar. DerHorstmann’sche Tangentialtonarm, der nichtzufällig viel mit Plattenschneidemaschinengemeinsam hat, dürfte im Hinblick auf Funk-tionsprinzip und Bauweise einmalig in derPlattenspielerwelt sein. Sein Kernstück bildeteine Lineareinheit, die den kardanisch gela-gerten Tonarm, der prinzipiell drehbar ist wieein Radialtonarm, dem Verlauf der Rille fol-gend stetig in Richtung Plattenmitte führt. EinLasersystem, das ebenfalls von zwei Linear-

die Wahnsinnsentwicklung gerne kaufen undgar nicht glauben wollten, dass der VPM-2010noch nicht fertig entwickelt war. Dazu kamenBerichte im Magazin der AAA sowie in etli-chen Internet-Foren. Infolgedessen ließenKooperationsangebote von Vertrieben aus denUSA und China nicht lange auf sich warten.Bei einem der sich daraus ergebendenGespräche, bei dem die sich bewerbende Ver-triebsfirma einfach nicht lockerlassen undpartout einen Preis für den Plattenspielergenannt haben wollte, obwohl Horstmanndiesen noch längst nicht für marktreif hielt,hatte der Erbauer schließlich den Betrag von500.000 Euro genannt, in der Hoffnung, dassdamit vorläufig wieder Ruhe einkehrenwürde. So utopisch, wie diese Summe imersten Moment klingen mag, ist sie bei nähe-rer Betrachtung allerdings auch wieder nicht:Bis zu jenem Zeitpunkt hatte das Projektallein für Materialien an die 40.000 Euro ver-schlungen, und wenn man einen angemesse-nen Stundensatz für Horstmann und seinebeiden hoch qualifizierten Mitstreiter hinzu-rechnet, kommt schnell eine Summe zusam-men, für die man in vielen GegendenDeutschlands noch ohne Weiteres ein Reihen-haus kaufen kann. Zur Überraschung des Ent-wicklers akzeptierte besagter Vertrieb den vonihm genannten Betrag aber ohne viel Federle-sen und warb damit in der Folge im Netz,wodurch der VPM-2010 mehr oder wenigeroffiziell das Label des „teuersten Plattenspie-lers der Welt“ erhielt.

Oben: Der Horstmann’sche Tangentialtonarm istkardanisch gelagert und prinzipiell drehbar wie ein Radialtonarm

Unten: Wie eine verhältnismäßig gigantische Brückesteht die Lineareinheit des Dereneville Tangentialton-arms, eingebaut in ein Gehäuse aus Frästeilen höchs -ter Präzision, über dem Plattenlaufwerk

Page 11: image - Dereneville · 2021. 3. 21. · haften Tannoy-Canterbury-15-HE-Lautspre-cher, die mittlerweile auch schon ein rundes Jahrzehnt in seinem Besitz sind. Horstmann hatte die Boxen

Stromversorgung mit zwischenzeitig verfüg-baren besseren Bauteilen ausgestattet wurde.Angeschlossen daran ist in vertikaler Bi-Amping-Anordnung ein Pärchen der sagen-haften Tannoy-Canterbury-15-HE-Lautspre-cher, die mittlerweile auch schon ein rundesJahrzehnt in seinem Besitz sind. Horstmannhatte die Boxen seinerzeit aus zweiter Handbei einem Händler in der Schweiz gekauft undgleich zerlegt, um Chassis und Gehäusegetrennt über die schweizerisch-deutscheZollgrenze zu bringen. Die Verstärkung desSignals, das von dem im Tangentialtonarmeingebauten MC-System Dynavector Te Kai-tora Rua erzeugt wird, übernimmt anstelle desRevox-Vorverstärkers eine Monk-Audio-Pho-novorstufe. Als Laufwerk dient der dritte undbisher letzte Dereneville-Plattenspieler, derModulaire – immer noch alles andere alsschmächtig, aber von Design und Abmessun-gen her klar mehrheitsfähiger als das Horst-mann’sche Erstlingswerk. Anstelle des schein-baren visuellen Chaos des VPM 2010-1 – sodie Bezeichnung der aktuellen Version desersten Dereneville-Spielers – gibt es hier klargegliederte, auf den ersten Blick erkennbareStrukturen. Dass die Laufwerksbasis aus Cori-an besteht, der Teller eine mehrlagige Strukturaufweist und mittels eines kräftigen Magnet-felds schwebend gelagert ist, versteht sich im

führungen justiert wird, überprüft ununter-brochen den 90-Grad-Tangentialwinkel desArms zur Rille und gibt die Werte an die elek-tronische Steuerung weiter. Diese regeltebereits auf dem Prototyp des VPM-2010 in256 Mikroschritten pro Einzelschritt den Vor-schub der Lineareinheit, deren Antrieb aufinsgesamt 800 Schritte pro Umdrehung aus-gelegt ist. Damit beträgt ihr kleinstmöglicherBewegungshub theoretisch 0,000024 Millime-ter. Auf die Frage, wieso er einen solchen Rie-senaufwand betreibt, um einen fehlerfreiarbeitenden Tangentialtonarm zu kreieren,wo es doch bekanntlich mittlerweile etlicheDrehtonarme gibt, die ihre Sache auch ganzgut machen, erwidert der Konstrukteur, dasssich auch der kleinste Spurfehlwinkel nochdeutlich hörbar im Hochtonbereich äußere,etwa in einem Stereokanalversatz oder inForm deutlich wahrnehmbarer Verzerrungenbei S-Lauten. Wie spektakulär unspektakulär, sauber undstressfrei analoge Schallplattenwiedergabeohne diese Artefakte sein kann, dürfen wirdann auf seiner heimischen Anlage erleben –einer wirklich gelungenen Zusammenstel-lung: Als Verstärker dient ein älteres Revox-Endstufenpaar, das vor einigen Jahren vonHorstmann nach Anleitung seines „Revox-Gurus“ revidiert und unter anderem in der

Außer größere Dreharbeiten werden alle metallverar-beitenden Arbeiten von Rainer Horstmann in seinersprichwörtlichen hauseigenen Werkstatt ausgeführt,auf einer Deckel-FP2-Werkzeugfräsmaschine…

…deren Grundsubstanz bis ins Jahr 1974 zurückreicht. Sie erfüllt mit einigen neuzeitlichen Updatesaber voll und ganz ihren Zweck. Was so eine Maschi-ne heutzutage als Neuanschaffung kosten würde?

Page 12: image - Dereneville · 2021. 3. 21. · haften Tannoy-Canterbury-15-HE-Lautspre-cher, die mittlerweile auch schon ein rundes Jahrzehnt in seinem Besitz sind. Horstmann hatte die Boxen

tummeln und in durchaus beachtlichenStückzahlen über die Ladentische in aller Weltgehen. Die Konstruktionszeichnungen dazuliegen bereits vor. Demgegenüber wird derTangentialtonarm, der ohne Weiteres auch aufdem „Modulaire Light“ verwendet werdenkann, preislich immer noch bei ungefähr30.000 Euro liegen, was angesichts des Kon-struktionsaufwands niemanden wirklich ver-wundern sollte. Nicht immer muss sich für Horstmannjedoch alles um Maschinenbau der Superlati-ve drehen: Als er erfuhr, dass ich gerade einenRega Planar 3 zum Testen für image hifi imHause hatte, zauberte er eine für den Subtellerdes 850-Euro-Spielers maßgeschneiderteMini-Version seiner Silikonplattenmatte her-vor: „Probier das mal.“ Gerade habe er soeinen Rega für einen Freund bestellt, der wie-der in den Analogbereich einsteigen wolle,denn zu diesem Preis sei der ja so gut wie konkurrenzlos. Im Hinblick auf das Reso-nanzverhalten nicht recht überzeugt habe ihnallerdings, dass der Glasteller auf einem Plas -tiksubteller liege. „Manchmal haben Kleinig-keiten, die man einfach machen kann, dochgroße Auswirkungen…“ Stimmt, Herr Horst-mann! Dieses unscheinbare Stückchen Silikonbringt den Rega wirklich nach vorne – dankedafür!

Hause Horstmann schon von selbst. Nebendem Dereneville-Tangentialtonarm in seinerjüngsten Entwicklungsstufe ist auch noch einDynavector DV-507 MKII auf dem Laufwerkmontiert, das Platz für insgesamt bis zu vierTonarme bietet. Was jetzt aus den Tannoys ertönt, verschlägtmir mit seiner Klarheit und Selbstverständ-lichkeit, seiner Abwesenheit des geringstenAnsatzes einer Verschleierung feinster Details,seiner Dynamik vor einem pechschwarzenHintergrund zunächst einmal die Sprache.Kaum ist der erste Ton erklungen, vergisstman alles, was man soeben über die Technikerfahren hat – egal, was gerade auf dem Plat-tenteller liegt. Auf den Punkt gebracht: Soemotional mitreißend habe ich zum BeispielKate Bushs Hounds Of Love (EMI, KAB1, UK,1985) noch nie gehört – was für mich umsoerstaunlicher war, als auf diesem Album auchStücke enthalten sind, die ich zuvor eher in dieKategorie „etwas gewöhnungsbedürftig“ ein-geordnet hatte.Derzeit arbeitet Horstmann an einer „Light-Version“ des Modulaire, die als nacktes Lauf-werk zu einem knapp fünfstelligen Preis aufden Markt kommen dürfte, also in einemBereich, in dem sich auch die Noch-nicht-Referenzprodukte von etablierten Mitbewer-bern wie Clearaudio und Acoustic Signature

Von komplexen Teilen wie diesem hier, werden inmehreren Arbeitsschritten bei einer Genauigkeit imMikrometerbereich auf der Werkzeugfräsmaschineinsbesondere beim Tangentialtonarm viele hergestellt

Sind Dipl.-Ing. Johannes Gremme und Dr. Hans-Bern-hard Bröcker erst mal dabei, lernen die feinmechani-schen Meisterwerke des gelernten MaschinenbauersHorstmann das Laufen: Beide sind für die elektroni-schen Steuer-, Regel- und Kontrollvorgänge zuständig

Bilder:Rainer Horstmann

Page 13: image - Dereneville · 2021. 3. 21. · haften Tannoy-Canterbury-15-HE-Lautspre-cher, die mittlerweile auch schon ein rundes Jahrzehnt in seinem Besitz sind. Horstmann hatte die Boxen

52

Ein Projekt, das ihm in all dieser Zeit imHinterkopf herumspukte, wird der ExtremistHorstmann aber wohl doch nicht mehr ver-wirklichen: Eigentlich wollte er auf der Basisseiner Tangentialtonarmtechnik auch nochein Plattenschneidegerät bauen. Die FirmaNeumann, deren Schneidemaschinenproduk-tion 1982 eingestellt wurde, hatte ihm bereitszugesagt, das Vorhaben zu unterstützen, da sieheute für eine Eigenentwicklung quasi wiederbei null anfangen müsste und in einem sogroßen Unternehmen, wenn es um die Einpla-nung der notwendigen Ingenieurstundengehe, in Anbetracht der winzigen Stückzahlen„die Controller verrückt spielen“ würden.Lange habe er überlegt, ob er noch einmaldrei, vier Jahre seines Lebens in dieses Projektinvestieren solle. Offen gestanden wolle eraber im Ruhestand auch noch ein wenig dasLeben genießen und etwas von der Weltsehen: „Also die Schneidemaschine, die wirdein anderer machen müssen…“Fraglos wäre es für Liebhaber des „schwarzenGoldes“ sehr zu begrüßen, wenn ein ernsthaf-ter und kreativer Entwickler wie er sich diesesThemas annähme – schließlich wird der heu-tige Bestand überalterter Plattenschneidema-schinen, der bisher, wie etwa die „Ami-Schlit-ten“ aus den Fünfzigerjahren in Kuba, immernoch irgendwie am Leben erhalten werdenkonnte, irgendwann das Zeitliche segnen.Aber auch ein Rainer Horstmann kann nichtalles machen. Vor allem, weil seine zwei Mit-streiter und er – Ruhestand hin oder her – mitden heutigen Projekten schon mehr als ausge-lastet sind. Alles andere als ein Spinner, dersich in den Kopf gesetzt hat, den besten, teu-ersten, größten, schwersten – und was es sonstnoch für alberne Superlative geben mag –Plattenspieler der Welt zu bauen, als ginge esum eine Fernsehwette bei Thomas Gottschalk,arbeitet Horstmann mit Herz und Verstanddaran, Grenzen der Wiedergabe analogerSchallplatten zu sprengen und das Machbareneu zu definieren. Man kann ihm nur wün-schen, dass seine Produkte sich bald in einemMaße verkaufen lassen, das wenigstens ansatz-weise als Lohn der Mühe verstanden werdenkann. Denn unsere Szene lebt nur, weil esMenschen wie Rainer Horstmann gibt.

Eric van Spelde

Auch bei den wundervoll utopischen Dereneville-Kons truktionen wird zuweilen auf Rationalität in Ent-wurf und Fertigung geachtet: Diese Platine kannwahlweise für die Steuerung der Motordose oder fürden Tangentialtonarm aufgebaut und verwendet wer-den