In der Grauzone - Die Deutsche Bauindustrie...64 TrockenBau Akustik 5.2014 D as Trauma eines jeden...

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In der Grauzone Allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnisse | Bauvorhaben, die bis zum 31. März 2014 genehmigt wurden und bis zum 31. Mai 2014 begonnen wurden, haben in Sachen abP Bestandsschutz und dürfen mit den alten abP fertig- gestellt werden. Das ist die neueste Entwicklung in Sachen Auslaufen/Gültigkeit bestehender abP. Doch geordnete Verhältnisse sind noch in weiter Ferne. CHRONOLOGIE DER LAUFENDEN EREIGNISSE 2009 – DIBt fordert die 16 Prüfämter auf, Kri- terien für die Extrapolation der Prüfergebnis- se zu erarbeiten. (Nichts passiert.) 2012 – DIBt mahnt die Prüfstellen nochmals an, den Kriterienkatalog für die Extrapolation vorzulegen und legt ein Frist (1.4.2014) fest, zu der der Kriterienkatalog vorzulegen ist. 1.4.2014 – Frist für die Erstellung des Krite- rienkataloges läuft ab. (Der Kriterienkatalog ist nicht erarbeitet.) 31.12.2014 – Das DiBt setzt erneut eine Frist (bis zum 31.12.2014) für die Erarbeitung des Kriterienkataloges und macht Druck. 1.4.2014–31.12.2014 – Prüfämter dürfen nur noch Verwendungsnachweise/ Verlänge- rungen ausstellen, die sich auf den von ihnen geprüften Sachverhalt beziehen. Extrapola- tionen entfallen komplett. Übergangsregelung durch die Baumi- nisterkonferenz (!) – Bis zum 31.3. 2014 genehmigte und bis zum 31.5.2014 be- gonnene Bauvorhaben (Erdaushub) dür- fen noch komplett nach den alten Ver- wendbarkeitsnachweisen, also auch alten abPs, ausgeführt werden. (Das bezieht sich nicht auf die Planungshaftung eines In- nenausbau-GU). Ab 1.1.2015 – Für abP mit Extrapolationen muss es neue Verwendbarkeitsnachweise geben. TrockenBau Akustik 5.2014 64 D as Trauma eines jeden Trockenbauers, bereits eingebaute Konstruktionen wieder ausbauen zu müssen, weil das Prüf- zeugnis inzwischen ausgelaufen ist, ist vom Tisch. Die Bauministerkonferenz (das ist die vorgesetzte Behörde des DIBt) hat in einem Schreiben an den Verband der Deut- schen Bauindustrie gegenüber RA Michael Knipper eindeutig klargestellt: Bauvorha- ben, die vor dem 31. März 2014 genehmigt worden sind und deren Umsetzung bis zum 31. Mai 2014 begonnen (Erdaushub) hat, haben Bestandsschutz und dürfen kom- plett mit den alten abP ausgeführt werden (siehe Originalbrief S. 66). Damit ist zu- nächst einmal die existenzielle Bedrohung für die Ausführenden bei Bauvorhaben abgewendet. Diese Regelungen „heilen“ im Bau befindliche Projekte, doch was danach kommt, bleibt nebulös. Denn welche Regelungen für Bauvor- haben gelten, die nach dem 31. März 2014 genehmigt oder nach dem 31. Mai 2014 begonnen wurden, ist derzeit unklar. In Gespräche mit Insidern fallen Begriffe wie „Umplanung“ oder gar „Neuplanung“. Stein des Anstoßes. Bis zum 31. Dezember 2014 reduzieren sich neu ausgestellte bzw. verlängerte abP auf das, was die Materialprüfstellen im Labor geprüft haben („wie geprüft“). Jede Extrapolation über das Prüfergebnis hinaus ist derzeit untersagt. Bildquelle n. n. UNTERNEHMEN | BAUWIRTSCHAFT

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In der GrauzoneAllgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnisse | Bauvorhaben, die bis zum 31. März 2014 genehmigt wurden und bis zum 31. Mai 2014 begonnen wurden, haben in Sachen abP Bestandsschutz und dürfen mit den alten abP fertig- gestellt werden. Das ist die neueste Entwicklung in Sachen Auslaufen/Gültigkeit bestehender abP. Doch geordnete Verhältnisse sind noch in weiter Ferne.

Chronologie der laufenden ereignisse

› 2009 – DIBt fordert die 16 Prüfämter auf, Kri-terien für die Extrapolation der Prüfergebnis-se zu erarbeiten. (Nichts passiert.)

› 2012 – DIBt mahnt die Prüfstellen nochmals an, den Kriterienkatalog für die Extrapolation vorzulegen und legt ein Frist (1.4.2014) fest, zu der der Kriterienkatalog vorzulegen ist.

› 1.4.2014 – Frist für die Erstellung des Krite-rienkataloges läuft ab. (Der Kriterienkatalog ist nicht erarbeitet.)

› 31.12.2014 – Das DiBt setzt erneut eine Frist (bis zum 31.12.2014) für die Erarbeitung des Kriterienkataloges und macht Druck.

› 1.4.2014–31.12.2014 – Prüfämter dürfen nur noch Verwendungsnachweise/ Verlänge-rungen ausstellen, die sich auf den von ihnen geprüften Sachverhalt beziehen. Extrapola-tionen entfallen komplett.

› Übergangsregelung durch die Baumi-nisterkonferenz (!) – Bis zum 31.3. 2014

genehmigte und bis zum 31.5.2014 be-gonnene Bauvorhaben (Erdaushub) dür-fen noch komplett nach den alten Ver-wendbarkeitsnachweisen, also auch alten abPs, ausgeführt werden. (Das bezieht sich nicht auf die Planungshaftung eines In-nenausbau-GU).

› Ab 1.1.2015 – Für abP mit Extrapolationen muss es neue Verwendbarkeitsnachweise geben. � □�

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Das Trauma eines jeden Trockenbauers, bereits eingebaute Konstruktionen

wieder ausbauen zu müssen, weil das Prüf-zeugnis inzwischen ausgelaufen ist, ist vom Tisch. Die Bauministerkonferenz (das ist die vorgesetzte Behörde des DIBt) hat in einem Schreiben an den Verband der Deut-schen Bauindustrie gegenüber RA Michael Knipper eindeutig klargestellt: Bauvorha-ben, die vor dem 31. März 2014 genehmigt worden sind und deren Umsetzung bis zum 31. Mai 2014 begonnen (Erdaushub) hat, haben Bestandsschutz und dürfen kom-plett mit den alten abP ausgeführt werden (siehe Originalbrief S. 66). Damit ist zu-nächst einmal die existenzielle Bedrohung für die Ausführenden bei Bauvorhaben abgewendet. Diese Regelungen „heilen“ im Bau befindliche Projekte, doch was danach kommt, bleibt nebulös.

Denn welche Regelungen für Bauvor-haben gelten, die nach dem 31. März 2014 genehmigt oder nach dem 31. Mai 2014 begonnen wurden, ist derzeit unklar. In Gespräche mit Insidern fallen Begriffe wie „Umplanung“ oder gar „Neuplanung“.

Stein des Anstoßes. Bis zum 31. Dezember 2014 reduzieren sich neu ausgestellte bzw. verlängerte abP auf das, was die Materialprüfstellen im Labor geprüft haben („wie geprüft“). Jede Extrapolation über das Prüfergebnis hinaus ist derzeit untersagt.

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Erneut wurde eine Frist bis zum 31.12.2014 gesetztNachdem die Prüfstellen die zweite vom DIBt gesetzte Frist, den 1. April 2014, (sie-he Chronologie) auch untätig verstreichen ließen, ist jetzt die Brechstange am Zug.

Vordergründig heißt es zunächst, dass die Prüfstellen erneut eine Frist bekommen haben, um den ausstehenden Kriterienka-talog zu erarbeiten. Damit sie aber nicht er-neut insgeheim mit einem „Götz von Berli-chingen“ reagieren, hat das DIBt den Druck auf die Materialprüfungsstellen verschärft.

Bis zum Ende des Jahres 2014 dürfen alle auslaufenden abP nur noch ohne Extra-polation verlängert werden. Das heißt, die Übergangs-abP beinhalten lediglich die Ergebnisse der Prüfungen („wie geprüft“) ohne darüber hinausgehende Aussagen.

Diese sogenannten „Deckblatt“-abP helfen den Ausführenden natürlich wenig, denn auf der Basis solcher „Restprüfzeug-nisse“ kann sich ein Trockenbauunterneh-men kaum um einen Auftrag bewerben, der nach dem 31. Mai 2014 ausgeschrieben worden ist.

Die Industrie soll die Lücke bei der Verwendbarkeit schließenDie Bauministerkonferenz hat dazu eine Stellungnahme erarbeitet, in der sie die Industrie auffordert, (vorübergehend) diese Lücke zu füllen. So heißt es in einem Schreiben der oben bereits ange-sprochenen Bauministerkonferenz vom 24. März 2014:

„Der Verweis auf die Antragsteller-angaben kann sich z. B. auf folgende Angaben/Unterlagen (z. B. Einbau und Montageanleitung), die von diesem zur Verfügung gestellt werden und nicht im Widerspruch zum Inhalt des allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses stehen dürfen, beziehen. › Beschreibung der Arbeitsvorgänge zum

fachgerechten Einbau, einschließlich der zulässigen Befestigungsmittel und der er-forderlichen Fugenausbildungen

› Falls erforderlich Maßangaben zu den verwendeten Produkten und zum Ein-bau zeichnerische Darstellung der Anschlüsse

› Angaben zu zulässigen nicht wesent-lichen Abweichungen, z. B. bei Dämm-stoffen und Befestigungsmitteln.

› Anmerkung: Diese Unterlagen müssen dem Verwender/Anwender zur Verfü-gung stehen.)

› Die Antragsteller sind über diesen Sach-verhalt unverzüglich zu informieren. Die vorgenannte Regelung kann nur

eine Interimslösung darstellen. Grund-sätzlich ist anzustreben, dass materiell und formell ordnungsgemäß ausgestellte allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnis-se erteilt werden.“

Das ist natürliche eine sehr pragmatische Sicht, die den Ausführenden bei der techni-schen Abwicklung hilft, die aber die Frage nach der Rechtssicherheit unbeantwortet lässt. In der Vergangenheit (z. B. Tabelle 23) hat die Industrie sich sehr schwer getan, Verantwortung für Ausführungsleistungen zu übernehmen.

Originaldokument. Dies ist das Originalschreiben der Bau­minsterkonferenz. Wer es zu seinen Unterlagen nehmen möchte, kann es sich mithilfe des QR­Codes herunterladen.

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Für die zweite Hälfte 2014 gibt es derzeit keine RegelungEs bleibt also dabei: Eine Lösung für die zweite Jahreshälfte 2014 gibt es nicht! Und es besteht auf wenig Grund zu Optimis-mus, dass am Stichtag, dem 31. Dezem-ber 2014, die ausstehenden Prüfzeugnisse bearbeitet sind. Je nach den Schätzungen verschiedener Brancheninsider liegen den Prüfungsstellen derzeit zwischen 300 und 500 Prüfzeugnisse zur Genehmigung bzw. Verlängerung vor.

Realisten gehen deshalb auch nicht da-von aus, dass zum 31. Dezember 2014 die Aufgaben abgearbeitet sind, wodurch der Konflikt in die nächste Runde geht. Und selbst wenn dem so wäre, ist die Ursache des Dilemmas, der vereinheitlichte Krite-rienkatalog, noch immer nicht verfügbar.

Extrapolation ist das Herzstück des Know-howsEigentlich darf man den Prüfungsstel-len ihre stillschweigende Weigerung noch nicht einmal verübeln. Denn Verursacher des Dilemmas sind diejenigen, die aus den Prüfungs„ämtern“ im Markt konkurrieren-de Wirtschaftsunternehmen gemacht ha-ben. Und die Strategien, nach denen über die Prüfergebnisse hinaus Verwendungsnach-

Kommentar

Schwarzer KarnevalIn Köln hat man Erfahrung mit Narren und ihren Possen. Eines der geflügelten Worte hier vor Ort heißt: „Jeder Jeck spinnt anders!“ Doch dass die bundesdeutschen Materialprüfstellen of-fensichtlich seit Jahren ihren eigenen makabe-ren Karneval unter dem Motto: „Watt soll dä Quatsch?! Bruche mer net!“ feiern, ist für die Trockenbaubranche in ein wirtschaftliches Pro-blem gemündet.

Zu einfach wäre es, den Materialprüfstellen den schwarzen Pitter zuzuschieben. Denn auch Be-troffene können sich in einer stillen Stunde ein-mal fragen: Würde er sich selbst anders verhal-ten? Auch die Redaktion erlebt es immer wie-der, dass sie auf Recherchefragen die Antwort bekommt: „Ich möchte nicht unnötigerweise den Wettbewerb schlaumachen.“

Wenn man aus 8 Materialprüfungs„ämtern“ entsprechend viele Materialprüfungs„stellen“ macht und diese dann noch in einen Wettbe-werb gegeneinander schickt, dann darf man sich nicht wundern, wenn sie sich wie Wettbe-werber verhalten. Und niemand kann ernsthaft verlangen, dass Wettbewerbsvorteile leichthin an Wettbewerber weitergereicht werden. Ver-antwortlich ist das nicht, aber menschlich ver-ständlich: „Et is eben, wie et is.“

Und das DIBt? Es zeugt von Hilflosigkeit, seit 2009 (!) immer neue Fristen zu setzen und hilf-los deren Nichteinhaltung zu protokollieren („Wat wellste maache.“). Wenn die Prüfstellen sich weigern, über einen Kriterienkatalog für Transparenz zu sorgen. Warum hat das DIBt nicht selbst einen solchen Katalog entwickelt

und ihn über die Bauministerkonferenz durch-gesetzt? Das DIBt hatte immerhin fünf Jahre Zeit, um sich die nötige Kompetenz zu ver-schaffen und zu handeln („Et hät noch immer joot jejange“). Glaubwürdige Führung sieht anders aus.

Wenn Deregulierung dazu führt, dass eine ganze Branche durch einen Verwaltungsakt in eine wirtschaftliche Krise gerät, dann darf man zu Recht die Gretchenfrage des Karnevals stellen: „Wer soll das bezahlen, wer hat das be-stellt?“

Wenn es nicht so dramatisch wäre, könnte man bei so viel Narretei herzlich lachen. Doch im Rheinland dauert die närrische Zeit Gott sei Dank nur bis zum Aschermittwoch. KK □

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weise formuliert werden, gehören zu den Kernkompetenzen der Prüfinstitute. Von Wettbewerbern zu verlangen, durch lang-jährige Praxis erarbeitete Wettbewerbsvor-teile Mitbewerbern kostenlos zur Verfügung zu stellen, grenzt an eine Zumutung – wenn es nicht, wie im Brandschutz, um das Leben und die Gesundheit von Menschen ginge.

Man darf also nicht davon ausgehen, dass die renommierten Prüfungsstellen so ohne Weiteres jetzt ihren Widerstand gegen den vereinheitlichten Kriterienka-talog aufgeben.

Ab 1. Januar 2015 soll es neue Zeugnisse gebenIm Augenblick sind folgende zwei Szena-rien für das Jahr 2015 denkbar.

Szenario 1Der Kriterienkatalog ist auch weiterhin nicht verfügbar. Dann muss man sinn-vollerweise davon ausgehen, dass es auch weiterhin nur „Deckblatt“-abP geben wird. Wie dann Bauvorhaben geplant und abge-wickelt werden sollen, das wissen allenfalls die Götter und die schweigen bekanntlich.

Szenario 2Der Kriterienkatalog liegt vor und die Branche kann zu geregelten Verhältnis-

sen zurückkehren. Dann liegt der Ball bei der Industrie, wenn es darum geht, für die abgelaufenen oder „Deckblatt“-abP neue Verwendbarkeitsnachweise zu erarbeiten.

Falsch ist die Behauptung, ab 1. Januar 2015 gäbe es nur noch „geschlossene Sys-teme“! Richtig ist vielmehr, dass es auch danach weiterhin alle derzeit bekannten Verwendungsnachweise geben wird, und es liegt im Ermessen jedes einzelnen Her-stellers, für welchen Verwendungsnach-weis er sich entscheidet!!

Es wird auch nach Januar 2015 sowohl allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeug-nisse als auch Verbandszulassungen als auch Normkonstruktionen und natürlich auch „Kits“ nach europäischer Zulassung geben. Das ergab die Recherche bei meh-reren Experten. Entscheiden wird der Hersteller nach Kosten-Nutzen-Gesichts-punkten, welchen Verwendungsnachweis er für sein Produkt wählt. Und es liegt na-he, dass viele Hersteller die teuer bezahl-ten Materialprüfungen auch weiterhin als Grundlage für die neuen abP nutzen werden, denn mit einem verabschiedeten Kriterienkatalog können natürlich auch wieder Extrapolationen in die Prüfzeug-nisse hineingeschrieben werden.

Fazit: Der Augenblick ist geregelt, Klarheit ist nicht gegebenDie erste Hälfte 2014 ist einigermaßen gere-gelt, die zweite Hälfte 2014 ist derzeit unge-regelt. Die zurzeit verlängerten abP werden „Deckblatt“-abP ohne jede Extrapolation sein. Eine neue Frist (Dezember 2014) ist ge-setzt, ihre Einhaltung eher unwahrscheinlich. Sobald der Kriterienkatalog verfügbar ist, müssen wieder rechtssichere Verwendungs-nachweise erarbeitet werden. Dabei werden alle derzeit eingesetzten Verwendungsnach-weise weiterhin im Markt existieren. Eine Verbindlichkeit für „geschlossene Systeme“ ist nicht gegeben. KK □

Sonderveröffentlichung

Beziehen Sie Stellung!

Ausbauunternehmer brauchen in dieser schwierigen Situation die Unterstützung ihrer Marktpartner. Deshalb sollte jeder Hersteller und Händler Position beziehen, welche Hilfe-stellung von ihm zu erwarten ist.

Trockenbau Akustik wird auf diese Entwick-lung mit einer Sonderveröffentlichung reagie-ren. Hersteller und Händler bekommen die Möglichkeit, Ausbauunternehmern ihre Unterstützung für die Zeit der „Deckblatt“-abP vorzustellen.

Die Sonderveröffentlichung wird zusammen mit der Ausgabe 6/2014 im Markt erscheinen.

Bei Interesse schicken Sie uns eine Mail oder ru-fen Sie Annika Niesen unter 0221 5497 230 an.

Helmut Bramann ist GF der Bundes-fachabteilung Akustik und Ausbau im

Hauptverband der Deutschen Bauindust-rie. Er hat die Entwicklung erst beobachtet, dann begleitet und es durch eine Initiative seines Verbandes geschafft, das existenz-bedrohende Vakuum in eine „überlebbare“ Übergangsregelung zu führen.

TA: Herr Bramann, wie kommt es, dass ein Verwaltungsakt zu derart dramatischen Konsequenzen führt? Helmut Bramann: Ausgangspunkt ist die Bauministerkonferenz, die alle obersten Baubehörden der Länder vereinigt. Deren nachgeordnete Institution ist das DIBt. Und das DIBt hat die Kontrolle über die Material-prüfstellen.

Aber zur Sache: Wenn man eine Konst-ruktion auf F90 prüft und sie übersteht 91 Minuten im Feuer, dann ist die Prüfung zu-nächst einmal bestanden.

In der Baupraxis entsteht aber unter Um-ständen eine Situation, dass die Konstruk-tion um die Ecke gebaut werden muss, die Wand eine andere Anschlusssituationen oder vielleicht auch noch Einbauten hat.

Bauaufsichtliche Prüfzeugnisse erläutern dann, in welchen Fällen noch rechtssichere Konstruktionen erstellt werden. Dazu sind die Prüfstellen anhand ihrer Erfahrungen im Vorfeld über das gemessene Prüfergeb-nis hinausgegangen und haben mögliche Verwendungszwecke beschrieben.

Keine EntwarnungInterview | Durch interne Machtkämpfe zwischen den Materialprüfstellen und dem DIBt hat sich die Situation auf den Baustellen dramatisch verschärft. Auch wenn kurzfristig eine Entwar-nung erzielt wurde, so bleibt die Situation doch angespannt. Über aktuelle Entwicklungen sprach die Redaktion mit Helmut Bramann.

Abonnenten können diesen Beitrag auch online recherchieren.www.trockenbau-akustik.de› Archiv – Bauaufsicht – Bauausführung

Online

interview

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IntervIew

» Die Deutsche Bauindustrie steht weiterhin für Transparenz in Sachen abP. Wir sind nur gegen eine Stichtagsregelung, die bauausführende Unterneh-men in eine Existenzkrise führt. «

Helmut Bramann, Geschäftsführer BFA

In der Vergangenheit haben aber Nachprü-fungen vor Ort den Verdacht genährt, dass einige Prüfstellen zu weitgehend extrapoliert haben und ein „verbriefter“ Feuerwiderstand bei einigen Konstruktionen gar nicht mehr eingehalten wurde. Das DIBt wollte (und will) deshalb den Ermessensspielraum der einzel-nen Prüfstellen in ein nachvollziehbares Re-gelwerk überführen.

Das hört sich zunächst einmal völlig un-spektakulär an. Aber die Prüfstellen stehen im Wettbewerb und jede will ihren Vorsprung sichern. Die Prüfstellen haben deshalb einen solchen Katalog immer wieder torpediert – zunächst unbemerkt. Niemand, weder Her-steller noch Unternehmer noch wir als Ver-band, hat die Fantasie gehabt, sich vorzustel-len, welche Dramatik in dem Thema steckt. Als wir Mitte letzten Jahres darauf aufmerk-sam wurden, sind wir direkt auf das DIBt zu-gegangen und haben das Gespräch gesucht. Wir haben einfach nicht glauben können, dass das Thema so auf die Spitze getrieben wird. Das DIBT hat uns auch immer wieder versi-chert, dass sich die Prüfstellen noch einigen würden.

Haben Sie denn Verständnis für die Haltung des DIBt?Brandschutz bedeutet Sicherheit für Leib und Leben. Man kann nicht einfach abP bei gege-benenfalls zu optimistisch extrapolierten Wer-ten bis ins Unermessliche verlängern. So weit kann ich die Position des DIBt nachvollziehen.

Andererseits muss man den Prüfstellen na-türlich auch zubilligen, dass sie die Kompe-tenz haben, die Prüfsituation zu beurteilen. Und zu ihrer Verantwortung gehören natür-lich ebenfalls Ermessensspielräume. Auch nachvollziehbar.

Nur auf diese Weise kann Transparenz na-türlich nicht entstehen. Die Deutsche Bau-industrie steht auch weiterhin für Transpa-renz in Sachen abP. Wir sind aber gegen eine Stichtagsregelung, die aufgrund nicht funk-tionierender Bürokratie bauausführende Unternehmen in eine Existenzkrise führt.

Aus meiner Sicht werden dabei interne Kompetenzstreitigkeiten auf dem Rücken der Ausführenden und der Industrie ausge-tragen. Es tauchen viele Fragen auf: Was be-deuten solche „Deckblatt“-abP für die Her-steller? Was bedeuten sie für den Fachhan-

del? Was bedeuten sie für verarbeitende Unternehmen? Wer ist wann und wie in der Haftung? Wer meldet wann und wie Beden-ken an?

Wenn die Industrie zwischenzeitlich rechtssicheren Einbau gewährleisten soll, ist das nicht der erste Schritt in „geschlossene Systeme“?Geschlossene Systeme gibt es schon eine gan-ze Weile und es wird sie auch weiterhin geben. Im Augenblick allerdings wird überall die Paro-le verbreitet, es würde in Zukunft nur noch ge-schlossene Systeme geben. Das ist falsch! Es wird auch nach dem Januar 2015 weiterhin alle bekannten Verwendungsnachweise im Markt geben.Die aktuelle Entwicklung bedeutet für den In-nenausbau eher eine Rückbesinnung auf nor-menbasierte, also „offene“ Bauarten und Sys-teme, denn die bieten noch Sicherheit. Für Trennwände gibt es die DIN 18183, für ihre rele-vanten Bauteile wie Gipsplatten, Unterkonst-ruktion, Profile, Schrauben die DIN EN 500, DIN 18180, DIN EN 14195 bzw. DIN 18182-1 sowie für Brandschutzaspekte die DIN 4102-4. Dass diese normenbasierten Lösungen heute in Be-zug auf Performance und Wirtschaftlichkeit häufig nicht mehr mit abP-basierten Herstel-lerangeboten konkurrieren können, liegt auch daran, dass die Normen nur noch ungenügend gepflegt wurden. Die meisten Hersteller ha-ben im Wettbewerb lieber auf ihre eigenen ge-prüften Systeme gesetzt. Gerade diese stehen derzeit auf der Kippe.Systemführende Hersteller müssen ihre Bemü-hungen im Prüf- und Zulassungsbereich ihrer eigenen Systeme ausweiten und werden künf-tig als Antragsteller von Prüfungen sicher noch stärker, als dies bei den bis 1. April 2014 gülti-gen abP der Fall war, darauf achten, dass ge-mäß künftigen Verwendbarkeitsnachweisen nur noch ihre Produkte verbaut werden dürfen. Als Verband werden wir uns einerseits dafür einsetzen, dass die nicht funktionierenden be-hördlichen Verfahrensweisen im Verhältnis Bauaufsicht, DIBt und Prüfstellen schnellst-möglich reformiert werden, andererseits über-legen wir auch eine Brancheninitiatve für den Normungsbereich. Wer jetzt nicht in Ausfüh-rungsnormen und damit auch Produktvielfalt investiert, ist selbst schuld. Dies gilt insbeson-dere auch für den Fachhandel und Komponen-tenhersteller, die ansonsten auf der Strecke bleiben könnten.

Herr Bramann, herzlichen Dank für das Gespräch! □

Inzwischen gibt es eine Übergangsfrist für begonnene Bauvorhaben. Wie be-werten Sie diese Übergangsfrist? Damit sind die ausführenden Unternehmen im Innenausbau für das erste Halbjahr 2014 aus dem Schneider. Denn diese Übergangs-frist sorgt zunächst einmal für Sicherheit bei bereits laufenden Aufträgen.

Trotzdem bleibt die zweite Hälfte des Jah-res 2014 (ab 1. Juni 2014 ) noch völlig ungere-gelt. Und man darf auch Zweifel daran äu-ßern, dass am 1. Januar 2015 der Rückstau abgearbeitet und die angeforderte Transpa-renz in Sachen Extrapolation hergestellt ist.

Es gibt aus meiner Sicht überhaupt keinen Grund für eine Entwarnung. Deshalb fordern wir auch verbandsübergreifend weiter ge-hende Zugeständnisse von der Bauaufsicht und für die Zukunft verlässliche und transpa-rente Verfahrensabläufe im Bereich abP.