In der Nächsten Nähe (Diakonie Themen Spezial 2013)

24
Themen SPEZIAL 1 In der Nächsten Nähe Standortbestimmung und Herausforderung im Jahr der Diakonie 2013 Themen SPEZIAL Ein Sonderheft der Diakonie Österreich Oktober 2013 | 169-4/13

description

Hier finden Sie Gemeinwesen-Projekte der Diakonie in Österreich und die Leitlinien unserer Arbeit

Transcript of In der Nächsten Nähe (Diakonie Themen Spezial 2013)

ThemenSpezial 1

in der Nächsten NäheStandortbestimmung und Herausforderung

im Jahr der Diakonie 2013

ThemenSpezial Ein Sonderheft der Diakonie Österreich Oktober 2013 | 169-4/13

2 ThemenSpezial

p apier ist geduldig. Diako-nie drängt zum Handeln.

Papiere liegen in Schubladen. Diakonie bewährt sich im All-tag. Papiere, zumal von großen Gremien beschlossen, haben et-was Abschließendes an sich, sind oft Akte der Selbst-vergewisserung nach langen, kontroversen Diskussionen, sich in einem Dokument wie-derzufinden. Der Diakonie wohnt das Unfertige, das Provi-sorische inne. Diakonisches

Handeln reagiert auf die Wahrnehmung von sozi-aler Not mit den gerade gegebenen Mitteln und bleibt deshalb zeitgebunden, vorläufig, immer in Bewegung.

Umso erstaunlicher war die Rezeption des Dia-koniepapiers „Standortbestimmung und Heraus-forderung“, das die Generalsynode 1997 be-schlossen hatte. Immer wieder wurde es aus den Schubladen geholt, reiste in Aktentaschen oder per E-Mail durch Österreich und fand seinen Weg auch in an-dere Teile Europas. Kaum ein Vortrag über die Diako-nie in Österreich und ihre rasante Entwicklung und Veränderung seit 1997 kam ohne ein Zitat aus dem Synodenpapier aus. Es floss in die Leitbilder zahlreicher diakonischer Un-ternehmungen ein. Aus Gedanken wurden Pro-jekte. Dem Papier wurde Leben eingehaucht.

Dabei war das Papier aus dem Jahre 1997 keineswegs fertig und abgeschlossen. Vor allem im zweiten Teil, der die Herausforderungen be-schrieb, blieb es notgedrungen bruchstückhaft, war seiner Zeit in Teilen voraus, in Teilen auch ne-ben der Spur, die die Zukunft einzuschlagen ge-dachte. Deshalb hat die Kommission für Diakonie und soziale Fragen der Generalsynode den Ver-such unternommen, das Papier „Standortbestim-mung und Herausforderung“ zu überarbeiten, die Standpunkte auf ihre Tragfähigkeit abzuklopfen und die Herausforderungen auf den Stand der diakoniewissenschaftlichen, sozialpolitischen und

pädagogischen Diskussion des Jahres 2013, des Jahres der Diakonie, zu bringen.

Die Debatte in der Synode A. B. hat die Kom-mission dazu bewogen, von der Weiterarbeit am Projekt der Überarbeitung abzusehen – damit bleibt das Papier in seiner Fassung von 1997 in Geltung. Der synodalen Kommission und der Dia-konie Österreich erscheint es aber wichtig, die überarbeitete Fassung in diesem Heft zur Diskus-sion vorzulegen. Diese Publikation geschieht im Bewusstsein, dass der Text bruchstückhaft, in Teilen seiner Zeit voraus und in Teilen neben der Spur sein wird. Doch wie wir an der Rezeption des Papiers von 1997 gesehen haben, können diese Schwächen eines Textes durchaus auch belebend wirken. Ob es dem Heiligen Geist gelingen kann, auch diesem vorläufigen Text Leben einzu-hauchen, wird die Zukunft weisen.

Das vorliegende Heft zieht auch eine Zwischen-bilanz über das Jahr der Diakonie und stellt weg-weisende Praxisbeispiele vor. Kirche und Diakonie

sind auf dem Weg, dem Hei-landsruf „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und be-laden seid, ich will euch Ruhe geben!“ zu folgen. Bis wir ge-meinsam vor dem Herrn ste-hen – wir, selbst Mühselige und Beladene, gemeinsam mit den Mühseligen und Be-ladenen, denen die diakoni-sche Kirche zu dienen hat –,

bis wir nebeneinander vor dem Herrn stehen und nicht einer vor dem anderen, nicht eine für die an-dere, sondern einer mit der anderen, ist es noch ein weiter Weg. Das Jahr der Diakonie 2013 kann ein Schritt dazu sein.

Pfarrer Mag. Michael Chalupka, Direktor der Diakonie Österreich

editorial

„Das Synodenpapier von 1997

floss in die Leitbilder zahlreicher diakonischer Unternehmungen

ein. Aus Gedanken wurden Projekte. Dem Papier wurde

Leben eingehaucht.

ThemenSpezial 3

impreSSum: medieninhaber, Herausgeber und redaktion: Diakonie Österreich. redaktion: Mag.a Magdalena Schwarz, Mag. Martin Schenk, alle: 1090 Wien, Albert Schweitzer Haus, Schwarzspanierstraße 13. Tel.: (0)1 409 80 01, Fax: (01) 409 80 01-20, E-Mail: [email protected], Internet: www.diakonie.at. Verlagsort: Wien. Geschäftsführer Diakonie Österreich: Pfr. Mag. Michael Chalupka, Mag. Martin Schenk. Fotos: Karl Sigurd Koschek (S. 1, 18, 19), Barbara Krobath (S. 2), Diako-nischer Verein Tirol (S. 3, 21), Diakoniewerk Salzburg (S. 3, 6, 15), Regina Hügli (S. 3, 10), Stadtdiakonie Wien (S. 4, 5, 23), Gisela Malekpour (S. 7), Armutskonferenz (S. 8, 9, 23), Stadtdiakonie Linz (S. 16, 17, 23), Albert Schweitzer Haus (S. 18), Diakonie Flüchtlingsdienst (S. 20), epd/Uschmann (S. 23), G. Ringelhann (S. 23). Grafik-Design: Mag.a Evelyn Felber/Info-Media Verlag für Informationsmedien GmbH, Volksgarten-straße 5, 1010 Wien. lektorat: Mag.a Sabine Wawerda. Druckerei: AV + Astoria Druckzentrum GmbH, Faradaygasse 6, 1030 Wien. Die Diakonische Information bringt Sachinformationen und Nachrichten zur Diakonie der Evangelischen Kirchen. Die gendersensible Schreibweise ist uns ein wichtiges Anliegen. Der Bezug ist kostenlos. DVR: 041 8056 (201). Gedruckt nach der Richtlinie „Schadstoffarme Druckerzeug-nisse des Österreichischen Umweltzeichens“. Umweltzeichen (UWZ 734)

Spendenkonto Diakonie: IBAN AT492011128711966399 BIC GIBAATWWXXX

4lerNeN mit leerem baucH? GeHt NicHt!

Gratis-Mahlzeiten an vier Schulen organisiert die Stadtdiakonie Wien

6„roSa zukuNFt“

Auf nachbarschaftliche Hilfe setzt ein Wohnprojekt des Diakoniewerks Salzburg

7GemeiNDeDiakoNie

In Niederösterreich entsteht ein Netz aus sozial engagierten Menschen

8Die kraFt Der zuSammeNarbeit

Die Armutskonferenz vernetzt Initiativen, Forscher_innen und Armutsbetroffene.

10macoNDo: lebeNDiGer StaDtteil

Ein Gemeinwesenprojekt für alle entsteht in Wien Simmering

11DiakoNie – StaNDortbeStimmuNG uND

HerauSForDeruNGFassung der Kommission für Diakonie und

soziale Fragen, 2013

15DaS DorF iN Der StaDt

Vermittlung und Anlaufstelle für Bewohner_innen sind die Bewohnerservice-Stellen in Salzburg

16ServuS NacHbar!

Der Leiter der Stadtdiakonie Linz erzählt über Projekte, Ideen, Aktivitäten

18eiN HauS Für viele

Das Albert Schweitzer Haus im Herzen Wiens

20GemeiNweSeNorieNtierte iNteGratioN

Der Diakonie Flüchtlingsdienst in St. Pölten bringt Menschen zusammen

21GemeiNSam woHNeN uND lebeN

„Wohnen für Hilfe“: In Tirol entstehen besondere Wohngemeinschaften

22DaS JaHr Der DiakoNie 2013 –

eiNe zwiScHeNbilaNz

inhalt

4 ThemenSpezial

H ungrig lernen? Kein Einzelfall! Stellen Sie sich folgende Situation vor: Es ist 12 Uhr am Vormittag, Sie sitzen seit vier Stunden

in der Schule und haben seit gestern Abend nichts mehr gegessen – weil es nichts zu essen gegeben hat. Ihr Magen knurrt und Ihre Gedanken kreisen

nur mehr ums Essen. Was da vorne an der Tafel vor sich geht, was der Lehrer erzählt, wird immer unwichti-ger ... Ein Einzelfall, glauben Sie? Nein, leider nicht. So sieht die Real-ität für viele Schulkinder in Wien aus. Die Eltern dieser Kinder sind wegen ihrer schwierigen sozialen und psy-chischen Situation oftmals nicht mehr in der Lage, ihre Kinder auch nur mit dem Nötigsten zu versorgen.

Sechs Prozent der österreichi-schen Bevölkerung leben in akuter Armut. Von der Armut ihrer Eltern am schlimmsten betroffen sind die rund 142.000 Kinder und Jugendlichen. Der finanziellen Armut folgen belas-

tende Wohnbedingungen, gesundheitliche Prob-leme, chronischer Stress und Einsamkeit.

Gemeinsam essen, bessere NotenDem will die Stadtdiakonie Wien mit dem Projekt

„Lernen mit leerem Bauch? – Geht nicht!“ an Schu-len, die sich an sozialen Brennpunkten befinden, entgegenwirken. Jedes Kind, das die kostenlose

Nachmittagsbetreuung der Schule besucht, erhält täglich eine Mahlzeit, damit es zumindest einmal am Tag satt wird. Den Initiatoren und Initiatorinnen des Projekts ist wichtig, die Konzentration und Aufnahmebereitschaft der Kinder im Unterricht zu steigern und damit die Noten zu verbessern. Den Magen zu füllen ist jedoch nur ein Aspekt des Pro-jekts. Auch die soziale Komponente darf nicht zu kurz kommen.

Lehrer_innen, Eltern und freiwillige Helfer_in-nen stehen den Jugendlichen in der Nachmittags-betreuung nicht nur betreuend zur Seite. Vielmehr steht das gemeinsame Zubereiten der Mahlzeiten im Vordergrund. Mitglieder des Elternvereins so-wie die Lehrer_innen verarbeiten gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern die vorhandenen Lebensmittel. Die Kinder arbeiten aktiv mit, ein Austausch findet statt – neben dem Essen kom-men auch andere Themen zur Sprache, wie z. B. Konflikte. „Wir erleben die Schüler_innen jetzt ent­spannter und ruhiger und sie nehmen auch mehr Rücksicht aufeinander. Ich bin überzeugt davon, dass sich das regelmäßige Essen auch auf die Leistung der Kinder auswirkt, und hoffe, dass das Projekt im nächsten Schuljahr fortgesetzt werden kann“, so einer der betreuenden Lehrer_innen.

Tausende Kinder sitzen hungrig in der Schule, weil ihre Eltern sie nicht mit dem Nötigsten versorgen können. Die Stadtdiakonie Wien

organisiert Gratis-Mahlzeiten an vier Schulen und hilft den Kindern damit auch beim Lernen.

lernen mit leerem bauch?

Geht nicht!

ThemenSpezial 5

Für viele ist es das erste Mal, dass sie den Um-gang mit frischen Lebensmitteln und die richtige Lagerung der Lebensmittel lernen. Wesentlich ist, gemeinsam den Tisch zu decken, miteinander zu essen und abzuwaschen. Die Kinder genießen den sozialen Aspekt des Essens. Sie ziehen die gemeinsame Mahlzeit dem oftmals leeren Zu-hause vor. Manche kommen sogar, obwohl sie eine Jause mithaben.

Helfer_innen gesuchtDerzeit wird das Projekt an vier Schulen in Wien durchgeführt. In den Schulen ist das gemeinsame Essen bereits so beliebt, dass die Lehrer_innen das Projekt nicht mehr alleine durchführen kön-nen. Daher werden ehrenamtliche Helfer_innen gesucht, die für die Zeit des Essens kommen, um sie zu unterstützen. Diese finden sich z. B. in Pfarr­ gemeinden, die das Projekt bereits seit einiger Zeit durch ihr Engagement begleiten. Sie arbeiten wesentlich bei der Akquise von Lebensmitteln und Spendengeldern mit, um das Projekt am Leben zu erhalten.

Die Stadtdiakonie Wien dankt den Gemeinden ihr Engagement, indem sie ihnen Know-how und Unterstützung bei gemeindeeigenen Sozialprojek-

ten sowie bei der Betreuung von notleidenden Menschen zusagt. Regelmäßig kommen die Dia-koniebeauftragten der Wiener Gemeinden mit Ver-tretern und Vertreterinnen in die Stadtdiakonie Wien, um Vorträge zu hören, sich auszutauschen und Unterstützung bei den Vorhaben in ihrer Ge-meinde zu holen.

Viele Schulen haben bereits Interesse angemel-det, bei dem Projekt mitzumachen. „Unser Ziel ist es, gutes Essen für alle Kinder an so vielen Schu-len wie möglich umzusetzen“, meint Claudia Röthy, Geschäftsführerin der Stadtdiakonie Wien.

„Armut und soziale Ausgrenzung

werden oft schamhaft verschwiegen

und von der Gesellschaft ausgeblendet.

In christlichen Gemeinden hingegen

werden die konkreten Probleme wahr-

genommen und es wird zum Handeln

motiviert.“

(Diakonie – Standortbestimmung und Herausforderung,

Fassung der Kommission 2013, Abs. III)

www.diakoniewien.at

Stadtdiakonie wien

Miteinander essen in entspannter Atmosphäre. Die Kinder und Jugendlichen danken es mit besseren Noten.

6 ThemenSpezial

S elbstständigkeit im täglichen Leben durch nachbarschaftliche Hilfe, egal ob als junge

Familie oder im Alter: Das ist das Anliegen des Wohnprojekts „Rosa Zukunft“, das Ende dieses Jahres in Salzburg fertig gestellt werden soll. Bar-rierefreie Wohneinheiten, Gemeinschaftsflächen und eine Wohnkoordination, die die Wünsche und Anliegen der Bewohner_innen koordiniert, sollen dies ermöglichen.

Der Flächenwidmungsplan für das Wohnprojekt „Rosa Zukunft“ sieht vor, dass die verfügbaren Wohneinheiten nach einem bestimmten Ver-teilungsschlüssel an Menschen, die älter und jünger als 60 Jahre sind, vergeben werden sollen. Die Wohnkoordination, die vom Diakoniewerk

Salzburg bereitgestellt wird, hat ihre Arbeit bereits auf-genommen und Auswahl-gespräche mit Interessenten und Interessentinnen geführt. Wichtig bei der Auswahl ist die Bereitschaft, sich als Be-wohner_in im Quartier „Rosa Zukunft“ zu engagieren – mit den eigenen Stärken und Fähigkeiten.

Möglichkeiten zur Beteili-gung wird es viele geben: von der nachbarschaftlichen Hilfe über die rege Nutzung der

Gemeinschaftsräumlichkeiten bis hin zur Mitarbeit im Bewohner_innenbeirat. Die Wohnkoordination wird im Hintergrund als Drehscheibe agieren und Angebote und Nachfragen einzelner Bewohner_in-nen zusammenbringen. Babysitten, Hunde-Aus-führen, Nachhilfe und Haushaltshilfe können ver-mittelt werden, wenn Menschen mit Interesse sich melden. Auch professionelle Hilfe wie z. B. mobile Pflege kann organisiert werden. Das Diakonie­Zen-

trum Salzburg kann hier auf sein gesamtes Ange-bot zurückgreifen.

Die Wohnkoordination wird auch dem Bewoh-ner_innenbeirat helfend zur Seite stehen, die Nut-zung der Gemeinschaftsflächen koordinieren und Kontakt zu Angeboten außerhalb des Wohnpro-jekts herstellen – z. B. zu professionellen Pflege­diensten oder den umliegenden Pfarrgemeinden. Das Know-how zur Vernetzung unterschiedlicher Interessengruppen und Personen bringt das Diako-nie-Zentrum Salzburg bereits aus der Arbeit in den Stadtteilzentren mit.

vom Start weg zusammenleben planenDie Planung des vielfältigen Zusammenlebens be-reits vor der Bauphase ist die Besonderheit des Projekts. Menschen über 60 sollen in der „Rosa Zukunft“ die Möglichkeit haben, in Gemeinschaft alt zu werden, ohne dabei auf ihre eigene Wohnung zu verzichten. Die Wohnungen sind baulich so an-gelegt, dass auch Menschen mit eingeschränkter Mobilität selbstständig für sich sorgen können. Darüber hinaus kann die Wohnkoordination bei Be-darf die notwendige Unterstützung gewährleisten. Dies bietet Senioren und Seniorinnen die Mö- glichkeit, Hilfsangebote nach eigenem Bedarf in Anspruch zu nehmen.

Bereits ab Juni wird die Wohnkoordination dann ihr vorläufiges Büro in einem Baucontainer beziehen, um den Kontakt zwischen den Bau-trägern und den Interessenten und Interessentin-nen zu halten. Auch gilt es dann bereits, erste Hil-festellungen anzubieten, beispielsweise beim Planen der Übersiedlungen.

www.rosazukunft.at

Diakoniewerk Salzburg

„Wo Menschen aus Mangel an

Ressourcen oder Möglichkeiten

behindert werden, am Leben in

Fülle teilzuhaben, unterstützen

Kirche und Diakonie, diese

Barrieren zu überwinden.“

(Diakonie – Standortbestimmung und Heraus-

forderung, Fassung der Kommission 2013,

Abs. VII)

Das Team der Wohnkoordination Rosa Zukunft.

Das Wohnprojekt „Rosa Zukunft“ baut auf die nachbarschaftliche Hilfe

seiner Bewohner_innen.

Gemeinschaftlich leben im Quartier

„Rosa Zukunft“

ThemenSpezial 7

I n den niederösterreichischen Pfarrgemeinden leisten viele ehrenamtlich vieles. Sie betreuen

alte und demenzkranke Menschen, helfen pfle­genden Angehörigen, arbeiten als ehrenamtliche Seelsorger_innen im Gefängnis oder halten Sprachkurse für Flüchtlinge und leisten Hilfe für Menschen mit Behinderung.

Die Deutschkurse für Asylwerber_innen, denen rechtlich kein Unterricht zusteht, konnten in den Pfarrgemeinden Amstetten, Krems, Gmünd, St. Pölten, Mitterbach sowie St. Aegyd/Traisen je-weils an einem oder bei Bedarf an mehreren Standorten etabliert werden. Besuchsdienste bei Senioren und Seniorinnen, ob zu Hause, in Senioren­ oder Pflegeheimen und in Krankenhäu-sern, funktionieren in jeder Pfarrgemeinde sehr gut. Das Projekt „Pflegende Angehörige“ wird in Form von Gesprächskreisen derzeit in den Gemeinden St. Pölten, Mödling und St. Aegyd/Traisen angeboten, in Klosterneuburg befindet es sich im Aufbau. Im Bereich der Gefängnisseel-sorge arbeiten drei Ehrenamtliche gemeindeüber-greifend mit.

Diakoniebeauftragte Die gute Zusammenarbeit funktioniert diözesen-weit nur deshalb, weil alle Pfarrgemeinden Diako-niebeauftragte bestellt haben, die in ihrer eigenen

Gemeinde die Projekte koordinieren und den Überblick haben, aber auch das Bindeglied zur diözesanen ARGE Diakonie darstellen.

Die ARGE Diakonie verbindet die verschiede-nen Akteurinnen und Akteure aus Kirchenleitung, Gemeinde und Diakonie. Vorbereitet wurden beispielsweise das Diakoniejahr 2013 auf diöze-saner Ebene, ein Studientag, der Diakonietag sowie das Handbuch Sozialnetzwerk.

„Diakonische Einrichtungen und Pfarrgemeinden

sind Orte, die für Bildung und Erziehung, beim

Altern, bei Pflegebedürftigkeit und Behinderung,

in Armut und sozialen Krisen, bei Krankheit und

Sucht, nach Straffälligkeit, auf der Flucht und bei

Katastrophen Räume und Unterstützungsmög-

lichkeiten anbieten.“

(Diakonie – Standortbestimmung und Herausforderung, Fassung der Kom-

mission 2013, Abs. VII)

e-mail: [email protected]

arGe Diakonie | Gisela malekpour

Gemeindediakonie: Kooperation und KoordinationIn Niederösterreich entsteht ein Netz aus sozial engagierten Menschen in Zusammenarbeit von diakonischer Arbeit und Kirchengemeinden.

Teilnehmer_innen des Deutschkurses beim Semester-Abschlussheurigen.

8 ThemenSpezial

v on Beginn an waren Diakonie und Evange-lische Akademie führend in der Entwick-lung der österreichischen Armutskonfe-

renz engagiert. Das Netzwerk bringt auf Bundesebene wie auch in den Ländern Organisa-tionen, Initiativen, Projekte, Forscher_innen und Armutsbetroffene zusammen.

kulturpass: „Nicht vom brot allein“Die Aktion „Hunger auf Kunst und Kultur“ öffnet die Türen zu Kino, Ausstellungen oder Theater für alle. Mit dem Kulturpass erhalten Menschen in fi-nanzieller Not freien Eintritt in aktuell über 600 kul-turellen Einrichtungen österreichweit. Zugute kommt diese Aktion Menschen, die unter der Ar-mutsgrenze leben, die Sozialhilfe oder Mindest-pension beziehen, Menschen mit Notstandshilfe und Flüchtlingen. Die Vergabe des Kulturpasses wird über das Netzwerk der Armutskonferenz, über viele soziale und karitative Hilfsorganisa-tionen und Betreuungsstellen sichergestellt. War-um brauchen Leute, die eh nichts haben, einen Theaterbesuch, Tanz oder Kino? Da geht’s doch

um Wohnung, Job und Einkommen: Das ist auf jeden Fall am wichtigsten, aber bekanntlich lebt der Mensch nicht vom Brot allein (www.hun-geraufkunstundkultur.at).

Das parlament der ausgegrenzten„Wir sind keine Bittsteller, wir wollen Respekt!“, so die Teilnehmer_innen des ersten österreichweiten Treffens von Menschen mit Armutserfahrungen, das unter dem Titel „Sichtbar werden“ 2006 in Wien stattfand. Erwerbsarbeitslose, Mitarbei- ter_innen von Straßenzeitungen, psychisch Er-krankte, Menschen mit Behinderungen, Alleiner-zieher_innen und Migranten bzw. Migrantinnen waren drei Tage zusammengekommen, um ge-meinsam über Strategien gegen Armut zu beraten und sowohl ihre Anliegen als auch Lösungsan-sätze aufzuzeigen und zu diskutieren. „Sichtbar werden sollen unsere Alltagserfahrungen. Sichtbar werden sollen unser Können und unsere Stärken. Sichtbar werden sollen unsere Forderungen und Wünsche zur Verbesserung der Lebenssituation.“

Daraus ist eines der erfolgreichsten Communi-ty-Organizing-Projekte für sozial Benachteiligte in Österreich geworden. Neueste Initiative: das Par-lament der Ausgegrenzten „Wir machen uns stark“ und ein eigener Medienpreis. Durch die jährliche Vergabe eines „Journalismuspreises von unten“ wird die Perspektive umgedreht: Plötzlich beobachten jene, die sonst immer beobachtet werden.

Reger Austausch beim „Parlament der Ausgegrenzten“.

Die kraft der ZusammenarbeitDie Armutskonferenz ist ein Beispiel für erfolgreiche

Netzwerkarbeit und Community Organizing. Armutsbetroffene sprechen für sich selbst.

ThemenSpezial 9

Szenen aus dem lebenIn der Steiermark haben Menschen mit Armuts-erfahrungen gemeinsam mit Schauspielerinnen und Schauspielern der Theaterwerkstatt InterACT ein Forumtheaterstück zu Armut und Überschul-dung erarbeitet. „Kein Kies zum Kurven-Kratzen“, so der Name des Stücks, wurde in den darauffol-genden Monaten in über 30 Orten quer durch die Steiermark und in ganz Österreich aufgeführt. Weit mehr als 1000 Menschen haben sich, an-geregt durch die Aufführung, an der Suche nach Lösungen zur Vermeidung und Bekämpfung von Armut beteiligt, die schließlich im Rahmen einer Aufführung im österreichischen Parlament mit verantwortlichen Politikern und Politikerinnen diskutiert wurden. In einem Folgeprojekt entwi-ckelten Jugendliche, die keinen Arbeits- oder Ausbildungsplatz haben und auch nicht (mehr) zur Schule gehen, Szenen aus ihren Erfahrungen zum Stück „Jung, pleite, abgestempelt“. Die Szenen zeigen ihr Leben auf der Straße, in der Familie, am Arbeitsamt, in der Schule und in psychiatrischer Behandlung.

Spenden mit StimmrechtDas Wiener Spendenparlament sammelt „Stim-men gegen Armut“ durch „Spenden mit Stimm-recht“. Wer mindestens 75 Euro im Jahr gibt, bestimmt in der gemeinsamen Versammlung im Rathaus mit, wofür die Spenden eingesetzt

werden. Seit der Gründung wurden so 165.000 Euro an über 50 Projekte für Menschen in Not vergeben. Das Wiener Spendenparlament hilft Projekten, Einrichtungen und Initiativen, die ein-springen, wo das soziale Netz Lücken hat: Ein-richtungen, die helfen, Isolation zu durchbrechen; die Menschen wieder aufrichten; die zur Selbsthil-fe anregen; die mit beispielhaften und innovativen Ideen helfen (www.spendenparlament.at).

„Diakonie wendet sich in besonderer

Weise jenen Bereichen von Not zu, die

vom Netz öffentlicher sozialer Einrich-

tungen nicht entsprechend wahrge-

nommen werden. Diakonisches Handeln ist immer auch

Protest, weil es Not lindert und zu-

gleich nach Veränderung der Bedin-

gungen ruft, die die Not verursachen.“

(Diakonie – Standortbestimmung und Herausforderung,

Fassung der Kommission 2013, Abs. IX)

www.armutskonferenz.at

Die armutskonferenz

Armutsbetroffene treten bei der Kundgebung „Sichtbar werden“ auf.

10 ThemenSpezial

M acondo nennen die rund 3000 Bewoh- ner_innen den Stadtteil, der 1956 entstand

und weit draußen am äußeren Rand des 11. Bezirkes liegt. Der Stadtteil stellt ein in Österreich einzigartiges Sozialsystem dar. Seit den 1950er-Jahren wird er von Menschen bewohnt, die als Flüchtlinge nach Österreich kamen – aus Ungarn, der Tschechoslowakei, aus Chile und Vietnam. Sie haben ihrer neuen Heimat hier an diesem Ort, da-mals noch zwischen Wald und Feldern, den Na-men Macondo gegeben – nach der Stadt, die in einem Roman von Gabriel García Márquez Vertrie-bene im Dschungel gründen. Manche sind bis heute geblieben. Sie sind nun hier die Alteinge-sessenen. Vieles hat sich seit damals verändert: Die

Stadt ist um Macondo her-umgewachsen. Zwischen den Wohnhäusern befind-en sich zahlreiche Klein-gärten, vor allem von Österreichern und Öster-reicher innen genutzt. So vielfältig wie die Bewoh-ner_innen sind auch die Pro blemstellungen im Stadt teil: Arbeits- und drohende Obdachlosig-keit, Sprachdefizite, Müll, ethnische Konflikte und schlechte Infrastruktur.

Was aber ist Macondo? Ein Stadtteil? Eine Insel in der Stadt? Vielleicht sogar ein Ghetto? All dies sind Zuschreibungen von außen … Vor allem ist Macondo ein Ort, ein

Raum, in dem Menschen einen Teil ihres Lebens verbringen, miteinander interagieren, kommuni-zieren, diesen Raum gestalten, ihn beleben und aus ihm LebensRaum machen.

Jede_r trägt was beiMit BASIS Margetin will der Diakonie Flüchtlings-dienst nicht an den Defiziten, sondern an den Ressourcen ausrichten. In einem gemeinwesen-orientierten Integrationsbüro sollen Fragen ge-meinsam mit den hier lebenden Menschen beant-wortet werden: Was will Macondo sein? Was wollen die Bewohner_innen, dass Macondo ist? Wie wollen sie diesen ihren LebensRaum, wie wol-len sie ihr Zusammenleben und wie wollen sie über die Grenzen dieses Stadtteils hinaus aktiv und gemeinsam Gesellschaft mitgestalten?

Mit BASIS Margetin entsteht eine zentrale Ansprechstelle, bei der die Bewohner_innen Ideen und Bedürfnisse artikulieren können und ihre Vor-stellungen, unterstützt und moderiert, gemeinsam entwickeln und umsetzen können. Und all das in enger Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren: von Wohnbauträgern wie GPA und BIG, Institutionen und Behörden wie den Magistraten der Stadt über Pfarrgemeinden und religiöse Vereinigungen, Jugendeinrichtungen, Schulen und Kindergärten bis hin zu Gemeinschaftsgartenprojekten und Ver-einen, Communitys und der lokalen Bevölkerung in und um Macondo.

„Ein Mangel an Ressourcen, seien

es materielle Ressourcen oder der

Zugang zu Bildung oder Partizi-

pationsprozessen, schließt von der

Teilhabe aus und schränkt Ent-

faltungschancen ein. Kirche und

Diakonie bieten vielfältige Mög-

lichkeiten der Teilhabe.“

(Diakonie – Standortbestimmung und Herausforde-

rung, Fassung der Kommission 2013, Abs. VI)

fluechtlingsdienst.diakonie.at

baSiS margetin, Diakonie Flüchtlingsdienst

In Wien Simmering entsteht ein Gemeinwesenprojekt für alle. Die Diakonie entwickelt, fördert und unterstützt es.

macondo: lebendiger Stadtteil

ThemenSpezial 11

„6 % der österreichischen

Bevölkerung leben in akuter Armut. Von der Armut ihrer

Eltern am schlimmsten betroffen sind die rund 142.000 Kinder und

Jugendlichen. Der finanziellen Armut folgen belastende Wohn-bedingungen, gesundheitliche Probleme, chronischer Stress

und Einsamkeit.

“ Siehe S. 4

Kommission für Diakonie und soziale Fragen, 4. Juli 2013

Diakonie – Standortbestimmung und Herausforderung

i. kirche ist wesentlich diakonisch

Sie hilft, Leben zu bewältigen. Diakonie ist kein zusätzliches Arbeitsfeld der Kirche. Sie ist Bestandteil des Lebens und Wirkens der Gemeinde Christi.

ii. Diakonie ist eine Form kirchlicher Gemeinschaft

Christen teilen Freude und Leid, Hoffnung und Angst und erfahren Zuspruch und Vergebung; sie nehmen Anteil an Armut und Unterdrückung, an Krankheit und Not und kümmern sich umeinander in allen Lebensbezügen.

Von der Verwaltung bis zur Liturgie gibt es keinen Bereich der Kirche, der nicht entscheidend von der diakonischen Dimension mitgeprägt wäre. Die diakoni-sche Existenz der Kirche ist begründet in der Hingabe Christi. Diakonie geht vom Teilen am Tisch des Herrn aus und führt immer wieder zurück zum Tisch des Herrn.

iii. Diakonisches Handeln beginnt mit der wahrnehmung von Not

Wie die erste Gemeinde in Jerusalem die Notlage der griechischen Witwen, Martin Luther die Verarmung durch Geldentwertung, Johannes Calvin das Flüchtlingselend in Genf, die Gräfin de La Tour das Elend der unehelich ge-borenen Kinder und die Brüder Ernst und Ludwig Schwarz die soziale Ver­elendung wahrgenommen haben, so müssen auch wir die allgemeine soziale Lage und die spezifischen Nöte bestimmter Gruppen und Menschen genauso konkret entdecken und benennen.

Diakonie ergreift die Option für die Armen und die vielfach Verwundeten. Armut und soziale Ausgrenzung werden oft schamhaft verschwiegen und von der Gesellschaft ausgeblendet. In christlichen Gemeinden hingegen werden die konkreten Probleme wahrgenommen und es wird zum Handeln motiviert. Sie sind Orte für Menschen, die unabhängig von ihrer Herkunft und sozialen Situ-ation ihren Glauben leben.

12 ThemenSpezial

„Eine Atmosphäre von Gleichheit und Gemeinschaftlichkeit wird

etabliert, wenn Menschen miteinander über ihr Potenzial für

Kommunikation und Ausdruck durch Bewegung lernen.

„Bewohnerservice-Stellen

sind Gemeinschaftsorte, wo die Türen immer offen stehen,

wo man die Menschen kennt und wo man mit seinen Problemen

gehört wird – mitten in der Stadt.

“ Siehe S. 15

Siehe S. 18www.danceability.at

iv. Diakonie übt die Geschwisterlich keit der menschen ein

Menschen in Not dürfen nicht zu Objekten helfenden Handelns werden; sie sind unsere Brüder und Schwestern, die Jesus seliggesprochen hat (Matth. 5; Mk. 3, 34). „Von entscheidender Bedeutung ist die Intention der Diakonie, mit und nicht für Menschen zu arbeiten, um zu stärken und zu verändern.“ (Er-klärung der Konferenz Europäischer Kirchen zur Diakonie, Bratislava 1994)

In jedem Menschen ist das Ebenbild Gottes zu erkennen. Die Würde jedes Menschen ist die unaufgebbare Grundlage diakonischen Handelns. Diakonie ist der Ernstfall für die Geschwisterlichkeit der Menschen. Pflegende und sor-gende Begleitung von Alten, Schwachen und Menschen mit Behinderung ist also nicht nur ein Geben, sondern auch ein Empfangen.

Helfen heißt nicht, sich herabzulassen zu einem Bedürftigen, sondern ist nach dem Gleichnis vom Weltgericht (Matth. 25) Christusbegegnung. Sie entschei-det das Christsein.

v. Diakonie als christliches Glau b ens zeugnis und ihr protestantisches Profil

Die Evangelischen Kirchen wissen sich mit den anderen christlichen Kirchen einig, dass die soziale Verantwortung dem Grund des Glaubens selbst ent-springt. „Weil Gott sich in Jesus Christus durch den Heiligen Geist liebevoll der Welt zuwendet, gehört es zum Wesen christlichen Glaubens, der Welt und den Menschen in ihren konkreten Nöten zugewandt zu sein.“ (Sozialwort des Öku-menischen Rates der Kirchen in Österreich, 2003)

Im ökumenischen Geist der versöhnten Verschiedenheit haben die christlichen Kirchen unterschiedliche Schwerpunkte in der Tradition der sozialen Arbeit. Während etwa die römisch­katholische Tradition ihre spezifischen Stärken in der Armutsbekämpfung hatte, betonte die evangelische Diakonie die soziale Verant-wortung aus der Freiheit, die uns durch den Glauben geschenkt ist. Dadurch rückt die Entwicklung und Förderung des Einzelnen in den Fokus der Aufmerk-samkeit für ein weitgehend selbstständiges Leben – unabhängig von den ihm oder ihr am Anfang des Lebens mitgegebenen Chancen und Möglichkeiten.

Die sozialen Traditionen der einzelnen christlichen Kirchen dienen heute nicht mehr der Unterscheidung, sondern werden als gegenseitige Lernfelder begriffen.

vi. orte der inklusion: teilhabe und ressourcen

Ziel diakonischen Handelns ist der Einsatz für ein menschenwürdiges Leben aller. Sie sollen an den Chancen und Möglichkeiten, die unsere Gesellschaft bietet, teilhaben können. Die Teilhabe aller gründet in der Würde des Men-schen, die nach christlichem Glauben in der Gottebenbildlichkeit gründet und in der Schöpfung, die allen geborgt und anvertraut ist. Eine gerechte Verteilung der Güter und die Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen erlauben es dem Einzelnen, seine Freiheit verantwortlich leben zu können. Ein Mangel an Res-sourcen, seien es materielle Ressourcen oder der Zugang zu Bildung oder Partizipationsprozessen, schließt von der Teilhabe aus und schränkt Entfal-tungschancen ein. Kirche und Diakonie bieten vielfältige Möglichkeiten der Teilhabe.

ThemenSpezial 13

„Was wollen die Bewohner_innen,

dass Macondo ist? Wie wollen sie diesen ihren LebensRaum,

wie wollen sie ihr Zusammenleben und wie wollen sie über die

Grenzen dieses Stadtteils hinaus aktiv und gemeinsam

Gesellschaft mitgestalten?

“ Siehe S. 10

„Im Gespräch mit Gemeinden

wird die diakonische Dimension von Gemeinde im Horizont konkreten

Handelns deutlich gemacht.

“ Siehe S. 16

Evangelische Pfarrgemeinden tragen die Möglichkeiten zur Inklusion in sich. Pfarrgemeinden sind Orte, die Gemeinschaft möglich machen – über die Vertre-tung einzelner Interessen hinaus. Im Gottesdienst und in der Gemeinde finden Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft einen gemeinsamen Ort, der auch allen Teilhabe und Mitbestimmungsmöglichkeiten bietet. Dieses Potenzial der Offenheit und Inklusion gilt es zu nutzen und auszubauen. Bauliche, ideolo-gische oder aus der Tradition überkommene Barrieren gilt es abzubauen.

vii. inklusion als Strukturprinzip evangelischer praxis

Diakonische Einrichtungen und Pfarrgemeinden sind Orte, die für Bildung und Erziehung, beim Altern, bei Pflegebedürftigkeit und Behinderung, in Armut und sozialen Krisen, bei Krankheit und Sucht, nach Straffälligkeit, auf der Flucht und bei Katastrophen Räume und Unterstützungsmöglichkeiten anbieten. Menschen in jeder Lebensphase werden eingeladen, befähigt und ermächtigt, ihr Leben selbst zu verantworten und für sich selbst zu sprechen. Wo Men-schen aus Mangel an Ressourcen oder Möglichkeiten behindert werden, am Leben in Fülle teilzuhaben, unterstützen Kirche und Diakonie, diese Barrieren zu überwinden. Innerhalb kirchlicher Gemeinden und Einrichtungen wird da-rauf geachtet, Teilhabe und Inklusion zum Strukturprinzip kirchlicher Praxis werden zu lassen.

Dabei geht es nicht darum, dass christliche Gemeinschaft sich als Sammlung der Starken begreift, die Schwache zu integrieren habe, vielmehr sind alle Eingeladenen Jesu Christi, der alle zu sich ruft: „Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen! Und ich werde euch Ruhe geben.“ (Matth.11, 28 nach ELB 2008)

Christinnen und Christen sind mit all ihren Stärken und Schwächen gerufen. Kirche als inklusive Gemeinschaft lebt aus Christus und den Stärken und Res-sourcen, die den Schwachen geschenkt sind. (2. Kor. 12, 9)

viii. Diakonie ist organisierte Nächstenliebe

Neben dem spontanen helfenden Handeln Einzelner ist jede Form diakoni-scher Tätigkeit organisiert. Sie bedarf mitgebrachter und erworbener Kompe-tenzen. Sowohl in der hauptamtlichen wie ehrenamtlichen diakonischen Ar-beit besteht Bedarf nach qualitätsvoller Aus- und Fortbildung. Sie ist nach Maßgabe der Möglichkeiten von den einzelnen Einrichtungen anzubieten.

Bei alldem ist besonders auf die Qualität menschlicher Zuwendung sowie auf die personellen, zeitlichen und finanziellen Ressourcen zu achten.

An Bedeutung können gemeinschaftlich organisierte nahe Formen des Helfens gewinnen, die haupt- und ehrenamtlich getragen werden.

iX. Hilfe unter protest: Gerechtigkeit und sozialer ausgleich

Diakonie wendet sich in besonderer Weise jenen Bereichen von Not zu, die vom Netz öffentlicher sozialer Einrichtungen nicht entsprechend wahrgenom-men werden.

14 ThemenSpezial

„Warum brauchen Leute, die eh

nichts haben, einen Theaterbesuch, Tanz oder Kino? Da geht’s doch um Wohnung, Job und Einkommen: Das

ist auf jeden Fall am wichtigsten, aber bekanntlich lebt der Mensch nicht

vom Brot allein.

„Mitmenschlichkeit ungeachtet

des Herkommens soll für uns kein Lippenbekenntnis sein und sich nicht

in frommen Sprüchen – sondern in Taten! – zu erkennen geben.

Siehe S. 8

teilnehmer bei elongó Siehe S. 20

Diakonisches Handeln ist immer auch Protest, weil es Not lindert und zugleich nach Veränderung der Bedingungen ruft, die die Not verursachen.

Wir halten fest, dass die soziale Aufgabe grundsätzlich Bestandteil der res pub-lica, unserer gemeinsamen gesellschaftlichen Sache ist. Die Wahrnehmung dia-konischer Aufgaben ist heute weitgehend nur in enger Kooperation mit der öffentlichen Hand möglich. Diakonie mischt sich ein, um Fehlentwicklungen zu korrigieren, und arbeitet aktiv an der Verbesserung des Sozialstaates mit.

Gerade darum beobachten wir mit Sorge die Entwicklungen der Kommerzia-lisierung der sozialen Dienstleistungen sowie den schleichenden Abbau des So-zialstaates. Es fehlt nicht an Gütern und Vermögen, um Armut und Ausgrenzung wirksam bekämpfen zu können, sondern sie sind ungleich verteilt. Die Kommer-zialisierung sozialer Dienstleistungen schließt gerade die aus, die der Hilfe am dringendsten bedürfen. Die ungerechte Vermögensverteilung führt zu einer Spal-tung der Gesellschaft, die neben sozialen Spannungen auch die Gefahr der Destabilisierung einer demokratisch organisierten Gesellschaft in sich trägt.

Ziel diakonischen Handelns ist eine inklusive und gerechte Gesellschaft. Dazu muss die Kirche Verbündete suchen. Sie wird Lösungen nicht alleine verwirkli-chen können. Ihr Auftrag, für Gerechtigkeit und Inklusion einzutreten, bleibt unaufgebbar.

X. Diakonie in der „einen welt“

Evangelische Christinnen und Christen verstehen sich als Teil einer weltweiten Gemeinschaft. Diakonie und soziale Verantwortung können deshalb nie los-gelöst von der Verantwortung für die „Eine Welt“ gesehen werden, in der wir unseren Glauben leben. Ungeteilte Aufmerksamkeit gilt sowohl den Menschen, die ihr Heil nur mehr in der Flucht aus ihren Heimatländern erkennen können, als auch denen, die in den Ländern des Südens unserer partnerschaftlichen Unterstützung bedürfen. Diese Verantwortung stellt ebenso unseren Umgang mit Gütern in Frage.

Ziel diakonischer Arbeit mit Flüchtlingen oder in der Entwicklungszusam-menarbeit und Katastrophenhilfe ist es, den Menschen materielle Teilhabe und selbstbestimmte Partizipation an den gesellschaftlichen Prozessen zu ermögli-chen. Sofern Christinnen und Christen in unseren Gemeinden und in unserer Kirche Heimat suchen und finden, werden sich unsere Strukturen verän­ derungsbereit zeigen müssen.

Xi. Diakonie ist missionarische kirche

Indem die Kirche in ihrem diakonischen Handeln dem Menschen treu bleibt, macht sie das Evangelium von Gottes Menschenliebe glaubwürdig. Insofern ist diakonische Kirche immer auch missionarische Kirche. (Erklärung der Ge-neralsynode 2009: Die Evangelischen Kirchen in Österreich als missionarische Kirchen, Pt 6.1.)

ThemenSpezial 15

D ie Bewohnerservice-Stellen sind Gemein-schaftsorte, wo die Türen immer offen stehen,

wo man die Menschen kennt und wo man mit sei-nen Problemen gehört wird – mitten in der Stadt. Drei der insgesamt fünf Bewohnerservice-Stellen in der Stadt Salzburg betreut das Diakoniewerk Salz-burg. Neun Mitarbeiter_innen leisten seit über zehn Jahren professionelle Gemeinwesenarbeit. Die Be-wohnerservice-Stellen bieten die Möglichkeit, sich bei der Gestaltung ihres Stadtteils zu engagieren, Bekannte zu treffen, Hilfe zu bekommen und Neues zu lernen. Zugleich bieten sie Personen, die Deutschkurse, Sportaktivitäten etc. veranstalten wollen, Räumlichkeiten und Infrastruktur; oder z. B. einen unentgeltlichen Besuchsdienst.

Die Arbeit der Bewohnerservice-Stellen basiert auf drei Säulen:

raum für GesprächBewohner_innen der Umgebung finden beim Be-wohnerservice die Möglichkeit, ihre Anliegen zu schildern und sich Hilfe zu holen. Unbürokra-tische Hilfe ist ein großes Anliegen. Dieses Ange-bot nützen z. B. alte Menschen, die mit der Bewäl-tigung des Alltags nicht mehr zurechtkommen.

raum für initiativeDurch die vielen direkten Gespräche sind die Ser-vicestellen auch „Seismografen“ für soziale Themen in der Stadt. Die Mitarbeiter_innen wis-sen, was die Menschen beschäftigt. Daher wurde das Bewohnerservice Gnigl & Schallmoos vom Stadtplanungsamt eingeladen, sich bei der Neu-gestaltung von Flächen in Bahnhofsnähe zu beteiligen und dadurch den unterschiedlichen An-liegen der Bewohner_innen Gehör zu verschaffen.

Die enge Zusammenarbeit mit anderen Vereinen, Netzwerken, Pfarrgemeinden und der Stadt Salz-burg macht die Bewohnerservice-Stellen auch zu einer wichtigen Drehscheibe. In den regelmäßig er-scheinenden Zeitungen wird über die Angebote, die im Stadtteil vorhanden sind, berichtet.

raum für begegnungMit Gemeinschaftsfrühstück, Schreibwerkstätten, Sprachkursen, Sportveranstaltungen u. v. m. fin­den sich Angebote für jede und jeden. Die Ange-bote richten sich nach den Bedürfnissen ihrer Be-sucher_innen. Das Bewohnerservice Aigen & Parsch wird z. B. von Müttern und Kindern mit Migrationshintergrund besucht. Für viele der Müt-ter ist es schwierig, ihren Kindern beim Lernen für die Schule zu helfen. Das Projekt „Lernbrücke – Netze im Stadtteil“ hilft ihnen dabei. So können sich Kinder etwa vor Schularbeiten nach Anmel-dung Hilfe für die Schulaufgaben holen.

Wenn Kompromisse notwendig werden: Vermittlung und Anlaufstelle bei kleinen und großen Sorgen in Salzburg.

Das Dorf in der Stadt – Bewohnerservice-Stellen in Salzburg

www.diakoniewerk-salzburg.at

Diakoniewerk Salzburg

„Ziel diakonischen Handelns ist der

Einsatz für ein menschenwürdiges

Leben aller. Sie sollen an den Chancen

und Möglichkeiten, die unsere Gesell-

schaft bietet, teilhaben können.“

(Diakonie – Standortbestimmung und Herausforderung,

Fassung der Kommission 2013, Abs. VI)

16 ThemenSpezial

D ie Stadtdiakonie Linz arbeitet seit Herbst im Auftrag der Evangelischen Kirche Oberösterreich als Begleiterin der Ge-

meindediakonie. Im Gespräch mit Gemeinden wird die diakonische Dimension von Gemeinde im Horizont konkreten Handelns deutlich gemacht.

Die Bandbreite der Aktivitäten in diesem Projekt ist sehr groß: einen Gedankenaustausch unter Pfarrerinnen und Pfarrern zum Thema Diakonie moderieren, Gemeindeveranstaltungen zu Fragen der Diakonie organisieren, ein Projektteam für ein neues diakonisches Angebot in der Gemeinde be-

raten und begleiten, einen angestellten Mitarbeiter einer Pfarrgemeinde bei der Entwicklung seiner diakonischen Arbeit unterstützen.

Es hat sich klar gezeigt, dass mit diesem Pro-jekt bestehende diakonische Arbeit in den Ge-meinden gestärkt, aber auch Neues entwickelt und vertieft werden kann. Besonders ermutigend ist, dass in vielen Pfarrgemeinden diakonische Fragestellungen sehr lebendig sind und dass es in sehr vielen Fällen zuerst einmal darum geht, sich bewusst zu machen, was alles an diakonischem Handeln in einer Pfarrgemeinde bereits verankert ist, aber noch nicht so klar gesehen und von an-deren Zielen überlagert wird. Bei vielen Anfragen von Gemeinden geht es um die „Diakonie an der Pfarrhaustür“. Inputs seitens der Stadtdiakonie sind:1. Informationen über das soziale Hilfenetz in der

Region. 2. Tipps, wie das soziale Hilfenetz vor Ort ken-

nengelernt werden kann, das im Gemeinwesen vorhanden ist. Mit Menschen, die das soziale Netz vor Ort knüpfen, Absprachen treffen, was als eigener Beitrag sinnvoll sein könnte.

3. Vereinbarungen der Beteiligten (von Sekretär_in und Mitarbeiter_in bis Pfarrer_in), wie in ver-schiedenen Situationen gehandelt wird …

Die Zeittauschbörse ermöglichte ein Netz von Hilfe ohne Geld.

Gemeindediakonie in Oberösterreich. Aus einem Gespräch mit Georg Wagner, dem Leiter der Stadtdiakonie Linz.

Servus Nachbar!

ThemenSpezial 17

NachbarschaftshilfeIn Vöcklabruck gab es die ganz konkrete Anfrage, ein eigenes gemeindediakonisches Handlungs-feld aufzubauen. Hier ging es um die Begleitung und Organisation der Projektentwicklung bis hin zum fertigen Projekt „Servus Nachbar – die evan-gelische Nachbarschaftshilfe“. Es wurden zwölf ehrenamtliche Mitarbeiter_innen gefunden, die Hilfe beim Abholen von Rezepten und kleinere Fahrdienste anbieten oder auch Demenzerkrank-ten vorlesen. Dieses Projekt wurde von den An-fängen bis heute „nachgehend“ begleitet.

trauerarbeit und SozialberatungIn Marchtrenk war bereits eine Person angestellt. Erste Konzepte sowie Anfragen der Stadtgemein-de waren schon vorhanden. Hier war es die Auf-gabe der Stadtdiakonie Linz, fachlicher Ansprech-partner in der Konzeptentwicklung und -umsetzung zu sein. Entstanden ist eine mode rierte Trauer-gruppe, die in Zusammenarbeit mit der Stadt-gemeinde (auch von ihr finanziell gefördert) geführt wird. Weiters gibt es ein begleitetes Team von Eh- renamtlichen, die kleinere Hilfen im Haushalt anbieten. Der Mitarbeiter ist – aufgrund seiner Pro-fession (Pro-mente-Wohnbegleitung im Rahmen psychosozialer Nachsorge) – in der Pfarrgemeinde auch für die Sozialberatung eingesetzt. Außerdem wurde von einem ehrenamtlichen Team die Betreu-ung der Kantine in der psychiatrischen Abteilung des Krankenhauses übernommen.

„radl“ – die zeittauschbörse „Radl“ war eine Zeittauschbörse – manchmal wurde sie auch „Talentetauschbörse“ genannt. Unsere Währung waren „Meter“. Im „Radl“ wurden Dienstleistungen von Rasenmähen, Com-putersupport über Kinderbetreuung bis hin zu Marmeladeeinkochen, Kuchenbacken oder Cater-ing „gehandelt“, nur eben ohne Geld. Die Stadt-diakonie erledigte für diesen Kreis, der sich vor allem aus Personen aus verschiedenen evange-lischen Pfarrgemeinden in Linz zusammensetzte, die Administration, d. h. die Buchhaltung der

„Meter“ und der Mitgliederkonten. Sie übernahm weiters die Organisation und Moderation der regelmäßigen Treffen.

In den Anfangsjahren ergänzte sich die Gruppe der Mitglieder sehr gut: Ältere, die Hilfe im Haus-halt oder beim Computer brauchten, und Junge, die Kinderbetreuung benötigten. Aus diesem Be-darf sind die Jungen in der Zwischenzeit jedoch herausgewachsen. Auch durch Abwanderung gab es Veränderungen, sprich: Verkleinerungen, in der Gruppe.

Aus diesem Grund wurde nach einer finalen Durststrecke die Gruppe geschlossen, weil es in Linz auch andere Angebote an Tauschbörsen gibt. Für viele Teilnehmer_innen war in unserem „Radl“ aber die persönliche Bekanntschaft der Trumpf. Die beschränkte Mitgliederzahl – ursprünglich ein Vorteil – erwies sich später als Nachteil. Dass Pro-jekte enden, ist aber eigentlich ein Merkmal jeder Arbeit, die sich an den Bedürfnissen des Gemein-wesens orientiert. Hier können Themen bzw. Auf-gabenfelder auch einmal zehn Jahre Anziehungs-kraft haben, dann aber an Aktualität verlieren, sodass es keinen Bedarf mehr an der Gruppe oder dem Projekt gibt.

„Kirche ist wesentlich diakonisch.

Sie hilft, Leben zu bewältigen.

Diakonie ist kein zusätzliches

Arbeitsfeld der Kirche.“

(Diakonie – Standortbestimmung und Herausforde-

rung, Fassung der Kommission 2013, Abs. I)

stadtdiakonie-linz.diakonie.at

Stadtdiakonie linz

18 ThemenSpezial

D as Albert Schweitzer Haus ist ein altes Haus mit Geschichte. Das ursprüngliche Gebäude wurde bereits 1633 als

Klosterkirche der Benediktiner von Montserrat des Schwarzspanierordens erbaut. Seit dieser Zeit hat das Haus viele Wandlungen durch-gemacht – Wandlungen architektonischer Art, aber auch Veränderungen seiner Nutzung.

Nachdem das Gebäude einige Male völlig zer-stört worden war und wieder aufgebaut hatte werden müssen, trug man 1964 das gesamte Kirchenschiff ab und errichtete hinter der barocken Fassade ein Gebäude, das bis heute als modernes Studierendenheim, Veranstaltungsort und Büroge-bäude dient. 1966 beherbergte das Haus erstmals Studie rende und sorgte damit für Aufruhr: Im da-mals ersten Wiener Studierendenheim wohnten Männer UND Frauen mit verschiedenen Konfes-sionen unter einem Dach.

Das Albert Schweitzer Haus bietet Platz für unterschiedliche Menschen und Ansprüche. An diesem Anliegen orientiert sich das Haus bereits seit vielen Jahrzehnten.

Das Albert Schweitzer Haus in der Schwarzspanierstraße.

ein Haus für viele im Herzen Wiens

ThemenSpezial 19

wohnen, arbeiten und tanzenHeute ist das Haus Heimat von Studierenden aus über 30 Nationen. Das Haus bietet barrierefreien Zugang und barrierefreie Wohneinheiten, die an Menschen mit Behinderung vergeben werden. Die Studierenden teilen geräumige Wohnküchen, Sport- und Übungsräume sowie eine große Terrasse über den Dächern Wiens. Sie vertreten ihre Anliegen im Haus durch die sogenannte

„Heimvertretung“. Kurzfristig stellt das Albert Schweitzer Haus

auch Zimmer für Asylwerber_innen zur Verfügung.Nachbarn dieser Bewohner_innen sind unter-schiedliche Organisationen, die im Haus unterge-bracht sind: B die Diakonie ÖsterreichB die Evangelische AkademieB Life Tool Wien (Beratungsstelle für computer­

unterstützte Kommunikation)B die Geschäftsstelle des Diakoniewerks Gallneu-

kirchen, Region WienB die Evangelische Hochschulgemeinde

Im Erdgeschoß befindet sich Albert’s Café­Lounge, ein Restaurant, das zu einem Veranstal-tungsort umfunktioniert werden kann, während der Restaurantbetrieb weiterläuft. Hier und in den

anderen Seminarräumen im Haus finden wissen-schaftliche Tagungen, Betriebsklausuren ver-schiedener Firmen, Diskussionsveranstaltungen von NGOs und vieles mehr statt Auch für kulturelle Veranstaltungen gibt es Platz: In der Café­Lounge wird regelmäßig Tango getanzt und Künstler_in-nen können ihre Werke ausstellen. Das Albert Schweitzer Haus ist außerdem Partner des Ver-eins DanceAbility, der hier einmal im Monat Dance-Battles veranstaltet.

DanceabilityDanceAbility ist ein Verein, der Kurse und Tanz-Workshops anbietet. Zugleich ist DanceAbility eine besondere Art zu tanzen, ein Interpretations-tanz. Der Tanz ist offen für Menschen mit unter-schiedlichen Erfahrungen, Tänzer_innen und Nicht-Tänzer_innen, Menschen mit und ohne Be-hinderung u. v. m. Gleichheit, Respekt und die eigene Art, sich zu bewegen, stehen im Mittel-punkt von DanceAbility. Dem soll in geschütztem Rahmen Ausdruck verliehen werden.

„Ziel diakonischen Handelns ist eine inklusive

und gerechte Gesellschaft. Dazu muss die

Kirche Verbündete suchen.“

(Diakonie – Standortbestimmung und Herausforderung, Fassung der

Kommission 2013, Abs. IX)

Gleichheit, Respekt und die individuelle Ausdrucksform stehen im Mittelpunkt der DanceAbility-Tanz-Workshops.

albert Schweitzer Haus | Danceabilityträger des Hauses: Diakoniewerk und evan-gelischer verein für Studentenheime wien

www.albert-schweitzer-haus.at www.danceability.atwww.diakoniewerk.at

20 ThemenSpezial

D as Projekt Elongó vom Diakonie Flüchtlings-dienst bietet Familien bzw. Personen mit

Fluchthintergrund die Möglichkeit, Kontakte und Anschluss zu Menschen aus unserer Gesellschaft zu finden. Damit soll ihnen der Start in ihre neue Zukunft erleichtert werden. Zugleich bietet es Ös-terreichern und Österreicherinnen die Möglichkeit, mehr über Menschen mit Fluchthintergrund zu er-fahren – und damit eine Grundlage für gegenseiti-ges Verständnis zu bereiten.

Freiwillige integrationsbuddysWie kann man Menschen am besten dabei unter-stützen, sich in einem neuen Land zurechtzufin­den? Man hilft ihnen, die neuen Herausforderun-gen zwischen Bürokratie und Freizeitangeboten selbst zu meistern. Den Familien bzw. Personen, die am Programm teilnehmen, werden Buddys zur Seite gestellt, die sie mit der österreichischen Ge-sellschaft vertraut machen, die für sie Ansprech-personen bei Alltagsfragen sind, mit ihnen

Deutsch üben oder sich Zeit für gemeinsame Frei-zeitaktivitäten nehmen.

Ein weiteres Angebot der Diakonie ist das Frau-encafé, in dessen Rahmen Frauen mit Fluchthinter-grund und ihre weiblichen Buddys an Veranstaltun-gen teilnehmen können, Informationen zu bestimm-ten Themen erhalten und sich austauschen können.Auch die Buddys erhalten gezielte Unterstützung von

Elongó: Sie haben die Möglichkeit, an Schulungen zu Themen wie Asyl und Trauma teilzunehmen, um mit den Anliegen der Flüchtlinge besser umge-hen zu können.

Flüchtlinge als role modelsElongó unterstützt Flüchtlinge, ihre Vorhaben aktiv in die Tat umzusetzen. So wurde in der Vergan-genheit z. B. bei der Gründung eines Kulturvereins oder bei der Organisation eines persischen Neu-jahrsfestes mit über 100 Gästen beraten. Auch werden Menschen mit Fluchthintergrund als Re-ferenten und Referentinnen bzw. Experten und Expertinnen bei Schulungen und Veranstaltungen eingesetzt. Flüchtlingen soll durch Vorbilder Mut gemacht werden, ihre Vorhaben selbst durch-zuführen. Angehende Polizisten und Polizistinnen, Sozial arbeiter_innen sowie Schüler_innen von Hauptschulen haben vom Bildungsangebot von Elongó profitiert: Schulungen zum Thema Asyl bzw. zur Lebenssituation von Flüchtlingen sollen die Zusammenarbeit mit Menschen mit Flucht-hintergrund erleichtern.

party togetherMit Veranstaltungen und Festen möchte Elongó einen zwanglosen Rahmen bieten, in dem Men-schen mit und ohne Fluchthintergrund einander begegnen. Bei einem Integrationsfußballturnier spielten etwa Menschen aus Flüchtlingspen-sionen, der Polizei, von Radio NÖ, vom lokalen Fußballverein Sturm 19 und viele andere mitein-ander.

„Ziel diakonischer Arbeit mit

Flüchtlingen oder in der Entwick-

lungszusammenarbeit und Katas-

trophenhilfe ist es, den Menschen

materielle Teilhabe und selbst-

bestimmte Partizipation an den

gesellschaftlichen Prozessen zu

ermöglichen.“

(Diakonie – Standortbestimmung und Herausforde-

rung, Fassung der Kommission 2013, Abs. X)

fluechtlingsdienst.diakonie.at

elongó, Diakonie Flüchtlingsdienst

Gemeinwesen- orientierte IntegrationDer Diakonie Flüchtlingsdienst in St. Pölten bringt Menschen mit Fluchthintergrund und Menschen aus Österreich miteinander ins Gespräch.

Beim Buddy-Programm von Elongó entstehen Freundschaften.

ThemenSpezial 21

F rau U. ist pensionierte Ärztin und lebt seit ei-nigen Jahren alleine in ihrem großen Haus in

Innsbruck. Die täglichen Arbeiten wie Putzen, Gartenarbeit und Einkaufen fallen ihr nicht mehr so leicht. Yildiz studiert Pädagogik und ist auf der Suche nach einem leistbaren Zimmer – in Inns-bruck keine leichte Aufgabe. Yildiz hätte auch nichts dagegen, ihren Wohnraum mit jemandem zu teilen. Beide haben also etwas, das sie zur Ver-fügung stellen können: Frau U. den Wohnraum und Geschichten aus ihrem Leben, Yildiz ihre Hilfe bei anfallenden Arbeiten und ihre Gesellschaft.

Dieser Ausgangspunkt ist der Grundgedanke von Renate Gabriel, Leiterin des Diakonischen Vereins Tirol. Sie vermittelt „Wohnen für Hilfe“: Wer Wohnraum zu bieten hat und Hilfe braucht, lässt jemanden bei sich wohnen, der/die diese Hilfe bieten kann und Wohnraum benötigt.

„Jeder Mensch hat etwas zu geben und kann damit vielleicht den Bedarf von jemandem an-deren decken“, so Gabriel. „Wir dürfen an Men-schen nicht nur ihre Defizite sehen, sondern müs-sen ihre Ressourcen erkennen. Wenn zwei Menschen sich gegenseitig etwas zu geben ha-ben, können sie mit Respekt zusammenleben. Das ist dann wirkliche Solidarität.“

eine Frage der vereinbarung„Wohnen für Hilfe“ ist eine Idee, die in verschiede-nen Ländern angeboten wird. In Tirol ist die Diako-nie die einzige Vermittlerin dieser Wohngemein-schaften. Renate Gabriel bringt Interessierte zusammen und unterstützt sie dabei, gemeinsam die Rahmenbedingungen abzuklären. Als Faust-regel gilt: Pro m2 Wohnfläche soll eine Arbeits­

stunde im Monat geleistet werden. Will der/die Mieter_in weniger arbeiten oder gibt es weniger zu tun, ist auch eine reduzierte Miete gegen Mitar-beit nach Bedarf möglich. „Grundsätzlich müssen beide das Gefühl haben, dass sie einen Gegen-wert für das erhalten, was sie geben“, erklärt Ga-briel. Sie steht auch bereits bestehenden Wohnge-meinschaften beratend zur Seite.

Familienmitglied auf zeitDas Interesse an „Wohnen für Hilfe“ ist besonders unter jungen Menschen sehr hoch. Renate Gabriel vernetzt das Angebot regelmäßig mit dem Stu-dierendenwohnheim der Diakonie in Innsbruck. Wohn raumanbieter_innen hingegen sind eher zu-rückhaltend. Um sie wirbt Renate Gabriel in Pfarrge-meinden und in Zeitun-gen. „Viele sind miss-trauisch und wollen nicht jemanden Fremden zu sich nehmen. Ich ver-suche durch persönlichen Kontakt, dieser Skepsis entgegenzuwirken und zu zeigen, dass es nicht darum geht, eine unpersön-liche Abmachung zu treffen. Denn eigentlich ist es so, als würde man ein Familienmitglied auf Zeit zu sich nehmen.“

„Christen teilen Freude und Leid,

Hoffnung und Angst und erfahren

Zuspruch und Vergebung; sie neh-

men Anteil an Armut und Unter-

drückung, an Krankheit und Not

und kümmern sich umeinander in

allen Lebensbezügen.“

(Diakonie – Standortbestimmung und Herausforde-

rung, Fassung der Kommission 2013, Abs. II)

Gemeinwesen- orientierte Integration

www.diakonie-tirol.at

wohnen für Hilfe, Diakonischer verein tirol

Gemeinsam wohnen und lebenWohnplatz gegen Hilfe im Alltag: Das ist das Konzept des Projekts „Wohnen für Hilfe“, das besondere Wohngemeinschaften zusammen-bringt und begleitet.

22 ThemenSpezial

D er 5. Juli 2011 bedeutete für eine kleine Gruppe den Startschuss für das „Jahr der

Diakonie“ 2013 in den evangelischen Kirchen. Michael Chalupka von der „Diakonie Österreich“, Hansjörg Lein und Erna Moder vom „Ausschuss für Diakonie und soziale Fragen“ der Generalsyn-ode und Karl Schiefermair von der Kirchenleitung legten die ersten Themen und Absichten dieses Jahres fest: B ein Sonntagstermin, an dem österreichweit die

Gottesdienste ein Thema habenB Gemeindefeste zusammen mit sozialen Ein-

richtungen B Einrichtung von Gemeinde- und Diözesan-Dia-

koniebeauftragtenB Überarbeitung des sog. „Diakoniepapiers“ der

Generalsynode von 1997B eine Mappe mit „Best practice“-Beispielen von

diakonischer Arbeit in PfarrgemeindenB Schärfung des „Community-Aspekts“ und B ein lustvoller, unverkrampfter Zugang zu den

Themen dieses Jahres!

Seit dieser ersten Planungssitzung hat sich manches verändert, vieles ist dazugekommen, aber dieser zunächst geplanten Linie ist man doch treu geblieben. Nach einem halben Jahr dieser Schwerpunktsetzung kann man ein kleines Resü-mee ziehen. Mein Eindruck ist: Das Thema ist in den Pfarrgemeinden gut gelandet. Es ist ja auch kein „fremdes“ Thema, sondern eines, das aus dem Inneren des Glaubens kommt. Ein Blick in die Gemeindezeitungen beweist, dass das Thema zwar unterschiedlich, aber fast überall aufgegriffen wurde. Eine interessante Frage ist, wie sich die ein-zelnen Gruppen in einer Pfarrgemeinde dem The-ma nähern. Ist der „Diakoniekreis“ wieder der Ein-zige, der sich dem Schwerpunkt widmet? Tragen alle Gruppen etwas bei, z. B. auch die Jugend- und Kindergottesdienst-Arbeit? Werden die Projekte, die etwa in Marchtrenk, Innsbruck, Wien-Do-naustadt, St. Aegyd an der Traisen und anderswo gestartet worden sind, nachhaltig sein? Wird die Zusammenarbeit mit den Trägern professioneller diakonischer Arbeit gesucht und/oder ausgebaut?

Eine wichtige Funktion in diesem Jahr hatte nach meiner Beobachtung der österreichweite Themengottesdienst am 14. April, der auch flächen-deckend gefeiert wurde – mit großartigen Ideen der Gestaltung dieses Tages sowie der Zeit davor und danach (siehe diakonie2013.at/aktivitaeten/diako-niesonntag): Benefizsuppenessen, Legostadtbau für jede und für jeden, Generationenfest, Konfi­Gottesdienst zu Matth. 25, Asylwerber_innendis-kussionen, Austeilen von Grundversorgungs- paketen ... Schon allein diese kleine Aufzählung be-weist, wie ideenreich und vielfältig die diakonische Arbeit der Pfarrgemeinden schon jetzt ist.

Als genauso wichtig hat sich die Homepage www.diakonie2013.at erwiesen. Sie informiert über die Aktivitäten dieses Jahres und erfreut sich unerwartet hoher Zugriffszahlen. Die „besten Beispiele“ diakonischer Arbeit werden auf dieser wie auch auf der Homepage der Diakonie Öster-reich vorgestellt.

Gesamtkirchliche Impulse setzten zusätzlich bis in den Sommer hinein die Auseinandersetzun-gen auf der Generalsynode über die von der

„Kommission für Diakonie und soziale Fragen“ vorgelegten Grundsatzerklärung, die zunächst mit einer Vertagung der Entscheidung darüber endete. Damit ist die inhaltliche Diskussion erst eröffnet worden. Sie wird sich fortsetzen (vgl. den Beitrag auf S. 2). Einen weiteren kräftigen Impuls setzte die gesamtösterreichische Pfarrer_innenkonfe-renz in Mürzzuschlag (Bericht auf: http://diako-nie2013.at/das-war-die-pfarrerinnentagung-2013/). Die Teilnehmer_innen wurden sich wohl zumin-dest der Vernetzungsnotwendigkeit und -pro-blematik bewusst. Hier liegt für die soziale Arbeit der Pfarrgemeinden das stärkste Potenzial.

Was kann ein „Schwerpunktthema“ auf dem Weg zum Reformationsjubiläum in der Kirche zusätzlich erreichen? Das nach langen Diskus-sionen gefundene Motto des Schwerpunktjahres,

„... dass es zu einem Ausgleich komme (2. Kor. 8,13b): zugewandt – solidarisch – vernetzt“, bringt zum Ausdruck, worum es geht: dass sich im Ge-meinwesen die Pfarrgemeinde als solide bei der Bewältigung der Aufgaben erweist, die der Nah-

Seit der ersten Planungssitzung für das Jahr der Diakonie 2013 vor über einem Jahr hat sich viel getan. Zeit für ein Zwischenresümee.

Das Jahr der Diakonie 2013 – eine Zwischenbilanz

ThemenSpezial 23

raum uns als Einzelnen und als Gemeinschaft stellt. Auch dieses Motto hat sich als impuls- gebend herausgestellt, zuletzt predigte dazu Bis-chof Bünker beim 25. Jahresfest des „Häferl“ in Wien-Gumpendorf (diakonie2013.at/shaeferl-ist-25).

was braucht es noch?Über die Nachhaltigkeit von „Schwerpunktjahren“ kann man sich zu Recht Gedanken machen. Damit das Thema „Diakonie“ nicht nur einmal im Jahr für einen Gottesdienst, einmal für einen Bericht in der Gemeindezeitung, für eine Pfarrer_innenkonferenz, einen Reformationsempfang aufgegriffen wird, be-darf es sicherer Strukturen, die gewährleisten, dass nachhaltig auf allen Ebenen der Kirche „dia-konisch“ gedacht und gearbeitet wird.

Zwei Formen sind es vor allem, die Halt und Struktur nach innen geben sollen: Die „Diakonie-beauftragten“ in Gemeinden und Diözesen sollen Anlauf-, Informations- und Koordinierungsstelle für alle diakonischen Aktivitäten sein. Sie unter-stützen die freiwilligen Mitarbeiter_innen, sorgen ggf. für Fortbildungen und halten insgesamt die Motivation für soziales Engagement hoch!

Der „Diakoniepreis“ unserer Kirche, der jedes Jahr ausgeschrieben wird, will die Kreativität und den Mut stärken, soziale Probleme mit innovativen Konzepten zu bearbeiten. Die Projekte sollen in die Sozialstrukturen vor Ort eingebettet sein und mit kirchlichen und öffentlichen Partnern gestaltet werden. Darüber hinaus sollte die Zusammenar-beit aller evangelischen Kirchen – wie in diesem Jahr vorbildhaft geschehen – in diesen Fragen un-bedingt fortgesetzt und die Kooperationen mit den professionellen diakonischen Einrichtungen verstärkt werden.

Der Weg zu einer „diakonischen Kultur“ in un-serer evangelischen Kirche ist vorgezeichnet; es gilt, ihn auch zu beschreiten – unverkrampft, soli-darisch, vernetzt und jenen zugewandt, die „auf dem Weg liegen“ (Luk. 10, 29ff).

OKR Prof. Mag. Karl Schiefermair, in der Kirchen-leitung u. a. zuständig für alle Bildungsbereiche, Religionsunterricht, Diakonie und Seelsorge

In der Nächsten Nähe

an die Gemeinschaft der Heiligen, egal woher sie kommen.

Ich glaube,

zugew

andt

– so

lidar

isch

– vernetzt

„...dass es zu einem

Ausgleich komme“(2. Kor. 8)

Evangelische

Kirche

2013Jahr

www.diakonie.at