In jener stillen Nacht - 9783865919953

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Stille Nacht, heilige Nacht? Still ist die Weihnachtszeit oft nicht. Für viele ist es wahrscheinlich sogar die hektischste Zeit im ganzen Jahr. Kennen Sie das? Gedanklich sind Sie voll und ganz mit den Planungen für die Weihnachtsfeier und den Heiligen Abend im Kreise der Familie beschäftigt. Dabei gerät oft in Vergessenheit, was wir an Weihnachten eigentlich feiern: das größte Wunder aller Zeiten. Jesus Christus, der Sohn Gottes, kam als Mensch auf diese Welt! Auch heute noch geschehen Wunder um uns herum. Die 14 wahren Geschichten in diesem Buch sind der beste Beweis dafür.

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Inhalt

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

In jener stillen Nacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Eine helfende Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Die schönste Zeit des Jahres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

Jessicas Geschenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

Eine Hand vom Himmel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

Weihnachten zu Hause . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

Ein Geschenk für Noel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

Der erste Weihnachtsfeiertag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

Ein unerwartetes Weihnachtspäckchen . . . . . . . . . . 106

Weihnachtsengel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

Die heilige Hand Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

Seine unergründlichen Wege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

Weihnachtsrosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

Vom Himmel gesandte Hindernisse . . . . . . . . . . . . . 163

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Ei n leitung

Ich liebe Weihnachten – einfach alles, was damit zusam-menhängt.

Der Dezember zieht ein mit den weihnachtlichen Klängen von „Joy to the World“ (dt.: „Freue dich, Welt“), begleitet von all den dazugehörigen Traditionen: blin-kende Lichter, Weihnachtsmärkte, rote und grüne Bän-der und festlich aussehende Päckchen, die sorgfältig un-ter den Weihnachtsbaum gelegt werden.

Weihnachten ist auch die Zeit, in der wir uns immer wieder über den Verlauf unseres Lebens hier auf dieser Erde Gedanken machen. Jedes Jahr im Dezember können wir staunend darauf zurückblicken, wie Gott uns geführt hat, und uns bewusst machen, wie wenig Kontrolle wir über die Ereignisse haben, die das vergangene Jahr ge-prägt haben. Dann blicken wir mit freudigem Herzen auf das Fest in dieser stillen, heiligen Nacht, das uns so viel Sicherheit gibt. Weihnachten erinnert uns daran: Christus

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wurde für uns geboren. Er ist Liebe, und die Pläne, die er für uns hat, übertreffen immer unsere eigenen.

Mit jedem Jahr, das vorübergeht, verstehe ich das bes-ser.

Letztes Jahr ging ich einen Tag nach dem Erntedank-fest mit meiner Schwester durch eine Einkaufsstraße. Wir befanden uns mitten in einem Gewühl von Men-schenmassen, die schon lange vor Sonnenaufgang auf Schnäppchenjagd waren. Während wir uns unseren Weg durch die Menge bahnten, war ich, wie in jedem Jahr, be-troffen darüber, wie geschäftig wir durch diese Zeit ei-len. Auf der verzweifelten Suche nach Schnäppchen, nach dem passenden Geschenk zu einem angemessenen Preis sind wir oft so beschäftigt, dass wir kaum den blecher-nen Klang der Lautsprecher aus den Geschäften wahr-nehmen, die uns „Stille Nacht, heilige Nacht“ vorspielen und dabei „himmlische Ruh’“ versprechen.

Leider wird unser Leben oft von einer inneren Hast und Eile bestimmt und wir lassen alle möglichen un-haltbaren Gründe dafür gelten. Vielleicht wäre es bes-ser, wenn wir unsere Zeit damit verbringen würden, die Wunder wahrzunehmen, die auf so unverkennbare Weise um uns herum geschehen. Besonders während der Weih-nachtszeit. Wunder erinnern uns daran, dass Gott uns liebt und dass er uns an diesem Weihnachtsfest vor vie-len Jahren das wertvollste Geschenk aller Zeiten machte. Seine Liebe hört nicht auf, er zeigt sie uns an jedem Tag – oft durch die Wunder, die er tut.

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Aus diesem Grund habe ich eine Sammlung von Weih-nachtswundern für Sie zusammengestellt. Alle Geschich-ten erzählen wahre Begebenheiten, wurden jedoch so verändert, dass die Privatsphäre der Personen, von denen sie handeln, gewahrt bleibt.

Jeder von uns braucht ein Wunder. Glücklicherweise gibt es Wundergeschichten in Hülle und Fülle. Wir müs-sen nur die Augen offen halten, damit wir sie sehen und erkennen können. Ich hoffe, dass Ihnen die Berichte in diesem Buch eine Hilfe sein werden und die Weihnachts-feiertage dadurch für Sie mehr an Bedeutung gewinnen. Vielleicht machen sie Ihnen Mut, dass Sie sich einem Menschen in Not zuwenden. Oder vielleicht geben sie Ih-nen Trost, wenn Sie vor Kurzem einen lieben Menschen verloren haben, um den Sie jetzt trauern.

Es ist schon erstaunlich, wie geschäftig wir heute un-seren Weihnachtsvorbereitungen nachgehen und wie we-nig Beachtung die Geburt Jesu damals vor 2000 Jahren bekam. In jener Nacht, an diesem ersten Weihnachtsfest, hatte nicht ein einziger Gastwirt Platz, um den König der Könige zu beherbergen. Sie alle verpassten das größte Wunder aller Zeiten!

Beobachten Sie dieses Jahr an Weihnachten einmal das Leben um sich herum. Halten Sie Ausschau nach den Wundern, die in dieser Zeit geschehen.

Ich bete dafür, dass alle, die so sorgfältig ihre Feiertags-vorbereitungen treffen, nicht an dem eigentlichen An-lass dieses Festes vorbeisehen. Egal, wie ausgefüllt unser

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Leben ist, ich hoffe, dass wir trotzdem noch Raum in un-seren Herzen haben, um auf den zu sehen, dessen Geburt die Welt für immer verändert hat. Auf den Einen, der auch heute noch Weihnachtswunder unter uns vollbringt.

Wenn auch Sie ein Wunder erlebt haben – egal, ob an Weihnachten oder zu einem anderen Zeitpunkt  – und Sie mir davon erzählen möchten, oder wenn Sie mir ein-fach einen Gruß schicken möchten, schreiben Sie mir doch eine E-Mail an: [email protected]. Ich würde mich freuen, von Ihnen zu hören.

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In jener sti llen Nacht

Genau einen Monat vor Weihnachten bekam Katy An-derson die Mitteilung, dass ihre Mutter Krebs hatte und in ihrer Heimatstadt, eine Stunde außerhalb von Des Moines, Iowa, im Sterben lag. Katy war erst 21 Jahre alt, hatte vor Kurzem geheiratet und lebte zu dem Zeitpunkt, als sie die tragische Nachricht erhielt, mehrere Staaten von Iowa entfernt.

Ihre Mutter war erst 45, und, was noch schlimmer war, sie lebte allein und konnte sich nicht selbst versorgen.

„Ich kann Mama nicht alleine lassen, wenn sie stirbt.“ Tränen strömten über Katys Gesicht, als ihr Mann, Steve, sie umarmte. „Sie war immer für mich da. Jetzt ist die Zeit gekommen, wo ich für sie da sein muss.“

Obwohl das erste gemeinsame Weihnachtsfest der bei-den kurz bevorstand, plünderten sie ihre Ersparnisse und kratzten genug Geld zusammen, damit Katy nach Iowa fliegen konnte. Sie kaufte nur ein Hinflugticket.

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Am Flughafen küsste Steve sie zum Abschied und er schämte sich nicht der Tränen in seinen Augen. „Gott wird uns helfen, einen Weg zu finden, damit wir zusam-men sein können, Katy. Schließlich ist Weihnachten ein Fest der Wunder.“

Die Tage vergingen, und obwohl Katy wusste, dass ihre Mutter sich sehr über ihre Anwesenheit freute, war sie in-nerlich sehr aufgewühlt. Sie musste in dieser Zeit, in der ihre Mutter im Sterben lag, nicht nur stark sein, darüber hinaus musste sie das alles auch noch ohne die Liebe und Unterstützung von Steve durchstehen.

Eines Nachmittags nahm Katys Mutter ihre Hand. „Du vermisst ihn, nicht wahr? Flieg doch nach Hause, Schatz. Ich werde schon zurechtkommen. Ich hatte eine kleine Unterhaltung mit dem Herrn; er erwartet mich jeden Augenblick.“ Katy schüttelte den Kopf und lächelte, wäh-rend sie das schwermütige Gefühl ignorierte, das in ih-rem Herzen aufwallte. „Ich werde dich nicht allein lassen. Außerdem hat Steve gesagt, Weihnachten ist die Zeit der Wunder. Gott wird einen Weg finden, dass wir alle zu-sammen sein können.“

Zu Hause in Montana stand Steve am Sonntag vor Weihnachten im Gottesdienst seiner Gemeinde auf und bat die Anwesenden, für ihn zu beten. „Ich würde gerne bei Katy und ihrer Mutter sein können.“ Er legte eine Pause ein und blickte in die Augen seiner Freunde und Familienangehörigen, die alle der First-Central-Ge-meinde angehörten und die er schon jahrelang kannte.

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„Bitte betet dafür, dass Gott ein Wunder geschehen lässt und einen Weg findet, dass ich zu ihnen kann.“

Eine Autofahrt von Billings in Montana bis nach Iowa zum Haus von Katys Mutter dauerte fast drei Tage. Ob-wohl Steves Chef ihm fünf Tage Weihnachtsurlaub ge-nehmigt hatte, war die Zeit also nicht ausreichend, um die Strecke mit dem Auto zurückzulegen und auch noch Zeit mit Katy und ihrer Mutter zu verbringen. Drei Tage vor Weihnachten bekam Steve schließlich einen Anruf.

„Ich habe gehört, du könntest eine kleine Gebetserhö-rung gebrauchen.“ Es war Joe Isaacson, leitender Ange-stellter eines örtlichen Unternehmens und langjähriges Mitglied der First-Central-Gemeinde.

Joe war Besitzer einer zweisitzigen Cessna, in die er sich oft am Wochenende setzte, um zu entspannen. Er hatte geplant, am Mittwoch, den 23. Dezember, wieder einmal zu fliegen, und war gerne bereit, die Flugstrecke deutlich zu verlängern, falls Steve bis nach Iowa mitflie-gen wollte.

Besonders jetzt zur Weihnachtszeit.Steve zitterte vor Aufregung. Er bedankte sich bei

Joe, und sie vereinbarten einen Zeitpunkt, wann sie sich treffen wollten. Dann rief er Katy an, um ihr die Neuigkeit mitzuteilen. „Liebling, wir werden jetzt doch alle zusam-men sein. Ich wusste, dass Gott ein Wunder für uns voll-bringen würde, wenn wir ihn nur darum bitten würden.“

Am anderen Ende der Leitung war Katy ganz still. „Be-eil dich, Steve. Mama … Es geht ihr nicht gut.“

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Kleine Flugzeuge gehörten für Steve Anderson nicht unbedingt zu den vertrauenswürdigsten Transportmög-lichkeiten und sie waren für ihn erst recht kein Mittel zur Entspannung. Tatsächlich hatte er noch nie zuvor in einem Flugzeug gesessen. Er war immer davon aus-gegangen, wenn er überhaupt mal fliegen müsste, dann in einem Jumbojet. Aber die Gelegenheit, von Montana nach Iowa zu fliegen, um seine Frau an Weihnachten se-hen zu können, war zu reizvoll, um sie ungenutzt vorü-bergehen zu lassen.

„Es ist zwar ein kleines Flugzeug, aber es gleitet sanft durch die Lüfte“, erklärte ihm Joe einen Tag, bevor sie flogen. „Weißt du was? Du könntest doch mein Lotse sein!“ Steve fühlte, wie eine leichte Welle von Furcht sei-nen Körper durchströmte. Er schluckte seine Angst hi-nunter und räusperte sich.

„Ich habe noch nie Lotse gespielt“, sagte er mit einem Lachen. „Aber ich wäre sogar bereit, das Flugzeug selbst zu fliegen, wenn das bedeuten würde, dass ich an Weih-nachten bei meiner Frau sein kann.“

Am nächsten Tag traf sich Steve mit Joe auf einem kleinen Flughafen außerhalb der Stadt. Es war ein wun-derschöner Morgen, der Himmel war klar und es wa-ren keine Anzeichen von schlechtem Wetter zu erken-nen. Aus den Lautsprechern des Flughafens drangen die Klänge von „Stille Nacht, heilige Nacht“.

„Das Wetter ist wunderbar. Sieht so aus, als hätten wir für unseren Ausflug einen guten Tag erwischt“, sagte Joe,

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während er seinen Körper mit Leichtigkeit ins Cockpit schwang.

Steve begab sich in das winzige Flugzeug und flüsterte dabei leise, fast unbewusst, ein Gebet: Herr, geleite uns auf unserem Weg und bring uns sicher ans Ziel.

Während der ersten Stunde flog das Flugzeug ohne Schwierigkeiten durch den klaren Himmel, doch als sie die Hälfte der Wegstrecke hinter sich hatten, gerieten sie in dichten Nebel.

„Kein Problem“, meinte Joe und deutete durch die Frontscheibe. „Dort vorne kannst du die Lichter der Ra-dartürme durch den Nebel erkennen. Wenn wir unsere Augen auf sie gerichtet halten, wissen wir, wo wir sind. Außerdem haben wir Flugkarten an Bord. Es wird schon klappen.“

Eine Zeit lang sah es so aus, als ob Joe recht behalten sollte. Dann, als das Flugzeug gerade Pierre, South Da-kota, überflogen hatte, verdichtete sich der Nebel, sodass das Flugzeug völlig darin eingehüllt wurde und man ab-solut nichts mehr sehen konnte.

Fast zur selben Zeit fielen der Funkkontakt und die Instrumente aus. Nun war es nicht mehr möglich, den Spritverbrauch abzulesen, und sie hatten auch keinen Kontakt mehr zu den Leuten im Kontrollturm.

Steve war vielleicht unerfahren, was das Fliegen anging, aber er brauchte keinen Pilotenschein, um zu wissen, dass sie sich in tödlicher Gefahr befanden. Er dachte an seine Frau, und er begann, Gott anzuflehen, dass er überleben

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würde. Bitte, Gott, hilf uns, betete er leise mit geballten Fäusten. In seinem bleichen Gesicht spiegelte sich panische Angst wider. Bitte bring uns sicher hier durch.

In diesem Moment durchbrach das Flugzeug die Nebel-wand, und sie konnten einen kurzen Blick auf den Pierre-Municipal-Flughafen werfen, der genau unter ihnen lag. Joe manövrierte das Flugzeug durch die Wolkenöffnung hindurch – langsam hinunter auf die Landebahn zu.

„Gott sei Dank“, flüsterte Steve, als sie aus dem Flug-zeug stiegen und Joe begann, am Sicherungskasten he-rumzubasteln. Eine durchgebrannte Sicherung war die Ursache für den Instrumentenausfall. Joe setzte eine neue Sicherung ein, während Steve mit Katy telefonierte.

„Hör zu, Liebling“, erklärte Steve ihr. „Aufgrund von schlechtem Wetter wird es etwas später werden. Komm ungefähr eine Stunde später als vereinbart zum Flughafen.“

„Ist alles in Ordnung? Mit dem Flugzeug, meine ich?“, fragte sie. Steve hörte, wie sie versuchte, den sorgenvollen Klang in ihrer Stimme zu unterdrücken.

„Alles in Ordnung“, sagte er und klang dabei zuver-sichtlicher, als er es eigentlich war. „Und stell dir vor, mein Chef hat mir erlaubt, bis Neujahr zu bleiben. Das wird mein schönstes Weihnachtsfest werden, wenn ich mit dir und deiner Mutter zusammen sein kann. Ich liebe dich, Schatz. Wir sehen uns in ein paar Stunden.“

Als sie zurück ins Flugzeug stiegen, sprach Steve er-neut ein stilles Gebet: Du hast uns bis hierher gebracht, Gott. Bitte bring uns sicher nach Iowa.

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Es hatte nur weniger als eine Stunde gedauert, bis sie wieder am Himmel schwebten. Sie freuten sich, dass die Sonne zum Vorschein gekommen war und sie wieder klare Sichtverhältnisse hatten. Als sie über Sioux Falls hinwegflogen, waren Steves Ängste fast verschwunden.

Dann, als das Flugzeug einige Täler überquert hatte, kam wieder Nebel auf, und fast augenblicklich war das kleine Flugzeug in eine dichte Decke aus grauen Wolken eingehüllt. Wenige Augenblicke später erreichten sie eine Bergkette, und Steve merkte, dass Joe Schwierigkeiten hatte, sie sicher zu überqueren.

„Hinter diesen Bergen müsste eigentlich wieder die Sonne scheinen“, sagte Joe in dem Versuch, sowohl sich selbst als auch Steve zu überzeugen. „In diesem Gebiet gibt es sonst nie Nebel.“ Doch als die Dämmerung he-reinbrach, war es nach wie vor nebelig. Der Nebel war so dicht, dass die Männer außerhalb der Scheibe nichts mehr erkennen konnten. Der Flughafen war nicht mehr weit von ihnen entfernt. Joe nahm sofort Kontakt zum Kontrollturm auf, um um Hilfe zu bitten.

„Wir haben wegen Nebels geschlossen“, informierte der Fluglotse Joe. „Wir sind nicht in der Lage, Sie über die Instrumente nach unten zu lotsen. Kehren Sie um zum Pierre-Municipal-Flughafen und landen Sie dort.“

„Der liegt mehr als eine Stunde hinter uns. Das ist unmöglich“, erwiderte Joe, dessen Stimme eine lang-sam aufsteigende Panik verriet. „Wir haben bald kei-nen Sprit mehr. Er reicht nicht mehr aus, um nach Pierre

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zurückzufliegen.“ Einen Moment lang war es unheimlich still im Cockpit. Sie konnten draußen nichts mehr sehen, und Steves Augen wanderten zur Tankanzeige, deren Na-del gefährlich dicht über der 0 tanzte. Wieder betete er leise, wobei er Mühe hatte, seine Angst unter Kontrolle zu halten: Bitte, Gott, bring uns sicher aus diesen Wolken he-raus. Lass mich dieses Weihnachten sicher bei meiner Frau ankommen, bitte …

Endlich wurde die Stille von einer fremden Stimme unterbrochen. „In Ordnung. Wir werden das Bodenper-sonal vorbereiten. Machen Sie sich für eine Notlandung bereit.“

Steve hielt sich krampfhaft an seinem Sitz fest, seine Augen weiteten sich. Er konnte es kaum glauben. Es war unmöglich, eine Notlandung durchzuführen, wenn die Sicht zwischen dem Flugzeug und dem Kontrollturm durch Nebel versperrt wurde.

Joes Stimme ließ Steve aufmerken.„Hol die Flugkarten hervor.“Steve schlug sie sofort auf und Joe schätzte ihren Stand-

ort ein. Laut Karte mussten sie sich direkt über dem Flug-hafen befinden. Langsam ließ Joe das Flugzeug durch den Nebel hindurch in Richtung Boden sinken. Während er das tat, drang die Stimme des Lotsen ins Cockpit.

„Ziehen Sie die Nase hoch! Ziehen Sie sie hoch!“Joe reagierte sofort, und im selben Augenblick erblick-

ten die beiden Männer einen schmalen Spalt im Nebel, durch den sie hindurchsehen konnten. Sie befanden sich

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nicht über dem Flughafen, wie sie gedacht hatten, son-dern über den Lichtern einer Fernstraße. Sie hatten sie nur um circa eineinhalb Meter verfehlt.

Steve spürte, wie sein Herz wie wild hämmerte, und ihm wurde schlagartig bewusst: Ohne ein göttliches Ein-greifen hatten sie keine Chance, dieser ernsten Lage zu entkommen. Er dachte immer wieder an das Lied „Stille Nacht“, das noch einige Stunden zuvor am Flughafen ge-spielt worden war. Der Text dieses Liedes bekam plötzlich eine erschreckende andere Bedeutung. Wenn niemand sie aus dem Himmel nach unten lotste, wäre die Stille hier im Cockpit die letzte, die sie jemals erleben würden.

In diesem Moment durchbrach die Stimme des Lotsen wieder die Stille. „Wenn Sie auf mich hören, werde ich Ihnen helfen, wieder nach unten zu kommen“, sagte er.

Joe stieß einen unterdrückten Seufzer aus. „Legen Sie los. Ich bin ganz Ohr.“

Steve schloss für einen kurzen Moment die Augen und betete. Er flehte Gott an, sie sicher durch den Nebel auf den Boden zu geleiten.

In der Zwischenzeit begann der Lotse damit, Joe An-weisungen für eine Landung zu erteilen.

„Gehen Sie ein bisschen nach unten. Okay, noch ein bisschen. Nicht so viel. In Ordnung, jetzt nach rechts. Halten Sie das Flugzeug gerade und kommen Sie noch ein wenig runter.“

Mit beruhigender Stimme fuhr der Fluglotse fort, seine klaren Anweisungen zu geben, und Joe, der ganz

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auf die Stimme konzentriert war, tat, was ihm befohlen wurde. Der Flug schien eine Ewigkeit zu dauern, und Steve fragte sich, ob er seine Frau jemals wiedersehen würde. „Bitte, Gott“, flüsterte er. „Bring uns wieder auf den Boden. Bitte.“

Der Fluglotse fuhr fort: „Ziehen Sie es wieder ein biss-chen hoch. Okay, Sie sind zu weit links. So ist es gut. Und jetzt gehen Sie etwas mehr nach unten. In Ordnung, Sie sind jetzt genau über dem Ende der Landebahn. Setzen Sie auf. Jetzt!“

Joe reagierte vorsichtig auf das, was ihm gesagt wurde, und ließ das Flugzeug sinken. Ein paar Meter über dem Boden war plötzlich die Landebahn zu erkennen. Als das Flugzeug aufsetzte, sah Steve Katy unweit von ihnen ent-fernt stehen und auf ihn warten, und seine Augen füllten sich mit Tränen der Erleichterung und der Dankbarkeit.

Die beiden Männer im Cockpit sahen sich an. Ohne ein Wort zu sagen, senkten beide die Köpfe und schlossen die Augen. „Danke, Gott“, betete Steve mit vor Erregung gebrochener Stimme. „Danke, dass du uns bewahrt und unsere Bitten erhört hast.“

Joe nahm noch einmal Kontakt zum Kontrollturm auf. „Hey, vielen Dank für Ihre Hilfe. Ohne Ihre Anweisun-gen hätten wir es nicht geschafft. Sie haben uns wahr-scheinlich das Leben gerettet.“

Einen Moment lang war es still. „Was meinen Sie?“, fragte der Fluglotse. Seine Stimme klang auf einmal völlig anders und er war merklich verwirrt. „Der Funkkontakt

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zu Ihnen brach ab, nachdem wir Ihnen gesagt hatten, dass Sie nach Pierre zurückkehren sollten.“ Steve bekam eine Gänsehaut, und er beobachtete, wie Joes Gesichts-ausdruck sich in ungläubiges Staunen verwandelte. „Wie bitte?“, fragte er.

„Wir haben nichts mehr von Ihnen gehört, und wir haben auch nicht gehört, dass Sie mit jemand anderem gesprochen haben“, erwiderte der Fluglotse. „Wir waren fassungslos, als wir sahen, wie Sie genau über der Lande-bahn durch die Wolkendecke brachen. Es war eine per-fekte Landung.“ Steve und Joe sahen sich schweigend an und staunten. Wenn sie nicht mit diesem Fluglotsen ge-sprochen hatten, mit wem hatten Sie dann gesprochen? Wessen ruhige und klare Stimme hatte das Cockpit er-füllt und wer hatte ihnen mit seinen Anweisungen das Leben gerettet?

Heute ist Steve sich zwar bewusst, dass er auf diese Fragen immer noch keine Antworten hat, aber in seinem Herzen ist er sicher, dass Gott ihm in jener Dezember-nacht ein Weihnachtswunder beschert hat.

„Ich glaube, dass Gott uns an diesem Tag beschützt hat und dass er vielleicht einem Engel erlaubt hat, uns auf sicheren Grund und Boden zu bringen“, sagt Steve. „An diesem Weihnachtsfest brauchten Katy und ich uns drin-gend. Gott hat mich in dieser stillen Nacht bewahrt, und das tut er immer noch an jedem Tag meines Lebens.“