In Sonneborns "Zur Rose" keimte schon Solidarität

1
Willi Münzenberg (U.August 1889 bis Juni 1940), Auf- nahme von etwa 1929 Dem 100. Geburtstag Willi Mün- zenbergs am Montag ist ein mehr- teiliger Report gewidmet, in dem Spuren der frühen Jahre dieses legendären deutschen Kommuni- sten in Thüringen aufgedeckt wer- den. Die ersten beiden Teile „Am Hügel und im Tivoli einer der besten Redner" sowie „Eine Kind- heit zwischen .Dorfschule und Schenke" veröffentlichte „Neues Deutschland" in den Ausgaben vom 29./30. Juli (Seite 11) und vom 5./6. August 1989 (Seite 9). Er rauchte nicht, mied jeden Alkohol und war doch ein passio- nierter Kartenspieler. „Später, in den hektischen Berliner Jahren", so schrieb Babette Gross 1967 über ihren langjährigen Lebens- gefährten Willi Münzenberg, „konnte er sich nach einem zehn- stündigen Arbeitstag mit Freun- den hinsetzen und stundenlang Skat spielen. Dabei entpuppte er sich als tollkühner Hasadeur. Ich wurde erst in den Männerbund aufgenommen, nachdem ich das komplizierte Spiel wenigstens mittelmäßig erlernt hatte." Am 27. Februar 1933, nach einem harten Wahlkampftag in seinem Reichstagswahlkreis bei Frankfurt (Main), sei Münzen- berg zu seinem Freund Paul Schäfer in dessen Frankfurter Wohnung gefahren, wo man „in aller Seelenruhe" Skat gespielt habe, bis Schäfers Frau mit der Nachricht gekommen sei, in Ber- lin brenne der Reichstag. Am nächsten Morgen, als in Münzen- bergs Wohnung in Berlin, In den Zelten 9a, bereits Polizisten lau- erten und alle deutschen Grenz- stellen per Funkspruch aufgefor- dert waren, Grenzübertritte von Funktionären und Abgeordneten der KPD zu verhindern, •befari* den sich Münzenberg, seine Ge- fährtin und sein Fahrer „plötzlich auf der Flucht", von der sie nicht wußten, wohin sie führen sollte. „In einem kleinen Gasthaus zwischen Frankfurt und Darm- stadt kehrten wir ein", berichtet Babette Gross weiter. Dort habe man „einen letzten Skat auf deut- Im „Gasthof zur Rose" - das seltene Foto oben bietet eine zeit- genössische Ansicht - las der elfjährige Willi Münxenberg Zeitungs- berichte über den Burenkrieg. Nicht mehr als Gast- und Volkshaus, aber als Wohnhaus (mit einem Anbau links) dient das Gebäude heute in Sonneborn (rechtes Foto) schem Boden" gespielt. Münzen- berg habe das getan, „um unsere Nerven zu beruhigen, und seine Therapie war durchaus erfolg- reich". Das Gasthaus vom 28. Februar 1933, das wir nicht näher kennen, mag Münzenberg an den „Gast- hof zur Rose" in Sonneborn er- innert haben, in dem er als Knabe das Kartenspiel erlernt hatte. Ziemlich sicher ist nämlich, daß Vater Münzenberg nach der Pleite in Friemar und nach einem Zwi- schenaufenthalt in Gotha ab No- vember 1900 in Sonneborn die „Rose" bewirtschaftete und daß sein damals elfjähriger Sohn Willi dort die ganze Arbeit zu leisten hatte. Besonders die Proleten un- ter den Stammgästen brachten dem Jungen nicht nur Skat, son- dern auch Politik bei. Fährt man heute, im Sommer 1989, von Gotha in nordwestlicher Richtung über Goldbach nach Eberstädt und Sonneborn, so freut man sich über große ge- pflegte Felder und saubere Dör- fer; Es fällt schwer, sich in die Misere zu versetzen, in der Willi Münzenberg, seine Stiefmutter, seine zwei Stiefschwestern und sein nur Schulden hervorbringen- der Vater hier damals steckten. Sie wohnten offenbar in Eber- städt und betrieben in Sonne- born die „Rose", die bis heute auch als „das Volkshaus" in Er- innerung geblieben ist, obgleich sie längst als Wohnhaus dient. Von Eberstädt sollen die Mün- zenbergs im Oktober 1902 wieder nach Gotha gezogen sein. Ob sich der Vater in Sonneborn, Eber- städt oder Gotha erschoß, wann genau das war und ob es absicht- lich geschah das alles liegt noch im Dunkel von Archiven. Klar ist allerdings, daß der Bu- renkrieg (11. Oktober 1899 bis 31. Mai 1902) in Willi Münzen- bergs Sonneborner/Eberstädter Jahre fiel und daß er dort auf- gebrochen sein muß, um den von britischen Kolonialtruppen böse bedrängten Buren in ihrem Frei- heitekampf beizustehen. Zwar wurde der Knabe schon kurz vor Elsenach von einem Gendarmen aufgegriffen und zum Vater zu- rückgebracht, wie Babette Gross berichtet, während Münzenberg im Zürcher Lebenslauf schreibt, sein für die weite Reise nach Südafrika gesammelter Proviant- vorrat sei entdeckt worden, be- vor er überhaupt losziehen konnte. Doch die Maxime anti- imperialistischer Solidarität, die in Münzenbergs späterem Leben eine überragende Rolle, spielen sollte, keünte. wohi.. schon im Sonneborner Gasthof'„Zur Rose". Zur „Befriedung" des Hinter- landes hatten die britischen Ko- lonialherren im Burenkrieg be- reits in den ersten Monaten un- seres Jahrhunderts Konzentra- tionslager geschaffen, in die auch Theodor Neubauer, 1945 von den Nazis hingerich- tet, rettete sein Exemplar von Münzenbergs „Die Dritte Front" Abb.: ND/Schmidtke (1), ND-Repro (8) Originalansicht der „Münz", „Zum Erbprinzen", in Friemar zu Münzen- bergers Zeiten. Die schöne Postkarte erhielten wir jetzt aus Friemar als einen fotografischen Nachtrag zum zweiten Teil unseres Reports Frauen und Kinder eingesperrt wurden. Die in der Presse des wilhelminischen Deutschlands, des Kolonialkonkurrenten Großbri- tanniens, hochgespielten Berichte über solche Lager müssen Mün- zenbergs Gerechtigkeitssinn be- sonders beflügelt haben. Der Knabe verschlang alle in der „Rose" ausliegenden Zeitungen, besonders die Berichte von den Reichstagsverhandlungen. Man- chen Gästen mußte er sogar aus den Blättern vorlesen. Etwa 14 Jahre später, Pfing- sten 1914, nahm Willi Münzen- berg, Inzwischen ein in der in- ternationalen sozialistischen Ju- gendbewegung bekannter und beliebter Redner und Organisa- tor, am internationalen Jugend- tag in Stuttgart teil. Anschließend fuhr er „nach Erfurt, sprach dort in einer Jugendversammlung und am anderen Tag auf einem thü- ringischen Jugendtreffen auf dem Eckersberg bei Weimar". So steht es wörtlich auf Seite 137 des Ende 1929 in Münzenbergs Berli- ner Neuem Deutschen Verlag erschienenen Münzenberg- Buches „Die Dritte Front Auf- zeichnungen aus 15 Jahren prole- tarischer Jugendbewegung". Gibt es bei Weimar einen- Eckensberg? Auf den Karten, die mir zur Verfügung stehen, habe ich keinen gefunden. Auch alle Weimananer, die ich fragte, tipp- ten sofort auf Ettersberg. Ein Erinnerungsfehler Münzen^ bergs? Ein Hörfehler beim Dik- tieren? Ein Schreib- oder Druck- fehler? Wie dem auch sei, 1929 war der Ettersberg bei Weimar eben, .kaum jemandem ein Be- griff. Weder Pfingsten 1914 noch inviHerbst 1929.!,konnte man ah- nen,- daß dort einmal eines der schlimmsten Nazikonzentra- tionslager und dann, nach der Befreiung vom Faschismus, eine würdige Gedenkstätte zur Erin- nerung an unzählige ermordete Antifaschisten aus vielen Län- dern Europas errichtet würden. In Buchenwald war zur Nazi- zeit auch Münzenbergs Genosse und Freund Theodor Neubauer (1890 bis 1945) eingesperrt. Na- türlich besaß der „Rote Doktor" Neubauer „Die Dritte Front". Nach 1933 gelang es Neubauer und seiner Familie, zumindest Teile der persönlichen Bibliothek vor dem vernichtenden Zugriff der braunen Barbaren zu bewah- ren. In Gotha gibt' es heute noch jenes Exemplar von „Die Dritte Front", das Neubauers Namens- zug trägt und das als eines der wenigen erhaltenen Exemplare noch den im Original farbigen Schutzumschlag besitzt. Da kann man sehen, daß die Jugendlichen, die auf dem Umschlag über die Schützengräben des ersten Welt- krieges hinwegschreiten, eine rote (und nicht etwa weiße, wie man im Schwarzweißdruck an- nehmen könnte) Fahne tragen. 4. und letzter Teil: Legenden und Wahrheiten mit der Jahreszahl 1934 „Unser Hafen reicht jetzt von der Küste bis zur Hauptstadt", kommentierte unlängst Kenias führende Wochenzeitschrift „Weekly Review" - nicht ohne Augenzwinkern. Der Bericht galt der Einweihung eines modernen Containerbahnhofs im Nairobi- Vorort Embasaki. Bis zur Küste des Indischen Ozeans sind es von hier aus noch rund 500 Kilo- meter. Doch zwischen Nairobi und der Hafenstadt Mombasa existiert eine gut ausgebaute Eisenbahnlinie. Mit der Verlagerung des Con- tainertransports von der Straße auf die Schiene spart das ost- afrikanische Land nicht nur Geld für teures Importbenzin. Die Transportzeiten verkürzen sich der einen beachtlichen Teil ihres Außenhandels über Mombasa ab. Die Bedeutung Mombasas für die gesamte sozialökonomische Entwicklung Kenias wird der Ver- wirklichung des 6. Fünfjahrplans des Landes (1989-1993) weiter wachsen. Bis Ende nächsten Jah- res sollen zum Beispiel mehrere große Speicheranlagen zu den neuen Wahrzeichen der Stadt ge- hören. Sie bilden das Zentrum eines ganzen Netzwerkes von Si- los in allen Teilen des Landes, in denen vorsorglich große Men- gen an Mais, Hirse und Sorghum eingelagert werden sollen. Kenia, das ähnlich wie Äthiopien immer wieder unter Dürreperioden zu leiden hat, schafft sich ein Vor- ratssystem, das die Versorgung wesentlich. Zugleich wird die Position Mombasas als größter und effektivster Überseehafen an der gesamten ostafrikanischen Küste und als Drehscheibe eines bis weit ins afrikanische Hinter- land reichenden regionalen Han- dels weiter gefestigt. Begonnen hat diese Entwick- lung „eigentlich mit den Daus". Das jedenfalls meint Hassan Mohammed, .eine Art freiberufli- cher Stadtbilderklärer, der dem Mombasa-Besucher gegen ein paar Kenia-Schillinge gern seine Heimatstadt näherbringt. In Daus dickbäuchigen und schwerfälligen, aber zuverlässi- gen Booten mit langen, schrägen Rahen und dreieckigen Segeln hatten sich schon lange vor un- serer Zeitrechnung kühne Seefah- rer von den Küsten der arabi- schen Halbinsel nach Afrika auf- gemacht. Auch heute noch sind im alten Hafen von Mombasa noch rund 60 Daus registriert. Inzwischen ist die Stadt mit dem modernen „Kilindi-Port" zum zweitgrößten Industrie- und zum wichtigsten Handelszentrum Kenias herangewachsen. Eisen- bahnstrecken und Fernverkehrs- straßen, die einst von der briti- schen Kolonialmacht angelegt und vom unabhängigen Kenia gut gewartet und teilweise aus- gebaut wurden, verbinden Mom- basa mit Orten in Uganda, Tan- sania, Burundi, Rwanda und selbst im fernen Zaire. Abgesehen von Tansania, das mit Daressa- lam selbst über einen großen Ha- fen verfügt, wickeln diese Län- der Bevölkerung in Notzeiten für mindestens sechs Monate gewähr- leisten wird. Mehrere Planvorhaben richten sich auf die Entwicklung der Fisch- und Viehwirtschaft in der Küstenregion. Die Hafenstadt wird deshalb künftig über eine agrarwissenschaftliche Leitein- richtung für die Realisierung die- ser Entwicklungsprojekte ver- fügen. Schließlich will sich Mombasa nach einem erfolgreichen Start im vergangenen Jahr auch als in- ternationaler Messeplatz profilie- ren. Nachdem die Mombasa- Show", die seit Jahren als eine Art Vergnügungswoche organi- siert worden war, 1988 Erzeugnis- se der Vieh-, Fisch- und Land- wirtschaft sowie des Handwerks zeigte, soll der Messecharakter in diesem Jahr weiter ausgeprägt werden. Die Messe wird dabei zu- gleich auf die Forderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten der „Präferenzhandelszone für das östliche und südliche Afrika" (PTA) ausgerichtet. Zu den Sorgen, mit denen die Stadtväter zu tun haben, gehört u. a. der kaum abreißende Strom von Zuwanderern. Die Arbeits- losigkeit ist in Mombasa ver? gleichsweise geringer als in an- deren Landesteilen, und das zieht jährlich Tausende Söhne und Töchter armer Bauernfamilien in die Hafenstadt, wo die meisten vor allem die Schattenseiten des sonnigen Mombasa kennenlernen. „Transantarctica" — eher zu- rückhaltend wirkt der Name des einzigartigen Unternehmens in der an Abenteuern wahrlich nicht armen Entdeckungsgeschichte des sechsten Kontinents: Sechs Män- ner um die 40 aus sechs verschie- denen Staaten wollen die Antark- tis auf Skiern durchqueren. Ihre Route ist die denkbar längste: 6400 Kilometer vom Nordzipfel des Graham-Landes, der antark- tischen Halbinsel im Südatlantik bis zur sowjetischen Forschungs- station Mirny auf der „anderen Seite" der Erde. Am 28. Juli, also noch mitten im antarktischen Winter, sind sie aufgebrochen. Ende Februar/An- fang März, wenn auf der Süd- hälfte der Erde der „Sommer" zu Ende geht, wollen sie ihr Ziel er- reichen sieben Monate in ewi- gem Eis und Schnee. Wer sind die sechs Männer, wie kamen sie auf diese Idee? Expedi- tionsleiter ist der 42jährige Fran- zose Dr. Jean-Louis Etienne. Spä- testens seit 1986 ist der Sportme- diziner in seiner Heimat bekannt. Damals erreichte er nämlich als erster Mensch im Alleingang, ohne Weggefährten oder Schlitten- hunde, den Nordpol. Rund 1200 Kilometer legte er damals per Ski von Ward Hunt im Norden Kana- das aus in 63 Tagen zurück. Der Zufall wollte es, daß er un- terwegs, irgendwo in der zerklüf- teten Eiswüste auf Will Steger aus dem USA-Bundesstaat Minnesota Karte: ND/wegener stieß, der auf anderer Route auch den Pol ansteuerte. An je- nem Aprilabend verbrachten die beiden Männer etliche Stunden in Gesprächen über ihre gemeinsame Passion für die endlosen weißen Weiten. Und obwohl sie noch nicht einmal den Nordpol erreicht hat- ten, kam die Rede auch schon auf sein südliches Gegenstück. Für alle Fälle tauschte man die Tele- fonnummern aus. „Später hat mich Will dann angerufen", erin- nert sich Dr. Etienne. „Und ein Traum fing an..." Nun wird er Wirklichkeit, weil hinter ihm mehr als der Wunsch der Männer steckt, sich selbst in extremen Situationen zu bewei- sen. Wie bei seinem Marsch zum Nordpol, bei einer Weltumseglung und dem Aufstieg zum Mount Everest will der französische Arzt auch diesmal wieder wissen- schaftlich den Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Leistungs- fähigkeit physisch wie psy- chisch — auf den Grund gehen. Will Steger ist Experte für Schlittenhunde. Zwei Jahre lang hat er die 42 hochbeinigen Wolfs- bastarde so trainiert, daß sie auch bei den scharfen antarkti- schen Winden, Temperaturen bis zu minus 50 "C und Schneesturm täglich acht bis zehn Stunden lang die drei jeweils bis zu 600 Kilogramm schweren Schlitten ziehen können. Spezialisten des ewigen Eises sind auch die anderen vier Hauptakteure der „Transantarc- tica". Viktor Bojarski und Qin Dahe sind Glaziologen, der er- stere am Institut für Arktis- und Antarktis-Forschung in Lenin- grad, der andere am chinesischen Gletscher-Institut von Lanzhou. Keizo Funatso aus dem japani- schen Osaka arbeitet eigentlich als Ökonom an der dortigen Uni- versität. Doch wie Geoff Somers vom British Antarctic Survey ist auch er von dem Willen erfüllt, alles Menschenmögliche für den Schutz des sechsten Kontinents zu tun. Neben medizinischen, meteoro- logischen und radioglaziologischen Experimenten sowie der sportli- chen Leistung ist dies das Haupt- ziel der Expedition. „Die Antark- tis gehört niemandem", erläutert Dr. Etienne. „Die territorialen Ansprüche sind durch den Ver- trag von Washington eingefroren. Dieser Vertrag ist ein Beispiel in- ternationaler Kooperation. Das ist ein Kontinent, der der Wissen- schaft und dem Frieden gewid- met ist." Um diesen speziellen Status zu unterstreichen und da- für zu plädieren, daß es dabei bleibt, gehören dem „Transant- arctica "-Team sechs Männer aus sechs Ländern an. 1989 und 1990 sind für die Zu- kunft des sechsten Kontinents von großer Bedeutung. Im näch- sten Jahr läuft der Vertrag von Washington, der jegliche militäri- sche Aktivität in der Antarktis verbietet und sie unter interna- tionalen Schutz stellt, aus. Schon in diesem Oktober treffen sich die Partner des Vertrages 39 Staa- ten haben ihn bisher ratifiziert in Paris zu ihrer 15. Konferenz. Viele Teilnehmer und Wissen- schaftler aus aller Welt sprechen sich dafür aus, den Vertrag zu verlängern und seine Bestim- mungen zu verschärfen, um rund um den Südpol solche Umwelt- katastrophen auszuschließen, wie sie der Unfall des Supertankers über die Gebirgsrücken der ant- arktischen Halbinsel und das Ellsworth-Massiv in Richtung Südpol. Ihn hoffen die Männer im November zu erreichen, um im „Hochsommer" die schier unend- liche Weite des Sowjet-Plateaus zu überqueren und zu Herbstbe- ginn die Eisküste des Indiks zu erreichen. Sorgen bereiten Dr. Etienne weder die nie zuvor „in einem Ritt" bewältigten 6400 Kilometer auf Skiern, noch Wind und Wet- ter. Ein Training der Truppe im Frühjahr 1988 auf Grönland hat sie in der Überzeugung bestärkt, daß das zu schaffen ist. 13 Nah- rungsdepots „Ziegel" aus Fleisch und Fett für die Hunde, „Pemmican", eine Mischung aus Dörrfleisch, Butter und Käse, für die Männer hat Geoff Somers letzten Sommer von Bord eines kleinen zweimotorigen Flug- zeugs aus entlang der Route an- gelegt. Auch für ständigen Funkkon- takt mit der Außenwelt ist ge- sorgt. Der speziell für das Unter- nehmen gebaute Zweimastsegler „UAP" mit eisgängigem Wulst- bug wird der Expedition so nahe wie möglich folgen. „Was uns wirklich gefährlich werden könnte, sind die Spalten im Eis", meint Dr. Etienne. „Es gibt Zo- nen mit sehr, sehr tiefen Spalten. Da muß man höllisch aufpassen." Die sechs Wagemutigen (v. I.) oben: Will Steger, Geoff Somers und Qin Dahe, unten: Viktor Bojarski, Keizo Funatso und Jean-Louis Etienne „Exxon Valdez" vor der Küste Alaskas ausgelöst hat. Schon hat es auch vor der ant- arktischen Küste nach dem Un- tergang eines argentinischen Schiffes zu Jahresbeginn eine erste Verschmutzung durch Koh- lenwasserstoffe gegeben. Sorgen bereitet ebenfalls ein in Mode kommender Touris- mus ins ewige Eis. An die 5000 suchten 1988 schon die Ant- arktis heim. Und was geschieht, wenn mit der Erkundung und dem Abbau von Bo- denschätzen begon- nen werden sollte, vermag heute nie- mand vorauszusagen. Auch auf diese Probleme wollen Dr? Etienne und seine Gefährten die öffent-» lichkeit aufmerksam machen. Frankreichs Präsident Frangois Mitterrand und UNESCO-Generaldi- rektor Federico Mayor übernahmen die Schirmherrschaft der „Transantarctica"; die UdSSR stellte eine IL 76 für den Transport der sechs Männer, ihrer Hunde und Ausrüstung zur King-George-Insel zur Verfügung. Von dort führt der Weg der Expedition über das Eis zum nahen Graham-Land, Arbeiter lehrten ihn Skat und auch Politik In Sonneborns g Zur Rose keimte schon Solidarität Friedensfront-Fahne ist rot. nicht weiß Ein Hafen von der Küste bis mr Hauptstadt Kenia baut sein traditionsreiches Handelszentrum Mombasa weiter als regionale Drehscheibe aus Auf Skiern durch den sechsten Kontinent 1931-1*31 &*'., w.i* ^L ._ » o Babette Gross und Willi Münzenberg Britisches Lager zur Konzentration von Frauen und Kindern der Buren um 1900 Rechenschaftsbericht von 521 Seiten Von unserem Korrespondenten Thomas B u r m a i s t a r , Addis Abeba Eine der iur das Zentrum von Mombasa typischen Straßen Foto: Burmeister Von unserem Pariser Korrespondenten Dr. Claus D ü m d e WILLI MONZENBERG ZEHN iAHRE INTERNATIONALE ARBEITERHILFE ! 6ru8 aus Sonneborn STU-LEKDZEÄN 8 Foto: aus „Die Welt" Neues Deutschland / 12./13. August 1989 / Seite 11 Reportage Willi Miinzenberg — seine frühen Jahre in Thüringen (3) Zum 100. Geburtstag ein illustrativer biographischer Streifzug Von Dr. Harald W e s s e I SOLIDARITÄT fc&&$^i Sechs Männer aus Frankreich, den USA, der UdSSR, China, Japan und Großbritannien begannen ,Transantarctica # Segler „UAP" hält Kontakt Vertrag auf dem Prüfstand \ V ms Wie die Idee geboren wurde XA Beispiel für Kooperation

Transcript of In Sonneborns "Zur Rose" keimte schon Solidarität

Page 1: In Sonneborns "Zur Rose" keimte schon Solidarität

Willi Münzenberg (U.August1889 bis Juni 1940), Auf-nahme von etwa 1929

Dem 100. Geburtstag Willi Mün-zenbergs am Montag ist ein mehr-teiliger Report gewidmet, in demSpuren der frühen Jahre dieseslegendären deutschen Kommuni-sten in Thüringen aufgedeckt wer-den. Die ersten beiden Teile „AmHügel und im Tivoli einer derbesten Redner" sowie „Eine Kind-heit zwischen .Dorfschule undSchenke" veröffentlichte „NeuesDeutschland" in den Ausgabenvom 29./30. Juli (Seite 11) undvom 5./6. August 1989 (Seite 9).

Er rauchte nicht, mied jedenAlkohol und war doch ein passio-nierter Kartenspieler. „Später, inden hektischen Berliner Jahren",so schrieb Babette Gross 1967über ihren langjährigen Lebens-gefährten Willi Münzenberg,„konnte er sich nach einem zehn-stündigen Arbeitstag mit Freun-den hinsetzen und stundenlangSkat spielen. Dabei entpuppte ersich als tollkühner Hasadeur. Ichwurde erst in den Männerbundaufgenommen, nachdem ich daskomplizierte Spiel wenigstensmittelmäßig erlernt hatte."

Am 27. Februar 1933, nacheinem harten Wahlkampftag inseinem Reichstagswahlkreis beiFrankfurt (Main), sei Münzen-berg zu seinem Freund PaulSchäfer in dessen FrankfurterWohnung gefahren, wo man „inaller Seelenruhe" Skat gespielthabe, bis Schäfers Frau mit derNachricht gekommen sei, in Ber-lin brenne der Reichstag. Amnächsten Morgen, als in Münzen-bergs Wohnung in Berlin, In denZelten 9a, bereits Polizisten lau-erten und alle deutschen Grenz-stellen per Funkspruch aufgefor-dert waren, Grenzübertritte vonFunktionären und Abgeordnetender KPD zu verhindern, •befari*den sich Münzenberg, seine Ge-fährtin und sein Fahrer „plötzlichauf der Flucht", von der sie nichtwußten, wohin sie führen sollte.

„In einem kleinen Gasthauszwischen Frankfurt und Darm-stadt kehrten wir ein", berichtetBabette Gross weiter. Dort habeman „einen letzten Skat auf deut-

Im „Gasthof zur Rose" - das seltene Foto oben bietet eine zeit-genössische Ansicht - las der elfjährige Willi Münxenberg Zeitungs-berichte über den Burenkrieg. Nicht mehr als Gast- und Volkshaus,aber als Wohnhaus (mit einem Anbau links) dient das Gebäudeheute in Sonneborn (rechtes Foto)

schem Boden" gespielt. Münzen-berg habe das getan, „um unsereNerven zu beruhigen, und seineTherapie war durchaus erfolg-reich".

Das Gasthaus vom 28. Februar1933, das wir nicht näher kennen,mag Münzenberg an den „Gast-hof zur Rose" in Sonneborn er-innert haben, in dem er als Knabedas Kartenspiel erlernt hatte.Ziemlich sicher ist nämlich, daßVater Münzenberg nach der Pleitein Friemar und nach einem Zwi-schenaufenthalt in Gotha ab No-vember 1900 in Sonneborn die„Rose" bewirtschaftete und daßsein damals elfjähriger Sohn Willidort die ganze Arbeit zu leistenhatte. Besonders die Proleten un-ter den Stammgästen brachtendem Jungen nicht nur Skat, son-dern auch Politik bei.

Fährt man heute, im Sommer1989, von Gotha in nordwestlicherRichtung über Goldbach nachEberstädt und Sonneborn, sofreut man sich über große ge-pflegte Felder und saubere Dör-fer; Es fällt schwer, sich in dieMisere zu versetzen, in der WilliMünzenberg, seine Stiefmutter,seine zwei Stiefschwestern undsein nur Schulden hervorbringen-der Vater hier damals steckten.Sie wohnten offenbar in Eber-städt und betrieben in Sonne-

born die „Rose", die bis heuteauch als „das Volkshaus" in Er-innerung geblieben ist, obgleichsie längst als Wohnhaus dient.Von Eberstädt sollen die Mün-zenbergs im Oktober 1902 wiedernach Gotha gezogen sein. Ob sichder Vater in Sonneborn, Eber-städt oder Gotha erschoß, wanngenau das war und ob es absicht-lich geschah — das alles liegt nochim Dunkel von Archiven.

Klar ist allerdings, daß der Bu-renkrieg (11. Oktober 1899 bis31. Mai 1902) in Willi Münzen-bergs Sonneborner/EberstädterJahre fiel und daß er dort auf-gebrochen sein muß, um den vonbritischen Kolonialtruppen bösebedrängten Buren in ihrem Frei-heitekampf beizustehen. Zwarwurde der Knabe schon kurz vorElsenach von einem Gendarmenaufgegriffen und zum Vater zu-rückgebracht, wie Babette Grossberichtet, während Münzenbergim Zürcher Lebenslauf schreibt,sein für die weite Reise nachSüdafrika gesammelter Proviant-vorrat sei entdeckt worden, b e -vor er überhaupt losziehenkonnte. Doch die Maxime anti-imperialistischer Solidarität, diein Münzenbergs späterem Lebeneine überragende Rolle, spielensollte, keünte. wohi.. schon imSonneborner Gasthof'„Zur Rose".

Zur „Befriedung" des Hinter-landes hatten die britischen Ko-lonialherren im Burenkrieg be-reits in den ersten Monaten un-seres Jahrhunderts Konzentra-tionslager geschaffen, in die auch

Theodor Neubauer, 1945von den Nazis hingerich-tet, rettete sein Exemplarvon Münzenbergs „DieDritte Front"

Abb.: ND/Schmidtke (1),ND-Repro (8)

Originalansicht der „Münz", „ZumErbprinzen", in Friemar zu Münzen-bergers Zeiten. Die schöne Postkarteerhielten wir jetzt aus Friemar alseinen fotografischen Nachtrag zumzweiten Teil unseres Reports

Frauen und Kinder eingesperrtwurden. Die in der Presse deswilhelminischen Deutschlands, desKolonialkonkurrenten Großbri-tanniens, hochgespielten Berichteüber solche Lager müssen Mün-zenbergs Gerechtigkeitssinn be-sonders beflügelt haben. DerKnabe verschlang alle in der„Rose" ausliegenden Zeitungen,besonders die Berichte von denReichstagsverhandlungen. Man-chen Gästen mußte er sogar ausden Blättern vorlesen.

Etwa 14 Jahre später, Pfing-sten 1914, nahm Willi Münzen-berg, Inzwischen ein in der in-ternationalen sozialistischen Ju-gendbewegung bekannter undbeliebter Redner und Organisa-tor, am internationalen Jugend-tag in Stuttgart teil. Anschließendfuhr er „nach Erfurt, sprach dortin einer Jugendversammlung undam anderen Tag auf einem thü-ringischen Jugendtreffen auf demEckersberg bei Weimar". So stehtes wörtlich auf Seite 137 desEnde 1929 in Münzenbergs Berli-ner Neuem Deutschen Verlagerschienenen Münzenberg-Buches „Die Dritte Front — Auf-zeichnungen aus 15 Jahren prole-tarischer Jugendbewegung".

Gibt es bei Weimar einen-Eckensberg? Auf den Karten, diemir zur Verfügung stehen, habeich keinen gefunden. Auch alleWeimananer, die ich fragte, tipp-ten sofort auf Ettersberg. EinErinnerungsfehler Münzen^bergs? Ein Hörfehler beim Dik-tieren? Ein Schreib- oder Druck-fehler? Wie dem auch sei, 1929war der Ettersberg bei Weimareben, .kaum jemandem ein Be-griff. Weder Pfingsten 1914 nochinviHerbst 1929.!,konnte man ah-nen,- daß dort einmal einesder schlimmsten Nazikonzentra-tionslager und dann, nach derBefreiung vom Faschismus, einewürdige Gedenkstätte zur Erin-nerung an unzählige ermordeteAntifaschisten aus vielen Län-dern Europas errichtet würden.

In Buchenwald war zur Nazi-zeit auch Münzenbergs Genosseund Freund Theodor Neubauer(1890 bis 1945) eingesperrt. Na-türlich besaß der „Rote Doktor"Neubauer „Die Dritte Front".Nach 1933 gelang es Neubauerund seiner Familie, zumindestTeile der persönlichen Bibliothekvor dem vernichtenden Zugriffder braunen Barbaren zu bewah-ren. In Gotha gibt' es heute nochjenes Exemplar von „Die DritteFront", das Neubauers Namens-zug trägt und das als eines derwenigen erhaltenen Exemplarenoch den im Original farbigenSchutzumschlag besitzt. Da kannman sehen, daß die Jugendlichen,die auf dem Umschlag über dieSchützengräben des ersten Welt-krieges hinwegschreiten, einerote (und nicht etwa weiße, wieman im Schwarzweißdruck an-nehmen könnte) Fahne tragen.

4. und letzter Teil:Legenden und Wahrheitenmit der Jahreszahl 1934

„Unser Hafen reicht jetzt vonder Küste bis zur Hauptstadt",kommentierte unlängst Keniasführende Wochenzeitschrift„Weekly Review" - nicht ohneAugenzwinkern. Der Bericht galtder Einweihung eines modernenContainerbahnhofs im Nairobi-Vorort Embasaki. Bis zur Küstedes Indischen Ozeans sind es vonhier aus noch rund 500 Kilo-meter. Doch zwischen Nairobiund der Hafenstadt Mombasaexistiert eine gut ausgebauteEisenbahnlinie.

Mit der Verlagerung des Con-tainertransports von der Straßeauf die Schiene spart das ost-afrikanische Land nicht nur Geldfür teures Importbenzin. DieTransportzeiten verkürzen sich

der einen beachtlichen Teil ihresAußenhandels über Mombasa ab.

Die Bedeutung Mombasas fürdie gesamte sozialökonomischeEntwicklung Kenias wird der Ver-wirklichung des 6. Fünfjahrplansdes Landes (1989-1993) weiterwachsen. Bis Ende nächsten Jah-res sollen zum Beispiel mehreregroße Speicheranlagen zu denneuen Wahrzeichen der Stadt ge-hören. Sie bilden das Zentrumeines ganzen Netzwerkes von Si-los in allen Teilen des Landes,in denen vorsorglich große Men-gen an Mais, Hirse und Sorghumeingelagert werden sollen. Kenia,das ähnlich wie Äthiopien immerwieder unter Dürreperioden zuleiden hat, schafft sich ein Vor-ratssystem, das die Versorgung

wesentlich. Zugleich wird diePosition Mombasas als größterund effektivster Überseehafen ander gesamten ostafrikanischenKüste und als Drehscheibe einesbis weit ins afrikanische Hinter-land reichenden regionalen Han-dels weiter gefestigt.

Begonnen hat diese Entwick-lung „eigentlich mit den Daus".Das jedenfalls meint HassanMohammed, .eine Art freiberufli-cher Stadtbilderklärer, der demMombasa-Besucher gegen einpaar Kenia-Schillinge gernseine Heimatstadt näherbringt. InDaus — dickbäuchigen undschwerfälligen, aber zuverlässi-gen Booten mit langen, schrägenRahen und dreieckigen Segeln —hatten sich schon lange vor un-serer Zeitrechnung kühne Seefah-rer von den Küsten der arabi-schen Halbinsel nach Afrika auf-gemacht. Auch heute noch sindim alten Hafen von Mombasanoch rund 60 Daus registriert.

Inzwischen ist die Stadt mitdem modernen „Kilindi-Port"zum zweitgrößten Industrie- undzum wichtigsten HandelszentrumKenias herangewachsen. Eisen-bahnstrecken und Fernverkehrs-straßen, die einst von der briti-schen Kolonialmacht angelegtund vom unabhängigen Keniagut gewartet und teilweise aus-gebaut wurden, verbinden Mom-basa mit Orten in Uganda, Tan-sania, Burundi, Rwanda undselbst im fernen Zaire. Abgesehenvon Tansania, das mit Daressa-lam selbst über einen großen Ha-fen verfügt, wickeln diese Län-

der Bevölkerung in Notzeiten fürmindestens sechs Monate gewähr-leisten wird.

Mehrere Planvorhaben richtensich auf die Entwicklung derFisch- und Viehwirtschaft in derKüstenregion. Die Hafenstadtwird deshalb künftig über eineagrarwissenschaftliche Leitein-richtung für die Realisierung die-ser Entwicklungsprojekte ver-fügen.

Schließlich will sich Mombasanach einem erfolgreichen Startim vergangenen Jahr auch als in-ternationaler Messeplatz profilie-ren. Nachdem die „ Mombasa-Show", die seit Jahren als eineArt Vergnügungswoche organi-siert worden war, 1988 Erzeugnis-se der Vieh-, Fisch- und Land-wirtschaft sowie des Handwerkszeigte, soll der Messecharakter indiesem Jahr weiter ausgeprägtwerden. Die Messe wird dabei zu-gleich auf die Forderung derwirtschaftlichen Zusammenarbeitzwischen den Mitgliedsstaatender „Präferenzhandelszone fürdas östliche und südliche Afrika"(PTA) ausgerichtet.

Zu den Sorgen, mit denen dieStadtväter zu tun haben, gehörtu. a. der kaum abreißende Stromvon Zuwanderern. Die Arbeits-losigkeit ist in Mombasa ver?gleichsweise geringer als in an-deren Landesteilen, und das ziehtjährlich Tausende Söhne undTöchter armer Bauernfamilien indie Hafenstadt, wo die meistenvor allem die Schattenseiten dessonnigen Mombasa kennenlernen.

„Transantarctica" — eher zu-rückhaltend wirkt der Name deseinzigartigen Unternehmens inder an Abenteuern wahrlich nichtarmen Entdeckungsgeschichte dessechsten Kontinents: Sechs Män-ner um die 40 aus sechs verschie-denen Staaten wollen die Antark-tis auf Skiern durchqueren. IhreRoute ist die denkbar längste:6400 Kilometer vom Nordzipfeldes Graham-Landes, der antark-tischen Halbinsel im Südatlantikbis zur sowjetischen Forschungs-station Mirny auf der „anderenSeite" der Erde.

Am 28. Juli, also noch mittenim antarktischen Winter, sind sieaufgebrochen. Ende Februar/An-fang März, wenn auf der Süd-hälfte der Erde der „Sommer" zuEnde geht, wollen sie ihr Ziel er-reichen — sieben Monate in ewi-gem Eis und Schnee.

Wer sind die sechs Männer, wiekamen sie auf diese Idee? Expedi-tionsleiter ist der 42jährige Fran-zose Dr. Jean-Louis Etienne. Spä-testens seit 1986 ist der Sportme-diziner in seiner Heimat bekannt.

Damals erreichte er nämlich alserster Mensch im Alleingang, ohneWeggefährten oder Schlitten-hunde, den Nordpol. Rund 1200Kilometer legte er damals per Skivon Ward Hunt im Norden Kana-das aus in 63 Tagen zurück.

Der Zufall wollte es, daß er un-terwegs, irgendwo in der zerklüf-teten Eiswüste auf Will Steger ausdem USA-Bundesstaat Minnesota

Karte: ND/wegener

stieß, der — auf anderer Route —auch den Pol ansteuerte. An je-nem Aprilabend verbrachten diebeiden Männer etliche Stunden inGesprächen über ihre gemeinsamePassion für die endlosen weißenWeiten. Und obwohl sie noch nichteinmal den Nordpol erreicht hat-ten, kam die Rede auch schon aufsein südliches Gegenstück. Füralle Fälle tauschte man die Tele-fonnummern aus. „Später hatmich Will dann angerufen", erin-nert sich Dr. Etienne. „Und einTraum fing a n . . . "

Nun wird er Wirklichkeit, weilhinter ihm mehr als der Wunschder Männer steckt, sich selbst inextremen Situationen zu bewei-sen. Wie bei seinem Marsch zumNordpol, bei einer Weltumseglungund dem Aufstieg zum MountEverest will der französischeArzt auch diesmal wieder wissen-schaftlich den Möglichkeiten undGrenzen menschlicher Leistungs-fähigkeit — physisch wie psy-chisch — auf den Grund gehen.Will Steger ist Experte fürSchlittenhunde. Zwei Jahre langhat er die 42 hochbeinigen Wolfs-bastarde so trainiert, daß sieauch bei den scharfen antarkti-schen Winden, Temperaturen biszu minus 50 "C und Schneesturmtäglich acht bis zehn Stundenlang die drei jeweils bis zu 600Kilogramm schweren Schlittenziehen können.

Spezialisten des ewigen Eisessind auch die anderen vierHauptakteure der „Transantarc-tica". Viktor Bojarski und QinDahe sind Glaziologen, der er-stere am Institut für Arktis- undAntarktis-Forschung in Lenin-

grad, der andere am chinesischenGletscher-Institut von Lanzhou.Keizo Funatso aus dem japani-schen Osaka arbeitet eigentlichals Ökonom an der dortigen Uni-versität. Doch wie Geoff Somersvom British Antarctic Survey istauch er von dem Willen erfüllt,alles Menschenmögliche für denSchutz des sechsten Kontinentszu tun.

Neben medizinischen, meteoro-logischen und radioglaziologischenExperimenten sowie der sportli-chen Leistung ist dies das Haupt-ziel der Expedition. „Die Antark-tis gehört niemandem", erläutertDr. Etienne. „Die territorialenAnsprüche sind durch den Ver-trag von Washington eingefroren.Dieser Vertrag ist ein Beispiel in-ternationaler Kooperation. Das istein Kontinent, der der Wissen-schaft und dem Frieden gewid-met ist." Um diesen speziellenStatus zu unterstreichen und da-für zu plädieren, daß es dabeibleibt, gehören dem „Transant-arctica "-Team sechs Männer aussechs Ländern an.

1989 und 1990 sind für die Zu-kunft des sechsten Kontinentsvon großer Bedeutung. Im näch-sten Jahr läuft der Vertrag vonWashington, der jegliche militäri-sche Aktivität in der Antarktisverbietet und sie unter interna-tionalen Schutz stellt, aus. Schonin diesem Oktober treffen sich diePartner des Vertrages — 39 Staa-ten haben ihn bisher ratifiziert —

in Paris zu ihrer 15. Konferenz.Viele Teilnehmer und Wissen-schaftler aus aller Welt sprechensich dafür aus, den Vertrag zuverlängern und seine Bestim-mungen zu verschärfen, um rundum den Südpol solche Umwelt-katastrophen auszuschließen, wiesie der Unfall des Supertankers

über die Gebirgsrücken der ant-arktischen Halbinsel und dasEllsworth-Massiv in RichtungSüdpol. Ihn hoffen die Männerim November zu erreichen, um im„Hochsommer" die schier unend-liche Weite des Sowjet-Plateauszu überqueren und zu Herbstbe-ginn die Eisküste des Indiks zuerreichen.

Sorgen bereiten Dr. Etienneweder die nie zuvor „in einemRitt" bewältigten 6400 Kilometerauf Skiern, noch Wind und Wet-ter. Ein Training der Truppe imFrühjahr 1988 auf Grönland hatsie in der Überzeugung bestärkt,daß das zu schaffen ist. 13 Nah-rungsdepots — „Ziegel" ausFleisch und Fett für die Hunde,„Pemmican", eine Mischung ausDörrfleisch, Butter und Käse, fürdie Männer — hat Geoff Somersletzten Sommer von Bord eineskleinen zweimotorigen Flug-zeugs aus entlang der Route an-gelegt.

Auch für ständigen Funkkon-takt mit der Außenwelt ist ge-sorgt. Der speziell für das Unter-nehmen gebaute Zweimastsegler„UAP" mit eisgängigem Wulst-bug wird der Expedition so nahewie möglich folgen. „Was unswirklich gefährlich werdenkönnte, sind die Spalten im Eis",meint Dr. Etienne. „Es gibt Zo-nen mit sehr, sehr tiefen Spalten.Da muß man höllisch aufpassen."

Die sechs Wagemutigen (v. I.) oben: Will Steger,Geoff Somers und Qin Dahe, unten: ViktorBojarski, Keizo Funatso und Jean-Louis Etienne

„Exxon Valdez" vor der KüsteAlaskas ausgelöst hat.

Schon hat es auch vor der ant-arktischen Küste nach dem Un-tergang eines argentinischenSchiffes zu Jahresbeginn eineerste Verschmutzung durch Koh-lenwasserstoffe gegeben. Sorgenbereitet ebenfalls ein in Mode

kommender Touris-mus ins ewige Eis.An die 5000 suchten1988 schon die Ant-arktis heim. Und wasgeschieht, wenn mitder Erkundung unddem Abbau von Bo-denschätzen begon-nen werden sollte,vermag heute nie-mand vorauszusagen.

Auch auf dieseProbleme wollen Dr?Etienne und seineGefährten die öffent-»lichkeit aufmerksammachen. FrankreichsPräsident FrangoisMitterrand undUNESCO-Generaldi-

rektor Federico Mayorübernahmen dieSchirmherrschaft der

„Transantarctica";die UdSSR stellteeine IL 76 für denTransport der sechsMänner, ihrer Hundeund Ausrüstung zurKing-George-Insel zurVerfügung.

Von dort führt derWeg der Expeditionüber das Eis zumnahen Graham-Land,

Arbeiter lehrten ihnSkat und auch Politik

In Sonneborns gZur Rosekeimte schon Solidarität

Friedensfront-Fahneist rot. nicht weiß

Ein Hafen von der Küstebis mr HauptstadtKenia baut sein traditionsreiches HandelszentrumMombasa weiter als regionale Drehscheibe aus

Auf Skiern durch densechsten Kontinent

1931-1*31

& * ' . ,

w.i* ^L ._

» o

Babette Gross und Willi Münzenberg

Britisches Lager zur Konzentration von Frauen und Kindern der Buren um 1900

Rechenschaftsbericht von 521 Seiten

Von unserem Korrespondenten Thomas B u r m a i s t a r , Addis Abeba

Eine der iur das Zentrum von Mombasa typischen Straßen Foto: Burmeister

Von unserem Pariser Korrespondenten Dr. Claus D ü m d e

WILLI MONZENBERG

ZEHN iAHRE

INTERNATIONALE ARBEITERHILFE

! 6ru8 aus Sonneborn

STU-LEKDZEÄN

8

Foto: aus „Die Welt"

Neues Deutschland / 12./13. August 1989 / Seite 11Reportage

Willi Miinzenberg — seine frühen Jahre in Thüringen (3)

Zum 100. Geburtstag ein illustrativer biographischer StreifzugVon Dr. Harald W e s s e I

S O L I D A R I T Ä T

fc&&$^i

Sechs Männer aus Frankreich, den USA, der UdSSR, China, Japan und Großbritannien begannen ,Transantarctica#

Segler „UAP" hält KontaktVertrag auf dem Prüfstand

\

V msWie die Idee geboren wurde

XABeispiel für Kooperation