Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im...

68
Indische Investitionen in Deutschland Perspektiven für einen gemeinsamen Wohlstand

Transcript of Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im...

Page 1: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland

Perspektiven für einen gemeinsamen Wohlstand

Page 2: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte
Page 3: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland

Perspektiven für einen gemeinsamen Wohlstand

Bertelsmann Stiftung, Ernst & Young GmbH, Confederation of Indian Industry (CII)

Page 4: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte
Page 5: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

3

Inhalt

Vorwort der Herausgeber .........................................................................................................................5

Vorwort der Partner ...................................................................................................................................7

Zusammenfassung .......................................................................................................................................8

Einleitung und Ansatz .............................................................................................................................. 10

1 Die indisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen ............................................................................... 13

1.1 Deutschland und Indien im Kontext ........................................................................................ 13

Globaler Fokus: Eine multipolare Welt ............................................................................... 13

Die indisch-deutschen Handelsbeziehungen ................................................................... 15

1.2 Indische Investitionen in Deutschland ...................................................................................... 18

Indische FDI weltweit ............................................................................................................... 18

Brennpunkt | Chancen im Zusammenhang mit dem Brexit ....................................................... 21

Fusionen und Übernahmen durch indische Investoren in Deutschland 24

Brennpunkt | Investitionspotenziale im deutschen Mittelstand ........................................ 26

1.3 Die indische Wirtschaftspräsenz in Deutschland....................................................................................... 30

Brennpunkt | Indische Fachkräfte in Deutschland ........................................................ 33

2 Die Schlüsselbranchen im Überblick ....................................................................................................... 35

2.1 Die Metall- und Metall verarbeitende Industrie ................................................................. 35

2.2 Die Automobilindustrie ................................................................................................................ 37

2.3 Die chemische und pharmazeutische Industrie ................................................................... 39

2.4 Software und IT-Leistungen ....................................................................................................... 42

Brennpunkt | Portfolioinvestitionen (Privatvermögen) ...............................................44

3 Die Ergebnisse der Befragung: ..........................................................................................................................

Indische Investoren und ihre Einstellung zu Deutschland ................................................................. 46

3.1 Die Hauptmotivationen für indische Investitionen in Deutschland ............................. 47

3.2 Subjektiv wahrgenommene Herausforderungen für indische Investoren ................ 49

3.3 Erfolgsfaktoren ............................................................................................................................... 52

Brennpunkt | Anreize der deutschen Regierung............................................................. 53

4 Schlussfolgerung und strategische Überlegungen ............................................................................. 56

Liste der Tabellen und Abbildungen ................................................................................................... 58

Literatur- und Quellenverzeichnis....................................................................................................... 59

Abkürzungen ............................................................................................................................................... 61

Page 6: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

4 Indische Investitionen in Deutschland

Page 7: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Vorwort der Herausgeber 5

Vorwort der Herausgeber

Die Bertelsmann Stiftung und Ernst & Young Deutschland engagieren sich

für die Entwicklung engerer Beziehungen zwischen Indien und Deutschland. Das

EY India Competence Center und die deutschen und indischen Business-Netzw-

erke konzentrieren sich auf die geschäftlichen Beziehungen zwischen den beiden

Ländern, während die Bertelsmann Stiftung im Rahmen des Programms

„Deutschland und Asien“ die sozioökonomischen Auswirkungen dieser Bezie-

hungen untersucht. In der zweiten Jahreshälfte 2016 starteten die beiden

Organisationen das Projekt zum Thema indische Investitionen in Deutschland,

das vom damaligen indischen Botschafter in Deutschland, Shri Gurjit Singh, und

dem Verband der indischen Industrie (Confederation of Indian Industry, kurz CII)

als Kooperationspartner unterstützt wurde.

Für Indien, das zu den sieben größten Volkswirtschaften der Welt gehört,

wird ein kontinuierliches Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von über sieben

Prozent jährlich erwartet. Deutschland ist schon seit Jahrzehnten ein starker

Handels- und Investitionspartner Indiens, und einige deutsche Traditionsun-

ternehmen sind bereits seit mehr als 100 Jahren in Indien präsent. Da

Deutschland und Indien sich im Hinblick auf Humankapital, Marktgröße und

technologische Entwicklung gegenseitig ergänzen, ist es wenig überraschend,

dass Unternehmen beider Länder auch auf beiden Märkten aktiv sind.

Im Zuge des heimischen Wirtschaftswachstums expandieren indische

Unternehmen auf internationale Märkte – nicht nur, um ihre weltweiten Marktan-

teile zu erhöhen, sondern auch, um Zugang zu den neuesten Technologien zu

erhalten. Als Hochtechnologiestandort mit robuster Infrastruktur, politischer

Stabilität und einer zentralen Lage in Europa ist Deutschland ein attraktives Ziel,

sowohl für Neugründungen als auch für Übernahmen. Indische Unternehmen

expandieren nach Deutschland und kaufen dort und auch im restlichen Europa

gezielt Unternehmen – weitgehend unbeachtet von den deutschen Medien.

Statistiken über indische Investitionen sind oft unzureichend, was die

Regelmäßigkeit ihrer Erstellung und die Vollständigkeit der Daten betrifft. Die

vorliegende Studie soll diese Lücken durch die Beantwortung der folgenden

Fragen schließen: Warum expandieren indische Unternehmen nach Deutschland?

Welchen Mustern folgen indische Investitionen in Deutschland? Welche

Branchen ziehen Investitionen an? Welche Herausforderungen sehen indische

Spitzenmanager beim Aufbau ihrer Präsenz in Deutschland? Welche entschei-

denden Faktoren sind für eine erfolgreiche Expansion nach Deutschland zu

beachten?

Page 8: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland6

Die Studie bietet sorgfältig recherchiertes Datenmaterial aus den letzten

sieben Jahren und qualitative Daten aus Interviews mit Spitzenmanagern

führender, in Deutschland aktiver indischer Unternehmen. Wir möchten damit

einen Gesamtüberblick sowohl über die Branchen, die indische Investitionen

anziehen, als auch über die geografische Verteilung dieser Investitionen zu

geben. Gleichzeitig wollen wir eine Liste von Faktoren benennen, die für die

erfolgreiche Integration indischer Unternehmen in die deutsche Unternehmens-

landschaft entscheidend sind. In diesem Kontext berücksichtigen wir relevante

Themen, etwa die Folgen des Brexit, indisches Privatvermögen in Deutschland

sowie die Nachfolgeplanung und Übernahmen im deutschen Mittelstand.

Abschließend werden Empfehlungen für politische Entscheidungsträger und

Kommunen formuliert, um das Investitionsklima zu verbessern und Eintrittsbar-

rieren abzubauen.

Wir hoffen, dass diese Studie eine Hilfe für die beteiligten Akteure in

Wirtschaft, Politik und Forschung ist und neue Erkenntnisse dazu liefert, wie die

Zusammenarbeit über nationale, geografische und gesetzliche Grenzen hinweg

am besten gestaltet werden kann. Indien und Deutschland ergänzen sich in

wirtschaftlicher Hinsicht hervorragend und jeder Schritt zur Realisierung dieses

Potenzials kann für beide Länder nur ein Gewinn sein.

Murali Nair Hermann Mühleck

Senior Project Manager Leiter, India Business Network

Bertelsmann Stiftung Deutschland Schweiz Österreich

EY

Page 9: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Vorwort der Partner 7

Vorwort der Partner

Ich freue mich, Ihnen die Studie „Indische Investitionen in Deutschland:

Perspektiven für einen gemeinsamen Wohlstand” vorzustellen, die aus der

Zusammenarbeit zwischen dem Verband der indischen Industrie (Confederation

of Indian Industrie, CII), der Unternehmensberatung Ernst & Young und der Bertels-

mann Stiftung hervorgegangen ist. Sie hat wesentlich dazu beigetragen, die

Kooperation zwischen den beiden Ländern in Handel und Industrie zu verbessern.

Die Studie gibt einen umfassenden Überblick über die indisch-deutschen

Geschäftsbeziehungen und enthält eine detaillierte Analyse der Kernbranchen

für die wirtschaftliche Präsenz von Indien in Deutschland. Damit vermittelt sie

ein detailliertes Verständnis von strategischen Fragen in Bezug auf indische

Investitionen in Deutschland, u. a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt-

eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte und Erfolgsfaktoren,

die grundlegenden wirtschaftlichen und politischen Anreize sowie interkultur-

elle Fragen und Herausforderungen, denen sich Investoren stellen müssen.

Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, dass die Mehrzahl der indischen

Investoren aufgrund früherer Erfahrungen bei der Expansion ins Ausland

kompetente professionelle Beratungsleistungen schätzen, die ihnen den

Markteintritt erleichtern und ihnen bei der Überwindung typischer Hindernisse

helfen. Ein weiteres Schlüsselergebnis der Studie ist die Erkenntnis, dass

indische Investoren wenig Interesse an kostengünstigen und rücksichtslosen

Übernahmen haben; vielmehr bevorzugen sie es, Investitionsentscheidungen

auf der Grundlage seriöser und sorgfältiger Prüfungen zu treffen.

Die zusammenfassenden Ergebnisse und Empfehlungen werden potenziel-

len indischen Investoren ebenso wie der deutschen und indischen Regierung

hoffentlich dabei helfen, das Wirtschafts- und Geschäftsumfeld in beiden

Ländern insgesamt zu verbessern und künftige bilaterale Investitionen noch

mehr zu unterstützen.

Im Namen des CII möchte ich unseren geschätzten Partnern Ernst & Young

und der Bertelsmann Stiftung, ebenso allen Industrieverbänden, deutschen und

indischen Unternehmen sowie Behörden, Wissenschafts- und Finanzinstitu-

tionen für die Beiträge danken, die sie zu dieser Studie geleistet haben.

Ich hoffe, dass unsere gemeinsamen Anstrengungen in den kommenden

Jahren – insbesondere im Kontext des Brexit, der Deutschland zu einem

wichtigen Einfallstor nach Europa machen wird – zu einer stärkeren wirtschaft-

lichen Präsenz Indiens in Deutschland führen werden.

Chandrajit Banerjee

Generaldirektor

Confederation of Indian Industry (CII)

Page 10: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland8

Zusammenfassung

1 Mit einem BIP von 12 Billionen US-Dollar war Europa im Jahr 2016 der

zweitgrößte Markt der Welt. Davon entfielen 3,5 Billionen US-Dollar auf

Deutschland. Insgesamt ca. 17 Prozent aller indischen Auslandsdirektinvesti-

tionen (FDI) flossen zwischen 2010 und dem 1. Quartal 2016 nach Deutsch-

land, während im Vergleich dazu 46 Prozent in Großbritannien getätigt

wurden. Der bevorstehende Brexit wird Deutschlands Position als wichtiges

Einfallstor nach Europa künftig stärken.

2 Eine Analyse von rund 80 führenden Tochterunternehmen in Deutschland

tätiger indischer Unternehmen zeigt, dass 97 Prozent der Umsätze mit

indischem Bezug in Deutschland auf vier Branchen entfallen. An erster Stelle

steht die Metall- und Metall verarbeitende Industrie mit einem Anteil von

40 Prozent, gefolgt von der Automobilindustrie (29 %), der chemisch-pharma-

zeutischen Industrie (19 %) und dem Sektor für professionelle, wissenschaft-

liche und technische Dienstleistungen (9 %).

3 Die Metall- und die Chemieindustrie spielen für FDI sowie für Fusionen und

Übernahmen durch indische Investoren aktuell keine bedeutende Rolle.

Stattdessen nehmen die Automobilindustrie, der Maschinenbausektor und

andere Hochtechnologie-Bereiche wie Industrie 4.0 oder das Internet der

Dinge (IdD) einen wichtigen Platz bei Unternehmensübernahmen und

Neugründungen ein. Eine Entwicklung, hinter der vor allem der Wunsch

steht, Zugang zu deutscher Technologie zu erhalten.

Auch der traditionell wichtige indische Dienstleistungssektor zeigt ein

wachsendes Interesse an einem Zugang zum deutschen Markt, was sich in

Übernahmen und Neugründungen in den Bereichen IT-Dienstleistungen

und Software äußert. Darüber hinaus ist die Pharmaindustrie nach wie vor

höchst attraktiv, was Deutschland den Spitzenplatz auf der Einkaufsliste

indischer Investoren und Unternehmensgründer beschert.

4 Indische Investoren schätzen die hohe Qualität der deutschen Infrastruktur,

die Transparenz (geringe Korruption), das günstige Umfeld für Forschung,

Entwicklung und Innovation, die politische Stabilität und das hohe Ausbildungs-

und Kompetenzniveau der Arbeitskräfte.

5 Insgesamt 83 Prozent des deutschen Mittelstands (kleine und mittlere

Unternehmen) besitzen keinen Nachfolgeplan. 2015 waren über 40 Prozent

der Eigentümer in diesem Wirtschaftssegment 55 Jahre oder älter. Insgesamt

neun Prozent der Unternehmen sahen eine Übernahme innerhalb der

kontrollierenden Familie vor, wohingegen acht Prozent bzw. 50.000 Eigen-

tümer mit einer externen Nachfolge bis 2018 rechneten. Hierin liegt ein

enormes Potenzial für indische Investoren.

Page 11: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Zusammenfassung 9

6 Treibende Kräfte für indische Investitionen in Deutschland sind u. a. der

Wunsch, neue Märkte zu entwickeln, den Unternehmensruf zu verbessern,

Zugang zu Technologien zu gewinnen, Kundennähe herzustellen, neue

Anstöße für Innovationen zu erhalten und Deutschland als Einfallstor nach

Europa zu nutzen.

7 Als subjektive Herausforderungen in Deutschland gelten u. a. der äußerst

intensive Wettbewerb, Schwierigkeiten bei der Suche nach Geschäftspartnern,

die hohen Kosten einer internationalen Geschäftstätigkeit, die Notwendig-

keit, Produkte und Produktqualität anzupassen, sowie Wechselkursrisiken.

8 „Weiche“ Faktoren wie Lebensqualität, Kenntnisse der deutschen Kultur

und Sprache sowie Sicherheit werden nicht als Herausforderungen wahrge-

nommen. Insbesondere indische Auslandskräfte, die bereits in den USA,

Großbritannien oder in Großstädten anderer europäischer Länder gelebt

haben, sehen die hohe Lebensqualität zu erschwinglichen Preisen als einen

starken, positiven Faktor. Darüber hinaus hat sich in Deutschland eine

indische Gemeinde entwickelt, die sich weiter vergrößert, und in deutschen

Großstädten lässt sich auf Englisch kommunizieren. Die deutschen Standards

im Bereich der öffentlichen Sicherheit sind weltweit kaum zu übertreffen.

9 Als wichtigste Erfolgsfaktoren für indische Investitionen in Deutschland

gelten eine angemessene Markteintrittsstrategie, gefolgt von der Zusammen-

arbeit mit den richtigen Partnern vor Ort, der Vorbereitung der Investitionen

durch Knüpfen der richtigen Kontakte und der Ausbildung der Mitarbeiter

des Investitionspartners. Darüber hinaus wird eine stärkere unternehmens-

interne Forschung als wichtig erachtet. Zu den weiteren Erfolgsfaktoren

zählen die Unterstützung durch hoch qualifizierte erfahrene Dienstleister bei

wichtigen Aufgaben, etwa die Suche von Übernahmezielen und Regionen,

die Kenntnis der geltenden Gesetze, Abgaben und Gebühren, die Art und

Weise des Umgangs mit Behörden, die Suche nach Partnern sowie die Erstel-

lung von Markt- und Wettbewerbsanalysen.

10 In der Vergangenheit waren für indische Investoren vor allem niedrige

Kosten entscheidend, was zum Kauf notleidender Unternehmen führte. In

diesen Fällen waren die gezahlten Summen jedoch häufig immer noch zu hoch

und die neuen Eigentümer nicht in der Lage, die Unternehmen zu sanieren.

Investitionen in Deutschland und Deutschland als Investitionsstandort

gerieten in Verruf und indische Investoren vermieden es zunehmend, sich in

Deutschland zu engagieren. Heute haben indische Investoren Erfahrungen

im Bereich Auslandsexpansionen gesammelt und lassen sich bei Investitions-

entscheidungen nicht länger ausschließlich vom Preis leiten.

Page 12: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland10

Einleitung und Ansatz

Kontext

Die Liberalisierung der indischen Wirtschaft im Jahr 1990 löste eine globale

Expansionswelle unter indischen Unternehmen aus, die sich zunächst auf Länder

wie Großbritannien und die Vereinigten Staaten konzentrierte und seit 2005 auch

auf Deutschland erstreckt. Heute zählt Deutschland als führender Hochtechnolo-

gie-Standort mit einem Auslandsinvestitionsvolumen von mehr als sechs Milliar-

den Euro zu den zehn wichtigsten Handelspartnern Indiens.

Die bilateralen Beziehungen zwischen Indien und Deutschland haben eine

jahrzehntelange Tradition. Im Jahr 2000 unternahmen beide Länder mit der

Unterzeichnung der Agenda für die deutsch-indische Partnerschaft im 21.

Jahrhundert einen entscheidenden nächsten Schritt zur Intensivierung ihrer

Zusammenarbeit. Darauf folgte die gemeinsame Erklärung zur Weiterentwicklung

der strategischen und globalen Partnerschaft zwischen Indien und Deutschland im

Jahr 2007. Das Jahr 2011/2012 wurde in Indien als Deutschlandjahr gefeiert, und

seit 2011 werden im Zweijahresrhythmus bilaterale Regierungskonsultationen

abgehalten, die zuletzt im Mai 2017 in Berlin stattfanden.

Ansatz und Methodik

Die vorliegende Studie beruht auf der Auswertung von Experten-Interviews

und aktueller Wirtschafts- und Marktdaten. Dieser kombinierte Ansatz ermög-

licht die Entwicklung eines Gesamtbildes, das sowohl die daten- und faktenbasier-

te wirtschaftliche Realität als auch die persönlichen Wahrnehmungen wichtiger

Akteure – im vorliegenden Fall indischer Investoren – berücksichtigt.

Für die Interviews wurden CEOs und für strategische Expansionen verantwortli-

che Führungskräfte von 32 indischen Unternehmen befragt, die entweder bereits in

Deutschland tätig sind oder dort tätig werden möchten. Das Ziel bestand darin zu

erfahren, wie Spitzenmanager das Potenzial und die Attraktivität Deutschlands als

Investitionsstandort bewerten und von welchen Hindernissen sie ausgehen.

Die drei Partner haben außerdem Intensivseminare mit hochrangigen

Vertretern indischer und deutscher Regierungsbehörden, Universitäten,

Finanzinstitutionen, Unternehmen und Industrieverbänden abgehalten, die einen

kompetenten und diversifizierten Resonanzboden zur Interpretation der

Primärdaten und Marktfakten lieferten.

Page 13: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Einleitung und Ansatz 11

In der Studie werden die für indische Investoren zum derzeitigen Zeitpunkt

attraktivsten Branchen benannt und Schlüsse gezogen, welchen Beitrag die

deutsche und indische Regierung und andere Akteure dazu leisten können, das

wirtschaftliche und geschäftliche Umfeld im Allgemeinen und die bilateralen

Investitionstätigkeiten im Speziellen in Zukunft zu verbessern.

Der erste Abschnitt enthält einen Überblick über die indisch-deutschen

Wirtschaftsbeziehungen. Darin werden zunächst handelsbezogene Daten sowie

Statistiken zu ausländischen Direktinvestitionen (FDI) sowie zu Fusionen und

Übernahmen zusammengefasst; im Anschluss daran wird die indische Wirt-

schaftspräsenz in Deutschland, insbesondere in Bezug auf die Investitionstätig-

keit, genauer beleuchtet. Im zweiten Teil folgt eine Detailanalyse der wichtigsten

Zielbranchen für indische Investoren in Deutschland mit dem Ziel, potenziellen

Investoren eine Orientierungshilfe zu bieten. Im dritten Teil werden die Ergebnis-

se der im Rahmen dieser Studie durchgeführten Befragung dargestellt. Das Ziel

bestand darin, mehr über die Motivation indischer Investoren für die Ausweitung

ihrer Geschäftstätigkeit nach Deutschland und die subjektiv wahrgenommenen

Schwierigkeiten zu erfahren und daraus auf potenzielle Erfolgsfaktoren zu

schließen.

Page 14: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland12

Page 15: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

13

1 Die indisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen

1 A. T. Kearney (2016)

Immer mehr indische Unternehmen erobern sich

einen Platz in der Weltwirtschaft. Private und

staatliche Unternehmen entwickeln neue Märkte

durch Direktimporte, Gründungen von Tochtergesell-

schaften, den Aufbau von Kooperationen und

Allianzen und den Kauf ausländischer Unternehmen.

Parallel zu diesen strategischen Investitionen

betrachten Privatpersonen und reiche Familien das

Ausland zunehmend als attraktives Investitionsziel

für ihr Privatvermögen. Deutschland ist heute dank

seiner politischen und wirtschaftlichen Stabilität,

seiner Technologieführerschaft und des hohen Maßes

an öffentlicher Sicherheit einer der attraktivsten

Investitionsziele weltweit und belegt Platz 4 auf dem

A. T. Kearney Foreign Direct Investment Confidence

Index 20161, noch vor Großbritannien (5. Stelle). Dies

ist die höchste Platzierung seit 14 Jahren.

Diese Entwicklungen werden durch ein robustes

Wirtschaftswachstum auf dem indischen Binnen-

markt gestützt, das indischen Unternehmen ermög-

licht, nach neuen Umsatzpotenzialen und größerer

Kundennähe im Ausland sowie nach Möglichkeiten

Ausschau zu halten, von der Technologie und den

Rohstoffen des Zielstandorts zu profitieren. Der

Zugriff auf diese Waren ermöglicht es ihnen wieder-

um, den Heimatmarkt besser zu bedienen, Produkti-

onsnetzwerke zu sichern und die F&E- und Innovati-

onskapazitäten in Indien zu verbessern.

In diesem Kapitel untersuchen wir zunächst globale

sowie indische und deutsche Wirtschaftsentwicklun-

gen und konzentrieren uns danach auf die indisch-deut-

schen Handelsbeziehungen. Darauf folgt eine Analyse

der indischen FDI in Deutschland und der von Indien

initiierten Fusionen und Übernahmen in Deutschland,

da indische Investitionen in Deutschland beide

Kategorien betreffen. Schließlich untersuchen wir die

indische Präsenz anhand von Unternehmen, die bereits

in Deutschland tätig sind, und betrachten dazu einzelne

Faktoren wie Umsatz, Personalstand, die Schlüssel-

branchen und die Standortverteilung genauer.

1.1 Deutschland und Indien im Kontext

Globaler Fokus: Eine multipolare Welt

Die Weltwirtschaft wird zunehmend multipolar

und die bisherige Dominanz der Industrieländer nimmt

ab. Angesichts dieser Veränderung rücken künftige

Kaufentscheidungen von Unternehmen aus Schwellen-

ländern immer mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit.

Die Wachstumsraten von Indien, China und der

ASEAN-5-Region (Indonesien, Malaysia, Philippinen,

Thailand und Vietnam) liegen weiterhin über dem

Wachstum der Industrieländer (siehe Abbildung 1).

Diese Schwellenländer sind bereits große Märkte für

Konsum- und Investitionsgüter, sowohl aufgrund ihrer

Bevölkerungsgröße als auch aufgrund der Rahmenbe-

dingungen, die eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit

fördern (siehe Tabelle 1).

TABELLE 1 BIP und Bevölkerung 2016

BIP Bevölkerung (Billionen USD) (Millionen)

Eurozone 12,0 339,9*

Deutschland 3,5 82,6

V. Königreich 2,6 65,6

Indien 2,3 1309,7

ASEAN-5 2,1 556,3

China 11,4 1379,0

USA 18,6 324,0

IMF (2016), basierend auf aktuellen Preisen | *Eurostat

1 Die indisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen

Page 16: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland14

Einmalige Entwicklungen weisen den Weg in die Zukunft

In den Jahren seit der Wirtschafts- und Finanzkri-

se 2008 war es aufgrund des zögerlichen und

unbeständigen Aufschwungs schwierig, Prognosen

abzugeben. Dieser Trend setzt sich bis heute fort,

obwohl besondere Entwicklungen im Jahr 2016 die

Zukunft maßgeblich beeinflussen werden.

Eine dieser Entwicklungen ist der bevorstehende

Brexit, der 2016 von der britischen Bevölkerung im

Rahmen eines Volksentscheids über den Austritt aus

der Europäischen Union beschlossen wurde. Die

genauen Auswirkungen dieser historischen Entschei-

dung auf die Europäische Union und die gesamte Welt

lassen sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht

vorhersagen. Im November desselben Jahres wurde

Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten

Staaten gewählt. Die Auswirkungen dieser Wahl, der

Agenda, die der Präsident in einem ungewöhnlichen

Wahlkampf vertrat, und der ersten Maßnahmen der

neuen US-Regierung entziehen sich jeder Einschätzung,

was Prognosen über künftige globale Entwicklungen

noch unsicherer macht. Darüber hinaus haben die

jüngsten Anstrengungen in Richtung einer Neuorientie-

rung der chinesischen Wirtschaft weg vom Export und

hin zu einer stärkeren Binnennachfrage bereits

Auswirkungen auf die weltweiten Handelsmuster und

damit auch auf die Entwicklung der Weltwirtschaft.2

Globales Wachstum gestützt durch die Schwellenmärkte

Trotz dieser Entwicklungen wird davon ausgegan-

gen, dass das globale Wachstum im Jahr 2017 in

Schwung kommt. Anfang 2017 prognostizierte der

Internationale Währungsfonds (IMF) ein Weltwirt-

schaftswachstum von 3,4 Prozent für 2017 und von

3,6 Prozent für 2018, d. h. eine Steigerung von 3,1

Prozent gegenüber dem Wachstum im Jahr 2016.

Dieses Wachstum wird voraussichtlich vor allem von

den Schwellen- und Entwicklungsmärkten getragen

werden, wobei zwei Faktoren ins Spiel kommen:

Erstens normalisieren sich in einigen rezessionsge-

schüttelten Ländern wie Russland und Brasilien die

makroökonomischen Bedingungen allmählich und

zweitens führt das zunehmende Gewicht der rasch

wachsenden Schwellen- und Entwicklungsländer

innerhalb der weltweiten gesamten Wirtschaftstätig-

keit zu einer globalen Verbesserung.3

2 IMF (2016)3 IMF (2017a)4 IMF (2017b)

Indien als wichtige Quelle für künftige globale

Investitionen

In den letzten Jahrzehnten hat Indien seine

Fähigkeit zu schnellem Wachstum unter Beweis

gestellt, auch wenn das Land immer noch deut-

lich hinter China, seinem Gegenpart unter den

Schwellenländern, liegt. Der Einzug aller 500- und

1000-Rupien-Scheine, der von der indischen Regie-

rung am 8. November 2016 bekannt gegeben

wurde, hat das Wachstum nicht spürbar verlangsamt.

Vielmehr hat dieser Schritt zu einem verstärkten

Vertrauen in die Fähigkeit der Regierung geführt, die

Transparenz zu erhöhen und die Korruption zu

bekämpfen. Wichtige Wirtschaftsindikatoren zeigen

positive Entwicklungen während der letzten Jahre,

insbesondere bezüglich Inflation, Haushaltsdefiziten

und Währungsstabilität. Die durchschnittliche

jährliche Inflation der Verbraucherpreise sank von 9,4

Prozent im Jahr 2013 auf 5,5 Prozent im Jahr 2016. Im

selben Zeitraum verbesserte sich das Defizit in Prozen-

ten des potenziellen BIP von –7,5 Prozent im Jahr 2013

auf –6,7 Prozent im Jahr 2016 – ein Hinweis darauf,

dass Staatsausgaben wirkungsvoller und effektiver

eingesetzt werden.4

Die regierende Bharatiya-Janata-Partei (BJP)

unter Premierminister Narendra Modi konnte im

März 2017 Wahlen in dem wichtigen und bevölke-

rungsreichsten indischen Bundesstaat Uttar Pradesh

gewinnen und ihre Macht stabilisieren. Durch die

aktuelle Liberalisierung von FDI im Rahmen der

Kampagne „Make it in India“ und enorme Investitio-

nen in Infrastruktur und Technologie mit Initiativen

zur Unterstützung des Internets der Dinge, Smart

Cities und Start-ups im Allgemeinen steht das für

2017 erwartete Wachstum von 7,2 Prozent auf einer

soliden Grundlage, wobei noch mehr Potenzial

vorhanden ist (siehe Abbildung 1).

Die Industrieländer bleiben Stabilitätsanker

Trotz einer zunehmend multipolaren Welt bleiben

die Industrieländer ein Stabilitätsanker und stellen

damit ihre anhaltende Bedeutung unter Beweis.

Insbesondere Deutschland zeigt ein stabiles Wachs-

tum, das auf einem starken Exportsektor und einer

wachsenden Binnennachfrage beruht und zum Teil

auch auf die hohen Staatsausgaben für Flüchtlinge

Page 17: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

151 Die indisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen

zurückzuführen ist. Letztere sind ausdrücklich der

hohen Stabilität in Deutschland zu verdanken, darunter

auch der Solidität der mittelständischen Unternehmen

als dem Rückgrat der deutschen Wirtschaft – eine

Robustheit, die zur Bereitstellung außerordentlicher

humanitärer Hilfsleistungen geführt hat.

Der Saldo der deutschen Leistungsbilanz lag 2016

bei bemerkenswerten 8,6 Prozent, ein Zeichen für die

außergewöhnlich starke Wettbewerbsfähigkeit der

deutschen Wirtschaft.5 Auch das BIP-Wachstum

erwies sich trotz der Unsicherheit, die durch den

Ausgang des Brexit-Referendums im Vorjahr

entstand, als stabil. Die allgemeine Wirtschaftslage

5 IMF (2017c)6 Eurostat (2017)7 European Commission (2017)

führte zu einem robusten Arbeitsmarkt mit einer

Arbeitslosenquote von rund 3,8 Prozent im Januar

2017, dem niedrigsten Wert in der Eurozone und dem

zweitniedrigsten in der Europäischen Union.6

Auf EU-Ebene wurde die Stabilität durch die

Wahlen in den Niederlanden gestärkt, die Anlass zur

Hoffnung gaben, dass Rechtspopulisten die Basis für

eine starke europäische Wirtschaftsentwicklung

nicht untergraben können.

Die geschilderten Rahmenbedingungen machen

aus Deutschland und Indien natürliche Partner für

gemeinsame Handels- und Investitionsprojekte,

für Innovationen und für einen gegenseitigen Kultur-

austausch.

Die vorliegende Studie betrachtet Kooperation

und Austausch in erster Linie aus dem indischen

Blickwinkel. Dadurch eröffnet sich eine neue

Perspektive auf die indisch-deutschen Geschäftsbe-

ziehungen, die gewöhnlich vom deutschen Stand-

punkt aus gesehen werden.

Die indisch-deutschen Handelsbeziehungen

Auf EU-Ebene betrug das Handelsvolumen

zwischen Europa und Indien 2016 insgesamt 77

Milliarden Euro. Dieser Wert liegt leicht unter dem

Rekord von 80,6 Milliarden Euro im Jahr 2011, bleibt

aber dennoch auf einem stabil hohen Niveau im

Vergleich zu 2006 (46,9 Milliarden Euro) und 2010

(68,4 Milliarden Euro). 2016 war Indien der neunt-

wichtigste Handelspartner der EU 28.7

Innerhalb der EU ist Deutschland der wichtigste

Handelspartner für Indien und weltweit der sechswich-

tigste Handelspartner hinsichtlich der Bereitstellung

von Waren und Dienstleistungen. Dagegen steht Indien

unter den wichtigsten Handelspartnern Deutschlands

an 25. Stelle, an 28. Stelle bei Importen und an 27. Stelle

bei Exporten. Das gesamte bilaterale Handelsvolumen

für Güter und Dienstleistungen betrug 22,1 Milliarden

Euro im Jahr 2015 und lag damit leicht unter dem Wert

von 22,3 Milliarden Euro im Jahr 2011, aber immer

noch auf einem hohen Niveau.

Der indisch-deutsche Handel stieg nach der

Umsetzung der Reformen in Indien in den 1990er

Jahren deutlich an, wobei die Jahre 2011 bis 2014

jedoch von einer Schwächephase gekennzeichnet

waren.

ABBILDUNG 1 Prognose für BIP-Wachstum,

2016/2017 (in Prozent)

Eurozone

1,7

1,6

Deutschland

1,7

1,5

Vereinigtes Königreich

2,0 1,5

Indien 6,6

7,2

ASEAN-5* 4,8

4,9

China 6,7

6,5

USA

1,6

2,3

2016 2017

* Indonesien, Malaysia, Philippinen, Thailand, Vietnam** Prognostizierte weltweite BIP-Wachstumsrate 2017

IWF (2017)

0% 3,4% global** 10%

Page 18: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland16

Warenhandel

Der Warenhandel sank 2011 von ca. 18,4 auf 16

Milliarden Euro, wobei die Exporte nach Indien

stärker zurückgingen als die Importe aus Indien (siehe

Abbildung 2). Nach diesem Rückgang erholte sich der

Warenhandel und stieg 2015 auf insgesamt 17,3 und

2016 auf 17,4 Milliarden Euro. In Bezug auf den

Warenaustausch mit Indien konnte Deutschland in

den letzten Jahren durchweg einen Überschuss

verzeichnen.8

Fast ein Drittel der deutschen Exporte nach

Indien entfällt auf Maschinen und technische Güter.

Weitere Exportgüter sind Elektronikbauteile,

Metall- und Chemieprodukte sowie Fahrzeuge und

Fahrzeugteile. Dagegen machen Textilien den größten

Anteil der Importe aus Indien aus, nämlich ca. 25

Prozent des Gesamtvolumens 2015 (siehe Abbildung

2). An zweiter Stelle stehen chemische Produkte mit

einem Anteil von 13 Prozent, gefolgt von Nahrungs-

mitteln und landwirtschaftlichen Gütern mit einem

Anteil von ca. neun Prozent.

8 Destatis (2017)

Handel mit Dienstleistungen

Bei der Entwicklung des Handels mit Dienstleis-

tungen zwischen Indien und Deutschland zeigt sich

ein anderes Bild. Außer im Jahr 2014 stiegen die

Handelsvolumina stetig an, von ungefähr 3,9 Milliar-

den Euro 2011 auf 4,8 Milliarden Euro 2015 (siehe

Abbildung 4). Im Gegensatz zum Warenhandel weist

Indien seit 2012 bezogen auf Dienstleistungen einen

Handelsüberschuss mit Deutschland auf, der sich

2015 insgesamt auf ca. 0,5 Milliarden Euro belief.

Dies entspricht der starken Position Indiens im

Dienstleistungsbereich, insbesondere bezüglich der

Auslagerung ganzer Geschäftsprozesse (BPO) und bei

IT-Dienstleistungen.

2015 waren ca. 39 Prozent der deutschen

Dienstleistungsexporte nach Indien Transportleistun-

gen, gefolgt von elektronischer Datenverarbeitung

(EDV) mit einem Anteil von ungefähr 22 Prozent.

Daran zeigen sich die Stärke und Weltmarktführung

der deutschen Wirtschaft im Logistiksektor.

ABBILDUNG 2 Der deutsche Warenhandel

mit Indien, 2011–2015

Exporte nach Indien Importe aus Indien

Destatis (2016)

20 Milliarden €

15

10

5

02012 2013 2014 20152011

10

,96

7,5

4

10

,47,

02

9,1

56

,97

8,8

97,

09

9,7

77,

56

ABBILDUNG 3 Warenimporte aus Indien

nach Sektor, 2015 (in Prozent)

Textilien Chemieprodukte

Nahrungsmittel und Agrarprodukte

Metalle und Metallprodukte

Maschinen Elektronische Geräte

Pharmaprodukte

Kraftfahrzeuge und Zubehör Sonstige

Destatis (2016)

� �� �������������� 25

13

98

8

7

5

5

20

Page 19: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

1 Die indisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen 17

F&E-Leistungen stellen mit einem Anteil von

ungefähr 27 Prozent den bedeutendsten Sektor für

Importe aus Indien dar, gefolgt von Telekommunikati-

onsleistungen, EDV- und IT-Dienstleistungen, die

gemeinsam ca. 23 Prozent betragen. Zusammen

machen diese beiden Sektoren ungefähr die Hälfte

aller Dienstleistungsimporte aus Indien nach Deutsch-

land aus (siehe Abbildung 5). Indien unterstützt

Deutschland somit in Sektoren, die entscheidend für

die künftige Entwicklung und die Wettbewerbsfähig-

keit als Hochtechnologiestandort sind (siehe „Brenn-

punkt: Indische Fachkräfte in Deutschland”).

Es wird deutlich, dass der Handel zwischen Indien

und Deutschland eine wesentliche Rolle in den

Geschäftsbeziehungen der beiden Länder spielt.

Doch eine separate Untersuchung des Handels ergibt

noch kein vollständiges Bild der Beziehung zwischen

den beiden Ländern. Im folgenden Kapitel werden

daher Investitionsströme in Form von FDI sowie

Fusionen und Übernahmen beschrieben und analy-

siert, wobei wiederum die indische Perspektive

eingenommen wird.

ABBILDUNG 4 Der deutsche Dienstleistungs-

handel mit Indien, 2011–2015

Exporte nach Indien Importe aus Indien

Destatis (2016)

02012 2013 2014 20152011

4

5 Milliarden €

3

2

1

1,7 2,0

2,3

2,2

2,7

2,2

2,0

1,9

1,8

2,1

ABBILDUNG 5 Dienstleistungsimporte

aus Indien nach Sektor, 2015 (in Prozent)

F&E-Leistungen

Telekommunikations-, EDV- und

IT-Dienstleistungen

Technische Dienstleistungen

Beratungsdienstleistungen

für Freiberufler und Unternehmer

Transportleistungen Sonstige

Destatis (2016)

� �� �� �� �� ��27

23

20

14

124

Page 20: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland18

1.2 Indische Investitionen in Deutschland

Seit 2010 haben indische Unternehmen ca. 140

große Investitionsprojekte in Deutschland initiiert.

Diese Zahl beinhaltet alle angekündigten großen

FDI-Projekte bis einschließlich des ersten Quartals

2016 ebenso wie abgeschlossene Fusionen und

Übernahmen bis einschließlich des ersten Quartals

2017 und vermittelt das genaueste verfügbare

Gesamtbild, gestützt auf die zum Zeitpunkt der

Erstellung dieses Berichts aktuellen Daten.

Die tatsächlichen länderübergreifenden und die

Investitionsströme betreffenden Daten können

abweichen, da viele Unternehmen Investitionen über

Drittländer abwickeln, um von den dort geltenden

gesetzlichen Bestimmungen zu profitieren. Deshalb

könnte die tatsächliche Zahl von FDI-Projekten,

Fusionen und Übernahmen durch indische Investoren

größer sein.

Zu den FDI-Projekten gehören Neuinvestitionen,

Kolokationsprojekte und die Erweiterung bestehender

Standorte. Ausgenommen sind Fusionen, Übernahmen

oder Joint Ventures, es sei denn, diese führen zu neuen

Werken oder zur Schaffung neuer Arbeitsplätze.

Daher ist es möglich, dass eine Fusion oder Übernah-

me gleichzeitig auch als FDI-Projekt gilt. Daten zur

Zahl der Arbeitsplätze, die durch Investitionsprojekte

unter indischer Führung geschaffen wurden, liegen für

ca. 57 Prozent der Projekte in Europa und für ca. 36

Prozent der Projekte in Deutschland vor. Zu den

Fusionen und Übernahmen zählen öffentlich bekannt-

gegebene sowie abgeschlossene, aber nicht öffentlich

bekanntgegebene Transaktionen mit mehrheitlich

indischen Bietern und Transaktionszielen, die sich

vorwiegend in Deutschland befinden. Manche

Transaktionen bleiben an dieser Stelle aufgrund ihrer

geringen Größe unberücksichtigt.

Im angegebenen Zeitraum entstanden mehrere

Joint Ventures, insbesondere in der IT-Branche, die

später zu einer vollständigen Übernahme durch die

indischen Geschäftspartner führten und daher

erfolgreiche Beispiele für die indisch-deutsche

Zusammenarbeit sind. Sie werden im nachfolgenden

Abschnitt über Fusionen und Übernahmen ausführ-

lich beschrieben.

9 UNCTAD (2017)10 UNCTAD (2015)

Indische FDI weltweit

Auslandsdirektinvestitionen aus Indien waren in

den vergangenen Jahren leicht rückläufig und

erreichten 2013 ihren niedrigsten Stand seit der 2002

in Kraft getretenen Lockerung der diesbezüglichen

gesetzlichen Bestimmungen. Die weltweite Gesamt-

summe sank von 15,9 Milliarden US-Dollar im

Geschäftsjahr 2010 auf knapp 1,7 Milliarden

US-Dollar im Geschäftsjahr 2013 (siehe Abbildung 6).

Trotz dieser Entwicklung verfügt Indien über einen

enormen kumulativen Bestand an Direktinvestitio-

nen, der Ende 2015 139 Milliarden US-Dollar betrug.

Die Bedeutung dieser Zahl wird noch klarer, wenn

man berücksichtigt, dass der FDI-Bestand aus Indien

zum Ende des Geschäftsjahrs 1998 unter einer

Milliarde US-Dollar lag.9 Dennoch ist das FDI-Volu-

men in Prozent vom BIP im Vergleich zu Industrielän-

dern wie den USA (36 %), Deutschland (41 %),

Großbritannien (54 %) oder Japan (25 %) immer noch

relativ gering (6,3 %).10

Zwischen 2010 und dem ersten Quartal 2016

kündigten indische Muttergesellschaften ca. 583

FDI-Projekte in Europa an. Ein Blick auf die Zahlen

seit 2010 zeigt, dass die jährliche Anzahl neuer

ABBILDUNG 6 Indische Direktinvestitions-

ströme und -bestand weltweit, 2010–2015*

Investitionsbestand Investitionsströme

*Ströme und Bestand am Ende des Geschäftsjahres

(April–März)

UNCTAD (2017)

160 Milliarden $

120

30

80

20

40

10

0 02011 2012 2013 2014 20152010

109,5118,1 119,8

131,5139,0

96,9

12,5

8,5

11,8

7,5

1.7

15,9

Page 21: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

1 Die indisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen 19

Projekte 2015 mit 129 Projekten nach dem Rück-

gang 2013–2014 einen Höchststand erreichte hatte

(siehe Abbildung 7). Der Rückgang im Jahr 2014

ist wahrscheinlich auf die angespannte Wirtschafts-

lage in Indien zum damaligen Zeitpunkt zurückzu-

führen, die vor dem Amtsantritt von Premierminister

Modi 2014 durch eine allgemeine wirtschaftliche

Ungewissheit gekennzeichnet war.

Großbritannien und Deutschland als wichtigste Ziele

für indische FDI

Auf Landesebene konnte Großbritannien mit

insgesamt 265 Projekten mit Abstand die meisten

FDI-Projekte in diesem Zeitraum anziehen. Das

entspricht ca. 45,5 Prozent aller indischen Projekte in

Europa (siehe Abbildung 8). Als Investitionsstandort

bietet Großbritannien besondere Vorteile, u. a.

aufgrund der englischen Sprache und der Rolle des

Landes als Einfallstor nach Europa, eine Funktion, die

von vielen indischen Unternehmen als sehr wertvoll

erachtet wird. Deutschland liegt, wenn auch mit

deutlichem Rückstand, mit 96 Projekten bzw. einem

Anteil von ca. 16,5 Prozent unter den attraktivsten

Standorten für indische Investoren an zweiter Stelle.11

Auf Großbritannien und Deutschland gemeinsam

entfallen fast zwei Drittel aller indischen FDI-Projek-

te in Europa, was die Attraktivität und Bedeutung

dieser Länder als Investitionsziele unterstreicht.

11 EY European Investment Monitor (2017)

Durch indische Investoren geschaffene Arbeitsplätze

Im selben Zeitraum entstanden insgesamt 33.900

Arbeitsplätze durch indische Investitionen in Europa.

Der Großteil davon entfiel auf Großbritannien, wo

21.029 Arbeitsplätze bzw. rund 62 Prozent geschaf-

fen wurden. Deutlich dahinter lagen die osteuropäi-

schen Länder Slowakei, Ungarn und Polen mit jeweils

2.800, 1.975 bzw. 1.615 neu geschaffenen Arbeits-

plätzen.

Obwohl Deutschland unter den Standorten für

indische FDI-Projekte an zweiter Stelle lag, wurden

dort im Untersuchungszeitraum nur 1.330 Arbeits-

plätze geschaffen. Das stützt die Annahme, dass die

Zahl der FDI-Projekte nicht unbedingt mit der Zahl

der geschaffenen Arbeitsplätze korreliert. In den

genannten osteuropäischen Ländern wird hauptsäch-

ABBILDUNG 7 Zahl der indischen FDI-Projekte

in Europa, 2010 bis Q1 2016

*Q1 2016

EY European Investment Monitor (2017)

0

2011

79

2013

103

2015

129

2012

74

2014

93

2016*

10

2010

95

ABBILDUNG 8 Die wichtigsten europäischen

Länder nach Zahl der indischen FDI-Projekte,

2010 bis Q1 2016

Vereinigtes Königreich

265

Deutschland

96

Belgien 39

Frankreich 31

Niederlande 30

Spanien 20

Russland 15

Schweiz 11

Polen 9

Türkei 8

Sonstige 59

EY European Investment Monitor (2017)

300100 2000

Page 22: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland20

lich in arbeitskraftintensive Geschäftstätigkeiten

investiert, etwa in die Automobilproduktion. So plant

der Tata-Konzern die Eröffnung eines neuen Werks

für die Jaguar-Land Rover-Sparte in der Slowakei,

durch das allein in diesem Land 2.800 angekündigte

neue Arbeitsplätze entstehen sollen. Man kann

davon ausgehen, dass dieses Werk hauptsächlich

westeuropäische Länder über Osteuropa bedienen

wird, was dank des europäischen Binnenmarkts

möglich ist. Das Werk kann aber auch internationale

Märkte beliefern.12

12 Tata Motors (2016)

Mit Blick auf Deutschland zeigt sich, dass die

meisten Projekte mit der Einrichtung lokaler

Vertriebs- und Marketingabteilungen verbunden

sind, die weniger personalintensiv sind als die

Produktion. Insgesamt 56, d .h. mehr als 58 Pro-

zent aller durchgeführten Projekte, betrafen die

Einrichtung von Vertriebs- und Marketingeinheiten.

Somit entstanden in diesem Bereich 235 Arbeits-

plätze, was lediglich rund 17,7 Prozent aller durch

indische FDI in Deutschland entstandenen Arbeits-

plätze entspricht (siehe Abbildung 9). Auf andere

FDI-Projekte, zu denen auch die Einrichtung

von Produktionsstätten (nur 17 Projekte im Untersu-

chungszeitraum) zählt, entfielen hingegen fast 60

Prozent aller durch indische Investitionen geschaffe-

nen Arbeitsplätze.

Beinahe die Hälfte aller indischen Investitions-

projekte in Deutschland betraf Software, Maschinen

und Anlagen oder Unternehmensdienstleistungen,

wobei sich letztere hauptsächlich auf IT-Dienstleis-

tungen bezogen (siehe Abbildung 10). Das Interesse

indischer Investoren am sekundären Sektor wird

deutlich, wenn man die auf den jeweiligen Sektor

ABBILDUNG 9 Indische FDI in Deutschland

nach Geschäftstätigkeit, Zahl der Projekte und

entstandenen Arbeitsplätze, 2010 bis Q1 2016

Vertrieb und Marketing

56

235

Produktion

17

795

Forschung und Entwicklung

9

10

Unternehmenszentrale

4

84

Prüfung und Instandhaltung

4

3

Rechenzentrum

3

151

Kontaktcenter

2

50

Shared Services Center

1

2

Anzahl der Projekte

geschaffene Arbeitsplätze

EY European Investment Monitor (2017)

100010 1000

ABBILDUNG 10 Indische FDI-Projekte

in Deutschland nach Sektor, 2010 bis Q1 2016

(in Prozent)

Software Maschinen und Anlagen

Unternehmensdienstleistungen

Automobilproduktion

Gummi- und Kunststofferzeugnisse

Pharmazeutika Metallerzeugung

Baubranche Sonstige

EY European Investment Monitor (2017)

� �� �� ������������ 23

14

1176

4

4

4

27

Page 23: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

1 Die indisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen 21

entfallenden Anteile an Projekten im übrigen Europa

vergleicht. So betrafen etwa nur drei Prozent der

FDI-Projekte in anderen europäischen Ländern den

Bereich Maschinen und Anlagen, im Gegensatz zu

einem Anteil von 14 Prozent in Deutschland. Dagegen

bevorzugten indische Investoren in den anderen

europäischen Ländern eher den Bereich Unterneh-

mensdienstleistungen, auf den europaweit beinahe

20 Prozent, in Deutschland hingegen nur elf Prozent

entfielen.13

13 EY European Investment Monitor (2017)

Angesichts der Zahl der pro Projekt geschaffenen

Arbeitsplätze scheinen Investitionsprojekte in

Rechenzentren mit mehr als 50 Arbeitsplätzen pro

Projekt für die Investitionsstrategie in Deutschland

höchst attraktiv (siehe Abbildung 9).

Die relative größte Zahl an Projekten wurde für

Hessen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württem-

berg angekündigt, die im Untersuchungszeitraum

gemeinsam fast zwei Drittel der indischen FDI-Pro-

jekte in Deutschland auf sich zogen (siehe Karte 1).

Brennpunkt | Chancen im Zusammenhang mit dem Brexit

Am 23. Juni 2016 stimmten die Bürgerinnen und Bürger Großbritanniens in

einer historischen Entscheidung mit 51,9 zu 48,1 Prozent der Stimmen für den

Austritt des Landes aus der Europäischen Union. Am 29. März 2017 berief sich

die britische Regierung auf Artikel 50 der Lissabonner Verträge und leitete

damit die Austrittsverhandlungen mit den verbleibenden 27 EU-Mitgliedstaa-

ten ein.

Ein harter Brexit wird wahrscheinlicher

Die Umsetzung des Brexit wird ein komplexer Prozess und seine Modalitä-

ten lassen sich nur schwer vorhersagen. Aktuelle Entwicklungen machen einen

so genannten harten Brexit wahrscheinlich, wodurch Großbritannien die

meisten seiner privilegierten Beziehungen zur Europäischen Union abbrechen

würde, wovon auch der privilegierte Zugang zum europäischen Binnenmarkt

betroffen wäre.

Aufgrund der herausragenden Bedeutung von FDI für die wirtschaftliche

Gesundheit Europas sind die Auswirkungen des Brexit auf die Investitions-

mobilität und Standortentscheidungen für Unternehmen und Regierungen

gleichermaßen wichtig. Daher sind potenzielle Investoren unabhängig davon,

wie der Brexit am Ende umgesetzt wird, im Hinblick auf zukünftige Geschäfts-

entscheidungen bereits jetzt verunsichert und entwickeln Alternativen, um

mögliche Schäden zu begrenzen.

Page 24: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland22

In der von EY durchgeführten Studie zur Attraktivität des Standorts Europa

bezeichneten Investoren die Instabilität in Europa als größten Risikofaktor.14

Immerhin gaben trotz des unsicheren politischen und wirtschaftlichen Umfelds

rund 56 Prozent der Befragten an, in den kommenden drei Jahren Investitionen in

Europa zu planen – ein Zeichen für anhaltenden Optimismus

Großbritannien als wichtigstes Ziel für FDI in Europa

Historisch betrachtet ist Großbritannien, auf das im Jahr 2015 rund 20,9

Prozent aller Projekte entfielen, das Hauptziel für ausländische Direktinvestiti-

onen in Europa. Allerdings hat der Brexit schon jetzt spürbare Auswirkungen.

Rund 71 Prozent der für die EU-Studie befragten ausländischen Investoren

gaben an, bereits in mindestens einem ihrer Geschäftsbereiche gewisse

Auswirkung des Abstimmungsergebnisses bemerkt zu haben, wobei sich der

Vertrieb, die Beschaffungskosten und die operativen Margen besonders anfällig

zeigen. Daher ist es nicht überraschend, dass der Brexit zu den drei Hauptsor-

gen ausländischer Investoren zählt – er wurde von rund 33 Prozent der

Befragten genannt – und besonders diejenigen beunruhigt, die sich in Großbri-

tannien engagieren. Nur rund 15 Prozent der Unternehmen ohne Geschäftstä-

tigkeit in Großbritannien bezeichneten den Brexit als Risiko.

Ein Umdenken bei europaweiten Aktivitäten

In diesem Zusammenhang zeichnet sich bereits zum jetzigen Zeitpunkt ein

Umdenken in Bezug auf europaweite Tätigkeiten und Investitionen ab. Die Ein-

stellung gegenüber Großbritannien als Investitionsstandort ändert sich, wie ein

Blick auf ausländische, bereits in dem Land investierte Unternehmen verdeutlicht.

Rund 86 Prozent der derzeit in Großbritannien aktiven ausländischen Unternehmen

planen keine Veränderung oder Verlegung ihres europäischen Geschäftsstandorts

innerhalb der kommenden drei Jahre, selbst wenn Großbritannien den europäischen

Binnenmarkt verlässt. Doch 14 Prozent dieser Unternehmen gaben an, bestimmte

Geschäftstätigkeiten im Fall eines Brexit verändern oder verlegen zu wollen.

Das ist ein bedeutsamer Trend angesichts des Stellenwertes ausländischer

Direktinvestitionen für Großbritannien, deren Bestand 2015 einen Anteil von 49,4

Prozent am Bruttoinlandsprodukt ausmachte, während dieser Anteil innerhalb der

EU 28 nur bei 47,2 Prozent lag.15 Einige Unternehmen in bestimmten Branchen

müssen ihre Geschäftstätigkeiten möglicherweise in ein Land der EU 27 verlegen,

um den Zugang zu Rechten zu behalten, die ausschließlich EU-Unternehmen

vorbehalten sind. So können beispielsweise Pharma-Unternehmen gezwungen sein,

Großbritannien zu verlassen, um die EU-Zulassung für einige ihrer Medikamente zu

erhalten. Ähnlich könnte es für Unternehmen im stark regulierten Bankensektor

notwendig sein, eine Niederlassung in der EU einzurichten, um ihre Produkte

weiterhin auf dem Binnenmarkt zu vertreiben.

Wie in Abschnitt 1.2 bereits beschrieben, sind indische Investoren in Großbri-

tannien aufgrund der besonderen Vorteile des Landes, etwa wegen des Gebrauchs

der englischen Sprache und der Funktion als Einfallstor nach Europa, wirtschaftlich

stark engagiert. Sollte insbesondere Letzteres wegfallen, könnten sich die ausländi-

schen Investitionsströme in Europa verändern und Großbritannien könnte als

Standort für bestimmte Unternehmen und Geschäftstätigkeiten an Attraktivität

verlieren.

14 EY’s European Attractiveness Survey (2017)15 OECD FDI Stock (2017)

Page 25: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

1 Die indisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen 23

Die Ergebnisse der Attraktivitätsstudie vor und nach dem Brexit

Einen ersten Hinweis auf den bevorstehenden Wandel liefern die Befragun-

gen, die 2016 vor und nach dem Brexit-Referendum durchgeführt wurden. Im

Rahmen der Attraktivitätsstudie Großbritannien wurden Entscheidungsträger

befragt, wie sich die Attraktivität des Landes ihrer Einschätzung nach in den

kommenden drei Jahren verändern werde. In der Befragung vom Frühjahr 2016

fiel der Anteil der Befragten, die eine Verbesserung erwarteten, auf 36 Prozent

gegenüber 54 Prozent im Jahr 2015. In der Umfrage im Herbst 2016 sank dieser

Anteil weiter auf 29 Prozent, während sich der Anteil der Befragten, die einen

Attraktivitätsverlust erwarteten, innerhalb von sechs Monaten von 16 auf 34

Prozent verdoppelte. Eine derart pessimistische Einstellung wurde seit der

ersten Befragung 2004 nicht beobachtet.16

Vergleichbar dazu sank die Attraktivität Großbritanniens als bevorzugter

Standort für FDI innerhalb Europas von 27 Prozent im Frühjahr 2016 auf 22

Prozent im Herbst desselben Jahres (siehe Abbildung 11). Im selben Zeitraum

nahm die Attraktivität anderer europäischer Länder zu – insbesondere Deutsch-

lands, dessen Attraktivität sich von 38 auf 40 Prozent erhöhte und das damit

aktuell der beliebteste Standort für FDI ist. In diesem Fall ist dies auf die starke

Wirtschaftsleistung und die verbreiteten Englischkenntnisse zurückzuführen.

Allerdings könnte Großbritannien für manche

Unternehmen auch attraktiver werden, je nachdem,

ob die Stabilität zurückkehrt und wie sich die Politik

im Allgemeinen im Land und in Europa entwickelt.

Großbritannien bietet neben anderen Vorteilen nach

wie vor eine solide Staatsführung, einen flexiblen

und qualifizierten Arbeitsmarkt und wettbewerbsfä-

hige Steuersätze, und London bleibt unbestritten

eine der wichtigsten Metropolen der Welt.17

In dieser Studie stimmten die Teilnehmer – die-

ses Mal aus indischer Perspektive –– der Aussage zu,

dass die Attraktivität Deutschlands als Investitions-

standort zunehmen wird.

Trotz der wahrgenommenen Risiken und der

allgemeinen Unsicherheit gaben lediglich vier

Prozent der im Rahmen des EY European Attractive-

ness Survey Befragten an, auf das veränderte

gesetzliche Umfeld und die Risiken gut vorbereitet

zu sein. Auch daran wird deutlich, dass der Brexit

bereits einen deutlichen Einfluss auf künftige

Investitionsentscheidungen genommen hat.

16 EY’s UK Attractiveness Survey (2012–2017)17 EY’s European Attractiveness Survey (2017)

ABBILDUNG 11 Die drei führenden Standorte

für FDI in Europa (erste Wahl), Frühjahr und

Herbst 2016

Frühjahr 2016 Herbst 2016

EY‘s European Attractiveness Survey 2017

38%

40%

27%

22%

VereinigtesKönigreich

Niederlande

Irland

Frankreich

Deutschland

7%8%

1%2%

5%4%

Page 26: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland24

Fusionen und Übernahmen durch indische

Investoren in Deutschland

Neben den Zahlen für Handel und Investitionen

sind Fusionen und Übernahmen Indikatoren für das

Ausmaß der wirtschaftlichen Integration zwischen

Staaten und Regionen. Im Allgemeinen finden die

meisten Fusionen und Übernahmen in den Industrie-

ländern statt, aber auch Schwellenländer wie China

und Indien sind weltweit vermehrt in diese Aktivitä-

ten involviert.

Im Jahr 2016 hatte Deutschland gemessen am

Transaktionswert einen Anteil von 9,9 Prozent an

allen Fusionen und Übernahmen, hinter Großbritan-

nien mit 23,6 und Frankreich mit 10,5 Prozent. Im

Jahr 2016 betrug der Gesamtwert aller 866 in

Deutschland getätigten Abschlüsse 72,2 Milliarden

Euro. Speziell im Hinblick auf Fusions- und Übernah-

megeschäfte mit indischen Bietern war Deutschland

bezogen auf die Zahl der abgeschlossenen Fusionen

und Übernahmen seit 2010 das zweitwichtigste Ziel

in der EU, nach Großbritannien und vor Italien.

EU-weit investierten indische Bieter am häufigsten in

die Sektoren Industrieprodukte und -dienstleistun-

gen, Automobile, Unternehmensdienstleistungen,

Pharma sowie Software und Computerdienstleistun-

gen.18

Zwischen 2010 und dem ersten Quartal 2017 kam

es in Deutschland zu etwa 41 großen Fusionen und

Übernahmen durch indische Investoren. Unter

Berücksichtigung der zuvor beschriebenen Probleme

bei der Datenerhebung zeigt Abbildung 12 die

Verteilung der Abschlüsse durch indische Investoren

von 2010 bis heute mit durchschnittlich fünf bis sechs

großen Transaktionen pro Jahr. Auch wenn sich daraus

kein Trend ablesen lässt, zeigen sich in den Jahren 2011,

2014 und 2016 Spitzen mit sieben oder mehr Abschlüs-

sen. Der Gesamtwert aller Transaktionen indischer

Investoren, zu denen öffentlich zugängliche Daten

vorliegen, belief sich in diesem Zeitraum auf mindes-

tens 852 Millionen Euro.19

Eine Branchenanalyse der großen Fusionen und

Übernahmen zwischen 2010 und dem ersten Quartal

2017 zeigt das besondere Interesse der indischen

Bieter am Sektor Industrieerzeugnisse

und industrielle Dienstleistungen (einschließlich der

Teilbranchen Maschinen und Anlagen sowie

Metallerzeugung), auf die rund 30 Prozent aller

18 Mergermarket (2017)19 ebd.

Abschlüsse entfallen (siehe Abbildung 13). Eine

wahrscheinliche Erklärung dafür ist der Wunsch,

Technologie zuzukaufen und Kundenzugang zu gewin-

nen, da Deutschland in diesem Bereich als Branchen-

führer gilt. Diese Hypothese wird durch die Analyse

von Fusionen und Übernahmen durch indische

Investoren innerhalb der restlichen EU erhärtet, wo

auf Industrieerzeugnisse und industrielle Dienstleis-

tungen lediglich 15 Prozent entfallen.

An zweiter Stelle unter den Abschlüssen in

Deutschland steht die Automobilbranche mit einem

Anteil von rund 21 Prozent. Zu den besonders

erwähnenswerten Transaktionen gehören die

Übernahme der Peguform GmbH für 142 Millionen

Euro durch Motherson Sumi Systems Ltd. im Jahr

2011 (die Peguform GmbH ist ein deutsches Unter-

nehmen, das Außen- und Innengestaltungsprodukte

für die Automobilindustrie und verwandte Industrien

herstellt) sowie die Übernahme der Neumayer Tekfor

GmbH durch die Amtek Group im Jahr 2013. Auch an

der deutschen Automobilbranche zeigten indische

Investoren mehr Interesse als in der übrigen EU, wo

lediglich rund 14 Prozent aller Transaktionen auf

diesen Sektor entfielen.

Andere im Zentrum der Aufmerksamkeit

stehende Branchen waren Software und IT-Dienst-

leistungen mit einem Anteil von zwölf bzw. neun

ABBILDUNG 12 Anzahl der großen Fusionen

und Übernahmen durch indische Investoren

in Deutschland, 2010 bis Q1 2017

*Q1 2017

Mergermarket 2017

02011 2013 2015 2017*

2012 2014 20162010

4 4 4

2

8

7 7

5

Page 27: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

1 Die indisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen 25

Prozent. Ein wichtiger Abschluss in diesem Bereich

war die Übernahme der Cellent AG durch Wipro Ltd.

im Jahr 2016. Die Cellent AG ist ein deutscher

Anbieter von IT- und Systemintegrationslösungen mit

einem Umsatz von ca. 87 Millionen Euro und 800

Mitarbeitern im Jahr 2014. Der Wert dieser Übernah-

me betrug rund 73,5 Millionen Euro.20 Speziell diese

Übernahme scheint vom Wunsch nach Zugang zu

Neukunden motiviert gewesen zu sein; allerdings

zielen Transaktionen in der Software- und IT-Dienst-

leistungsbranche ähnlich wie in den Sektoren

Industrieprodukte und industrielle Dienstleistungen

häufig auch auf den Zukauf von Technologie ab.

Alternativ dazu versuchten indische Unterneh-

men häufig, zunächst über eine Partnerschaft oder

ein Joint Venture auf dem deutschen Markt Fuß zu

fassen, oft in den Bereichen Software- und IT-Dienst-

leistungen. Am Anfang solcher Projekte stand

meistens der Versuch deutscher IT-Abteilungen,

Dienstleistungen auszulagern. Daraus entwickelten

sich in vielen Fällen Joint Ventures mit dem Ziel, die

bestehenden IT-Strukturen zu optimieren und

innovativ zu gestalten. Diese Joint Ventures wurden

letztendlich häufig von den indischen Partnern

übernommen. Eines der ersten Beispiele dieser Art

war die Partnerschaft zwischen der Deutschen Bank

und HCL.

20 Wipro Technologies (2015)

ABBILDUNG 13 Anzahl der großen Fusionen

und Übernahmen durch indische Investoren in

Deutschland nach Branche, 2010 bis Q1 2017

(in Prozent)

Industrieprodukte und Dienstleistungen

Automobil Computer-Dienstleistungen

Computersoftware Produktion (andere)

Medizin und Pharma Sonstige

Mergermarket (2017)

� �� �� �������� 30

21

12

9

5

5

18

Page 28: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland26

Brennpunkt | Investitionspotenziale im deutschen Mittelstand

Deutschland besitzt eine vielfältige Wirtschaftslandschaft mit einer

starken industriellen Basis, insbesondere im Süden und Westen des Landes, wo

die meisten weitgehend unbekannten Marktführer, sogenannte „Hidden

Champions“, angesiedelt sind (siehe Abbildung 14).

Mehr als 99 Prozent aller Unternehmen gehören dem Mittelstand (kleine

und mittlere Unternehmen, kurz KMU) nach der deutschen Definition an, der

rund 55 Prozent des Gesamt-Bruttoinlandsprodukts und ca. 18 Prozent aller

Exportumsätze erwirtschaftet. Ungefähr 68 Prozent der deutschen Arbeitneh-

mer sind in KMU beschäftigt und mehr als 95 Prozent dieser Unternehmen

befinden sich in Familienbesitz.21

Im deutschen Mittelstand, der Spitzentechnologie-Produkte auf internatio-

nalem Niveau produziert, sind mehr Hidden Champions –, d. h. Unternehmen,

die zu den drei führenden Unternehmen in ihrem Marktsegment zählen – zu

finden als in jedem anderen Land. Diese Unternehmen zeichnen sich in der

Regel außerdem durch eine langfristige geschäftli-

che Ausrichtung, stabile Beziehungen mit Kunden

und Mitarbeitern sowie durch eine starke regionale

Bindung aus.

Der scheinbare gesunde deutsche Mittelstand

muss zukünftig jedoch große Herausforderungen

meistern. Aufgrund des demographischen Wandels

bei ihren Inhabern befinden sich die mittelständi-

schen Unternehmen in einer Phase der fundamen-

talen Veränderung. 2015 waren etwa 40 Prozent

der Inhaber mittelständischer Unternehmen 55

Jahre oder älter gegenüber 38 Prozent im Jahr

2005 (siehe Abbildung 15). Der Anstieg des Anteils

der Inhaber, die 50 Jahre oder älter waren, war

noch dramatischer; bei dieser Gruppe war zwischen

2005 und 2015 eine Zunahme von 54 auf 60

Prozent zu verzeichnen. Im selben Zeitraum sank

der Anteil der Inhaber unter 40 Jahren von 20 auf

14 Prozent, was auf einen langsameren Zustrom

junger Unternehmer schließen lässt.

21 KfW (2016)

ABBILDUNG 14 Standorte der „Hidden Cham-

pions“ und Marktführer in Deutschland, 2011

Leibniz Institut für Länderkunde (2011)

Page 29: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

1 Die indisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen 27

Im Jahr 2015 gaben ca. 620.000 Unternehmen

an, dass sie eine Unternehmensnachfolge bis 2018

planten. Ungefähr neun Prozent aller Mittelständler

berichteten, dass die Unternehmensnachfolge

innerhalb der Inhaberfamilie geplant war, während

acht Prozent eine externe Nachfolge ins Auge

fassten, d. h. den Verkauf an einen Investor,

Mitarbeiter oder an ein als strategischer Investor

auftretendes Unternehmen (siehe Abbildung 16).

Parallel zu diesem Wandel nimmt das Interesse

deutscher Unternehmen an der Übernahme eines

mittelständischen Unternehmens ab, wodurch sich

neue Möglichkeiten für indische Investoren

eröffnen, die Zugang zu Spitzentechnologie und

neuen Kunden suchen. Das Potenzial ist besonders

groß angesichts der Tatsache, dass forschungsin-

tensive mittelständische Unternehmen einen

überproportional geringen Anteil an jungen

Inhabern haben.22

22 KfW (2016)

ABBILDUNG 16 Nachfolgeplanung

des deutschen Mittelstands, 2016

(in Prozent)

Nicht geplant

Noch nicht geplant, aber beabsichtigt

Familieninterne Nachfolge

Externe Nachfolge

KfW (2017)

� �� ����50

33

9

8

ABBILDUNG 15 Altersverteilung der Unter-

nehmensinhaber im Mittelstand (2005–2015)

(in Prozent)

< 40 Jahre 40–44 Jahre 45–49 Jahre

50–54 Jahre 55–59 Jahre > 60 Jahre

KfW (2016)

0

2007 2011 20152009 20132005

20

13

13

16

17

21

18

18

13

14

16

22

15

16

16

19

18

17

12

15

18

16

16

23

12

13

24

16

14

22

14

9

17

20

19

21

Page 30: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland28

KARTE 1 Indische Auslandsdirektinvestitionen (FDI) und Fusionen und Übernahmen 2010–2016/7*

Basierend auf Mergermarkets und European Investment Monitor (2017)

*Für Städte mit mehr als drei FDI-Projekten oder Fusionen und Übernahmen werden nur die aktuellsten Aktivitäten aufgezeigt.

Emcure Pharmaceuticals2016

Lloyd Electric & Engineering2016 (M&A); 2015(FDI)

Suzlon Energy2010

Suzlon Energy2010

Jumps Auto Industries2015 Appollo Tyres

2016 (M&A)

Smart Enovations India2015 (FDI)

Nettlinx2017(M&A)

Yashraj Biotechnology2015 (FDI)

Hinduja Group 2017 (M&A)

TD Power Systems2016 (M&A)

Godrej Group2015 (FDI) )

Essel Corporate Resources2016 (FDI)

Infocore Engineering & IT Services2014

Thermax2012

Kalyani Group2011 ; 2014 Ashok Minda

Group2013

Essel Propack2015(FDI); 2016(M&A)

Hindusthan National Glass &Industries2011(FDI); 2011(M&A)

Firepro Systems2011

Rotex Group2015

Berlin

Hamburg

Düsseldorf

Frankfurt a. M.

Hannover

Stuttgart

München

Sudarshan Chemical Industries2012

JKM Erla Automotive2011

PCM Group of Industries 2013

Extentia Information Technology2015

Mahindra Group2011

Sun Pharmaceuticals Industries2015

Amtek Auto 2014

Bharat Fritz Werner (BFW)2011

KalpavrukshSystems

2012

Veer Energy &Infrastructure 2011 (FDI)

QuEST Global Inc 2012 (FDI)

iWave Systems Technologies2010 Wipro

2016

Kalabhai Karson2014

PV Power Technologies 2010

Rinox Engineering2013

Lupin2015

Aditya Birla Group2013

Paradigm IT 2013

Samvardhana Motherson Group2013 (FDI)

Manna di Moda2015

Global Economic Advantage / Laans Portfolios2014

IndoflashInternational2011

Tata Group2011

Tata Group2013

Castex Technologies2014

Himenviro Environmental Technologies2012

EMC2015

Ruia Group2011(M&A)

Aditya BirlaGroup

2011(FDI)

Tech Mahindra2014(FDI)

PI Industries2014(FDI)

Claytronics Solutions2013

SuperhouseGroup

2012

Evalueserve2014

Wipro2010 (M&A);

2011 (FDI)

Bilcare2010 (FDI); 2015 (FDI);

2010(M&A) Bilcare2011 (FDI); 2015 (FDI)

Amtek Group2013(FDI); 2013(M&A)

QueryNow2015

Forbes Marshall2012

MicroWorld SoftwareServices

2010Ruia Group2010

Vikram Solar2010

Orchid Chemicals andPharmaceuticals

2013

Kalyani Group2011

Premium Transmission2011

Zydus Animal Health2011

Samvardhana Motherson Group2013

Automag (I)2013

Amtek Group2014

Bagla Group2014

TVS Group2012

Tata Autocomp Systems 2013

Name des indischen Investors

Jahr der Investition

Großstädte mit mehr als drei FDI-Projekten oder Fusionen und Übernahmen

Je größer der Kreis, desto höher die Anzahl der Projekte Ausländische Direktinvestitionen [bis Q1 2016]

Fusionen und Übernahmen [bis Q1 2017]

Page 31: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

1 Die indisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen 29

Maharashtra

Karnataka

Delhi

West Bengal

Uttar Pradesh

Haryana

Telangana

Tamil Nadu

Rajasthan

GujaratMadhya Pradesh

Kerala

Punjab

Mumbai

Pune

Surat

Chennai

Kolkata

Bengaluru

Hyderabad

Ahmedabad

Jaipur

Lucknow

KARTE 2 Woher kommen die in Deutschland aktiven indischen Investoren?

Indische Investitionen nach Bundesstaat des Investors, 2000 bis 2016

Anzahl der Investitionsprojekte

>40

16–40

6–15

≤5

Basierend auf Mergermarkets und European Investment Monitor (2017)

Page 32: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland30

1.3 Die indische Wirtschaftspräsenz in Deutschland

Wie weiter oben ausgeführt, hat die Investitions-

tätigkeit indischer Unternehmen in Deutschland

bereits zu einer bedeutenden wirtschaftlichen

Präsenz Indiens geführt.

Die nachstehende Analyse basiert auf den

folgenden Annahmen und Kriterien: Unternehmen,

deren weltweite Muttergesellschaften (Global Ultimate

Owner, GUO) ihren Sitz in Indien haben und die einen

Anteil von mindestens 50,01 Prozent an einer Tochter-

gesellschaft halten und damit als kontrollierende

Gesellschaften gelten, werden als indische Unterneh-

men definiert. Die ArcelorMittal Group etwa fällt nicht

in diese Kategorie, da sich die Unternehmenszentrale

seit der Fusion in Luxemburg befindet und nicht länger

primär in den indischen Kontext eingebettet ist.

Darüber hinaus führen viele Investoren, wie bereits in

Abschnitt 1.2 beschrieben, ihre Geschäfte über

Einheiten in Drittländern durch, u. a. um von den dort

geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu profitieren.

Daher ist die tatsächliche Anzahl indischer Tochterge-

sellschaften (und somit der Gesamtumsatz und

Personalstand) unter Umständen höher, als die

öffentlich verfügbaren Daten besagen.

Darüber hinaus werden von unserer Definition nur

Tochtergesellschaften mit einem Jahresumsatz von

über zehn Millionen Euro erfasst. Die erstgenannte

Gruppe macht mehr als 98 Prozent der für diese

Studie relevanten Umsätze in Deutschland aus, die in

öffentlich zugänglichen Datenbanken erfasst sind

(Amadeus-, Dafine- und Markus-Datenbank). Die hier

angegebenen Umsatzzahlen sind im Allgemeinen (70

%) nicht älter als maximal aus dem Jahr 2015, wobei

87 Prozent maximal bis auf das Jahr 2014 zurückge-

hen. Die Personaldaten reichen maximal bis ins Jahr

2015 zurück; das sind die genauesten Zahlen, die zum

Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts über die

aktuelle wirtschaftliche Präsenz Indiens in Deutsch-

land zur Verfügung standen.

Unter Berücksichtigung dieser Annahmen und

Kriterien erwirtschafteten von insgesamt mehr als

460 in Deutschland operierenden Tochtergesellschaf-

ten rund 80 indische Unternehmen mit einem

jeweiligen Jahresumsatz von mehr als zehn Millionen

Euro einen gemeinsamen Jahresumsatz von rund 11,4

23 Amadeus-, Dafne- und Markus-Datenbanken (2017)

Milliarden Euro. Diese Unternehmen beschäftigen

insgesamt mehr als 27.400 Mitarbeiter. Die zehn

wichtigsten indischen Unternehmen erwirtschaften

allein mehr als 70 Prozent des Umsatzes indischer

Unternehmen und beschäftigen beinahe 58 Prozent

aller Mitarbeiter in dieser Kategorie.23

Die indische Präsenz konzentriert sich auf vier

Branchen

Eine genauere Analyse indischer Unternehmen in

Deutschland auf der Grundlage des Umsatzes zeigt,

dass insbesondere vier Branchen dominieren (siehe

Abbildung 17).

Auf die Metall- und Metall verarbeitende

Industrie entfallen allein ca. 40 Prozent der Umsätze

bzw. rund 4,6 Milliarden Euro jährlich. Die Aktivitäten

in diesem Sektor beinhalten die Herstellung von

Metallen wie Stahl und Aluminium sowie die Herstel-

lung von Metallerzeugnissen mit Ausnahme von

Maschinen und Anlagen. Zu den Metallerzeugnissen

ABBILDUNG 17 Indische Wirtschafts-

präsenz nach Umsätzen und Branchen,

letztes verfügbares Jahr* (in Prozent)

Metall- und Metall verarbeitende Industrie

Automobilindustrie

Chemie- und Pharmaindustrie

Professionelle, wissenschaftl. und technische

Dienstleistungen

Elektrotechnik und Maschinenbau Sonstige

* 2009 bis 2016, 87% nicht älter als 2014

EY Analysis (2017)

� �� �� ������40

29

19

9 12

Page 33: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

1 Die indisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen 31

gehören Schmiede-, Press-, Zieh- und Stanzteile sowie

pulvermetallische Erzeugnisse. Zu den wichtigsten

indischen Akteuren in diesem Bereich zählen

Hindalco Industries Ltd., Tata Steel Ltd. und Sona

Autocomp Private Ltd.

Die zweitgrößte Branche, in der indische

Unternehmen in Deutschland tätig sind, ist die

Automobilindustrie, auf die ca. 29 Prozent der von

indischen Unternehmen erwirtschafteten Gesamtum-

sätze bzw. 3,3 Milliarden Euro entfallen. In diesem

Bereich treten die meisten indischen Unternehmen

als Zulieferer und Hersteller von Fahrzeugteilen und

Komponenten auf. Zu den wichtigsten Unternehmen

gehören Motherson Sumi Systems Ltd., Amtek Auto

Ltd. und Bharat Forge Ltd. Außerdem ist Tata Motors

Ltd. – der einzige indische Erstausrüster (OEM) mit

einer Tochtergesellschaft in Deutschland – über die

Jaguar Land Rover Deutschland GmbH tätig, die in

erster Linie Vertriebs- und After-Sales-Funktionen

wahrnimmt.

Die Chemie- und Pharmaindustrie steht bei der

Erwirtschaftung von Umsätzen durch indische

Unternehmen in Deutschland an dritter Stelle; auf sie

entfällt ein Anteil von rund 19 Prozent und ein

Jahresumsatz von 2,1 Milliarden Euro. Davon

erwirtschaftet die Pharmaindustrie 0,4 Milliarden

Euro, hauptsächlich in den Bereichen F&E, Herstel-

lung und Vertrieb (vor allem im Generika-Bereich). In

der Chemieindustrie nimmt die Herstellung von

Gummi- und Kunststofferzeugnissen sowie chemi-

scher Stoffe für die nachgelagerten Märkte einen

hohen Stellenwert ein.

Der letzte dominierende Sektor umfasst professi-

onelle, wissenschaftliche und technische Dienstleis-

tungen, auf die neun Prozent bzw. Umsätze in Höhe

von ca. eine Milliarde Euro in dieser Gruppe entfallen.

Dazu gehören u. a. Software, IT-Dienstleistungen und

Telekommunikation. Die wichtigsten Akteure in

diesem Bereich sind Tata Consulting, Wipro Techno-

logies, HCL Technologies, Infosys und Tech Mahindra.

Indische Unternehmen sind in diesem Sektor äußerst

wettbewerbsfähig und zunehmend in Deutschland

aktiv (siehe Kapitel 2.4).

Zusammen entfallen auf diese vier dominierenden

Branchen beinahe 97 Prozent der von indischen

Unternehmen in Deutschland generierten Umsätze

und 93 Prozent der 27.400 Arbeitsplätze dieser

Unternehmensgruppe (siehe Abbildung 18).

Indische Automobilunternehmen beschäftigen

mehr als 10.000 Mitarbeiter, gefolgt von der

Metall- und Metall verarbeitenden Industrie mit

ungefähr 8.200 Mitarbeiter. Trotz eines geringeren

Umsatzes als in der chemischen und pharmazeuti-

schen Industrie beschäftigt der Bereich professionel-

le, wissenschaftliche und technische Dienstleistun-

gen eine vergleichbare Zahl von ca. 3.600

Beschäftigten.

Für die Zwecke dieser Studie wurden Trendanaly-

sen für den Zeitraum 2010 bis 2016 auf der Grundla-

ge des verfügbaren Datenmaterials und der oben

beschriebenen Annahmen und Kriterien erstellt. Für

2010 wurden alle verfügbaren Daten verwendet; wo

noch keine Zahlen für 2016 vorlagen, wurde das

jüngste Datenmaterial herangezogen. Trotz der

Datenlücken können diese Analysen Aufschluss über

Entwicklungstrends indischer Unternehmen geben.

Insgesamt stieg der gemeinsame Umsatz der 79

wichtigsten indischen Unternehmen in Deutschland

mit einer jährlichen Wachstumsrate von 7,5 Prozent

seit 2010 an und erreichte 2016 11,4 Milliarden Euro

(siehe Abbildung 19).

ABBILDUNG 18 Indische Wirtschaftspräsenz

nach Beschäftigtenzahl und Branchen, letztes

verfügbares Jahr* (in Prozent)

Automobilindustrie

Metall- und Metall verarbeitende Industrie

Professionelle, wissenschaftl. und technische

Dienstleistungen

Chemie- und Pharmaindustrie

Elektrotechnik und Maschinenbau Sonstige

* 2015 oder 2016 | EY Analyse (2017)

� �� �� �� ����3730

13

13

34

Page 34: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland32

Die Zahl der Beschäftigten in diesen Unterneh-

men legte mit einer jährlichen Wachstumsrate von

rund zehn Prozent sogar noch stärker zu und lag 2016

bei mehr als 27.400 Personen. Diese deutlichen

Zuwachsraten erklären sich teilweise aus Fusionen

und Übernahmen durch indische Investoren in

Deutschland. In dieser Hinsicht verzeichnen alle vier

dominierenden Branchen ein kräftiges Wachstum,

das im Bereich Software und IT-Dienstleistungen am

stärksten ausfällt.

Allerdings nahm der ausgewiesene Gesamtgewinn

dieser Unternehmen während des Untersuchungs-

zeitraums ab, eine Tatsache, die sich zu einem großen

Teil durch die insgesamt schwache Entwicklung in der

Metall- und Metall verarbeitenden Industrie erklären

lässt.

Starke indische Präsenz im Süden und Westen

Deutschlands

Die Mehrzahl der 79 größten indischen Unterneh-

men operiert in den Industriezentren in West- und

Süddeutschland. 29 Prozent sind in Nordrhein-West-

falen angesiedelt, 26 Prozent in Hessen und 14

Prozent in Bayern. Baden-Württemberg liegt mit

zwölf Prozent an vierter Stelle. Diese Verteilung ist

kein Zufall, da alle diese Regionen über eine starke

Industriebasis und eine hohe Dichte von „Hidden

Champions“ verfügen (siehe Abbildung 14 im

Abschnitt „Brennpunkt: Investitionspotenziale im

deutschen Mittelstand“). Indische Unternehmen

haben in diesen Regionen investiert, um ihren

Kunden, Zulieferern und Partnern geografisch näher

zu sein, oder weil sich andere ihrer zugekauften

Investitionen bereits dort befinden. Zu den Hotspots

zählen Nordrhein-Westfalen im Bereich Metall- und

Metall verarbeitende Industrie sowie Hessen im

Bereich professionelle, wissenschaftliche und

technische Dienstleistungen. In Hessen liegt das

Rhein-Main-Gebiet, das traditionell ein starker

Anziehungspunkt für indische Geschäftstätigkeiten

ist und eine große indische Gemeinde hat, was zum

Teil auf den großen internationalen Flughafen

zurückzuführen ist. Unternehmen wie Infosys, HCL

Technologies, Tata Consulting und Wipro Technolo-

gies haben sich dort angesiedelt, auch weil der

Finanzsektor, der in dieser Region stark verwurzelt

ist, einen Großteil der Kundenbasis dieser Unterneh-

men bildet.

Die Region bietet darüber hinaus eine solide

Infrastruktur für die indische Gemeinde, wie etwa

Kirchen und Andachtsstätten, Zugang zu indischen

Lebensmitteln und internationale Schulen; dies ist

insbesondere für personalintensive Industrien

vorteilhaft, die hoch qualifizierte Fachkräfte benöti-

gen, denen wiederum „weiche“ Standortfaktoren

wichtig sind.

Allerdings erklären diese hohen Zahlen weder die

spezifischen Gründe für die Investitionen indischer

Unternehmen in Deutschland ausreichend, noch

geben sie darüber Aufschluss, wie die speziellen

Herausforderungen oder der Erfolg einer Internatio-

nalisierung am besten gemessen und verbessert

werden könnte. Um diese Fragen im Detail zu

behandeln, wurden indische Investoren, die bereits in

Deutschland investiert haben oder dies in Zukunft

planen, befragt. Bevor wir auf die Ergebnisse dieser

Befragung im Detail eingehen, möchten wir einen

kurzen Überblick über bzw. auf die wichtigsten

Branchen geben, in denen indische Investoren derzeit

präsent sind.

ABBILDUNG 19 Entwicklungstrends indischer

Unternehmen in Deutschland, 2010–2016*

Umsatz Mitarbeiter

* letztes verfügbares Jahr | EY Analysis (2017)

15 Milliarden €

10

30.000

5

20.000

10.000

0 020162010

11

,4

7,4

15.482

27.463

Page 35: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

1 Die indisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen 33

Brennpunkt | Indische Fachkräfte in Deutschland

Indien und Deutschland können auf eine lange Geschichte des intellektuel-

len Austauschs und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zurückblicken, auch

wenn der Personenaustausch zwischen den beiden Ländern eher gering war.

Diese Situation hat sich im Verlauf der letzten Jahre insofern geändert, als eine

wachsende Zahl hoch qualifizierter Inder nach Deutschland gekommen ist, um

hier zu studieren und zu arbeiten. Von den 28.008 hoch qualifizierten Fachkräf-

te, die im Jahr 2015 aus Drittländern nach Deutschland kamen, waren 17

Prozent indische Staatsbürger. Damit ist Indien noch vor den Vereinigten

Staaten und China das wichtigste Herkunftsland hoch qualifizierter Fachkräfte

aus Drittländern in Deutschland.

Das Ausmaß des demographischen Wandels in Deutschland führt dazu, dass

eine noch stärkere Zuwanderung qualifizierter Personen von Vorteil wäre. Im

Vergleich zu anderen Ländern ist die Wirtschaftsmigration nach Deutschland

relativ gering. Berechnungen der OECD zeigen, dass die Wirtschaftsmigration

in Länder wie Großbritannien und Kanada langfristig beinahe dreimal so hoch

ist wie nach Deutschland. Angesichts des Anstiegs fremdenfeindlicher, rechts-

orientierter Bewegungen in den Vereinigten Staaten und Großbritannien

(derzeit die wichtigsten Zielländer für indische Fachkräfte) täte Deutschland

gut daran, sich als offene und gastfreundliche Gesellschaft zu positionieren. In

einer im Auftrag der Bertelsmann Stiftung24 von Thomas Faist, Mustafa Aksakal

und Kerstin Schmidt (Universität Bielefeld) durchgeführten Studie werden

Motivationen und Absichten von Personen, die aus wirtschaftlichen Gründen

oder zum Zweck einer Hochschulausbildung aus Indien nach Deutschland

kommen, zusammen mit den damit verbundenen Entwicklungseffekten

untersucht.

Die Studie deutet darauf hin, dass die Zuwanderung aus Indien aus wirt-

schaftlichen Gründen oder zum Zweck eines Studiums in den letzten Jahren

zugenommen hat, was sowohl mit der Lockerung der deutschen Einwande-

rungsgesetze als auch mit der Stärke des deutschen Arbeitsmarkts zusammen-

hängt. Darüber hinaus bleiben indische Zuwanderer heute länger in Deutsch-

land als in der Vergangenheit, was u. a. auf die beruflichen Entwicklungschancen

und Karriereaussichten, die relative Offenheit der deutschen Gesellschaft und

die guten Integrationsprognosen zurückzuführen ist. Die Schlussfolgerung, dass

Deutschland als Zielland für indische Fachkräfte an Attraktivität gewonnen hat,

erscheint daher angemessen.

Es gibt allerdings auch Probleme. Beispielsweise können die gefühlten

Barrieren zwischen Zuwanderern und der einheimischen Bevölkerung, erlebte

Diskriminierung und Schwierigkeiten im Umgang mit der deutschen Bürokratie

positive Migrationserfahrungen indischer Zuwanderer in Deutschland erschwe-

ren. Allerdings hat sich das soziale Kapital als ein hilfreiches Sprungbrett

bewährt, um manche dieser Hürden zu überwinden. Die Entscheidung hoch

qualifizierter Fachkräfte, in Deutschland zu bleiben, wird auch von herkunfts-

24 Bertelsmann Stiftung (eds.) (2017).

Page 36: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland34

landabhängigen Faktoren beeinflusst. Während die Migration nach Deutschland

die persönliche Unabhängigkeit enorm steigern und ein Gefühl der Emanzipati-

on vermitteln kann, können familiäre Bindungen ein Grund für eine Rückkehr in

die Heimat sein.

Die Zuwanderung nach Deutschland bedeutet auch für Indien ein hohes

Entwicklungspotenzial, etwa durch den Wissens- und Kompetenztransfer oder

die finanzielle Unterstützung von Angehörigen. Allerdings sind diese Vorteile

ungleichmäßig über das Land verteilt, da sie vornehmlich Menschen, Unterneh-

men und Regionen mit Zugang zu Migranten-Netzwerken zugutekommen, was

bestehende soziale und regionale Ungleichheiten weiter verstärkt.

Deutschland könnte durch eine Erweiterung aktueller Informationsplattfor-

men wie der Website „Make it in Germany“ noch attraktiver werden. Darüber

hinaus wird es wichtig sein, das Unterstützungsangebot für Familienangehörige

zu verbessern, den Übergang vom Studium auf den Arbeitsmarkt zu erleichtern

– z. B. durch eine größere Anzahl von Praktikumsplätzen – und spezielle Hilfen

für kleine und mittlere Unternehmen bei der Rekrutierung indischer Fachkräfte

mit deutschem Studienabschluss oder direkt in Indien anzubieten.

Page 37: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

2 Die Schlüsselbranchen im Überblick 35

2 Die Schlüsselbranchen im Überblick

25 MarketLine (2016a)

2.1 Die Metall- und Metall verarbeitende Industrie

Diese Branche umfasst die Herstellung von

Grundmetallen wie Stahl oder Aluminium und deren

Weiterverarbeitung. Beide Bereiche sind eng

miteinander verknüpft, da die Metallindustrie

Grundstoffe für die Weiterverarbeitung liefert.

Die Leistung der deutschen Stahlindustrie, eines

Schlüsselbereichs der deutschen Metallindustrie,

war in den letzten Jahren insbesondere aufgrund

schwankender Stahlpreise durchwachsen. Auch die

Probleme der Baubranche, hohe Arbeitslosenquoten

und billigere Produkte insbesondere aus China haben

die Performance in Europa negativ beeinflusst.25

Der deutsche Stahlmarkt erwirtschaftete 2015

einen Gesamtumsatz von 19,4 Milliarden Euro, was

einer jährlichen Wachstumsrate von –14,1 Prozent

im Zeitraum 2011 bis 2015 entspricht (siehe

Abbildung 20).

Im selben Zeitraum waren die Stahlmärkte in

Frankreich und Großbritannien mit einer jährlichen

Wachstumsrate von jeweils –13,4 und –10,2 Prozent

ebenfalls rückläufig. Der Rückgang der deutschen

Produktionsvolumen fiel geringer aus und sank von

44.284 Tonnen 2011 auf 42.676 Tonnen 2015. Die

entsprechende jährliche Wachstumsrate von –0,9

Prozent verdeutlicht die Auswirkungen des Preisver-

falls auf dem Markt. Ungeachtet dessen ist der

deutsche Stahlsektor bezogen auf den Marktwert der

größte in der EU. Er machte 2015 ca. 16,4 Prozent des

Sektors innerhalb der gesamten EU aus, gefolgt von

Italien mit einem Anteil von 8,5 Prozent und Frank-

reich mit einem Anteil von sechs Prozent (siehe

Abbildung 21). Damit ist Deutschland zugleich der

größte Stahlerzeuger in der EU und der siebtgrößte

Stahlerzeuger der Welt.

ABBILDUNG 20 Umsätze in der deutschen

Stahlindustrie, 2011–2015

MarketLine (2016)

40 Milliarden €

30

20

10

02012 2013 2014 20152011

35,7

29,7

26,7 27,0

19,4

ABBILDUNG 21 Geografische Segmentierung

der europäischen Stahlindustrie, 2015 (in Prozent)

Deutschland Italien Frankreich

Spanien Vereinigtes Königreich

Übriges Europa

MarketLine (2016)

� �� ���� �� �� 5,7

4,2

16,4

8,5

6,0

59,2

Page 38: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland36

Der Stahlsektor ist ein zentraler Lieferant für nach-

gelagerte Branchen. Auf ihn entfallen rund 21 Prozent

der Einkäufe im Maschinenbau und rund 13 Prozent der

Einkäufe in der Automobilindustrie. Andere wichtige

Abnehmer sind die Elektrotechnik- und Baubranche (ca.

10 % der Einkäufe) sowie die Stahl und Metall verarbei-

tende Industrie (59 % der Einkäufe).26

Die deutsche Stahlindustrie ist durch eine relativ

starke staatliche Regulierung gekennzeichnet. Stahlim-

porte aus dem Ausland, insbesondere aus China, stellen

für heimische Produzenten eine große Herausforde-

rung dar. Im Mai 2015 führte die EU vorübergehend

Zölle in einer Höhe von bis zu 35,9 Prozent für chinesi-

sche, japanische und andere ausländische Produzenten

ein, die sechs Monate lang in Kraft blieben. Danach

wurden im Oktober 2016 Zölle in einer Höhe bis zu 73,7

Prozent auf chinesischen Stahl verhängt.

Trotz der starken Konkurrenz wird davon

ausgegangen, dass der Markt bis mindestens 2020

weiter wachsen wird. Zuwächse bis zu 47.170 Tonnen

bei den Produktionsvolumen werden erwartet,

verbunden mit einem Umsatzanstieg von insgesamt

22,65 Milliarden Euro bis Ende 2020 gegenüber 19,54

Milliarden Euro 2017.27

26 WV Stahl (2016)27 MarketLine (2016a)28 ebd.

Der Markt wird von mehreren multinationalen

Konzernen dominiert, u. a. ArcelorMittal, Thyssen-

Krupp AG, Riva und Salzgitter AG (siehe Abbildung 22).

Obwohl die Herstellungsverfahren eine Diversifi-

zierung schwierig machen, haben die Stahlabnehmer

unterschiedliche Anforderungen. Deshalb tendieren

die Hersteller zur Spezialisierung, eine Strategie, die

die Konkurrenz, aber auch den potenziellen Marktan-

teil der einzelnen Unternehmen reduziert.

Skaleneffekte sind entscheidend, um im aktuellen

Marktumfeld erfolgreich zu bleiben. Das bedeutet

einen Vorteil für große Unternehmen und macht eine

Konsolidierung durch Fusionen und Übernahmen

wahrscheinlich, insbesondere auf relativ fragmentier-

ten Märkten. Manche der so entstandenen Unterneh-

men wurden als große multinationale Konzerne

erfolgreich.

Der zyklische Markt ist stark von den allgemeinen

makroökonomischen Bedingungen und Nachfrage-

mustern auf den Endverbrauchermärkten abhängig.

Dadurch kommt es zeitweise zu einem intensiven

Wettbewerb, insbesondere innerhalb einer rückläufi-

gen Industrie, aus der ein Ausstieg schwierig ist.

2015 kam es aufgrund erheblicher Produktions-

überkapazitäten zu einem Preisverfall, der die

Branche zeitweise deutlich schwächte. Erst durch die

kürzlich zu verzeichnende leichte Preiserholung stellte

sich eine allgemeine Verbesserung ein. Neben der

Preisvolatilität kämpfen die Stahlproduzenten auch

noch mit anderen Problemen, u. a. mit der Verschie-

bung der Nachfrageschwerpunkte, der notwendigen

Steigerung von Produktivität und Kosteneffizienz

sowie mit komplexen Beschaffungsketten.

Der deutsche Aluminiumsektor, ein weiterer

Schlüsselbereich der Metallindustrie, ist mit einem

Umsatz von 1,1 Milliarden Euro 2015 und einer

Wachstumsrate von 0,9 Prozent im Zeitraum 2011 bis

2015 kleiner als der Stahlsektor. Deutschland liegt

hier hinter dem europäischen Marktführer Norwegen

mit einem Marktanteil von rund 9,7 Prozent im Jahr

2015 (Norwegen: 20,5 %). Für diesen Sektor werden

Umsatzsteigerungen mit einer jährlichen Wachstums-

rate von 3,5 Prozent bzw. 1,3 Milliarden Euro bis

2020 erwartet.28

Wie schon erwähnt, ist die Metall verarbeitende

Industrie einer der wichtigsten Abnehmer der

ABBILDUNG 22 Der deutsche Stahlmarkt

nach Anteil am Volumen, 2015 (in Prozent)

Thyssen Krupp AG ArcelorMittal

Salzgitter AG Gruppo Riva

Sonstige

MarketLine (2016)

� �� �� �� �� 5,3

33,3

29,1

16,815,6

Page 39: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

2 Die Schlüsselbranchen im Überblick 37

Metallindustrie. Aufgrund der hohen Materialintensi-

tät ist der Sektor stark von den Metallpreisen

abhängig. Darüber hinaus sind in diesem Bereich eher

hoch spezialisierte kleine und mittlere Unternehmen

tätig, was zu einem intensiven Wettbewerb unter den

ca. 5.000 Anbietern führt. Der Industriezweig

beschäftigt ungefähr eine halbe Million Arbeitnehmer

in Deutschland und erwirtschaftet Jahresumsätze in

Höhe von rund 80 Milliarden Euro. Aufgrund ihrer

Nähe zur Stahlindustrie hat sich die Branche vor allem

auf Nordrhein-Westfalen konzentriert29, was mit der

bereits erwähnten hohen Dichte indischer Unterneh-

men in diesem Bundesland korreliert. Wie im Fall der

Metallindustrie zählen die Automobil-, Elektro- und

Bauindustrie sowie der Maschinenbau zu den

wichtigen Abnehmern.

29 Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e. V. (WSM ) (2017)30 The Economist Intelligence Unit (2016)

2.2 Die Automobilindustrie

Die Automobilindustrie umfasst die beiden

Teilsektoren Herstellung von Fahrzeugen und

Fahrzeugteilen. Obwohl es sich um zwei unterschied-

liche Segmente handelt, stehen sie in einem engen

Zusammenhang und sind von denselben Marktkräften

und Entwicklungen betroffen.

Zum Automobilbau gehört die Herstellung von

Lkw, Pkw und Motorrädern. Der deutsche Sektor ist

der größte in der EU, im Vergleich zu den USA oder

China allerdings klein. Mit rund 3,2 Millionen verkauf-

ten Neuwagen pro Jahr und 300.000 verkauften

Nutzfahrzeugen seit dem Jahr 2000 ist die deutsche

Automobilproduktion die größte in Europa und die

viertgrößte weltweit (siehe Abbildung 23).30

ABBILDUNG 23 Automobilproduktion weltweit

nach Land, 2015

China

24,5

USA

12,1

Japan 9,3

Deutschland 6,0

Südkorea 4,6

Indien 4,1

Mexiko 3,6

Spanien 2,7

Brasilien 2,4

Kanada 2,3

OICA (2016)

3010 200

Page 40: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland38

Allerdings sind die Produktionskapazitäten

aufgrund der derzeitigen Infrastruktur der Werke

allmählich ausgeschöpft. Die in Deutschland

operierenden großen Marken unterhalten auch

Produktionsstandorte im Ausland: Etwa 60 Prozent

der Fahrzeuge deutscher Autobauer werden im

Ausland produziert. Dennoch beabsichtigen die

meisten, die Produktion in Deutschland zu erhalten,

u. a. auch, um vom positiven „Made in Germany“-

Image zu profitieren.31

90 Prozent des Gesamtproduktionsvolumens der

Branche entfallen auf Pkw, 7,6 Prozent auf Lkw und

2,1 Prozent auf Motorräder. 2015 betrug der

Gesamtumsatz 92,4 Milliarden Euro mit einer

jährlichen Wachstumsrate von –0,5 Prozent im

Zeitraum von 2011 bis 2015. Nach einem Einbruch

2012 hat sich der Markt in den letzten Jahren erholt

(siehe Abbildung 24).32

Im selben Zeitraum wies der Sektor in Frankreich

und Großbritannien jährliche Wachstumsraten von

–2,6 bzw. 3,5 Prozent auf.

Wie bereits festgestellt, ist die deutsche Automo-

bilindustrie die größte in Europa. Im Jahr 2015 lag ihr

Anteil am Gesamtwert der Branche bei rund 31,1

Prozent. Danach folgten Großbritannien mit einem

Anteil von 15,1 und Frankreich mit einem Anteil von

14,2 Prozent (siehe Abbildung 25).

31 The Economist Intelligence Unit (2016)32 MarketLine (2016b)33 The Economist Intelligence Unit (2016)

Bis Ende 2020 wird ein zusätzliches Wachstum bis

zu einem prognostizierten Gesamtmarktwert von

104,9 Milliarden Euro erwartet.

Der deutsche Automobilmarkt wird von Nachkäu-

fen und einer zyklischen Nachfrage bestimmt. In

Deutschland sind ca. 45 Millionen Pkw zugelassen,

das entspricht 554 Fahrzeugen pro 1.000 Einwoh-

nern.33 Neben dem großen Binnenmarkt spielt der

Export eine bedeutende Rolle, wobei fast ein Fünftel

aller Warenausfuhren aus Deutschland nach

Marktwert auf Kraftfahrzeuge entfallen und diese

damit zum wichtigsten Exportgut machen. Und

obwohl das Land auch selbst ein großer Fahrzeugim-

porteur ist, bleibt ein deutlicher Handelsüberschuss

bestehen.

Aufgrund der großen wirtschaftlichen Bedeu-

tung der Automobilindustrie sind die Auswirkungen

des Volkswagenskandals besonders schwerwiegend.

Nach der illegalen Manipulation von Abgaswerten

ist die Rentabilität des Unternehmens aufgrund der

mit den US-Behörden ausgehandelten Entschädi-

gungsvereinbarungen über insgesamt ca. 15

Milliarden US-Dollar geschwächt. In Europa konnten

ähnliche Entschädigungszusagen bislang vermieden

werden.

ABBILDUNG 24 Umsätze in der deutschen

Automobilproduktion, 2011–2015

MarketLine (2015)

100 Milliarden €

95

90

85

02012 2013 2014 20152011

94,2

85,6

87,5

90,8

92,4

ABBILDUNG 25 Geografische Segmentierung

der Automobilproduktion in Europa, 2015

(in Prozent)

Deutschland Vereinigtes Königreich

Frankreich Spanien Italien

Übriges Europa

MarketLine (2016)

� �� �� �� ���� 10,0

5,0

24,4

31,3

15,114,2

Page 41: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

2 Die Schlüsselbranchen im Überblick 39

Insgesamt wurde der Ruf der deutschen Automo-

bilindustrie durch den Skandal schwer beschädigt.

Die Auswirkungen auf die künftige Produktion lassen

sich nach wie vor nicht absehen, sind aber in geringe-

rem Ausmaß bereits spürbar. Der Skandal hat auch zu

einer Investitions- und Schwerpunktverlagerung in

Richtung Hybrid- und Elektrofahrzeuge sowie hin

zum autonomen Fahren und den damit verbundenen

Technologien geführt. Diese Entwicklungen werden

vom Bundesministerium für Verkehr und digitale

Infrastruktur gefördert, dessen Ziel es ist, in Deutsch-

land bis 2020 eine Million Elektroautos auf die Straße

zu bringen.34

Die Entwicklungen bei den Zulieferern der Auto-

mobilindustrie sind eng an die Wachstumsmuster

dieses Sektors geknüpft. Mit einem Umsatz von 75,8

Milliarden Euro zeigte die Zulieferindustrie im Jahr

2015 ein positives Wachstum in Höhe von ca. drei

Prozent gegenüber 2014. Mit einer Auslandsgeschäfts-

quote von rund 38 Prozent stiegen die Umsätze im

Ausland stärker als im Inland. Die Branche, in der sich

die Marktbedingungen rasch verändern, beschäftigt

mehr als 300.000 Mitarbeiter.35

In der gesamten Automobilindustrie kommt es

derzeit zu Strukturveränderungen, insbesondere im

Hinblick auf Kooperationen entlang der Lieferkette

zwischen Erstausrüstern und Zulieferern. Die

Branche verändert sich u. a. aufgrund einer stärkeren

Modell-Diversifizierung, kürzerer Produktlebenszyk-

len und neuer Technologien. Neue Geschäftsmodelle

mit Erstausrüstern stärken die Bedeutung der

Autozulieferer, die ihrerseits mit den Bedürfnissen

ihrer Abnehmer Schritt halten müssen, etwa im

Hinblick auf Teile, die für die steigende Zahl von

Elektrofahrzeugen auf deutschen Straßen benötigt

werden, oder um der wachsenden Nachfrage nach

vertikaler Integration nachzukommen.36

Insgesamt ist die deutsche Automobilindustrie

weltweiter Marktführer in Forschung und Entwicklung,

wobei auf Erstausrüster rund ein Drittel der weltwei-

ten F&E-Ausgaben der Branche entfallen.37

34 The Economist Intelligence Unit 201635 VDA (2016)36 GTAI (2017a)37 ebd.

2.3 Die chemische und pharmazeutische Industrie

Zur chemischen Industrie gehört die Herstellung

von Spezial-, Grund- und Agrarchemikalien sowie

anderer chemischer Erzeugnisse (wie beispielsweise

pharmazeutische Chemikalien).

Die deutsche Chemieindustrie erwirtschaftete

2015 einen Gesamtumsatz von 163,5 Milliarden Euro,

was einer jährlichen Wachstumsrate von 1,1 Prozent

im Zeitraum von 2011 bis 2015 entspricht (siehe

Abbildung 26).

Im selben Zeitraum wuchs der Sektor in Frank-

reich und Großbritannien um 0,5 bzw. 0,4 Prozent

jährlich. 2015 war die deutsche Chemieindustrie mit

einem Anteil am Gesamtmarktwert von rund 22,5

Prozent die größte in Europa, gefolgt von Frankreich

und Italien mit einem Anteil von jeweils 11,7 Prozent

(siehe Abbildung 27).

ABBILDUNG 26 Umsätze in der Chemie-

industrie, 2011–2015

MarketLine (2016)

170 Milliarden €

165

160

155

02012 2013 2014 20152011

156,3

161,1

159,1

161,1

163,5

Page 42: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland40

Ein genauerer Blick auf das deutsche Marktseg-

ment zeigt, dass Grundchemikalien 2015 mit ca. 46,4

Prozent den größten Anteil am Umsatz hatten, gefolgt

von Spezialchemikalien mit 24,9 Prozent. Der Rest

entfiel auf Agrarchemikalien mit 13,9 und andere

Chemikalien mit 14,8 Prozent (siehe Abbildung 28).

Es wird erwartet, dass die deutsche Chemiein-

dustrie bis mindestens 2020 wachsen wird; für 2017

wird ein Jahresumsatz von 181,6 Milliarden Euro

prognostiziert.38

Der Marktaustritt ist aufgrund des intensiven

Wettbewerbs, verursacht durch dramatische

Kosteneinsparungen bei den Herstellungsverfahren,

schwierig. Gleichzeitig verkomplizieren strenge

gesetzliche Regelungen und hohe Gründungskosten

den Markteintritt. Trotzdem machen die vergleichs-

weise geringe Produktdifferenzierung und die

Herstellung von Rohstoffen für die zahlreichen

nachgeordneten Industrien die Branche für neue

Teilnehmer attraktiv.

In der pharmazeutischen Industrie wird nach

verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, patentge-

schützten Arzneimitteln, Generika und frei verkäufli-

chen Arzneimitteln unterschieden.

38 MarketLine (2016c)

Die deutsche Pharmaindustrie erwirtschaftete

2015 einen Gesamtumsatz von 30,6 Milliarden Euro,

was einer jährlichen Wachstumsrate von 2,8 Prozent

im Zeitraum von 2011 bis 2015 entspricht. Nach

einem Rückgang 2012 hat der Markt in den letzten

Jahren wieder zum Wachstum zurückgefunden (siehe

Abbildung 29).

ABBILDUNG 27 Geografische Segmentierung

der Chemieindustrie in Europa, 2015 (in Prozent)

Deutschland Frankreich Italien

Vereinigtes Königreich Spanien

Übriges Europa

MarketLine (2015)

� �� �� �� ���� 9,75,3

39,1

22,5

11,7

11,7

ABBILDUNG 28 Segmentierung der Chemie-

industrie in Europa nach Kategorie, 2015

(in Prozent)

Chemische Grunds toffe Spezialchemikalien

Agrarchemikalien Sonstige

MarketLine (2016)

� �� �� �� 14,8

46,4

24,9

13,9

ABBILDUNG 29 Umsätze in der deutschen

Pharmaindustrie, 2011–2015

MarketLine (2016)

40 Milliarden €

30

20

10

02012 2013 2014 20152011

27,426,2 27,0

29,230,6

Page 43: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

2 Die Schlüsselbranchen im Überblick 41

Im selben Zeitraum verzeichneten die Märkte in

Frankreich und Großbritannien jährliche Wachstums-

raten von jeweils –0,8 bzw. 8,8 Prozent. Der deutsche

Sektor ist der größte in Europa. Im Jahr 2015 lag sein

Anteil am Gesamtwert der Branche bei rund 16,5

Prozent, gefolgt von Frankreich mit 15,1 und Großbri-

tannien mit 14,3 Prozent (siehe Abbildung 30).

Deutschland ist ein reifer Markt mit einer starken

Inlandsproduktion und hohen Gesundheitsausgaben,

dessen Wachstumspotenzial in erster Linie durch die

staatlichen Kosteneinsparungsziele eingeschränkt

wird. Um die Kostenexplosion bei Arzneimitteln

einzudämmen, wurde 2011 gegen den Widerstand der

Arzneimittelhersteller das Arzneimittelmarktneuord-

nungsgesetz (AMNOG) verabschiedet. Trotz der

verstärkten staatlichen Regulierung wird bis Ende

2020 ein beschleunigtes Wachstum auf dem pharma-

zeutischen Markt mit einem prognostizierten Jahres-

gesamtumsatz von 41,8 Milliarden Euro erwartet.39

Der Wettbewerb ist intensiv, vor allem im Bereich

der lukrativen Generika, wo große internationale und

kleine Hersteller um jede einzelne Zulassung

kämpfen. Auch die strengen gesetzlichen und

aufsichtsbehördlichen Vorgaben wirken sich stark auf

39 MarketLine (2016d)40 MarketLine (2016e)

neue Markteintritte aus. In Deutschland gibt es eine

gesetzliche Krankenversicherung und 77 Prozent der

deutschen Gesundheitsausgaben werden über dieses

staatliche Gesundheitssystem getätigt.

Ein besonders großes Potenzial liegt im Bereich

der Generika und Biosimilars, da der Patentschutz für

viele der umsatzstärksten Arzneimittel in den

nächsten Jahren ausläuft. Insbesondere indische

Generika-Hersteller möchten von dieser Entwicklung

profitieren, obwohl die gesetzlichen Auflagen und

damit auch die Markteintrittsbarrieren vergleichs-

weise hoch sind.40

ABBILDUNG 30 Geografische Segmentierung

der Pharmaindustrie in Europa, 2015 (in Prozent)

Deutschland Frankreich

Vereinigtes Königreich Italien

Spanien Übriges Europa

MarketLine (2016)

� �� �� �� �� �� 34,6

7,8

11,7

16,5

15,1

14,3

Page 44: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland42

2.4 Software und IT-Leistungen

Der Markt für Software und IT-Dienstleistungen

besteht aus zwei Segmenten: Das Segment Software

umfasst Systeme und Anwendungssoftware, das

Segment IT-Leistungen beinhaltet IT-Outsourcing und

-Processing, IT-Consulting und -Support sowie Cloud

Computing.

Der deutsche Software- und IT-Dienstleistungs-

markt erzielte 2015 einen Gesamtumsatz von 57,5

Milliarden Euro, mit einer jährlichen Wachstumsrate

von 3,4 Prozent im Zeitraum von 2011 bis 2015 (siehe

Abbildung 31).

Im selben Zeitraum wuchs der Markt in Frank-

reich und Großbritannien um 1,1 bzw. 2,4 Prozent.

Der deutsche Markt ist der größte in Europa. Im Jahr

2015 betrug sein Anteil am Gesamtwert der Branche

rund 19,1 Prozent, gefolgt von Großbritannien mit

18,8 und Frankreich mit 14 Prozent (siehe Abbildung

32). Der Wettbewerb um den Spitzenplatz als

Technologie-Standort in Europa ist groß. Zahlreiche

Regionen in Deutschland bieten ein gutes Investiti-

onspotenzial und starke Talente-Pools, etwa Berlin,

Oberbayern (München), Darmstadt (mit Frankfurt

am Main) und Karlsruhe, wo sich eine dynamische

und florierende Landschaft von Technologieunter-

41 MarketLine (2015)

nehmen entwickelt hat. Auch die deutschen Nieder-

lassungen indischer IT-Unternehmen (z. B. HCL,

Infosys oder TCS in Frankfurt am Main) befinden sich

hauptsächlich in diesen Regionen. Durch den

intensiven Wettbewerb gibt es einen großen Pool an

qualifizierten Fachkräften, die Spitzenleistungen

erbringen.41

Trotz der finanziellen Unsicherheit der vergange-

nen Jahre ist der deutsche Sektor für Software und

IT-Dienstleistungen weiter gewachsen, da Unterneh-

men aus allen Branchen erkannt haben, dass die

Digitalisierung von Unternehmensabläufen zur

Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit absolut notwen-

dig ist. Die Größe und Vielfalt der deutschen

Wirtschaft sichert IT-Dienstleistern eine dynamische

Kundenbasis. Begünstigt wird dieses Umfeld auch

durch die staatliche Förderung von Industrie 4.0,

einem Projekt, das auf die weitere Digitalisierung von

Produktionsprozessen abzielt. Und auch der Aufbau

von Hochtechnologie-Netzen für Energie und Logistik

sollte IT-Dienstleistungs- und Softwareanbietern

über einen längeren Zeitraum Wachstumschancen

eröffnen.

ABBILDUNG 31 Umsätze der Software- und

IT-Dienstleistungsbranche in Deutschland,

2011–2015

MarketLine (2015)

60 Milliarden €

55

50

45

02012 2013 2014 20152011

50,2

51,8

53,4

55,3

57,5

ABBILDUNG 32 Geografische Segmentierung

der Software und IT-Dienstleistungsbranche,

2015 (in Prozent)

Deutschland Vereinigtes Königreich

Frankreich Italien Spanien

Übriges Europa

MarketLine (2015)

� �� �� �� �� �� 34,4

5,9

7,8

19,1

18,8

14,0

Page 45: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

2 Die Schlüsselbranchen im Überblick 43

Ein genauerer Blick auf die beiden Marktsegmen-

te zeigt, dass der Großteil des Umsatzes 2015 mit 65

Prozent im Bereich IT-Dienstleistungen erwirtschaf-

tet wurde, wohingegen das Softwaresegment einen

Anteil von 35 Prozent verzeichnete.

Der Markt gilt bis 2020 mit einem prognostizier-

ten Gesamtumsatz von 68,2 Milliarden Euro als

Wachstumsmarkt. (siehe Abbildung 33).42

Der anhaltende technologische Fortschritt, die

Präsenz großer internationaler Unternehmen und der

stetige Markteintritt von Anbietern mit neuen

Geschäftsmodellen sorgen für einen anhaltend

intensiven Wettbewerb und zwingen die bestehenden

Marktteilnehmer zunehmend, durch die Preisgestal-

tung wettbewerbsfähig zu bleiben.

Im Software-Segment gehören Unternehmens-

übernahmen und neue Partnerschaften zum Ge-

schäftsalltag. Nischen-Unternehmen können so

häufig von Infrastruktur und Middleware ihrer

Konkurrenten profitieren.

Im Gegensatz dazu versuchen IT-Dienstleistungs-

anbieter Marktanteile in Bereichen mit höheren

Margen hinzuzugewinnen, indem sie neben Leistun-

gen zur Produktivitäts- und Effizienzsteigerung (etwa

durch Outsourcing) auch Mehrwertdienstleistungen

(z. B. Analytics Consulting) anbieten.43

42 MarketLine (2015)43 ebd.

Bei dieser Strategie spielt die Markenbekanntheit

eine wichtige Rolle, insbesondere wenn es um

IT-Outsourcing und Datenverarbeitung geht, da

Sicherheit und Qualität entscheidende Kriterien für

die Auftragsvergabe sind. T-Systems etwa gehört zu

den größeren Unternehmen in diesem Segment und

profitiert von einem ausgezeichneten Ruf. Wie schon

erwähnt sind indische Unternehmen auf diesem

Sektor äußerst wettbewerbsfähig und zunehmend

auf dem deutschen Markt aktiv.

Neben der Markenbekanntheit sind die Entwick-

lung und der Vertrieb von Software, Dienstleistungen

und Hardware Wettbewerbsvorteile, da Hard-

ware-Komponenten in der Regel aus einer Hand

gekauft werden. Große Unternehmen wie IBM und

Microsoft sind hier aufgrund ihrer diversifizierten

Produkt-Portfolios gut aufgestellt. Darüber hinaus

bieten einige Software-Unternehmen Hardware an

und einige IT-Dienstleister sind auch im Bereich

Software kompetent, was in beiden Fällen zu einer

größeren Unabhängigkeit von Zulieferern führt.

Allerdings erfordert diese Art der Diversifizierung

den Zugang zu einem Pool qualifizierter Programmie-

rer und anderer Fachkräfte.

Im Allgemeinen machen die positiven Aussichten

auf dem deutschen Software- und IT-Dienstleistungs-

markt gemeinsam mit dem Internet als Vertriebskanal

die Branche für neue Marktteilnehmer und auch für

indische Unternehmen attraktiv.

ABBILDUNG 33 Prognostizierte Umsätze

der Software- und IT-Dienstleistungsbranche

in Deutschland, 2015–2020

MarketLine (2015)

70 Milliarden €

65

60

55

02016 2017 2018 2019 20202015

57,5

59,6

61,8

63,9

66,1

68,2

Page 46: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland44

44 BCG Global Wealth Market Sizing Database (2014)45 Capgemini Global Wealth Report (2015)

Brennpunkt | Portfolioinvestitionen (Privatvermögen)

Aufgrund des starken Anstiegs des Bruttoinlandsprodukts und der Sparquo-

te von rund 20 Prozent des BIP haben sich die Privatvermögen in Indien in den

letzten Jahren deutlich erhöht. Während das Land 2008 im Hinblick auf das

Gesamtprivatvermögen an 17. und 2013 an 15. Stelle weltweit lag, wird es bis

2018 mit Privatvermögen in Höhe von sieben

Billionen US-Dollar voraussichtlich auf den 7. Platz

vorrücken (siehe Abbildung 34).

Für den gesamten asiatisch-pazifischen Raum

(ausgenommen Japan) wird erwartet, dass die

Privatvermögen mit einer durchschnittlichen

jährlichen Wachstumsrate von 10,5 Prozent steigen

und bis 2018 rund 61 Billionen USD betragen

werden; die globale Wachstumsrate wird im

Vergleich dazu mit 5,4 Prozent beziffert (siehe

Abbildung 35). Man rechnet also damit, dass der

asiatisch-pazifische Raum Nordamerika und

Westeuropa als reichste Region überholen wird.

Mit einer erwarteten hohen und nachhaltigen

BIP-Wachstumsrate wird davon ausgegangen, dass

Indien einen überproportionalen Beitrag zu diesem

Wachstum leisten wird. Dies lässt sich auch an einer

Analyse der Anzahl der Millionärshaushalte ablesen

(gemessen in USD). 2013 gab es in Indien 175.000

Millionärshaushalte, womit das Land in dieser

Kategorie international den 15. Platz belegte.44

2015 hatte sich diese Zahl Berichten zufolge auf

198.000 erhöht.45

Mit dem Ziel der Risikostreuung investieren

indische Privatpersonen ihr Vermögen zunehmend

im Ausland. Gemäß indischer Gesetzgebung dürfen

pro Kopf lediglich 250.000 USD im Ausland

investiert werden. Da jedoch viele reiche indische

Familien ihren Wohnsitz im Ausland haben (nicht in

Indien ansässige indische Staatsbürger (NRI) oder

im Ausland lebende indische Staatsbürger (OCI))

und daher nicht an diese Beschränkung gebunden

sind, gibt es ein enormes Potenzial für Investitionen

in Ländern wie Deutschland, die aufgrund ihrer poli-

tischen Stabilität und nachhaltigen Wirtschafts-

kraft als sichere Häfen gelten.

ABBILDUNG 34 Länder mit den größten Privat-

vermögen, 2013 und 2018 (in Billionen USD, Rang)

USA

54

46

China

40

22

Japan

16

15

Deutschland

9

7

Vereinigtes Königreich

9

8

Frankreich

7

5

Indien

5

2

2018 (prognostiziert) 2013

BCG Global Wealth Market Sizing Database (2014)

1

1

1 (2008)

2

2

4 (2008)

3

3

2 (2008)

4

5

3 (2008)

5

4

5 (2008)

6

6

6 (2008)

7

15

17 (2008)

+129 %

Page 47: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

2 Die Schlüsselbranchen im Überblick 45

Nachdem die Demonetarisierung im November

2016 die Bevölkerung zum Umtausch ihrer Geld-

scheine zwang, liegt derzeit eine Summe von

geschätzt ein bis fünf Billionen US-Dollar auf

indischen Banken als zusätzliche Liquidität, die für

Investitionen bereitstehen.

Im Ausland lebende indische Staatsbürger gaben

in Interviews an, dass immer mehr Angehörige der

indischen Diaspora ihr Privatvermögen in Deutsch-

land, vornehmlich in Immobilien, investieren. Trotz

eines deutlichen Anstiegs während der letzten Jahre

gelten die Immobilienpreise in Deutschland

gemessen an anderen vergleichbaren Märkten

immer noch als relativ niedrig. Die starke Nachfrage

veranlasst Investoren, die in der Vergangenheit

ausschließlich in fertige Immobilien investierten,

dazu, heute auch in der Frühphase von Projekten

anzulegen.

Diese Entwicklung wurde durch eine Reihe von

Ereignissen in der jüngsten Vergangenheit weiter

verstärkt. Während früher Großbritannien das

beliebteste Investitionsziel war, verlagerte sich der

Schwerpunkt durch die Brexit-Entscheidung nach

Deutschland. Die USA sind der größte Markt für IT- und Softwaredienstleistun-

gen. Doch nach Gerüchten über Einschränkungen bei der Vergabe von H1B-Visa

durch die amerikanische Regierung wird indisches Privatvermögen auf der

Suche nach neuen Märkten zunehmend in Europa und insbesondere in Deutsch-

land als stärkstem europäischen Wirtschaftsraum investiert.

Aufgrund der attraktiven Studienbedingungen hat sich auch die Zahl der

indischen Studierenden in Deutschland in den letzten Jahren verdreifacht.

Deutsch wird an zahlreichen Schulen in Indien unterrichtet, was dazu beiträgt,

die Reputation des Landes über den guten Ruf zahlreicher bekannter deutscher

Produkte hinaus zu verbessern. Indische Familien, die ihren Kindern eine Ausbil-

dung im Ausland ermöglichen möchten, ziehen, abgesehen von den Vereinigten

Staaten und Großbritannien, zunehmend auch Deutschland, Frankreich oder

die skandinavischen Länder in Betracht. Für Deutschland sprechen vor allem die

kulturelle Offenheit, die Lebensqualität und die erschwinglichen Lebenshal-

tungskosten, die öffentliche Sicherheit und die soziale Stabilität ebenso wie die

wachsenden indischen Gemeinden in bestimmten Regionen; ebenso die

Tatsache, dass die gesprochene Sprache (aufgrund des verbreiteten Gebrauchs

des Englischen) und die Verfügbarkeit indischer Lebensmittel kein wirkliches

Problem mehr darstellen. Mehr als 70 Prozent der indischen Studienabgänger

bleiben mit hoher Wahrscheinlichkeit in Deutschland und werden zu Spitzen-

verdienern, die sehr wahrscheinlich auch investieren.

All diese Faktoren weisen darauf hin, dass Deutschland von seiner steigen-

den Beliebtheit bei indischen Staatsangehörigen profitieren und in Zukunft

private Investitionen anziehen kann.

ABBILDUNG 35 Globales Privatvermögen,

2011–2018

Region Asien-Pazifik (exklusive Japan)

Rest der Welt

* prognostiziert

BCG Global Wealth Market Sizing Database (2014)

200 Billionen USD

150

100

50

02012 2013 2018*2011

24

,49

7,6

28

,31

04

,4

37,

01

15

,0

61

,01

37,

2

Page 48: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland46

3 Die Ergebnisse der Befragung: Indische Investoren und ihre Einstellung zu Deutschland

46 Worldbank (2017)

Im folgenden Abschnitt werden die Motivationen,

Herausforderungen und Erfolgsfaktoren für indische

Investitionen in Deutschland genauer analysiert.

Die Grundlage bildet eine Befragung indischer

Investoren, die bereits in Deutschland engagiert sind

oder ein Engagement in Deutschland planen. Das Ziel

der Befragung bestand darin, (1) zu erfahren, warum

diese Investoren nach Deutschland expandieren und

welche Herausforderungen sie dabei wahrgenommen

haben, und (2) durch die Ausformulierung potenziel-

ler Erfolgsfaktoren Lehren aus ihrer Erfahrung zu

ziehen.

Am Ende soll eine solide Wissensgrundlage

bereitgestellt werden, aus der sich Empfehlungen für

Investoren, Regierungsbehörden und andere in

internationale Geschäftstätigkeiten involvierte

Stakeholder ableiten lassen.

Deutschland ist aufgrund seiner starken Wirt-

schaft und gut entwickelten Infrastruktur ein

bevorzugtes Ziel für indische Investoren (siehe

Abbildung 36). Die Verkehrs-, Kommunikations- und

Energieinfrastruktur sind erstklassig und die

weltweite Marktvernetzung bei einer gleichzeitig

zentralen Lage in Europa hoch. Eine geringe Korrupti-

on und ein hohes Maß an politischer Stabilität stärken

das Vertrauen der Investoren in den Markt. Darüber

hinaus wird das Umfeld für Forschung, Entwicklung

und Innovation, das sich auf hoch qualifizierte

Fachkräfte und ein hervorragendes Bildungssystem

stützt, sehr geschätzt. Daher ist es nicht erstaunlich,

dass Deutschland 2016 den 17. Platz von 190 Ländern

im Weltbank-Ranking der unternehmensfreundlichs-

ten Länder belegt hat, in dem Faktoren und Indikato-

ren wie das regulatorische Umfeld, die Qualität der

Infrastruktur, die Besteuerung und Finanzierungs-

möglichkeiten beurteilt wurden.46

Angesichts dieser günstigen allgemeinen

Bedingungen zielte die Befragung darauf ab, die

spezifischen Faktoren zu ermitteln, die indische

Investoren dazu motivieren, sich in Deutschland zu

engagieren. Die Ergebnisse werden nachfolgend

dargestellt.

ABBILDUNG 36 Deutschland – die am höchsten

bewerteten Standortvorteile (in Prozent)

Infrastruktur

100

Korruption

89,7

Kompetenzen und Bildungsniveau / Qualifikationen der Mitarbeiter

81,3

Politische Stabilität 78,1

F & E sowie innovatives Umfeld 72,4

Umfrage von EY zu Indischen Investitionen in Deutschland (2017)

Page 49: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

3 Die Ergebnisse der Befragung: Indische Investoren und ihre Einstellung zu Deutschland 47

3.1 Die Hauptmotivationen für indische Investitionen in Deutschland

Obwohl die Entscheidung, in Deutschland zu inves-

tieren, im Einzelfall vor dem Hintergrund von Unter-

nehmenszielen, Branche, Größe und anderen Faktoren

betrachtet werden muss, lassen sich aus den Antwor-

ten der Befragten (siehe Abbildung 37) doch einige

gemeinsame Trends für alle Unternehmen ablesen.

Marktpotenzial

Für mehr als 93 Prozent der Befragten war das

Marktpotenzial entscheidend. Deutschland gilt

unabhängig vom Sektor als großer und entwickelter

Markt mit einem beachtlichen Umsatzpotenzial für

indische Investoren. Verstärkt wird dieses Potenzial

durch die geografische Lage, die das Land zum

Einfallstor nach Europa macht. In einigen Fällen

lassen sich in Indien erfolgreiche Produkte für den

deutschen Markt adaptieren und zu deutlich höheren

Preisen als auf anderen etablierten Märkten oder

Schwellenmärkten verkaufen. Beispielsweise können

auf dem deutschen Arzneimittelmarkt Preise für

indische Generika erzielt werden, die weit über den

indischen Preisen liegen.

47 GTAI (2014)

Um dieses Potenzial zu nutzen, müssen Produkte

und Leistungen an die speziellen Marktbedürfnisse

angepasst und geeignete Vertriebsstrukturen

geschaffen werden, was vielfach eine Präsenz vor Ort

notwendig macht. Allerdings gelten manche Märkte

als gesättigt oder zu wettbewerbsintensiv, sodass ein

Umsatzwachstum nur unter größten Anstrengungen

erreichbar wäre.47 In der Metallindustrie etwa

erschließen indische Unternehmen den Markt

hauptsächlich durch Fusionen und Übernahmen und

erhalten so einen schlüsselfertigen Zugang zu einer

großen Kundenbasis auf einem schwächelnden und

äußerst wettbewerbsintensiven Markt (siehe

Abschnitt 2.1).

Nähe und Zugang zu Kunden

Mehr als 81 Prozent der Befragten gaben an,

dass die Nähe und der Zugang zu Kunden eine

entscheidende Rolle bei Investitionsentscheidungen

in Deutschland spielt. Die Metall- und Metall

verarbeitende Industrie sind dafür wieder ein gutes

Beispiel. Wie im Branchenüberblick bereits darge-

stellt, produziert die Branche wichtige Rohstoffe für

nachgelagerte Industrien, etwa für die Automobilin-

dustrie oder andere Fertigungsindustrien. Der

Zugang zu diesen wichtigen Kunden fördert die

Entwicklung auf dem deutschen Markt und schafft

gleichzeitig ein neues Potenzial, diese Kunden

weltweit, einschließlich Indien, zu bedienen, was das

Umsatzpotenzial weiter erhöht.

Anders sieht es im Bereich Software- und IT-

Dienstleistungen aus. Hier erfolgt die Markt-

entwicklung stärker über Greenfield-Investitionen,

auch wenn Fusionen und Übernahmen Teil der

Expansionsstrategie mancher Unternehmen bleiben.

Zwischen 2010 und dem 1. Quartal 2016 entfiel

beispielsweise fast ein Viertel aller FDI-Projekte

indischer Investoren in Deutschland auf die Soft-

ware-Branche (siehe Abschnitt 1.2). Da indische

Unternehmen in diesem Segment äußerst wett-

bewerbsfähig sind, betreten sie den deutschen

Markt primär durch Neugründungen, während Fu-

sionen und Übernahmen eine untergeordnete

Rolle spielen. Die Hauptmotivation für indische

Investitionen in diesem Sektor ist der Wunsch, vom

großen und wachsenden deutschen Markt zu

profitieren.

ABBILDUNG 37 Hauptgründe für indische

Investitionen in Deutschland (in Prozent)

Entwicklung neuer Märkte

93,8

Reputationsgewinn

87,5

Zugang zu Technologie 82,8

Nähe und Zugang zu Kunden 81,3

Deutschland als Tor nach Europa 75,9

Innovationsimpulse(F&E sowie innovatives Umfeld)

62,5

Umfrage von EY zu Indischen Investitionen in Deutschland (2017)

Page 50: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland48

Zugang zu Technologie

Für mehr als 82 Prozent der Befragten war der

Zugang zu Technologie ein sehr wichtiger Investitions-

grund, insbesondere in Branchen, in denen Indien

nach wie vor einen Aufholbedarf gegenüber den

reiferen Volkswirtschaften hat. Deutschland bietet

Spitzentechnologie in zahlreichen Sektoren, u. a. in der

Automobilindustrie. Die deutsche Automobilbranche

ist nicht nur der größte Fahrzeughersteller und

Absatzmarkt in Europa, sondern auch einer der

Weltmarktführer im Bereich Forschung und Entwick-

lung (siehe Abschnitt 2.2). Indische Zulieferer suchen

einerseits Zugang zur internationalen Klientel,

möchten andererseits jedoch ihre Wettbewerbsfähig-

keit und Produktivität auf dem Weltmarkt und dem

sehr wettbewerbsintensiven indischen Markt durch

den Zugang zu Spitzentechnologie verbessern. Der

klassische Weg führt über Fusionen und Übernahmen:

Mehr als ein Fünftel aller abgeschlossenen Transaktio-

nen durch indische Bieter in Deutschland zwischen

2010 und dem 1. Quartal 2017 entfallen auf diese

Branche (siehe Abschnitt 1.2), die damit an zweiter

Stelle bei den Fusionen und Übernahmen in diesem

Sektor liegt. Als Beispiele sind die Übernahmen durch

Motherson Sumi, Amtek und Ruia Group zu nennen.

Neuer Schwung für Innovationen

Mehr als 62 Prozent der Befragten gaben

Innovation als ein wesentliches Motiv für den

Markteintritt in Deutschland an. Der Wunsch nach

einem Innovationsschub ist eng mit den zuvor

beschriebenen Markteintrittsstrategien verbunden.

Deutschland hat eine hohe Dichte an renommierten

Forschungsinstituten, die auf verschiedenen Gebie-

ten tätig sind, etwa die Fraunhofer-Gesellschaft und

die Max-Planck-Gesellschaft. Darüber hinaus

arbeiten Universitäten und Unternehmen häufig eng

zusammen, um marktfähige Innovationen zu entwi-

ckeln. Die Kooperation zwischen Bosch und Tech

Mahindra im Bereich der vernetzten Industriewerk-

zeuge für das Internet der Dinge ist ein hervorragen-

des Beispiel für die fruchtbare indisch-deutsche

Zusammenarbeit an in Deutschland entwickelten

Innovationen. Für dieses Joint Venture liefert Tech

Mahindra die Anwendungssoftware, während Bosch

das Know-how für die Werkzeuge selbst bereitstellt.48

48 Bosch (2015)49 Koch, A. J. (2001)50 Porter, M. E. (1990)51 Koch, A. J. (2001)

Abgesehen vom Zugang zu Forschungsinstituten

und vorteilhaften Kooperationen schaffen die

allgemeinen sozialen und wirtschaftlichen Bedingun-

gen in Deutschland ein innovationsfreundliches

Umfeld. Das Land gilt in vielen Bereichen als Leitmarkt.

Leitmärkte haben für globale Geschäftsstrategien

eine große Bedeutung. Der Begriff beschreibt in der

Regel große Märkte, die relativ geringen gesetzlichen

Regelungen und Einschränkungen unterliegen,

anspruchsvolle Kunden und starke Wettbewerber

haben und in denen in der Regel qualitativ hochwerti-

ge Produkte hergestellt werden.49 Diese Ländermärk-

te haben in bestimmten Industriezweigen, die durch

das Zusammenwirken verschiedener Faktoren

geprägt wurden, wozu klare Unternehmensstrategi-

en, wettbewerbsfördernde Rivalitäten, die Präsenz

verwandter und unterstützender Industrien,

Faktor- und Nachfragbedingungen sowie eine

wirtschaftsfreundliche Regierung zählen, einen

Wettbewerbsvorteil. Die Präsenz auf einem Leit-

markt kann die Kapazitäten und Kompetenzen eines

Unternehmens an die Weltspitze bringen.50

Zu den Leitmärkten in Deutschland zählen die

Automobilindustrie, die chemische und pharmazeuti-

sche Industrie sowie die Metall- und Metall verarbei-

tende Industrie. Daher ist das große Interesse

indischer Investoren an diesen Branchen nicht

überraschend, denn alle bieten Zugang zu wichtigem,

innovativem Know-how. Dieses Wissen und diese

Kapazitäten stärken die Wettbewerbsfähigkeit

indischer Unternehmen sowohl im Ausland als auch

auf dem Heimatmarkt. Die Standorte indischer

Unternehmen in Deutschland korrelieren daher mit

den Standorten der deutschen Leitindustrien (siehe

Abschnitt 1.3).

Reputationsgewinn

Während der Eintritt in wettbewerbsintensive

Ländermärkte die Möglichkeit bietet, Kapazitäten

und Kompetenzen zu stärken, können Unternehmen

ihre Präsenz auf Leitmärkten auch als wichtiges

Qualitätsmerkmal verwenden, um auf Drittmärkte

zu expandieren.51 Dies trifft in besonderem Maße

auf indische Investitionen in Deutschland zu.

Deutschland profitiert vom guten Ruf der Produkte

„Made in Germany“, die weltweit mit hoher Qualität

Page 51: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

3 Die Ergebnisse der Befragung: Indische Investoren und ihre Einstellung zu Deutschland 49

verbunden werden. Mehr als 87 Prozent der

Befragten gaben an, dass sie diesen Ruf sehr hoch

schätzen und bezeichneten ihn als einen der

Hauptgründe für ihr Engagement in Deutschland. In

manchen Fällen basiert das gesamte Geschäftsmo-

dell von Unternehmen auf diesem Image. Dann

besteht die Unternehmensstrategie darin, ein

Produktportfolio aus preisgünstiger, in Indien

hergestellter Massenware und hochwertigen, in

Deutschland produzierten Produkten zusammenzu-

stellen, um so den Wert der gesamten Produktpalet-

te zu steigern. Die deutsche Produktion kann auf

Investitionen in neue Unternehmen oder bereits

bestehende Unternehmen basieren. In beiden Fällen

profitiert das investierende indische Unternehmen

vom Qualitätssiegel „Made in Germany“, indem es

seine Produkte aufgrund der wahrgenommenen

höheren Qualität sowohl in Indien als auch in

anderen Ländern zu höheren Preisen absetzen kann.52

Deutschland als Einfallstor nach Europa

Wie bereits festgestellt, könnte der Brexit die

Motivation, in Deutschland zu investieren, noch

weiter steigern. Aktuell nennen 76 Prozent der

indischen Investoren, die in Deutschland engagiert

sind oder sich engagieren möchten, die Rolle des

Landes als Einfallstor nach Europa aufgrund seiner

zentralen geografischen Lage als wichtigen Expansi-

onsgrund. Ein Blick auf die Standortentscheidungen

innerhalb Deutschlands zeigt, dass indische Investo-

ren Standorte in Abhängigkeit von der Nähe zu

Abnehmern, Zulieferern, Partnern und anderen

indischen Unternehmen wählen (siehe Abschnitt 1.3)

und nicht in Abhängigkeit möglicher staatlicher

Subventionen.53 Das deckt sich mit dem Ergebnis,

wonach staatliche Anreize nicht als wichtiger Grund

für Investitionen in Deutschland genannt wurden.

Unterschiedliche Motive und Geschäftsstrategien

erfordern unterschiedliche Modelle für den Eintritt

auf den deutschen Markt. Die Berichte der Teilneh-

mer an der Befragung über bestehende Strategien

und Pläne verteilten sich ziemlich gleichmäßig auf

Exportmodelle, Kooperationen und die Gründung von

Niederlassungen. Exportmodelle wurden häufig als

erste Eintrittsstrategie genannt, da die Risiken im

Vergleich geringer sind und sie die Grundlage für das

spätere Wachstum liefern können.

52 Germany Trade and Invest (2014)53 ebd.

3.2 Subjektiv wahrgenommene Heraus-forderungen für indische Investoren

Im Rahmen der von Ernst & Young durchgeführ-

ten Studie beschrieben indische Investoren, die

bereits in Deutschland engagiert waren oder ein

Engagement planten, eine Reihe tatsächlicher oder

subjektiv wahrgenommener Herausforderungen, vor

die sie im Geschäftsleben gestellt wurden (siehe

Abbildung 38).

Hohe Wettbewerbsintensität

Für mehr als 82 Prozent der Befragten war die

hohe Intensität des Wettbewerbs in Deutschland die

größte Herausforderung. Allerdings wissen indische

Investoren den starken Wettbewerb in gewisser

Weise auch zu schätzen, da sie ihn als innovations-

und effizienzfördernd wahrnehmen. Wie bereits

weiter oben ausgeführt, ist Deutschland in vielen

ABBILDUNG 38 Von indischen Investoren

bei einer Expansion nach Deutschland wahr-

genommene Herausforderungen (in Prozent)

Sehr intensiver Wettbewerb 82,8

Hohe Kosten für internationale Geschäftstätigkeiten

63,3

Schwierigkeiten bei der Suche nach Geschäftspartnern

54,8

Staatliche Bestimmungen (z. B. Arbeitsrecht)

51,7

Steuern und Zölle 48,3

Schwierigkeiten bei Produktanpassung und Qualität

42,5

Währungsrisiken

41,4

Umfrage von EY zu indischen Investitionen in Deutschland (2017)

Page 52: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

50 Indische Investitionen in Deutschland

Branchen ein Leitmarkt, auf dem eine starke Konkur-

renz herrscht. Um auf einem solchen Markt erfolg-

reich zu sein, müssen indische Unternehmen wettbe-

werbsfähige Produktqualität anbieten oder

Marktanteile durch wettbewerbsfähige Preispolitik

erobern.

Anpassung von Produkten und Qualität

45 Prozent der Befragten und damit deutlich

weniger als in der vorherigen Kategorie nannten

Produktanpassungen und Qualitätsverbesserungen

als Herausforderungen. Sie gaben an, dass es die

hohen gesetzlichen Vorgaben, die hohen Kundener-

wartungen und regionale Vorlieben indischen

Akteuren erschwerten, sich erfolgreich auf dem

deutschen Markt zu behaupten. Während Produktan-

gebote für andere Schwellen- und Entwicklungsmärk-

te aufgrund der Ähnlichkeit zum indischen Heimat-

markt eins zu eins übernommen werden können,

seien für den deutschen Markt umfassende Anpas-

sungen notwendig.54

Dies gilt für einige Branchen mehr als für andere

und hängt gewöhnlich von der Reife des Heimat-

markts ab. So zählt der indische Software- und

IT-Dienstleistungssektor zur Weltspitze und kann

international erfolgreich im Wettbewerb bestehen. In

diesem Fall ist der Wettbewerb auf dem deutschen

Markt eine größere Herausforderung als die Frage

der notwendigen Qualitätsanpassung der Produkte

und Dienstleistungen. Hingegen lässt sich mit dem

deutschen Automobilmarkt in Bezug auf Produktqua-

lität nur schwer konkurrieren. Der Ruf der indischen

Automobilbranche ist nicht mit dem Software- und

IT-Dienstleistungssektor vergleichbar, weshalb es für

indische Unternehmen schwieriger ist, im Ausland

konkurrenzfähig zu sein. Während in einigen Fällen

die Produktqualität und die technologischen Ressour-

cen verbessert werden müssten, ist es in anderen

bereits die fehlende Markenbekanntheit, die es

indischen Unternehmen schwer macht, auf dem

Markt Fuß zu fassen.

Die Produktqualität kann zum Teil durch Fusionen

mit oder Übernahmen von konkurrenzfähigen

örtlichen Unternehmen angepasst und verbessert

werden; dennoch gaben die Befragten an, dass

darüber hinaus auch kontinuierliche Forschungs- und

Entwicklungsarbeit sowie unternehmensinterne

Optimierungsmaßnahmen notwendig seien.

54 Germany Trade and Invest (2014)

Gesetzliche Bestimmungen

Zu den Herausforderungen zählt auch das

regulatorische Umfeld in Deutschland, da die

verschiedenen Branchen einer Vielzahl oft komplexer

Bestimmungen unterliegen. So sind die Interessen der

Arbeitnehmer durch das deutsche Arbeitsgesetz

geschützt, weshalb sie nicht einfach aus Gründen der

Kostenoptimierung entlassen werden können wie in

den USA. Darüber hinaus sind viele Arbeitnehmer in

Gewerkschaften organisiert, die bei wichtigen

Unternehmensentscheidungen angehört werden

müssen. Auch die gesetzlich geregelte Mitbestim-

mung macht Arbeitnehmer zu ernst zu nehmenden

Partnern. Allerdings haben indische Investoren

Erfahrung mit einem solchen Umfeld, da es auch in

Indien zahlreiche Gewerkschaften gibt. Dies kann

möglicherweise erklären, warum nur ein Viertel der

Befragten die rechtlichen Bestimmungen als eine

signifikante Herausforderung aufführten.

Unter den gesetzlichen Hürden wurden auch die

Visabestimmungen genannt, die die Entsendung von

Mitarbeitern insbesondere für kleinere Unternehmen

zu einer zeitaufwändigen Angelegenheit machen.

Trotzdem wurde das Beantragen eines Geschäftsvi-

sums für Deutschland nicht als besondere Herausfor-

derung genannt. Insbesondere Softwareunternehmen

und IT-Dienstleister – die größte Gruppe von

Antragstellern – empfanden diesen Punkt nicht als

problematisch. Ungeachtet dessen empfiehlt es sich,

die Informationen auf der Website des deutschen

Außenministeriums oder auf den betreffenden

Websites der deutschen Auslandsvertretungen in

Indien sorgfältig zu lesen, um Verzögerungen bei der

Visavergabe zu vermeiden. Die Beantragung des für

den speziellen Zweck geeigneten Visums ist unerläss-

lich. Die deutsche Botschaft in Neu Delhi oder die

Konsulate in anderen Städten wie Mumbai haben

effiziente Verfahren eingeführt, die eine schnelle

Bearbeitung der Visumsanträge garantieren. Die

Befragten gaben an, dass Verzögerungen des

Prozesses in erster Linie auf die Beantragung eines

falschen Visums zurückzuführen waren, etwa eines

Geschäftsvisums statt eines Arbeitsvisums oder

umgekehrt.

Herausforderungen im Zusammenhang mit der

Rechtslage entstehen auch durch die Erwartungen

der Investoren an den deutschen Markt. Indische

Investoren fühlen sich durch das regulatorische

Page 53: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

3 Die Ergebnisse der Befragung: Indische Investoren und ihre Einstellung zu Deutschland 51

Umfeld häufig daran gehindert, ihre hochgesteckten

Ziele zu erreichen, was Unzufriedenheit mit der

Investition auslöst. Ein Beispiel ist die Erwartung,

kurzfristige Gewinne durch die oben erwähnte

Kostenoptimierung mittels Personalentlassungen zu

erzielen, was auf dem stark regulierten deutschen

Markt unmöglich ist. Diese Kluft zwischen Wahrneh-

mung und Realität lässt sich teilweise durch kulturelle

Unterschiede erklären. Obwohl die Befragten in

diesem Punkt keine große subjektiv empfundene

Herausforderung sahen, weisen ihre Erfahrungsbe-

richte doch auf die Bedeutung dieser Herausforde-

rungen in der Vergangenheit hin. Sprachbarrieren

werden im Allgemeinen als weniger problematisch

eingestuft als früher, sind aber immer noch bedeuten-

der als in rein englischsprachigen Ländern wie

Großbritannien. Allerdings berichteten die Befragten

von enormen Fortschritten in diesem Punkt.

Hohe Kosten für internationale Geschäftstätigkeiten

Aufgrund der relativ hohen Investitionskosten in

Deutschland im Vergleich zu osteuropäischen

Ländern spielen die hohen Gewinnerwartungen

indischer Investoren eine besonders große Rolle.

Internationale Geschäfte, Fusionen, Übernahmen und

FDI sind gewöhnlich mit hohen Kosten verbunden.

Für indische Unternehmen sind Investitionen in

Deutschland teurer als Investitionen in Schwellen-

oder Entwicklungsmärkten. Investoren versuchen,

diese Herausforderung strategisch abzufedern, indem

sie insolvente Nischenunternehmen in bestimmten

Branchen (z. B. im Maschinenbau) übernehmen und

sie anschließend sanieren. Diese Strategie blieb in der

Vergangenheit oft erfolglos, woraus manche der

Befragten den Schluss zogen, dass die Übernahme

gesunder Unternehmen eine bessere Option sei.

Daher wurde die Suche nach geeigneten lokalen

Kooperationspartnern für Joint Ventures von den

Teilnehmern der Befragung als subjektiv wahrgenom-

mene Herausforderung genannt.

Neben den hohen Kosten wurde auch das mit

einer Expansion ins Ausland verbundene Währungsri-

siko als Herausforderung wahrgenommen.

Auch wenn der Wechselkurs 2016 eher stabil

blieb, war er insbesondere im Zeitraum 2013–2015

sehr volatil. Die Abwertung der Rupie im Jahr 2013

hat die Kosten für ausländische Direktinvestitionen,

Fusionen und Übernahmen durch indische Investoren

stark in die Höhe getrieben, was teilweise auch den

Einbruch bei indischen Auslandsinvestitionsflüssen

erklärt (siehe Abschnitt 1.2).

Dieser Einbruch war auch auf Finanzierungspro-

bleme in Indien zurückzuführen. Die Finanzierung

internationaler Geschäftstätigkeiten stellt indische

Investoren vor zusätzliche Herausforderungen, insbe-

sondere weil sie Bargeld-Transaktionen bevorzugen.

Dies betrifft vor allem kleinere Unternehmen, die oft

nicht über ausreichend Liquidität verfügen.

Auch wenn diese Herausforderungen real sind,

gaben die befragten Unternehmensvertreter an, dass

sie im Großen und Ganzen zu bewältigen seien. Somit

scheinen indische Investoren für die Expansion auf

dem deutschen Markt relativ gut gerüstet zu sein.

Deutschland gilt als politisch stabiler Standort mit

einer hervorragenden Infrastruktur und hoch

qualifizierten Arbeitskräften. Daher konzentrieren

sich die nachfolgend besprochenen Erfolgsfaktoren

hauptsächlich auf einzelne Unternehmensfaktoren,

da sich diese am einfachsten beeinflussen lassen.

Page 54: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

52 Indische Investitionen in Deutschland

3.3 Erfolgsfaktoren

Welche Lehren lassen sich aus den Aussagen

indischer Investoren ziehen, die bereits in Deutsch-

land engagiert sind oder ein Engagement planen?

Aus der Analyse der Hauptgründe für Entschei-

dungen zur Expansion nach Deutschland und der

wahrgenommenen Herausforderungen lassen sich

mehrere Erfolgsfaktoren ableiten, die einen erfolgrei-

chen Markteintritt wahrscheinlich machen (siehe

Abbildung 39).

Partner vor Ort

Mehr als zwei Drittel der Befragten gaben an,

dass die Zusammenarbeit mit einem Partner vor Ort

eine der besten Strategien sei, um die Chancen auf

einen erfolgreichen Markteintritt zu erhöhen.

Indische Investoren betrachten solche Kooperationen

als Schlüssel, um auf dem Markt Fuß zu fassen, da sie

sich bestehende Netzwerke zunutze machen, in

Bezug auf Herausforderungen wie Produktanpassung

und Qualität von der lokalen Expertise profitieren

und in Bezug auf den Umgang mit Behörden und

Bestimmungen auf Kenntnisse vor Ort zurückgreifen

können. Partnerschaften entstehen gewöhnlich durch

Fusionen oder Übernahmen oder etwas seltener

durch klassische Joint Ventures (siehe Abschnitt 1.2).

Dafür ist es notwendig, Kontakte noch vor dem

55 MarketLine (2016a)

Markteintritt in Deutschland zu knüpfen. Auch der

Erfahrungsaustausch mit anderen indischen Investo-

ren wird als nützlich erachtet, wenn auch in geringe-

rem Ausmaß.

Die Vermarktungsstrategie

Über 79 Prozent der Befragten gaben an, dass die

Entwicklung einer richtigen Vermarktungsstrategie

für den Erfolg auf dem deutschen Markt entschei-

dend sei. Dafür müssen häufig Produkte und Produkt-

qualität angepasst werden, um die Anforderungen des

Marktes zu erfüllen. Das Angebot qualitativ hochwer-

tiger Produkte mit Spitzentechnologie wird als

wesentlicher Erfolgsfaktor gewertet. Deutschland ist

der Leitmarkt für viele Branchen, in denen neueste

und beste Produkte erforderlich sind, um konkurrenz-

fähig zu sein. Wenn indische Unternehmen das nicht

bieten können, ist eine konkurrenzfähige Preisstrate-

gie ein anderer Weg, um Marktanteile zu gewinnen.

Diese Strategie ist besonders auf Märkten erfolg-

reich, auf denen Skaleneffekte zur Erhaltung der

Rentabilität erforderlich sind, wie etwa in der

Metallindustrie (siehe Abschnitt 2.1). So ist im

Stahlsektor eine hohe Produktdifferenzierung auf der

Grundlage von Spitzentechnologie nicht möglich,

weshalb hier die Preisgestaltung wichtiger wird.55

Ausbildung der Mitarbeiter

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist der Ausbau von

Wissen und Kompetenzen innerhalb des investieren-

den Unternehmens anstelle externer Maßnahmen wie

beispielsweise Partnerschaften. Indische Investoren

nannten die Qualifikation des Unternehmensperso-

nals und Programme zur Aus- und Weiterbildung als

einen wesentlichen Erfolgsfaktor. Die Rolle der

Mitarbeiter und Sozialkompetenzen werden als

Erfolgsfaktoren für internationale Expansionen

unterschätzt. Obwohl kulturelle Unterschiede und

Sprachbarrieren nicht als wesentliche Herausforde-

rungen genannt wurden, wurde die Überwindung

dieser Hürden durch Training und Personalentwick-

lung dennoch als Erfolgsfaktor gewertet. Insbesonde-

re in der Startphase einer Auslandsinvestition sind die

Mitarbeiter der Schlüssel zum Erfolg.

Diese Erfolgsfaktoren können entweder vom

investierenden Unternehmen selbst angestoßen oder

durch die Beauftragung externer Unternehmen

unterstützt werden.

ABBILDUNG 39 Erfolgsfaktoren vor Beginn

der Internationalisierungsbemühungen (in Prozent)

Kontaktherstellung vor der Unternehmung 90,3

Schulung des eigenen Personals 80,0

Entwicklung einer angemessenen Vermarktungsstrategie

79,3

Kooperation mit Partner vor Ort 77,4

Höhere eigene Forschungsaktivität

77,4

Umfrage von EY zu indischen Investitionen in Deutschland (2017)

Page 55: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

3 Die Ergebnisse der Befragung: Indische Investoren und ihre Einstellung zu Deutschland 53

In diesem Zusammenhang gaben die Befragten an,

dass externe Hilfe besonders wichtig sei, um Zugang zu

Netzwerken und lokaler Expertise zu erhalten. Die drei

wichtigsten Bereiche, für die externe Unterstützung als

notwendig erachtet wurde, waren die Suche nach

Übernahmezielen und geeigneten Geschäftspartnern

sowie der Umgang mit Behörden (einschließlich der

Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen). Auch bei

den Finanzierungsaktivitäten, der Auswahl von

Investitionsstandorten und der Personalrekrutierung

wurde externe Hilfe als hilfreich erachtet.

Da eine internationale Geschäftstätigkeit mit

hohen Kosten verbunden ist, was insbesondere auf

Deutschland zutrifft (siehe den Abschnitt zu den

Herausforderungen), wurde der Zugang zu

ausreichender Finanzierung und Finanzquellen als

wesentliche Voraussetzung für die Expansion nach

Deutschland eingestuft. Für kleinere Unternehmen

sind diese Hürden noch größer als für große Konzerne.

Allerdings werden diese Herausforderungen durch die

zunehmende Präsenz indischer Banken in Deutsch-

land, die oft Programme zur Finanzierung von

Geschäftstätigkeiten im Ausland anbieten, gemildert.

Wie nachfolgend erwähnt (siehe Brennpunkt: „Anreize

der deutschen Regierung“), bietet darüber hinaus die

staatliche deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau

KfW in Zusammenarbeit mit regionalen Banken attrak-

tive Finanzierungen für Investoren an.

Brennpunkt | Anreize der deutschen Regierung

In Deutschland gibt es zahlreiche staatlich finanzierte und geförderte

Anreize für ausländische Investoren, die über unterschiedliche Institutionen

angeboten werden, um das Investitionsklima zu verbessern, ausländische

Investitionen in Deutschland zu fördern und deren Erfolgschancen zu erhöhen.

Auch einige deutsche Bundesländer und Regionen bieten Anreize für

Investoren mit dem Ziel, Unternehmensgründungen in bestimmten Branchen zu

fördern oder Ziele wie die Schaffung neuer Arbeitsplätze in der Produktion zu

erreichen. Diese Subventionen unterscheiden sich je nach Bundesland sowie in

der Art der Förderung. Angeboten werden u. a. spezielle Abschreibungen auf

Vermögenswerte oder Zuschüsse für Investitionsausgaben, wenn diese

nachweislich zur Schaffung neuer Arbeitsplätze führen, Subventionen für

Investitionen in Forschung und Innovation oder Sonderkonditionen etwa beim

Grunderwerb. In manchen Fällen werden ganze Industriezweige gefördert, z. B.

durch Investitionen in erneuerbare Energien, indem die Nachfrage mithilfe

günstiger Einspeisevergütungen stimuliert wird. Die Gründung innovativer

Unternehmen wird oft durch Maßnahmen wie Förderung und Einrichtung von

IT-Infrastruktur oder Technologieparks und Start-ups gestützt.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat die Aufgabe

der Unternehmensförderung an die „Germany Trade and Invest“ (GTAI), die

Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland für Außenwirtschaft und

Page 56: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland54

Standortmarketing, übertragen. Über ein weitverzweigtes Netzwerk im In- und

Ausland unterstützt diese Gesellschaft deutsche Unternehmen auf Auslands-

märkten, fördert den Wirtschaftsstandort Deutschland und hilft ausländischen

Unternehmen, sich in Deutschland niederzulassen. Die GTAI veröffentlicht

Informationsberichte und Marktanalysen und hilft bei der Analyse der Vorteile

spezieller Investitionsstandorte. Sie wird dabei von regionalen Wirtschaftsför-

derungseinrichtungen unterstützt, etwa der FRM GmbH (FrankfurtRheinMain)

oder der Hamburg Marketing GmbH.56

Darüber hinaus unterstützt die deutsche Regierung Investitionsprojekte

auch durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die größte staatliche

Förderbank. Zu ihren vielfältigen Aufgaben zählt es, Kredite zu günstigen

Bedingungen an Privatpersonen, Unternehmen, Kommunen sowie gemein-

nützige und andere soziale Einrichtungen zu vergeben. Die KfW finanziert ihr

Geschäft auf dem Kapitalmarkt zu wettbewerbsfähigen Konditionen und

gewährt Unternehmensdarlehen mit einer staatlichen Ausfallsgarantie. Die

Vergabe erfolgt in Zusammenarbeit mit gewöhnlichen Banken, Sparkassen

sowie Genossenschafts- und Geschäftsbanken, die die wichtigsten Vertriebs-

partner der KfW sind.57 Indische Investoren können diese Kredite über ihre

lokalen Banken in Deutschland beantragen, von denen viele auch in Indien

vertreten sind oder Kooperationsvereinbarungen mit in Deutschland präsenten

indischen Banken haben, etwa mit der ICICI Bank oder der State Bank of India.

Die KfW bietet unter anderem Unternehmerkredite an. Zur Zielgruppe

dieser Kreditkategorie gehören Freiberufler, Unternehmen und Leasing-Gesell-

schaften im In- und Ausland, die schon länger als fünf Jahre tätig sind und in

Deutschland investieren möchten. Es werden sowohl Betriebskapital als auch

Investitionen finanziert. Vergeben werden Kredite bis zu einer Höhe von 25

Millionen Euro mit einer maximalen Laufzeit von 20 Jahren, wobei Investitionen

zu 100 Prozent finanziert werden können. Die Jahresverzinsung beginnt bei

einem Prozent und Investoren können sich für eine rückzahlungsfreie Anfangs-

frist entscheiden.

56 GTAI (2017b)57 KfW (2017)

Page 57: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

3 Die Ergebnisse der Befragung: Indische Investoren und ihre Einstellung zu Deutschland 55

Page 58: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

56

4 Schlussfolgerung und strategische Überlegungen

58 EY (2015)

Im folgenden Abschnitt werden strategische

Überlegungen über die Zukunft der indisch-deutschen

Partnerschaft auf Grundlage der Ergebnisse unserer

Befragung und der im ersten Teil der Studie erfolgten

Quellen- und Literaturauswertung angestellt.

Sie richten sich an alle Stakeholder, interessierte

Unternehmen, Regierungen, Industrie- und Handelsver-

bände sowie Finanz- und F&E-Einrichtungen in Indien

und Deutschland.

Mit Strategien, die den Grundstein für erfolgreiche

Investitionsvorhaben in beiden Ländern legen, haben die

deutsche und die indische Regierung einen Rahmen für

den wirtschaftlichen und geschäftlichen Austausch

geschaffen. Bei manchen Projekten können auch

Regierungsinstitutionen als Investoren oder Investiti-

onspartner auftreten.

Andere Stakeholder wie Industrie- und Handelsver-

bände stellen Informationen und Unterstützung für

Investoren bereit. Die Verbände, die über Vertretungen

in Deutschland verfügen, haben Zugang zu Informatio-

nen über die jeweilige Region und können Investoren vor

Ort bei allen geschäftlichen Vorgängen zur Seite stehen.

Finanzinstitute spielen eine wichtige Rolle, nicht nur

als potenzielle Investoren, die Risikokapital und privates

Eigenkapital zur Verfügung stellen, sondern auch durch

das Angebot anderer hilfreicher Finanzleistungen (z. B.

Versicherungen zur Deckung von Produktgarantien und

anderen Haftungsansprüchen) und von Finanzierungs-

möglichkeiten (etwa Leasingmodelle für Geräte).

F&E-Einrichtungen unterstützen die gemeinsame

Forschung und helfen Unternehmen bei der Anpassung

ihrer Produkte und Herstellungspraxis an die Anforde-

rungen des deutschen Markts.58

Die im Rahmen der Studie durchgeführten Befragun-

gen (potenzieller) Investoren zeigen, dass Deutschland

sich innovativer und wirkungsvoller vermarkten sollte,

u. a. auch durch die Nutzung modernster Medienkanäle.

Wie oben ausgeführt, bietet das Land ausländischen

Investoren einmalige und äußerst günstige Bedingungen.

Trotzdem bleibt für die meisten indischen Investoren

Großbritannien die erste Wahl, wenn es um Expansionen

ins Ausland geht. Auch wenn sich dies durch den

bevorstehenden Brexit ändern könnte, muss Deutsch-

land seine Marketingbemühungen intensivieren,

insbesondere in Ländern mit einem bilateralen Potenzial.

Indien kann der deutschen Wirtschaft durch die

Bereitstellung von F&E- und Innovationskapazitäten,

den Ausgleich des Fachkräftemangels in bestimmten

Branchen oder einfach durch Unterstützung des

Mittelstandes bei den Herausforderungen der Unter-

nehmensnachfolge enorme Vorteile bieten.

Daher sollten deutsche Behörden auf Bundes-,

Landes- und sogar Kommunalebene ihre Bemühungen

verstärken, die Attraktivität für indische Investoren

weiter zu steigern. Im Allgemeinen nehmen die Füh-

rungskräfte aus Wirtschaft und Regierung ausländische

Direktinvestitionen positiver wahr als Fusionen oder

Übernahmen, da diese Investitionen neben anderen

Vorteilen auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze

bedeuten. Fusionen und Übernahmen werden hingegen

häufig als Verlust deutscher Technologie und deutschen

Know-hows an das Ausland betrachtet. Dass dies nicht

immer zutreffen muss, zeigen positive aktuelle Beispiele

indischer Investoren, die ihre in Deutschland erworbe-

nen Unternehmen erfolgreich weiterentwickeln.

Indische Unternehmen ihrerseits sollten bei

Investitionsentscheidungen den Blick stärker auf

Deutschland als auf Großbritannien richten – nicht nur

im Hinblick auf die bevorstehenden Auswirkungen des

Brexit, sondern auch aufgrund der hervorragenden

Marktbedingungen in Deutschland. Beispielsweise ist

die Sprachbarriere weitaus geringer als gewöhnlich

angenommen und Deutschland bietet zum heutigen

Zeitpunkt ein politisch stabiles wirtschaftliches Umfeld

von hoher Qualität. Dennoch ist es strategisch sinnvoll,

eine hochwertige externe Beratung heranzuziehen, um

den lokalen Markt zu verstehen und darin Fuß fassen zu

können, da dies ist ein kritischer Faktor für den Erfolg

von Investitionen im Ausland ist.

Die folgenden strategischen Überlegungen

skizzieren die Bereiche, in denen Verbesserungen

möglich sind, sowie Maßnahmen, um indische Investitio-

nen in Deutschland nachhaltig anzuziehen und zu

unterstützen.

Indische Investitionen in Deutschland

Page 59: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

4 Schlussfolgerung und strategische Überlegungen 57

1 Die Vermarktung Deutschlands sollte sich stärker

auf „weiche“ Faktoren wie die erschwinglichen

Lebenshaltungskosten und die hohen Standards im

Bereich der öffentlichen Sicherheit konzentrieren. Da

Investitionsentscheidungen letztlich von Personen

getroffen werden, deren Wohlbefinden ausschlagge-

bend für den Erfolg jedes Projekts sind, sind Marke-

tingkampagnen für Investitionen erfolgreicher, wenn

sie auf die Menschen selbst abzielen.

2 Indische Fachkräfte siedeln sich im Allgemeinen

eher an Orten an, die bereits über ein indisches

Netzwerk und eine entsprechende Infrastruktur

verfügen. Dazu gehören normalerweise ein eng-

lischsprachiges Umfeld und Angebote wie etwa die

Verfügbarkeit indischer Lebensmittel. Es gibt bereits

mehrere Zentren mit einer großen indischen Gemeinde

in Deutschland, die sich auch aufgrund der steigenden

Zahl indischer Studierender in Deutschland rasch

vergrößern. Kommunalverwaltungen, Unternehmens-

verbände und betroffene Unternehmen sollten die

Entstehung und Weiterentwicklung solcher multikul-

turellen Umgebungen weiter fördern.

3 Investoren bewerten die regulatorischen und

steuerlichen Rahmenbedingungen in Deutschland als

transparent und verlässlich. Allerdings gelten die

Steuern und Sozialbeiträge als vergleichsweise hoch.

Eine Steuerharmonisierung auf europäischer Ebene in

Verbindung mit entsprechenden Anreizen könnte zu

mehr Investitionen und dadurch zu einem Zuwachs an

hoch qualifizierten Arbeitsplätzen in innovationsstark-

en Unternehmen und Start-ups führen.

4 Die Aussicht auf Zugang zum deutschen Ingenieur-

wesen und zu deutscher Technologie ist ein starkes

Motiv für indische Investoren. Die Kombination der

spezifischen Stärken deutscher Ingenieure mit der

Affinität der Inder für den IT-Bereich könnte der

Schlüssel für eine fruchtbare Zusammenarbeit sein,

insbesondere in einem Umfeld, in dem Kompetenzen

im Bereich des Internets der Dinge (IdD) und der

Industrie 4.0 zunehmend nachgefragt sind. Die

Zusammenarbeit mit führenden indischen IT- und

Software-Entwicklern könnte somit zum Erhalt der

deutschen Wettbewerbs- und Innovationsfähig-

keit und des Lebensstandards in einer Zeit des demo-

graphischen Wandels beitragen.

5 Die pharmazeutische Industrie und andere

Sektoren, die in der Europäischen Union stark

reguliert sind und in der Vergangenheit Großbritan-

nien als Einfallstor nach Europa nutzten, könnten nach

einem „harten“ Brexit mit hohen Kosten für die

Zulassung ihrer Produkte in der EU-27 oder in

Deutschland konfrontiert sein. Die deutsche Regi-

erung sollte daher eine Lösung entwickeln, die die

Zulassung aktuell in Großbritannien zugelassener

Produkte von Firmen, die ihren Standort nach

Deutschland verlegen wollen, erleichtert.

6 Indische Investoren, die Zugang zu Technologie

erhalten möchten, sollten sich eher auf die Marktfähig-

keit der Technologie nach dem Kauf eines Unterneh-

mens konzentrieren, als notleidende Unternehmen zu

übernehmen. Durch die Beauftragung eines profes-

sionellen Beratungsunternehmens mit einer sorgfälti-

gen Prüfung der wirtschaftlichen, finanziellen,

technologischen und rechtlichen Aspekte lassen sich

Risiken in einer solchen Situation minimieren.

7 Indische Fachkräfte in Deutschland schätzen nach

eigenen Aussagen die Offenheit und liberale Einstel-

lung der deutschen Gesellschaft gegenüber Menschen

anderer Hautfarbe oder anderer Religionen. Trotzdem

gaben die Befragungsteilnehmer an, dass ein Ver-

ständnis der deutschen Kultur und damit auch der

Kunden- und Marktpräferenzen notwendig sei, um

raschen Zugang zu Gesellschaft, Kunden und dem

Markt zu bekommen. Bund, Länder und Gemeinden,

Unternehmen und Verbände könnten diesen Prozess

durch das Angebot spezieller Schulungsprogramme in

diesem Bereich stark fördern. Potenzielle Investoren

könnten schneller auf dem Markt erfolgreich sein,

wenn ihre Mitarbeiter geschult würden, bevor sie nach

Deutschland entsandt werden.

8 Investoren, für die kosten- und steuereffiziente

Investitionen wichtig sind, können in Deutschland

attraktive Bedingungen vorfinden. Wenngleich die

Steuerbelastung in Deutschland im Vergleich zu anderen

europäischen Ländern hoch ist, können verschiedene

staatliche Förderprogramme in Anspruch genommen

werden, um die Kosten erheblich zu senken. Auch die

Lohnkosten zählen zwar zu den höchsten in Europa,

werden aber durch eine hohe Produktivität, geringe

Mitarbeiterfluktuation und eine starke Loyalität gegen-

über dem Arbeitgeber wettgemacht. Investoren

müssen daher abwägen, ob diese Vorteile auf Dauer

stärker zu einem langfristigen und nachhaltigen Erfolg

beitragen als kurzfristige Kosteneinsparungen.

Page 60: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

58 Indische Investitionen in Deutschland

Liste der Tabellen und Abbildungen

Tabelle

Tabelle 1 Bruttoinlandsprodukt und Bevölkerung 2016 11

Karten

Karte 1 Indische Direktinvestitionen (FDI) und Fusionen und Übernahmen 2010 bis 2016/2017 26

Karte 2 Woher kommen die indischen Investoren, die sich in Deutschland engagieren? 27

Figures

Abbildung 1 Prognose für BIP-Wachstum, 2016–2017 13

Abbildung 2 Der deutsche Warenhandel mit Indien, 2011–2015 14

Abbildung 3 Warenimporte aus Indien 2015, nach Sektor 14

Abbildung 4 Der Handel mit Dienstleistungen, 2011–2015 15

Abbildung 5 Dienstleistungsimporte aus Indien 2015, nach Sektor 15

Abbildung 6 Weltweiter indischer FDI-Fluss und

-Bestand, 2010–2015* 16

Abbildung 7 Zahl der indischen FDI in Europa, 2010–1. Quartal 2016 17

Abbildung 8 Die wichtigsten europäischen Länder nach Zahl der indischen FDI-Projekte,

2010–1. Quartal 2016 17

Abbildung 9 Indische FDI in Deutschland nach Geschäftstätigkeit,

Zahl der Projekte und entstandenen Arbeitsplätze, 2010–1. Quartal 2016 18

Abbildung 10 Indische FDI-Projekte in Deutschland nach Sektor, 2010–1. Quartal 2016 18

Abbildung 11 Die drei führenden Standorte für FDI in Europa (erste Wahl),

Frühjahr und Herbst 2016 21

Abbildung 12 Anzahl der großen Fusionen und Übernahmen durch indische Investoren

in Deutschland, 2010–1. Quartal 2017 22

Abbildung 13 Anzahl der großen Fusionen und Übernahmen durch indische Investoren

in Deutschland nach Branche, 2010 bis zum 1. Quartal 2017 23

Abbildung 14 Standorte der „Hidden Champions“ und Marktführer in Deutschland 2011 24

Abbildung 15 Altersverteilung der Unternehmensinhaber im Mittelstand, 2005–2015 25

Abbildung 16 Nachfolgeplanung in deutschen KMU, 2016 25

Abbildung 17 Die indische Wirtschaftspräsenz nach Umsätzen pro Branche,

letztes verfügbares Jahr* 28

Abbildung 18 Die indische Wirtschaftspräsenz nach Beschäftigtenanteil und Branche,

letztes verfügbares Jahr* 29

Abbildung 19 Entwicklungstrends indischer Unternehmen in Deutschland, 2010–2016* 30

Abbildung 20 Umsätze in der deutschen Stahlindustrie 2011–2015 33

Abbildung 21 Geografische Segmentierung der europäischen Stahlindustrie 2015 33

Abbildung 22 Der deutsche Stahlmarkt 2015 nach Anteil am Volumen 34

Abbildung 23 Automobilproduktion weltweit nach Land, 2015 35

Abbildung 24 Umsätze in der deutschen Automobilproduktion 2011–2015 36

Page 61: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Quellenverzeichnis 59

Abbildung 25 Geografische Segmentierung der Automobilproduktion in Europa 2015 36

Abbildung 26 Umsätze in der chemischen Industrie 2011–2015 37

Abbildung 27 Geografische Segmentierung der Chemieindustrie in Europa 38

Abbildung 28 Segmentierung der Chemieindustrie in Europa nach Kategorie 38

Abbildung 29 Umsätze in der deutschen Pharmaindustrie 2011–2015 38

Abbildung 30 Geografische Segmentierung der pharmazeutischen Industrie in Europa im Jahr 2015 39

Abbildung 31 Umsätze der Software- und IT-Dienstleistungsbranche in Deutschland, 2011–2015 40

Abbildung 32 Geografische Segmentierung der Software und IT-Dienstleistungsbranche im Jahr 2015 40

Abbildung 33 Prognostizierte Umsätze der Software- und IT-Dienstleistungsbranche

in Deutschland, 2015–2020 41

Abbildung 34 Länder mit den größten Privatvermögen, 2013 und 2018 42

Abbildung 35 Globales Privatvermögen, 2011–2018 43

Abbildung 36 Deutschland – die am höchsten bewerteten Standortvorteile 44

Abbildung 37 Die Hauptgründe für indische Investitionen in Deutschland 45

Abbildung 38 Von indischen Investoren bei einer Expansion nach Deutschland

wahrgenommene Herausforderungen 47

Abbildung 39 Erfolgsfaktoren vor Beginn der Internationalisierungsbemühungen 50

Quellenverzeichnis

A.T. Kearney (2016). The 2016 A.T. Kearny Foreign Direct Investment Confidence Index. FDI on the Rebound?

www.atkearney.com/documents/10192/8064626/2016+A.T.+

Kearney+Foreign+Direct+Investment+Confidence+Index%E2%80%93FDI+on+the+Rebound.pdf/

Bertelsmann Stiftung (eds.) (2017). Indian high-skilled migrants and international students in Germany- Migration

behaviors, intentions and development effects. www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/

publikation/did/indian-high-skilled-migrants-and-international-students-in-germany/

BCG Global Wealth Market Sizing Database (2014). BCG Global Wealth Market Sizing Database.

www.bcgperspectives.com/content/articles/financial_institutions_business_unit_strategy_global_

wealth_2014_riding_wave_growth/?chapter=2

Bosch (2015). Konzernwebsite.

www.bosch-si.com/de/unternehmen/aktuelles/features/innovationsprojekt-iic.html

Capgemini Global Wealth Report (2015). Capgemini Global Wealth Report.

www.de.capgemini.com/thought-leadership/world-wealth-report-2015

Destatis (2016). Außenhandel und Dienstleistungen der Bundesrepublik Deutschland mit dem Ausland.

Integrierte Daten für den Berichtszeitraum 2011 bis 2015. www.destatis.de/DE/

Publikationen/Thematisch/Aussenhandel/Gesamtentwicklung/

AussenhandelDienstleistungsverkehr5519001157005.html

Elliott, G. R. and R. C. Cameron (1994). Consumer perception of product quality and the country-of-origin

effect. Journal of International Marketing 2 (2): 49-62.

European Commission (2017). European Union, Trade in Goods with India.

http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2006/september/tradoc_113390.pdf

Eurostat (2017). News Release Euro Indicator.

http://ec.europa.eu/eurostat/documents/2995521/7895735/3-02032017-AP-EN.pdf

Page 62: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland60

Ernst & Young (EY) (2015). EY’s Study on Prospects for Indo-German Collaboration in High-Technology

Manufacturing. http://www.ey.com/de/de/services/advisory/ey-deutsche-hochtechnologie-fuer-indien

EY European Investment Monitor (2017). European Investment Monitor.

http://eyeim.com/index.htm

EY’s European Attractiveness Survey (2017). Plan B for Brexit.

http://www.ey.com/gl/en/issues/business-environment/ey-attractiveness-survey-plan-b-for-brexit

German Trade and Invest (GTAI) (2014). Ausländische Direktinvestitionen in Deutschland – Potenziale Indien.

www.gtai.de/GTAI/Content/DE/Invest/_SharedDocs/Downloads/GTAI/FDI/indien.pdf

German Trade and Invest (GTAI) (2017a). Industry Overview. The Automotive Industry in Germany.

www.gtai.de/GTAI/Content/EN/Invest/_SharedDocs/Downloads/GTAI/Industry-overviews/

industry-overview-automotive-industry-en.pdf

German Trade and Invest (GTAI) (2017b). Website.

http://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/welcome.html

International Monetary Fund (IMF) (2016). World Economic Outlook. Subdued Demand: Symptoms and

Remedies. http://www.imf.org/external/pubs/ft/weo/2016/02/

International Monetary Fund (IMF) (2017a). [World Economic Outlook Update.] A Shifting Global Economic

Landscape. http://www.imf.org/external/pubs/ft/weo/2017/update/01/pdf/0117.pdf

International Monetary Fund (IMF) (2017b). [Data Base on International Financial Statistics.]

http://data.imf.org/?sk=5dabaff2-c5ad-4d27-a175-1253419c02d1

International Monetary Fund (IMF) (2017c). [World Economic Outlook Update. Subdued Demand: Symptoms

and Remedies.] http://www.imf.org/external/pubs/ft/weo/2016/02

Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) (2016). KfW Mittelstandspanel.

www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-KfW-Mittelstand-

spanel/KfW-Mittelstandspanel-2016.pdf

Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) (2017). Website. www.kfw.de/kfw.de.htm

Koch, A. J. (2001). Factors influencing market and entry mode selection: developing the MEMS model. Marketing

Intelligence & Planning 19 (5): 351-361.

Leibniz-Institut für Länderkunde (2011). Weltmarktführer: ein räumlicher und zeitlicher Überblick.

http://aktuell.nationalatlas.de/weltmarktfuehrer-11_11-2011-0-html/

MarketLine (2015).[Software and Services in Germany.]

https://store.marketline.com/report/ohme3994--software-services-in-germany/

MarketLine (2016a). [Steel in Germany.]

https://store.marketline.com/report/ohme9168--steel-in-germany/

MarketLine (2016b). [Automotive Manufacturing in Germany.]

https://store.marketline.com/report/ohme7364--automotive-manufacturing-in-germany/

MarketLine (2016c). [Chemicals in Germany.]

https://store.marketline.com/report/ohme6473--chemicals-in-germany/

MarketLine (2016d). [Pharmaceuticals in Germany.]

https://store.marketline.com/report/mlohme7227--pharmaceuticals-in-germany/

MarketLine (2016e). [Generics in Germany.]

https://store.marketline.com/report/ohme4959--generics-in-germany/

Mergermarket (2017a). [Germany – Mergermarket trend report.]

www.mergermarket.com/info/research

Mergermarket (2017b). [Datenbankabfrage.] www.mergermarket.com/info/research

Organisation for Economic Co-Operation and Development (OECD) FDI Stock (2017). OECD Data on FDI

Stock. https://data.oecd.org/fdi/fdi-stocks.htm

Porter, M.E. (1990). The Competitive Advantage of Nations. New York.

Tata Motors (2016). Konzernwebsite. Jaguar Land Rover begins construction of Slovakian Plant.

http://www.tatamotors.com/jlr-press-release/

jaguar-land-rover-begins-construction-of-slovakian-plant/

The Economist Intelligence Unit (2016). Industry Report Automotive – Germany.

http://www.eiu.com/industry/automotive/europe/germany

Page 63: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Abkürzungen 61

United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) (2015). UNCTAD Statistics – Data

Centre. http://unctad.org/en/Pages/DIAE/World%20Investment%20Report/Annex-Tables.aspx

United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) (2017). UNCTAD Statistics – Data Centre.

http://unctadstat.unctad.org/wds/TableViewer/tableView.aspx

Verband der Automobilindustrie (VDA) (2016). Website. www.vda.de/de/themen/

automobilindustrie-und-maerkte/markt-zulieferindustrie/situation-der-zulieferindustrie.html

Wipro Technologies (2015). Konzernwebsite. Wipro to Acquire Cellent AG, a Leading IT Consulting and

Software Services Company in Germany. http://www.wipro.com/newsroom/press-releases/

Wipro-to-acquire-Cellent-AG-a-leading-IT-consulting-and-software-services-company-in-Germany/

Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e. V. (WSM ) (2017). Website.

http://www.wsm-net.de/wsm-industrie/

Worldbank (2017). The World Bank Ease of Doing Business Report.

http://www.doingbusiness.org/rankings

WV Stahl (2016). Fakten zur Stahlindustrie in Deutschland.

http://www.stahl-online.de/wp-content/uploads/2013/12/Fakten_Stahlindustrie_2016_V2.pdf

Abkürzungen

ACMA Automotive Component Manufacturers Association of India

(Vereinigung der Fahrzeugteilehersteller in Indien)

AG Aktiengesellschaft

BCG Boston Consulting Group

BJP Bharatiya Janata Party

BPO Business-process outsourcing (Auslagerung ganzer Geschäftsprozesse)

BMWi Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

EYG Ernst & Young Global

EY Ernst & Young

FDI Foreign Direct Investment (Auslandsdirektinvestitionen)

FRM GmbH FrankfurtRheinMain GmbH

GTAI Germany Trade and Invest

IMF International Monetary Fund

KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau

NRI Non-resident Indians (nicht in Indien ansässige indische Staatsbürger)

OCI Overseas citizens of India (im Ausland lebende indische Staatsbürger)

OEM Original equipment manufacturer (Erstausrüster)

TCS Tata Consultancy Services

Page 64: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Indische Investitionen in Deutschland62

Page 65: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

63

Page 66: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

64

Impressum

Indische Investitionen in Deutschland

Perspektiven für einen gemeinsamen Wohlstand

© Dezember 2017

Bertelsmann Stiftung

Carl-Bertelsmann-Straße 256

33311 Gütersloh

Herausgeber:

Bertelsmann Stiftung (BSt), Ernst & Young GmbH (EY)

Projekt-Team:

Murali Nair (BSt), Fabienne Frauendorfer (BSt),

Hermann Mühleck (EY), Sami Elias (EY),

Lakshmi Lalita Mohan (CII)

Redaktion: Fabienne Frauendorfer

Übersetzung: German Language Services GmbH

Lektorat: Sibylle Reiter

Design: Lucid. Berlin

Coverbild: Unsplash.com / Lucid. Berlin

Druck: Matthiesen Druck, Bielefeld

Page 67: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte
Page 68: Indische Investitionen in Deutschland - Bertelsmann …...Investitionen in Deutschland, u.a. im Hinblick auf langfristige Ziele und Markt- eintrittsstrategien in Deutschland, die Hauptantriebskräfte

Adressen | Kontakt

Bertelsmann Stiftung

Carl-Bertelsmann-Straße 256

33311 Gütersloh

Telefon +49 5241 81-0

Murali Nair

Senior Project Manager | Program Germany and Asia

Bertelsmann Stiftung

Telefon +49 5241 8181521

[email protected]

Hermann Mühleck

India Business Network Leader Germany Switzerland Austria

Ernst & Young GmbH

Telefon +49 6196 996 27369

[email protected]

Lakshmi Lalita Mohan

Head & Representative CII Germany

Confederation of Indian Industry (CII)

Telefon +49 178 807 4587

[email protected]

www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/

deutschland-und-asien/

www.de.ey.com/IndoGermanInvest

www.bertelsmann-stiftung.de www.de.ey.com | www.cii.in