Informationsblatt Nr. 66 August 2020 · 2020. 10. 17. · Von Bagdad nach Kazimen Eine...

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Informationsblatt Nr. 66 August 2020 Traditionsverein Döbelner Pferdebahn e.V. Traditionsverein Döbelner Pferdebahn e.V. In dieser Ausgabe Rückkehr zur Normalität? Aus anderen Städten: Von Bagdad nach Kazimen Ein neuer Wegweiser Neuer Behindertenlift Und zum Feierabend... Rückkehr zur Normalität? llmählich nähern wir uns wieder der A Normalität. Im Monat Juli hatten wir aus verständlichen Gründen keine Sonderfahrten, während für den August wieder mehrere Anmeldungen vorliegen. Am 15. Juli konnte der neue Behindertenlift eingebaut werden. Der alte hatte beim Hochwasser 2013 Schaden genommen und konnte seitdem nie wieder zur vollen Funktion gebracht werden. Als voriges Jahr wieder eine größere Reparatur anstand, beschlossen wir eine Neuanschaffung. Dass der neue Lift anderer Konstruktion gekauft und eingebaut werden konnte, ist einem speziellen Förder- programm zu verdanken. Den Antrag für das Landesprogramm „Barrierefreies Bauen 2020", das genau für diesen Zweck passte, hatten wir im vorigen Dezember gestellt. Auch der Lieferant unterstützte uns mit einer Spende. Nun ist unser Museum wieder barrierefrei erreichbar. Eine behinderten- gerechte Toilette haben wir ja bereits von Anfang an. Eine kleine Einschränkung gibt es allerdings: Für große elektrisch betriebene Rollstühle ist der neue Lift zu schmal. So musste bei der Einweihung, zu der sich Rollstuhlfahrer Sven Liebsch aus Leisnig bereit erklärt hatte, in einen schmaleren handbetriebenen Rollstuhl umgestiegen werden. Die örtlichen Tageszeitungen berichteten, eine der beiden sogar auf der Titelseite. Der öffentliche Fahrtag am 1. August war leider von großer Sommerhitze geprägt. Der diesjährige Rekord in Sachsen vom Juni wurde nur knapp verfehlt. Im Interesse des Tierwohls und der Gesundheit unseres Pferdes entschieden wir daher entsprechend der Abstimmung mit dem Amtstierarzt, die Fahrten bereits um 15 Uhr zu beenden. Die danach kommenden Fahrgäste, darunter ein extra aus Berlin angereister Besucher, zeigten dafür Verständnis. Die aktuell für Museen geltenden Hygienevorschriften haben sich im Prinzip bewährt. Allerdings zeigte sich, dass das Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung nicht nur lästig, sondern speziell bei älteren Menschen und bei höheren Temperaturen problematisch für das Wohlbefinden sind. Inzwischen haben die Gesundheitsexperten die Ankunft einer zweiten Welle der Corona- Pandemie festgestellt. Hoffen wir, dass diese glimpflich verläuft und nicht zu einem erneuten Einfrieren jedes öffentlichen Lebens führt.

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  • Informationsblatt Nr. 66 August 2020

    TraditionsvereinDöbelner Pferdebahn e.V.TraditionsvereinDöbelner Pferdebahn e.V.

    In dieser Ausgabe

    Rückkehr zur Normalität?

    Aus anderen Städten: Von Bagdad nach Kazimen

    Ein neuer Wegweiser

    Neuer Behindertenlift

    Und zum Feierabend...

    Rückkehr zur Normalität?

    llmählich nähern wir uns wieder der ANormalität. Im Monat Juli hatten wir aus verständlichen Gründen keine Sonderfahrten, während für den August wieder mehrere Anmeldungen vorliegen.

    Am 15. Juli konnte der neue Behindertenlift eingebaut werden. Der alte hatte beim Hochwasser 2013 Schaden genommen und konnte seitdem nie wieder zur vollen Funktion gebracht werden. Als voriges Jahr wieder eine größere Reparatur anstand, beschlossen wir eine Neuanschaffung. Dass der neue Lift anderer Konstruktion gekauft und eingebaut werden konnte, ist einem speziellen Förder-programm zu verdanken. Den Antrag für das Landesprogramm „Barrierefreies Bauen 2020", das genau für diesen Zweck passte, hatten wir im vorigen Dezember gestellt. Auch der Lieferant unterstützte uns mit einer Spende. Nun ist unser Museum wieder barrierefrei erreichbar. Eine behinderten-gerechte Toilette haben wir ja bereits von Anfang an. Eine kleine Einschränkung gibt es

    allerdings: Für große elektrisch betriebene Rollstühle ist der neue Lift zu schmal. So musste bei der Einweihung, zu der sich Rollstuhlfahrer Sven Liebsch aus Leisnig bereit erklärt hatte, in einen schmaleren handbetriebenen Rollstuhl umgestiegen werden. Die örtlichen Tageszeitungen berichteten, eine der beiden sogar auf der Titelseite.

    Der öffentliche Fahrtag am 1. August war leider von großer Sommerhitze geprägt. Der diesjährige Rekord in Sachsen vom Juni wurde nur knapp verfehlt. Im Interesse des Tierwohls und der Gesundheit unseres Pferdes entschieden wir daher entsprechend der Abstimmung mit dem Amtstierarzt, die Fahrten bereits um 15 Uhr zu beenden. Die danach kommenden Fahrgäste, darunter ein extra aus Berlin angereister Besucher, zeigten dafür Verständnis.

    Die aktuel l für Museen gel tenden Hygienevorschriften haben sich im Prinzip bewährt. Allerdings zeigte sich, dass das

    Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung nicht nur lästig, sondern speziell bei älteren Menschen und bei höheren Temperaturen problematisch für das Wohlbefinden sind.

    Inzwischen haben die Gesundheitsexperten die Ankunft einer zweiten Welle der Corona-Pandemie festgestellt. Hoffen wir, dass diese glimpflich verläuft und nicht zu einem erneuten Einfrieren jedes öffentlichen Lebens führt.

  • Aus anderen Städten

    Zwischen der heutigen irakischen Hauptstadt Bagdad und dem Vorort Kazimen gab es früher eine Pferdebahn. Sie wurde sogar in der Weltliteratur erwähnt - nämlich in den Orient-Bänden von Karl May.

    agdad war nach wechselnder BHerrschaft von Persern und Osmanen ab 1831 wieder fest in osmanischer Hand und Hauptstadt der östlichsten Provinz. Die Stadt hatte um diese Zeit etwa 100.000 Einwohner. Das war nur ein Bruchteil der Größe, die es in den „goldenen Zeiten des Kalifats“ unter Harun-ar-Raschid um 800 hatte.

    Kazimen (auch Kazimeye, Kazimain oder Ghadhin genannt) hatte um 1870 etwa 8000 Einwohner. Viele von ihnen ritten oder fuhren in Karren täglich in das 7 km entfernte Bagdad, um dort ihre landwirtschaftlichen Produkte zu verkaufen, zu arbeiten, ihren Geschäften nachzugehen oder die Schulen zu besuchen. Umgekehrt kamen tagsüber viele Pilger nach Kazimen, um die Moschee zu besuchen, die eines der wichtigsten Heilig-tümer der schiitischen Moslems ist.

    Der lebhafte Verkehr zwischen den beiden Städten bewog den reformfreudigen und prowestlich eingestellten Midhat Pascha, der 1869 bis 1872 Gouverneur von Bagdad war, zum Bau einer Pferdestraßenbahn.

    Zu deren Finanzierung gründete er eine Aktiengesellschaft, aber das Unternehmen stieß bei der örtlichen Geschäftswelt auf nur wenig Interesse - eine Straßenbahn war dort noch völlig unbekannt.

    So griff Midhat Pascha zu einem Mittel, dass in der westlichen Welt undenkbar gewesen wäre: Er setzte die Ausgabe der Aktien mit Gewalt durch. Alle reichen Bürger wurden durch die Polizei in den Gouverneurspalast gebracht und mussten dort so lange bleiben, bis sie sich zum Kauf von Aktien bereit erklärt hatten und ihre Diener das Geld herbei brachten. Die Berichte stimmen nicht ganz überein, was die Stärke des ausgeübten Druckes betrifft. Ob dabei wirklich Peitschen-hiebe eine Rolle spielten, wie später bei Karl May zu lesen war, ist nicht belegt.

    Die Pferdebahn war dann die einzige der Schöpfungen von Midhat Pascha, die seinen gewaltsamen Tod 1884 überlebte - englische Straßenlokomotiven waren da schon im Sand der Zitadelle vergraben, und europäische Ingenieure längst in ihre Heimat zurück gereist.

    Für den Bau der Straßenbahnen wurden Schienen und Ausrüstung aus England per Schiff bis Basra und von dort nach Bagdad transportiert. Am 14. Juli 1871 konnten die ersten fünf km der Strecke eröffnet werden. Die restlichen zwei km folgten kurz darauf.

    Im Einsatz waren zweispännige Ober-deckwagen, bei denen das Oberdeck mit Planen geschützt war. Der Fahrpreis betrug 4 Piaster im Untergeschoss und 2 im Ober-geschoss.

    Von Bagdad nach KazimenEine ungewöhnliche Finanzierung - Erwähnung bei Karl May

    Wie wir heute wissen, sind die „Reise-erzählungen“ von Karl May Fiktion, die aber auf genauem Studium damaliger Landkarten und Beschreibungen beruht. Das bei Karl May erwähnte Eisenbahnprojekt war bei der Entstehung seiner Orient-Erzählungen 1881/82 wirklich erst ein Projekt, das vor allem vom in osmanischen Diensten stehenden deutschen Ingenieur Wilhelm Pressel stammte. Die Pläne wurden dann zur „Bagdadbahn“ geändert, die ab 1893 realisiert wurde.

    Im Jahre 1912 begann unter Leitung des aus Leipzig stammenden deutschen Ingenieurs Heinrich August Meißner Pascha der Bau des Abschnitts von Bagdad in Richtung Norden. Am 2. Juni 1914 konnte der 61 km lange Abschnitt bis Sumia eröffnet werden, die Verlängerungen bis Istabulat und Samara gingen im August bzw. Oktober in Betrieb. Diese Strecke verlief im Raum Bagdad parallel zur Pferdebahn. Es gab aber kaum Beeinträchtigungen, da die Bahnhöfe weiter von den Städten entfernt lagen und die Züge nicht so häufig fuhren. Ein durchgehender Eisenbahnzug von Bagdad bis Istanbul (der legendäre Taurus-Express) fuhr erst ab 1940, nach Schließung der letzten Lücken.

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    Nachdem Midhat Pascha 1872 aus Bagdad abberufen worden war, verschlechterte sich der Zustand der Pferdebahn, und Berichte davon gelangten offenbar auch zu Karl May. Später aber übernahmen kompetentere Manager die Leitung, und die Pferdebahn blieb zunächst vor der Einstellung bewahrt.

    Während des Ersten Weltkriegs besetzten britische Truppen das Land. Nachträglich erhielt Großbritannien das Völkerrechts-mandat. 1920 wurden die drei Provinzen Bagdad, Mossul und Basra zu einem neuen Staat vereinigt, dem Königreich Irak.

    Dieses bestand bis 1958 und wurde dann durch eine Republik abgelöst. Die letzten britischen Soldaten rückten 1959 ab.

    Die Pferdebahn sollte bereits 1938 durch Omnibusse ersetzt werden, aber diese bewährten sich im Wüstensand nicht.

    Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Pferdebahn 1941 wie auch die anderen Verkehrsunternehmen zu Land und See verstaatlicht. So fuhr die Pferdebahn noch bis zum 15. Dezember 1946 und wurde dann durch Busse ersetzt, mit denen ein neues Stadtbusnetz in Bagdad eingerichtet wurde.

    Einer der Wagen in den 1920-er Jahren, abgebildet auf einer alten Ansichtskarte

    Zeichnung des ersten Reisezugwagens “Pioneer”

    Ankunft eines Wagens an der Endstelle in Kazimen

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    Hochbetrieb auf der Pferdebahn im Jahre 1917

    LiteraturSalin, Akin: Bağdat’ta Bir Osmanlı İmar Faaliyeti: Kazimiye Tramvayı Örneği (Ottomanische Aktivitäten in Bagdad - das Beispiel der Kazimiye Straßenbahn), ordarf.org 15. Februar 2019

    Böhm, Julius: Die Märchenstadt Harun-ar-Raschid´s. In: Österreichische Zeitschrift für den Orient, Wien 1893, S. 60 ff.

    Fehsenfeld

    Von Bagdad nach Stambul

  • ImpressumTraditionsverein Döbelner

    Pferdebahn e. V.

    Niederwerder 6, D-04720 Döbeln

    Telefon: 0 34 31 / 70 46 852

    E-Mail: [email protected]

    Internet: www.doebelner-pferdebahn.de

    Vereinsregister des Amtsgerichts Chemnitz: VR 5491

    Steuernummer beim Finanzamt Döbeln: 236/140/06676

    VorstandVorsitzender:

    Jörg Lippert

    [email protected]

    Stellvertretender Vorsitzender: Norbert Kuschinski

    Schatzmeister: Alfred Klepzig

    MuseumDienstag - Freitag 10 bis 17 Uhr

    Sonnabend 9.30 - 12.30 Uhr (an öffentlichen Fahrtagen bis 17 Uhr)

    Öffentliche Fahrtage5. September 2020

    3. Oktober 2020

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    Aus anderen Städten

    Abschiedsgedanken eines alten Straßenbahngauls

    ie Große Berliner Pferde-D Eisenbahn AG hatte 1873 ihre erste Strecke eröffnert und sich danach rasch erweitert. Im Jahre 1895 gab es einen Versuchsbetrieb mit e lek t r i schen Akkumula torwagen zwischen Großgörschenstraße und Moabit. Im Jahr darauf begann die Elektrifizierung des Netzes. Folgerichtig trug die Gesellschaft ab 25. Januar 1898 den Namen Große Berliner Straßenbahn.

    Am 21. August 1902 wurde die letzte Pferdebahnlinie der Gesellschaft im damaligen Berliner Stadtgebiet auf elektrischen Betrieb umgestellt. Vier Monate später war am 15. Dezember 1902 auch die letzte Pferdebahnlinie der Gesellschaft im Außenbereich, d.h. von der Tegeler Chaussee nach Dalldorf Geschichte.

    Auf dem Fest, mit dem die Große Berliner Straßenbahngesellschaft die Vollendung der Umwandlung des Pferdebahnbetriebes in den elektro-motorischen Betrieb feierte, wurden auch allerlei Lieder gesungen. Eines von ihnen zeichnete sich durch die Eigenart seines Verfassers und seines Inhaltes aus. Der Dichter war der Straßenbahn-schaffner Julius Ripchen, und den Inhalt seines Poems bilden die sentimentalen Erinnerungen eines ausrangierten Pferdebahnpferdes. Da singt das brave Pferd:

    Ich kam als Rößlein jung und stark gen Jahren in die Mark

    Und trat dann eine Stellung an Bei der Berliner Pferdebahn!Da hatt´ich´s gut, da hatt´ich´s schön!Konnt´Tag und Nacht die Stadt

    besehn! O schöne Zeit, o sel´ge Zeit, Wie liegst du fern, wie liegst du

    weit!...

    So flossen schnell die Jahre hin, Dann kam es anders in Berlin, Und all die schöne Pferdekraft Wurd´im Betriebe abgeschafft!Der Motor wurde eingeführt, Und ich, ich wurd´verauctioniert! O schöne Zeit …

    Nur einen Wunsch hab´ich alsdann, Fahrt mich nur nicht von hinten an!Doch wenn ihr´s tht, dann ist´s egal, Dann macht es auch gleich radical, Mit einem Stoß befördert gleich Mich in das Pferdehimmelreich!O schöne Zeit…

    Dieses Gedicht fand auch Eingang in das 1903 gedruckte “Straßenbahn – Liederbuch des Vereins der Angestellten der Großen Berliner Straßenbahn”. Es enthielt 201 numerierte und nach den Liedanfängen alphabetisch sortierte Lieder sowie im Anhang weitere 26 von Angestellten der Straßenbahn verfasste Lieder ohne Nummern. Es war eine bunte Mischung aus Volks-, Heimat- und Trinkliedern, darunter auch einige von Berliner Straßenbahnern wie Julius Ripchen verfasste Berufslieder.

    Man muss sich dabei vor Augen halten, dass es damals weder Rundfunk noch Fernsehen gab, und selbst das Kino steckte noch in den Kinderschuhen. Das Vereinsleben hatte daher damals eine viel größere Bedeutung als heute. Vereine von Straßenbahnangestellten waren nicht nur Interessenvertretungen gegenüber der Direktion oder boten ihren Mitgliedern finanzielle Hilfe in Notsituationen, sondern dienten auch in großem Umfang der Pflege der Geselligkeit - sei es im Gesangsvere in oder e in fach am Biertisch.

    eit Mitte Juli ist der neue Fuß-Sgängerweg entlang der Flutmulde zwischen dem Thümmlersteg und der Brücke Johannisstraße geöffnet. Am Thümmlersteg wurde ein neuer Wegweiser aufgestellt, der zum Pferdebahnmuseum zeigt.

    Und zum Feierabend...

    ...einen kühlen Schluck.

    Ein neuer Wegweiser

    Neuer Behindertenlift

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    Der Mast dieses Wegweisers ist eine gusseiserne Säule, die aus der früheren Maschinenfabrik Thümmler stammt. Diese befand sich auf dem Gelände des jetzigen Kaufland. Dort ist auch eine Gruppe weiterer künstlerisch gestalteter Elemente, wie eine gusseiserne Treppe.

    ie bereits auf Seite 1 berichtet, Whaben wir einen neuen Behin-dertenlift. Besucher, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, können die Ausstellungsräume des Museums damit über den hinteren Ausstellungsraum (d.h. die Wagenhalle) erreichen.

    Einen guten Monat nach der „offiziellen“ Einweihung im Beisein der Presse kam der Lift erstmals zum Einsatz: Frau Margitta Schmidt aus Döbeln, die auf ihren Rollator angewiesen ist, hatte in der Presse davon gelesen und nutzte ihn bei ihrem Besuch des Museums.

    Frau Schmidt aus Döbeln mit ihrem Rollator bei der Nutzung des Lifts

    mailto:[email protected]