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3. QUARTAL 2004 ARBEITSRECHT NEWS ARBEITSRECHT BEI INTERNATIONALER TÄTIGKEIT von Georg Mikes Frankfurt Rechtsanwalt/Fachanwalt f. Arbeitsrecht [email protected] ++49 69 9726 3939 Die Internationalisierung des Wirtschaftslebens macht auch vor dem Arbeitsrecht nicht halt. Dementsprechend häufen sich Fälle, in denen Arbeitsverhältnisse Bezug zu mehren Staaten und damit auch mehreren Rechtsordnungen haben. Dem Grundsatz nach kann bei Arbeitsverträgen ebenso wie bei anderen Vertragsarten zwischen den Parteien eine Rechtswahl vereinbart werden. An sich bleibt es dabei den Parteien überlassen, ob sie das Arbeitsverhältnis über- haupt einem bestimmten Recht unterwerfen bzw. ob es sich dabei um eine Rechtsordnung handelt, die Bezug zum Arbeitsverhältnis hat. Allerdings hat es regelmäßig Nachteile für den Arbeitgeber, wenn er von dem Recht abweicht, das zur Anwendung käme, wenn keine Rechtswahl vorläge. Dies liegt daran, daß nach den Regeln des (deutschen) internationalen Privatrechts dem Arbeitnehmer durch eine Rechtswahl bestimmte Schutzrechte nicht entzogen werden dürfen. Welche dies sind, sagt das Gesetz leider nicht genau. Klar ist nur, daß es sich dabei um die “zwingenden” Bestimmungen derjenigen Rechtsordnung handelt, die ohne eine Rechtswahlklausel zur Anwendung käme. Für letzteres wiederum gibt es eine gesetzliche Vermutung: Sofern nicht die Gesamtheit der Umstände eine bestimmte Rechtsordnung geradezu aufdrängt oder das Arbeitsverhältnis besonders enge INHALT Arbeitsrecht bei internationaler Tätigkeit 1 Das neue Aufenthaltsgesetz— eine Frischzellenkur für den lahmenden deutschen Fußball ? 2 Arbeitgeberseitige Ablehnung von Teilzeitwünschen des Arbeitnehmers 3 Betriebsveräußerung im Insolvenzverfahren führt nicht zu einem Wiedereinstellungsanspruch zuvor gekündigter Arbeitnehmer 5 Zum Umfang des Schriftformerfordernisses bei der Befristung von Arbeitsverträgen 5 Arbeitsaufgabe und Sperrzeit auch beim Abwicklungsvertrag 5 Betriebsübergang beim “Insourcing” 6 Gmbh–Geschäftsführer als Arbeitnehmer ? 7 Grenzen des Haftungsprivilegs des § 105 Abs. 1 SGB VII 8

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3. QUARTAL 2004

ARBEITSRECHT NEWS

ARBEITSRECHT BEI INTERNATIONALER TÄTIGKEITvon Georg Mikes

Frankfurt Rechtsanwalt/Fachanwalt f. Arbeitsrecht [email protected] ++49 69 9726 3939

Die Internationalisierung des Wirtschaftslebens macht auch vor dem Arbeitsrecht

nicht halt. Dementsprechend häufen sich Fälle, in denen Arbeitsverhältnisse Bezug

zu mehren Staaten und damit auch mehreren Rechtsordnungen haben.

Dem Grundsatz nach kann bei Arbeitsverträgen ebenso wie bei anderen

Vertragsarten zwischen den Parteien eine Rechtswahl vereinbart werden. An

sich bleibt es dabei den Parteien überlassen, ob sie das Arbeitsverhältnis über-

haupt einem bestimmten Recht unterwerfen bzw. ob es sich dabei um eine

Rechtsordnung handelt, die Bezug zum Arbeitsverhältnis hat. Allerdings hat es

regelmäßig Nachteile für den Arbeitgeber, wenn er von dem Recht abweicht, das

zur Anwendung käme, wenn keine Rechtswahl vorläge. Dies liegt daran, daß nach

den Regeln des (deutschen) internationalen Privatrechts dem Arbeitnehmer durch

eine Rechtswahl bestimmte Schutzrechte nicht entzogen werden dürfen. Welche

dies sind, sagt das Gesetz leider nicht genau. Klar ist nur, daß es sich dabei um

die “zwingenden” Bestimmungen derjenigen Rechtsordnung handelt, die ohne

eine Rechtswahlklausel zur Anwendung käme. Für letzteres wiederum gibt es eine

gesetzliche Vermutung: Sofern nicht die Gesamtheit der Umstände eine bestimmte

Rechtsordnung geradezu aufdrängt oder das Arbeitsverhältnis besonders enge

INHALT

Arbeitsrecht bei internationaler Tätigkeit 1

Das neue Aufenthaltsgesetz— eine Frischzellenkur für den lahmenden deutschen Fußball ? 2

Arbeitgeberseitige Ablehnung von Teilzeitwünschen des Arbeitnehmers 3

Betriebsveräußerung im Insolvenzverfahren führt nicht zu einem Wiedereinstellungsanspruch zuvor gekündigter Arbeitnehmer 5

Zum Umfang des Schriftformerfordernisses bei der Befristung von Arbeitsverträgen 5

Arbeitsaufgabe und Sperrzeit auch beim Abwicklungsvertrag 5

Betriebsübergang beim “Insourcing” 6

Gmbh–Geschäftsführer als Arbeitnehmer ? 7

Grenzen des Haftungsprivilegs des § 105 Abs. 1 SGB VII 8

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2

Verbindungen zu einer bestimmten Rechtsordnung hat, soll

es ankommen auf die Rechtsordnung des Staates, in dem

der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich verrichtet—auch

bei vorübergehender Entsendung in einen anderen Staat—

oder auf die Rechtsordnung des Staates der einstellenden

Niederlassung.

Was aber geschieht in dem gar nicht so seltenen Fall, daß

gewöhnlicher Arbeitsort und einstellende Niederlassung

auseinanderfallen, oder wenn der Sachverhalt tatsächlich

engere Beziehungen zu einer bestimmten anderen

Rechtsordnung hat? Das BAG hat in einer kürzlich

veröffentlichten Entscheidung (Urteil vom 11. Dezember

2003) hervorgehoben, daß der primäre Anknüpfungspunkt

der Arbeitsort ist, ebenso der Sitz des Arbeitgebers

und der Wohnort des Arbeitnehmers. Lediglich ergän-

zend zu berücksichtigen seien beispielsweise die

Vertragssprache und die Währung, in der bezahlt wird.

Im entschiedenen Fall hatte die Frage des anwendbaren

Rechts eine weitreichende finanzielle Bedeutung: nach

letztlich anwendbarem deutschem Recht mußte der bel-

gische Arbeitgeber einem von Belgien aus eingestellten

deutschen Arbeitnehmer aus Anlaß der Kündigung des

Arbeitsverhältnisses nichts zahlen, während eine Anwendung

belgischen Rechts zu einem Anspruch des Arbeitnehmers

auf Entlassungsentschädigung geführt hätte. Der Fall hatte

jedoch nach Auffassung des BAG engere Beziehungen

zu Deutschland, und der gewöhnliche Arbeitsort—im Fall:

Deutschland und andere Staaten—habe gegenüber der

einstellenden Niederlassung ein größeres Gewicht. Dem

Umstand, daß außerdem arbeitsvertraglich auch deutsches

Recht gewählt worden war, schenkte das BAG prak-

tisch keine Bedeutung, obwohl diese Rechtswahl auf den

ersten Blick am ehesten dem Begehren nach gesetzlicher

belgischer Entlassungsentschädigung entgegenstand.

Nun mag auch k la re r werden , wa rum es se l ten

sinnvoll ist, per Rechtswahl zum Beispiel von der deutschen

Rechtsordnung wegzuverweisen, wenn diese ansonsten—

also in Ermangelung der Rechtswahl — nach den oben

genannten Kriterien zur Anwendung käme: es geht für den

Arbeitgeber darum, den Arbeitnehmer nicht in die Lage zu

versetzen, alle Vorteile der gewählten Rechtsordnung zu

nutzen, während ihm gleichzeitig aller Schutz der zwing-

enden Bestimmungen des (im Beispiel) deutschen Rechts

erhalten bleibt.

DAS NEUE AUFENTHALTSGESETZ— EINE FRISCHZELLENKUR FÜR DEN LAHMENDEN DEUTSCHEN FUßBALL ?von Jörg Rehder

Frankfurt Attorney-at-Law, Solicitor (England und Wales) [email protected] ++49 69 9726 3939

Spöttische Stimmen haben kürzlich bemerkt, daß es

einen direkten Zusammenhang gibt zwischen deutscher

Zuwanderungspolitik und deutschem Abschneiden bei

internationalen Fußballmeisterschaften. Als Begründung

wurde angeführt, daß Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit

beim Fußball die Aufnahme ausländischer Top-Spieler

erforderlich macht. Kurz nach dem schwachen deutschen

Abschneiden bei den Europameisterschaften im Jahre

2000 hat Kanzler Schröder die “Green Card” eingeführt.

Ausländer, die eine Green Card haben, dürfen bis zu

fünf Jahren in Deutschland im IT- und Softwarebereich

arbeiten. Die Einführung der Green Card stellte eine

grundlegende Änderung der bis dahin geltenden

deutschen Zuwanderungspolit ik dar, weil erstmalig

Ausländer allein aufgrund ihrer besonderen Qualifikation

in Deutschland arbeiten durften. Im Jahre 2002, als es

Deutschland bis ins Finale der Weltmeisterschaft schaffte,

gab es keine gesetzgeberischen Schritte hinsichtlich

Zuwanderung oder Aufenthalt. Diesen Sommer zeigte

Deutschland wieder eine katastrophale Leistung bei der

Fußball-Europameisterschaft. Die Antwort darauf? Als Teil

des Zuwanderungsgesetzes wurde das Gesetz über den

Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von

Ausländern im Bundesgebiet erlassen—besser bekannt

unter dem Namen “Aufenthaltsgesetz”. Mit diesem Gesetz

soll der deutsche Arbeitsmarkt für hochqualifizierte

Ausländer geöffnet werden soll.

Es wurde offensichtlich, daß es in Deutschland trotz

einer konstant hohen Arbeitslosenquote von rund 10%

e ine re la t i v hohe Zah l von unbese t z ten S te l len

für Hochqual i f i z ie r te g ibt . Man erhof f t s ich vom

Aufenthaltsgesetz, das am 1. Januar 2005 in Kraft tritt,

daß es den Arbeitgebern erleichter t wird, auslän-

dische Spitzen-Ingenieure, Wissenschaftler, Forscher

und Ökonomen einzustellen und mit diesen die Stellen

zu besetzen (und vielleicht wird das Aufenthaltsgesetz

den Deutschen Fußball-Bund in die Lage versetzen, die

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deutsche Nationalelf mit ausländischen Spitzenspielern

aufzustocken).

Obwohl die Green Card vielfach als Vorgänger des

Aufenthaltsgesetzes gesehen wird, gibt es doch wesentli-

che Unterschiede zwischen den beiden. Zum einen ist

das Aufenthaltsgesetz nicht beschränkt auf den IT- und

Softwarebereich, sondern gilt für alle Berufe. Zum anderen

gibt es keine Höchstzahl von Arbeitsgenehmigungen,

die nach dem Aufenthaltsgesetz gewähr t werden

würden, während die Green Card auf 20.000 Personen

beschränkt ist. Die im Rahmen dieses Artikels wichtigsten

Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes bestehen darin,

daß einerseits hochqualifizierte Ausländer in Deutschland

aufgrund ihrer Kenntnisse und ihres Know How arbeiten

dürfen und wie dies von Statten geht, und daß andererseits

ausländische Investoren, die Kapital ins Land bringen und

Arbeitsplätze schaffen, als Selbständige oder Unternehmer

in Deutschland tätig werden dürfen.

Im Fall der hochqualifizierten Ausländer können diese

Anspruch haben auf einen Aufenthaltstitel in Form der unbe-

fristeten Niederlassungserlaubnis, wenn sie nachweisen, daß

sie zum einen hohe Qualifikation haben oder anerkannte

Wissenschaftler oder Spezialisten bzw. leitende Angestellte

mit besonderer Berufserfahrung sind und mindestens das

Doppelte der dann geltenden Beitragsbemessungsgrenze

für die Krankenversicherung von gegenwärtig 41.850 Euro

pro Jahr verdienen. Außer dem Erfordernis der hohen

Qualifikation müssen die Behörden davon ausgehen

können, daß sich der Bewerber in die deutsche Gesellschaft

integrieren wird und seinen Lebensunterhalt allein

bestreiten kann. Ersichtlich geben diese Bestimmungen den

Behörden einen großen Ermessensspielraum dahingehend,

ob die Niederlassungserlaubnis erteilt wird, aber man setzt

darauf, daß Arbeitgeber mit diesem Gesetz bald leichter in

die Lage versetzt werden, hochqualifizierte Arbeitnehmer

nach Deutschland zu holen.

Schließlich—und das ist eine Anleihe vom US-Gesetz—

werden Ausländer in die Lage versetzt, eine dauerhafte

Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu erlangen, wenn

sie mindestens 1 Million Euro investieren und mindestens

10 Arbeitsplätze schaffen. Diese Bestimmung ist einer

Bestimmung des US-Gesetzes sehr ähnlich, die seit 1990 in

Kraft ist. Wenn in den USA ein Ausländer eine Million US-$

(oder in ökonomisch schwachen Gebieten eine halbe Million

US-$) investiert und mindestens 10 Arbeitsplätze schafft,

kann er dauerhaftes Aufenthaltsrecht in den USA erwer-

ben. Allerdings war das US-Programm aus einer Vielzahl

von Gründen nur ein halber Erfolg. Sehr ähnlich dem ameri-

kanischen Modell wird ein Investor in Deutschland zunächst

eine befristete Aufenthaltsgenehmigung für eine Dauer von

drei Jahren erhalten (in den USA sind es 2 Jahre), inner-

halb derer er sein Geschäftsmodell umsetzen muß. Nach

drei Jahren prüfen die Behörden, ob die geplante Tätigkeit

verwirklicht wurde und die erforderlichen Arbeitsplätze

geschaffen wurden und beseitigen gegebenenfalls die

Befristung durch Erteilung einer Niederlassungserlaubnis.

Wie bei jedem nennenswerten neuen Gesetz bleibt abzu-

warten, ob es die erhoffte Wirkung zeigt, es also hier zu

einer Verringerung der deutschen Arbeitslosenquote

kommt und ob Deutschland damit hochqualifizierte oder

unternehmerisch tätige Ausländer anlocken kann. Immerhin,

ein Schritt in die richtige Richtung ist gemacht. Ailton, ein

Brasilianer der in der letzten Saison die Bundesliga mit den

meisten Toren anführte und seit 1998 in Deutschland spielt,

hat kürzlich angekündigt, daß er gerne für Deutschland bei

den Weltmeisterschaften im Jahre 2006 spielen würde. Man

wird seine Äußerung wohl nicht auf das Aufenthaltsgesetz

zurückführen können, aber vielleicht sollte man hierbei

auch nicht allzu pingelig sein.

ARBEITGEBERSEITIGE ABLEHNUNG VON TEILZEITWÜNSCHEN DES ARBEITNEHMERSvon Georg Mikes

Frankfurt Rechtsanwalt/Fachanwalt f. Arbeitsrecht [email protected] ++49 69 9726 3939

Als nach Einführung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes

im Jahre 2001 die ersten Urteile zum gesetzlichen Anspruch

des Arbeitnehmers auf Verringerung der Arbeitszeit

ergingen, konnte man leicht den Eindruck gewinnen,

daß die dem Arbeitgeber nach dem Gesetzeswortlaut

eingeräumte Möglichkeit, den Teilzeitwunsch wegen entge-

genstehender betrieblicher Gründe abzulehnen, nicht allzu

viel wert ist. Mittlerweile hat sich die Rechtsprechung durch

kürzlich veröffentlichte Urteile konkretisiert—und vielleicht

sogar ein wenig gewendet.

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Mit Urteil vom 9. Dezember 2003 entschied das BAG (9

AZR 16/03), ein Arbeitgeber könne zur Durchsetzung seines

Teilzeitanspruchs vom Arbeitgeber nicht verlangen, daß

dieser zum Ausgleich der verringerten Arbeitszeit eine

Vollzeitkraft bei gleichzeitigem Abbau von Überstunden

anderer Arbeitnehmer einstellt, falls eine andere Teilzeitkraft

nicht verfügbar ist . Ferner könne der Arbeitnehmer

nicht ver langen, daß der Arbeitszei tausfal l durch

dauernde Überstunden anderer Arbeitnehmer ausgegli-

chen wird. Auch auf die Inanspruchnahme von “Leiharbeit”

kann der Arbeitgeber nicht verwiesen werden—jeden-

falls dann nicht, wenn auch sonst nicht auf Leiharbeit als

übliche Maßnahme zurückgegriffen wird. Bereits am 30.

September 2003 hat das BAG (9 AZR 655/02) ferner entsch-

ieden, daß es dem Teilzeitverlangen als betrieblicher

Grund entgegensteht, wenn der Arbeitgeber möglichst

jeden Kunden nur von einem Verkäufer bedienen lassen

möchte (allerdings würde ein solcher Grund nicht vorlie-

gen, wenn sich die Öffnungszeiten des Verkaufsgeschäftes

von der durchschnittlichen Arbeitszeit einer Vollzeitkraft

deutlich unterscheiden). In ähnlicher Weise hatte das BAG

auch schon im Falle eines Kindergartens anerkannt, daß

ein Arbeitszeitmodell, das aus pädagogischen Gründen

durchgängige Kinderbetreuung vorsieht, sehr wohl einem

Teilzeitanspruch entgegenstehen kann.

Aus den genannten Urteilen, die in vielfältiger Weise auf

andere Branchen und Situationen übertragbar sind, wird

folgendes deutlich: Das BAG berücksichtigt sehr wohl,

daß dem Teilzeitanspruch nicht etwa ein “dringender”

oder “zwingender” betrieblicher Grund entgegenzustehen

braucht. Es reicht ein “rational nachvollziehbarer Grund”.

Dieser wird höchstens auf Mißbrauch hin untersucht—und

natürlich darauf, ob er wirklich vorliegt, unterliegt ansonsten

aber nicht der inhaltlichen gerichtlichen Kontrolle. Er muß

allerdings Teil eines betrieblichen Organisationskonzeptes

sein. Die wirksame Ablehnung des Teilzeitwunsches

setzt dann einerseits voraus, daß die Wunscharbeitszeit

des Arbeitnehmers bzw. die Verteilung der Arbeitszeit

diesem Konzept tatsächlich entgegensteht, und daß es

im Falle der Erfüllung der Wunscharbeitszeit auch zu einer

wesentlichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen

käme. Letztere beiden Gesichtspunkte, konkret also das

Gewicht der betrieblichen Interessen, sind gerichtlich

voll überprüfbar, was naturgemäß zu einer kasuistischen

Rechtsprechung führt. Beispiele für hinreichend gewich-

tige Gründe sollen sein: Beeinträchtigung der Organisation,

des Arbeitsablaufs oder Sicherheit des Betriebs, oder

unverhältnismäßige Kosten.

Auch wenn dem Arbeitgeber das Vorliegen der betrie-

blichen Gründe vollkommen klar erscheint, sollte er den

Teilzeitwunsch nicht allzu barsch und pauschal ableh-

nen. Immerhin wird ihm kraft Gesetzes auferlegt, die vom

Arbeitnehmer gewünschte Verringerung der Arbeitszeit

mit dem Ziel zu erörtern, zu einer Vereinbarung zu gelan-

gen. Zwar wird in der besagten Erörterung nur eine

Obliegenheit des Arbeitgebers gesehen, deren Verletzung

nach Auffassung des BAG (Urteil vom 18. Februar 2003,

9 AZR 356/02) nicht dazu führt, daß die Ablehnung des

Teilzeitverlangens unwirksam wäre. Allerdings könnte der

Arbeitnehmer in die Lage versetzt werden, zu argumentie-

ren, daß er im Falle der Verhandlung sein Teilzeitbegehren

entsprechend angepaßt hätte. Außerdem, und dies mag

noch wesentlicher sein, gibt es erste Entscheidungen

der Arbeitsgerichte dahingehend, daß der Anspruch auf

Teilzeit vom Arbeitnehmer auch im Wege der einstweiligen

Verfügung durchgesetzt werden kann (so z.B. Urteil des

Arbeitsgerichts Nürnberg vom 28. November 2003, 14 Ga

114/03).

Vor einer Gefahr ist allerdings ausdrücklich zu warnen. Nach

Auffassung des BAG (Urteil vom 14. Oktober 2003, 9 AZR

636/02) kann der Arbeitgeber auf die vom Arbeitnehmer

einzuhaltende Vorlauffrist von drei Monaten vor Beginn der

Reduzierung verzichten, und ein solcher Verzicht sei schon

dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber vorbehaltlos mit

dem die Frist nicht einhaltenden Arbeitnehmer erörtert, ob

betriebliche Gründe dem Teilzeitverlangen entgegenstehen.

Anders ausgedrückt: Der arbeitsrechtlich nicht versierte

oder nicht beratene Arbeitgeber, der die Notwendigkeit

des Vorbehalts nicht kennt, wird leicht zum Opfer seiner

Bereitschaft, einfach nur sachlich mit dem Arbeitnehmer

zu reden. Es bleibt zu hoffen, daß das BAG diese kommu-

nikationsfeindliche Rechtsprechnung noch einmal in ihrer

praktischen Auswirkung überdenkt. Einstweilen jedoch

sollte man besondere Vorsicht walten lassen—und sich

überlegen, ob man nicht die Vorteile des gerichtlich nicht

nachprüfbaren Organisationskonzepts vorbereitend nutzen

könnte. Denn nichts wirkt bei Gericht überzeugender als ein

entsprechendes Dokument, das unzweifelhaft vor Entstehen

einer Streitigkeit erstellt wurde.

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BETRIEBSVERÄUßERUNG IM INSOLVENZVERFAHREN FÜHRT NICHT ZU EINEM WIEDEREINSTELLUNGSANSPRUCH ZUVOR GEKÜNDIGTER ARBEITNEHMERvon Angela Autenrieth

Frankfurt Rechtsanwältin [email protected] ++49 69 9726 3939

Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis im Rahmen eines

Insolvenzverfahrens wirksam gekündigt wurde haben, wenn

der Betrieb anschließend veräußert wird, keinen Anspruch

auf Wiedereinstellung gegen den Betriebserwerber. So

urteilte das LAG Köln bereits Ende 2002. Die Entscheidung

wurde nun durch Urteil des BAG vom 13. Mai 2004 (8 AZR

198/03) bestätigt.

Das BAG wies die Revision eines Produktionsarbeiters

zurück, der auf Wiedereinstellung bzw. Fortsetzung seines

Arbeitsverhältnisses geklagt hatte. Nach Eröffnung des

Insolvenzverfahrens waren sämtliche Arbeitnehmer wegen

Betriebsstillegung gekündigt worden. Noch vor Ablauf der

Kündigungsfrist schloß der Insolvenzverwalter einen Vertrag

über den Verkauf des insolventen Unternehmens. Wenige

Tage nach wirksamer Beendigung der Arbeitsverhältnisse

wurde der Kaufvertrag vollzogen und der Erwerber begann

mit der Fortführung des Betriebes.

Außerhalb des Insolvenzverfahrens können betriebsbed-

ingt gekündigte Arbei tnehmer unter best immten

Voraussetzungen Anspruch auf Wiedereinstellung oder

Fortsetzung des Arbeitsvertrags haben, wenn es nach

Ausspruch der Kündigung zu einem Betriebsübergang

kommt. Finden Kündigung und Betriebsübergang dage-

gen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens statt, haben

die gekündigten Arbeitnehmer unabhängig davon, ob die

Voraussetzungen eines solchen Anspruchs außerhalb des

Insolvenzverfahrens vorlägen oder nicht, keinen Anspruch

auf Wiedereinstellung gegen den Betriebserwerber. Das

BAG begründete seine Entscheidung mit der beson-

deren Situation im Insolvenzverfahren: Hier überwiege

das Interesse an einer beschleunigten und rechtssi-

cheren Abwicklung der Beendigungsstreitigkeiten. Diese

Interessenlage bestehe gleichermaßen bei zerschlagender

wie bei sanierender Insolvenz.

ZUM UMFANG DES SCHRIFTFORMERFORDERNISSES BEI DER BEFRISTUNG VON ARBEITSVERTRÄGENvon Angela Autenrieth

Frankfurt Rechtsanwältin [email protected] ++49 69 9726 3939

Gemäß § 14 Abs. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz

(TzBfG) bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrages der

Schriftform. Diesen Satz darf man laut einer jüngeren

Entscheidung des BAG vom 23. Juni 2004 (7 AZR 636/03)

wörtlich nehmen: Schriftlich muß tatsächlich nur die

Befristungsabrede selbst sein. Als wesentlicher Bestandteil

der Befristungsvereinbarung ist insbesondere die genaue

Dauer des Arbeitsverhältnisses schriftlich zu fixieren.

Dagegen werden weder der Rest des Arbeitsvertrags, noch

der der Befristung zugrunde liegende sachliche Grund

im Sinne von § 14 Abs. 1 TzBfG vom Schriftformerfordernis

des § 14 Abs. 4 TzBfG erfaßt. Der Sachgrund für die kal-

endermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages muß bei

Vertragsschluß noch nicht einmal ausdrücklich erörtert

werden. Als objektive Wirksamkeitsvoraussetzung muß ein

sachlicher Befristungsgrund lediglich vorliegen, um die

Befristung des Arbeitsvertrages zu rechtfertigen, soweit

dies nicht gemäß § 14 Abs. 3 (kalendermäßige Befristung

für nicht länger als 2 Jahre) oder Abs. 4 (kalendermäßige

Befristung für nicht länger als vier Jahre innerhalb der

ersten vier Jahre nach Unternehmensgründung) TzBfG

entbehrlich ist.

ARBEITSAUFGABE UND SPERRZEIT AUCH BEIM ABWICKLUNGSVERTRAGvon Fabian Stoffers

Frankfurt Rechtsanwalt [email protected] ++49 69 9726 3939

Möchte ein Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis beenden,

so kann er dies entweder durch Kündigung oder ein-

vernehmlichen Aufhebungsvertrag mit dem Arbeitnehmer

herbeizuführen versuchen. Der Arbeitnehmer wird in

solchen Fällen die Kündigung regelmäßig nur hinnehmen

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bzw. einem Aufhebungsvertrag zustimmen, wenn der

Arbeitgeber ihm als Gegenleistung eine Abfindung anbi-

etet. Die Hinnahme der Kündigung geschieht in diesem

Falle meist durch einen sog. Abwicklungsvertrag, der u.a.

die Wirksamkeit der Kündigung bestätigt und die Abfindung

festsetzt.

In der Vergangenheit wurde die Kombinat ion aus

Kündigung und Abwicklungsvertrag meist von den

Parteien vorgezogen, da die Arbeitsverwaltung in jeder

Form des Aufhebungsvertrages eine Arbeitsaufgabe

und damit einen Sperrzeittatbestand sah. Wird wegen

Arbeitsaufgabe eine Sperrzeit verhängt, so ruht der

Anspruch auf Arbeitslosengeld für zunächst 12 Wochen,

die gesamte Bezugsdauer verkürzt sich sogar um ein

Viertel . Die Hinnahme einer Arbeitgeberkündigung

durch Abwicklungsvertrag führte dagegen i.d.R. nicht zur

Verhängung einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe, es

sei denn die Arbeitgeberkündigung war offensichtlich

rechtswidrig, aus Sicht des Arbeitnehmers bekannter-

maßen rechtsunwirksam oder beruhte auf einer Absprache

der Arbeitsvertragsparteien. Ob für eine Kündigung ein

personen- oder betriebsbedingter Grund wirklich vorlag,

war für den Arbeitnehmer eigentlich nie offensichtlich.

Das Bundessoz ia lger icht hat nunmehr entsch ie-

den, daß üblicherweise auch in der Unterzeichnung

eines Abwicklungsvertrages eine Arbeitsaufgabe liege.

Mit Unterzeichnung eines Abwicklungsvertrages, so

die Argumentation des Gerichts, beteilige sich der

Arbeitnehmer aktiv an der Beendigung des Beschäftigungs

verhältnisses. Auf die zeitliche Lage der aktiven Beteiligung

(vor Ausspruch der Kündigung in Form einer Absprache, bei

Abschluß eines Aufhebungsvertrages oder nach Ausspruch

einer Kündigung in Form eines Abwicklungsvertrages)

komme es nicht an. Gleichzeitig deutete das Gericht

an, daß eine Arbeitsaufgabe möglicherweise dann nicht

vorliege, wenn ohne vorherige Absprachen nach Ablauf

der dreiwöchigen Klagefrist oder während eines arbeits-

gerichtlichen Verfahrens eine Abwicklungsvereinbarung

getroffen werde. Als Konsequenz dieser Rechtsprechung

des Bundesozialgerichts werden gut beratene Arbeitnehmer

immer Kündigungsschutzklage erheben und eine vorherige

gütliche Einigung ablehnen, es sei denn, der Arbeitgeber

erklärt sich zum Ausgleich des Sperrzeitschadens bereit.

Andererseits werden Arbeitgeber nach wie vor zunächst

eine Kündigung aussprechen. Sie sollten dann aber von

der Erhebung einer Kündigungschutzklage durch den

Arbeitnehmer nicht auf dessen Einigungsunwilligkeit

schließen (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Dezember

2003, B 11 AL 35/03).

BETRIEBSÜBERGANG BEIM “INSOURCING”von Fabian Stoffers

Frankfurt Rechtsanwalt [email protected] ++49 69 9726 3939

Daß beim sog. asset deal, d.h. dem Erwerb der wesentli-

chen Betriebsmittel eines Unternehmens zum Zwecke von

dessen Fortführung, meist ein Betriebsübergang vorliegt,

ist weitgehend bekannt. Auch daß dies den Übergang der

Arbeitsverhältnisse auf dem Erwerber der Betriebsmittel

nach sich zieht, ist wohl nichts neues. Daß man aber auch in

ganz anders gelagerten Situationen zum Arbeitgeber werden

kann, dürfte überraschen. Nach ständiger Rechtsprechung

des BAG liegt ein Betriebsübergang nämlich nur vor, wenn

ein Betrieb oder Betriebsteil auf einen anderen Inhaber kraft

Rechtsgeschäfts übergeht und durch diesen fortgeführt

wird. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, ob der

neue Inhaber wirklich denselben Betrieb oder Betriebsteil

weiterführt wie sein Vorgänger. Diese sog. Betriebsidentität

wird durch die Gesamtheit der verrichteten Tätigkeiten, des

Personals, der Führungskräfte, der Arbeitsorganisation,

der Betriebsmethoden und der sonstigen zur Verfügung

stehenden materiellen und immateriellen Betriebsmittel

vermit telt . Während bei Produkt ionsbetr ieben die

Betriebsidentität oft hauptsächlich durch die Maschinen

vermittelt wird, kann im Dienstleistungsbereich schon die

Übernahme des überwiegenden Teils des Personals den

Betrieb ausmachen.

Das BAG hat te einen Fall zu entscheiden, in dem

ein Gefahrstof f lager zunächst im Auf t rage e ines

Automobilunternehmens von einem Fremdunternehmen

geführt wurde. Später hatte sich das Automobilunternehmen

entschlossen, das Gefahrstofflager in Eigenregie zu

betreiben und es von dem Fremdunternehmen zu diesem

Zweck anzumieten. Das Personal des Fremdunternehmens

hat te das Automobi lunternehmen allerdings nicht

übernommen. Ein Gefahrstof f lager, in dem für ein

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Automobilunternehmen Waren gelagert, kommissioniert

und versandt werden, so das Gericht, sei kein betrieb-

smittelarmer Betrieb, so daß die Betriebsidentität auch

ohne Übernahme von Personal erhalten bliebe. Indem

das Automobilunternehmen das Lager fortführte, so das

Gericht weiter, setzte es die wesentlichen Betriebsmittel

des Fremdunternehmens ein und wurde so neuer

Betriebsinhaber. Ein Fahrer, der für das Fremdunternehmen

zuvor die Gefahrstoffe zwischen dem Fremdunternehmen

und dem Automobilunternehmen hin- und hergefahren

hatte, war deshalb durch das Automobilunternehmen zu

übernehmen (BAG, Urteil vom 22. Juli 2004, 8 AZR 350/03).

GMBH – GESCHÄFTSFÜHRER ALS ARBEITNEHMER ?von Prof. Dr. Oliver Heeder

München Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht [email protected] ++49 89 2060 42200

Die rechtliche Einordnung der Vertragsverhältnisse von

GmbH-Geschäftsführern ist seit längerem umstritten.

Der Kernpunkt der juristischen Auseinandersetzung ist

die Frage, ob der GmbH-Geschäftsführer Arbeitnehmer

der Gesellschaft sein kann oder ob ihm aufgrund seiner

Stellung als Organ der Gesellschaft nur Arbeitgeberfunktion

zukommen kann. Dieser mögliche Rollenkonflikt ist auf

die Doppelstellung des GmbH-Geschäftsführers zurück-

zuführen und hat ihren Niederschlag in der sogenannten

Trennungstheorie gefunden. Danach ist der GmbH-

Geschäftsführer einerseits Organ der Gesellschaft und

als deren gesetzlicher Vertreter befugt, die Gesellschaft

nach außen hin zu vertreten. Diese Befugnis wird ihm

durch die gesellschaftsrechtliche Bestellung verliehen.

Andererseits wird der GmbH-Geschäftsführer regelmäßig

im Rahmen eines schuldrechtlichen Anstellungsvertrages,

der die Modalitäten der Vertragsbeziehungen und seine

Vergütungsansprüche regelt, tätig werden. Der Vertrag

bildet meist auch die Rechtsgrundlage für die Bestellung

zum Organ der Gesellschaft. Die rechtliche Einordnung

dieses schuldrechtlichen Einstellungsvertrages ist seit jeher

schwierig.

Der Bundesgerichtshof ist seit langem der Auffassung,

daß e i n Ges chä f t s f üh re r a l s Ve r t re tungs o rgan

Arbeitgeberfunktion ausübt und deswegen als freier

Mitarbeiter anzusehen ist, nicht aber als Arbeitnehmer. Im

Gegensatz dazu geht die Rechtsprechung des BAG davon

aus, daß zumindest bei einem Fremdgeschäftsführer jeden-

falls die Möglichkeit besteht, daß er als Arbeitnehmer einzu-

stufen ist. Nach Auffassung des BAG ist darauf abzustel-

len, wie hoch der Grad der für den Arbeitnehmerstatus

m a ß g e b l i c h e n p e r s ö n l i c h e n A b h ä n g i gke i t d e s

Geschäftsführers ist. Gleicher Meinung ist seit jeher auch

das Bundessozialgericht.

Diese bisher verhärteten gegensätzlichen Standpunkte von

Bundesgerichtshof einerseits und BAG, Bundessozialgericht

andererseits scheinen nunmehr durch ein neues Urteil des

Bundesgerichtshof vom 23. Januar 2003 aufgeweicht. Darin

hat der Bundesgerichtshof den Fremdgeschäftsführer

zumindest insolvenzrechtlich als Arbeitnehmer qualifi-

ziert und ihn trotz seiner Stellung als Geschäftsführer als

persönlichen abhängig von der Gesellschaft befindlich

angesehen.

Es wird daher künftig auch bei der Rechtsprechung

des Bundesgerichtshof hinsichtlich der Qualifizierung

des Geschäftsführers als Arbeitnehmer oder freier

Mitarbeiter darauf abzustellen sein, in welchem persönli-

chen Abhängigkeitsverhältnis er zur Gesellschaft steht. Ein

Arbeitsverhältnis wird wohl auch nach Bundesgerichtshof-

Rechtsprechung dann vorliegen, wenn die Gesellschaft

dem Geschäftsführer auch arbeitsbegleitende und

verfahrensorientierte Weisungen erteilen und auf diese

Weise die konkreten Modalitäten der Leistungserbringung

bestimmen kann.

Insofern rücken die Rechtsprechungen des Bundes-

gerichtshofs und des BAG, Bundessozialgerichts näher

zusammen, was bei der Weisungsbefugnis der Gesellsc

hafterversammlung gegenüber dem Geschäftsführer zu

berücksichtigen sein wird.

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GRENZEN DES HAFTUNGSPRIVILEGS DES § 105 ABS. 1 SGB VIIvon Prof. Dr. Oliver Heeder

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Mit Urteil vom 22. April 2004 (8 AZR 159/03) hatte das

BAG über die Geltung des Haftungsprivilegs des § 105

Abs. 1 SGB VII zu entscheiden. Nach seiner Auffassung

können Tätlichkeiten zwischen Arbeitnehmern noch unter

das genannte Haftungsprivileg fallen.

Der Kläger und der Beklagte sind als LKW-Fahrer tätig und

sind Arbeitskollegen. Am Nachmittag des 20. Februar 2001

versetzte der Beklagte dem Kläger während der Arbeit

einen Stoß vor die Brust, worauf dieser einen Schritt rück-

wärts machte und über die Handgriffe eines dort stehenden

Schubkarrens fiel. Beim Aufprall auf den Boden stieß der

Kläger mit dem Rücken auf eine Stahlschiene und verletzte

sich schwer. Vorausgegangen war die Frage des Beklagten

an den Kläger, warum er “jetzt erst vom Tanken” gekommen

sei. Es waren Lastwagen zu be- und entladen. Die zustän-

dige Berufsgenossenschaft zahlte ab dem 4. April 2001

Verletztengeld.

Der Kläger begehrte mit seiner Klage Schmerzensgeld,

Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen seinem

Nettoarbeitsentgelt und dem Verletztengeld, den Ersatz

weiterer Schäden und die Feststellung, daß der Beklagte

zukünftige, aus dem Vorfall vom 20. Februar 2001 her-

rührende Schäden ersetzen muss. Seiner Ansicht nach

habe keine betriebliche Tätigkeit vorgelegen, so daß das

Haftungsprivileg des § 105 Abs. 1 SGB VII nicht gelte. Der

Beklagte vertrat die Auffassung, bei dem Vorfall habe

es sich um eine betriebliche Tätigkeit gehandelt. Da er

nicht vorsätzlich gehandelt habe, sei er zum Ersatz des

Personenschadens nicht verpflichtet.

Das BAG hat im Ergebnis die Revision zurückgewiesen.

Zwar seien nach Ansicht der Richter Tätlichkeiten unter

Kollegen grundsätzlich nicht betrieblich veranlasst. Da

jedoch die Grenzen der betrieblichen Tätigkeit noch nicht

überschritten seien, komme das Haftungsprivileg des § 105

Abs. 1 SGB VII noch zum Tragen.

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