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Herausgegeben vom Deutschen Akademischen Austauschdienst in Zusammenarbeit mit dem Fachverband Deutsch als Fremdsprache Nr. 5 34. Jahrgang Oktober 2007 Inhalt Artikel Claudia Riemer DaF/DaZ und empirische Forschung: wechselnde Herausforde- rungen 445 Reinhard Fiehler Gesprochene Sprache – ein »sperriger« Gegenstand 460 DaF im Ausland Andreas Jäger und Sabine Jasny Zur Lage der Germanistik in Australien 2007 472 Didaktik DaF / Aus der Praxis Jörg Schröder E-Mail Tutorium zur Unterstützung des Unterrichts »Schreiben« – Erfahrungen mit einem Gemeinschaftsprojekt zwischen Trier und Hangzhou/VR China 487 Tristan Lay »Sophie Scholl – Die letzten Tage« – Möglichkeiten zum Einsatz im DaF-Unterricht 503 Zur Diskussion gestellt Péter Maitz und Stephan Elspaß Warum der »Zwiebelfisch« nicht in den Deutschunterricht ge- hört 515 Werner Roggausch Antwort auf Péter Maitz/Stephan Elspaß und Einladung zur Diskussion 527 (Fortsetzung umseitig)

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Herausgegebenvom DeutschenAkademischen

Austauschdienstin Zusammenarbeit

mit demFachverband

Deutsch als Fremdsprache

Nr. 5 34. Jahrgang Oktober 2007

InhaltArtikel Claudia Riemer

DaF/DaZ und empirische Forschung: wechselnde Herausforde-rungen 445

Reinhard FiehlerGesprochene Sprache – ein »sperriger« Gegenstand 460

DaF im Ausland Andreas Jäger und Sabine JasnyZur Lage der Germanistik in Australien 2007 472

Didaktik DaF /Aus der Praxis

Jörg SchröderE-Mail Tutorium zur Unterstützung des Unterrichts »Schreiben«– Erfahrungen mit einem Gemeinschaftsprojekt zwischen Trierund Hangzhou/VR China 487

Tristan Lay»Sophie Scholl – Die letzten Tage« – Möglichkeiten zum Einsatzim DaF-Unterricht 503

Zur Diskussion gestellt

Péter Maitz und Stephan ElspaßWarum der »Zwiebelfisch« nicht in den Deutschunterricht ge-hört 515

Werner RoggauschAntwort auf Péter Maitz/Stephan Elspaß und Einladung zurDiskussion 527

(Fortsetzung umseitig)

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Rezension Foschi Albert, Marina; Hepp, Marianne; Neuland, Eva (Hrsg.):Texte in Sprachforschung und Sprachunterricht. Pisaner Fachta-gung 2004 zu neuen Wegen der italienisch-deutschen Kooperati-on. München: iudicium (Lucia Cinato, Turin/Italien) 531

Tagungsankündigung Jahreskongress Gesamtverband Moderne Fremdsprachen (GMF)vom 27.–29. März 2008 in Leipzig »Qualität entwickeln. NeueWege in Unterricht und Lehrerbildung« 534

Über die Autoren 537

Abstracts 539

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DaF/DaZ und empirische Forschung: wechselndeHerausforderungen1

Claudia Riemer

1. Ausgangslage Das Fach Deutsch als Fremdsprache hatseit den ersten Schritten seiner Konstitu-ierung an den deutschen Universitäteneine längere Wegstrecke erfolgreich be-wältigt. Das Fach hat DaF-spezifischeStudiengänge entwickelt und überarbei-tet und es ist jüngst dabei, den Bologna-Prozess zu bewältigen; es wurden in die-sen Studiengängen Absolventinnen undAbsolventen hervorgebracht und wissen-schaftliche Nachwuchskräfte ausgebil-det, von denen einige im Zuge des Gene-rationenwechsels an den Universitätenjetzt Stellen besetzen, die zuvor nochnicht mit Wissenschaftlerinnen und Wis-senschaftlern besetzt waren bzw. besetztsein konnten, die ihre wissenschaftlicheSozialisation (zumindest in größeren An-teilen) im Fach DaF selbst durchlaufenhaben und ihre wissenschaftlichen Quali-fikationsarbeiten im Bereich der DaF-/DaZ-Forschung geschrieben haben. Es kann daher nicht mehr von DaF alseinem sehr jungen Fach gesprochen wer-den; vielmehr gilt es, das bereits Erreichtezu sichern und zu erweitern – und das in

einer Zeit, in der es gerade kleinere Fä-cher an den Universitäten sehr schwerhaben.

2. Problemaufriss Dieser Beitrag behandelt generelle Fra-gen und Probleme empirischer For-schung im Bereich Deutsch als Fremd-sprache/Deutsch als Zweitsprache. Mitempirischer Forschung bezeichne ich For-schung, die datengeleitet und dabei sys-tematisch und methodisch kontrolliertErkenntnisse über die Wirklichkeit desLehrens und Lernens von Fremdspra-chen (hier: DaF) sammelt. Hierzu ist zu-nächst zu sagen, dass solche Forschungin unserem Fach aktiv betrieben wird. Esgibt deutlich erkennbare Fortschritte inder Breite der behandelten Themen, imForschungsvolumen und auch in derwissenschaftlichen Reflexion der ange-wendeten Forschungsmethoden. Auchdass Berichte aus der empirischen For-schung einen festen Platz im Rahmen derJahrestagungen des FachverbandsDeutsch als Fremdsprache gefunden ha-ben und dass in den letzten Jahren immer

1 Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Plenumsvortrag zum Themenschwer-punkt 1: »Empirische Forschung im Bereich DaF« im Rahmen der 35. JahrestagungDeutsch als Fremdsprache des Fachverbandes Deutsch als Fremdsprache (FaDaF)vom 31. Mai bis 2. Juni 2007 an der Freien Universität Berlin zum Rahmenthema »Aufneuen Wegen. Deutsch als Fremdsprache in Forschung und Praxis«. Der Beitrag wirdauch in den Sammelband zu dieser Tagung in der Reihe Materialien Deutsch alsFremdsprache (MatDaF) aufgenommen. Der Tagungsband erscheint voraussichtlich imFrühjahr 2008.

Info DaF 34, 5 (2007), 445–459

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wieder auch Themenschwerpunkte ein-gerichtet wurden, in denen Berichte überempirische Forschungen zentral einge-plant waren, ist ein Anzeichen dafür. Es gilt aber noch einige zentrale Heraus-forderungen zu bewältigen. Es mussganz nüchtern konstatiert werden: Empi-rische Forschung im Bereich DaF/DaZ istdadurch gekennzeichnet, dass in anderenDisziplinen erreichte Standards (z. B. inPsychologie und dabei v. a. in der päda-gogischen Psychologie, in empirischerErziehungswissenschaft und Sozialwis-senschaft) in unserem Fach nicht durch-gängig eingehalten werden, oft gar nichteingehalten werden können – und diesgilt sowohl für quantitative als auch fürqualitative Forschung. Ursachen liegenbekanntermaßen in den eingeschränktenKapazitäten des Fachs an den Universitä-ten, in der personellen und Sachmittel-ausstattung von Forschungsprojekten,wenn sie überhaupt durchgeführt wer-den können, aber auch in fehlender odernicht ausreichender Methodenexpertiseder Forscherinnen und Forscher, die eineEntsprechung in fehlenden Modulen zuForschungsmethoden und fehlender For-schungspraxis im Rahmen der DaF-/DaZ-Studiengänge finden. Meine Ausgangsthese lautet, dass dasFach Deutsch als Fremdsprache momen-tan in eine Phase eintritt bzw. sich schonlängst befindet, in der Forschung, unddabei insbesondere forschungsmethodo-logisch kontrollierte empirische For-schung, massiv die Zukunft des Fachs alsakademische Disziplin bestimmen wird.Und damit meine ich sowohl empirischeForschung, die im Bereich DaF/DaZselbst durchgeführt wird, als auch empiri-sche Forschung, die in anderen Diszipli-nen geleistet wird und deren Ergebnisseuns (teilweise ganz direkt) betreffen. Welche empirische Studie, welche Stu-dien wurden in den letzten Jahren in dergesellschaftlichen Öffentlichkeit und

auch im Rahmen der DaF-Tagungen amhäufigsten zitiert? Welche Studien habenvielleicht sogar Schockwellen ausgelöst?Welche Studien haben daraufhin auch inunserem Fach Bewegungen in Gang ge-setzt, eine Fokusverschiebung von DaFzu DaZ – welche Studien haben dem Fachdamit auch höhere Relevanz und Auf-merksamkeit in der Öffentlichkeit, derPolitik, an den Universitäten beschert?Eine Antwort ist: die PISA-Studien unddie Erkenntnis, dass Kinder und Jugend-liche mit Zuwanderungshintergrund –und dabei insbesondere diejenigen, die inDeutschland nicht als Seiteneinsteiger,sondern von Beginn an das schulischeBildungssystem durchlaufen – bei derEntwicklung spezifischer sprachlicherKompetenzen, die für erfolgreiche Bil-dungskarrieren zentral sind, massiv imNachteil sind. Waren aber DaF-/DaZleran der Konzeption der Studien und anden Analysen beteiligt – gibt es doch seitvielen Jahren DaF-/DaZ-Fachvertreterin-nen und -vertreter, die mit Nachdruckauf die Notwendigkeit der systemati-schen Förderung von Kindern und Ju-gendlichen mit Migrationshintergrundaufmerksam gemacht haben? Nein. In den letzten Jahren haben wir außerdem(auch im Rahmen der Jahrestagungen)viel über die Integrationskurse diskutiert– und werden dies weiter tun. Vertretervon DaF-Lehrstühlen sind in der dasBAMF beratenden Bewertungskommis-sion vertreten. Eine empirische Evaluati-onsstudie der Integrationskurse wurdevom BMI ausgeschrieben, schließlich inAuftrag gegeben und dann Anfang diesesJahres veröffentlicht. Laut BAMF-Inter-netauftritt war es Ziel der Studie

»dabei nicht, die politischen Vorgaben zuhinterfragen, sondern vielmehr deren Um-setzung zu analysieren. Im Fokus standendie Bereiche ›Verfahrenseffizienz‹, ›Finan-zierung‹ und ›Methodik/Didaktik‹«(www.bamf.de, 30.1.2007).

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Haben DaF-/DaZler sich massiv um dieausgeschriebene Studie beworben, habensie die Studie durchgeführt – oder be-scheidener gefragt: War DaF-/DaZ-Kom-petenz im Team vertreten, das die Studiedurchgeführt hat? Die Antwort lautet er-neut: nein. Das kommerzielle Manage-ment-Beratungsunternehmen, das dieStudie durchgeführt hat, äußert sich dazuim Abschlussbericht indirekt folgender-maßen: »Um der Komplexität des Untersuchungs-gegenstandes Rechnung zu tragen, stellteRambøll Management ein Evaluationsteamaus unterschiedlichen wissenschaftlichenDisziplinen zusammen. Durch diesen mul-tidisziplinären Ansatz waren für jeden Un-tersuchungsaspekt spezifische Fachkompe-tenzen vorhanden. Im Evaluationsteam wa-ren die folgenden wissenschaftlichen Hin-tergründe präsent: • Politologie • Jura • Betriebswirtschaftslehre • Volkswirtschaftslehre • Internationales Informationsmanage-

ment • Erziehungswissenschaften • Soziologie/Statistik • Psychologie • Geographie • Informatik« (Bundesministerium des Innern 2006: 6) Solche empirische Forschung muss zu-nächst einmal als von außen an das Fachherangetragene Herausforderung wahr-genommen werden. Ich frage aber hier zuBeginn meines Beitrags ganz offen undungeschützt: Ist das Fach DaF überhaupthinreichend darauf vorbereitet, sich inkleine und große empirische Studien imRahmen der Bildungsforschung ange-messen einzubringen, in Studien, bei de-nen das Lernen und Lehren von Deutschals Fremd- oder Zweitsprache reliabelund valide evaluiert werden soll, Stu-dien, in denen die Wirksamkeit entwi-ckelter Konzeptionen, eingesetzter Me-thoden und Materialien methodisch kon-trolliert und systematisch überprüft

wird, in denen Entwicklungen bei Aneig-nungsprozessen DaF/DaZ umfassendund mehrperspektivisch erforscht wer-den? Wenn wir solche Fragen nicht über-zeugend bejahen können, wenn wir sieauch gegenüber potenziellen For-schungsförderern, Auftraggebern vonForschung und in interdisziplinären For-schergruppen nicht überzeugend beja-hen können, haben wir ein Problem. Wir– damit meine ich die Praxis und dieuniversitären DaF-/DaZ-Forschungsbe-reiche. Betroffen ist die Praxis, die mögli-cherweise mit den direkten Folgen sol-cher Forschung leben muss, z. B. im Rah-men von Sprachförderangeboten, dienicht angemessen ausgestattet sind undsich möglicherweise von Fachfremdenvorhalten lassen müssen, dass u. a. derUnterricht qualitativ verbessert werdenmuss, wenn die Ergebnisse einer Sprach-fördermaßnahme nicht den Erwartungenentsprechen (wenn z. B. das Erreicheneiner Niveaustufe B1 von einem großenAnteil von Lernenden in einer Förder-maßnahme nicht erreicht werden kann).Die universitären DaF-Bereiche hängenauch hinsichtlich ihrer Eigenständigkeitin Form von eigenen Studiengängen undPromotionsmöglichkeiten und der damitmöglichen Ausbildung auch des wissen-schaftlichen Nachwuchses von einer er-folgreichen Forschungsentwicklung ab.Die Zeit der Freiheit in Lehre und For-schung scheint endgültig vorbei zu sein.Einbindbarkeit von Neuberufenen ingrößere Forschungsverbünde an den je-weiligen Universitäten (und in denengibt es im schlimmsten Fall keine oder imNormalfall nur wenige andere DaF-/DaZler oder Fremdsprachendidaktikeranderer Philologien) ist zunehmend zumwichtigen Kriterium in Berufungskom-missionen und Berufungsentscheidun-gen von Universitätspräsidien gewor-den; individuelle Forschungsleistungengelten schon jetzt mancherorts als zweite

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Wahl. Hinzu kommt: Gute Forschungs-leistungen über die Einwerbung von For-schungsdrittmitteln zu beweisen, ist be-reits heute wichtig und im Rahmen vonZielvereinbarungen und Besoldungsver-handlungen ein zentraler Punkt. DerDruck wird mit Sicherheit zukünftignoch zunehmen (Stichwort: Exzellenzini-tiative, in deren Folge die DFG z. B. Gut-achter darauf hinweist, dass nur mehrsolche Forscherpersönlichkeiten förder-würdig sind, die »national führend« oderbesser noch »international sichtbar« sind– schlechte Chancen für Neueinsteiger,für Neuberufene. Wer an der Aufrechter-haltung und für den Ausbau vonDeutsch als Fremdsprache im Fächerka-non der Universitäten mitarbeitet, musssich dieser Herausforderung nichtsdesto-trotz stellen. Ich möchte die Relevanz empirischer For-schung nicht allein – wie es in der Ver-gangenheit oft getan wurde – auf denBereich der fremdsprachenlehr-/-lern-wissenschaftlichen Ausrichtung desFachs beziehen. Die Unterscheidung vonunterschiedlichen Ausrichtungen (lehr-/lernwissenschaftlich oder didaktisch-me-thodisch, linguistisch, literaturwissen-schaftlich, kulturwissenschaftlich) hattemeines Erachtens heuristischen Wert inder Phase der akademischen Konstituie-rung des Faches – sie ist heute aber nichtmehr zielführend. Zukünftig sollte eherdas Verhältnis dieser Ausrichtungen zu-einander im Rahmen einer integrativenFachkonzeption im Zentrum stehen. Sokann auch kein Studiengang, der ernst-haft eine umfassende Ausbildung inDeutsch als Fremd- und Zweitspracheanstrebt, ohne entsprechende Studienele-mente aus den unterschiedlichen Berei-chen auskommen. Die federführend vomFachverband Deutsch als Fremdsprachebenannten Kernbereiche, die in einemBachelor-/Masterstudiengang zu be-rücksichtigen sind, sprechen hier eine

deutliche Sprache, obwohl sie eher be-scheiden formuliert sind (vgl. Fachver-band Deutsch als Fremdsprache 2006). Eswird weiter unterschiedliche For-schungsschwerpunkte an den universitä-ren DaF-Abteilungen geben; hier ist an-gesichts des hohen Forschungsbedarfs inallen Bereichen Vielfalt sogar ausdrück-lich zu begrüßen und zu fördern. Dieauch empirische Ausrichtung dieser For-schungsschwerpunkte mit Nachdruckanzustreben bzw. – wenn bereits in An-sätzen vorhanden – diese auszubauenund weiterzuentwickeln, halte ich jedochfür unverzichtbar, wenn die wissen-schaftliche Beschäftigung mit deutscherSprache, Kultur und Literatur im für dasFach konstitutiven Verbund mit damitverbundenen fremd-/zweitsprachlichenund fremdkulturellen/interkulturellenProzessen der Aneignung und Verwen-dung erfolgt. Wenn ich im Folgendenalso von Fremdsprachenlernen und -leh-ren spreche, schließt dies immer auchProzesse des kulturellen Lernens ein. Forschung im Bereich DaF/DaZ kanndabei anknüpfen an Entwicklungen inder internationalen Fremdsprachenfor-schung (insbesondere Applied Linguis-tics, Second Language Acquisition Re-search, Bilingualismusforschung) und inder deutschen Fremdsprachenforschung(Sprachlehr- und -lernforschung, empiri-sche Fremdsprachendidaktik). Ich möchte kurz ausholen, warum zu-nächst im Bereich der lehr-/lernwissen-schaftlichen Ausrichtung des Fachs em-pirische Forschung vorangetriebenwurde. Dies hatte zu tun mit der Ent-wicklung der Sprachlehr-/-lernfor-schung in Deutschland und der dannschrittweise erfolgten Umorientierungder Fremdsprachendidaktik, für die dieErforschung des Fremdsprachenunter-richts und dabei insbesondere die empiri-sche Untersuchung seiner prozessualen

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Lehr- und Lernaspekte übergeordnetesZiel ist. Angestrebt wird dabei,

»die begründete Konsolidierung bzw. Ver-änderung konkreter Formen des Lehrensund Lernens fremder Sprachen zu bewir-ken« (Bausch/Christ/Krumm 42003: 4).

Eine solche Forschung sei in ihren Ar-beitsweisen aufgefordert,

»die Forschungsmethodik so anzulegen,dass sie Probleme aus der Praxis aufgreift,der systematischen und integrativen For-schung zuführt und wieder in die Praxiseinbringt, sei es in Form von Bestätigungenfür gewohntes Unterrichtsverhalten, sei esals Empfehlung bzw. Handlungsalternativefür eine begründete Veränderung dessel-ben« (Bausch/Christ/Krumm 42003: 4).

Diesem Credo der Sprachlehrforschungentsprechend wurde empirische For-schung in den letzten 20, 30 Jahren gefor-dert und gefördert, in Teilen erfolgreichgeleistet – gleichzeitig aber auch vielfachgeschmäht und insgesamt noch viel zuwenig bearbeitet. Eines wurde bis heute versäumt: paralleldazu die forschungsmethodische Ausbil-dung in den Studiengängen ausreichendzu berücksichtigen, geschweige denn zuverankern. Es entstand die für for-schungsinteressierte und qualifikations-willige Studierende und wissenschaftli-che Nachwuchskräfte unbefriedigendeSituation, dass sie sich viele wichtigeGrundlagen der empirischen For-schungsmethodik vorwiegend im (teilsbetreuten, teils unbetreuten) Selbststu-dium aneignen und Unterstützung au-ßerhalb ihres Fachs suchen müssen, wasnicht immer gelingt – ich spreche hierauch aus eigener Erfahrung. Viele, dieihre wissenschaftliche Sozialisation imFach DaF durchlaufen haben und nichtetwa als Seiteneinsteiger aus der Psycho-logie oder Soziologie zu DaF stoßen,müssen bei null oder nahe null anfangen,wenn sie ein empirisches Forschungspro-jekt anstreben, was die Wahl von z. B.

anspruchsvollen multivariaten quantita-tiven Designs meist von vornherein aus-schließt. Auch dass häufig qualitative De-signs ausgewählt werden, kann daraufzurückgeführt werden; außerdem dar-auf, dass interpretative Verfahren der Da-tenanalyse an philologisch-literaturwis-senschaftlich-hermeneutische Verfahrenanknüpfen können, mit denen viele DaF-ler im Laufe des Studiums zumindestansatzweise in Berührung kommen. Wirbenötigen in unserem Bereich aber quali-tative und quantitative Forschung, umzentrale Fragestellungen bearbeiten zukönnen. Im Folgenden erlaube ich mirdaher einen knappen Exkurs, der diezentralen Charakteristika beider Paradig-men beleuchtet.

3. Qualitative und quantitative For-schung Das qualitative und das quantitative For-schungsparadigma implizieren jeweilsunterschiedliche Voraussetzungen undZiele, gehen von unterschiedlichen zu-grunde gelegten Menschenbildern undVorstellungen über die Forschungsorga-nisation und -durchführung aus und ver-langen Daten, die nach unterschiedlichenMaximen erhoben, aufbereitet und analy-siert werden müssen. Dies führt inner-halb der jeweiligen Paradigmen zu For-schungsergebnissen mit unterschiedli-chem Erkenntnisanspruch. Die von Grot-jahn (1987) präferierte Verwendung derTermini »explorativ-interpretativ« bzw.»analytisch-nomologisch« als Bezeich-nung dieser beiden Forschungsausrich-tungen benennt die zentralen Merkmalebeider Methodologien. Beide Ansätzewurden lange Zeit als sich gegenseitigausschließende Paradigmen interpretiert,was zu Lagerbildungen führte. Heute isteher ein Zustand friedlicher Koexistenzeingetreten, wobei aber nicht verkanntwerden darf, dass trotz allseitiger Prokla-mation der Berechtigung beider For-

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schungsrichtungen und des Plädoyersfür eine Verbindung von beiden im Rah-men von hybriden Methodologien Ver-treter der jeweiligen Ausrichtung gerndie Arbeiten und Entwicklungen der an-deren Ausrichtung ignorieren. Hinsichtlich einer Gegenüberstellungwichtiger Merkmale beider Paradigmenhalte ich mich kurz: Auf der Ebene derallgemeinen Zielsetzung von Forschun-gen stehen sich Verstehen auf der qualita-tiven Seite und auf der quantitativenSeite Deskription und Erklären menschli-chen Verhaltens gegenüber. QualitativeForschung verlangt einen empathischenNachvollzug aus der Perspektive der Un-tersuchungsteilnehmer und bedingt einkomplexes elaborativ-prospektives Men-schenbild, wobei das Gesamtfeld als In-formationslieferant zur Verfügung steht.(Zur Menschenbilddiskussion in derFremdsprachenforschung vgl. Grotjahn2005b.) Hypothesen und Theorien sollendabei erst während des Forschungspro-zesses durch das interpretative Auffin-den wiederkehrender Muster erschlossenwerden (qualitative Forschung als theo-riegenerierende Forschung), wobei aus-geprägte Vorstrukturierungen des Unter-suchungsfeldes (z. B. Standardisierungenin der Datenerhebung oder vorrangigeBerücksichtigung von Vorwissen in derEntwicklung kategorialer Systeme) weit-gehend vermieden werden sollen. Es in-teressieren nicht allein die Produktemenschlichen Verhaltens, sondern vor al-lem die Prozesse, die zu ihnen führen. DasUntersuchungsfeld soll so weit wie mög-lich natürlich belassen sein, dies heißtkonkret: Soll z. B. gesteuerter Fremdspra-chenerwerb verstanden werden, so sinddie Daten aus dem Kontext real stattfin-denden Fremdsprachenunterrichts zugewinnen und nicht in speziell eingerich-teten laborähnlichen Handlungsräumenmit je eigenen Konstellationen. Dabei sol-len möglichst tiefgründige, reichhaltige

Daten (rich data) erhoben werden. Diesbedeutet andererseits, dass es aus for-schungsökonomischen Gründen seltenmöglich ist, größere Probandengruppenzu erfassen und dass damit qualitativeForschungen zumeist in Form von Fall-studien organisiert sind, die auf einebreite Generalisierung der Befunde ver-zichten müssen. Oben erwähnte Parame-ter wie »Verstehen« oder »interpretativ«deuten darauf hin, dass qualitative Stu-dien weniger dem Gütekriterium der Ob-jektivität entsprechen können; hierfürwurden Gütekriterien wie »Nachvoll-ziehbarkeit« und »Intersubjektivität«bzw. »reflektierte Subjektivität« einge-führt (vgl. Arbeitsgruppe Fremdspra-chenerwerb Bielefeld 1996, Steinke 1999).Noch relativ wenig ist in der qualitativenFremdsprachenforschung die Zusam-menstellung von Untersuchungsgrup-pen/Auswahl von Fällen diskutiert wor-den, was meines Erachtens dringend not-wendig wäre. Denn die mit der Wahleines qualitativen Forschungsdesignsverbundenen notwendigen Entscheidun-gen für ein bestimmtes Lehr-/Lernum-feld (Alter, Ausgangssprache, L2-Kom-petenz, Unterrichtskontext, Lernzieleetc.) inklusive Verzicht auf größere Pro-bandengruppen (und repräsentativeStichproben) dürfen nicht in Beliebigkeitbzw. Zufälligkeit der Auswahl der For-schungssubjekte resultieren. Quantitative Forschung dagegen strebtgeneralisierbare Gesetzmäßigkeiten an.Es ist anzumerken, dass dieses Para-digma – wohl auch durch seine erwie-sene Effizienz innerhalb naturwissen-schaftlicher Forschung und den davonabgeleiteten Anspruch auf ›Wissen-schaftlichkeit‹ – besonders in den letzten50 Jahren innerhalb sozialwissenschaftli-cher Forschung und in der fremdspra-chenerwerbsspezifischen Forschung ang-loamerikanischer Ausrichtung sehr ein-flussreich war und weiter ist. Im Rahmen

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dieses Forschungsparadigmas sollen ausder Außenperspektive interessierendeUntersuchungsobjekte erklärt werden,d. h. auf exakt zu spezifizierende Bedin-gungen zurückgeführt werden. Aufge-stellte Hypothesen sollen dabei mit Hilfeempirischer Untersuchungen verifiziertoder falsifiziert werden. Dafür ist es un-abdingbar, Teilbereiche des Untersu-chungsfeldes zu isolieren und zu kontrol-lieren, d. h. externe Einflüsse und weitereintervenierende Variablen auf die interes-sierenden Untersuchungsgegenständemüssen hinreichend ausgeschaltet wer-den. Dies erfordert eine Manipulationdes Untersuchungsfeldes, sorgfältige Zu-sammenstellung der Probandengruppenund standardisierte Datenerhebungsver-fahren (am besten gelingt dies innerhalbeines Experimentes in einer dafür ge-schaffenen Laborsituation). Erhoben wer-den sollen harte – d. h. reliable und repli-zierbare – Daten, die mit Hilfe teststatis-tisch überprüfter Instrumentarien elizi-tiert werden. Dies ist allerdings mit ei-nem Verlust an Tiefgründigkeit und Na-türlichkeit verbunden. Vonseiten qualita-tiver Forscher ist deshalb der Vorwurferhoben worden, dass die Künstlichkeitder Datenerhebung die ökologische Vali-dität der gewonnenen empirischen Be-funde und damit gerade die angestrebteGeneralisierbarkeit einschränkt. In den letzten Jahren hat sich (nicht nur)in der Fremdsprachenforschung derStandpunkt durchgesetzt, dass der quali-tative und der quantitative Forschungs-ansatz nicht als Paradigmen anzusehensind, sondern vielmehr Erkenntnisinter-essen und Untersuchungsgegenständedie Wahl spezifischer Forschungsdesignsbegründen sollten. Für die Auswahl ei-nes stärker qualitativ oder stärker quanti-tativ orientierten Forschungsdesigns istdanach u. a. entscheidend, ob zum Zeit-punkt des angestrebten Forschungspro-jekts der Wissensstand zum spezifischen

Gegenstand eine begründete Hypothe-senprüfung erlaubt oder es sinnvoller ist,mögliche Vorannahmen und Hypothesenüber das Untersuchungsfeld erst einmalempirisch zu gewinnen. Parallel dazu kann man beobachten, dassfremdsprachenspezifische Forschungenselten die Ideale des qualitativen oderdes quantitativen Ansatzes erfüllen kön-nen. So gibt es selten in quantitativ-des-kriptiven Studien ausreichend große unddurch Zufallsauswahl zusammenge-stellte Untersuchungsgruppen. Auch ge-nuine Experimente sind relativ selten,häufiger sind Quasi-Experimente, dieetwa Bedingungen wie die Existenzzweier vergleichbarer Probandengrup-pen oder die Zufallsverteilung der Pro-banden auf Experiment- und Kontroll-gruppe nicht erfüllen. Auch reine Feld-forschung, die auf teilnehmender Beob-achtung beruht, ist innerhalb fremdspra-chenspezifischer Forschung kaum reprä-sentiert. Bei näherer Betrachtung deroben angedeuteten einfachen Gegen-überstellungen zwischen qualitativerund quantitativer Forschung lassen sichdiese auch nicht aufrechterhalten. ObHypothesen generiert oder getestet wer-den sollen, ob induktiv oder deduktivvorgegangen wird, beide Vorgehenswei-sen greifen auf Vorwissen zurück. Quali-tative Forschung hat sich damit vor allemauf der Ebene der Datenanalyse ausein-anderzusetzen, quantitative Forschungdagegen eher auf den Ebenen der Daten-erhebung und -aufbereitung, wenn etwakategoriale Raster für Fragebögen konzi-piert und ausgewertet werden. Aller-dings bleiben Unterschiede bestehen, diein den mit qualitativer und quantitativerForschung verbundenen unterschiedli-chen Vorgehensweisen und Forschungs-strategien begründet sind. Auf der einenSeite steht etwa das notwendige Festhal-ten an einem strikten Forschungsplan zurErhebung vergleichbarer Daten und de-

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ren systematische sowie vorweg festge-legte Analyse im Rahmen quantitativerForschung, auf der anderen Seite bei qua-litativer Forschung die Notwendigkeit ei-nes stärker offenen und hinsichtlich sichergebender Bedingungen des Untersu-chungsfelds anpassbaren Forschungs-plans, der sich z. B. in sukzessiver Pro-bandenauswahl und modifizierten Erhe-bungsverfahren niederschlägt.

4. Akzeptanzprobleme Zwar kann in den letzten Jahren insge-samt ein Anstieg im Volumen empiri-scher Forschung v. a. im Rahmen vonQualifikationsarbeiten des wissenschaft-lichen Nachwuchses beobachtet werden,der auch damit zu tun hat, dass eineempirische Erarbeitung vielerorts vonden Betreuern solcher Arbeiten verlangtwurde und wird. Trotzdem (oder viel-leicht sogar als Folge davon?) ist heuteteilweise offen zu hören, dass ›dieSprachlehr-/-lernforschung ihre pro-grammatischen Versprechungen nichteingehalten habe‹, teilweise wird getu-schelt, dass ›die ganze Empirie dochnichts oder nur wenig gebracht habe‹,dass die Arbeiten oft methodisch nichtüberzeugen können und man besser wie-der zu ›hermeneutischer‹ Forschung(was immer auch darunter verstandenwerden mag) zurückkehren könne. Nichtnur in der fremdsprachenunterrichtli-chen Praxis herrscht Zweifel, ob die be-schworene angestrebte empirische Be-gründung spezifischer fremdsprachendi-daktischer Handlungsstrategien oder all-gemeiner Prinzipien nicht doch eher diewissenschaftliche Deskription des bereitsBekannten oder spezifischer Sonderfälledarstelle, und es gibt auch die Meinung,dass solche Forschung die ›wahren‹ Pro-bleme nicht löse. Solche Einschätzungenwerden häufig dann laut, wenn Fragenzur Wirksamkeit bzw. Effektivität spezifi-scher Instruktionsformen, Lernarrange-

ments und Lernmaterialien gestellt wer-den und aus der Forschungsperspektivenicht zufriedenstellend beantwortet wer-den können. Was ist los? Ist empirische Forschung imBereich DaF/DaZ und allgemein in derdeutschen Fremdsprachenforschung ineine Sackgasse geraten, die uns nicht zuden goldenen Töpfen akademischer undgesellschaftlicher Anerkennung führt?Warum fehlt Wirkungsforschung weitge-hend, die etwas Profundes darüber aus-sagen kann, ob, wann und wie Fremd-sprachenunterricht in seinen unter-schiedlichen Ausprägungen Lernen be-wirkt? Dies ist zweifelsohne ein For-schungsfeld, das besonders intensive Be-arbeitung benötigt, von Bildungspoliti-kern und Praktikern gefordert wird, aberaus unterschiedlichen Gründen zu wenigangegangen wird. Als exemplarischesBeispiel möchte ich hier lediglich dieweitgehend fehlende Lehrmaterialwir-kungsforschung nennen, die nicht erstseit dem mit der Adaption von Lernmate-rialien an den Europäischen Referenzrah-men boomenden Lehrwerkmarkt eindringliches Desiderat darstellt. DaF gilt –das habe ich immer wieder bewunderndvon Kolleginnen und Kollegen aus derEnglisch- oder Französischdidaktik ge-hört – als Vorreiter in der Lehrwerkent-wicklung – aber leider nicht im Bereichder Lehrmaterialwirkungsforschung.Solche und andere Defizite können dazuführen, dass – aus der Außenperspektivebetrachtet – von empirischen Forschernmöglicherweise immer gerade das ›Fal-sche‹ erforscht wird. Akzeptanzprobleme von Forschung beiPraktikern mögen eine Ursache darin ha-ben, dass das Postulat, zu begründetenHandlungsstrategien im Fremdsprachen-unterricht zu gelangen, häufig in empiri-schen Studien nicht oder nur in kleinenAusschnitten erreicht werden kann. Häu-fig müssen sich solche Arbeiten auf allge-

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meine Prinzipien bzw. Ziele der Sensibili-sierung von Rezipienten für ausgewählteBereiche des Lehrens und Lernens be-schränken. Eine Folge enttäuschter Er-wartungen auf Seiten der Lehrenden, vonForscherseite konkrete Vorschläge zurUmsetzung der empirisch gewonnenenErgebnisse für die eigene didaktischePraxis zu erhalten, kann sein, dass derDialog mit der Forschung ganz aufgege-ben wird (vgl. zu Störfeldern zwischenTheorie und Praxis auch Aguado/Rie-mer 2000) bzw. auf die Phase der Ausbil-dung und punktuelle Weiterbildung be-schränkt und ohne nachhaltige Auswir-kungen bleibt. Die Untersuchung vonLehrerhaltungen (vgl. exemplarisch Cas-pari 2003) hat bestätigt, dass überwie-gend eigene frühere Sprachlernerfahrun-gen, vorwissenschaftliche Überzeugun-gen sowie lehr-/lernkontextspezifischeErwägungen unterrichtliches Handelnvon Lehrenden leiten. Eine letztes Jahr inder Fachzeitschrift Modern Language Jour-nal publizierte Studie von Rankin/Becker(2006) mit dem Titel: »Does reading theresearch make a difference? A case studyof teacher growth in FL German« kommtzum Schluss, dass die Rezeption vonForschungsergebnissen das Handeln ei-nes (noch unerfahrenen) Lehrers zwarnachweislich beeinflusst, dies geschiehtaber durch einen Filter vorhandener Ein-stellungen und Lernerfahrungen, ein ein-facher Transfer von Wissen in Handeln istnicht gegeben – es muss in den persönli-chen Rahmen eingepasst und v. a. gutreflektiert werden. Untersucht wird indieser Studie das recht gut erforschtemündliche Korrekturverhalten von Leh-rern, was ein Forschungsbereich ist, demwahrlich nicht vorgeworfen werdenkann, praxisfern und implikationslos zusein. Aktionsforschung, die begründet etwaszur Effektivität von Fremdsprachenlehresagen könnte, ist in unserem Bereich

kaum ausgeprägt (vgl. diesbezüglicheÜberlegungen in Riemer 2002). Leider!Denn Aktionsforschung wird insbeson-dere das Potenzial zugeschrieben, dassaus der konkreten Unterrichtswirklich-keit entnommene Fragestellungen nachihrer systematischen Analyse in Hand-lungsstrategien für die Unterrichtsgestal-tung überführt werden, die sofort in ih-ren Auswirkungen reanalysiert werdenkönnen und dann zu weiteren Modifika-tionen führen können. Ursachen für dasFehlen solcher Forschung (v. a. in größe-ren und von der Fachöffentlichkeit wahr-genommenen Zusammenhängen) mögendarin liegen, dass solche Aktionsfor-schung hierzulande, anders als z. B. inGroßbritannien und den USA, auf keineTradition zurückblicken kann und auchkeinen entscheidenden Einfluss auf curri-culare Entwicklungen nehmen konnte.Hinzu kommen allgemeine Probleme,die Forschungsinteressen von Lehrendenmassiv beeinträchtigen, wie Befristungenund schlechte Bezahlung von Lehrtätig-keiten, Zeitmangel, Mangel an Unterstüt-zung (durch Kollegen, durch die Institu-tion) und Mangel an Erfahrung mit For-schungsprojekten und Forschungsme-thoden sowie die Befürchtung, solcheForschung würde von einem prinzipielldefizitären Lehr- und Unterrichtsmodellausgehen. Auf Akzeptanzprobleme stoßen For-schungen, insbesondere Einzelforschun-gen, aber genauso im wissenschaftlichenDiskurs. Dies hat unterschiedlicheGründe. Einer liegt darin, dass empiri-sches Arbeiten stets hinsichtlich Gegen-standswahl, -konstruktion und -operatio-nalisierung anfechtbar ist. Zweifel an derRelevanz und Reichweite empirischerEinzelforschung hat wohl aber fachinternauch mit dem Paradoxon lehr-/lernwis-senschaftlicher Forschung zu tun, aus derBeobachtung sowie Introspektion real ab-laufender Lehr-/Lernprozesse und einer

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erfolgten Offenlegung dort vorgefunde-ner Handlungen und Prozesse Empfeh-lungen für deren Weiterentwicklung undVeränderung abzuleiten, die selbst abernicht mehr Gegenstand der Untersu-chung sind – was wiederum in der obenerwähnten Vernachlässigung von empiri-scher Aktionsforschung und Wirkungs-forschung begründet liegt. Dies hat Ursa-chen darin, dass Einzelforschungen stetseinen begrenzten Wirklichkeitsausschnittfokussieren müssen, sich aber nicht not-wendigerweise ergänzen, sich mitunterwidersprechen oder sogar ganz inkom-patibel sind. Größere Forschungsver-bünde konnten bislang aus Ressourcen-gründen kaum realisiert werden. Insbe-sondere Nachwuchswissenschaftler spü-ren diese Last und die Grenzen der eige-nen Untersuchungen und regen immerwieder zur Bildung von regionalen undüberregionalen Forschungsverbündenan. Wir sollten mehr auf sie hören.

5. Forschungsinhärente Probleme Ich werde im Folgenden zwei exemplari-sche Bereiche ausführen, die allgemeinProbleme für empirische Forschung imKontext von Fremdsprachenunterrichtbereiten und zu Enttäuschung bei Rezipi-enten solcher Forschung – auch bei wohl-wollenden Fachwissenschaftlern und in-teressierten Praktikern – führen können.Es sind forschungsinhärente Probleme.Sie betreffen zum einen die grundsätzli-che Konzeptualisierung von Lehren undLernen in der Fremdsprachenforschungals Faktorenkomplexion und zum ande-ren die Möglichkeiten der Operationali-sierung von Untersuchungsgegenstän-den im Rahmen forschungsmethodolo-gisch begründeter Erhebungs- und Ana-lyseansätze. Zunächst zum Problem Faktorenkomple-xion: Auf der einen Seite stimmen Er-kenntnisse hinsichtlich der Mehrdimen-sionalität von Lernprozessen mit der Er-

fahrung von Fremdsprachenlehrendenüberein und sind daher für deren Profes-sionsverständnis als wenig bedrohlicheinzuschätzen. Auf der anderen Seiteverhindern solche Forschungsergebnisseeinfache Adaptionen von eher allgemeingehaltenen Handlungsempfehlungen.Denn was in einem spezifischen Kontext,der durch besondere Rahmenbedingun-gen und Lernende geprägt ist, angemes-senes, empirisch begründetes fremdspra-chenunterrichtliches Handeln darstellt,ist in einem anderen Kontext hinfällig, dadort andere Konstellationen herrschen.Es ist ein logisch unlösbares Dilemma,dass das Postulat der Faktorenkomple-xion von Fremdsprachenlehr-/-lernpro-zessen eine generell eingeschränkteÜbertragbarkeit und damit Generalisier-barkeit von Einzelforschung – sei sie hy-pothesentestend oder hypothesengene-rierend – impliziert und folglich einepotenzielle Unendlichkeit von Forschungverursacht. Die im Rahmen von For-schungsprojekten unverzichtbare Aus-wahl (und damit der Ausschluss) vonVariablen, die im Kontext spezifischerLehr-/Lernszenarien und sämtlicher da-mit verbundener Bedingungen (Lehr-/Lernmittel, Methoden etc.) erforscht wer-den, führt zu Ergebnissen, die nicht ohneWeiteres außerhalb des fokussierten Fak-torenkomplexes und Wirklichkeitsaus-schnitts Aussagekraft besitzen. Die An-nahme und Erfahrung von Faktorenkom-plexion des Fremdsprachenunterrichtsdesavouiert somit gleichermaßen parti-kularistische Forschungsergebnisse, dieerst durch diese Grundannahme über-haupt zustande kommen, aber genausoForschungsergebnisse mit Allgemeingül-tigkeitsanspruch. Diese Problematik wird besonders deut-lich, wenn man die Beziehungen vonForschung im Bereich DaF und DaZ be-trachtet. Lernumgebungen und Bedin-gungen für das Lehren und Lernen von

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DaZ unterscheiden sich massiv von de-nen für DaF, so dass jeweils sorgfältig zuprüfen ist, ob in einem Bereich gewon-nene Erkenntnisse für den anderen (zu-mindest teilweise) gültig sind oder ob sieüberhaupt nicht auf den anderen Bereichübertragen werden können. Es wäre vermessen, hierfür eine schnelleLösung anbieten zu wollen. Ich wageaber dennoch zu behaupten, dass dieErforschung der tatsächlich in Lernsze-narien vorliegenden Faktoren und ihrerEinflüsse auf das Fremdsprachenlernennoch lange nicht hinreichend erfolgt ist,um auszuschließen, dass durch den kriti-schen Vergleich vielfältiger Lernformendoch allgemeingültigere Aussagen inklu-sive Einschätzungen über Wirksamkeitenauf messbare Lernresultate möglich wä-ren. Weniger logische als ganz forschungs-praktische Probleme bereitet die zu-grunde gelegte Komplexität des Gegen-stands Fremdsprachenlehren und -lernenbei der Operationalisierung von Untersu-chungsgegenständen im Rahmen empiri-scher Untersuchungen. Spezifische Fra-gestellungen müssen untersuchungsin-tern angemessen ausgewählt werden,aber gleichzeitig die allgemeine For-schungsentwicklung im entsprechendenGegenstandsbereich im Blick behalten.Bei jeder empirischen Studie stellen sichdie Fragen neu, innerhalb welchen Unter-suchungsdesigns welche Erkenntnisinte-ressen, Gegenstände, Datenerhebungs-,Datenaufbereitungs-, -analyse- und -in-terpretationsverfahren angemessen zuverbinden sind, wo geeignete und aus-kunftsbereite bzw. freiwillige Untersu-chungsteilnehmer (Lehrende, Lernende)bzw. Lehr- und Lernkontexte zu findensind und wie sich die Vorgehensweisenbei unvorhergesehenen Ereignissen wäh-rend des Forschungsprozesses angemes-sen anpassen lassen. Gleichzeitig soll dieforschungsmethodische Anlage der Stu-

die auch Vergleichbarkeit mit anderenUntersuchungen ermöglichen. Und hierspiegelt sich die Problematik des Kon-strukts Faktorenkomplexion in einerauch forschungsmethodologischen Auf-fassung von Fremdsprachenlehren und-lernen als dynamischen, komplexen undmehrdimensionalen, von unterschiedli-chen Variablen konstituierten Untersu-chungsgegenständen. Dieses hat Konse-quenzen in den forschungsmethodologi-schen Entscheidungen, die von der An-nahme eines komplexen Subjektmo-dells/Menschenbilds (vgl. Grotjahn2005) über die umfassende Berücksichti-gung affektiver Variablen sowie des kon-textuellen (sozialen wie auch interakti-ven) Lehr-/Lernumfelds inklusive derPräferenz von möglichst natürlichen Da-ten aus real ablaufenden Lehr-/Lernsitu-ationen gegenüber künstlich elizitiertenDaten bis hin zur Beachtung von Gütekri-terien wie Gegenstandsangemessenheit,Nachvollziehbarkeit und Akzeptabilitätim Forschungsprozess reichen (vgl. auchArbeitsgruppe FremdsprachenerwerbBielefeld 1996).

6. Schlussfolgerung Die oben beschriebenen Herausforderun-gen an empirische Forschung in unseremBereich sind besonders brisant in einerZeit, in der uns quantitative, outputori-entierte Bildungsstudien zum Schuler-folg, Festsetzungen von Standards, Kern-curricula und Kompetenzen überrollen,die keine Pendants in fremdsprachenspe-zifischer, insbesondere spracherwerbsbe-zogener empirischer Forschung haben, jaohne solche auszukommen glauben.Diese in der Öffentlichkeit stark beachte-ten und politisch enorm einflussreichenquantitativen Bildungsstudien messenLernoutput und beschreiben Defizite,während empirische Fremdsprachenfor-schung – überspitzt ausgedrückt – nochSchwierigkeiten dabei hat, überhaupt zu

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bestimmen, wie man Lernzuwächse überlängere Zeiträume umfassend, den Er-werbsmöglichkeiten entsprechend undnatürlich auch reliabel und valide fest-stellen kann. Eine bessere Beteiligung inder empirischen Bildungsforschung wirdnachhaltig dann am besten gelingen,wenn mehr Fremdsprachendidaktiker soqualifiziert werden, dass sie mit ausrei-chenden Kompetenzen in Forschungs-methoden (inkl. testmethodischer Kom-petenzen) ausgestattet erfolgreich an sol-chen Forschungsprojekten mitarbeitenkönnen. Hier stimmt mich zuversichtlich,dass sich in unserem Bereich die Testfor-schung stetig weiterentwickelt – auch alsFolge der Entwicklung und Anwendungvon C-Tests und TestDaF. Zu wünschenist allerdings, dass fremdsprachenspezi-fische Testentwicklung und Testfor-schung noch stärker in engem Kontaktund im Verbund mit der Erforschung desLehrens und Lernens von Fremdspra-chen erfolgen und nicht zu bloßen Liefe-ranten von methodisch einwandfreienund überprüften Diagnoseinstrumentenmutieren, die für Selektionszwecke ge-braucht, aber auch missbraucht werdenkönnen. Hier muss langfristige Aufbauarbeit be-trieben werden, die beginnen muss, in-dem eine forschungsmethodologischeund -methodische Ausbildung der Stu-dierenden in den Bachelor- und danninsbesondere in den Masterstudiengän-gen und in der Postgraduiertenausbil-dung Deutsch als Fremdsprache erfolgt.Eine solche Integration in die Studien-gänge wurde in der Vergangenheit im-mer wieder gefordert, zuletzt z. B. vonGrotjahn (2006) und Schlak (2004) – wannsoll sie endlich realisiert werden? Schlakäußerte 2004 angesichts erster eingerich-teter bzw. geplanter Bachelor- und Mas-terstudiengänge noch die Hoffnung, dassdie forschungsmethodologische Grund-ausbildung bald zum festen Repertoire

im Studienfach Deutsch als Fremdspra-che gehören würde, und lieferte eineReihe von bedenkenswerten Vorschlä-gen. Sie fanden bislang kaum Berücksich-tigung. Ich befürchte, dass der heutigeTrend sogar eher in eine andere Richtunggeht. Viele DaF-/DaZ-Universitätsstand-orte, die mit geringen Ressourcen ausge-stattet sind, haben sich im Rahmen derUmsetzung des Bologna-Prozesses dafürentschieden, auf der Basis von Erfahrun-gen aus ehemaligen Nebenfach-, Aufbau-und Zusatzstudiengängen anwendungs-orientierte Masterstudiengänge DaF zukonzipieren, die v. a. Bachelorabsolven-tinnen und -absolventen der germanisti-schen Studiengänge eine überwiegendfremdsprachendidaktische Spezialisie-rung anbieten. Auch mittlere und grö-ßere Standorte für DaF (mit bis zu 4Professuren) bieten bislang keine odernur Ansätze einer systematischen for-schungsmethodologischen Ausbildungan. Und nach ersten Erfahrungen mitdem neu eingerichteten Bielefelder DaF-Masterstudiengang (und mit Blick aufdie Methodenausbildung z. B. im Rah-men psychologischer oder soziologischerStudiengänge) komme ich zur vorläufi-gen Einschätzung, dass die Einrichtungganzer Module mit mehr als einer inForschungsmethoden einführendenLehrveranstaltung und weitere Studien-angebote, bei denen in konkreten For-schungsprojekten Methoden angewen-det und erprobt werden, nötig sind, umStudierenden das Rüstzeug für selbst-ständig durchgeführte (kleinere) Projektezu vermitteln. Es ist (noch) nicht zu spät,in den DaF-/DaZ-Studiengängen ent-scheidende Veränderungen vorzuneh-men; der BAMA-Umstrukturierungspro-zess ist im Bereich DaF/DaZ noch nichtabgeschlossen und für bereits eingerich-tete Studiengänge können im Zuge derEvaluation und weiteren Entwicklungder Studiengänge Anpassungen schritt-

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weise vorgenommen werden, entspre-chend vorhandenen Ressourcen undKompetenzen. Wer soll aber diese Lehreanbieten, fragen sich jetzt vielleicht ei-nige. Zweifellos wird es v. a. in der Auf-bauphase immer wieder notwendig wer-den, für die Hochschullehre Kompetenzaus den Nachbarwissenschaften ›einzu-kaufen‹ (z. B. durch die Investition vonMitteln zur Verbesserung der Lehre). DieStudienstandorte sollten Möglichkeitenstandortübergreifender Konzepte entwi-ckeln und sich gegenseitig unterstützen.Gesprächsbeiträge nach dem Vortrag die-ses Beitrags auf der FaDaF-Jahrestagungregten z. B. die gemeinsame Entwicklungund Betreuung von E-Modulen an. Zweifellos wird genauer zu differenzie-ren sein, welches forschungsmethodolo-gische Wissen und Können Absolventin-nen und Absolventen DaF-/DaZ-spezifi-scher Studiengänge benötigen. An dieserStelle möchte ich erste Vorschläge unter-breiten. In den Bachelorstudiengängensind Kompetenzen anzustreben, die dieRezeption von Forschung erlauben undan Praxisforschung heranführen (z. B.Aktionsforschung oder die Durchfüh-rung/Mitgestaltung von Evaluationen).Hierfür sind rezeptive und produktiveKenntnisse z. B. in folgenden Bereichenanzustreben: Erstellen und Beurteileneinfacher (Evaluations-)Instrumentarien,Konzeption und Bewertung von Frage-bögen und Beobachtungsbögen, Durch-führung von Leitfaden-Interviews undhierfür Aneignung von Interviewstrate-gien. Mit der Arbeit an der Entwicklungsolcher Kompetenzen kann frühzeitig be-reits in den ersten Studiensemestern be-gonnen werden, wobei auch komplexi-tätsreduzierte Einführungsliteratur ein-gesetzt werden kann (als exemplarischesBeispiel Moser 2003). Im Rahmen vonMasterstudiengängen und in der Promo-tionsphase sollten Studierende auf dieeigene Forschungspraxis vorbereitet wer-

den, die im Rahmen von Master- undDoktorarbeiten selbstständig erfolgt.Hierfür sind Kompetenzen zu erarbeiten,z. B. in der begründeten Konzeption vonForschungsansätzen (qualitativ, quantita-tiv, gemischt) und der Auswahl geeigne-ter Datenerhebungsmethoden, z. B. diebegründete Auswahl von Probandenoder die Zusammenstellung von Stich-proben, z. B. Beachtung von Standardsder Datenaufbereitung und Analyse (u. a.Transkriptionsverfahren, EDV-gestützteVerfahren der Analyse quantitativer undqualitativer Daten). Geeignete Fachlitera-tur ist verfügbar, auch das Volumen hatsich in den letzten Jahren insofern deut-lich verbessert, dass einige Monogra-phien zur Forschungsmethodik im Rah-men der Fremdsprachenforschung publi-ziert wurden, die teils einführenden, teilsweiterführenden Charakter haben. Be-zeichnenderweise sind dies fast aus-nahmslos Publikationen in englischerSprache (eine solche Ausnahme stellt Al-bert/Koster 2002 dar, vgl. aber auch diekritischen Anmerkungen von Grotjahn2003), was trotz aller Rede von der inter-nationalen Wissenschaftssprache Eng-lisch für viele DaF-Studierende (darunteroft internationale Studierende) eineHürde darstellt (exemplarische Beispiele:Brown 1988, Brown/Rodgers 2002, Dör-nyei 2003, Ellis 2005, Gass/Mackey 2007,Mackey/Gass 2005, McDonough/McDo-nough 1997, Perry 2005, Seliger/Sho-hamy 1989). Es ist mir ein besonderes Anliegen her-vorzuheben, dass eine gute forschungs-methodische Ausbildung nicht allein fürNachwuchswissenschaftlerinnen undNachwuchswissenschaftler und für dieAufrechterhaltung und Weiterentwick-lung der universitären DaF-Standortewichtig ist. Ich halte die kompetente Be-herrschung des grundlegenden Hand-werkszeugs für empirische Forschungfür eine Schlüsselkompetenz jeder akade-

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misch ausgebildeten Kraft, die im Bereichder Vermittlung von Sprache und Kulturagiert. Nur wer über solche Grundlagenverfügt, wird Forschungsergebnisse an-gemessen rezipieren können (und wol-len), z. B. das Kleingedruckte in statisti-schen Studien verstehen und solchenWerten wie r, T, p, α etc. Verfahren zuord-nen können. Eine bessere Akzeptanz undfundiertere kritische Einschätzung vonForschungsergebnissen im Rahmen derprofessionellen Aus- und Weiterentwick-lung kann dadurch gefördert werden.Des Weiteren kann eine bessere Befähi-gung zur methodisch kontrollierten Eva-luation von Lehrangeboten und zu Akti-onsforschung (siehe oben) das Professi-onsverständnis akademisch geschulterSprachlehrkräfte weiterentwickeln undmöglicherweise bei der weiteren Profes-sionalisierung von Sprachlehre im Be-reich DaF/DaZ nützlich sein. So betrach-tet stellt Forschungskompetenz ein wich-tiges Ausbildungsziel für die DaF-/DaZ-Studiengänge dar, die neben den (in al-phabetischer Reihenfolge) didaktisch-methodischen, kulturwissenschaftlichen,lehr-/lernwissenschaftlichen, literatur-und sprachwissenschaftlichen Kompe-tenzen notwendigerweise anzustrebensind.

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Gesprochene Sprache – ein »sperriger« Gegen-stand1

Reinhard Fiehler

1. Eine Sprache lernen? Es ist ein gängiger Sprachgebrauch zusagen: »Ich lerne Englisch«, »Ich lerneSuaheli«. oder »Ich lerne Deutsch«. DieseSprechweise suggeriert, dass es eine ein-heitliche Sprache gibt, die man sichSchritt für Schritt aneignet. Aber was istes eigentlich, was man da im Fremdspra-chenunterricht Lektion für Lektion lernt? Wir lernen Wörter und wie man sie zugrammatisch richtigen Sätzen kombi-niert. Diese Sätze sind konzeptionellschriftlich (im Sinne der Unterscheidungvon »konzeptionell« und »medial«; vgl.Koch/Oesterreicher 1985 und 1994).Auch wenn wir sie aussprechen (Fertig-keit Sprechen) oder wenn sie uns vorge-sprochen werden (Fertigkeit Hörverste-hen) – sind sie Sätze der Schriftsprache.Wir lernen also nicht Sprache schlecht-hin, sondern eine bestimmte ihrer Er-scheinungsformen. Wir lernen nicht dieganze Sprache, sondern einen bestimm-ten Ausschnitt aus ihr: die Regeln für dieStandardschriftsprache, so wie sie inschriftlichen Texten (z. B. in Zeitungen, inder Belletristik) vorkommt. Die ganze Sprache, das ist erheblichmehr. Sie umfasst sowohl die Schriftlich-

keit als auch die Mündlichkeit, und beidejeweils in der Differenzierung ihrer viel-fältigen Textsorten und Gesprächsfor-men mit den für sie spezifischen Regeln.Im Rahmen der Mündlichkeit umfasst sieferner das Spektrum der regionalen, sozi-alen und funktionalen Varietäten. Die Praxis des Fremdsprachen- und DaF-Unterrichts erweist sich demgegenüberals deutlich schriftlichkeitslastig und dieszudem eingeschränkt auf eine Schriftlich-keit, wie sie in besonders standardnahenTextsorten verwendet wird. Diese Feststellungen sind weder neunoch originell, sie werfen aber zwei Fra-gen auf:

1. Ist das so in Ordnung? Auf diese Frage sehe ich drei möglicheAntworten:

1.1 Ja, das ist in Ordnung. Die Schriftspra-che reicht auch zur mündlichen Verstän-digung. Der/die LernerIn muss sehen,wie er/sie damit zurechtkommt. Meines Erachtens ist dies eine vertretbareAntwort. Man sollte den Lernern aberdann reinen Wein einschenken und ihnenklar und deutlich sagen, was sie lernen:

1 Bei diesem Beitrag handelt es sich um den Eröffnungsvortrag im Rahmen der 35.Jahrestagung Deutsch als Fremdsprache des Fachverbandes Deutsch als Fremdsprache(FaDaF) vom 31. Mai bis 2. Juni 2007 an der Freien Universität Berlin zum Rahmenthema»Auf neuen Wegen. Deutsch als Fremdsprache in Forschung und Praxis«. Der Beitrag wirdauch in den Sammelband zu dieser Tagung in der Reihe Materialien Deutsch alsFremdsprache (MatDaF) aufgenommen. Der Tagungsband erscheint voraussichtlich imFrühjahr 2008.

Info DaF 34, 5 (2007), 460–471

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die Standardschriftsprache als einen –zugegebenermaßen wichtigen – Aus-schnitt aus der Vielfalt der Sprache.

1.2 Ja, das ist in Ordnung, aber die Lerne-rInnen sollen auch wissen, dass in dergesprochenen Sprache einiges anders ist. Entscheidet man sich für diese Antwort,so erfordert dies eine klare Konzeption,was man den LernerInnen wann und wieüber die Spezifika der gesprochenenSprache nahe bringen will, und eine Ent-scheidung darüber, ob sie es nur wissenoder auch können sollen.

1.3 Nein. Die LernerInnen sollen sichnicht nur im Schriftlichen, sondern auchim Mündlichen wie ein Fisch im Wasserin der Fremdsprache bewegen können. Dies ist die natürlichste und sympa-thischste Antwort, weil sie genau dasabdeckt, was man braucht, wenn mansich in einer fremden Sprachgemein-schaft als kommunikativ vollwertige Per-son bewegen will, aber sie erfordert auchden meisten Aufwand. Es gibt natürlicheingeschränktere Zwecke, zu denen manFremdsprachen oder Teile von ihnen ler-nen möchte; z. B. wenn man sie nurbraucht, um wissenschaftliche Texte le-sen zu können. Dann ist eine solch weitreichende Antwort nicht erforderlich.

2. Wie kommt es zu der Vorstellung, dass das,was wir lernen, die Fremdsprache ist? Um hier zu einer Antwort zu kommen,muss man sich die dominante Konzeptu-alisierung von Sprache vergegenwärti-gen. Sprache wird weithin als etwas Ho-mogenes gesehen, dem ein einheitlichesSprachsystem zugrunde liegt. Dieses ein-heitliche System ist die Grundlage füralle konkreten Sprachproduktionen. Esliegt gesprochener Sprache ebenso zu-grunde wie geschriebener. Eine Fremd-sprache zu lernen heißt, sich dieses ein-heitliche System für die Fremdspracheanzueignen.

Aus der Sicht dieser Konzeptualisierungvon Sprache ist nicht Varianz und Vielge-staltigkeit die Grundeigenschaft vonSprache(n), sondern Einheitlichkeit undGleichförmigkeit. In der Tendenz führtdiese Sichtweise auf der einen Seite dazu,faktische Varianz zu übersehen, zu igno-rieren und gering zu schätzen, und aufder anderen Seite, homogene Elementeüberzubetonen. Historisch gehen die Wurzeln der Homo-genitätsvorstellung von Sprache(n) zu-rück auf das Aufkommen des Konzeptseinheitlicher Nationalsprachen. Auchhier wurde – gegen die Fakten – dieEinheitlichkeit der Sprache aus politi-schen Gründen zunächst postuliert unddann über Standardisierungsprozesse fürdie Schriftsprache partiell realisiert. Inder Sprachwissenschaft fand die Homo-genitätsvorstellung ihren prominentes-ten Niederschlag in der langue-Konzep-tion von Sprache, wie sie von de Saussure(1967) entwickelt worden ist. Das langue-Konzept hat über lange Zeit verhindert,dass die faktische Vielgestaltigkeit derSprache mit hinreichender Deutlichkeitwahrgenommen wurde:

»Nachdem ein homogener Sprachbegriff inder Linguistik lange dominierte und dieVariation aus Gründen der Methode ausder Beschreibung der Sprachsysteme elimi-niert wurde, ist die sprachliche Heterogeni-tät nun wiederum als Problem der Sprach-wirklichkeit und der adäquaten Sprachbe-schreibung besser erkennbar geworden«(Lüdtke 1997: 9).

Sprache ist nicht homogen, sondern hete-rogen. Wenn man Sprache als einheitlichverstehen will, muss man entweder einabstraktes, einheitliches Sprachsystempostulieren oder man muss sich – be-wusst oder unter der Hand – auf eineihrer Varietäten beschränken und sie inden Mittelpunkt stellen. Dies ist eben dieSchriftsprache, bei der die Standardisie-rung am weitesten fortgeschritten ist. Im

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Folgenden wird dann diese Varietät mitder »ganzen« Sprache identifiziert, fürdie »ganze« Sprache genommen. Die an-deren Erscheinungsformen der Sprachetreten in den Hintergrund. Dies ist in denGrundzügen die Marginalisierungsge-schichte der gesprochenen Sprache.

2. Fünf Handicaps der gesprochenenSprache Zur Marginalisierung der gesprochenenSprache tragen aber auch Aspekte undEigenschaften bei, die in ihr selbst liegen.Im Folgenden werde ich fünf Gründebenennen, warum die gesprochene Spra-che in dieser Weise im Hintergrund stehtund ein sperriger, schwer zu handhaben-der Gegenstand ist.

2.1 Dominanz der geschriebenen Spra-che (»written language bias«) Auch wenn die Begriffe ›gesprocheneSprache‹ und ›geschriebene Sprache‹häufig als Paar auftreten und so als Un-tersuchungsgegenstände gleichen Rangserscheinen, ist doch der erkenntnismä-ßige Zugang zu ihnen nicht gleichartig.Es führt kein direkter Weg zur gesproche-nen Sprache, sondern ihre Erkenntnis er-folgt in weiten Bereichen vermittelt überdas, was wir von geschriebener Sprachewissen. Unter den Bedingungen einer entwickel-ten Schriftlichkeit ist das gesellschaftlicheSprachbewusstsein schriftsprachlich do-miniert. Unsere Vorstellungen darüber,was Sprache ist, leiten sich primär ausdem Umgang mit und der Reflexion vongeschriebener Sprache her. Die Gründe,warum die geschriebene und nicht diegesprochene Sprache das Sprachbe-wusstsein prägt, sind vielfältig. Ich willnur vier davon ins Gedächtnis rufen: 1. Die Schwierigkeiten der Textproduk-

tion richten das Bewusstsein stark aufdie Strukturen und Eigenschaften dergeschriebenen Sprache. Die Leichtig-

keit und der automatische Charakterdes Sprechens hingegen bewirken,dass gesprochene Sprache nicht in glei-cher Weise ins Zentrum der Aufmerk-samkeit und des Sprachbewusstseinsrückt.

2. Die ›Anschaulichkeit‹ und die Dauer-haftigkeit von Texten – im Gegensatzzur Auditivität und Flüchtigkeit dergesprochenen Sprache – begründenihre objektmäßige Präsenz und habenseit jeher die Reflexion schriftlicherTexte systematisch begünstigt.

3. Zentrale grammatische Kategorien ma-nifestieren sich in der Form der Schrift-lichkeit. Sie sind dort vergegenständlichtund jeder Blick auf einen Text führt sievor Augen. So wird das ›Wort‹ (wasschriftsprachgeschichtlich keineswegsimmer so war) durch die Spatien sicht-bar, der ›Satz‹ durch die Großschrei-bung am Anfang und den abschließen-den Punkt, der ›Nebensatz‹ durch dasKomma, das ›Hauptwort‹ durch seineGroßschreibung (zumindest in derdeutschen Schriftsprache) etc. DieseKategorien werden im Entwicklungs-prozess der Schriftsprache als (sich ver-ändernde) Form der Schriftlichkeit aus-gearbeitet und als Formelemente fest-geschrieben. Einmal entwickelt, ist dieAktivierung und Anwendung dieserKategorien Voraussetzung jeder kor-rekten Textproduktion. Nicht zuletztauch dieses Faktum macht deutlich,wie permanent und intensiv sie prä-genden Charakter für das Sprachbe-wusstsein haben.

4. Geschriebene Sprache wird gesell-schaftlich als wichtiger angesehen undhöher bewertet als gesprochene. Ent-sprechend groß ist der Aufwand, derfür den Schriftspracherwerb und dieSchulung der Schreibfähigkeiten ge-trieben wird. So besitzt in der schuli-schen Sozialisation die Schriftspracheeindeutig das Primat. Schriftspracher-

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werb und das Erstellen aller Formenschriftlicher Texte haben dort ein deut-liches Übergewicht gegenüber derSchulung mündlicher Sprechfähigkeit.

Dies und weiteres tragen dazu bei, dassdas Bild von Sprache durch die Schrift-sprache bestimmt wird. Die geschriebeneSprache prägt aber nicht nur das gesell-schaftliche Sprachbewusstsein, sonderngleichermaßen auch die Sprachwissen-schaft als den Ort der systematischenReflexion von Sprache. Das »written lan-guage bias« (Linell 1982) betrifft dorteinerseits den Untersuchungsgegenstandund andererseits die Kategorien zur Ana-lyse und Beschreibung von Sprache(siehe Abschnitt 2.3). Die Folgen hinsicht-lich des Untersuchungsgegenstandes derSprachwissenschaft beschreibt Ludwigsehr deutlich: »Die mangelnde Beachtung der Verschie-denartigkeit von GSCHS und GSPS in dersprachtheoretischen Erörterung indes warin der sprachwissenschaftlichen Praxis Vor-aussetzung für eine naive Gleichsetzungder Sprache schlechthin mit der GSCHS.Wie selbstverständlich wurden Sprachun-tersuchungen auf der Grundlage aus-schließlich von geschriebenen Äußerungen(Texten) vorgenommen, zumal die Doku-mentation mündlicher Rede damals tech-nisch kaum möglich war. Letztlich sindSprachuntersuchungen aus dieser Zeit Un-tersuchungen von GSCHS« (Ludwig 1980:324).

2.2 Kenntnisstand über die Besonder-heiten gesprochener Sprache Der Kenntnisstand über Besonderheitender gesprochenen Sprache entspricht inkeiner Weise dem, was wir über die ge-schriebene Sprache wissen. Dieser Be-fund ist letztlich nicht verwunderlich, hatdoch die Erforschung der gesprochenenSprache – verglichen mit der an derSchriftlichkeit orientierten Grammatik-schreibung – eine vergleichsweise kurzeTradition, die kaum älter als 100 Jahre istund als deren Startpunkt man Behaghel

(1899) ansehen kann. Entsprechend hatdie Beschreibung der gesprochenen Spra-che und ihrer Grammatik noch keinekanonischen Standards entwickelt, son-dern die Ausarbeitung von Beschrei-bungskonzepten und -kategorien ist ineiner ständigen Entwicklung begriffen.Gleichwohl ist es sinnvoll, damit zu be-ginnen, die Erkenntnisse über Regulari-täten der gesprochenen Sprache zusam-menzutragen und zu systematisieren.Dies kann zum einen dazu beitragen, derVorstellung, gesprochene Sprache sei feh-lerhaft, ungeregelt oder zumindest weni-ger geregelt als die geschriebene, denBoden zu entziehen, zum anderen hilftes, zu erkennen, wo Leerstellen sind undForschungsbedarf besteht.

2.3 Gegenstandsangemessene Analyse-und Beschreibungskategorien für ge-sprochene Sprache Die überwiegende Zahl der linguisti-schen Kategorien wurde in der und fürdie Analyse geschriebener Texte entwi-ckelt und dann in Grammatiken zu ei-nem relativ festen Satz von Analyse- undBeschreibungskategorien kanonisiert.Beispiele für solche Kategorien sind›Satz‹, ›Wort‹, ›Anakoluth‹, ›Ellipse‹ etc.Diese grammatischen Beschreibungska-tegorien sind – wie alle Kategorien –funktional ihrem Gegenstand angepasst,und das heißt der Analyse und Beschrei-bung von geschriebener Sprache. Dieseschriftsprachlich orientierten Analyse-und Beschreibungskategorien sind zu-dem das einzige voll entwickelte Katego-riensystem. Ein Kategoriensystem, das inähnlicher Weise funktional auf die ge-sprochene Sprache zugeschnitten wäre,existiert im Moment nur in Ansätzen. Die Entwicklung gegenstandsangemes-sener Analyse- und Beschreibungskate-gorien für mündliche Kommunikationverlief dort relativ unproblematisch, woes um Phänomene geht, die keine unmit-

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telbare Entsprechung im schriftlichen Be-reich haben. In dem Maße, wie authenti-sche gesprochensprachliche Daten zurVerfügung standen, setzte zunächst imRahmen der Pragmatik und dann in denverschiedenen Varianten der Gesprächs-forschung der Prozess der Kategori-enentwicklung ein, um die Andersartig-keit dieses Materials zu erfassen. So wa-ren es vor allem Phänomene der Interak-tivität, für die Kategorien entwickeltwurden. In den Blick genommen wurdenzunächst die Gesprächsorganisation(turn-taking) und verschiedene Aspekteder Äußerungsorganisation (Gliede-rungssignale, Höreräußerungen, Repara-turen), in der Folge dann kommunikativeVerfahren (Präferenzorganisation) undStrukturen von Gesprächen (Muster,Handlungsschemata) sowie spezifischeAufgabenkonturen einzelner Ge-sprächstypen (Erzählungen, Beratungenetc.). Als Resultat dieser Entwicklungenhat sich die Gesprächsforschung als Dis-ziplin mit einem eigenständigen Gegen-standsbereich und einer spezifischen Me-thodologie etabliert. Ganz anders steht es um die Kategori-enentwicklung im grammatischen Be-reich. Da hier ein entwickeltes Kategori-eninventar aus dem Bereich des Schriftli-chen zur Verfügung steht, wurden dieseKategorien zunächst für die Beschrei-bung des Mündlichen übernommen und,wenn ihre Übertragung Probleme berei-tete, gegebenenfalls adaptiert. Exempla-risch lässt sich dies an der Frage nach dengrundlegenden Einheiten des Mündli-chen verfolgen. Hier wurde zunächst ver-sucht, eine der zentralen Einheiten desSchriftlichen – den Satz – auf das Münd-liche zu übertragen. In dem Maße, wiedies Schwierigkeiten bereitete, wurde dieKategorie ›Satz‹ entsprechend modifi-ziert bzw. es wurden andere Kategorien(Äußerungseinheit, turn, sprachlicheHandlung, Äußerung, intonation unit

etc.) ins Spiel gebracht (vgl. hierzu Fieh-ler/Barden/Elstermann/Kraft 2004, Ab-schnitt II.2). So sind das schriftsprachlich dominierteSprachbewusstsein und die für dieSchriftsprache entwickelten Analyseka-tegorien in diesem Bereich zwangsläufigdie Grundlage für das Verständnis unddie Erkenntnis von gesprochener Spra-che: Gesprochene Sprache wird durch dieBrille der geschriebenen wahrgenom-men, sie ist das Modell für das Verständ-nis von Mündlichkeit. Im Folgenden soll die Problematikschriftsprachlich orientierter Beschrei-bungskategorien exemplarisch verdeut-licht werden. Die Kategorie ›Herausstel-lung‹ wird daraufhin überprüft, ob siedas betreffende Phänomen der gespro-chenen Sprache angemessen erfasst. ImAnschluss wird dann der Versuch einerRekonstruktion unternommen. Seit Altmanns Arbeit Formen der ›Heraus-stellung‹ im Deutschen (1981) haben dieseStrukturen gerade bei der Analysemündlicher Kommunikation eine erheb-liche Beachtung gefunden.

»Herausstellungsstrukturen sind Ausdrü-cke, die formal-syntaktisch keine vollstän-digen Sätze sind […], die aber zum Teildurchaus satzwertige, wenn auch stark el-liptische Strukturen darstellen. Zur Auffül-lung der Ellipsen sind die zugeordnetenSätze notwendig. Ebenso wird den Heraus-stellungsstrukturen erst durch diesen zuge-ordneten Satz die semanto-pragmatischeFunktion zugewiesen« (Altmann 1981: 46).

Herausstellungsstrukturen sind dadurchauffällig, dass sie die Wohlgeformtheits-bedingungen des schriftsprachlichen Sat-zes nicht erfüllen, sondern gerade in spe-zifischer Weise von ihnen abweichen.Diese grundlegende Orientierung amwohlgeformten Satz, der implizit als Ver-gleichsgegenstand benutzt wird, ist fürdie Kategorienbildung konstitutiv. Siekommt auch darin zum Ausdruck, dass

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in der oben stehenden Bestimmung zu-nächst die Frage thematisiert wird, in-wieweit die herausgestellten Ausdrückesatzwertig sind. Die Kategorie ›Heraus-stellung‹ erfasst also eine Abweichung –vom wohlgeformten schriftlichen Satz.Diese Abweichungen werden nun abernicht – was konsequent wäre – als Fehler(ungrammatischer Satz) gewertet, son-dern wegen ihres häufigen Auftretens inder gesprochenen Sprache als eigenstän-dige und – in Hinblick auf diesen Bereich– wohlgeformte Struktur etabliert. Die Grundidee der Kategorie ›Heraus-stellung‹ besteht darin, die Genese dieserStrukturen dadurch zu erklären, dass Ele-mente, die keine vollständigen Sätzesind, aus zu Grunde liegenden wohlge-formten Sätzen herausgenommen undvor oder nach dem Bezugssatz positio-niert werden. Dies ergibt die so genann-ten ›Links-‹ bzw. ›Rechtsversetzungen‹.In der Beispielsäußerung un * die lehrer die’saßen da alle auch * um so größere ’tischeherum (Selting 1993: 295) wäre demnachdas Element die lehrer nach links versetzt.Auf dieses herausgestellte Element wirddann aus dem Restsatz heraus mit demdeiktischen Element die Bezug genom-men. Die Genese dieser Strukturen wird alsoals Manipulation an einem räumlich ge-genwärtigen, vor Augen stehendenwohlgeformten schriftsprachlichen Satzkonzeptualisiert. Hierin ebenso wie inden Kategoriennamen ist die schrift-sprachliche Orientierung – bei der Erfas-sung eines primär gesprochensprachli-chen grammatischen Phänomens! – mitHänden zu greifen. Man möchte dieseStrukturen nach dem Bild des schriftli-chen Satzes verstehen, dies gelingt aber –wie die oben zitierte Beschreibung derStruktur belegt – nur um den Preis einesRekurses auf Elliptizität. Ferner implizie-ren diese Kategorien eine strukturelleÄquivalenz der Herausstellungen: Von

der Struktur her scheint es keinen prinzi-piellen Unterschied zu machen, ob nachlinks oder rechts herausgestellt wird. Fasst man diese Beobachtungen zusam-men, so erweisen sich die Kategorien›Herausstellung‹ und ›Links-‹ bzw.›Rechtsversetzung‹ als strukturell, nichtfunktional begründet und als produkt-und nicht prozessorientiert. Ihre schrift-sprachliche Orientierung zeigt sich so-wohl in den Kategoriennamen wie auchdarin, dass für sie das Konzept des wohl-geformten Satzes grundlegend ist. Letzt-lich ist die Kategorienbildung ›Heraus-stellung‹ Resultat einer impliziten undnicht reflektierten Fixiertheit auf die Nor-malform des schriftlichen Satzes. Sie be-legt eindrucksvoll die Dominanz derschriftsprachlichen Orientierung bei dersprachwissenschaftlichen Kategorienbil-dung. Die betrachteten Phänomene erscheinenin einem ganz anderen Licht, wenn mandavon ausgeht, dass Sprechen ein pro-zesshaftes Handeln ist. Die erste Konse-quenz einer solchen Sichtweise ist, dassdiese Strukturen nicht als räumliche Ge-bilde verstanden werden dürfen, son-dern in ihrer zeitlichen Abfolge, ihremNacheinander betrachtet werden müs-sen. Der Prozesscharakter des Sprechenserfordert dies.

»Die Bewegungs-Analyse verkennt alsonicht nur die grundlegenden Unterschiedezwischen den beiden Typen von ›Heraus-stellung‹ (was durch die parallelisierendeTerminologie – Rechts-/Linksversetzung,etc. – noch unterstützt wird), sie ist grund-sätzlich nicht in der Lage, die Produktionund Rezeption einschlägiger Phänomeneunter Berücksichtigung der Zeitlichkeit vonSprache zu erfassen« (Auer 1991: 140).

Ferner ist danach zu fragen, was dieeinzelnen Bestandteile dieser Strukturenleisten, was Sprecher und Hörer mit ih-nen tun. Dies ermöglicht eine funktionaleund handlungsbezogene Interpretation.

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Betrachten wir den Fall von ›Linksverset-zung‹ und ›freiem Thema‹, so leistet daszuerst produzierte Element (die lehrer)eine Referenz bzw. eine Thematisierung:Der Sprecher identifiziert etwas bzw.führt ein Thema ein. Auch Altmann (1981: 48 und 50) benenntdie Funktion von Linksversetzungen undFreien Themen als Thematisierung, ohneallerdings daraus weiterreichende Kon-sequenzen zu ziehen. Scheutz (1997: 44–46) charakterisiert Linksversetzungen als»Mittel der Referenzkonstitution«:

»Der weitaus größte Teil der Bearbeitungpotentieller Verständigungsprobleme giltjedoch der interaktiven Herstellung undSicherung von Referenz« (46).

Mit dem folgenden Element wird dannetwas über das Referenzobjekt oder dasThema ausgesagt (die ’saßen da alle auch *um so größere ’tische herum). Dabei kann,muss aber nicht durch ein deiktischesElement (die) noch einmal auf den Refe-renz- bzw. Thematisierungsausdruck Be-zug genommen werden. Die Trennungvon Referenz bzw. Thematisierung undAussage ist dabei umso wahrscheinli-cher, je komplexer und schwieriger dieReferenz ist. (Scheutz gibt Beispiele, die die häufigauftretenden Schwierigkeiten bei der Re-ferenz sehr schön verdeutlichen: z. B. aberder der doktor ’wolf oder wie der ’heisst der’alte↓ * das muss ’auch a ganz a ’prima ’kerlsein) (Scheutz 1997: 29). Auch im klassischen Satz geschiehtnichts anderes: Er leistet eine Referenzund über das Referenzobjekt wird dannetwas ausgesagt. ›Linksversetzung‹ und›freies Thema‹ unterscheiden sich vomklassischen Satz nur dadurch, dass Refe-renz- bzw. Thematisierungsakt und Aus-sage deutlicher als eigenständige Hand-lungen voneinander abgesetzt sind undals separiert markiert werden. Die kom-munikativ zu leistenden Aufgaben wer-

den getrennt und sind damit für denHörer leichter unterscheid- und nach-vollziehbar. Im Satz sind sie stärker inte-griert und weniger als eigenständigeHandlungen erkennbar. Als Resultat einer solchen Reinterpreta-tion scheint es sinnvoll, die betreffendenPhänomene auch begrifflich anders zufassen, d. h. einen anderen Kategorienna-men einzuführen. Denn es wird hier er-sichtlich nichts ›herausgestellt‹ oder ›ver-setzt‹, sondern es werden lediglich zweiHandlungen deutlicher voneinander ab-gesetzt, als es im klassischen Satz der Fallist. Eine mögliche Bezeichnung wäre ›Re-ferenz-Aussage-Strukturen‹ bzw. ›The-matisierung-Aussage-Strukturen‹. Eine weitere Konsequenz der Reinterpre-tation ist die Einsicht, dass ›Linksverset-zung‹ und ›Rechtsversetzung‹ nicht ein-fach richtungsmäßig unterschiedliche,aber sonst äquivalente Operationen sind,sondern dass sie jeweils ganz andereFunktionszusammenhänge betreffen.Während ›Linksversetzungen‹ – wie dar-gestellt – auf einer Separierung von Refe-renzakt und Aussage beruhen, sind›Rechtsversetzungen‹ (Ausklammerun-gen, Nachträge, Reparaturen, appositiveund konjunktionale Weiterführungenetc.) – wie Auer (1991) ausführlich dar-legt – im Kontext der Expansion vonBeiträgen und der Turnorganisation zuverstehen. Die räumlich-strukturelle Be-trachtungsweise führt so zu einer Zusam-menführung von Phänomenen, die funk-tional nichts miteinander zu tun haben.

2.4 Bewertung gesprochensprachlicherPhänomene Gesprochene Sprache ist ein Oppositi-onsbegriff. Er setzt als Kontrast dasKonzept der geschriebenen Sprache vo-raus. Die Beschreibung gesprochenerSprache impliziert so den Vergleich mitgeschriebener. Viele Eigenschaften ge-sprochener Sprache lassen sich nur in

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ihrer Differenz zu den Verhältnissen imBereich der geschriebenen Sprache er-fassen. Das »written language bias«führt dabei zu einem Denken und Ver-gleichen aus der Perspektive der ge-schriebenen Sprache. Die Verhältnisse inder geschriebenen Sprache werden alsder Normalfall angesehen und demge-genüber Abweichungen in der gespro-chenen Sprache konstatiert. Die Übertragung der Kategorien auf diegesprochene Sprache führt aber auch zuder Erfahrung, dass sie Mündlichkeitnicht voll erfassen. Diese Differenzen,die sich aus dem Eigencharakter desMündlichen ergeben und die Spezifikader gesprochenen Sprache betreffen,werden dann aber zunächst nicht mitgegenstandsangemessenen Kategorienbelegt, sondern als Abweichungen vonden in der geschriebenen Sprache vorge-fundenen Verhältnissen beschriebenund kategorial gefasst: z. B. Elision, Ver-schleifung, Ellipse, größere Häufigkeitvon Anakoluthen in der gesprochenenSprache etc. Darüber hinaus werden diese Abwei-chungen häufig nicht nur konstatiert,sondern zugleich implizit oder explizitnegativ bewertet. Die Wahrnehmung die-ser Abweichungen führt so einerseits zuAuffassungen, dass gesprochene Sprachefehlerhaft, weniger regelhaft oder chao-tisch sei:

»Die geschriebene Sprache tritt als Zensorder mündlichen auf und erteilt ihr dasVerdikt, sie sei unrein, unzureichend, nega-tiv zu bewerten.« (Ehlich 1986: 77–78)

Andererseits kann sie zu der Auffassungführen, dass Mündlichkeit an das Modellder Schriftlichkeit angepasst werdenmuss. Seinen prominentesten Ausdruckfindet dieses Programm in der (pädago-gischen) Maxime ›Sprich im ganzen Satz‹oder in der Wertschätzung des Wie-ge-druckt-Redens.

2.5 Methodik der Erhebung und Bearbei-tung gesprochensprachlicher Materialien Anders als die geschriebene Sprache istdie gesprochene ein flüchtiger Gegen-stand, was seine Untersuchbarkeit ein-schränkt und seine Untersuchung in be-sonderer Weise schwierig gestaltet: Ent-weder ist man auf die Erinnerung ange-wiesen, oder aber es bedarf technischerMöglichkeiten der Konservierung vonÄußerungen und Gesprächen. Die Entwicklung und Verbreitung ent-sprechender technischer Geräte zur Kon-servierung und Reproduktion von Ge-sprächen und Interaktionen (Plattenspie-ler, Tonbandgeräte, Kassettenrekorder,Videokameras) ist so eine wesentlicheVoraussetzung für eine detaillierte wis-senschaftliche Untersuchung von münd-licher Kommunikation. Setzt man einebestimmte Ausgereiftheit und Verbrei-tung solcher Geräte voraus, kann mansagen, dass sie erst seit den 60er Jahrendes 20. Jahrhunderts gegeben ist. Eine zweite wesentliche Voraussetzung istdie Entwicklung von Verfahren zur Ver-schriftlichung (Transkription) konservier-ter Gespräche. Transkriptionen ermögli-chen eine Vergegenwärtigung und ›Be-trachtung‹ der Äußerungen und Gesprä-che, wie sie allein durch das Abhören derAufzeichnung nicht zu erreichen ist. DieEntwicklung solcher Transkriptionssys-teme für sprachwissenschaftliche Zwecke(vgl. für einen Überblick über die frühePhase der Entwicklung gesprächsanalyti-scher Transkriptionssysteme Ehlich/Swi-talla 1976) erfolgte Hand in Hand mit demEinsatz der genannten Geräte. Erst durchdas Zusammenspiel von reproduzierba-ren Aufnahmen und Transkriptionenwird gesprochene Sprache in einem hin-reichenden Detaillierungsgrad untersuch-bar und erst von diesem Zeitpunkt ankann sie überhaupt zu einem ernsthaftenund gleichwertigen Untersuchungsge-genstand der Sprachwissenschaft werden.

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3. Unterschiede zwischen gesprochenerund geschriebener Sprache Wie klein oder groß sind nun die Unter-schiede zwischen gesprochener und ge-schriebener Sprache? Nach dem Gesag-ten überrascht es nicht, dass es hier zweisehr gegensätzliche Positionen gibt. Aufder einen Seite steht die langue-Position:Für sie beruhen sowohl gesprochene wieauch geschriebene Sprache auf dem glei-chen Sprachsystem. Beide verfügen –cum grano salis – über die gleichen Wör-ter und die gleichen Verkettungsregeln.Die Unterschiede sind entsprechendmarginal. Diese Position findet sich häu-fig in der linguistischen Literatur. Nurzwei Zitate als Beleg:

»Als Fazit bleibt für mich deshalb: EigeneSprachvarietäten: ›gesprochene Sprache‹versus ›geschriebene Sprache‹ gibt esnicht, wenn man als Kriterium, wie bei denanderen Varietäten den langue-Begriff be-nutzt und nach jeweils eigenen, nicht imanderen Medium zulässigen Strukturmit-teln und Relationen fragt« (Steger 1987:57).

»Insbesondere syntaktische Strukturensind offensichtlich unabhängig von denspezifischen Eigenschaften der lautlichenoder graphischen Realisierung. Es scheintkeine Beispiele dafür zu geben, dass einesyntaktische Konstruktion in der geschrie-benen Sprache korrekt, in der gesproche-nen dagegen inkorrekt ist oder umgekehrt,d. h., in dieser Hinsicht gilt eine einheitli-che hochsprachliche Norm« (Motsch 1992:246).

Eine Auswirkung dieser Position ist fer-ner, dass man Unterschiede zwischen ge-sprochener und geschriebener Sprache,weil man von ihrer Gleichförmigkeit aus-geht, nur schwer wahrnehmen kann. Den anderen Pol nimmt die Differenz-Position ein: Sie sieht Schreiben undSprechen als sehr unterschiedliche Tätig-keiten. Mündlichkeit und Schriftlichkeitsind danach Verständigungssysteme ei-genen Rechts, die auf weitgehend ande-ren Regeln beruhen.

Beide Positionen haben auf ihre WeiseRecht. Möglich ist dies aber nur, weil sieauf unterschiedlichen Voraussetzungenberuhen. Betrachtet man die Regelmen-gen, die jeweils notwendig sind, um ei-nerseits einen schriftlichen Text und an-dererseits einen Gesprächsbeitrag bzw.ein Gespräch zu produzieren, so zeigtsich, dass sie einen gemeinsamen Durch-schnitt haben (siehe Abbildung 1).Dabei handelt es sich um die Bedeu-tungsregeln (Bedeutungskonventionen)und die Regeln der Linearisierung undVerknüpfung (Syntaxregeln). Um einenkonkreten schriftlichen Text zu verfassen,bedarf es jedoch noch anderer Regelmen-gen, von denen einige in der Abbildungbenannt sind: – Regeln der Dekontextualisierung; – Regeln der Portionierung (›Satzform‹); – Regeln der Textorganisation; – Regeln der Schreibung (Orthographie,

Interpunktion). Das Gleiche gilt auf der anderen Seite fürdie Produktion eines Gesprächsbeitragsbzw. Gesprächs: – Regeln der Situationsbezugnahme und

Kontextualisierung; – Regeln der Portionierung (›Beitrags-

form‹); – Regeln der Äußerungs- und Ge-

sprächsorganisation; – Regeln der Prosodie, Regeln der non-

verbalen Kommunikation. Die langue-Position betrachtet aus diesemGesamt nur den gemeinsamen Durch-schnitt der Regelmengen und kommt sozu dem Schluss, dass zwischen gesproche-ner und geschriebener Sprache hinsicht-lich der Bedeutungs- und Linearisierungs-regeln kein wesentlicher Unterschied be-steht. Die Differenz-Position hingegen fasstdie Gesamtheit der jeweils erforderlichenRegelmengen in den Blick und kommt sozu der Auffassung, dass zwischen gespro-chener und geschriebener Sprache erheb-liche Unterschiede bestehen.

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Diese Unterschiede zeigen sich auch,wenn man die jeweiligen grundlegendenEinheiten von gesprochener und ge-schriebener Sprache betrachtet: Diegrundlegenden Einheiten der geschriebe-nen Sprache sind der Buchstabe, dasWort, der Satz und der Text. Dem stehenin der gesprochenen Sprache der Laut,das Wort, die funktionale Einheit, derGesprächsbeitrag und das Gespräch ge-genüber (vgl. Duden. Die Grammatik. 7.Auflage: 1175 f. und Fiehler 2006). Es ist hier nicht der Ort, die Spezifikagesprochener Sprache im Detail aufzu-führen. Es soll nur festgestellt werden,dass mündliche Verständigung sich –anders als die Schriftsprache – nicht nurauf verbalsprachliche Kommunikationbeschränkt, sondern im Fall der Ver-ständigung von Angesicht zu Angesicht

eine sich wechselseitig stützende Ein-heit aus körperlicher (nonverbaler)Kommunikation, wahrnehmungs- undinferenzgestützter Kommunikation undverbaler Kommunikation darstellt (fürNäheres vgl. Duden. Die Grammatik. 7.Auflage: 1200–1207). Im Bereich derverbalen Kommunikation lassen sichdann lautliche, syntaktische und lexika-lische Besonderheiten benennen (vgl.Duden. Die Grammatik. 7. Auflage: 1208–1228). Entgegen der oben zitierten Aussage vonMotsch (1992: 246) lassen sich beispiels-weise für den syntaktischen Bereich fol-gende Spezifika benennen, die entwederausschließlich, häufiger oder mit andererFunktion in der gesprochenen Sprachevorkommen (vgl. Duden. Die Grammatik.7. Auflage: 1210–1224):

Regeln der Linearisierung und Verknüpfung/Kongruenz

Bedeutungsregeln (Bedeutungskonventionen) Regeln der Dekontex- Regeln der Situations- tualisierung bezugnahme und Kon- textualisierung Regeln der Portio- Regeln der Portionie- nierung ('Satzform') rung ('Beitragsform') Regeln der Text- Regeln der Äußerungs- organisation und Gesprächsorganisa- tion Regeln der Schreibung Regeln der Prosodie (Orthographie, Interpunktion) Regeln nonverbaler Kommunikation

Regelmengen zur Produktion eines schriftlichen Textes bzw. eines Redebeitrags/Gesprächs

Abbildung 1: Regelmengen zur Produktion eines schriftlichen Textes bzw. eines Redebeitrags/Gesprächs

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– Referenz-Aussage-Strukturen (un * die lehrer die ’saßen da alle auch * umso größere ’tische herum)

– Apokoinukonstruktionen (des is was furchtbares is des)

– Operator-Skopus-Strukturen (kurz und gut- wir können uns das *’abenteuer nicht leisten)

– Abhängige Verbzweitkonstruktionen (ich weiß du kannst das)

– Ursprüngliche Subjunktionen (weil, ob-wohl, wobei, während) mit Verbzweitstel-lung (modorenlärm den kann ich schonnicht mehr höre weil ich woar ’zwanzichjoahr eisenbiejer und hob an der eisenbieje-maschin geschafft- >s=war ä bissl eng↓< * obwohl * imkaisersaal * war=s ’noch enger und so hihi schlagermusik und=so↓ **wobei s- so so manche schlager * die findich zum teil gar nich so übel weil des grundstück hundertprozentig derstadt gehören würde da würd s gar keineschwierigkeiten geben während hier müs-sen die grundstücke weiß net wievielgrundstückseigentümer s sind erst ebenerworben werden)

– Verberststellung (gibt halt überall solche und solche)

– Expansionen (wie ’weit ist das entfernt * von port’dixon)

– Dativ-Possessiv-Konstruktionen (dem otto seine operation hat nichts gehol-fen)

Diese Liste, die sich durchaus verlängernließe, zeigt, dass auch im »Kernbereich«Syntax bemerkenswerte Unterschiedezwischen gesprochener und geschriebe-ner Sprache bestehen.

4. Konsequenzen für den Fremdspra-chen-/DaF-Unterricht Ich möchte abschließend dafür plädieren,sich die Andersartigkeit der gesproche-nen Sprache bewusst zu machen und sich

den Schwierigkeiten zu stellen, die sie beiihrer systematischen Berücksichtigungim Fremdsprachen- und DaF-Unterrichtbereitet. Denn gesprochene Sprache istmeines Erachtens ein unverzichtbarer Be-standteil der Kompetenz in der Fremd-sprache. Eine andere Frage, die gesondertdiskutiert werden muss, ist: Was soll wiedetailliert und wann gelehrt werden? Vieles von dem, was kognitiv über dieBesonderheiten der gesprochenen Spra-che vermittelt wird, kann und muss nichtals praktische Fertigkeiten gelehrt wer-den: – Kann nicht gelehrt werden, weil die

Phänomene nicht bewusst kontrollier-bar sind (z. B. Synchronisation von ver-balen Äußerungen und Gesten).

– Muss nicht gelehrt werden, weil diePhänomene sprach-/kulturübergrei-fend gleich sind (z. B. Retraktion beiReparaturen).

Vieles kann systematisch gelehrt werden: – Welche Rezeptionspartikeln gibt es im

Deutschen und wie werden sie ge-braucht (verschiedene Formen von hmund ja)?

– Wann sind »Verschleifungen« möglichbzw. üblich?

– Welche spezifisch mündlichen syntak-tischen Konstruktionen sind möglichbzw. üblich?

– Mit welchen Mitteln mache ich auffreundliche Art deutlich, dass ich dasRederecht behalten will?

Transkriptionszeichen * kurze Pause (bis max. 0,5 Sekun-

den) ** etwas längere Pause (bis max. 1

Sekunde) = Verschleifung (Elision) eines

oder mehrerer Laute ↓ fallende Intonation - schwebende Betonung ’ auffällige Betonung ›vielleicht‹ leiser (relativ zum Kontext)

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Zur Lage der Germanistik in Australien 2007

Andreas Jäger und Sabine Jasny

1. Zahlenspiel: Australien im VergleichEs ist eine bekannte Tatsache, dass dieZahl der Deutschlernenden und Germa-nistikstudierenden an hochschulischenEinrichtungen weltweit in den letzten

Jahren abgenommen hat. Aktuelle Zah-len zeigt die Statistik StADaF 20061. Da-nach liegt der Rückgang in den letztenJahren weltweit bei einem durchschnittli-chen Minus von 27 %:

Wie die Aufschlüsselung der Zahlen inder Statistik StADaF (2006) für die einzel-nen Länder zeigt, verbergen sich hinterdiesem weltweiten Durchschnittswertsehr unterschiedliche Werte für einzelneLänder, so dass insgesamt ein sehr hete-rogenes Bild zu verzeichnen ist.2 In eini-gen Ländern haben die Deutschstudie-rendenzahlen an Hochschulen in diesemZeitraum alarmierend abgenommen wiez. B. in Großbritannien mit einem Minusvon 41 % oder in Skandinavien mit einemMinus von 42 % in Finnland und einem

Minus von 50 % in Schweden (vgl. StA-DaF 2006: 8 ff.). In anderen Ländern sinddagegen für den gleichen Zeitraum z. T.enorme Zuwächse zu verzeichnen. AlsBeispiele seien hier Japan mit einem Plusvon 40 %, China mit einem Plus von 74 %und Malaysia mit einem Plus von 86 %genannt (vgl. StADaF 2006).Australien gehört in diesem Weltver-gleich zu der Gruppe mit abnehmendenStudierendenzahlen im Bereich der Ger-man Studies. Das Minus liegt im Ver-gleichszeitraum bei 18 %:

DaF im Ausland

1 Die statistischen Daten wurden von »lokalen Arbeitsgruppen, bestehend aus dendeutschen Botschaften und Mittlerorganisationen, unter der Koordination des Goethe-Instituts erfasst und gesammelt« (StADaF 2005–2006: 3; vgl. auch die Publikationsseitedes Goethe-Instituts, http://www.goethe.de/uun/pub/de18483.htm). Die Statistik ent-hält aktuelle Zahlen für den hochschulischen und den schulischen Bereich sowie für denBereich der Erwachsenenbildung.

Tabelle 1: Deutschstudierende an Hochschulen weltweit in den Jahren 2000 und 2005 (nach StADaF 2006: 15)

2000 2005 Vergleich 2000/2005 Vergleich 2000/2005 in Prozent

Weltweit 2.474.321 1.796.343 – 677.978 – 27,4%

2 Eine ausführliche Beschreibung zu aktuellen Tendenzen in verschiedenen Ländernunterschiedlicher Teile der Welt liefert Duesberg 2006.

Tabelle 2: Deutschstudierende an australischen Hochschulen in den Jahren 2000 und 2005 (nach StADaF 2006: 7)

2000 2005 Vergleich 2000/2005 Vergleich 2000/2005 in Prozent

Australien 3.655 3.000 – 655 – 18%

Info DaF 34, 5 (2007), 472–486

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Mit diesem Minus setzt sich in Australiendie rückläufige Tendenz, wie sie für die90er Jahre festgestellt wurde (Band-hauer/Stocker 1997, Horst 1998, Harting2003, Mc Guiness-King 2003, Seifert2004), weiter fort. Blickt man jedoch et-was tiefer hinter diese Zahlen, so helltsich dieses zunächst düster erscheinendeBild etwas auf, denn es lassen sich durch-aus positive Aspekte entdecken.

Positiv ist z. B., dass die Abnahme in Aus-tralien geringer als im Weltdurchschnittist (minus 18 % gegenüber minus 27,4 %).Positiv ist ferner, dass die Anzahl1 derhochschulischen Institutionen, an denenin Australien traditionellerweise Deutschstudiert werden kann, in den letzten 20Jahren insgesamt recht stabil gebliebenist. Einen ersten Überblick2 gibt die fol-gende Tabelle: 3 4

1 Im Fokus steht hier die Anzahl der Einrichtungen, nicht die Ausstattung der Depart-ments. Diese hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert, denn während es früheran nahezu allen Universitäten Lehrstühle gab, gibt es heute in ganz Australien keineneinzigen germanistischen Lehrstuhl mehr (vgl. Corkhill 2003: 123).

2 Umfassende Untersuchungen zur Entwicklungsgeschichte der German Departments inAustralien sind uns bislang nicht bekannt.

3 Australian National University (ANU, Canberra), Macquarie University (MQnU, Syd-ney), Monash University (Melbourne), Queensland University of Technology (QUT,Brisbane), University of New England (UNE, Armidale), University of New South Wales(UNSW, Sydney), University of Adelaide, University of Melbourne, University ofQueensland (UQ, Brisbane), University of Southern Queensland (USQ, Toowoomba),University of Sydney (USYD), University of Tasmania (UTAS, Hobart), University ofTechnology Sydney (UTS), University of Western Australia (UWA, Perth).

4 James Cook University (JCU, Deutsch auf dem Townsville-Campus), University ofNewcastle (online-betreut durch die UNE) und University of Western Sydney (UWS).Bis Ende 2006 gab es auch DaF-Unterricht an der Flinders University durch Dozentender University of Adelaide.

Tabelle 3: Anzahl von hochschulischen Einrichtungen mit DaF auf der Basis von Statistiken und Untersuchungen zur Situation von Deutsch an australischen Hochschulen

Jahr der Zählung Quelle Anzahl mit Zähleinheit

1987 Ammon (1991) 14

1994 Fernandez/Pauwels/Clyne (1994):

15 Einrichtungen mit Deutsch als »degree course«

1994 Kretzenbacher/Truckenbrodt (2001):

21 »germanistische[] Institute[]« (a. a. O.: 1657)

2000 StADaF (2003) 21 »Hochschulen mit DaF« (a. a. O.: 18)

2005 StADaF (2005–2006) 14 »Hochschulen mit DaF«, wobei gilt: »Defini-tion Hochschulen = etwa äquivalent zu deut-schen Hochschulen; allgemeine Hochschulen, Fachhochschulen, pädagogische Hochschulen, Berufsakademien etc«. (a. a. O.: 8)

2007 Eigene Zählung 14 staatlich geförderte Universitäten mit Germanistik3

+ 3 Universitäten mit Deutschkursen4

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Germanistik wird derzeit an 14 von ins-gesamt 40 staatlich geförderten bzw. an-erkannten australischen Universitätenangeboten und diese Anzahl entsprichtder Zahl von 1987, wenn man sich anAmmons (1991) Untersuchung orientiert,der seine Befragung im Jahr 1987 auch an14 australischen German Departmentsdurchgeführt hat. In den Jahren dazwi-schen wurden zwar z. T. mehr Universi-täten gezählt, jedoch konnten sich dieseneuen Standorte offenbar nicht dauerhaftetablieren.Als dritter positiver Aspekt ist festzuhal-ten, dass zumindest für einzelne Bundes-staaten wie Victoria, Queensland undSouth Australia von einer leichten Ten-

denz zu steigenden Studierendenzahlenberichtet wird (vgl. Harting 2001, Kret-zenbacher/Truckenbrodt 2001: 1657)1

und dass sich nach eigenen Recherchenauch an der Universität Sydney steigendeTendenzen gegenüber den Vorjahren ab-zeichnen, und zwar vor allem bei denNullanfängern.Und schließlich ist es sehr bemerkens-wert, dass ein hoher Prozentsatz derStudierenden in Australien einen Ger-man-Studies-Degree anstrebt. Die Quotebeträgt 50 %, d. h. die Hälfte der einge-schriebenen Studierenden sind damitnicht nur Sprachkursteilnehmer, son-dern Studierende der Germanistik/Ger-man Studies2: 3

Im Ländervergleich hat Australien damiteine sehr hohe Quote an Germanistikstu-

dierenden. Dies zeigt eine Gegenüberstel-lung mit Quoten aus anderen Ländern: 4

1 Konkrete Zahlen werden in den genannten Arbeiten leider nicht genannt, denn:»Neuere statistische Daten auf gesamtstaatlicher Ebene sind nicht zu bekommen«(Kretzenbacher/Truckenbrodt 2001: 1657).

2 Studierende der Germanistik/German Studies belegen neben Sprachkursen auchFachseminare zu literaturwissenschaftlichen, linguistischen sowie landes- und kultur-kundlichen Themen.

3 Definition nach StADaF: »Hier sind Studenten von ›deutschrelevanten Studiengängen‹und Germanistikstudierende erfasst: Deutsch im Rahmen von Sprachkursen = Deutschals Sprachkursunterricht. Als Nebenfach, Wahl- oder Pflichtkurs. In Fächerkombinatio-nen mit einem anderen Studiengang oder als Kurswahl bei berufsbegleitenden Fachstu-diengängen. Sowie Studium (als Haupt- oder als Nebenfach der Germanistik, einerDeutschlehrer- bzw. Dolmetscherausbildung oder Deutschlandstudien in Kombinationmit einem anderen Fach« (StADaF 2006: 8).

Tabelle 4: Germanistikstudierende an australischen Hochschulen im Jahr 2005 (nach StADaF 2006: 8)

Deutschstudierende gesamt3 Germanistikstudierende Anteil in Prozent

Australien 3.000 1.500 50%

4 Vgl. Anm. 3.

Tabelle 5: Ausgewählte Länder mit geringerem Germanistikstudierendenanteil im Vergleich zu Australien (nach StADaF 2006: 8 ff.)

Deutschstudierende gesamt4 Germanistikstudierende Anteil in Prozent

Schweden 1.800 600 33,0%

Finnland 2.800 900 32,1%

Malaysia 3.076 250 8,1%

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Vergleicht man die australische Quotezudem mit den australischen Zahlen ausdem Jahr 2000, so zeigt sich, dass sich dieQuote vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2005beachtlich erhöht hat, denn im Jahr 2000

betrug der Anteil an Studierenden derGermanistik/German Studies nur ca.36 %. Australien hat also auch inneraus-tralisch eine positive Entwicklung zu ver-buchen: 1

Vergleicht man dies wiederum mit derweltweiten durchschnittlichen Entwick-lung in diesem Zeitraum, dann schneidetAustralien abermals positiv ab. Denn wie

die folgende Tabelle zeigt, ist der Anteilan Germanistikstudierenden im gleichenZeitraum weltweit durchschnittlich von17 % auf 8 % zurückgegangen:

Soweit das Zahlenspiel. Fasst man diebisherigen Ergebnisse zusammen, so er-gibt sich ein insgesamt positives Bild: Einim Weltvergleich niedrigerer Rückgangan Studierenden des Faches. Stabilitätbezüglich der Anzahl an traditionellenGermanistik-Departments in den letzten20 Jahren, Anzeichen für steigende Stu-dierendenzahlen in den Jahren nach 2005und eine im Weltvergleich hohe Quote an

German-Degree-Students, d. h. an Stu-dierenden mit einem erhöhten Interessean deutscher Sprache, Literatur und Kul-tur.Dieses insgesamt recht positive Bild isterfreulich und erstaunlich, wenn manbedenkt, welche Aspekte in den letztenJahren in anderen Ländern zum Rück-gang des Interesses an Deutsch im hoch-schulischen Bereich geführt haben.

Deutschstudierende gesamt Germanistikstudierende Anteil in Prozent

USA 91.200 7.000 7,7%

Japan 345.196 1.650 0,5%

1 Vgl. Anm. 3 auf S. 474.

Tabelle 6: Verhältnis zwischen Studierenden der Germanistik/German Studies und studentischen DaF-Sprachkursbesuchern in den Jahren 2000 und 2005 in Australien

(nach StADaF 2000: 18 und 2006: 8)

Deutschstudierende gesamt1 Germanistikstudierende Anteil in Prozent

Australien 2000 3.655 1.305 36%

Australien 2005 3.000 1.500 50%

Tabelle 7: Verhältnis zwischen Studierenden der Germanistik/German Studies und studentischen DaF-Sprachkursbesuchern in den Jahren 2000 und 2005 weltweit

(nach StADaF 2006: 6)

Deutschstudierende gesamt Germanistikstudierende Anteil in Prozent

Weltweit 2000 2.473.639 427.639 17%

Weltweit 2005 1.795.770 146.779 8%

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2. Potentielle Ursachen für den Rück-gang des Interesses an Deutsch im hoch-schulischen Bereich

2.1. Ein Vergleich mit SchwedenBlickt man nach Schweden, einen Nach-barn Deutschlands mit sehr starken tradi-tionellen Bindungen an Deutschland, sozeigt sich, dass das Interesse an Deutschim hochschulischen Bereich dort wie be-reits erwähnt um 50 % abgenommen hat.Erste Ergebnisse zu möglichen Hinter-gründen für diese Entwicklung liegenmit Kirchner (2004) vor, die an der schwe-dischen Universität Uppsala eine Pilot-studie zur Motivation schwedischerDeutschlerner durchführte. Im Rahmendieser Untersuchung ging sie auch derFrage nach, welche Faktoren in Schwe-den für den Rückgang des Interesses amDeutschen eine Rolle spielen, und kamzu folgendem Ergebnis:Liste nach Kirchner (2004: 27)1:– die Annahme, dass Englisch zur inter-

nationalen Kommunikation ausreiche;– das fehlende Bewusstsein für den Nut-

zen der Sprache;– das geringe Ausmaß an Kontakt zur

Zielsprache (auch in den Medien);– die Möglichkeit an den Schulen statt

Deutsch leichtere, nichtsprachliche Fä-cher zu wählen;

– das Wissen um die Komplexität derdeutschen Grammatik;

– wenig ansprechender Unterricht (zuwenig Konversation, veraltete Materia-lien, uninteressante Themen etc.);

– wenig motivierende Lehrpersonen.

Interessant ist nun, dass alle der beiKirchner (2004) genannten Phänomenenachweislich auch in Australien zu beob-achten sind: Auch in Australien herrschtdie Einstellung vor, dass Englisch zurinternationalen Kommunikation ausrei-che (vgl. Truckenbrodt 1997, Kretzenba-cher 1998, Schmidt 1998, Clyne 2005). DieGesellschaft wird als »rather monolingu-ally anglophone mainstream culture«(Kretzenbacher 1998: 1) beschrieben undClyne stellt auch für die aktuelle Situa-tion fest: »The harnessing of Australia’srich linguistic resources is inhibited by adominant monolingual mindset« (Clyne2007: 22).Zudem wird in Australien ähnlich wie inSchweden der Nutzen des Deutschen alsFremdsprache zunehmend niedriger ein-geschätzt: Mit der Verschiebung der öko-nomischen Interessen des Landes vomeuropäischen hin zum asiatischen Marktbefindet sich Deutsch als Fremdsprachezunehmend in Konkurrenz zu den asiati-schen Sprachen (vgl. Harting 2001, Tru-ckenbrodt/Kretzenbacher 2002, Mc Gui-ness-King 2003 und Clyne 2005).Was den »Kontakt zur Kultur und zurZielsprachengruppe« (Kirchner 2004: 27)betrifft, so liegt Australien sehr viel wei-ter von den deutschsprachigen Ländernentfernt als Schweden, und Auslandsauf-enthalte sind mit sehr viel größeren Um-ständen und höheren Kosten verbunden.Bleibt der Kontakt über die Medien, derjedoch in den Zeiten des Internets wederin Schweden noch in Australien ein Pro-blem darstellen dürfte.2

1 Kirchner: »z. T. beziehen sich diese [Faktoren] auf den Erwerb einer zweiten Fremdspra-che allgemein« (2004: 27). Die Zusammenstellung bei Kirchner ist nicht hierarchisch unddie Reihenfolge der einzelnen Punkte wurde in der obigen Liste verändert.

2 Was jedoch die Präsenz des Deutschen in den Medien – abgesehen vom Internet –betrifft, so dürfte ein Unterschied zwischen Australien und Schweden bestehen, daDeutsch in Australien in den Medien recht gut verankert ist:– eine wöchentlich erscheinende deutschsprachige Zeitung, Die Woche;– Nachrichten der Deutschen Welle im öffentlichen Radio-Sender SBS;

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Und auch in Australien besteht weitrei-chend die Möglichkeit, an den Schulenstatt Deutsch leichtere, nichtsprachlicheFächer zu wählen. Zwar ist Fremdspra-chenunterricht an öffentlichen Schulen infast allen Bundesstaaten AustraliensPflicht, jedoch gilt die Pflicht in der Mehr-

zahl der Bundesstaaten nur für wenigeJahre bzw. im Falle von New South Walesinsgesamt nur für 100 Stunden proSchullaufbahn. Der Pflichtbereich ist damitdeutlich kleiner als der theoretische Wahl-bereich. Einen Überblick über die Pflicht-Regelungen gibt die folgende Tabelle:

In den meisten Bundesstaaten bestehtalso für die Schüler über die Mehrzahlihrer Schuljahre hinweg keine Pflicht,sondern – sofern die Schule es anbietet –die Möglichkeit, eine Fremdsprache zuwählen. Ist nun die von der Schule ange-botene Fremdsprache Deutsch und wirdsie von Schülern als zu schwer einge-schätzt, ist es in der Mehrzahl der Bun-

desstaaten relativ einfach, diese Fremd-sprache zumindest für die meisten Schul-jahre zu umgehen bzw. stattdessen nicht-sprachliche Fächer zu wählen.Was »das Wissen um die Komplexität derdeutschen Grammatik« (Kirchner 2004:27), wie es in Schweden vorliegt, betrifft,so lässt sich auch für Australien nachwei-sen, dass Studierende die deutsche Spra-

– ein ausführliches deutsches Programm im öffentlichen multikulturellen Fernseh-Sender SBS;– 5 Stunden pro Woche deutsche Sendungen in städtischen Community TV-Sendern(vgl. Clyne 2005: 96 ff.).

Tabelle 8: Regelungen zum verpflichtenden Fremdsprachenunterricht (FSU) an australischen Schulen

(nach Clyne 2006: 159, auf der Basis von Informationen aus den Bundesstaaten).

Bundesstaat

Schuljahr

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

NSW 100 Stunden innerhalb ei-nes Jahres zwischen Jahr 7 und 10

VIC Es ist vorgesehen, dass alle Schüler in den Pflichtschuljahren 1–10 FSU nehmen, was jedoch nicht in allen Schulen möglich ist

ACT FSU ist Pflicht im Jahr 7 und 8

QUE FSU ist Pflicht von Jahr 6 bis 8

SA Ab 2007: FSU ist Pflicht von Jahr 1 bis 10

WA FSU ist Pflicht von Jahr 3 bis 8

TAS

NT FSU ist Pflicht in den Pflichtschuljahren 1 bis 10, außer in Schulen mit »indigenous language programs« (Clyne 2006: 159)

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che eher als schwierige Sprache charakte-risieren (Schmidt 1998: 472).Und schließlich und endlich liegen auchzum Unterricht selbst, zu den verwende-ten Lehrmaterialien sowie zu den Lehr-personen auch für Australien kritischeÄußerungen vor. So weisen etwa Kret-zenbacher/Truckenbrodt (2001) daraufhin, dass der Unterricht vielfach durchLehrbeauftragte geleistet werde, die vonSemester zu Semester beschäftigt wür-den, oder von Postgraduates, die keineformale Unterrichtsqualifikation hätten,was sich für die Kontinuität und dieQualität des universitären Sprachunter-richts nachteilig auswirken könne (vgl.Kretzenbacher/Truckenbrodt (2001:1657, unter Bezug auf Leal 1991: 139). Dieverwendeten Unterrichtsmethoden seienzudem z. T. veraltet (vgl. Kretzenbacher/Truckenbrodt 2001: 1657, unter Bezug aufFernandez/Pauwels/Clyne 1994: 50)und Deutsch werde nur zögerlich alsUnterrichtssprache eingesetzt, »obwohldas für den Fremdsprachenerwerb wich-tig wäre und obwohl Studenten undPostgraduates darum ersuchen« (Kret-zenbacher/Truckenbrodt 2001: 1657, un-ter Bezug auf Leal 1991 und Fernandez/Pauwels/Clyne 1994) würden.Die positiven Zahlen für Australien sindalso erstaunlich, wenn man den Vergleichzu Schweden zieht. Und sie erstaunennoch mehr, wenn man bedenkt, dass dasaustralische Hochschulsystem Studien-bedingungen schafft, die – logisch be-trachtet – demotivierend wirken und denRückgang des Interesses an Deutsch alsFremdsprache zudem begünstigen könn-ten.

2.2 Demotivationspotential in den aus-tralischen StudienbedingungenZu nennen sind hier die Studienkosten,die Eingangsvoraussetzungen zu einemSprachenstudium sowie das Prinzip derLeistungsbewertung. Grundlegende Be-dingung für ein Studium in Australien istdie Bezahlung von Studiengebühren.Diese belaufen sich z. B. für ein Germa-nistikstudium (Bachelor of Arts, all ma-jors) an der University of Sydney derzeit(2007) auf jährlich AUD 4.996 für austra-lische HECS-Studierende1, AUD 17.472für australische voll zahlende Studie-rende und auf AUD 19.248 für ausländi-sche Studierende2.Bei der Entscheidung für ein Studienfachsind also neben den Überlegungen zuden eigenen Interessen und Fähigkeitenauch ökonomische Überlegungen anzu-stellen, d. h. es stellt sich konkret dieFrage nach den Verdienstmöglichkeitenbzw. Gewinnaussichten in Relation zurzu tätigenden Investition. Bedenkt mannun, wie oben bereits ausgeführt, dass inAustralien der Nutzen von Fremdspra-chen generell in Frage gestellt zu werdenscheint, dürften die Erwartungen in Be-zug auf die Gewinnaussichten durch einFremdsprachenstudium nicht sehr hochsein. Bedenkt man dann weiter, wie eben-falls oben bereits ausgeführt, dass dieasiatischen Sprachen wie z. B. Japanisch,Indonesisch und Chinesisch als nützli-cher eingestuft werden, so müssten dieErwartungen noch weiter sinken.Ebenfalls demotivierend müssten dieFolgen wirken, die sich aus den Ein-gangsvoraussetzungen zu einem Spra-chenstudium in Australien ergeben: Für

1 Vgl. http://www.goingtouni.gov.au/Main/FeesLoansAndScholarships/Undergradu-ate/CommonwealthSupportForYourPlaceAndHECS-HELP/WhatYouPay.htm – Gebüh-ren für australische HECS-Studierende; HECS ist ein dem BAFöG ähnliches System, dasallerdings mehr Studierende einschließt.

2 Vgl. UAC 2007 Guide, S. 96 – Gebühren für australische/ausländische Studierende, undInternational Office G12, University of Sydney (2007: 4).

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die Aufnahme eines Universitätsstudi-ums werden in Australien keine Fremd-sprachenkenntnisse mehr vorausgesetzt.Auch ein Sprachenstudium wie z. B. einGermanistikstudium kann ohne Sprach-kenntnisse begonnen werden. Dies hatzur Folge, dass es für die Deutschinsti-tute sehr viel schwieriger geworden ist,akademisch angemessene Fachinhalteanzubieten und vermitteln zu können.Bandhauer/Stocker beschreiben die Situ-ation wie folgt:

»Die Deutschinstitute mussten sich seit Ab-schaffung der Fremdsprachen als Pflicht-fach in den 70er Jahren grundlegend um-orientieren. Das liegt vor allem daran, dassdie Zahl der StudentInnen sowohl imHauptfach als auch im Nebenfach mit Vor-kenntnissen in der deutschen Sprache rück-läufig ist und die Institute mit einer wach-senden Anzahl von AnfängerInnen fertigwerden müssen. Das Selbstverständnis deraustralischen Deutschabteilungen, die sichtraditionellerweise an der deutschen Ger-manistik orientierten, ist nachhaltig er-schüttert, seit Sprachunterricht immer mehran Bedeutung gewinnt und eine wachsendeAnzahl von StudentInnen den Anforderun-gen des Literaturunterrichts nicht mehr ge-wachsen ist. Aufgrund der Nachfrage unduniversitätspolitischer Vorgaben wurdendie Sprachkurse ausgebaut, während dieBedeutung der Literaturkurse wegen gerin-gerer TeilnehmerInnenzahlen zurückging,da von der Zahl der eingeschriebenen Stu-dentInnen die Finanzierung eines Institutsabhängt.« (Bandhauer/Stocker 1997: 7; Kri-tische Einschätzungen dieser Situation fin-den sich auch bei Schmidt 1998: 473 f., Har-ting 2001: 36, Kretzenbacher/Truckenbrodt2001: 1656 f.)

Als Folge dieser Situation sieht Schmidt(1998) die Gefahr, dass das Germanistik-studium in Australien an akademischerQualität verlieren könnte:

»Immer mehr Studierende kommen ohneVorkenntnisse an die Universitäten, so dassder Großteil des Kursangebots aus sprach-praktischen Seminaren besteht, weshalbweniger von einem Germanistikstudium

als von einem Deutschstudium gesprochenwerden muß.« (Schmidt 1998: 473)

Schmidt weiter:»Im gegenwärtigen politischen Klima, wozentrale bildungspolitische Frage ist, anwelchen Fakultäten welche Programme zu-sammengestrichen werden können, sind inAustralien insbesondere die Fremdspra-chen und vor allem ihr akademischer Werterneut unter Beschuß gekommen.«(Schmidt 1998: 474)

Befürchtet wird also ein Qualitätsverlustund dieser müsste sich letztlich dahinge-hend auswirken, dass auch die Studie-renden an der Qualität zweifeln und lie-ber in ein anderes Studium investieren.Neben dem Kostenfaktor und der Quali-tätsfrage verdient schließlich ein dritterAspekt des australischen Germanistik-studiums Beachtung, nämlich der Aspektder Leistungsbewertung durch die Bell-Kurve, eine mathematische Glocken-kurve. So heißt es auf einer Informations-seite über das Studium in Australien fürinternationale Studierende:»The grading system typically works on astrict bell curve and students are expectedto perform a great deal of independentstudy in order to achieve high marks.«(http://australearn.org/programs/study-abroad/au/edusystem.htm; EDU-CATIO-NAL DIFFERENCES)

Das Bewertungsprinzip gemäß einer Glo-ckenkurve besteht darin, dass die Noten-verteilung durch die Hochschule bzw.durch das Institut grundsätzlich festge-legt wird, also bevor die Studierendeneine Prüfung schreiben. Nach der Prü-fung werden die einzelnen Arbeiten be-punktet und dem erzielten Ergebnis ent-sprechend hierarchisch geordnet. Im An-schluss wird die festgelegte Notenvertei-lung (Bell-Kurve) über diese Liste gelegtund entschieden, welcher Punktewertwelcher Note zugeordnet werden muss,damit die geplanten Noten herauskom-men. Die Bewertung erfolgt damit nichtin Orientierung an standardisierten Leis-

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tungsniveaus, sondern durch Leistungs-vergleich innerhalb der Gruppe der je-weiligen Prüfungsteilnehmer bzw. des je-weiligen Kurses. Die Studierenden wer-den also immer in Relation zu ihrer Prü-fungsgruppe oder Klasse bewertet. Ist dieGruppe insgesamt schwächer, ist es ein-facher, sich positiv abzuheben und guteNoten zu erzielen. Ist die Gruppe insge-samt sehr gut, ist es für den Einzelnenschwieriger, eine gute Note zu erzielen.Dass dieses etablierte Verfahren zu Un-mut unter den Studierenden führenkann, belegen die folgenden Kommen-tare aus einem Chat-Forum:

sixten911 vom 01–06–2004, 08:09 AM:»Hmm… I’m not doing so well at uni, onlyhave a credit average and I really want towork myself up to a D average this year. Ido all my assignments on time and go tomost of my tutes and lectures, I can’t under-stand why I’m getting these marks becauseI think i understand everything and nolecturer really has anything bad to sayabout my work… i’m so confused! How amI supposed to improve my marks??«(Quelle: http://forums. vogue.com.au/ar-chive/index.php/t-1168.html)

PortuGal: 01–06–2004, 06:51 PM: »And thenthere’s that blasted bell curve that markershave to stick to. Sometimes you can bebetween credit and pass and then just pass– just because of that.« (Quelle: http://f o ru m s . v o g u e . c o m . a u / a rch i v e / i n -dex.php/t-1168.html)

Die Bell-Kurve kann also nachweislichdemotivierend wirken, aber da sie inAustralien in allen Studienfächern ange-wendet wird, gelten diesbezüglich füralle Studienfächer oberflächlich betrach-tet die gleichen Bedingungen. Blicktman jedoch tiefer, dann wird deutlich,dass die Anwendung der Bell-Kurve ineinem Sprachenstudium eine Benachtei-ligung darstellen kann. Denn aufgrund

der oben bereits beschriebenen Ein-gangsvoraussetzungen für ein Spra-chenstudium ist es möglich, dass Stu-dierende mit sehr heterogenen Sprach-kenntnissen zusammen ein Fachseminarbesuchen können. Befinden sich nun ineinem solchen Seminar fortgeschritteneLerner und Lerner mit nahezu mutter-sprachlicher Kompetenz, so wäre esdenkbar, dass die fortgeschrittenen Ler-ner aufgrund ihrer geringeren Sprach-kenntnisse sehr viel schlechter bewertetwerden als die Studierenden mit quasimuttersprachlicher Kompetenz, obwohlsie die fachlichen Inhalte im Wesentli-chen beherrschen.1 Dies müsste für dieStudenten mit geringeren Sprachkennt-nissen demotivierend wirken und eskönnte zu der Überlegung führen, dassein Studium ohne die »Hürde Fremd-sprache« gerechter ist, da allein die fach-lichen Kenntnisse zur Bewertung ste-hen.Das Prinzip der Leistungsbewertung, dieStudienkosten und die Eingangsvoraus-setzungen zum Studium bergen also ein»Demotivationspotential« und es ist er-staunlich, dass sich auch diese im austra-lischen Studienwesen verankerten Fakto-ren offenbar nicht negativ auf die Studie-rendenzahlen ausgewirkt haben.

3. Den Gefahren getrotzt? – Erklärungs-versucheStattdessen lässt sich für das StudienfachDeutsch in Australien zusammenfassendfesthalten, dass es nicht nur einer Reihevon Faktoren erfolgreich getrotzt hat, diein anderen Ländern einen Rückgang desInteresses an Deutsch als Fremdsprachebegünstigt haben, sondern auch Fakto-ren, die im australischen Studiensystembegründet liegen. Hat die australische

1 Dies könnte eine mögliche Erklärung für die Situation sein, die sixten911 (s. o.) im Chat-Forum beklagt.

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Germanistik damit also dem »Druck«1

Stand gehalten, wie er in den späten 90erJahren vielfach beschrieben wurde(Bandhauer/Stocker 1997, Schmidt 1998,Truckenbrodt 1997)? Offenbar ja, wennman statistischen Entwicklungen Bedeu-tung zumisst, und es stellt sich die Frage,wie das möglich war bzw. ist.Als Antwort auf diese Frage sind auf derBasis der bestehenden Untersuchungs-lage drei Erklärungen denkbar: Die ein-fachste Erklärung dafür wäre, dass dieZahlen falsch sind. Dies ist deshalb denk-bar, da an den australischen Universitä-ten sehr unterschiedliche Zählmethodenverwendet werden, was die Zusammen-stellung der Daten sehr erschwert. Sostellten bereits Fernandez/Pauwels/Clyne bei ihrer statistischen Datenzu-sammenstellung fest:

»Once again, the gathering of more precisedata to ascertain trends in student numberson a national scale and for each individualinstitution was extremely problematic. Agreat deal of variation exists in the methodsand frequency of data collection. Whilstsome universities used EFTSU (EquivalentFull Time Student Unit) calculations, othersprovided student numbers only, whichraised the problem of double counting ofstudents. Thus comparisons between insti-tutions and, in some cases even betweendifferent years within the one institution,are problematic.« (Fernandez/Pauwels/Clyne 1994: 19)

Falsche Zahlen als Erklärung für das posi-tive Bild sind damit also denkbar, jedochhätte diese Feststellung nur Auswirkun-gen auf die Zahlen im Weltvergleich undnicht auf die australienbezogenen Ver-gleichszahlen von 2000 und 2005. Dennfür diese Vergleichsuntersuchungen ist

wohl davon auszugehen, dass die Statisti-ken für die beiden Jahre auf den gleichenZählverfahren beruhen. Genaueres lässtsich jedoch nicht sagen, da keine Ver-gleichszahlen z. B. aus australischen Quel-len für diesen Zeitraum vorliegen.Eine zweite Erklärungsmöglichkeit fürdie positiven Trends bezüglich der Zah-len für German Studies an australischenHochschulen könnte darin bestehen, dassdiese »positiven Trends« das Ergebnisdes effektiven australischen Hochschul-marketings sind, eines Hochschulmarke-tings, das Rainer Haarbusch wie folgtbeschreibt:

»Im globalen Wettbewerb um internationaleStudierende zählt Australien zu den erstenAkteuren, die professionelle Strukturen desHochschulmarketings aufgebaut und dabeieine viel beachtete Vorreiterrolle übernom-men haben. In den vergangenen 25 Jahrenkonnten australische Hochschulen den An-teil ausländischer Studierender kontinuier-lich und in bemerkenswertem Ausmaß stei-gern: Hatten 1980 lediglich 8.777 ausländi-sche Studierende den Weg nach ›Down Un-der‹ gefunden, waren es im Zuge der Inten-sivierung des Marketings 1993 bereits42.571, im Jahre 2000 dann 95.607, und imletzten Erhebungsjahr, 2003, stieg ihre Zahlauf 210.394.« (Haarbusch 2006: 125)

Das Marketing erfolgt gezielt über staat-liche Initiativen, Netzwerk- und Marke-tingaktivitäten australischer Hochschu-len sowie über professionelle Agenturen.Und die Argumente für Australien alsStudienland sind:

»englischsprachiges und multikulturellesStudienumfeld, das umfangreiche Service-angebot der Hochschulen sowie vor allemdas im Vergleich zu den anglophonen Kon-kurrenten attraktive Preis-Leistungs-Ver-hältnis« (Haarbusch 2006: 126).

1 Unter dem Titel »Deutsch unter Druck« fand 1996 an der University of New South Walesin Sydney eine Tagung zum Stand der Germanistik in Australien statt. Gegenstand dieserTagung war die Beschäftigung mit der Tatsache, dass die Studierendenzahlen aufgrundder zunehmenden Bedeutung der asiatischen Sprachen auffällig rückläufig waren undDeutsch somit spürbar »unter Druck« geriet. (Leider wurde kein Tagungsband publiziert.).

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Ob das Marketing jedoch auch im Be-reich der German Studies für positiveZahlen sorgt, ist bislang nicht unter-sucht worden. Vermutlich dürfte diesjedoch nicht der Fall sein, denn dieMärkte des australischen Hochschul-marketings sind vor allem »China, Ma-laysia, Indien, Thailand und die Philip-pinen« (Haarbusch 2006: 125). Dass sichaus diesen Ländern Studierende für dasFach German Studies nach Australienanwerben lassen, dürfte eher unwahr-scheinlich sein.Und die dritte Erklärungsmöglichkeitschließlich könnte lauten: Die sprachen-und hochschulpolitischen Rahmenbedin-gungen in Australien waren in den letz-ten Jahren so, dass die 14 traditionellenInstitute mit German Studies erhaltenwerden konnten, und das sogar an meh-reren Universitäten innerhalb einzelnerStädte. So bieten allein in Sydney vierUniversitäten Germanistik und eine wei-tere Universität Deutschkurse an. Undauch in Melbourne kann man an zweiUniversitäten Germanistik studieren.Australien ist damit ein Beispiel dafür,dass auch einem Studienfach, das imVergleich zu anderen Studienfächernniedrige Studierendenzahlen hat, einPlatz in der Akademia erhalten wird.Eine Tatsache, die oft aus dem Blick gerät,wenn Finanzierungsengpässe und Um-strukturierungszwänge beklagt werden.Und es wird in Australien auch unterTeilnahme der German Departments ak-tiv nach Möglichkeiten gesucht, neueWege zu entwickeln und zu erproben,um Studiengänge mit niedrigen Studie-rendenzahlen auch in Zukunft halten zukönnen. So z. B. in einem laufenden Pro-jekt des Australasian Council of Deans of

Arts, Social Sciences and Humanities un-ter der Leitung von Anne Pauwels (Deanof Faculty of Arts, UWA). Ziel diesesProjektes ist es, die Online-Lehre für denBereich der Languages weiter zu entwi-ckeln.1 Am Projekt beteiligt sind auch dieGerman Departments dreier Universitä-ten:

»In languages, Monash University, the Uni-versity of Western Australia and the Aus-tralian National University will road-testweb-based lectures and tutorials for their 20fourth-year German students.« (Macna-mara 2007: 22)

Innerhalb der sprachen- und hochschul-politischen Rahmenbedingungen habendie einzelnen Institute offenbar auch ih-ren institutionellen Spielraum genutzt,um dem entstandenen Druck erfolgreichentgegenzuwirken (vgl. hierzu auchCorkhill 2003: 129). Die Studierenden in-vestieren in ein Deutschstudium undsind damit offenbar vom Nutzen diesesStudiums überzeugt. Sie investieren, ob-wohl die australische Welt tendenziellmonolingual orientiert ist, Fremdspra-chen gesellschaftlich generell keine hoheBedeutung zugemessen wird undDeutsch zu anderen Fremdsprachen indeutlicher Konkurrenz steht. Sie investie-ren offenbar zunehmend, auch ohneDeutsch bereits vorher in der Schule ge-habt zu haben und ohne dass Deutsch alsethnische Herkunftssprache in der Fami-lie eine besondere Rollen spielen würde.So stellen Bandhauer/Stocker fest: Die»Zahl der StudentInnen sowohl imHauptfach als auch im Nebenfach mitVorkenntnissen in der deutschen Spracheist rückgängig« (Bandhauer/Stocker1997: 6). Damit entfällt offenbar zuneh-mend ein Motiv, das nach Ammon (1991)

1 Die grundsätzliche Befürwortung von innovativen Maßnahmen als Belege für eineaktive Gestaltungshaltung bedeutet nicht, dass die kritischen Befürchtungen gegenüberdem E-Learning im Sprachenbereich nicht gesehen werden bzw. dass sie in Abredegestellt werden.

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und Petersen (1993) in den späten 80erbis frühen 90er Jahren noch eine wichtigeRolle gespielt hat.Vielmehr scheint es sich zunehmend um»Neuentscheidungen« für ein Fach zuhandeln, die bewusst getroffen werdenund auf jeweils aktuellen Kosten-Nut-zen-Überlegungen beruhen.1

Nun könnte man vielleicht vermuten,dass das Studienfach vielleicht einfach nurgewählt wird, weil es vielleicht billiger alsein ökonomisch mehr versprechendesFach ist. Dazu ein Vergleich der Studien-gebühren für verschiedene Fächer gemäßder Gebührenzusammenstellung der Uni-versity of Sydney für das Jahr 2007:

Zwar differieren die Studiengebühren fürdie verschiedenen Fächer zwischen etwa5.000 und 8.300 australischen Dollar fürundergraduate HECS-Studenten bzw.zwischen 17.500 und 22.500 Dollar fürvoll zahlende australische undergradu-ate Studierende, jedoch sind die Gebüh-ren für alle Sprachen gleich. Würde dieEntscheidung also allein aus finanziellenGründen getroffen werden, müssten dieStudierenden logisch betrachtet eher asi-atische Sprachen wählen, die wie bereits

beschrieben als wichtiger und rentablereingestuft werden.Doch dies geschieht offenbar nicht und eswird zunehmend deutlich, dass der Nut-zen, den sie sich versprechen, auf einergänzlich anderen Ebene liegen muss, alsdies hier bislang diskutiert worden ist.Dieser Frage ausführlich nachzugehen,erscheint weiterführend und lohnend,wie die Ergebnisse einer ersten qualitati-ven Pilotuntersuchung zeigen, die an derUniversity of Sydney im Jahr 2006 durch

1 Interessant in diesem Zusammenhang ist ferner, dass die Deutschlernerzahlen inAustralien der StADaF (2005–2006) zu Folge in den letzten fünf Jahren vor allem imBereich der Erwachsenenbildung (außerhalb der Hochschulen) zugenommen haben,während die Zahlen für den Bereich der Schulen gleich geblieben sind. Deutschentwickelt sich damit in Australien zu einer Fremdsprache, die nicht nur im Schulwesenfest verankert ist, sondern die auch von Erwachsenen zunehmend als wichtig erachtetund in die investiert wird.

Tabelle 9: Vergleich der Studiengebühren für einzelne Fächer für das Jahr 2007 an der University of Sydney

(nach http://www.goingtouni.gov.au/Main/FeesLoansAndScholarships/)

Gebühren für aus-tralische HECS-Stu-

dierende in AUD

Gebühren für aus-tralische Studie-

rende in AUD

Gebühren für aus-ländische Studie-

rende in AUD

Bachelor of Arts (all ma-jors)

4.996 17.472 19.248

Bachelor of Commerce (all majors)

7.118 19.056 21.168

Bachelor of Engineer-ing (all majors)

7.118 21.792 23.952

Bachelor of Computer Science and Technology

7.118 21.792 23.952

Bachelor of Laws (Gra-duate entry)

8.333 22.416 24.576

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Befragung von 4 Alumni durchgeführtwurde.1 Diese ehemaligen Germanistik-studierenden mit Honoursabschluss amDeutschseminar der University of Syd-ney gaben unisono an, dass die allge-meine wissenschaftliche Ausbildung undder kulturelle und intellektuelle Mehr-wert durch das Erlernen einer zweitenSprache bzw. Kennenlernen einer zwei-ten Kultur ausschlaggebend waren, umsie für Arbeitgeber interessant zu machenund um auf komplexe Berufe vorbereitetzu sein. Eine der vier Ehemaligen benutzttatsächlich die Sprache Deutsch in ihremBeruf als technische Redakteurin undÜbersetzerin.Die Investitionsbereitschaft bestätigt alsoden Nutzen des Studienfaches. Hinzukommt die Tatsache, dass eine im Welt-vergleich hohe Quote von 50 % der Stu-dierenden einen Degree in German Stu-dies anstreben. Dies zeigt, dass ein hoherProzentsatz der Studierenden von derQualität des Studiums überzeugt seinmuss. Den Instituten muss es also gelun-gen sein, das Qualitätsniveau im Rahmender erforderlichen finanziellen Einspa-rungen und Umstrukturierungen zu hal-ten. Wie dies im Einzelnen geschehen istund geschieht, ist bislang ebenfalls nochnicht umfassend untersucht worden, je-doch finden sich in der Literatur ersteHinweise auf einzelne Maßnahmen, diein den 90er Jahren unternommen wur-den. Sie müssten die Grundlage für dieZahlen aus den Jahren 2000 und 2005

bilden. Einige Beispiele seien hier ange-führt:Horst berichtet von der erfolgreichen Ein-führung des Wirtschaftsdeutschen an derUniversity of Queensland im Jahr 1992:

»Ein erfolgreicher Versuch, ein bedarfsorien-tiertes und praxisbezogenes Angebot in derFremdsprache Deutsch an Universitäten zuschaffen, war die Einführung des Studienfa-ches Wirtschaftsdeutsch an der University ofQueensland im Jahre 1992. Seitdem hat sichdieses bislang in Australien immer nocheinzigartige, viersemestrige Programm, dasStudierenden ermöglicht, Wirtschafts-deutsch als Hauptfach zu belegen, bewährtund etabliert.« (Horst 1998: 664)

Harting (2003) berichtet von einem ähnli-chen Versuch an der University of NewSouth Wales. Auch hier wurde im Jahr1992 ein Kurs »German for ProfessionalPurposes« eingeführt, der jedoch auf-grund mangelnden Interesses wiedereingestellt wurde.Kretzenbacher/Truckenbrodt verweisenauf das Konzept der Zusammenfassungmehrerer Sprachen unter dem neuenDach »European Studies«:

»In den letzten Jahren mussten alle australi-schen Universitäten eine bedeutende Kür-zung der Finanzierung durch die Bundesre-gierung hinnehmen, die zu einer Rationali-sierung und Reorganisierung von Institutenbesonders an philosophischen Fakultätengeführt hat. Auch germanistische Institutewaren von Maßnahmen wie der Zusam-menfassung vormals eigenständiger Insti-tute zu kombinierten Instituten oder›schools‹ betroffen, in einigen Fällen wurdedie Germanistik mit anderen Instituten zu

1 Die Befragung erfolgte im Rahmen einer Alumniveranstaltung, die von mir, AndreasJäger, und Birte Giesler an der University of Sydney durchgeführt wurde, um Studie-rende über den Sinn eines 4. Studienjahres (Honours) am German Department zuinformieren. Die letzte umfassende, australienweite Untersuchung zur Motivation fürDeutsch als Studienfach wurde 1987 von Ulrich Ammon unternommen und in Ammon(1991) publiziert. Zudem liegen mit Petersen (1993) Ergebnisse für das Jahr 1989 aus demBundesstaat Victoria vor. Darüber hinaus haben Schmidt (1998), Harting (2003) undSeifert (2004) Untersuchungen an einzelnen Universitäten durchgeführt, Schmidt (1998)im Jahre 1997 an der ANU, Harting (2003) im Jahre 2000 an der UNSW und Seifert (2004)im Jahre 2000 an der University of Adelaide.

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»European Studies« zusammengefasst.«(Kretzenbacher/Truckenbrodt 2001: 1657)

Ein weiteres Verfahren besteht nach Tru-ckenbrodt/Kretzenbacher in der inhaltli-chen Ausrichtung des Lehrangebots aufallgemeinere Hintergrundthemen, diefür verschiedene Fächer von Interessesein könnten:

»Australische Fremdsprachinstitute müs-sen Studenten mit unterschiedlichem aka-demischen und sprachlichen Hintergrundund einer großen Bandbreite von Berufs-wünschen betreuen. Australische Studen-ten kombinieren oft eine Fremdsprache mitJura, Wirtschaftswissenschaften, Naturwis-senschaften oder Medizin. Diese Studentensind jedoch nicht unbedingt an literarischenoder kulturellen Studien interessiert, dieviele Dozenten als zentral für ihre Disziplinbetrachten. Die meisten germanistischen In-stitute haben auf diesen möglichen Konfliktdadurch reagiert, dass sie ihr Lehrangebotum philosophische, historische und gesell-schaftliche Hintergrundseminare ebensowie um linguistische und fachsprachlicheKurse erweitern.« (Kretzenbacher/Tru-ckenbrodt 2001: 1656)

Und nach Petersen (1993) wurden auchVersuche unternommen, Deutsch mittechnischen Fächern zu kombinieren, einKonzept, das Duesberg als das Konzeptder Zukunft weltweit einschätzt:

»Die Attraktivität einer Sprache, gelernt zuwerden, hängt in der durch die Ökonomieglobalisierten und dominierten Welt vonder wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ih-rer Sprechergemeinschaft ab. Spracherwerbbedeutet heute nicht mehr primär Kultur-transfer, sondern verstärkt Technologie-transfer, verstanden als Know-How-Trans-fer, worauf sich die Sprachvermittlung unddie an ihr Beteiligten einstellen müssen.«(Duesberg 2006: 496 (Abstract))

Neben den Maßnahmen zur inhaltlichenUmstrukturierung werden außerdem me-thodische Maßnahmen erwähnt, die ein-geführt wurden. So z. B. das Konzept dertendenziellen Aufgabenteilung zwischenden Dozenten, die die akademisch ausge-richteten Fachseminare halten, und den

Sprachassistenten, Honorarkräften undPraktikanten, die die Sprachkurse unter-richten. Zwar birgt dieses Konzept diebereits geschilderten Qualitätsrisiken imSprachkursbereich, jedoch ermöglicht sieoffenbar auf der anderen Seite vor alleminhaltliche Qualitätssicherung im Bereichder Fachseminare. Ein weiteres Beispielwäre die zunehmende Verwendung vonEnglisch als Vermittlungssprache in deninhaltlich komplexen Fachseminaren, eineMaßnahme, die zwar auf der einen Seiteseine Kritiker hat. Auf der anderen Seitehat das Fach jedoch dadurch zumindeststatistisch gesehen noch keine Studieren-den in spürbarer Anzahl verloren bzw.gewonnen. Und schließlich sei noch ein-mal auf die Bell-Kurve hingewiesen, zuderen Wirkung bislang noch keine Unter-suchungen unternommen worden sind.Soweit die drei denkbaren Erklärungs-möglichkeiten für die positiven Zahlenim Bereich German Studies an australi-schen Hochschulen. Ob und wie weitdiese Erklärungsansätze zutreffen, undinwieweit weitere Erklärungen, die hiernicht in den Blick gekommen sind, eineRolle spielen, ist bislang nicht systema-tisch untersucht worden. Dies ist Gegen-stand eines Forschungsprojektes, dasderzeit am German Department der Uni-versity of Sydney läuft.

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E-Mail-Tutorium zur Unterstützung des Unter-richts »Schreiben«

Erfahrungen mit einem Gemeinschaftsprojekt zwischen Trierund Hangzhou/VR China

Jörg Schröder

1. Einleitung Wahrscheinlich hat in der jüngsten Zeitkeine technische Entwicklung das Ler-nen so sehr beeinflusst und auch verän-dert wie der Computer und die damiteinhergehende weltweite Vernetzungdurch das Internet. Die neuen Mediensind auch in immer stärkerem Maße Teileines modernen (Fremdsprachen-)Un-terrichts an (Hoch-)Schulen und ande-ren Bildungseinrichtungen; Begriffe wieE-Mail-Tutorien, Blended Learning, vir-tuelle Sprachkurse, computer- bzw. in-ternetgestütztes Lernen beherrschen dieFachdiskussion (zum Konzept von E-Mail-Tutorien vgl. Tamme 2000 und2001, Rösler/Tamme 1999, Würffel2002). In der Literatur werden Vor- undNachteile sowie Möglichkeiten undGrenzen dieser modernen Lehrformeninsbesondere auch mit Blick auf ihreBedeutung für autonomes Lernen undden Erwerb autonomer Lernstrategienkontrovers diskutiert. Hier sei auf Hess(2006: 305–308) verwiesen, der in seinemArtikel »›E-Lernen‹ – Fakten und Fiktio-nen« Möglichkeiten der neuen Medienauslotet. Hess glaubt nicht an »die Wun-

dereffekte neuer Medien« und weistdarauf hin, dass »der Einsatz von Infor-mationstechnologien (IT) nicht per se zueiner Bereicherung und Unterstützungdes Spracherwerbs« führt. Auch führeder Einsatz neuer Medien nicht automa-tisch zu einem Mehr an autonomemLernen, wie dies die Fachliteratur gerneglauben machen möchte. Im technikgläubigen China wird Me-dieneinsatz jedoch insbesondere an denvom Erziehungsministerium unterstütz-ten und geförderten Universitäten expli-zit von den Lehrkräften gefordert und –vielfach zu weitgehend – zum alleinigenMaßstab für guten Unterricht gemacht.Überspitzt formuliert: eine Power-Point-Präsentation ist höher zu bewerten alseine klassische Gruppenarbeit (da letz-tere ja nicht so präsentabel aussieht), dieArbeit mit einer CD-ROM ist besser alseine Partnerarbeit (weil ja ein Computerdafür verwendet wird und dieser alsZaubermittel des Fremdsprachenlernensangesehen wird). Das Im-Zentrum-Ste-hen des Computers und die damit ein-hergehende Konzentration auf die multi-mediale Technik wird auch durch die nun

Didaktik DaF / Praxis

Info DaF 34, 5 (2007), 487–502

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wieder unverrückbaren Tische in denMultimedia-Räumen deutlich, die Grup-penarbeiten erschweren und Unterrichts-gespräche und Kommunikation behin-dern.1 Andererseits ist nicht von der Hand zuweisen, dass eine geschickte Nutzungdes Computers und des Internets einereiche Situativität mit sich bringen kann,die die Studierenden motiviert und an-spornt. Insbesondere in Ländern, dieräumlich weit entfernt von Deutschlandliegen, können authentische, persönlicheKontaktsituationen geschaffen werden,die auch den interkulturellen Austauschfördern helfen. Aus diesem Grund wurde an der Zhe-jiang Universität in Hangzhou (VRChina) ein internetgestütztes Lernkon-zept im Rahmen des Unterrichts »Schrei-ben« erprobt und zwar in Form eines E-Mail-Tutoriums. TeilnehmerInnen warenauf der chinesischen Seite Studierendeder Germanistik, die sich zu Beginn desE-Mail-Tutoriums im 3. Studienjahr be-fanden und auf der deutschen Seite Stu-dierende des Studiengangs DaF an der

Universität Trier. Dieses Gemein-schaftsprojekt des Instituts für Deutsch-landstudien der Zhejiang Universitätund der DaF-Abteilung der UniversitätTrier wurde im Studienjahr 2005/06 erst-mals durchgeführt.2

2. Konzept und Inhalt Studierende in Deutschland, die DaF alsakademisches Fach studieren und sichauf eine spätere Lehrtätigkeit vorberei-ten, begleiten und beraten chinesischeStudierende in Hangzhou auf elektroni-schem Weg. Das E-Mail-Tutorium wirdnetzgestützt mit Hilfe der LernplattformSTUDIP, http://studip.uni-trier.dedurchgeführt. Durch die Nutzung mo-derner Medien wird es also möglich,zwei Gruppen, die ein vitales Interesseaneinander haben, allerdings räumlich-geografisch getrennt sind, in Kontaktmiteinander zu bringen. Was die beiden Seiten betrifft, so sindunterschiedliche Interessen an ein solchesVorhaben geknüpft, die dementsprechendauch in unterschiedlichen Aufgaben wäh-rend der Tutoriumszeit münden:

2.1 Aufgaben und Erwartungen

1 Diese Situation ist typisch für die sogenannten 211-Universitäten. Dies sind Universitä-ten, die im Rahmen eines staatlichen Förderprogramms der chinesischen Regierungschwerpunktmäßig unterstützt werden. Das Ziel ist, diese Universitäten innerhalb einesformulierten Zeitrahmens auf Weltniveau zu bringen. Im Moment gehören 107 Univer-sitäten in dieses Programm (vgl. http://de.tongji.edu.cn/de/tatsachen_college_key-uni.asp; Zugriff am 26.04.2007; hier findet sich auch eine Übersicht über alle 211-Universitäten).

2 Auf der Trierer Seite zeichnete Frau Dr. Renate Freudenberg-Findeisen für das Projektverantwortlich, in Hangzhou der Verfasser des Beitrages.

Aufgaben der Trierer DaF-TutorInnen Aufgaben der Studierenden in Hangzhou

– individuelle Begleitung und Beratung der chinesischen Lerner während ihrer Schreibaufgaben

– gezielte Besprechung und Hilfe während der Arbeit am Text

– Gezielte Fehleranalyse und Fehlertherapie

– konkrete Begleit- und Beratungswünsche äußern

– die Sprachbegleitung annehmen und be-wusst als »Lernbegleitung« einbeziehen

– Nutzen der Fehleranalysen zur Verbesse-rung der eigenen grammatischen und sprachlichen Korrektheit

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Bei den Vorankündigungen zu dem ge-planten Vorgehen wurde auf der Hang-zhouer Seite große Begeisterung zum Aus-druck gebracht. Die Aussicht sozusageneinen »Privatlehrer«/eine »Privatlehre-rin« zu haben wurde sehr begrüßt, so dassdie studentische Motivation gesichert

schien und davon ausgegangen werdenkonnte, dass die Aufgaben auch wahrge-nommen und durchgeführt werden. Aus diesen Aufgaben ergeben sich fürbeide Seiten unterschiedliche Erwar-tungshaltungen, die wie folgt aussehenkönnen:

2.2 Einbettung des E-Mail-Tutoriums indas Curriculum Der insgesamt ein Studienjahr umfas-sende Kurs ›Schreiben I und II‹ ist ein 2-stündiger Pflichtkurs für Studierendedes 3. Studienjahrgangs an der ZhejiangUniversität und umfasst 4 Blöcke, dieauf 4 Kurzsemester verteilt sind1. Imersten – hier beschriebenen Durchlauf(Beginn Herbst-/Wintersemester 2005/2006, Ende Frühlings-/Sommersemester2007) – wurde der gesamte Kurs voneinem E-Mail-Tutorium begleitet, wobeieiner kleiner Teil des deutschen Tuto-

rInnenteams im 3./4. Kurzsemesterwechselte. Im gerade laufenden Projekt wurden das1. und 2. Kurzsemester als normale Prä-senzveranstaltung, ohne Beteiligung vonTutorInnen, durchgeführt und das Tuto-rium begann erst mit dem 3. Kurzsemes-ter – eine Vorgehensweise, die auch in derweiteren Zukunft angestrebt wird, da dieBegleitung über insgesamt ein Jahr durchein TutorInnenteam zu aufwändig undschwierig zu organisieren ist. Unterrichtsgegenstände und -inhalte fürdiese 4 Kurzsemester sind wie folgt:

Gewinn für die Trierer Tutoren Gewinn für die Studierenden in Hangzhou

– Erkennen von typischen Feh-lern

– Aushandeln von Korrektur- und Therapieangeboten

– Eingehen und Einstellen auf individuelle Lernbedürfnisse

– Analyse individueller Lernbe-dürfnisse und gezieltes Anbie-ten von Lernangeboten

– Einschätzen des Sprachstan-des

– Umgang mit Fehlern – Praxiserfahrungen in einem

»Lehr- und Lernkontext«, der durch die Neuen Medien rele-vant werden dürfte

– Scheinerwerb

– ständiger Kontakt zu einem Muttersprachler, der auch über die reine Arbeit an den Hausaufgaben hinausge-hen kann (wie intensiv sich dieser Kontakt entwickelt ist abhängig vom Eigenanteil und der Motivation der Studierenden)

– Vorhandensein einer Person, die sich viel individueller mit dem Studierenden auseinandersetzen kann, als dies üblicherweise in einer normalen Unterrichts- bzw. Korrektursituation möglich ist

– zeitliche Erweiterung des Korrekturprozesses und da-durch schrittweises Verbessern des eigenen Schreibens

– intensive Beschäftigung mit den eigenen Fehlern, die systematisch kategorisiert wurden

– gemeinsame Bewältigung von sprachlichen Aufgaben; – Möglichkeit im direkten Kontakt mit einem Mutter-

sprachler/einer Muttersprachlerin auch landeskundli-ches, (inter-)kulturelles Wissen zu erwerben

1 Das Studienjahr an der Zhejiang Universität gliedert sich in 4 Semester: Frühlings-,Sommer-, Herbst- und Wintersemester. Jedes Semester umfasst 8 Wochen Unterrichts-zeit, gefolgt von 1 Prüfungswoche.

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Diese Trennung von objektiv beschreiben-den Textsorten und subjektiv argumenta-tiven scheint mit Blick auf China geboten,da sich hier zwischen Deutschland undChina zum Teil wesentliche Unterschiedefestmachen lassen: aus deutscher Sicht istdie Trennlinie zwischen diesen Textsortensehr unscharf. Dies zeigt sich im Unter-richt deutlich bei der Einführung derTextsorte ›Personenbeschreibung‹, wo esden Studierenden zunächst schwer fällt,sich auf das Beschreiben zu beschränkenund eigene Zuschreibungen im Sinne ei-ner subjektiven ›Charakteristik‹ der Per-son zu unterlassen. Da aber chinesischeDeutschabteilungen und Institute Ab-schlussarbeiten erwarten, die sich an deut-schen Vorbildern orientieren, ist es wich-tig, dass die textsortenspezifischen Merk-

male, die für Deutschland gelten, erlerntund eingeübt werden. Wie bereits oben angedeutet, war es beimersten Durchgang jedoch möglich, Tuto-rInnen auch schon in dieser Phase einzu-binden. Das hatte den Vorteil, dass dieeinzelnen Gruppen viel Zeit für gegensei-tiges Kennenlernen hatten. Aus erwähn-ten Gründen ist dies aber nicht mehrmöglich. Wichtig jedoch ist die Arbeit imE-Mail-Tutorium besonders im zweitenBlock der Veranstaltung. Hier geht dieArbeit der TutorInnen nämlich weit überdie reine Korrekturtätigkeit hinaus undwird – im idealen Fall – zu einer intensi-ven Austausch- und Arbeitsbeziehung,bei der die Erstellung eines gemeinsamenSchreibproduktes im Zentrum des Inter-esses steht.

Zum Abschluss des Frühlingssemesterswird eine erste »kleine« wissenschaftli-che Hausarbeit erstellt. Dieser erste Ver-

such ist ein stark gelenkter, d. h. es wer-den zum Einen zwei Themenbereiche(Computerspiele, Computer und Me-

Herbstsemester: Einführung in objektiv beschrei-bende Textsorten

Im Unterricht behandelte Textsorten sind: – Protokoll – Gegenstandsbeschreibungen – Beschreibung von Tabellen, Schaubildern und Grafiken

Wintersemester: Einführung in argumentatives Schreiben

Schwerpunkte dieses Kurzsemesters sind: – Stoffsammlung – Gliederung – Aufbau von Argumenten – Strategien des Argumentierens – Verfassen einer dialektischen Erörterung

Frühlingssemester: Einführung in wissenschaftliches Arbeiten und Schreiben

– Vermittlung wissenschaftlicher Arbeitstechniken, wie: Bibliografieren

– Umgang mit wissenschaftlicher Sekundärliteratur (Stichworte, die hier zu nennen sind: Plagiate, unge-kennzeichnetes Zitieren)

– Einbinden von Sekundärliteratur in einen eigenen Text (direktes Zitieren, indirektes Zitieren, Paraphrasieren etc.)

– Einführung entsprechender Redemittel – Einführung von Redemitteln zum Abgrenzen der eige-

nen Meinung/Aussagen etc.

Sommersemester: Erstellen einer wissenschaftlichen Arbeit

– eigenständiges Verfassen einer wissenschaftlichen Hausarbeit in Zusammenarbeit mit den TutorInnen

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dienkompetenz) vorgegeben und zumAnderen ausgewählte Sekundärliteraturzur Verfügung gestellt, die auch gemein-sam im Unterricht besprochen und dis-kutiert wird. Aufgabe ist es – in Zusam-menarbeit mit den TutorInnen – einenArbeitstitel selbstständig zu erarbeitenund sich mit dem gewählten Untersu-chungsgegenstand vertraut zu machen.Es muss zunächst eine (Grob-)Gliede-rung erstellt werden. Die zur Verfügunggestellte Sekundärliteratur soll in Zusam-menarbeit mit den TutorInnen aufgear-beitet werden und wenn nötig bzw. ge-wünscht, kann weitere Sekundärliteraturrecherchiert werden. Diese einzelnen Ar-beitsschritte werden von den Kursteil-nehmerInnen im Unterricht präsentiertund im Plenum analysiert und diskutiert.So kann sichergestellt werden, dass dieSekundärliteratur sprachlich bewältigtwird. Darüber hinaus präsentieren Stu-dierende im Unterricht auch Auszügeaus bereits verfassten Kapiteln ihrer Ar-beiten. Ziel des Sommersemesters ist das selbst-ständige Verfassen einer wissenschaftli-chen Arbeit in Zusammenarbeit mit denTutorInnen. Themen und Literatur wer-den nicht bereitgestellt. Diese Arbeitwird in Zusammenarbeit zwischen Tuto-rIn und Tutee geleistet, wobei der imgleichen Semester angebotene Landes-kundeunterricht häufig als Grundlageund Quelle für Hausarbeitsthemen ge-nutzt wird. Der Unterricht bekommt in dieser Phaseeinen gewissen Werkstattcharakter, der imWesentlichen aber dem Vorgehen in derzweiten Hälfte des vorangegangenen Se-mesters entspricht: auftauchende Pro-bleme werden im Plenum diskutiert, The-men erarbei tet und abgegrenzt ,(Grob-)Gliederungen besprochen und ggf.verändert, erste Entwürfe vorgestellt –ebenfalls gemeinsam besprochen und dis-kutiert. Die zweistündige Präsenzphase

dient also in erster Linie der Diskussionund Besprechung von Problemen undSchwierigkeiten, die sich im Tutorium er-geben hatten bzw. von Punkten, die dieStudierenden lieber vor Ort diskutierenwollten, wo also in ihren Augen die E-Mail-Situation nicht mehr greifen konnte. Die Arbeit im Sommersemester ist fürbeide Seiten einerseits der anspruchs-vollste und schwierigste Teil, aber oftauch – wie sich in den Evaluationen zeigt– einer der interessantesten, denn beideSeiten können und müssen hier sehr au-tonom über ihr Vorgehen und ihre ge-meinsame Arbeitsweise entscheiden, wasin einigen Fällen zu sehr intensiven Ar-beitsverhältnissen führt.

2.2.1 Organisation und Ablauf Die Studierenden der Zhejiang Universi-tät schicken ihre Hausaufgaben zunächstan ihre TutorInnen in Trier, die eine Posi-tiv-Korrektur vornehmen und die mitHinweisen und Anmerkungen verseheneHausarbeit wieder per E-Mail an die Stu-dierenden zurückschicken. Die Studieren-den beschäftigen sich erneut mit ihremText/ihrer Aufgabe und berücksichtigendie vorgenommenen Korrekturen. Sie ver-bessern ihre Fehler und schicken die Ar-beiten ein weiteres Mal an ihre TutorIn-nen. In Trier wird eine erneute Korrekturvorgenommen, die Studierenden inHangzhou verbessern ein zweites Mal ihreHausaufgaben und schicken sie nun per E-Mail an ihren Lehrer in Hangzhou. Diesernimmt eine letzte Korrektur vor undschickt die somit insgesamt drei Mal korri-gierten Hausarbeiten an die Studierendenzurück. Es sei hier bereits vorweggenom-men, dass diese Vorgaben zu weit gingenund nur von wenigen Tutoriengruppengeleistet werden konnten (vgl. hierzu auchKapitel 3.4.1). Im aktuellen E-Mail-Tuto-rium wurde die Anzahl der Kontakte da-her auf einen pro Woche reduziert.

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3. Evaluation »Schreiben I« (1. und 2.Kurzsemester) Im Verlauf und im Anschluss an das E-Mail-Tutorium wurden jeweils im An-schluss an zwei Kurzsemester anonymeEvaluationen durchgeführt. Sie umfass-ten sowohl fest vorgegebene Fragen undAussagen, die die Studierenden bewer-ten sollten, als auch die Bitte, einen kur-zen Kommentar zum E-Mail-Tutoriumzu verfassen. Im Folgenden werden zu-nächst die Einzelergebnisse der Fragenaufgelistet und unmittelbar im Anschlussdaran auch kommentiert und bewertet.Für die Kommentierung und Bewertung

werden zudem die persönlichen Kom-mentare der Studierenden aus der letzenFrage eingearbeitet. Viele Studierendegriffen hier nämlich noch einmal aus-führlich Gesichtspunkte aus dem erstenTeil des Evaluationsbogens auf. Diesekommentierenden Aussagen helfen, eindifferenziertes Bild des E-Mail-Tutori-ums zu zeichnen.1

3.1 Zusammenarbeit und persönlicherKontakt Die erste Frage soll eine erste, grobe Ein-schätzung des E-Mail-Tutoriums vermit-teln. 2

Die überwiegende Mehrheit der Studie-renden (80 %) äußert sich positiv. Diesist erfreulich, weil eine positive Bewer-tung in dieser Höhe nicht erwartetwurde. Die noch anzusprechenden Pro-bleme im Verlauf des E-Mail-Tutoriums(v. a. Zeitprobleme) haben die Studieren-den offensichtlich in ihrem Gesamturteilüber die Veranstaltung doch nicht indem Maße negativ beeinflusst, wie dieserwartet wurde. Meine zunächst leichtpessimistische Einschätzung lässt sichwahrscheinlich auch dadurch erklären,dass sich die Studierenden im Verlaufedes E-Mail-Tutoriums bei Problemenverstärkt an den Lehrer wenden und so

leicht der etwas verzerrte Eindruck ent-stehen kann, dass Vieles nicht optimalverläuft. Immerhin formulieren zwei Drittel derStudierenden am Ende des Fragebogens,dass sie auch weiterhin an einem solchenE-Mail-Tutorium teilnehmen möchten (3Personen sind unentschieden und ledig-lich 3 Personen möchten nicht mehr da-ran teilnehmen). Bei der Frage nach der Qualität der Zu-sammenarbeit mit der persönlichen Tuto-rIn zeigt sich eine eher durchschnittlicheBewertung. Etwas mehr als die Hälfte derStudierenden bewertet sie als schlecht (4)bis durchschnittlich (5).

Dieses Ergebnis bleibt deutlich hinter denErwartungen zurück, ist aber umso er-

staunlicher, wenn man berücksichtigt,dass im Fragebogen für das 3. und 4.

1 Die beiden Evaluationsbögen finden sich am Ende des Aufsatzes. 2 Zahlen geringer als 16 entstanden durch Nichtbeantworten einer Frage.

Die Arbeit im Tutorium hat mir insgesamt nicht gefallen gefallen gut gefallen sehr gut gefallen.

3x 5x 5x 2x2

Die Zusammenarbeit mit meinem Tutor/meiner Tutorin war sehr schlecht schlecht durchschnittlich gut sehr gut.

– 4x 5x 4x 3x

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Kurzsemester gerade der GesichtspunktZusammenarbeit von der Mehrzahl derStudierenden als überaus positiv hervor-gehoben wurde (vgl. Kapitel 4). Hier dürften mehrere Gründe eine Rollespielen: Der Kontakt zur TutorIn mussteerst einmal aufgebaut werden. Aufgrundder Absprache mit meiner Kollegin inTrier wurde dieser Erstkontakt von denTrierer DaF-Studierenden initiiert. Da dieArbeit mit Hilfe einer Lernplattform zudiesem Zeitpunkt noch neu und unbe-kannt war, kam es denn auch zu ersten –vor allem technischen – Problemen, die eszunächst zu lösen galt. Nicht immer gingdies sehr schnell vonstatten, da man –wiederum aus Unsicherheit – erst einegewisse Zeit abwarten wollte1 und sichso in einigen Fällen die Kontaktauf-nahme etwas verzögerte. Ein weiterer Grund hierfür dürfte sein,dass die Zusammenarbeit im zweiten Teildes E-Mail-Tutoriums von den Studieren-den freier gestaltet werden konnte. DieStudierenden auf beiden Seiten hatten we-sentlich mehr Freiräume und damit auchMöglichkeiten, die Kontakte flexibler zugestalten, da der Zeitplan ungleich offenerwar als im ersten Teil des Tutoriums. Siekonnten somit viel mehr eigene Vorstel-lungen in das Tutorium einbringen. Und ein ebenfalls nicht zu unterschätzen-der Gesichtspunkt ist das zwischenzeit-lich aufgebaute Vertrauen. Man kannteseine TutorIn besser und umgekehrtkannten die TutorInnen inzwischen auchdie Stärken und Schwächen ihrer Tutees.

Die zweifellos notwendige und sinn-volle Anonymität der Evaluation ist je-doch bei der Auswertung des Gesichts-punktes Zusammenarbeit hinderlich, dahier Aussagen zum Teil auch sehr wi-dersprüchlich sind. In persönlichen Ge-sprächen mit der deutschen TutorInnen-gruppe bei einem Besuch in Trier wurdenämlich ebenfalls auf Probleme bei derZusammenarbeit mit den Tutees hinge-wiesen: – wenig Kontaktbereitschaft; – E-Mails bleiben unbeantwortet oder

die Antworten werden mit großer zeit-licher Verzögerung geschickt;

– E-Mails sind extrem kurz und beant-worten nur einen Teil der zuvor aufge-worfenen Fragen.

Es handelte sich dabei auch um Hang-zhouer Studierende, die sich zuvor inHangzhou über ihre deutsche TutorInbeklagt hatten. Es zeigte sich in einigen Fällen, dassschon kleinste Probleme, die zum Teil auftechnisches Versagen der neuen Medienzurückzuführen waren, zu großer Miss-stimmung Anlass gaben: – E-Mails wurden nicht übermittelt bzw.

kamen verspätet an; – Unkenntnis und noch mangelnde Ver-

trautheit mit der Lernplattform; – Unsicherheit, wie man mit der Tuto-

rien-Situation umgehen soll; – ungenaue Absprachen; – immer wieder diverse Zeitprobleme

etc. Es kann im Nachhinein nicht mehr exaktrekonstruiert, aber wohl vermutet wer-

1 An dieser Stelle muss auf ein entscheidendes Defizit an der Zhejiang Universitäthingewiesen werden. Die technischen Möglichkeiten an der Universität können zwar alsausgezeichnet beschrieben werden, aber leider besteht immer noch das große Problem,dass die technische Ausrüstung (für das E-Mail-Tutorium natürlich Computer mitInternetzugang) zwar vorhanden ist, sie aber nicht einfach genutzt werden darf. So mussein Internetzugang erst aufwändig – auf Antrag – freigeschaltet werden, weshalb einVorstellen der Lernplattform im Unterricht und ein gemeinsames problemloses Arbei-ten darauf zurzeit nicht möglich ist.

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den, dass solche Unwägbarkeiten die re-lativ negative Bewertung – zumindest fürden ersten Teil des Tutoriums – beein-flusst haben.

Wichtig war es herauszufinden, ob überdie geforderte Zusammenarbeit beiHausarbeiten sich auch ein privater Kon-takt entwickelte.

In nahezu allen Fällen wird darauf hinge-wiesen, dass der Kontakt zur TutorInauch Persönliches umfasste. Dieser Ge-sichtspunkt wurde zudem von vielenStudierenden in den persönlichen Kom-mentaren zum E-Mail-Tutorium nocheinmal aufgegriffen. So wurde wieder-holt darauf hingewiesen, dass der per-sönliche Kontakt und das Sprechen bzw.Schreiben über persönliche Dinge oderauch landeskundliche Inhalte als sehrwichtig angesehen wird.

»Dieses Tutorium ist für das Studium der Ger-manistik und den Austausch zwischen Chine-sInnen und Deutschen eine gute Weise. Ich habeschon viel über Grammatik und Weihnachten inDeutschland gelernt. Und meine Partnerin istso nett, jede E-Mail zu korrigieren und viel überD[eutschland] zu erzählen.« – »Wir haben vielüber unsere Nationen und Kultur geredet; sehrnett«.1

In Fällen, in denen der persönliche Aus-tausch nicht so gut verlief, wird geradedieser Punkt von den Studierenden mo-niert: wichtig sei auch »über [ein] anderesThema [zu] sprechen«; gewünscht wird»mehr persönlichen Kontakt in der Zukunftund nicht nur Hausaufgaben« gemeinsamzu machen und auch eine mögliche Be-schäftigung mit landeskundlichen The-men wurde vorgeschlagen. Auch andere

netzgestützte Kontaktmethoden wurdenexplizit als Möglichkeiten genannt, umden persönlichen Austausch zu verbes-sern (»durch QQ und MSN mehr Austauschhaben«). Wie wichtig der (inter-)kulturelle Aus-tausch zwischen den PartnerInnen war,wird von einer Person mit dem schönenBild einer Brücke verdeutlicht:

»Wir tauschten nicht nur die Hausaufgaben,sondern auch Privates aus, da lernte ich auchviel. Nach meiner Meinung ist Deutsch als eineSprache nicht nur die HA (Hausarbeit, Haus-aufgabe; J. S.) oder ein Schema, sondern aucheine Brücke, um zwischen zwei verschiedenenKulturen und Erfahrung Kommunikation zumachen. Die Korrespondenz in dieser Form istsinnvoll«.

Viele Studierende formulieren in ihrenEvaluationsbögen, dass der persönlicheAustausch für sie wichtig ist, und bemän-geln, dass die gemeinsame Arbeit an dengeforderten Hausarbeiten dies in einigenFällen (sehr) erschwert habe. Hierzu seigesagt, dass dieses Interesse der Studie-renden unbedingt berücksichtigt werdensollte. Der Zeitplan – insbesondere für das1. und 2. Kurzsemester – wurde daherbereits entschlackt und lässt den Studie-renden im gerade laufenden E-Mail-Tuto-rium mehr Freiräume. Eine völlige Befrei-

Mein Tutor/meine Tutorin und ich haben uns auch über andere Dinge unterhalten alsnur die Hausaufgaben: Wir haben nur über die Hausaufgaben gesprochen. 1 x Wir haben gelegentlich auch Privates ausgetauscht. 11 x Wir hatten einen guten persönlichen Kontakt. 3 x

1 Alle kursiv gedruckten Sätze sind Originalaussagen der Hangzhouer Studierenden ausden Evaluationen. Vom Verfasser wurden in wenigen Fällen grammatische Fehlerkorrigiert.

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ung von Aufgabenstellungen wird jedochnicht angestrebt, denn klare Aufgabenstel-lungen und Zielvorgaben – deren Bewälti-gung auch von Seiten der Lehrkraft einge-fordert wird – bieten vielfach überhaupterst den Anreiz, sich intensiver mit derPartnerIn einzulassen. Erfahrungen an derZhejiang Universität und auch Untersu-chungen z. B. von Hess (2006: 316) zeigendeutlich, dass nicht curricular eingebun-denes Mailen und Chatten von den Stu-dierenden entweder insgesamt abgelehntwird oder nach einer anfänglichen Eupho-riephase rasch wieder aufgegeben wird,da die Gesprächsthemen ausgehen unddas Mitteilungsbedürfnis erlahmt. Curri-cular eingebettete E-Mail-Tutorien, soHess (2006: 319), »zeichnen sich geradedadurch aus, dass hier beide Seiten sehrklare Informations- und Mitteilungsbedürf-nisse hatten, die sich gegenseitig ergänz-

ten« (Hervorhebung auch im Original; J.S.). Klare Absprachen auf beiden Seiten –sowohl zwischen den Studierenden alsauch bei den verantwortlichen Lehrkräf-ten – sind ein entscheidender Faktor fürden Erfolg eines solchen E-Mail-Tutori-ums. Diese Aussage korreliert mit Erfah-rungen in Gießen und Hongkong, wo»gerade das E-Mail-Experiment mit demrelativ größten Planungs- und Steue-rungsgrad […] das erfolgreichste war«(Hess 2006: 319).

3.2 Verbesserung schriftlicher Fertigkei-ten Die folgenden vier Fragen betreffen diepersönliche Einschätzung zu Verbesse-rungen in Bezug auf Grammatik, Stilis-tik etc., die sich nach eigener Einschät-zung durch das Tutorium ergeben ha-ben.

Die Studierenden äußern sich hier eherzurückhaltend und sehen keine großenVeränderungen bezüglich ihres Schrei-bens. Dies kann auch nicht anders erwartetwerden, da die Veränderungen in der Tatfür die Studierenden nur schwer sichtbarsind. Sie befinden sich bereits auf einemhohen Sprachniveau, bei dem Verbesse-rungen naturgemäß langsamerer Art sind. Hier sei jedoch ein persönlicher Eindruckder Lehrkraft erlaubt: Es ist offensicht-

lich, dass die Studierenden durch dieerzwungene intensivere Beschäftigungmit einer Hausarbeit eine bessere Eigen-korrekturfähigkeit entwickelt haben.Flüchtigkeitsfehler und Rechtschreibfeh-ler sind seltener geworden. Viele Studie-rende beginnen auch damit, in Hausar-beiten Alternativen, z. B. was die Wort-wahl oder eine grammatische Konstruk-tion betrifft, vorzuschlagen und bittenum eine Kommentierung.

Ich habe das Gefühl, ich habe durch das Tutorium nichts gelernt wenig gelernt viel gelernt.

– 10x 6x Meine Grammatik hat sich nicht verbessert etwas verbessert viel verbessert.

4x 12x – Die Arbeit mit einem deutschen Muttersprachler hat meinen Schreibstil nicht beeinflusst positiv beeinflusst sehr positiv beeinflusst.

4x 12x – Ich schreibe heute besser als vor dem Tutorium: keine Veränderung etwas besser viel besser.

4x 12x –

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3.3 Korrekturen

Obwohl die Studierenden auf die Fragenach Problemen mit der Korrektur bzw.Korrekturmethode fast ausnahmslos be-haupten, keine oder nur wenige Pro-bleme gehabt zu haben, zeichnen diespäteren persönlichen Kommentare eindifferenzierteres Bild. Es zeigt sich dochdeutlich, dass die von den Trierer DaF-Studierenden vorgenommenen Positiv-korrekturen eine gewisse Gewöhnungs-phase bei den Hangzhouer Studieren-den erfordern. Es finden sich einige neutrale, eher kon-statierende Aussagen, wie »Sie [die Tuto-rin; J. S.] schreibt neben jeden Fehler einenGrund und eine Korrektur« oder »Sie sagteoft: ›Dieser Satz ist nicht falsch, aber es istbesser …‹«. Einige Formulierungen zei-gen aber auch deutlich ein gewisses Un-behagen mit der unbekannten Korrektur-technik. So meint eine Person:

»Er hat sich viel Mühe gegeben, meine Fehler zusortieren und zu zeigen. Dann muss ich selbstnach den Hinweisen korrigieren. An diese nega-tiven Korrekturen kann ich mich gewöhnen.Aber ich weiß dann nicht, ob ich schon einenFehler richtig korrigiert haben.«

Interessant, dass das »rote Anstreichen«eines Fehlers von der Person als positivgesehen wird, wohingegen Hinweise aufFehler mit dem Ziel der Eigenkorrekturals Unsicherheitsfaktor angesehen wer-den. Ähnlich formulieren zwei weiterePersonen, wenn sie explizit fordern, dieTutorIn müsse

»die Aufgaben im Detail korrigieren, sondernnicht nur Positiv sagen«, »Die Briefe, wenn esgrammatische Fehler gibt, auch bitte korrigie-ren«.

Für diese Sichtweise auf Fehler und Kor-rektur von Fehlern können die Lernerbio-

grafien der Studierenden als Erklärungs-muster herangezogen werden, denn vonihren chinesischen Lehrkräften sind siegewöhnt, dass insbesondere grammati-sche Fehler sehr exakt und akribisch mar-kiert werden.

3.4 Aufgetretene Probleme und Verbes-serungsvorschläge

3.4.1 Zeitprobleme Von vielen Studierenden in Hangzhouwerden Zeitprobleme unterschiedlicherArt bemängelt. Bei einem persönlichenGespräch mit TutorInnen in Trier zeigtesich, dass auch dort der Faktor Zeit bzw.Zeiteinteilung und Zeitmanagement einThema war, das noch nicht zu vollerZufriedenheit gelöst werden konnte. So liegen Semesteranfang und Semester-ende in Hangzhou und Trier etwas aus-einander, zudem kommen Ferienzeitenin Deutschland über Weihnachten hinzu.Besonders letztere führten häufig zu ei-ner Unterbrechung des Kontakts, derdann im weiteren Verlauf die Zusam-menarbeit und damit das Tutorium belas-tete. In einigen Fällen führten sie sogar zueinem Abreißen des Kontaktes und ei-nem Abbruch des Tutoriums:

»Als die Weihnachtszeit kam, schien mir, dass erin Ferien war und keine E-Mail von mir bekom-men möchte. Bis heute haben wir keinen Kontaktmehr«!

»Von den Weihnachtsferien an haben wir garkeinen Kontakt mehr.«

Eine Person, die ebenfalls explizit aufZeitprobleme verweist, gibt sogar kon-krete Zeiträume an, in denen es zu denUnterbrechungen kam:

Die Korrekturen meines Tutors/meiner Tutorin konnte ich problemlos / meistens ohne Probleme / nur mit großen Problemen verstehen.

3x 10x 1x

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»Seit dem 14.12. hat meine Tutorin mir keine E-Mail mehr geschrieben, obwohl ich danach 3–4E-Mails geschrieben habe. Sie ist nach S. gegan-gen und ich weiß nicht, warum sie seit dem14.12. mir nie mehr geschrieben hat.«

Wie sich später herausstellte, waren teil-weise auch computer- und (netz-)techni-sche Probleme für solche Unterbrechun-gen in der Kommunikation verantwort-lich. Doch muss dieser Punkt sehr ernst ge-nommen werden, zumal die hiesigen Stu-dierenden – auch aus einer fehlendeninterkulturellen Sicht heraus – die Bedeu-tung von Weihnachten für deutsche undeuropäische Studierende anscheinendnicht ausreichend einschätzen konntenund sehr ungehalten auf das Ausbleibenvon Nachrichten reagierten. Weihnach-ten in Hangzhou ist eine Party, bei derFreunde und Klassenkameraden zusam-menkommen, man aber weiterhin zumUnterricht geht und es keine Unterbre-chung im universitären Betrieb gibt. Auch zunächst banal klingende Punktewie die 6- bzw. 7-stündige Zeitverschie-bung zwischen Deutschland und Chinabeeinflussen die Zusammenarbeit. So er-reicht eine Hausarbeit, die Mittwochabendin Deutschland korrigiert wird, Hangzhouerst am nächsten Morgen und ist damit füreinen Unterricht, der am gleichen Tagstattfindet, nicht zu verwenden. Ein weiterer, oben bereits angesproche-ner Punkt, der zu Zeitproblemen führte,war die Menge an zu erledigenden Haus-arbeiten. Insbesondere im 1. und 2. Kurz-semester wurden zu viele Schreibauf-träge in zu kurzer zeitlicher Abfolge ge-geben. Die Studierenden bemängeltendies auch entsprechend:

»zu viele HA – sollten weniger sein« oder

»für uns ganz schwer ist, dass immer mehr HAgegeben werden, seit das Tutorium begann. Sohaben wir wenig Zeit, die korrigierten HAvorsichtig zu sehen und die Grammatik zuverbessern.«

Diese Kritik wurde bereits für das geradelaufende E-Mail-Tutorium umgesetzt.Die Zahl der Hausarbeiten wurde verrin-gert, die Zahl der geforderten Kontaktepro Woche zwischen Tutees und TutorIn-nen reduziert, der Zeitplan insgesamtentschlackt und vereinfacht. Doch gleich welche Menge an Hausarbei-ten bzw. Kontakten zur TutorIn vorgese-hen wird, es erfordert einen straffen Zeit-plan, der von den Studierenden selbstausgearbeitet und dann auch eingehaltenwerden muss. Dies wurde in vielen Fäl-len als schwierig moniert, Fehler tauch-ten auf beiden Seiten auf:

»Allerdings finde ich es nicht so gut, dass wir zuviel Zeit brauchen, um auf unsere E-Mails zuantworten«, »… ich bin der Meinung, dass dasTutorium zu viel Zeit braucht«, »mein Tutor hatviel zu tun und er hat wenig Zeit, schnell zuantworten« (wurde mehrmals in ähnlicherWeise formuliert).

Vor allem Studierende, die sich selbsteinen sehr genauen und engmaschigenZeitplan für ihr Studium und die Erledi-gung ihrer Hausaufgaben auferlegt ha-ben, fühlen sich durch diese zeitlichenUnwägbarkeiten in ihrem Arbeitsrhyth-mus gestört:

»Seit das Tutorium kommt, weiß ich nie, wannmeine Hausaufgaben richtig fertig sind. Dannkann ich nicht sofort innerhalb einer Wochemeine HA abgeben.«

Eine Person verweist positiv auf die anvi-sierten Ziele eines E-Mail-Tutoriums,bringt aber gleichzeitig ihr Missfallendarüber zum Ausdruck, dass man in ei-ner E-Mail »nicht alles klar besprechen«könne und zudem die zeitliche Abstim-mung mit der deutschen Seite als lästigempfunden wird:

»Für mich wird es lästig zweimal die Hausarbeitzu senden. Mein Tutor antwortet sehr langsam,weshalb ich meine Hausarbeit sehr spät zuHerrn S. senden muss. Manchmal vergesse iches sogar.«

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Auch in der folgenden Aussage wird sehrdezidiert Ablehnung gegenüber diesem(zeitaufwändigen) Korrekturprozesszum Ausdruck gebracht:

»Aber in der Tat ist das Tutorium mir egal, weilohne Tutorium Herr S. auch meine Hausaufga-ben korrigieren wird. Und weniger Zeit wirdgebraucht.«

Dies bedeutet, der erwünschte Prozessder zeitlich ausgeweiteten und damit in-tensiveren Beschäftigung mit einemSchreibprodukt wird aus (zeit-)ökonomi-schen Gründen abgelehnt. In einigen Fällen kam es sogar zu – zu-mindest zeitweisen – Verweigerungender Teilnahme am E-Mail-Tutorium.Durch Gespräche konnten die Personenzwar wieder dazu bewegt werden, sicham Tutorium zu beteiligen, doch mussfür die Zukunft ein Weg gefunden wer-den, wie mit einer solchen totalen Ver-weigerung umzugehen ist. Im Sinne au-tonomen Lernens muss sie m. E. ebenfallsakzeptiert werden.

3.4.2 Abstimmungsprobleme und Aufbau au-tonomer Lernstrategien An den von den Studierenden formulier-ten Problemen und Problembereichenlässt sich ablesen, dass doch überra-schend viele rasch unsicher werden, so-bald genaue Vorgaben fehlen. Obwohldurch die Termine für die Abgabe vonHausarbeiten ein zeitlicher Rahmen ge-setzt wurde, innerhalb dessen die Studie-renden – in Absprache mit ihrer TriererTutorIn – frei entscheiden konnten, wiesie die vorzunehmenden Korrekturenzeitlich eintakten, erwies sich dies fürnicht wenige als schwierig. Eine Personformuliert hierzu:

»Es sollte eine feste Zeit geben, in der wir unsmit unserer TutorIn besprechen und uns dieHausaufgaben schicken.«

Dieser Forderung ist ja nun nichts entge-genzusetzen, doch sollte diese »feste

Zeit« von den Beteiligten selbst festgelegtund eingehalten werden, was aber an-scheinend nicht funktioniert hat. Auch eine Aussage bezüglich mangeln-der Verantwortung beim Tutor zeigt, dasses schwer fällt, Wünsche anzumeldenbzw. sich mit der Gegenseite konstruktivauseinanderzusetzen:

»Der Tutor sollte verantwortlicher sein. Ersollte nach dem Lehrplan mit dabei helfen, nichtnach seinem eigenen Plan.«

Eine Person weist in diesem Zusammen-hang explizit auf die notwendige Selbst-kontrolle hin:

»Diese Idee ist einfach schön! Ursprünglich(haben) wir es erwartet, dass jeder einen Tutorbekommt, damit wir effektiver lernen können.Aber tatsächlich, wenn alles durch E-Mail ge-macht wird, dann kann man nicht garantieren,ob es immer gut funktionieren kann. Wir arbei-ten zusammen auf der Grundlage der Freiwillig-keit. Wenn entweder der Tutor oder ein Studentin Hangzhou sich nicht an die Ordnung hält,dann wird es nicht mehr klappen.«

Selbstkritisch verweist die Person auchauf ihr eigenes diesbezügliches Fehlver-halten und lehnt dann sehr direkt dieVorgehensweise im Rahmen des E-Mail-Tutoriums ab:

»Ich vermisse sehr die Zeit, in der wir zusam-men mit Herrn S. arbeiteten. Damals ist alleskontrollierbar und ordentlich.«

Vor allem zwei Gruppen von Studieren-den hatten diverse (Zeit-)Probleme imE-Mail-Tutorium und sie hatten diesteilweise auch bereits in Gesprächenwährend des Semesters zum Ausdruckgebracht. Zum einen sind dies Studie-rende, die Schwierigkeiten haben, sichmit der Gegenseite wirklich intensivauseinanderzusetzen, was auch beinhal-tet, dass Zeiten formuliert, eingehaltenund auch eingefordert werden können,und zum Anderen Studierende, die fürsich selbst einen sehr engen zeitlichenStudienrahmenplan gesetzt haben unddiesen auch rigide einhalten. Die Ab-

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stimmung mit einer weiteren Parteiwird als störend und nicht genau kon-trollierbar angesehen. In diese Gruppefallen auch Studierende, die die in Triervorgenommenen Positivkorrektureneher ablehnen, weil die erneute Beschäf-tigung mit einem Text als Zeitver-schwendung gesehen wird.

4. Evaluation »Schreiben II« (3. und 4.Kurzsemester) »Schreiben II« umfasste das gesteuerteund selbstständige Verfassen einer wis-senschaftlichen Arbeit. Die Evaluationbeschäftigte sich mit drei Gesichtspunk-ten: der Zusammenarbeit mit den Tuto-rInnen, der verfassten Hausarbeit undder noch anstehenden BA-Abschlussar-beit.

Bei den Antworten auf Frage 1 wird vonden Studierenden fast ausnahmslos aufeine gute bis sehr gute Zusammenarbeitverwiesen. Lediglich in zwei Fällen wirdbemängelt, dass der persönliche Aus-tausch zu kurz kam:

»Wenn es (Haus-)Arbeiten gibt dann tauschenwir uns oft aus. Die Kontakte begrenzen sich inder Regel nur auf die Arbeitsgebiete.«

Mehrfach betont wird zudem das großeVerantwortungsbewusstsein der TriererStudierenden bei der Bewältigung ihrerAufgabe. Sehr interessant ist die folgendeAussage, die deutlich zeigt, dass von eini-gen Studierenden in geradezu idealerWeise der Grundgedanke eines semester-begleitenden E-Mail-Tutoriums umgesetztwurde, indem explizit auf den »Prozess«-Charakter des Lernens verwiesen wird:

»Die Zusammenarbeit ist für mich sehr gut. […]Ich habe in diesem Prozess viel gelernt.«

Auch bei Frage 2 wird überwiegend Zu-friedenheit mit dem erreichten Schreib-produkt zum Ausdruck gebracht. So isteine Person erfreut darüber, dass »allesvon mir allein geschafft ist«. Andere weisenauf eine bessere inhaltliche Struktur ihrerTexte hin: »Die Arbeit hat schon eine wissen-schaftliche Struktur« sowie einen insge-samt klareren und strukturierteren Auf-bau der Hausarbeit mit einem besserenAufbau von Argumenten. Unzufriedenheit wird vereinzelt – wieauch schon im ersten Teil des Tutoriums –vor allem in Bezug auf Zeitprobleme zumAusdruck gebracht, insbesondere Warte-zeiten auf die zu korrigierenden Hausar-beiten.

Auf diese Frage wird vorsichtig geant-wortet. Angst bzw. Unsicherheit vor dernoch anstehenden Abschlussarbeit flie-ßen immer noch in viele Antworten derStudierenden ein: Prototypisch ist die fol-gende Antwort zu sehen:

»Ich weiß […] ein bisschen mehr über wissen-schaftliche Arbeiten. Durch das E-Mail-Tuto-rium bzw. von der Tutorin habe ich viel übereine (wissenschaftliche) Arbeit erfahren. Aberich weiß nicht, ob ich es schaffen kann. Viel-leicht.«

Des Weiteren wird auf das Problem, eingutes Thema und dazu passende Materi-alien (= Sekundärliteratur; J. S.) zu fin-den, verwiesen. Wenngleich doch auchvon einer kleinen Mehrheit der Studie-renden zum Ausdruck gebracht wird,dass man sich nach dem Tutorium etwasbesser für die am Ende des 4. Studienjah-res zu verfassende Abschlussarbeit ge-

Beschreiben Sie bitte kurz, wie die Zusam-menarbeit war. Sind Sie persönlich zufrieden mit der Arbeit,die am Ende entstanden ist und die Sieabgegeben haben? Begründen Sie bitte kurzIhre Antwort.

Glauben Sie, dass es Ihnen in der Zukunftleichter fallen wird, eine wissenschaftlicheArbeit alleine zu schreiben (z. B. Ihre Ab-schlussarbeit)? Wenn ja, was wird leichtersein? Wenn nein, was fehlt Ihnen noch?

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rüstet fühlt. So heißt es unter anderem,dass man die »Prinzipien« (des wissen-schaftlichen Arbeitens) nun besser kenneund

»es wird leichter für mich in der Zukunft. Ichkenne die Form von Arbeit schon«

bis hin zu Aussagen wie:

»Ja, ich kann eine wissenschaftliche Arbeit al-leine schreiben, aber es ist nicht leicht.«

Die Antworten zeigen auch, dass nichtnur Inhaltliches bearbeitet wurde, son-dern explizit auch grammatische, syntak-tische und allgemein sprachliche Pro-bleme gemeinsam erfolgreich gelöst wer-den konnten. Man habe gelernt »Sätzeüberzeugend sowie deutlich (zu) formulie-ren« und könne nun »Texte gut […] formu-lieren«. Leider scheint eine Person dasTutorium auch mit einem kostenlosenKorrekturservice verwechselt zu haben.So formuliert diese Person, dass sie nunzwar in der Lage sei, »eine wissenschaftli-che Arbeit alleine (zu) schreiben«, wenn esauch nicht leicht für sie sei, da sie nochviele grammatische Probleme habe. Angleicher Stelle bemängelt sie:

»Statt der Hilfe der Tutorin muss ich die Arbeitvielmals lesen, um die Fehler zu korrigieren.«

Es wird hier leider deutlich, dass dasGegenseitige, das sich aufeinander Einlas-sen, der Gedanke des ›sich selbst Verbes-serns durch die Zusammenarbeit mit ei-ner muttersprachlichen Person‹ nicht er-kannt, wahrscheinlich auch nicht ge-wünscht wurde. Hilfe wird völlig redu-ziert gleichgesetzt mit Arbeitserleichte-rung und Zeitersparnis. Lediglich dreiPersonen sehen sich durch die Arbeit imE-Mail-Tutorium nicht besser auf die an-stehende BA-Abschlussarbeit vorbereitet.

5. Kommentierung und Ausblick Da die Arbeiten an den BA-Abschlussar-beiten noch nicht abgeschlossen sind, lässtsich noch kein endgültiges Urteil über den

Grad der Verbesserung im Vergleich zuden Vorjahren fällen. Es kann jedoch da-von ausgegangen werden, dass eine Qua-litätssteigerung zu verzeichnen sein wird.Dies ließ sich bereits an den im Verlauf desE-Mail-Tutoriums verfassten zwei Haus-arbeiten und den beiden im Anschluss andas E-Mail-Tutorium verfassten zweiHausarbeiten im Fach Landeskunde er-kennen. Die vorgelegten Arbeiten warenzum größten Teil sehr akzeptabel. Zuvor wurden die Inhalte des Landes-kundekurses in Form eines schriftlichenTests überprüft. Da sich aber bereits ab-zeichnete, dass sich das wissenschaftlicheSchreiben der Gruppe verbessert hatte,schien das Verfassen einer schriftlichenHausarbeit sinnvoller und zugleich demKurs angemessener. Es zeigte sich dort,dass die Studierenden insbesondere diegrundlegenden wissenschaftlichen Ar-beitstechniken weitgehend beherrschenund auch anwenden. So war das nichtbelegte Zitieren fast vollständig ver-schwunden, die Einbindung von Sekun-därliteratur in den Text und auch dieAbgrenzung von Sekundärliteratur undeigenen (kommentierenden) Aussagenhatten sich soweit verbessert, dass bei derKorrektur dieser Hausarbeiten der Kon-zentration auf inhaltliche Gesichtspunktenichts im Wege stand. Der gerade angelaufene zweite Durch-gang mit einer weiteren Gruppe von Stu-dierenden zeigt aber auch, dass man miteinigen Defiziten und Schwierigkeitenwird leben müssen. So sind technischeProbleme zu Beginn der Zusammenar-beit – selbst bei bester Vorbereitung –praktisch unvermeidbar. Wichtig ist da-her, vor allem in dieser ersten Zeit, zu denStudierenden intensiv Kontakt zu haltenund sie bereits im Vorfeld auf möglichetechnische Probleme hinzuweisen. Nurso können Enttäuschungen in dieser frü-hen Phase vermieden werden. Es mussdaher viel Zeit in die Betreuung investiert

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und immer wieder mit E-Mails zwischenbeiden Seiten vermittelt werden. Nur sokönnen zusammengebrochene oder nochnicht fest etablierte Kontakte wieder neuinitiiert und Ärger und Missverständ-nisse so weit wie möglich minimiert wer-den.

Literatur Biechele, Markus; Rösler, Dietmar; Ulrich,

Stefan; Würffel, Nicola: Internet-Aufgaben:Übungstypologien für multimediale Lernum-gebungen. Stuttgart: Klett, 2004.

Hess, Hans Werner: »E-Lernen« – Faktenund Fiktionen, Info DaF 33, 4 (2006), 305–328.

Kast, Bernd: Fertigkeit Schreiben. Fernstudien-projekt zur Fort- und Weiterbildung im Be-reich Germanistik und Deutsch als Fremd-sprache. Berlin: Langenscheidt, 1999.

Rösler, Dietmar; Würffel, Nicola: »›Gibt esdenn dafür keinen Leitfaden‹? Wie entwi-ckeln angehende DaF-Lehrerinnen in ei-nem ungesteuerten E-Mail-TutoriumAufgaben für ihre Tutees?« In: Müller-Hartmann, Andreas; Schocker-von Dith-furt, Marita (Hrsg.): Aufgabenorientierungim Fremdsprachenunterricht. Task-basedLanguage Learning and Teaching. Fest-schrift für Michael K. Legutke. Tübingen:Narr, 2004.

Tamme, Claudia: »Emotionen via E-Mail.Überlegungen zum textsortenspezifi-schen Emotionsausdruck in informellenE-Mail-Briefen«. In: Bredella, Lothar /Christ, Herbert / Legutke, Michael K.(Hrsg.): Fremdverstehen zwischen Theorieund Praxis. Arbeiten aus dem Graduierten-Kolleg »Didaktik des Fremdverstehens«. Tü-bingen: Narr, 2000, 215–242.

Tamme, Claudia: E-Mail-Tutorien: eine empi-rische Untersuchung E-Mail-vermittelterKommunikationen von Deutschstudierendenund Deutsch-als-Fremdsprache-Lehrenden inder Ausbildung. 2001. Online: http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2003/1009/ (Zugriff am 24.04.2007).

Tamme, Claudia; Rösler, Dietmar: »Heran-führung an den autonomen Umgang mitneuen Medien im Fremdsprachenunter-richt und in der Lehrausbildung am Bei-spiel von E-Mail Tutorien«, FremdsprachenLehren und Lernen 28 (1999), 80–98.

Tütken, Gisela; Neuf-Münkel, Gabriele(Hrsg.): Schreiben im DaF-Unterricht anHochschulen und Studienkollegs I.: For-schungsergebnisse – Didaktische Konzeptio-nen – Übungsformen. Vorträge der Fachta-gung DaF 1991. Regensburg: FaDaF, 1993(Materialien Deutsch als Fremdsprache,37).

Tütken, Gisela; Neuf-Münkel, Gabriele(Hrsg.): Schreiben im DaF-Unterricht anHochschulen und Studienkollegs II.: Texteausländischer Studierender. Materialien derFachtagung DaF 1991. 2. Auflage. Regens-burg: FaDaF, 1993 (Materialien Deutschals Fremdsprache, 38).

Tütken, Gisela; Singer, Gesa (Hrsg.): Schrei-ben im DaF-Unterricht an Hochschulen undStudienkollegs. Aufgaben zur sachorientier-ten, freien und universitätsbezogenen Text-produktion. Regensburg: FaDaF, 2006 (Ma-terialien Deutsch als Fremdsprache, 75).

Würffel, Nicola: »Elektronisches Praktikuman der Justus-Liebig-Universität Gießen:Eine neue Form des lernenden Lehrens«,ÖDaF Mitteilungen 1 (2002), 72–82.

Würffel, Nicola: »›Und wenn die Wellen-länge nicht stimmt‹? Zum Einfluss affek-tiver Faktoren auf Verstehensprozesse inelektronischen Lehr-Lernsituationen(Elektronisches Praktikum)«. Erscheintin: Fremdsprache und Hochschule 72 (2004),7–25.

Anhang: Evaluationsbogen für das E-Mail-Tutorium »Schreiben begleiten«(Herbst-Winter) Bitte unterstreichen Sie die Antwort, die für Sierichtig ist.

Die Arbeit im Tutorium hat mir insgesamt nicht gefallen gefallen gut gefallen sehr gut gefallen.

Die Zusammenarbeit mit meinem Tutor/meiner Tutorin war sehr schlecht schlecht durchschnittlich gut sehr gut.

Mein Tutor/meine Tutorin und ich habenuns auch über andere Dinge unterhalten alsnur die Hausaufgaben: Wir haben nur über die Hausaufgaben gesprochen. Wir haben gelegentlich auch Privates ausgetauscht. Wir hatten einen guten persönlichen Kontakt.

Ich habe das Gefühl, ich habe durch dasTutorium nichts gelernt wenig gelernt viel gelernt.

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Meine Grammatik hat sich nicht verbessert etwas verbessert viel verbessert.

Die Arbeit mit einem deutschen Mutter-sprachler hat meinen Schreibstilnicht beeinflusst positiv beeinflusst sehr positiv beeinflusst

Ich schreibe heute besser als vor dem Tuto-rium: keine Veränderung etwas besser viel besser.

Die Korrekturen meines Tutors/meiner Tu-torin konnte ich problemlos / meistens ohne Probleme / nur mit großen Problemen

verstehen.

Wenn Sie Probleme hatten, können Sie sa-gen, was das für Probleme waren? __________________________________________________________________________

Welche anderen Probleme gab es bei derZusammenarbeit mit dem Tutor/der Tuto-rin: keine Probleme Probleme: _______________________________ __________________________________________________________________________

Ich möchte weiterhin an einem solchen Tu-torium teilnehmen: nein weiß nicht ja

Was könnte/sollte man an dem Tutoriumauf jeden Fall verbessern: ____________________________________________________________________________________________________________________________________________________

Mein persönlicher Kommentar zu dem Tu-torium: ________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

Evaluationsbogen (2. Teil)

Sie haben im letzten Semester zusammen mitIhrer Trierer TutorIn im Verlauf des Semesterseine wissenschaftliche Hausarbeit verfasst.

Beschreiben Sie bitte kurz, wie die Zusam-menarbeit war. _______________________________________________________________________________________________________________

Sind Sie persönlich zufrieden mit der Ar-beit, die am Ende entstanden ist und die sieabgegeben haben? Begründen Sie bitte kurzIhre Antwort. _______________________________________________________________________________________________________________

Glauben Sie, dass es Ihnen in der Zukunftleichter fallen wird, eine wissenschaftlicheArbeit alleine zu schreiben (z. B. Ihre Ab-schlussarbeit)? Wenn ja, was wird leichtersein? Wenn nein, was fehlt Ihnen noch? _______________________________________________________________________________________________________________

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»Sophie Scholl – Die letzten Tage«

Möglichkeiten zum Einsatz im DaF-Unterricht

Tristan Lay

0. Einführende Bemerkungen Spielfilme spielen im Kontext des Leh-rens und Lernens fremder Sprachen ins-gesamt nur eine sehr marginale Rolle (fürGründe siehe z. B. Wilts 2001: 212 f.;Raabe 2003: 424 f.). Dabei eignet sich derEinsatz von Fernsehen und Video imFremdsprachenunterricht insbesonderefür die Vermittlung authentisch ziel-sprachlicher, landeskundlicher undfremdkultureller Informationen. Das Me-dium bietet ein breites Spektrum aktuel-ler, authentischer und motivierender An-lässe für den Erwerb differenzierterfremdsprachiger und interkulturellerKenntnisse. Im elektronischen Bildzeitalter wird dieLebenswelt unserer Lernenden im We-sentlichen durch die Dominanz vonBildlichkeit geprägt. In vielen Lebens-bereichen junger Erwachsener nimmtder Einfluss und die Relevanz audiovi-sueller Medien stetig zu. Die Unter-richtspraxis scheint davon jedoch vie-lerorts unberührt. Durch den Einsatzvon audiovisuellen Medien im Allge-meinen und Spielfilmen im Besonderenreagiert der Fremdsprachenunterrichtauf die Rezeptionsgewohnheiten derLernenden. In der Berücksichtigung derAlltagserfahrungen unserer Lernendensteckt ein enormes Synergiepotential,das einerseits zu einem fruchtbaren und

gewinnbringenden Lernprozess, ande-rerseits auch zu mehr Spaß und Freudeim Fremdsprachenunterricht führenkann.

1. Problemaufriss Die Möglichkeiten audiovisueller Film-materialien werden im fremdsprachli-chen Schul- und Hochschulunterricht oft-mals ungenügend genutzt. Dies trifft so-wohl in rein quantitativer als auch inqualitativ-methodischer Hinsicht zu.Spielfilme werden in der Regel vor Feri-enbeginn abgespielt, ohne erkennbareVor- und Nachbereitung, ohne die Zu-weisung konkreter filmspezifischer Be-obachtungs- und Arbeitsaufträge an dieLernenden (siehe z. B. Schwerdtfeger1989; Harms 2005). Das bloße Vorführenvon Spielfilmen mit einem sich anschlie-ßenden, häufig unter Zeitdruck geführ-ten, inhaltlich sehr oberflächlichen Dis-kussionsgespräch erweist sich als inadä-quat, die Motivation der Lernenden zuwecken und ihre Freude am Fremdspra-chenunterricht zu fördern. Das häufige unreflektierte Übertragenbekannter Aufgaben- und Übungsfor-men aus dem herkömmlichen Unterrichteignet sich ebenfalls nicht für eine me-diengerechte Arbeit mit Filmen. Aufga-ben und Übungen aus dem schriftdomi-nierten Unterricht müssen medienspezi-

Info DaF 34, 5 (2007), 503–514

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fisch durch bilddeskriptiv-filmvisuelleAufgaben zum ikonisch Dargestelltenoder durch Aufgaben zur Filmspracheergänzt werden (siehe Raabe 2003: 425).Für die Arbeit mit dem Medium Filmgelten also andere Kriterien und Voraus-setzungen als für das Buch, die sowohlLehrenden als auch Lernenden neueMöglichkeiten und Arbeitsflächen eröff-nen können (siehe Schwerdtfeger 1989:42). Im vorliegenden Beitrag steht nicht diefremdsprachendidaktische Legitimationdes Mediums Spielfilm im Zentrum(siehe dazu z. B. Schwerdtfeger 1989;Harms 2005). Ich möchte hingegen Un-terrichtsideen für filmspezifische Aufga-ben- und Übungsformen vorstellen, dieich für den Film Sophie Scholl – Die letztenTage von Marc Rothemund erarbeitethabe. Bei den nachfolgenden Unterrichtsideenhandelt es sich um praktische Arbeits-vorschläge auf Oberstufenniveau (GER:C1–C2). Sie stellen meines Erachtenseine sinnvolle Ergänzung des Fremd-sprachenunterrichts durch Filmarbeitdar. Die einzelnen Arbeitsvorschlägekönnen gut für Partner- oder Gruppen-arbeiten im Rahmen von Intensivkursenoder in Form von Blockseminaren einge-setzt werden. Auch im Kontext einesgrößeren Unterrichtsprojekts zumThema »Deutsche Filme« oder »NS-Zeit« lassen sich Unterrichtseinheiten zuSophie Scholl in den Lehrplan integrie-ren. Der methodische Ablauf der Unterrichts-stunde(n) bzw. Unterrichtseinheit(en)wird durch neun Aufgabenblätter drei-schrittig gegliedert1: 1) Vor dem Sehen(Arbeitsblätter 1a–1c); 2) Während des Se-

hens (Arbeitsblätter 2a–2c); 3) Nach demSehen (Arbeitsblätter 3a–3c). Bevor wir uns den konkreten Unter-richtsvorschlägen widmen, soll dieHandlung des Films all jenen Lesern,die ihn noch nicht kennen, skizziertwerden.

2. Synopsis Februar 1943: Die Schlacht um Stalingradnähert sich ihrem Ende. Das hunderttau-sendfache Sterben nährt in vielen dieErkenntnis von der krankhaften Obses-sion Hitlers, den sinnlosen Krieg um je-den Preis weiter zu führen. An der Ludwig-Maximilians-Universi-tät München (LMU) hat sich unterdes-sen eine Gruppe von Studierenden zu-sammengeschlossen, um den Wahnsinnzu bekämpfen. Die pazifistische Wider-standsgruppe »Die Weiße Rose« drucktin ihrem Versteck, einem Hinterhofate-lier, Flugblätter gegen die Diktatur derNationalsozialisten. Der Inhalt der Flug-blätter ist hochbrisant: Die Studenten-schaft wird darin aufgerufen, HitlersHerrschaft nach der vernichtenden mili-tärischen Niederlage der deutschenStreitkräfte in Stalingrad entgegenzutre-ten. Für solchen »Hochverrat« in Kriegs-zeiten droht die Todesstrafe. Bei einerFlugblatt-Aktion gegen das Nazi-Re-gime wird die junge Studentin SophieScholl zusammen mit ihrem BruderHans auf dem Campus der UniversitätMünchen vom Hausmeister festgehal-ten. Die aufreibenden Verhöre im Wittelsba-cher Palais, der Münchner Zentrale derGeheimen Staatspolizei, dauern insge-samt drei Tage. Die Verhöre bei der Ge-stapo entwickeln sich zu Psycho-Duellenzwischen der Widerstandskämpferin So-

1 In der Fernstudieneinheit Video im Deutschunterricht (Brandi 1996) gibt es im Hinblickauf das dreischrittige Arbeiten mit Filmen weitere ausführliche Anregungen.

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phie Scholl und dem Vernehmungsbeam-ten Robert Mohr, Kriminalobersekretärbei der Gestapo. Sophie kämpft zunächstum ihre Freiheit und um die ihres Bru-ders. Als sie erfährt, dass Hans in seinemVerhör alles auf sich genommen hat, än-dert sie ihre Strategie. Sophie stellt sich

schließlich durch ihr Geständnis schüt-zend vor die anderen Gruppenmitgliederder »Weißen Rose«. Dass sie damit ihrTodesurteil unterschreibt, ist Sophie be-wusst. Sie schwört ihren Idealen undÜberzeugungen auch dann nicht ab, alssie dadurch ihr Leben retten könnte.

3. Arbeitsblätter

Vor dem Sehen

Arbeitsblatt 1a

Vermutungen über ein Standbild äußern Die Funktion einer Bildvorgabe ist, dassdie Lernenden sich dazu äußern, indemsie Stellung beziehen, Vorlieben oder Ab-neigungen ausdrücken und Vermutun-gen über den Filminhalt anstellen. Damitsoll eine Erwartungshaltung und emotio-nale Beteiligung der Lernenden aufge-baut werden.

Aufgabe: Sehen Sie sich das folgendeStandbild an und äußern Sie sich zu denuntenstehenden Fragen:

• Was sehen Sie auf dem Bild? Wer ist zusehen? Was machen die Personen?

• Enthält das Bild Indizien über die Zeit,in der der Film spielt, über den Ort der

Überblick der Arbeitsblätter

Gliederung Arbeitsblatt Fertigkeit Kurzbeschreibung

Vor dem Sehen

1a Sprechen Vermutungen über ein Standbild äußern

1b Sehverstehen/Sprechen Hypothesen über den Filmver-lauf anstellen lassen

1c Lesen Schriftliche Vorgaben zum Film in die richtige Reihenfolge bringen

Während des Sehens

2a Hörverstehen/Sehverstehen Trennung der Informationskanäle

2b Schreiben Kreatives Schreiben einer Film-fortsetzung

2c Wortschatzarbeit Wortschatzarbeit

Nach dem Sehen

3a Schreiben Anhand von Stichpunkten eine Filmkritik schreiben

3b Sehverstehen/Sprechen Fragenkatalog

3c Leseverstehen Interview mit Regisseur

Bildnachweis: © X Verleih 2005

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Handlung oder über die Beziehungzwischen den Personen?

• Was können Sie über die Frau, diedargestellte Situation und ihre mögli-chen Gefühle sagen? Was sagen IhnenGesichtsausdruck, Kleidung und Kör-perhaltung der Personen?

• Wissen Sie etwas über diesen Film?Handelt es sich um eine authentischeBegebenheit?

Arbeitsblatt 1b

Hypothesen über den Filmverlauf anstellenlassen Auf den meisten DVDs werden zusätz-lich zum Film auch Leinwand-Trailers1 an-g e b o t e n ( u n t e r h t t p : / / w w w. s o -phiescholl-derfilm.de/ abrufbar). Dabeihandelt es sich um eine Vorschau aufeinen Film, in dem ausgewählte Filmse-quenzen zu einem Clip zusammenge-setzt werden und Einblicke in das Film-geschehen zulassen. Die Intention einesTrailers ist es, dem Publikum einen Vor-geschmack auf das beworbene Produktzu geben und Werbung für dieses zumachen. Da es sich oft um relativ kurze,aufeinanderfolgende Sequenzen handelt,ist der Betrachter auf persönliche Vermu-tungen zum Filmgeschehen angewiesen. Neben Trailers ist es auch möglich,Filmplakate im Unterricht zur sprach-lich-inhaltlichen Vorentlastung zu nut-zen. Im Archiv für Filmposter (http://www.filmposter-archiv.de/) können di-verse Plakate deutschsprachiger Filmeheruntergeladen werden.

Aufgabe: Sehen Sie sich den Trailer/diePlakate zum Film Sophie Scholl – Die letz-ten Tage an. Worüber handelt der Filmwohl? Finden Sie den Film interessant?

1 Das Wort kommt vom englischen trail, dem Schwanz/Schweif oder der Spur, und hatsich deshalb etabliert, da Trailer in frühen Zeiten tatsächlich nach dem Hauptfilm gezeigtwurden, also bildlich gesprochen den Schweif des Filmes bildeten.

Bildnachweis: © X Verleih 2005

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Arbeitsblatt 1c Schriftliche Vorgaben zum Film in die rich-tige Reihenfolge bringen1 Eine weitere Möglichkeit, auf einen Spiel-film vorzubereiten, sind selbst erstellteSatzkarten. Im folgenden Beispiel sehen

Sie zehn Satzkarten, die die Handlungdes Films zeigen. Aufgabe: Versuchen Sie mit ihrem Part-ner, die nachstehenden Satzkarten ineine für Sie sinnvolle Reihenfolge zubringen.

Während des Sehens

Arbeitsblatt 2a

Trennung der Informationskanäle Verlauf: Teilen Sie die Klasse in zweiGruppen ein: Gruppe 1 (»Audio-Gruppe«) hört in einem Unterrichtsraumdie Tonspur der DVD an, Gruppe 2 (»Vi-deo-Gruppe«) sieht in einem benachbar-ten Klassenraum den Spielfilm ohne Ton-spur an. Beiden Gruppen sollte die Mög-lichkeit gegeben werden, Ton und Bildmehrmals zu hören bzw. zu sehen. Nach-dem sich beide Gruppen Notizen ge-

macht haben, kommen sie wieder in ei-nem Klassenraum zusammen. In Partner-oder Gruppenarbeit (jeweils Lernendeaus Gruppe 1 und aus Gruppe 2) berich-ten sich die Lernenden gegenseitig, wassie gehört und gesehen haben. Nachdemsie versucht haben, das Gesehene undGehörte zusammenzubringen, wird imPlenum darüber diskutiert, worüber dieSequenz handelt. Die wichtigsten Aussa-gen werden schriftlich an der Tafel festge-halten. Zum Schluss wird die Sequenzgemeinsam gesehen. Vermutungen kön-nen nun bestätigt oder korrigiert werden.

1 Selbst erstellte Bildkarten oder Snapshots aus den Filmen können ebenso als Alternativezu den Satzkarten eingesetzt werden. Der Aufwand und die Druckkosten sind jedochdeutlich höher.

Nr. � Februar 1943 in München:

Nr. � Der Gong, der das Ende der Vorlesungen signalisiert, ertönt.

Nr. � Die Widerstandsgruppe Die Weiße Rose druckt Flugblätter gegen das Terrorregime der Nationalsozialisten.

Nr. � Nachdem die Studierenden und Professoren aus den Vorlesungen strömen werden sie vom Hausmeister festgehalten, der sie beim Auslegen der Flugblätter beobachtet hat.

Nr. � Am nächsten Tag wollen Hans und Sophie Scholl die Flugblätter an der Münchner Lud-wig-Maximilians-Universität verteilen.

Nr. � Die Verhöre dauern drei Tage.

Nr. �Als die Geschwister Scholl am Morgen die Aula der Universität betreten, ist der Licht-hof menschenleer.

Nr. � Der Vernehmungsbeamte Robert Mohr lässt sich von der Unschuld der Geschwister überzeugen.

Nr. � In aller Eile legen Hans und Sophie die Flugblätter aus.

Nr. � Doch ihre Hoffnungen schwinden, weil in der Wohnung erdrückende Beweise gefun-den werden.

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Ausgewählte Sequenz (Laufzeit: 0:00–0:06 Min.) Inhaltsskizze: Sophie und ihre FreundinGisela hören im Radio Swing-Musik. DieStimmung ist ausgelassen. Anschließendsucht Sophie das Versteck der WeißenRose auf. Die Gruppe druckt verboteneFlugblätter. Hans Scholl teilt den anderenMitgliedern folgenden Plan mit: Er willam nächsten Tag alleine an der Universi-tät Flugblätter verteilen. Willi Graf be-zeichnet seinen Plan als »Wahnsinn«. So-phie möchte ihren Bruder bei dem ge-fährlichen Vorhaben unterstützen. Aufgabe: Lesen Sie die folgenden Fragenund machen Sie während dem Hören bzw.Zeigen der Sequenz Notizen. VersuchenSie, auf der Basis der akustischen bzw.optischen Informationen, die Szene zurekonstruieren und erzählen Sie sie ihremPartner aus der Audio- bzw. Video-Gruppe. Gibt es viel Übereinstimmung?

Hörverstehen (Gruppe 1) – Was für eine Musik können Sie im

Hintergrund hören? Gefällt Ihnen dieMusik? Handelt es sich um Musik indeutscher Sprache?

– Wie würden Sie die Stimmung der bei-den Frauen beschreiben?

– Wohin möchte Sophie gehen? WelcheGeräusche können Sie erkennen?

– Worum könnte es in dieser Szene ge-hen?

– Was liest Sophie vor? – Wie viele Stimmen können Sie unter-

scheiden? – Was für eine Beziehung könnten die

Personen zueinander haben? – Was verstehen Sie von dem Gesproche-

nen? – Wovon wollen die Gruppenmitglieder

Hans überzeugen? – Warum will Sophie freiwillig an dem

Vorhaben ihres Bruders teilnehmen? – Welche Funktion erfüllt die Hinter-

grundmusik?

Sehverstehen (Gruppe 2) – Beschreiben Sie die Stimmung der bei-

den Frauen. – Was für eine Musik könnten die beiden

im Radio hören? – Um welche Zeitepoche handelt es sich? – Wohin möchte Sophie gehen? – Wer sind die Personen? Was haben sie

gemeinsam? Wo befinden sie sich? Wasmachen sie dort?

– Was könnte der Inhalt der Flugblättersein?

– An wen werden die Briefe verschickt? – In der Gruppe kommt es zu Meinungs-

verschiedenheiten. Was könnten dieGründe sein?

Arbeitsblatt 2b

Kreatives Schreiben einer Filmfortsetzung

Ausgewählte Sequenz (Laufzeit: 0:14–0:33 Min.)

Inhaltsskizze: Nachdem die GeschwisterScholl vom Hausmeister der Universitätfestgehalten werden, findet die erste Ver-nehmung beim Rektor der LMU statt.Beide leugnen die Tat. Der Verhörspezia-list Robert Mohr kommt hinzu und setztdie Vernehmung fort. Hans und SophieScholl finden weitere Ausreden. SophiesVerhör wird anschließend in der Gesta-pozentrale fortgeführt. Ihr wird mitZuchthaus oder Tod gedroht. Sie erklärtsich und ihren Bruder für »unpolitisch«.Robert Mohr teilt Sophie später mit, dasssich ihre Aussagen mit denen ihres Bru-ders decken und stellt ihr die baldigeEntlassung in Aussicht. Kurz nachdemsie ins Gefängnis eingeliefert wird, sollihr der Beamte Locher einen Entlassungs-schein ausstellen.

Aufgabe: Sehen Sie sich die folgende Film-sequenz an und schreiben Sie eine Fort-setzung. Was glauben Sie: Wird sich et-was im Leben von Sophie ändern? Be-

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schreiben Sie, wie ihre Zukunft nach ei-ner möglichen Freilassung aussehenkönnte?

Arbeitsblatt 2c Aufgabe 1: Ordnen Sie jedem Adjektiv diepassende englische Übersetzung zu.

Aufgabe 2: Schauen Sie die folgendeListe an. Wie heißen diese Adjektive

auf Englisch? Benutzen Sie ein Wörter-buch!

Aufgabe 3: Sehen Sie sich nun eines derVerhöre1 im Film an. Welche Adjektivepassen Ihrer Meinung nach zu Sophie

Scholl, welche zu Robert Mohr? Kreu-zen Sie an und begründen Sie Ihre Mei-nung.

Aufgabe: Nennen Sie weitere Personenaus dem Film (z. B. Hans Scholl, ElseGebel, Roland Freisler, Christoph Probst).

Welche Adjektive passen zu ihr/ihm?Begründen Sie ihre Wahl.

1. fleißig � a. independent

2. ehrgeizig � b. industrious

3. spontan � c. considerate

4. selbstständig � d. spontaneous

5. verantwortungsbewusst � e. patient

6. anpassungsfähig � f. ambitious

7. rücksichtsvoll � g. responsible

8. geduldig � h. adaptable

selbstsicher optimistisch engagiert revolutionär

ernst individuell kreativ gut informiert

risikobereit religiös konservativ aktiv

1 Laufzeiten: Verhör 1: 0:19–0:28 Min.; Verhör 2: 0:33–0:44 Min.; Verhör 3: 0:46–0:49 Min.;Verhör 4: 0:51–0:58 Min.

Scholl Mohr Scholl Mohr

� � revolutionär � � konservativ

� � zuverlässig � � stark

� � sympatisch � � ehrgeizig

� � nachdenklich � � intellektuell

� � geduldig � � spontan

� � rücksichtsvoll � � egoistisch

� � religiös � � selbstsicher

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Nach dem Sehen

Arbeitsblatt 3a

Stichpunkte für eine Filmkritik1

Aufgabe: Schreiben Sie mit Hilfe der Stich-punkte einen Text für eine Schülerzei-tung.

Inhalt________________________________________________________________________

Zeit/Epoche________________________________________________________________________

Hauptfigur/en________________________________________________________________________

Intention des Films________________________________________________________________________

Charakteristika im Film________________________________________________________________________

Was mir besonders gefallen/missfallenhat ________________________________________________________________________

Ergänzungen, die mir wichtig erscheinen________________________________________________________________________________________________________________________________________________

Arbeitsblatt 3b

Fragenkatalog Die folgenden Fragen sollen als Impulsefür ein gemeinsames Gespräch im Ple-num fungieren. Dabei können unter-schiedliche Themenschwerpunkte ge-setzt werden.

Zum Inhalt: – Was erfährt man über die Beweg-

gründe des Protests der »WeißenRose«? Haben die Mitglieder persönli-che, politische oder religiöse Motive?Was verbindet sie in ihrem Protest?

– Sind die Flugblätter als Widerstand ge-gen den NS-Staat zu werten? Handeltes sich bei dem Protest um eine gewalt-freie Aktion?

– Was bedeutet »Meinungsfreiheit« fürSie?

– Lassen sich die geschilderten Situatio-nen und Erlebnisse generalisieren oderwurde hier eine extreme Geschichteherausgefiltert? Stehen die Protagonis-ten nur für Einzelschicksale?

Zu den Figuren: – Kannten Sie Sophie Scholl bereits vor

dem Film? Was assoziieren Sie mit ihr? – Wie würden Sie Sophie in der Anfangs-

szene charakterisieren? – Welche Charaktereigenschaften zeich-

nen Sophie aus? Was ist das Außerge-wöhnliche an Sophie Scholl? Ist Sophiefür Sie eine Heldin? Worin unterschei-det sie sich von anderen Frauen ihresAlters?

– Welches Frauenbild vermittelt derFilm?

– Welchen Figuren bringen Sie Sympa-thie und welchen Antipathie entgegen?Begründen Sie ihre Wahl.

– Was verleiht Sophie in den aufreiben-den Verhören Stärke? Woran glaubtsie? In welchen Szenen bringt sie ihreÜberzeugungen am deutlichsten zumAusdruck?

– Wie verhält sich Sophie in den Verhö-ren? Beachten Sie dabei ihre Gestik undMimik.

1 Eine große Sammlung ausgewählter Filmkritiken sind im Internet unter http://www.filmzentrale.com/ abrufbar.

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Zum Film: – Der Film erzählt, verdichtet in knapp

zwei Stunden, die Ereignisse von fünfTagen nach. Wie finden Sie das?

– Der Film ist keine Rekonstruktion derRealität, wie sie von Fernseh-Doku-mentarfilmen versucht wird, sonderneine »fiction based on facts«. Was istder Unterschied?

– Im Vorspann wird der Hinweis »DieserFilm beruht auf historischen Fakten,bisher unveröffentlichten Verhörproto-kollen und neuen Interviews mit Zeit-zeugen.« eingeblendet. Mit welchen fil-mischen Mitteln suggeriert der FilmAuthentizität? Welchen Einfluss aufdie Wirkung des Films hat der Hin-weis, dass er auf historischen Faktenberuht?

– Gibt es Elemente des Films, von denenSie glauben oder wissen, dass sie nichtder Realität entsprechen? Wenn ja, wel-che Gründe vermuten Sie für die Ab-weichung?

– Wie werden Sophies Gefühle und ihreÄngste visualisiert? Werden weiterefilmästhetische Mittel eingesetzt, umdie Wirkung zu verstärken?

– Welche Symbole und Motive spielenim Film eine besondere Rolle? Wofürstehen sie?

– Baut der Film eher auf Informationoder Miterleben, auf Aufklärung oderauf Unterhaltung? Oder kombiniert erdiese Aspekte?

– Was sind Ihrer Meinung nach Stärken,was Schwächen des Films?

– Wie interpretieren Sie das Schlussbild?Hat die »Weiße Rose« mit ihren Aktio-nen Ihrer Meinung nach etwas errei-chen können? Glauben Sie, dass Sophiefür ihre Courage einen zu hohen Preisbezahlt hat?

– Mit welchen Farbtönen arbeitet derFilm? Welche Wirkung erzielt die Farb-gebung?

– Mit welchen Kameraperspektiven undEinstellungsgrößen arbeitet der Filmvorwiegend und welche Wirkung wirddadurch bei den Zuschauenden erzielt?

– Sind Ihnen Szenen mit besonderen Ka-meraperspektiven aufgefallen undwelche Funktion haben sie?

– Welche Atmosphäre herrscht in demFilm? Durch welche filmischen Mittelwird sie hervorgerufen? Beachten Siedabei Kamera und Beleuchtung.

– Können Sie konkret Spannung erzeu-gende Szenen benennen, oder baut sichdie Spannung im Film eher längerfris-tig durch die Handlungsentwicklungauf? Wie erzeugt der Film insgesamtSpannung? Wie erweckt er Empathie?

– Welche Arten von Musik werden ver-wendet und an welchen Stellen wirdMusik eingesetzt? Was für eine Atmos-phäre erzeugt sie?

Zur Partizipation: – Welche Formen politischer Beteiligung

und welche Protestformen kennen Sie?Welche haben Sie selbst schon ausge-übt oder würden Sie selbst ausüben?Welche nicht und warum nicht?

– Haben Sie sich selbst schon einmal fürandere oder für eine Sache eingesetzt,weil Sie das Gefühl hatten, dass Un-recht geschieht?

– Welche Formen des Widerstands zeigtder Film? Wertet er sie? Was wissen Sieüber die NS-Zeit und die »WeißeRose«?

– Welche Ereignisse oder Begebenheiten,die von anderen falsch dargestellt odertotgeschwiegen werden, deckt die»Weiße Rose« auf? Haben Sie schoneinmal etwas aufgedeckt, was in derÖffentlichkeit verschwiegen wurde?

– Welche Motive hat Sophie? Gegen wel-che äußeren und inneren Widerständekämpft Sophie an? Hätte sie mehr er-reichen können, wenn sie anders vor-gegangen wäre?

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– Welche Menschen könnten SophiesVorbilder sein? Was für eine gesell-schaftliche Stellung nahmen diese Per-sonen ein? Welche Vorbilder haben Sie?Geben sie Ihnen Impulse sich für etwaseinzusetzen?

– Kennen Sie weitere Beispiele einesKampfes gegen einen scheinbar überle-genen Gegner? Wie haben Sie davonerfahren? Wie wurde in den Mediendarüber berichtet?

Arbeitsblatt 3c

Auszüge aus der Transkription eines Inter-views mit Marc Rothemund Der Regisseur Marc Rothemund sprichtim Folgenden über seinen Film SophieScholl – Die letzten Tage und erklärt, wa-rum die Geschichte der jungen Wider-standskämpferin heute immer noch aktu-ell ist.1

Aufgabe: Lesen Sie zuerst die Fragen (kur-siv), anschließend die Äußerungen vonMarc Rothemund und beantworten Siedann die Fragen.

Gründe für den Dreh des Films

Warum wollte Marc Rothemund einen Filmüber Sophie Scholl drehen? »Ich habe so viel ›Stauffenberg‹ und›Speer‹ im Fernsehen gesehen, meistensEliten oder Soldaten. Mir kam diemenschliche Seite des Widerstands alsHaltung zu kurz. Es handelt sich da umMänner und erwähnenswerte Schicksale,aber irgendwann waren mir das zuvielUniformen und militärische Entwicklun-gen. Mich interessiert mehr der individu-elle Ansatz. Wir begegnen der Figur So-phie Scholl in einer Extremsituation, abersie ist nicht nur die engagierte junge Frau,

sondern auch die ganz normale Studen-tin. Sie ist mit mehreren Geschwisternaufgewachsen und stammte aus einerfrommen, keiner frömmelnden Familie.Ich wollte, dass man sie in ihrer Freund-schaft und Zärtlichkeit kennen lernt, inihrer Lebenslust.«

Sophie Scholl als Hauptfigur Warum fokussiert der Regisseur in seinemFilm auf die Figur der Sophie Scholl?

»[…] Für mich war es spannend, herauszu-finden, wie ein kleines Rädchen im Getriebeder Gestapo reagiert, wie die junge Fraudamit umgeht, wie ihr Nervenkostüm be-schaffen ist. Wir haben den Film Schülerndes Münchner Sophie-Scholl-Gymnasiumsvorgeführt, die das Thema eigentlich nichtmehr hören können. Und sie zeigten sichdavon fasziniert, wie Sophie Scholl mit derAufgabe wächst. Sie ist nicht als Heldingeboren, sondern entwickelt sich Schritt fürSchritt unter dem Druck der Festnahmeund schlägt auch die goldene Brücke aus,die der Vernehmungsbeamte Mohr ihr an-bietet. Sie will in keiner Weise mit den Naziszusammenarbeiten und ist konsequent,steht für ihre Ideen und Ideale bis zum Todein.«

Sophie Scholl und »Die Weiße Rose« inanderen Filmen Inwiefern unterscheidet sich der Film SophieScholl von anderen Filmen?

»[…] Bei Michael Verhoeven wird SophieScholl erst gegen Ende des Films verhaftet,wir gehen zeitlich weiter. Percy Adlon be-schränkt sich auf die Perspektive von So-phies Zellengenossin Else Gebel und endet,als Sophie in den Justizpalast gebrachtwird. Wir haben die Gerichtsverhandlungrekonstruiert und begleiten sie bis zumSchafott, erzählen aus ihrer persönlichenSicht. Die weiße Rose war ein sehr politi-scher Film, da durfte Sophie Scholl nichtweinen oder Schwäche zeigen. Wir versu-chen ihre emotionale Reise von dem glück-

1 Das Interview führte die Filmjournalistin Margret Köhler am 20. April 2005 für kinofens-ter.de, eine Film-Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung. Verfügbar über:http://www.bpb.de/themen/18NZBK,0,0,Warum_erneut_ein_Film_%FCber_Sophie_Scholl.html

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lichen Abend vor der Verhaftung bis zumTod nachzuempfinden. Aber das wichtigstewar unser Zugang zu den Protokollen derGestapo, der in den 1980er-Jahren nochnicht möglich war. Ohne diese Informatio-nen hätte ich Sophie Scholl nicht gemacht.«

Authentizität und Fiktion Was wird im Film historisch authentischdargestellt, was ist Fiktion?

»[…] Das einzige, was ich mit Julia Jentschneu geschaffen habe, ist unsere Vorstellungvon dem Menschen und dem CharakterSophie Scholl. Natürlich mussten wir eineAuswahl treffen, die dem Bogen der Ge-samtdramaturgie untergeordnet war.«

Intention des Films Welche Hoffnung verbindet Marc Rothe-mund mit seinem Film Sophie Scholl?

»[…] Dass sich die Zuschauenden mit Kon-flikten und Zivilcourage auseinandersetzenund überlegen, wie hätte ich gehandelt, wieviel setze ich für meine Überzeugung aufsSpiel. Position zu beziehen ist ein zeitlosesThema. Unterdrückung und Diktaturengibt es genug. Es geht auch um den Kom-plex des Mitlaufens. Wie viele halten denMund? Wie viele suchen ihren Vorteil? Ge-gen Ungerechtigkeit aufzustehen, denSchwächeren zu helfen, war von der Moralher für mich immer wichtig. Das geht dochbis in die heutige Zeit.«

4. Abschließende Bemerkungen Im vorliegenden Beitrag wurden anhanddes Spielfilms Sophie Scholl – Die letztenTage von Marc Rothemund vielfältigeEinsatzmöglichkeiten von Spielfilmenzur Schulung der Fertigkeiten Sehen,Sprechen, Hören, Lesen und Schreibenvorgestellt. Es wurde deutlich, dass dieArbeit mit Spielfilmen eine sinnvolle Er-gänzung zum herkömmlichen DaF-Un-terricht darstellt. Da im Kontrast zuPrinttexten Spielfilme im Unterricht sel-tener eingesetzt werden, kann angenom-men werden, dass die Einstellungen derLernenden audiovisuellen Medien ge-genüber durchaus positiv sind. DieseChance gilt es im Fremdsprachenunter-

richt durch didaktisch-methodische Vor-und Nachbereitung systematisch zu nut-zen. Denn nur die Zuweisung adäquaterfilmspezifischer Beobachtungs- und Ar-beitsaufträge an die Lernenden vermagdiese in einem sehr hohen Grad zu moti-vieren.

Literatur und Links

Bibliographie Brandi, Marie-Luise (unter Mitarbeit von

Arnsdorf, Dieter): Video im Deutschunter-richt. Eine Übungstypologie zur Arbeit mitfiktionalen und dokumentarischen Filmse-quenzen. Fernstudieneinheit 13. Mün-chen: Langenscheidt, 1996.

Bühler, Philipp: Filmheft. Sophie Scholl. Dieletzten Tage. Bonn: Bundeszentrale für po-litische Bildung/bpb, 2005.

Harms, Michael: »TV is quite a big party of mylife«. Konsequenzen aus der Dominanz vonBildlichkeit im Lerneralltag für den Fremd-sprachenunterricht in Großbritannien. Re-gensburg: FaDaF, 2005 (MaterialienDeutsch als Fremdsprache, 72).

Raabe, Horst: »Audiovisuelle Medien«. In:Bausch, Karl-Richard et al. (Hrsg.): Hand-buch Fremdsprachenunterricht. 4. Auflage.Tübingen; Basel: UTB; Francke, 2003,423–426.

Schwerdtfeger, Inge C.: Sehen und Verstehen.Arbeit mit Filmen im Unterricht Deutsch alsFremdsprache. Berlin; München: Langen-scheidt, 1989.

Wilts, Johannes: »Grundzüge einer Spiel-filmdidaktik für den Französischunter-richt«, Neusprachliche Mitteilungen 54 (4),2001, 210–221.

Literaturhinweise Bald, Detlef: Die Weiße Rose. Von der Front in

den Widerstand. Berlin: Aufbau, 2003. Breinersdorfer, Fred (Hrsg.): Sophie Scholl –

Die letzten Tage. Frankfurt/Main: Fischer,2005.

Jahnke, Karl Heinz: Weiße Rose contra Haken-kreuz. Studenten im Widerstand 1942/43.Rostock: Koch, 2003.

Jens, Inge (Hrsg.): Hans Scholl und SophieScholl, Briefe und Aufzeichnungen. Frank-furt: Fischer, 2003.

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Scholl, Inge: Die Weiße Rose. Frankfurt/Main: Fischer, 1993.

Schüler, Barbara: »Im Geiste der Gemorde-ten…« Die »Weiße Rose« und ihre Wirkungin der Nachkriegszeit. Paderborn: Schö-ningh, 2000.

Steffahn, Harald: Die Weiße Rose. Reinbek:Rowohlt, 1992.

Vinke, Hermann: Das kurze Leben der SophieScholl. Ravensburg: Maier, 1997.

Links www.sophiescholl-derfilm.de

Die offizielle Webseite zum Film. www.bpb.de/sophiescholl

Umfangreiches Online-Dossier zur Ge-schichte der »Weißen Rose«, speziell zuSophie Scholl, mit Auszügen aus bisherunveröffentlichten Vernehmungs- undGerichtsprotokollen sowie Fotos und au-diovisuellen Dokumenten.

www.dhm.de/lemo/html/nazi/wider-stand/weisserose Eine Seite des Deutschen HistorischenMuseums in Berlin mit Textauszügen ausallen sechs Flugblättern.

www.weisserose.info Neue Webseite des Weiße Rose Institute. V., gegründet von Angehörigen derMitglieder der Weißen Rose.

www.weisse-rose-stiftung.de Eine Webseite der Stiftung »Weiße Rose«,die Projekte für Schüler/innen anbietet.

Anhang

Filmdaten Originaltitel: Sophie Scholl – Die letzten

Tage (D, 2004) Regie: Marc Rothemund

Drehbuch: Fred Breinersdorfer Kamera: Martin Langer Schnitt: Hans Funck Musik: Reinhold Heil, Johnny Klimek Darsteller/innen: Julia Jentsch (Sophie

Scholl), Fabian Hinrichs (Hans Scholl),Alexander Held (Robert Mohr), JohannaGastdorf (Else Gebel), André Hennicke(Dr. Roland Freisler), Florian Stettner(Christoph Probst), Johannes Suhm (Ale-xander Schmorell), Maximilian Brückner(Willi Graf), Jörg Hube (Robert Scholl),Petra Kelling (Magdalena Scholl) u. a.

Produktion: Christoph Müller, Sven Burge-meister für Goldkind Film; Marc Rothe-mund, Fred Breinersdorfer für Broth Film

Kinoverleih: X Verleih AG Länge: 116 Minuten Bildformat: Cinemascope Tonformat: Dolby Digital FBW: besonders wertvoll FSK: ab 12 Jahren

Auszeichnungen

Internationale Filmfestspiele Berlin 2005 Silberner Bär: Beste Regie – Marc Rothe-

mund Silberner Bär: Beste Hauptdarstellerin – Ju-

lia Jentsch Preis der ökumenischen Jury Deutscher Filmpreis 2005 Bester Spielfilm in Silber Beste Hauptdarstellerin: Julia Jentsch

Europäischer Filmpreis 2005 Beste Schauspielerin: Julia Jentsch Publikumspreis Bester Regisseur: Marc Ro-

themund Publikumspreis Bester Darsteller: Julia

Jentsch

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Warum der »Zwiebelfisch« nicht in den Deutsch-unterricht gehört

Péter Maitz und Stephan Elspaß

1. Die merkwürdige Erfolgsgeschichtedes »Zwiebelfischs« – und wie man sichdazu verhalten kann In Heft 34, 2/3 (2007: 306 f.) »Für Siegelesen« der Info DaF ist eine Rezensionüber den dritten Band von Bastian SicksFortsetzungswerk Der Dativ ist dem Geni-tiv sein Tod (Sick 2006) erschienen. SicksBuch scheint die Rezensentin begeistertzu haben, denn ihr Gesamturteil ist ein-deutig und ohne jegliche Einschränkungpositiv: »Abschließend kann ich mich nur dem Um-schlagtext anschließen, der besagt: ›Lesenicht irgendein Buch, sondern lies diesesBuch!‹«

Nun steht die Rezensentin mit ihrer Be-geisterung offenbar nicht alleine da. SicksOnline-Kolumne »Zwiebelfisch« hat einegroße Fangemeinde, seine Bücher ver-kaufen sich sehr gut, und der Autor wirdin manchen Medien schon als Star gefei-ert: Tausende von Interessierten hörtenihm im März 2006 im Rahmen der – auchvon der Guiness-Redaktion als Weltre-kord anerkannten – »größten Deutsch-stunde der Welt« (so die Homepage desVerlags) zu. Dagegen, dass sprachliche –und noch genauer: grammatische – Fragen(denn darum geht es in Sicks Büchern

überwiegend) durch den »Zwiebelfisch«Aufmerksamkeit gewinnen, könnenSprachwissenschaftler im Grunde nichtshaben – im Gegenteil. Etwas anderes istfreilich die hinter diesen Büchern ste-hende Auffassung von Sprachpflege undSprachkritik, mit der wir als Sprachwis-senschaftler nichts gemein haben, wiewir im Folgenden zeigen wollen. Der unmittelbare Anlass unseres Zwi-schenrufs aber ist also der Abdruck derRezension in Info DaF als Fachzeitschriftfür Deutsch als Fremdsprache. Die»Zwiebelfisch«-Kolumnen sollten zu-nächst – nach Sicks eigenem Bekunden –nur unterhalten (Sick 2004: 9). Inzwi-schen sehen jedoch breite Kreise derdeutschsprachigen Öffentlichkeit Sick of-fenbar bereits als Instanz in SachenSprachpflege und Sprachberatung, an diesich unsichere LeserInnen in sprachli-chen Fragen wenden. Schon berichtenKollegen etwa aus Russland, dass dieBücher Sicks dort gern im DaF-Unterrichtherangezogen werden, und im Saarlandsoll – wenn man der Wikipedia-Seite überBastian Sick Glauben schenken darf –»›Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod‹ imSchuljahr 2005 in den Kanon der Pflicht-bücher für das Abitur aufgenommen«

Info DaF 34, 5 (2007), 515–526

Zur Diskussion gestellt

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worden sein (http://de.wikipedia.org/wiki/Bastian_Sick; aufgerufen am31.7.2007). Diese offenbar verbreitete Begeisterungfür den Autor der »Zwiebelfisch«-Ko-lumnen können wir freilich nicht teilen.Eins sei gleich festgehalten: Wir sehenkeinen Makel in der Tatsache, dass Sick –als Romanist und Geschichtswissen-schaftler – keine sprachgermanistischeAusbildung erfahren hat. Sick fehlt aberoffenbar eine sprachwissenschaftlicheFundierung. Und so sind es rein fachlichbegründete Argumente, die uns im kla-ren Gegensatz zur erwähnten Rezensioneindeutig Stellung gegen die Empfeh-lung beziehen lassen, Sicks Bücher oderKolumnen in der sprachlichen Ausbil-dung an NichtmuttersprachlerInnen(oder auch MuttersprachlerInnen) zuverwenden. Ein wichtiges Argument ist,dass viele der Sick’schen Texte schonallein wegen eklatanter sachlicher Fehlerfür einen grammatisch orientiertenSprachunterricht nicht zu gebrauchensind bzw. vor ihrem Gebrauch geradezuzu warnen ist. Dazu geben wir amSchluss des Beitrags einige Beispiele.1

Unser wichtigstes Argument aber ist,dass die Auffassungen von ›Sprachrich-tigkeit‹ und ›Sprachpflege‹, die in SicksBüchern immer wieder zum Vorscheinkommen, für eine überholte, wissen-

schaftlich unhaltbare und sprachsozialhöchst schädliche Position stehen. Wirhalten diese für eine Position, die weitmehr und weit größere Probleme undKonflikte im sprachlichen Alltag verur-sacht, als sie zu lösen vermag, und gegendie wir – zusammen mit zahlreichen Kol-legInnen an deutschen und ausländi-schen Hochschulen weltweit – auf argu-mentativen Wegen zu kämpfen versu-chen.

2. Das Konzept der ›Sprachrichtigkeit‹ –bei Sick und in der Linguistik Das grundsätzliche Problem besteht beim»Zwiebelfisch« und ähnlichen Schriften2

aus sprachwissenschaftlicher undsprachsozialer Perspektive darin, dass siemit einer Vorstellung von Sprachrichtig-keit arbeiten, die sich nicht nur mit demheutigen Stand der Sprachwissenschaftschwer in Einklang bringen lässt, son-dern auch den sprachlichen Interessenund Bedürfnissen einer modernen undtoleranten Gesellschaft widerspricht. Dievon Sick vertretene und propagierteSprachrichtigkeitsauffassung entspringtnämlich einer spracharistokratischen,vorwissenschaftlich-normativen Hal-tung. Selbst wenn er es hier und daimplizit oder explizit leugnet oder ab-lehnt, geht er stillschweigend doch ein-deutig davon aus, dass es an der Spitze

1 Auch wenn das manchem als Spielverderberei erscheinen sollte: Wir bezweifeln alleinschon, dass sich etwa der »Test« am Ende des dritten Bands – um die in der obengenannte Rezension, S. 207, möglichen Anwendungsbeispiele aufzugreifen – für »ver-gnügte Frauenabende oder langweilige Familienfeiern« eignet, und »für Vertretungs-stunden in Schulen« taugt er unseres Erachtens nur, wenn das Thema der Stunde›Sprachkritik‹ lautet und zusammen mit dem Zwiebelfisch gelungenere Texte herange-zogen werden (z. B. aus dem Band von Heringer 1982 oder dem Heft von Neuland 2006).

2 Sicks Bücher sind nur die Spitze eines Eisbergs. Es gibt eine Vielzahl ähnlicher, wennauch weniger ›unterhaltend‹ daherkommender Schriften, von denen nur Urbanek(2002) genannt sein soll. Solche Bücher stehen freilich in einer langen Tradition vonWerken, die in sprachpflegerischer Absicht eigene, subjektive Sprachnormen zumMaßstab für ›richtiges‹ Deutsch machen. Das vor den Büchern Sicks prominenteste undverbreitetste Beispiel sind Gustav Wustmanns »Sprachdummheiten« (1903; 1. Auflage1891, 14. Auflage 1966). Zu dieser langen Tradition vgl. jetzt Law (2007).

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einer Sprachbevölkerung Instanzen gibt,die entscheiden können, dürfen und sol-len, was sprachlich richtig und was falschist – seien es die Duden-Werke, andereGrammatiken und Wörterbücher desheutigen Deutsch oder (mit oder ohnediesen in der Hand) eben bestimmte»Sprachpäpste«. (Interessanterweisewerden in diesem Zusammenhang kaumGruppen genannt – im Gegenteil:Sprachräte etc. betrachtet man eher skep-tisch.) Nehmen wir den Fall der grammatischen›Sprachrichtigkeit‹: Es gibt ja im Grundezwei Arten von Grammatiken (vgl.Funk/Koenig 1991: 13 f.), nämlich 1. lin-guistische (wissenschaftlich-beschrei-bende) und 2. didaktisch oder pädago-gisch angelegte Grammatiken (Lerner-grammatiken). Das muss den LeserInnendieser Zeitschrift nicht näher erläutertwerden. Wichtig ist in unserem Zusam-menhang, dass erstere nicht dazu erarbei-tet wurden, um SchreiberInnen und Spre-cherInnen bestimmte Sprachgebrauchs-formen als die ›richtigen‹ vorzuschreiben.Allererste Aufgabe dieser Werke ist es imGegenteil, den jeweils aktuellen Sprach-zustand, die zu einer bestimmten Zeitbeobachtbaren Formen des tatsächlichenSprachgebrauchs zu beschreiben. Am An-fang war nicht der Duden, an dem sichdie deutsche Sprachgemeinschaft zu ori-entieren hatte, sondern die deutscheSprachgemeinschaft, deren Sprachge-brauch der Duden u. a. möglichst voll-ständig zu erfassen versuchten. Darausfolgt dann aber auch, dass es im Grundenicht nur überflüssig, sondern geradezusinnlos ist, deutschen MuttersprachlerIn-nen – außer natürlich (zukünftigen)DeutschlehrerInnen, die in ihrem Berufohne explizite Regelbeschreibungennicht auskommen können – deutscheGrammatiken in die Hand zu geben bzw.ihnen auf Grund dieser GrammatikenRatschläge zu geben, welche Regeln sie

beim Sprechen oder Schreiben beachtensollten. Denn diese Grammatiken enthal-ten ja – im Idealfall – ohnehin nur genaudas: nicht mehr und nicht weniger alsdiejenigen Regeln, nach denen sie diedeutsche Sprache von vornherein, ohneevtl. jemals eine Grammatik oder einWörterbuch in der Hand gehabt zu ha-ben, verwenden. Festgehalten werdenmuss also Folgendes: Was richtig undwas falsch ist, entscheiden nicht dieGrammatiken, nicht die Sprachwissen-schaftler – und schon gar nicht BastianSick. Was richtig oder falsch ist, was alsoin einer solchen Grammatik zu stehenhat, entscheidet der tatsächliche Sprach-gebrauch, d. h. die erwachsenen, in ihrensprachlichen Fähigkeiten nicht patholo-gisch beeinträchtigten Muttersprachle-rInnen. Als wirklich fehlerhaft (agram-matisch) können nur diejenigen sprachli-chen Formen angesehen werden, dieselbst von MuttersprachlerInnen eindeu-tig und kollektiv als solche erkannt undbeurteilt werden – und dann aber geradedeswegen in der Regel auch spontan,ohne nachschlagen oder nachfragen zumüssen, korrigiert werden können undin der Regel tatsächlich auch korrigiertwerden. Obschon Sick das Wesen solcherGrammatiken im Laufe seines Studiumskennengelernt haben müsste, ignoriert ersie zumeist – bewusst oder fahrlässig. Erverweist hier und da auf »den Duden«,greift sich aber dabei nur gerade dasheraus, was ihm gerade in den Krampasst. (Man wird auch nicht darüber auf-geklärt, welchen Duden er meint: Malerwähnt er die Duden-Grammatik – wel-che der unterschiedlichen Auflagen über-haupt? –, mal greift er zum Duden-Band»Zweifelsfälle«, mal scheint er einfach ineines der Duden-Wörterbücher geschautzu haben.) Haben Schriften vom Schlage der Sick-Bücher schon nichts mit dem Zweck wis-senschaftlicher Grammatiken zu tun, so

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sind sie ebenso wenig in die ehrwürdigeTradition grammatisch-didaktischerWerke einzureihen, die notwendiger-weise die einer Sprache inhärenten Regu-laritäten so weit abstrahieren und verein-fachen müssen, dass sie für Fremdspra-chenlernerInnen als ›Regeln‹ erlernbarsind. Wissenschaftlich-beschreibende wieauch didaktische Grammatiken sind imkrassen Gegensatz zu den Sick-Büchernsystematisch aufgebaut und erklären so-wohl die Regularitäten und Regeln alsauch die – übrigens durchaus nicht unre-gelhaften – Ausnahmen (ohne die es dieRegeln nicht gäbe). Sick und gleichge-sinnte Autoren begnügen sich damit, inungeordneter Folge bestimmte Regeln fürGesetze bzw. bestimmte Formen für kor-rekt und Ausnahmen bzw. abweichendeFormen für unkorrekt zu erklären – und dasaus einer abgehobenen und durch nichtsund niemanden legitimierten Position. Wenn nun aber deutsche Muttersprachle-rInnen die in den Grammatiken enthalte-nen Regeln ohnehin beherrschen, worausergeben sich dann, könnte und müsstejetzt die Frage lauten, trotzdem die zahl-reichen Zweifelsfälle und Unsicherheitenim sprachlichen Alltag? Woher kommtdas große Interesse an Sprachratgebern,woraus resuliert die begeisterte Auf-nahme selbst vom stark nach Unwissenund sprachlicher Intoleranz riechenden»Zwiebelfisch«? Die zwei Schlüsselkate-gorien, die uns zur Antwort verhelfendürften, lauten: Sprachvariation undSprachwandel.

3. Vom Umgang mit sprachlicher Varia-tion Die Tatsache, dass jede natürliche Spra-che, so auch das Deutsche, heterogen istund in ihren verschiedenen VarietätenGestalt annimmt, wird auch von Sicknicht geleugnet; im Gegenteil bekundeter z. B. in seinem Buch immer wieder

seine Begeisterung für die regionale Viel-falt, besonders für die deutschen Dia-lekte. Neben der regionalen Variabilitätzeigen natürliche Sprachen auch eine so-ziale und eine situative Varianz, so dasswir es am Ende – und ganz besonders inDeutschland – mit einem äußerst vielge-staltigen Komplex von Varietäten undihrer inneren Verflochtenheit zu tun ha-ben (zur Variation im Deutschen siehez. B. Barbour/Stevenson 1998; Neuland2004). So wird in Süddeutschland nebenden zahlreichen klein- und großräumigenregionalen Varietäten eine Standardva-rietät (›Hochdeutsch‹) gesprochen, dieaber auch markante regionale Unter-schiede zur in Norddeutschland gespro-chenen Standardsprache zeigt. Des Wei-teren werden natürlich auch in Süd-deutschland weitere Varietäten im weite-ren Sinne verwendet, so auch verschie-dene Register oder Stile (z. B. ›Jugend-sprachen‹), die ebenfalls nicht nur fach-sprachliche oder gruppentypische, son-dern auch typische regionale Merkmalezeigen können. Auch diese ›Varietäten‹sind also keineswegs homogen, sondernweisen vielmehr auch eine interne Varia-tion auf. Nun ist es so, dass Sprecher inder Regel gleichzeitig mehrere von diesenVarietäten beherrschen, und durch ihresozialen Kontakte und ihre soziale undgeografische Mobilität auch noch mitzahlreichen weiteren von ihnen nicht be-herrschten konfrontiert werden. Und ge-nau dieser Varietätenkontakt und dieseVarietätenvielfalt sind es, die die Quellevieler Unsicherheiten und Zweifelsfälledarstellen. Varietäten haben ihre eigenenRegeln und Normen, die sich mehr oderweniger stark von denen anderer Varietä-ten unterscheiden. Vieles von dem, wasuns im sprachlichen Alltag (in Zeitungen,Fernsehsendungen oder bei der sponta-nen Kommunikation mit anderen) als›Abweichung‹ ins Auge fällt, ist also kei-neswegs ein Fehler, sondern einfach nur

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eine Struktur einer anderen, uns selbstnicht so sehr vertrauten Varietät. SolcheStrukturen als mangel- oder fehlerhaftabzustempeln wäre etwa so, als würdenwir von Briten behaupten, sie fahrenfalsch, weil sie mit ihren Autos in derlinken Spur fahren. (Sie verhalten sichnatürlich nach den in ihrer Verkehrsge-meinschaft geltenden Regeln völlig rich-tig.) Was soziales Konfliktpotential in sichbirgt, ist allein, das sprachliche oder an-dere Verhalten von anderen nach unsereneigenen, von vornherein anderen Maßstä-ben zu messen und bewerten zu wollen. Sick und sein Alter ego (so genau weißman nie, welche seiner Geschichten au-thentisch von ihm erlebt, ihm von seinenLeserInnen zugetragen oder schlichtwegerfunden sind) zeichnen sich durch eineausgesprochene Intoleranz gegenüberVarianten des Deutschen aus, die er imRegelapparat seines Idiolekts oder beimschnellen Blick in den Duden nicht ortenkann. Meist sind es (vermeintlich) mittel-oder süddeutsche Sprachgebrauchswei-sen, die er – als vorwiegend in Schleswig-Holstein und Hamburg Sozialisierter –als auffällig markiert (der »›Wem-sing‹-Fall »im Rheinland« (Sick 2006: 16), diedoppelte Verneinung beim »Bayern«,(Sick 2006: 58) oder der »Wowoismus«der Baden-Württemberger (Sick 2006:142), der auch die – norddeutsch soziali-sierte? – Rezensentin belustigte). Und ermacht auch deutlich, dass er seine Ge-brauchsweise als korrekter betrachtet –so wie er es etwa in der Wiedergabe eines(echten?) persönlichen Gesprächs mit sei-ner in Thüringen lebenden Cousine de-monstriert:

»Eine meiner Cousinen, die in Thüringenlebt, verwendet gelegentlich den Ausdruck›Ich fahr auf Polen‹. Beim ersten Mal habeich sie noch verbessert: ›Du meinst, dustehst auf Polen.‹ […]« (Sick 2006: 49 –Kursivsetzung von Sick, Fettdruck durchuns, P. M./S. E.).

Nicht nur Sicks aristokratisch-normativeAttitüde, sondern auch die von uns – undvon vielen anderen – beobachtetensprachlichen Alltagsprobleme und -kon-flikte deuten darauf hin, dass der tole-rante Umgang mit der erwähnten Varie-tätenvielfalt in Deutschland bis heute we-sentlich mehr Probleme bereitet, als diesin anderen europäischen Sprachkulturen,etwa in Norwegen oder Italien, der Fallist. Eine solche Haltung ist bei linguisti-schen Laien, die in diese, aus früherenJahrhunderten ererbte und den Bedürf-nissen einer modernen und tolerantenGesellschaft nicht angepasste Sprachauf-fassung unwillentlich hineinsozialisiertwurden, höchst verständlich (selbstwenn Norweger oder Italiener darüberetwas überrascht oder verwundert wä-ren). Bei jemandem wie Sick, der aberdieses Laienpublikum mit seinen Bü-chern nicht mehr nur unterhalten, son-dern inzwischen auch orientieren undbelehren will, der also zumindest still-schweigend von sich selbst behauptet, erwisse von Sprache mehr als die anderen,ist eine solche Haltung nichts anderes alsignorant. Dass Sprachgebrauchsformen im deut-schen Alltag oft als falsch oder zumindestals fragwürdig angesehen werden undgleich zur verzweifelten Fragestellung»Richtig oder falsch?« führen, hat aberauch noch zwei andere Gründe. Der ersteist, dass die laienhafte, nicht selten aberauch die (pseudo)professionelle Sprach-pflege und Sprachkritik (siehe etwa Sick)in Deutschland sehr stark von den Nor-men der geschriebenen Standardvarietätausgeht: Sie wird als Maßstab zur Beur-teilung und Bewertung sprachlicher For-men verwendet – selbst wenn es sich umnicht-standardsprachliche Formen derAlltagssprache handelt (was hier allesmöglich ist, zeigt etwa der unterwww.uni-augsburg.de/alltagssprachezugängliche »Atlas zur deutschen All-

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tagssprache (AdA)«). Die Situation istmehr als absurd: Eine vollkommen ge-läufige, d. h. richtige Variante oder Struk-tur der Varietät X wird deswegen alsfalsch oder problematisch abgelehnt,weil sie den Regeln der Varietät Y nichtentspricht. So verfährt auch Sick (mehr-fach) etwa dann, wenn er über auch vonihm selbst beobachtete gebräuchliche re-gionale Sprachgebrauchsformen wie AmSonntag gehen wir alle wieder schön bei derOma. oder Komm bei Mutti! nachdenktund schreibt:

»Das Verwirrende an diesen ›Bei‹-Spielenist, dass Fügungen wie ›bei Mutti‹ oder ›beider Oma‹ nicht grundsätzlich der Standard-grammatik widersprechen« (Sick 2006: 51,Hervorhebungen durch Fettsetzung vonuns – P. M., S. E.).

Zum einen muss man sich hier fragen,was es denn heißen soll, dass eine Fü-gung nicht »grundsätzlich« irgendwel-chen Regeln widerspricht: Entweder wi-derspricht eine Form einer Regel grund-sätzlich, oder sie tut es grundsätzlichnicht. Die Zahl solcher und ähnlicher,sinnlos relativierender Formulierungenist bei Sick Legion, was eindeutig zeigt,dass er das Phänomen der Sprachvaria-tion im Prinzip zwar offensichtlich(an)erkennt, mit ihm aber in der Praxisnicht umzugehen weiß. Er merkt zwaroffensichtlich, dass es sich um alltags-sprachlich geläufige und folglich faktischrichtige Formen handelt, er kann sichaber von seinem latenten Ideal der kulti-vierten und über allen Varietäten stehen-den standardsprachlichen Norm nicht lö-sen. Und zum anderen: In diesem Fallentsprechen die bei-Formen tatsächlichnicht den Normen der geschriebenenStandardvarietät. Der Witz ist jedoch,dass die zitierten Formen ganz offen-sichtlich überhaupt keine standard-sprachlichen Formen sind und folglichauch in keinerlei Hinsicht den Regeln derStandardsprache zu entsprechen brau-

chen: Selbst die Sprecher, die die zitiertenStrukturen benutzen, würden diese wohlkaum in der standardsprachlichenSchriftlichkeit gebrauchen. Die Aussagealso, dass solche Formen nicht grundsätz-lich der Standardgrammatik widerspre-chen, ist nicht nur weiter vollkommenbelanglos und überflüssig, sondern auchverunsichernd und irreführend. Ein weiteres fundamentales Problem istauch bei Sick, dass er einerseits mit einergewissen Zuneigung auf die vor allemdialektale Vielfalt des Deutschen herab-blickt, auf der anderen Seite aber einfachnicht mit der Tatsache zurechtkommt,dass auch die Standardsprache Variationzulässt (zu Fragen der Standardvariationvgl. grundsätzlich etwa König 1989;Eichinger/Kallmeyer 2005; Elspaß 2005;Durrell 2004; ein Nachschlagewerk zurStandardvariation im Deutschen ist das»Variantenwörterbuch des Deutschen«:Ammon/Bickel/Ebner et al. 2004). Sokommt es immer wieder zu Halb- undUnwahrheiten, z. B. schreibt Sick zur Va-riation von sein und haben bei den zusam-mengesetzten Vergangenheitsformenvon stehen, liegen und sitzen im »Glossar«:

»Die Verben ›stehen‹, ›liegen‹ und ›sitzen‹drücken keine Bewegung aus, daher wer-den sie standardsprachlich mit ›haben‹ kon-jugiert: Ich habe gesessen, ich habe gelegen,ich habe gestanden. In Süddeutschland undin Österreich sagt man dennoch ›Ich bingesessen‹, ›Ich bin gelegen‹ und ›Ich bingestanden‹.« (Sick 2006: 222)

Nein, man schreibt auch ich bin gesessenetc., diese Formen sind standardsprach-lich, und nicht nur in Süddeutschlandund Österreich, sondern auch in derSchweiz, in Liechtenstein und in Südtirol.Absurd wird die auf Homogenität fi-xierte Standardideologie auf Seite 102,wo er in einem anderen Zusammenhangauf diese Varianten zu sprechen kommt:

»Man denke nur an Beispiele wie: ›DerSchrank hat dort gestanden‹ (Hochdeutsch)

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und ›Der Schrank ist dort gestanden‹ (Süd-deutsch)«. (Hervorhebungen durch Fettset-zung von uns – P. M., S. E.).

Dass der Autor der »Zwiebelfisch«-Ko-lumnen, wie die Beispiele zeigen, mitdem Phänomen der Sprachvariationfachlich und faktisch nicht angemessenumzugehen weiß und auf diese Weiseeinen aristokratisch-intoleranten Um-gang mit sprachlicher Vielfalt propagiert,hat einen hohen Preis. Diese Haltungbringt nämlich auch in praktischer,sprachsozialer Hinsicht mehr Schadenals Nutzen. Die dogmatische Standard-zentriertheit führt nämlich, wie mansieht, auf geradem Wege zu sprachlicherDiskriminierung: Durch die Stigmatisie-rung von allgemein gebräuchlichen, folg-lich vollkommen richtigen nicht-stan-dardsprachlichen und manchmal auchstandardsprachlichen Formen1 werdenzwangsläufig – im besten Falle nur impli-zit – zugleich auch wir alle, die solcheFormen tatsächlich verwenden, stigmati-siert, unbegründet zurechtgewiesen,falsch belehrt und als in unserem Sprach-gebrauch defizitär beurteilt. Und einensolch hohen Preis dürfte man für den»Zwiebelfisch« wohl nicht bezahlen wol-len.

4. Vom Umgang mit Sprachwandel Der andere, genauso wichtige Grund,warum wir im sprachlichen Alltag oftverunsichert sind und an der Richtigkeitvon bestimmten Sprachgebrauchsformenzweifeln, ist das Phänomen des Sprach-wandels. Sprachliche Veränderungenbzw. Neuerungen, die zum Wesen einerjeden natürlichen Sprache gehören undderen kognitive, kommunikative und so-zialsymbolische Funktionalität erst si-

chern, setzen zwangsläufig immer alsAbweichungen von der jeweils geltendenSprachgebrauchsnorm ein. Sie erschei-nen zunächst im Sprachgebrauch Einzel-ner und verbreiten sich dann von dortaus allmählich in immer breiteren Spre-cherkreisen. Gerade weil sie noch nichtüblich sind, d. h. von den aktuellen Nor-men abweichen, werden solche Neuerun-gen in ihrem Anfangs- und Zwischensta-dium tatsächlich auch als ungewöhnlich,eben als neu wahrgenommen und vonsprachkonservativen, Neuerungen ge-genüber weniger aufgeschlossenen See-len oft einfach als Fehler abgestempelt.Solche Normverstöße sind allerdings,wie gesagt, die natürlichen, unerlässli-chen Keime des Sprachwandels, ohne diewiederum die Sprache auch nicht diewandelnden Bedürfnisse einer Sprachbe-völkerung angemessen erfüllen könnte.Die Legitimität solcher zwangsläufig vonder Norm abweichenden Neuerungennicht anzuerkennen und gegen sie zukämpfen, ist – wie die Erfahrung gezeigthat – nicht nur sinnlos und vergeblich,sondern es verkörpert zugleich auch eineHaltung, die die Natur der Sprache nichtanerkennt, ja ihr widerstrebt (und geradedeswegen zwangsläufig zum Scheiternverurteilt ist). Freilich setzen sich, wieman das aus der linguistischen Erfah-rung weiß, bei weitem nicht alle dieserindividuellen sprachlichen Neuerungendurch. Wenn sie sich aber nicht durchset-zen, dann nur in Ausnahmefällen als Er-gebnis sprachpflegerischer Bemühun-gen. Und auch umgekehrt: Wenn sie sichdurchsetzen, setzen sie sich auch ohnesprachpflegerische oder sprachkritischePropaganda durch. Nicht ernst zu neh-men ist daher schon der Auftakt der oben

1 Berühmt-berüchtigte Stigmatisierungsfälle in der Grammatik-Geschichte des Deut-schen, wie z. B. temporales wo, die tun-Fügung, wegen + Dativ u. a., untersuchen Davies/Langer (2006).

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genannten Rezension: »Bastian Sick ist esmit diesem dritten Band Der Dativ ist demGenitiv sein Tod ein weiteres Mal gelun-gen, das Ableben des Genitivs ein wenighinauszuzögern« (Seite 306). Sollte derGenitiv im Deutschen sterben, so wird ersterben, egal was Bastian Sick tut; undsollte er doch überleben, so wird diesgewiss nicht dem »Zwiebelfisch« zu ver-danken sein. Diese Vergeblichkeit aristo-kratisch-willkürlicher Eingriffsversuchein die natürliche Sprachentwicklung hatschon vor über hundert Jahren auch Gus-tav Wustmann, der Verfasser der be-rühmten, vierzehnfach (!) aufgelegten»Sprachdummheiten« erkannt und be-reits im Vorwort zur dritten Auflage resi-gniert zugegeben:

»Mein Buch hat zwar großen äußeren Er-folg gehabt, aber doch eigentlich weniggenützt […] Fehler und Geschmacklosig-keiten, auf die ich vor zwölf Jahren als neuauftauchende hingewiesen habe, haben sichinzwischen festgesetzt und werden schwer-lich zu beseitigen sein.« (Wustmann 1903,zitiert nach von Polenz 1999: 300)

Sicks zahlreiche, implizit oder explizitwertende, empfehlende oder ablehnendeStellungnahmen zu Fragen und konkretenFällen des Sprachwandels sind aber nichtnur aus diesem Grund prinzipiell verfehltund daher praktisch sinnlos. Nicht nur aufden natürlichen Verlauf des Sprachwan-dels vermag er keinen Einfluss auszu-üben, sondern auch Orientierungshilfenzu geben ist er aus der Natur der Sacheheraus außer Stande. Und nicht nur er,auch der Duden oder sonstige wissen-schaftlichen Grammatiken sind es in derRegel, und zwar aus zwei Gründen: 1. Die Unsicherheiten und Zweifelsfälle,die sich daraus ergeben, dass durch denSprachwandel entstandene neue, nochnicht allgemein verwendete Formen ne-

ben den gängigen existieren, können auchmit Hilfe von Grammatiken nicht geklärtwerden. Beschreibende Grammatikensind nämlich bloße ›Momentaufnahmen‹vom Sprachgebrauch einer jeweiligen en-geren Zeitperiode. Da aber der Sprach-wandel eben einen kontinuierlichen, nieaufhörenden Prozess darstellt, hat dieszwangsläufig zur Folge, dass Grammati-ken gerade in Bezug auf solche jüngstenoder gerade laufenden Sprachwandelpro-zesse, d. h. Neuerungen, vielfach schonzum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung ver-altet sind. Beschreibende Grammatiken,aber auch Wörterbücher rennen demSprachwandel sozusagen ständig hinter-her, können die aktuellen Regeln desSprachgebrauchs aber selbstverständlichnie einholen. Dies bedeutet, dass wedersprachliche Nachschlagewerke noch dersich auf diese beziehende Sick in der Lagesein können, in auf Sprachwandel zurück-führbaren Zweifelsfällen brauchbare Ori-entierungshilfen zu geben. Ob sich solcheNeuerungen allgemein durchsetzen, d. h.unter den SprecherInnen der vom Wandelbetroffenen Sprachvarietät allgemein als›richtig‹ akzeptiert werden, können sie –und vor allem selbsternannte Sprachpfle-ger – nicht entscheiden; nur die Zeit undmit der Zeit die SprecherInnen selbst kön-nen es. 2. Viele der von Sick behandelten, aufSprachwandel zurückführbaren Zwei-felsfälle betreffen, wie schon erwähnt,nicht die Standardsprache, sondern eineder zahlreichen regionalen, sozialen odersituativen Varietäten oder Sprachstile desDeutschen. Die gängigen und auch vonSick als Referenzwerke benutzten Gram-matiken enthalten jedoch ausschließlichdas Regelwerk der geschriebenen Stan-dardsprache.1 Höchstens am Rande, d. h.

1 Ausnahmen sind z. B. die IDS-Grammatik und die neue Duden-Grammatik von 2005,die ein eigenes Kapitel zur Grammatik des gesprochenen Deutsch hat.

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nur unsystematisch gehen sie auf Non-standardphänomene ein. Und darausfolgt, dass diese Grammatiken, selbstwenn sie systematisch auch Sprachwan-delphänomene behandeln würden (wassie aber nicht tun), sich höchstens inBezug auf die Standardsprache äußernkönnten. Gerade in Bezug auf Varianzund Wandel im gesprochenen Nonstan-dardbereich, in dem aber eigentlich derGroßteil unserer Alltagskommunikationstattfindet, wären sie also selbst in die-sem – imaginären! – Idealfall von vorn-herein unbrauchbar. Schließlich sei darauf hingewiesen, dassvom Sprachwandel selbstverständlichauch die Standardsprache betroffen ist.Wäre dies nicht so, wäre ja das Deutscheeine tote Sprache. Diesem Wandel gehtein Sprachnormenwandel voraus, deralle Sprecherschichten der deutschenSprachbevölkerung ergreift (vgl. Dovalil2006).

5. Willst du (be)lehren, so kenne deinFach! Bislang haben wir zu zeigen versucht,aus welchen Gründen wir Sicks sprach-pflegerisches und sprachrichterischesAuftreten für konzeptionell verfehlt,fachlich veraltet und sprachsozial schäd-lich halten. Es gibt aber auch noch min-destens einen weiteren, äußerst gewichti-gen Grund, warum wir den »Zwiebel-fisch« im Gegensatz zur Rezensentin fürden Sprachunterricht keineswegs emp-fehlen können: Sicks Kolumnen enthal-ten zahlreiche, häufig ausgesprochen ele-mentare inhaltliche und terminologischeFehler, die eigentlich keiner, der jemals –egal, ob romanistische oder germanisti-sche – Sprachwissenschaft studiert hat,begehen dürfte. Und erst recht nicht,wenn er als »Sprachrichter« auftritt. Um hier alle diese Fehler aus den dreiBänden korrigieren zu können, wäremehr Raum nötig, als uns zur Verfügung

steht. Aus den ersten beiden Bändenseien nur einige Unsäglichkeiten heraus-gegriffen, wie:

»normalerweise steht das Attribut vor demHauptwort« (Sick 2004: 24),

»Bei Gleichheit sagt man wie, bei Ungleich-heit als. Das nennt man Positiv und Kompa-rativ« (Sick 2004: 295),

»Das Füllwörtchen ›halt‹ ist weder falschesDeutsch, noch ist es schlechtes Deutsch. Esist mundartlich. Man benutzt es vor allemim süddeutschen Raum, dort, wo aleman-nische und bairische Dialekte gesprochenwerden. In der Hochsprache sind eher diegleichbedeutenden Ausdrücke ›eben‹ und›nun einmal‹ gebräuchlich« (Sick 2005:112).

»Adventszeit ist die Zeit des Advents, hierlässt sich das Fugen-s also mit dem Genitivrechtfertigen« (Sick 2005: 182).

Aus dem vorliegenden dritten Band wäh-len wir ein einziges Beispiel, das wiretwas näher kommentieren wollen. Sickschreibt:

»Von seiner grammatischen Struktur istdas Wort ›Bevölkerung‹ also kein Kollekti-vum (= Sammelbegriff) wie ›Volk‹, son-dern beschreibt einen Vorgang: den Vor-gang des Bevölkerns. Es bedeutet somitnicht ›Volk‹, sondern ›Besiedelung‹« (Sick2006: 170).

Das Problem ist auch hier ein Zweifaches.Zum einen kann ein Wort niemals vonseiner grammatischen Struktur, sonderneinzig und allein von seiner Bedeutungein oder eben kein Kollektivum sein. Kol-lektiva haben nämlich nicht im Gerings-ten eine nur für sie charakteristischegrammatische Struktur, an denen man sieerkennen könnte. Vielmehr werden sienach Wortbildungsmustern gebildet,nach denen auch die zahlreichen anderensemantischen Klassen der Substantivegebildet werden, vgl. etwa Mannschaft,Getreide, Schmuck usw. ›Kollektivum‹ istalso eine rein semantische Kategorie, diemit grammatischer Struktur nichts zu tunhat. Zum anderen ist auch die Behaup-

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tung – um es gelinde auszudrücken –höchst abenteuerlich, dass das Wort Be-völkerung nicht ›Volk‹, sondern den Vor-gang des Bevölkerns, also ›Besiedelung‹bedeutet. Es gibt wohl kaum Mutter-sprachlerInnen des Deutschen, die – sowie Sick offenbar – mit der »BevölkerungDeutschlands« nicht das dort lebendeVolk, sondern den Prozess der Besiede-lung des Landes meinen. Sollte jedochSick gemeint haben, dass das Wort des-wegen ›Besiedelung‹ bedeute, weil ausbe-Verben durch -ung-Suffigierung abge-leitete Substantive in der Regel Vorgängebezeichnen, so führt er seine LeserInnenwieder in die Irre. In diesem Fall geht ernämlich von einer von ihm selbst erfun-denen, in Wirklichkeit aber nicht existie-renden semantischen Regel aus. Selbstwenn es nämlich Substantive gibt, auf dieseine Beobachtung zutrifft, so gibt esviele andere, bei denen dies keineswegsder Fall ist (vgl. Bemerkung, Berechtigung,Berührung, Bescheinigung, Beschränkung,Begrenzung usw.). Man sieht also, wie seineigenes Urteil den inkompetenten Rich-ter entlarvt: Die mangelnde Kenntnis derProzess(f)akten führt zu einem sachlichverfehlten, ungerechten Urteil. Vom My-thos der »logischen Sprache« ausgehenderklärt der Richter selbst ein unschuldi-ges Substantiv für schuldig und will ihmmit erstaunlicher Überheblichkeit vor-schreiben, was es auf Grund seines Fehl-wissens zu bedeuten habe.

6. Schluss Man kann – wie in unserem Fall – alsSprachwissenschaftler und (ehemaligerbzw. derzeitiger) DaF-Lehrer über dasPhänomen »Sick« staunen, sich am»Zwiebelfisch« erfreuen oder auch sichüber ihn bzw. darüber ärgern. Gerade imletzteren Falle könnte man das Buch DerDativ ist dem Genitiv sein Tod – Folge 3 abereigentlich schnell beiseite legen und sichwieder unterhaltsameren und/oder seri-

öseren Dingen zuwenden. Denn es zeigtsich beim Durchblättern des Buchs unse-res Erachtens nach schnell, dass Sick we-der in sprachwissenschaftlicher noch insprachdidaktischer Hinsicht Profi ist. Inder Rezension, auf die wir hier reagieren,wird das Buch jedoch keineswegs nur als›unterhaltend‹ empfohlen, sondern gera-dezu als Lehrwerk behandelt. Andersgesagt: Dadurch, dass eine unserem Ein-druck nach eher schnell dahingeschrie-bene Kurzrezension von einer seriösenFachzeitschrift vorschnell abgedrucktwird, droht das Buch gewissermaßen dieApprobation als Fachbuch für den DaF-Unterricht zu erhalten. Wir halten dieBücher Sicks aus sprachdidaktischerSicht für untauglich und aus sprachauf-klärerischer Sicht für kontraproduktiv.Und wir gingen eigentlich davon aus,dass die meisten KollegInnen es genausosehen. Aber dessen sind wir uns inzwi-schen gar nicht mehr so sicher. Jedenfallssahen wir uns durch das Erscheinen desRezensionstextes dazu veranlasst, dieGründe für unser Urteil so detailliertdarzulegen. Haben wir Gegenvorschläge? In Bezugauf Unterhaltung nicht, denn das istbekanntlich Geschmackssache. Wer sichaber kompetent über Grammatik infor-mieren will, greife zu den bewährtendidaktischen und/oder wissenschaftli-chen Grammatiken (Helbig/Buscha,Duden, Eisenberg, die IDS-Grammatiku. a.). Man muss sie freilich benutzenkönnen und sich darüber bewusst sein,dass auch sie nicht die letzten Antwor-ten zu geben vermögen; aber wer das inseinem Studium nicht gelernt hat, solltevom Deutschunterricht – ob an Mutter-sprachlerInnen oder Nichtmutter-sprachlerInnen – die Finger lassen. Undwer tatsächlich meint, durch die Lektüreder Sick’schen Bücher auch etwas ge-lernt zu haben, dem seien als Kontrast-programm z. B. die ersten beiden Kapi-

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tel der Sprachgeschichte von Peter vonPolenz (Band 1, 2000) empfohlen, in derer/sie etwas über »die Veränderbarkeitvon Sprache und wie man darüberdenkt« und »Grundbegriffe der Sprach-entwicklung« wie Sprachwandel,Sprachökonomie und Sprachvariationerfahren kann. Dort erfährt man auf 80Seiten mehr über das Wesen von Spra-che und den sachgerechten Umgang mitSprache und Sprachkritik als auf ca. 750»Zwiebelfisch«-Seiten. Und schließlich: Sprachberatung hat – imGegensatz zu Sprachpflege und Sprach-kritik im traditionellen Sinne (Wust-mann, Urbanek, Sick etc.) – durchausauch in modernen, liberalen Gesellschaf-ten wie der unseren ihren Platz. Sie darfnur nicht – wie Sick es tut – die Rollebeanspruchen, als stillschweigende odergar deklarierte Normautorität eine ganzeSprachgemeinschaft belehren und zu-rechtweisen zu wollen. Ihre wichtigsteAufgabe sollte im Gegenteil gerade darinbestehen, Vielfalt und Wandel als natürli-che Eigenschaften von Sprache bewusstzu machen und den angemessenen, tole-ranten Umgang mit ihnen zu fördern.Dazu gehört natürlich an erster Stelle derAbschied von der aus alten Zeiten ererb-ten Vorstellung, dass Sprachgebrauchs-formen kategorisch als entweder richtigoder falsch auszuweisen seien. Vielmehrsoll eine linguistisch und sprachsozialvertretbare Sprachberatung auf Grundsorgfältiger Beobachtungen und fachge-rechter, fundierter linguistischer Be-schreibungen dabei helfen, in der Vielfaltder Sprache diejenigen Formen zu fin-den, die am jeweiligen Ort, in der jeweili-gen Kommunikationssituation und demjeweiligen Kommunikationspartner ge-genüber angemessen sind. Kurzum: Waswir dringend brauchen, ist nicht der»Zwiebelfisch«, sondern eine soziolinguis-tisch fundierte Sprachberatung.

Literatur Ammon, Ulrich, Bickel; Hans; Ebner, Jakob;

Esterhammer, Ruth; Gasser, Markus; Ho-fer, Lorenz; Kellermeier-Rehbein, Birte;Löffler, Heinrich; Mangott, Doris; Moser,Hans; Schläpfer, Robert; Schloßmacher,Michael; Schmidlin, Regula; Vallaster,Günter: Variantenwörterbuch des Deut-schen. Die Standardsprache in Österreich,der Schweiz und Deutschland sowie in Liech-tenstein, Luxemburg, Ostbelgien und Südti-rol. Berlin; New York: de Gruyter, 2004.

Atlas zur deutschen Alltagssprache (AdA). Be-arbeitet von Stephan Elspaß und RobertMöller 2003 ff. (www.uni-augsburg.de/all-tagssprache).

Barbour, Stephen; Stevenson, Patrick: Varia-tion im Deutschen. Soziolinguistische Pers-pektiven. Berlin; New York: de Gruyter,1998.

Davies, Winifred; Langer, Nils: The Makingof Bad Language. Bern; Berlin; Brüssel;Frankfurt am Main; New York; Oxford;Wien: Lang, 2006.

Dovalil, Vít: Sprachnormenwandel im ge-schriebenen Deutsch an der Schwelle zum 21.Jahrhundert. Die Entwicklung in ausgesuch-ten Bereichen der Grammatik. Bern; Berlin;Brüssel; Frankfurt am Main; New York;Oxford; Wien: Lang, 2006 (DuisburgerArbeiten zur Sprach- und Kulturwissen-schaft, 63).

Duden. Die Grammatik. 7. völlig neu erarbei-tete und erweiterte Auflage. Herausgege-ben von der Dudenredaktion. Mann-heim; Leipzig; Wien; Zürich: Dudenver-lag, 2005 (Duden 4).

Duden. Richtiges und gutes Deutsch. Wörter-buch der sprachlichen Zweifelsfälle. 6., voll-ständig überarbeitete Auflage. Herausge-geben von der Dudenredaktion. Mann-heim; Leipzig; Wien; Zürich: Dudenver-lag, 2007 (Duden 9).

Durrell, Martin: »Variation im Deutschenaus der Sicht von Deutsch als Fremdspra-che«, Der Deutschunterricht 56, 1 (2004).

Eichinger, Ludwig M.; Kallmeyer, Werner(Hrsg.): Standardvariation. Wie viel Varia-tion verträgt die deutsche Sprache? Berlin;New York: de Gruyter, 2005.

Eisenberg, Peter: Grundriß der deutschenGrammatik. Band 1: Das Wort. Band 2: DerSatz. 2., überarbeitete und aktualisierteAuflage. Stuttgart: Metzler, 2004.

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Funk, Hermann; Koenig, Michael: Gramma-tik lehren und lernen. Berlin; München;Wien: Langenscheidt, 1991 (Fernstudien-einheit, 1).

Helbig, Gerhard; Buscha, Joachim: DeutscheGrammatik. Ein Handbuch für den Auslän-derunterricht [Neubearbeitung]. Berlin;München; Wien; Zürich; New York: Lan-genscheidt, 2001

Heringer, Hans Jürgen (Hrsg.): Holzfeuer imhölzernen Ofen. Aufsätze zur politischenSprachkritik. Tübingen: Narr, 1982.

König, Werner: Atlas zur Aussprache desSchriftdeutschen in der BundesrepublikDeutschland. 2 Bände. Ismaning: Hueber,1989.

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Neuland, Eva (Hrsg.): Sprachvariation imheutigen Deutsch. Themenheft der Zeit-schrift Der Deutschunterricht 56, 1 (2004).

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Polenz, Peter von: Deutsche Sprachgeschichtevom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. 3Bände. Berlin; New York: de Gruyter,1994/1999/2000.

Sick, Bastian: Der Dativ ist dem Genitiv seinTod. Ein Wegweiser durch den Irrgarten derdeutschen Sprache. 10. Auflage Köln: Kie-penheuer & Witsch, 2004.

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Sick, Bastian: Der Dativ ist dem Genitiv seinTod. Folge 3: Noch mehr aus dem Irrgartender deutschen Sprache. Köln: Kiepenheuer& Witsch, 2006.

Urbanek, Ferdinand: Gutes Deutsch heute.Vorstöße und Verstöße der deutschen Gegen-wartssprache. Paderborn: IFB, 2002.

Wustmann, Gustav: Allerhand Sprachdumm-heiten. Kleine deutsche Grammatik des Zwei-felhaften, des Falschen und des Häßlichen. 3.,verbesserte und vermehrte Auflage.Leipzig: Grunow (1903).

Zifonun, Gisela; Hoffmann, Ludger; Stre-cker, Bruno: Grammatik der deutschen Spra-che. 3 Bände. Berlin; New York: de Gruy-ter, 1997.

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Antwort auf Péter Maitz/Stephan Elspaß und Einladung zur Diskussion

Werner Roggausch

Vorbemerkung

Péter Maitz und Stephan Elspaß nehmenStellung zur Besprechung des Buches vonBastian Sick »Der Dativ ist dem Genitiv seinTod«, die in Info DaF 2/3 2007 erschienenist. Sie bezweifeln Sicks fachliche Kompe-tenz und kritisieren vehement seine norma-tive Intention. Maitz/Elspaß vermochtenmich nicht zu überzeugen. Im Gegenteil, ichhalte ihre Position für höchst angreifbarund formuliere im Folgenden konträre The-sen. Stellungnahmen von Leserinnen und Le-sern dieser Zeitschrift sind willkommenund werden, wenn sich eine interessanteDiskussion absehen lässt, in einem der fol-genden Hefte abgedruckt.

Maitz/Elspaß argumentieren vehementgegen die Bücher und Kolumnen vonBastian Sick. Sie formulieren ihre Kritikauf mehreren Ebenen. Sie werfen dem Autor unzureichende lin-guistische Kenntnisse und sachlich-fach-liche Fehler vor. Die Belege zur Verifizie-rung dieses Vorwurfs überzeugen michnicht recht. Aber dies ist mir nicht sowichtig. Ich will die Beispiele nicht imEinzelnen kommentieren. Ich will auchfreimütig einräumen, dass mir die Auto-ren an sprachwissenschaftlichem Sach-verstand überlegen sind. Explizit und implizit entwickeln Maitz/Elspaß Grundannahmen zu den Aufga-ben der Linguistik. Kernaufgabe der Lin-guistik sei die Beschreibung des realenSprachgebrauchs, nicht jedoch Sprach-pflege, normative Vorschriften und Wer-

tungen. Die Linguistik sei keine Instanzund keine Institution, die über sprachli-che Richtigkeit entscheide. Ich könntedies als argumentativen Ausgangspunktfür wissenschaftlich deskriptive Gram-matiken natürlich akzeptieren, obwohlich die These wage, dass selbst diese ausEntscheidungsproblemen über falschund richtig nie ganz herauskommen undbei Zweifelsfällen oder sprachlichenNeuerungen normgesteuerte Positionenvertreten. Der Autor Bastian Sick lässtsich jedoch nicht an Kategorien der wis-senschaftlichen Grammatik messen. Ichverstehe seine Intention vielmehr an derSchnittstelle von Sprachwissenschaft, Pä-dagogik und Unterhaltung! Das ist wohlauch gar nicht kontrovers. So sehen dasMaitz/Elspaß auch. Und nun donnernsie ihm entgegen: Er vertrete eine »über-holte, wissenschaftlich unhaltbare undsprachsozial höchst schädliche Position«.Und am Ende ihres Textes dann gleichnoch einmal: Sie halten »Sicks sprach-pflegerisches und sprachrichterlichesAuftreten für konzeptionell verfehlt,fachlich veraltet und sprachsozial schäd-lich«. Ich bin nun ganz der gegensätzli-chen Meinung und will hier pointiertfesthalten: Ich halte Sicks Intentionen fürbegründet, aktuell und nützlich! Maitz/Elspaß sind ganz offenbar derAuffassung, bei Muttersprachlern stellesich ein angemessener, normgerechterund funktionsfähiger Sprachgebrauchvon selber ein. Demnach sei es sinnlos,

Info DaF 34, 5 (2007), 527–530

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ihnen, den Muttersprachlern, »Rat-schläge zu geben, welche Regeln sie beimSprechen und Schreiben beachten soll-ten«. Ich halte das für eine verblüffende,von keinerlei Empirie, nicht einmal vomersten Augenschein gestützte Behaup-tung. Ganz im Gegenteil: Wer den realenSprachgebrauch von Kindern und Jun-gendlichen, von Abiturienten und Stu-dierenden, auch von Erwachsenen außer-halb der intellektuellen Milieus, selbstvon Journalisten und Fernsehmoderato-ren anschaut, der sieht nun wahrlichüberall deutliche Defizite: GrammatischeFehler, unzureichendes mündliches Aus-drucksvermögen, klischeehafte Spracheund Mangel an Differenzierungsvermö-gen, eine mündliche Alltagssprache, dieselbst schlichten pragmatischen Zweckenkaum genügt, schon gar nicht einem et-was weitergehenden intellektuellen An-spruch, oft genug nicht einmal in Ansät-zen die Beherrschung der schriftsprachli-chen Register oder der Regeln für ver-schiedene Textsorten. Fachleute sagen,dass ein Drittel der Hauptschulabsolven-ten wegen Defiziten, die auch sprachli-cher Art sind, nicht ausbildbar seien. Diedeutschen Hochschulen beginnen,Deutschkurse für deutsche Abiturienteneinzurichten, weil deren Sprachvermö-gen für Ansprüche, die eigentlich im Stu-dium selbstverständlich sein müssten,nicht ausreicht. Wir haben bei der Pisa-Studie auch wegen der unzureichendenBeherrschung der Muttersprache bei vie-len Schülerinnen und Schülern schlechtabgeschnitten. Über sprachlich defizitär ausgebildeteUnterschichtkinder ist viel geforscht undviel geschrieben worden. Wenn ich also das sprachliche Vermögendurchschnittlicher Sprecher anschaue,dann gelange ich zu dem Schluss, dasswir ganz dringend normgestützteSpracherziehung, Sprachpflege undSprachpädagogik benötigen. Dies müsste

als vordringliche Aufgabe des Deutsch-unterrichts auf allen Schulstufen verstan-den werden. Wer sich bei Kindern, Ju-gendlichen und jungen Erwachsenen mitder Sprachbeherrschung, die sich vonselbst einstellt, zufrieden gibt, der verur-teilt große Prozentanteile zu lebenslan-gen sprachlichen Defiziten. Und dafürwerden sie auch ganz handfest bestraft:Durch die Verachtung, die sie auf sichziehen, und durch schlechtere Chancenbei jeder Bewerbung. Wer sich also nor-mativen Ansprüchen an Sprachbeherr-schung und Sprachkultur widersetzt, derlässt die Kinder und Jugendlichen mitsprachlichen Defiziten genau in die Dis-kriminierung laufen, der er deklamato-risch entgegenzutreten vorgibt. Maitz/Elspaß werfen Sick vor, er könnesich nicht »von seinem latenten Ideal derkultivierten und über allen Varietätenstehenden standardsprachlichen Normlösen«. Mir scheint, die Anstrengung al-ler beteiligten Institutionen vom Eltern-haus über Kindergarten und Schule biszur Universität sollte sich genau daraufrichten: Auf das Ideal anspruchsvollerstandardsprachlicher Norm! So verstanden hätte ich auch keine Ein-wände gegen den von Maitz/Elspaß hef-tig gescholtenen Aristokratismus, wennnämlich unter Aristokratismus ein hoherästhetischer Anspruch, Differenzierungs-vermögen und sprachliche Kultur ver-standen wird. Angesichts zunehmendergesamtgesellschaftlicher Verwahrlo-sungstendenzen, die sich auch in derSprache niederschlagen, sollten dieseAnsprüche von den gesellschaftlichenEliten bewusst und offensiv vertretenwerden. Natürlich ist dies keine mit Kategoriender Linguistik zu stützende Position, sieist vielmehr politisch-pädagogisch. Abergenau dort sehe ich Sicks Intention. Undsie verdient jede Unterstützung.

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Sick wolle, so schreiben Maitz/Elspaß,nicht nur unterhalten, sondern auch ori-entieren und belehren. Genau das! Unddafür kann er noble und ehrwürdige Tra-ditionen in Anspruch nehmen: »autprodesse, aut delectare …« Der Text von Maitz/Elspaß hat Tiefen-schichten, die nicht explizit angespro-chen werden, gleichwohl zugänglichsind. Diesen Tiefenschichten will ich,über den Anlass hinausgehend, noch ei-nige Überlegungen widmen: Maitz/Els-paß sehen die Aufgaben der Sprachwis-senschaft als deskriptiv, ausdrücklichnicht als normgebend an. Nun, der Posi-tivismusstreit ist nicht beendet. Für dieGeisteswissenschaften, die immer auchhermeneutische Disziplinen sind, gibt eskein Entkommen aus normativen Fragenund Richtig-Falsch-Entscheidungen. Si-cher: Sie können sich auf das, was positivder Fall, nachweisbar und faktisch ist,beschränken. Aber um einen teurenPreis: Sie werden dann banal und belang-los. Dieser Rückzug auf das vermeintlichideologiefrei Faktische war nach demZweiten Weltkrieg angesichts der Unter-werfung vieler Wissenschaftler unter In-dienstname durch nationalsozialistischePolitik gewiss eine angemessene Gegen-position (wenngleich inhaltsleer undüberhaus harmlos); und das darin wirk-same schlechte Gewissen war mehr alsbegründet. Aber einem Normdiskursentkommen die Geisteswissenschaftenauf die Dauer nicht, es sei denn blankdezisionistisch. Wer denn, wenn nichtunsere Universitäten und unsere bestenWissenschaftler, könnten und sollten zurDefinition begründeter humaner und an-spruchsvoller Normen etwas beitragen.Wenn die Geisteswissenschaften diesenAnspruch von sich weisen, verurteilensie sich zur Bedeutungslosigkeit. Angesichts der aktuellen Reform der Stu-diengänge wird häufig der Anspruch deralten Humboldtschen Universität hoch

gehalten und verteidigt. Humboldt lässtsich schwerlich für positivistische Geis-teswissenschaften, die sich auf Normdis-kurse und politisch-praktische Konse-quenzen nicht einlassen, in Anspruchnehmen. Erkennen und Handeln sind nieganz und gar zu treffen. Wissenschaftund Didaktik, Erkenntnis und gesell-schaftliche Praxis stehen immer im Bezugzueinander. Mit allen großen Namen ausder Geschichte der Hermeneutik, mitNietzsche und Schleiermacher, mit Gada-mer und Habermas, sogar mit Max We-ber (freilich mit einem dialektischen Pur-zelbaum hinter seinem Rücken) wäre dieThese zu stützen, dass praktisches Wol-len die Wissenschaft treibt und legiti-miert. Und nun wieder zurück zum aktuellenAnlass: Unsere Gesellschaften stellennicht von selbst vernünftige Praxis, hu-mane Erziehung, ästhetische Ansprücheund gute Sprachbeherrschung her. Dazumüssen sich alle Institutionen, die es ver-mögen, unentwegt engagieren. Wir brau-chen sprachliche Normen, hohe Ansprü-che, Sprachpflege und Spracherziehung.Es mag schon sein, dass auch Sick nichtviel bewirkt. Aber sein Bemühen ver-dient jede Unterstützung. Was hat das nun mit Deutsch als Fremd-sprache zu tun? Vielleicht auf den erstenBlick wenig. Aber die muttersprachlicheAusbildung von Kindern und Jugendli-chen sowie die Ausbildung vonDeutschlehrern sind längst Felder, aufdenen von homogener Muttersprachenicht mehr die Rede sein kann. In denSchulklassen sind in zunehmender ZahlSchülerinnen und Schüler, für die dasDeutsche nicht Muttersprache ist. In je-der Ausbildung von Deutschlehrernsollte daher DaF berücksichtigt werdenund einen definierten curricularen Stel-lenwert haben. Meine Erfahrung in zahlreichen Ländernlässt mich die These wagen, dass in den

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meisten Fällen die Ansprüche an norm-gerechte Sprachbeherrschung deutlichhöher sind als bei uns in Deutschlandund dass in schulischer Ausbildung undErziehung dieser Anspruch auch prak-tisch wird. Wo nun das Deutsche als

Fremdsprache erforscht und gelehrtwird, da ist nun vollends der Verzicht aufRegeln und Normen, auf das Unterrich-ten von Regeln und das Üben regelgelei-teten Sprechens und Schreibens ganz un-denkbar.

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Foschi Albert, Marina; Hepp, Marianne;Neuland, Eva (Hrsg.):Texte in Sprachforschung und Sprachun-terricht. Pisaner Fachtagung 2004 zuneuen Wegen der italienisch-deutschenKooperation. München: iudicium, 2006. –ISBN 978-3-89129-403-1. 355 Seiten, € 45,–

(Lucia Cinato, Turin/Italien)

Das Buch präsentiert die Ergebnisse derinternationalen Fachtagung Texte inSprachforschung und Sprachunterricht –Neue Wege der italienisch-deutschen Koope-ration (Pisa, vom 21. bis 24. Oktober2004). Dieses Treffen, an dem über 80Germanisten aus Italien und aus deutsch-sprachigen Ländern teilgenommen ha-ben, setzt die in Bari 2003 mit der DAAD-Germanistentagung begonnene und inRom 2004 mit der Tagung DeutscheSprachwissenschaft in Italien weiterge-führte Tradition der deutsch-italieni-schen Zusammenarbeit fort. In den Beiträgen geht es um den Text alsSchnittstelle für Forschungsinteressen inder Sprach- und Übersetzungswissen-schaft im DaF-Bereich und um die Ver-bindung zur Literaturwissenschaft undihrer Didaktik. Die Aktualität dieserThematik hängt auch damit zusammen,dass man – trotz der jahrelangen Aus-einandersetzung mit dem Text- und Tex-tualitätsbegriff, die seit den sechzigerJahren zu vielen zum Teil auf immanen-ten Texttheorien, zum Teil auf texttran-szendenten Ansätzen aus pragmati-scher, soziologischer, psychologischerund kulturwissenschaftlicher Perspek-tive basierten Modellen geführt hat –immer noch nicht zu einer allgemeinakzeptierten Definition des Text-Begriffsgekommen ist.

Das Buch enthält alle Tagungsbeiträge,die, wie die Tagung selbst, in fünf Grup-pen bzw. Kapitel unterteilt sind. Jedes derersten vier Kapitel beinhaltet eine grund-sätzliche Fragestellung: im 1. Kapitel,Standortbestimmung, wird die Frage nachder Definition von Text und Textualitätbehandelt. Das 2. Kapitel, Textlinguisti-sche Modelle für die universitäre DaF- bzw.Übersetzungsdidaktik, beschäftigt sich mitder Methodik in Hinsicht auf eine Verbes-serung der Sprach- und Übersetzungsdi-daktik. Im Mittelpunkt des 3. Kapitelssteht die Frage nach dem Verhältnis zwi-schen Textlinguistik und Satzgrammatik,Satzgrammatik oder Textgrammatik im uni-versitären Daf-Unterricht. Welche Textebzw. Textsorten und welche textuellenTextkompetenzen für die universitäreDaF- und Übersetzungsdidaktik relevantsind, ist Gegenstand der Diskussion im 4.Kapitel (Textualität im Sprach- und Überset-zungsunterricht: Analysen und Konzepte).Das letzte Kapitel hingegen ist For-schungsprojekten von jungen Nach-wuchswissenschaftlerInnen der sprach-wissenschaftlich ausgerichteten Germa-nistik in Italien gewidmet. Jeder Beitragist mit einer kurzen Bibliographie zurVertiefung des Themas versehen. Marina Foschi stellt in ihrem einführen-den Beitrag dar, wie die im Jahr 2001 inItalien durchgeführte Studienreform,durch die das Fach Lingua tedesca zumPflichtfach erhoben wurde und ehemalsautonome Studiengänge wie die fürÜbersetzer und Dolmetscher darin einge-gliedert wurden, landesweit zu Diskus-sionen über Inhalte, Ziele und Aufgabender Disziplin und ihr Verhältnis zumDaF-Bereich geführt hat. Während dieInlandsgermanistik eine lange Tradition

Info DaF 34, 5 (2007), 531–533

Rezension

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an sprachwissenschaftlichen Studien,aber wenige Berührungspunkte mit demBereich der Didaktik Deutsch als Fremd-sprache aufweist, sei die germanistischeLinguistik in Italien eine junge Disziplin,die eng mit der Didaktik zusammenar-beiten solle. Wenn Theorie und DidaktikSchlüsselwörter dieser Tagung darstell-ten, sei der Text die Schnittstelle zwi-schen linguistischen, literarischen unddidaktischen Interessen. Die verschiede-nen Ansätze und Textanalysen im Bandkönnen als Lösungen und Antworten aufdie Bedürfnisse eines Studiengangs ange-sehen werden, der heutzutage mehr Fle-xibilität und spezifische, auch in der Ar-beitswelt anwendbare Kompetenzen er-fordert. Dem Erzähltext als Verbindung zwischenSprachwissenschaft und Literaturwis-senschaft, Sprachforschung und Sprach-unterricht, Wissenschaftsorientierungund Berufsorientierung ist der erste Bei-trag von Eva Neuland gewidmet, wäh-rend Marcello Soffritti, wie schon in ei-nem vorigen Aufsatz (Soffritti, Marcello2004: Wissenschaft und Sachkenntnis im In-ternet – Formen der Popularisierung im heu-tigen Deutsch, in: Sandro M. Moraldo,Marcello Soffritti (Hrsg.): Deutsch aktuell.Einführung in die Tendenzen der deutschenGegenwartssprache. Roma: Carocci, 2004,216–229), die Bedeutung der neuen Me-dien hervorhebt und es für notwendigerachtet, die neuen Textformen des Inter-net mehr und mehr zum Forschungsge-genstand der Sprachwissenschaft zu ma-chen, da sie sich mit den bisherigen Kate-gorien der Textlinguistik nicht erfassenlassen. Die neuen Kommunikationsfor-men sollten immer mehr in die Didaktikintegriert werden, was sowohl für dieTextproduktion und -rezeption als auchfür die Übersetzungs- und Fachdidaktikgilt. Ein historischer, in ein weitgreifen-des Sprachkonzept einbezogener Stand-punkt bildet die Grundlage des Beitrags

von Konrad Ehlich, der, von verschiede-nen Definitionen ausgehend, den Ver-such unternimmt, die Widersprüche zuveranschaulichen, die sich mit dem Kon-zept von Text und Textualität innerhalbder Linguistik ergeben; Ulla Fix hingegenanalysiert den Stil, dessen Bedeutung alseines grundlegenden Textelements, dasdie Rezeption in eine bestimmte Rich-tung zu lenken vermag, wiederentdecktwird. Das zweite Kapitel bietet ein breitesSpektrum an Meinungen und verschie-denen Perspektiven in Bezug auf die Me-thodik: K. Brinker schlägt ein klassischesModell vor und geht von verschiedenenTextfunktionen und drei Beschreibungs-ebenen (kommunikativ-pragmatisch,thematisch und grammatisch) als Basisdes DaF-Unterrichts aus. Lorenza Regaversucht in ihrem Übersetzungsansatzdie Makro- und Mikroebenen und dieMerkmale der verschiedenen Textsortenbeider Sprachen zu berücksichtigen. In-tertextualität und kognitive Textlinguis-tik sind nach Hardarik Blühdorn die Be-reiche, die die Sprachdidaktik miteinbe-ziehen sollte. Im letzten Beitrag diesesKapitels illustriert Roberto Menin einfunktionales Übersetzungsmodell, dastextexternen und textinternen Konven-tionen den Vorrang gibt. Claudio Di Meola, Johann Drumbl, Anto-nie Hornung, Maria Teresa Bianco undHorst Sitta setzen sich im 3. Kapitel mitdem Thema der Rolle der Satzgrammatikund der Textgrammatik im DaF-Unter-richt auseinander. Der Gebrauch von au-thentischen Texten als gemeinsamemNenner – unabhängig von der gewähltenPerspektive – wird von allen genanntenAutoren positiv bewertet, sowohl für denauf der induktiven Methode basierten alsauch für den eher grammatisch orientier-ten Unterricht. Das vierte, sehr umfangreiche Kapitel istverschiedenen theoretisch und methodo-

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logisch vergleichbaren Ansätzen gewid-met: Jörg Roche, Eva-Maria Thüne, Ales-sandra Riccardi, Dorothee Heller, Dona-tella Mazza, Federica Ricci Garotti, Chris-tina Gansel schlagen als Ausgangspunktzum Erwerb von textuellen Kompeten-zen multimediale, argumentative, dol-metscherspezifische, normative, fachli-che, historische und motivierende Textevor, die alle auch interkulturell relevantsein sollten. In Anbetracht des vom Thema hervorge-rufenen Interesses, behauptet der Text,verstanden als multimedialer Text, seinezentrale Stellung innerhalb der DaF-Di-daktik, sowohl als Ausgangspunkt füreine Reflexion über den Text als For-schungsgegenstand und die darauf fol-gende Anerkennung von spezifischenCharakteristika jeder einzelnen Textsorteals auch für den Erwerb von grammati-schen Kompetenzen, die die Produktionvon gut strukturierten Texten erlauben,und schließlich auch für den interkultu-rellen Vergleich, der durch den Einsatzvon authentischen Texten erleichtertwird. Der Band bietet eine umfangreiche Pa-lette von Ansätzen, die einen Überblicküber die aktuellen Tendenzen der italie-nischen und deutschen Germanistik ge-ben, was ihn jedoch nicht immer einheit-lich erscheinen lässt, nicht zuletzt auf-grund der Vielfalt der Beiträge und The-men: der Leser hat manchmal Mühe, denZusammenhang des Buchs zu über-schauen, während in anderen Fällen un-vermeidbare Wiederholungen einigertheoretischer Gesichtspunkte oder dieÜberlappung mancher Themen in denjeweiligen Kapiteln die Lektüre erschwe-ren. Obwohl der Bezug zur Didaktik nieverloren geht, wäre eine stärkere prakti-sche Ausrichtung der theoretischen

Überlegungen wünschenswert gewesen.Nur ein Teil der Beiträge, wie z. B. dervon Antonie Hornung, Klaus Brinker,Jörg Roche, Donatella Mazza, AlessandraLombardi, bringen nützliche praktischeBeispiele. In manchen Fällen mangelt esden Beispielen an Erklärungen, durch diedie mögliche didaktische Umsetzunghätte deutlich gemacht werden können(siehe den Anhang von Eva Neuland). Von allen Themenbereichen ist derjenigeder interessantere, der sich auf die Suchenach neuen Analysekriterien und neuenText- und Textualitätsbegriffen begibt,die vor allem auch auf das Internet undseine multimedialen Elemente (Icons, Bil-der, Töne, Symbole, usw.) anwendbarsind. Obwohl diese in allen Bereichenund deshalb auch in der Didaktik derFremdsprachen und der Übersetzungs-praxis ausgesprochen wichtig sind, hatman ihnen auf makrotheoretischer Ebenenicht die entsprechende Aufmerksamkeitentgegengebracht. Überzeugend scheintdie Notwendigkeit, Linguistik und Text-stilistik wieder zusammenzuführen, an-regend ist auch die Überlegung, welcheGrammatik, hier verstanden in einemweiteren Sinn, den DaF-Studenten vorge-schlagen werden sollte: Die vielen ver-schiedenen Antworten auf diese Fragereichen von der Wiederentdeckung derProsodie als eines vernachlässigten, aberwesentlichen Elements für das Versteheneines Textes bis hin zum Korporage-brauch und zur Vereinigung von Satz-grammatik und Textgrammatik. Insge-samt bietet der Band viele interessanteDenkanstöße, die zweifelsohne gute Aus-gangspunkte für weitere deutsch-italieni-sche Treffen und für gemeinsame Pro-jekte auch mit anderen Bereichen derAuslandsgermanistik darstellen.

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Jahreskongress GesamtverbandModerne Fremdsprachen (GMF)vom 27.–29. März 2008 in Leipzig»Qualität entwickeln. NeueWege in Unterricht und Lehrer-bildung«

Der GMF lädt alle Lehrerinnen und Leh-rer moderner Fremdsprachen sowie alleInteressierten aus Wissenschaft und Bil-dungspolitik sehr herzlich zum Jahres-kongress 2008 nach Leipzig ein. Die The-men der verschiedenen Sektionen sind: 1. Was definiert die Qualität von Unter-

richt? Was zeichnet gute Sprachler-nende und -lehrende aus? Welche Zieleund Bildungsstandards erachten wirals sinnvoll und wie erreichen wir sie?

2. Welche internen und externen Evalua-tionsinstrumente leisten uns dabeiHilfe? Wie unterstützt der Gemein-same europäische Referenzrahmen

Fremdsprachenlehrer und -lehrerinnenbei der Qualitätsentwicklung?

3. Welche institutionellen Rahmenbedin-gungen fördern oder behindern gar dieQualitätsentwicklung? Welche Verän-derungen streben wir an?

4. Welche Professionalisierungsmaßnah-men können Fremdsprachenlehrer und-lehrerinnen bei ihrer Arbeit unterstüt-zen? Welche Bildungsstandards brau-chen wir in der Lehreraus- und -weiter-bildung?

Weitere Informationen sowie den Call forPapers (Einsendeschluss 15.10.07) findensie auf unserer Homepage:www.uni-leipzig.de/gmfKontakt: [email protected]

Der Kongress ist vom Sächsischen Staats-ministerium für Kultus unter der Num-mer SMK01322 als Lehrerfortbildung an-erkannt.

Info DaF 34, 5 (2007), 534–536

Tagungsankündigung

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GESAMTVERBAND MODERNE FREMDSPRACHEN GMF-Kongress 2008

vom 27. – 29. März in Leipzig CALL FOR PAPERS – PRÄSENTATIONSVORSCHLAG Name, Vorname:…............…………………………………………….…..............………………….. E-mail:………………………………………………………………..........………………………….... Tel. dienstlich:…………………........................ Tel. privat: ……………………….......................... Anschrift: Fax: ……………………………..................…...... Straße………………………………………………………………………………………..................... PLZ ............…………. Ort ...................................…………………………………............................ Land..............................…......................................................... Als unabhängiger Referent* (nur Vortrag oder Workshop) beantrage ich Kostenersatz:

� ja � nein Kostenersatz für Referenten: Als Referent des GMF erhalten Sie nach Vorlage Ihrer Hotelrechnung/Fahrkarten einen Übernachtungskostenzuschuss von 50,- Euro pro Person, sowie 10 Cent pro km. * Kosten für Präsentationen von Lehrwerken und Lernsoftware bitten wir Sie mit dem jeweiligen Verlag abzurechnen.

Sektionen: (bitte NUR die Sektion ankreuzen, der Sie Ihr Angebot zuordnen) 1. � Europäischer Referenzrahmen, Qualitätskonzepte, Bildungsstandards 2. � Lehr- und Lernmaterialien und mediale Lernumgebungen 3. � Institutionelle Rahmenbedingungen 4. � Leistungsmessung: Qualität evaluieren 5. � Frühes Fremdsprachenlernen 6. � Mehrsprachigkeit, Gesamtsprachencurriculum 7. � Lernerautonomie, Lernstrategien, Lernberatung 8. � Standards für Lehreraus- und –weiterbildung 9. � Lese- und Schreibkompetenz, mündliche Interaktion 10. � Literatur und Landeskunde 11. � Sprachspezifische Sektionen: � Chinesisch � Deutsch � Englisch

� Französisch � Italienisch � Japanisch � Niederländisch � Polnisch � Russisch � Sorbisch � Spanisch � Tschechisch

Titel der Präsentation (max. 15 Wörter, bei Überschreitung sind Kürzungen durch den Veranstalter vorbehalten)

Art der Präsentation (bitte nur einmal ankreuzen ):

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Call for Papers für den Jahreskongress GMF Leipzig 2008 2

o Vortrag (30 Minuten + 15 Minuten Diskussion) o Arbeitsgemeinschaft/Workshop (90 Minuten) o Podiumsdiskussion (90 Minuten)

Namen der Ko-Referenten............................................................... o Vorstellung eines Lehrwerks (45 Minuten)

o Vorstellung einer Sprachsoftware (45 Minuten) o Posterpräsentation o Mulitmedia-Präsentation: innovative Lehr- und Lernmittel o andere (bitte erläutern): ...............................................................

Benötigte Geräte (bitte ankreuzen): o Tageslichtprojektor o Videorecorder mit Monitor o Kassettenrecorder o CD-Player o DVD-Player mit Monitor o Flip-Chart o Beamer (Datenprojektor) o andere (bitte erläutern): ...............................................................

Notebooks bzw. Laptops können nicht zur Verfügung gestellt werden. Bringen Sie bitte Ihr eigenes Gerät mit. Beamer und Anschlusskabel zum Beamer werden zur Verfügung gestellt.

Senden Sie Ihren Vorschlag für einen Kongressbeitrag bis zum 15. Oktober 2007 per email-Anhang* an das Programmkomitee der GMF Jahrestagung 2008.

E-mail: [email protected] Falls keine Email vorhanden als Fax an: 0341 97 37 548

Termin bitte unbedingt einhalten. Später eingehende Vorschläge können leider nicht mehr berücksichtigt werden.

Abstract (für Vorprogramm: max. 50 Wörter - unbedingt einhalten

Bei einer Überschreitung von 50 Wörtern behält sich der Veranstalter Kürzungen vor): *Speichern Sie das vorliegende Formular indem Sie „NACHNAME“ mit Ihrem eigenen Nachnamen ersetzten als Word-Dokument unter folgendem Titel: „NACHNAMEgmf2008.doc“

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Stephan Elspaß Stephan Elspaß war 1995 bis 1997DAAD-Lektor an der Aston University inBirmingham (GB) und ist seit 2004 Inha-ber des Lehrstuhls für Deutsche Sprach-wissenschaft an der Universität Augs-burg. Seine Lehr- und Forschungsinteres-sen liegen in den Bereichen Sprachvaria-tion und -wandel, Soziolinguistik, Neue-re Sprachgeschichte, (Historische) Gram-matik, Sprachpolitik und Phraseologie.

Reinhard Fiehler Prof. Dr. phil.; 1969–1977 Studium derFächer Germanistik und Soziologie anden Universitäten Hamburg, Freiburgund Osnabrück; 1977 Magister Artiumund 1979 Promotion an der UniversitätOsnabrück mit der Arbeit Kommunikationund Kooperation; 1979–1990 Wissenschaft-licher Assistent an der Universität Biele-feld; 1987 Habilitation an der Fakultät fürLinguistik und Literaturwissenschaft derUniversität Bielefeld mit der Arbeit Kom-munikation und Emotion; 1990–1994 Hoch-schuldozent an der Universität Bielefeld;seit 1994 Mitarbeiter des Instituts fürdeutsche Sprache; 1994 Ernennung zumaußerplanmäßigen Professor an der Fa-kultät für Linguistik und Literaturwis-senschaft der Universität Bielefeld.

Andreas JägerDr. phil. (DaF); 2004 Prom. UniversitätBielefeld. Von 1997–2000 Erstellung vonSprachlernsoftware und seit 1997 Autorund Redakteur für DaF-Lehrmaterialienfür den Klett-Verlag. Von 2000–2005 DaF-Lehrer und stellvertretender Leiter amSprachinstitut dialoge Lindau sowie Mit-arbeit im EU-Projekt www.montanalin-gua.com. Seit 2006 DAAD-Lektor an derUniversity of Sydney sowie Leiter des

DAAD-Information Centers Sydney. For-schung: Sprachenpolitik und -planung,Kultur- und Landeskunde sowie Metho-dik/Didaktik DaF.

Sabine JasnyDr. phil. (DaF); 2001 Prom. LMU Mün-chen. Von 1996 bis 2005 Fachleitung undLehrerin am Sprachinstitut dialoge Lind-au. Daneben seit 1997 DaF-Autorin fürden Klett-Verlag, von 2002–2004 Semi-narleiterin in der Lehrerfortbildung amGoethe-Institut München sowie von2003–2005 Antragstellung und Projektlei-terin im EU-Projekt www.montanalin-gua.com. Im Jahr 2005 DaF-Dozentin ander Universität Bielefeld. Seit 2007 an derUniversity of Sydney. Forschung:Deutsch als fremde Wissenschaftsspra-che, Sprachenpolitik und -planung sowieMethodik/Didaktik DaF.

Tristan Lay Dr. phil., geb. 1978; Studium der Sprach-lehrforschung und Sinologie in Bochum,M. A. 2002, 2004 Promotion am Seminarfür Sprachlehrforschung an der Ruhr-Universität Bochum. Seit 2006 AssistantProfessor für Deutsch als Fremdspracheam Europäischen Institut für Fremd-sprachliche Philologien der NationalChengchi University in Taipeh. For-schungsschwerpunkte und Publikatio-nen in den Bereichen Sprachlehrfor-schung und Deutsch als Fremdsprache.

Péter Maitz Péter Maitz ist Oberassistent am Lehr-stuhl für Germanistische Linguistik ander Universität Debrecen (Ungarn). 2000bis 2002 war er Mitglied des DFG-Gradu-iertenkollegs »Dynamik von Substan-dardvarietäten« der Universitäten Hei-

Über die Autoren/Abstracts

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delberg und Mannheim und promovierte2002 mit einer Arbeit über die Mehrspra-chigkeit in der Habsburgermonarchie.Zur Zeit forscht und lehrt er als Hum-boldt-Stipendiat an der UniversitätAugsburg. Seine soziolinguistischen For-schungen betreffen vor allem Fragen derSprachgeschichte, Sprachvariation,Mehrsprachigkei t , Namenkunde,Sprachtheorie sowie sprachlicher Ideolo-gien.

Claudia Riemer Prof. Dr. phil.; 1984–1991 Studium derFächer Deutsch als Fremdsprache, Ger-manistik und Soziologie an der Univer-sität Bielefeld; 1991–1996 Promotions-studiengang Deutsch als Fremdsprachean der Universität Bielefeld; 2002 Habi-litation an der Universität Hamburg imFach Sprachlehrforschung; seit 2002 Pro-fessur für Deutsch als Fremd- undZweitsprache an der Universität Biele-feld. Forschungsschwerpunkte: Sprach-lehr- und -lernforschung/Zweitspra-chenerwerbsforschung (mit Schwer-punkt auf individuellen Lernprozessen,affektiven und kognitiven Einflussfakto-ren); Deutsch als Fremdsprache; For-

schungsmethodologie in der empiri-schen Fremdsprachenforschung (mitSchwerpunkt auf qualitativer For-schung). Mitglied im Beirat des Fachver-bands Deutsch als Fremdsprache, Mitgliedim Vorstand der Deutschen Gesellschaftfür Fremdsprachenforschung.

Werner RoggauschDr. phil., geb. 1948. Studium der Germa-nistik, Politik und Kunstgeschichte.DAAD Lektor in China 1983 bis 1987.Seit 1990 Mitglied der Redaktion von InfoDaF und Mitarbeiter des DAAD.

Jörg Schröder Dr. phil.; Studium der Germanistik, Sino-logie und Deutsch als Fremdsprache anden Universitäten Trier, Bochum undLanzhou. Tätigkeit in der Erwachsenen-bildung für DaF, Lehrbeauftragter undFachlehrer für DaF (Universität Trier),DAAD-Lektor an der Universität Wuhan(1994–2000), seit 2003 DAAD-Lektor ander Zhejiang Universität in Hangzhou.Forschungsschwerpunkte: Wirtschafts-deutsch, Interkulturelle Kommunikation,mediengestützter Unterricht.

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