Inhalt - st-marien-winsen.de · Dirk Peper, Ehrenamtlicher vom internationalen Café diente als...

20
Ev.- Luth. Kirchenkreis Winsen/Luhe Landeskirche Hannovers Der Superintendent Sieben Monate „Willkommenskultur für Flüchtlinge“ in Winsen (Luhe) mit Eindrücken aus dem Internationalen Café in St. Marien (Winsen) Inhalt Zur Vorgeschichte ........................................................................................................ 1 Einige Bilder von den Anfängen: .................................................................................... 2 Änderungen in der Café-Logistik .................................................................................... 4 Wirkungen des Internationalen Cafés ............................................................................. 5 Vorlaufendes Projekt im Herbergsverein im Januar 2014.................................................. 6 Beschäftigungsprojekt Landkreis-Herbergsverein............................................................. 7 Aktuell ......................................................................................................................... 9 Es schmerzt … ........................................................................................................... 10 Geschichten aus dem Leben ........................................................................................ 10 Aktuelle Pläne ............................................................................................................ 12 Schlussbemerkungen .................................................................................................. 12 Pressemitteilung Landkreis Harburg 26.3.14 ................................................................. 15 Pressemitteilung des Landkreises Harburg 02. April 2014 ............................................... 16 Abraham-Dialog ......................................................................................................... 19 Zur Vorgeschichte Im Frühjahr 2013 ging der kleine Ort Undeloh aus dem Süden des Kirchenkreises durch die Presse. Dort war in einem leeren Hotel eine Asylbewerberunterkunft ge- plant. Auf einer öffentlichen Ratsversammlung ging es hoch her. Fremdenfeindliche Äußerungen wurden leider nicht unterbunden. Die Medien haben tagelang sehr ein- seitig negativ berichtet. Seit diesen Vorkommnissen ist uns als Kirche klar, dass wir nicht nur Reden, son- dern auch ein Zeichen setzen wollen. Im September 2013 sprachen Pastor Kalmbach als Pastor und Partnerschaftsbeauf- tragter des Kirchenkreises und ich über die (einschlafenden) Partnerschaften nach Sachsen und nach Südafrika. Nach mehreren Gedankenspielen kamen wir zu dem Schluss, dass wir nicht in den Ferne schauen wollen, sondern die Herausforderung der Partnerschaftsarbeit jetzt zu uns kommt, in Form von Flüchtlingen. Wir taten dies ohne einen ausgetüftelten Masterplan. Wir wollten einfach anfangen und Begegnung von Menschen möglich machen. So entstand die Idee für das In- ternationale Café im Gemeindehaus von St. Marien in Winsen. Im Vorfeld haben wir vor den Herbstferien zu einem Informationsabend für interes- sierte Ehrenamtliche eingeladen. 60 Personen sind der Einladung gefolgt. Seit dem 26.10.13 öffnet das Gemeindehaus immer samstags von 10 bis 13 Uhr seine Türen. Ein Team von über 40 Ehrenamtlichen wechselt sich ab, um den Vor- mittag oder den Nachmittag mit den Flüchtlingen zu verbringen. Rathausstr. 3 21423 Winsen/Luhe Tel.: 04171 - 4039 Fax: 04171 – 64703

Transcript of Inhalt - st-marien-winsen.de · Dirk Peper, Ehrenamtlicher vom internationalen Café diente als...

Ev.- Luth. Kirchenkreis Winsen/Luhe

Landeskirche Hannovers Der Superintendent

Sieben Monate „Willkommenskultur für Flüchtlinge“ in Winsen

(Luhe) mit Eindrücken aus dem Internationalen Café in St. Marien (Winsen)

Inhalt Zur Vorgeschichte ........................................................................................................ 1 Einige Bilder von den Anfängen: .................................................................................... 2 Änderungen in der Café-Logistik .................................................................................... 4 Wirkungen des Internationalen Cafés ............................................................................. 5 Vorlaufendes Projekt im Herbergsverein im Januar 2014 .................................................. 6 Beschäftigungsprojekt Landkreis-Herbergsverein ............................................................. 7 Aktuell ......................................................................................................................... 9 Es schmerzt … ........................................................................................................... 10 Geschichten aus dem Leben ........................................................................................ 10 Aktuelle Pläne ............................................................................................................ 12 Schlussbemerkungen .................................................................................................. 12 Pressemitteilung Landkreis Harburg 26.3.14 ................................................................. 15 Pressemitteilung des Landkreises Harburg 02. April 2014 ............................................... 16 Abraham-Dialog ......................................................................................................... 19

Zur Vorgeschichte

Im Frühjahr 2013 ging der kleine Ort Undeloh aus dem Süden des Kirchenkreises

durch die Presse. Dort war in einem leeren Hotel eine Asylbewerberunterkunft ge-

plant. Auf einer öffentlichen Ratsversammlung ging es hoch her. Fremdenfeindliche

Äußerungen wurden leider nicht unterbunden. Die Medien haben tagelang sehr ein-

seitig negativ berichtet.

Seit diesen Vorkommnissen ist uns als Kirche klar, dass wir nicht nur Reden, son-

dern auch ein Zeichen setzen wollen.

Im September 2013 sprachen Pastor Kalmbach als Pastor und Partnerschaftsbeauf-

tragter des Kirchenkreises und ich über die (einschlafenden) Partnerschaften nach

Sachsen und nach Südafrika. Nach mehreren Gedankenspielen kamen wir zu dem

Schluss, dass wir nicht in den Ferne schauen wollen, sondern die Herausforderung

der Partnerschaftsarbeit jetzt zu uns kommt, in Form von Flüchtlingen.

Wir taten dies ohne einen ausgetüftelten Masterplan. Wir wollten einfach anfangen

und Begegnung von Menschen möglich machen. So entstand die Idee für das In-

ternationale Café im Gemeindehaus von St. Marien in Winsen.

Im Vorfeld haben wir vor den Herbstferien zu einem Informationsabend für interes-

sierte Ehrenamtliche eingeladen. 60 Personen sind der Einladung gefolgt.

Seit dem 26.10.13 öffnet das Gemeindehaus immer samstags von 10 bis 13 Uhr

seine Türen. Ein Team von über 40 Ehrenamtlichen wechselt sich ab, um den Vor-

mittag oder den Nachmittag mit den Flüchtlingen zu verbringen.

Rathausstr. 3

21423 Winsen/Luhe

Tel.: 04171 - 4039

Fax: 04171 – 64703

2

Die jungen Männer, die unser Café besuchen, kommen hauptsächlich aus Afghanis-

tan, der Elfenbeinküste, dem Sudan, Somalia und aus Eritrea.

Am ersten Öffnungstag im Oktober haben 24 Flüchtlinge den Weg ins Gemeinde-

haus gefunden. Zu einem weihnachtlichen Treffen am 21.12.13 waren es über 60

ausländische Gäste. Im Januar stabilisierten sich die Zahlen bei knapp 50 Besu-

chern (auch bei minus 10 Grad mit dem Fahrrad aus 7 km Entfernung) plus die Eh-

renamtlichen (letzten Samstag über dreißig), im Februar lagen wir bei Mitte 60, im

März etwas weniger, weil samstags gleichzeitig zwei Sprachkurse angeboten wer-

den.

Die Ehrenamtlichen und die Flüchtlinge lernen gemeinsam Deutsch, klären prakti-

sche Fragen des Lebens oder spielen miteinander.

Die persönlichen Kontakte an den Samstagen haben immer wieder auch Folgen:

verschenkte Fahrräder, Winterkleidung für die jungen Männer, die teilweise in

Shorts hier im Norden landeten, eine Begleitung zum Zahnarzt, eine Einladung in

die Schule für eine Deutsch-Französisch-AG, Begleitung zu Rechtsanwälten und

Ärzten und vieles mehr.

Das Internationale Café hat dazu beigetragen, dass sich die Stimmung gegenüber

den Flüchtlingen im Kirchenkreis Winsen positiv entwickelt hat, obwohl immer wie-

der auch Ängste vor den Fremden formuliert werden.

Weitere Infos unter: http://www.st-marien-

winsen.de/int-cafe

Einige Bilder von den Anfängen:

Ob überhaupt jemand die Idee mittragen würde,

ein Internationales Café durchzuführen? Viele

waren skeptisch. Aber 60 Personen kamen zum

ersten Info-Abend.

Am 26.10.14 machten wir den ersten Versuch:

Mit Pins markieren die Gäste das Land, aus

dem sie stammen.

Schon beim ersten Treffen mussten wir Stühle tragen und sind seitdem in den gro-ßen Saal des Gemeindehauses umgezo-gen.

3

Inzwischen kommen auch Jugendliche regelmäßig da-zu. Ihre Sprachkenntnisse in Englisch und Französisch helfen uns sehr.

4

Änderungen in der Café-Logistik

Das Internationale Café entwickelt sich immer weiter. Eigentlich war das Café bis Weihnachten geplant, dann bis Ostern verlängert. Jetzt werden wir einfach weitermachen, allerdings im Wechsel Samstag vormittags und nachmittags, damit auch Veranstaltungen wie zum Beispiel die Kinderkirche Raum haben, mal einen Samstagvormittag das ganze Gemeindehaus zu besetzen. Wir haben davon Abstand genommen, Dinge beim Café zu verschenken, da es zu Konkurrenzsituationen kommt. Außerdem haben unterschiedliche Unterstützergrup-pen je ihr eigenes Profil: DRK hilft bei Kleidung, Resofabrik gemeinsam mit ADFC ist zuständig für Fahrräder. Wir haben bereits für ca. 1000,- Euro Unterrichtsmaterial angeschafft. Da es jetzt jedoch vermehrt Deutschkurse gibt, legen wir unseren Schwerpunkt auf Spielen, auch mal Musikmachen und darauf, die alltäglichen Fragen des Lebens zu klären. Wir merken zurzeit, wie schwierig die Deutschkurse sind, da es Analphabeten unter den Flüchtlingen gibt und auch Studierte. Das Internationale Café ist die größte, sich regelmäßig treffende Gruppe im Kir-chenkreis.

5

Wirkungen des Internationalen Cafés

In einem Treffen zur Koordination der Glaubenskurse im Kirchenkreis Winsen, das

im September 2013 stattfand, hat Pastor Markus Kalmbach gesagt: „In diesem Jahr

bieten wir von St. Marien aus keinen Glaubenskurs an. Wir planen ein Internationa-

les Café, in dem Flüchtlinge und Einheimische sich treffen können. Vielleicht wird

auch das unser Glaubenskurs…“ – Er hat Recht behalten.

Es hat schon jetzt Menschen aus Winsen und der Umgebung verändert. Schon auf

der Straße ist bemerkbar, dass „Schwarze und Weiße“ sich fröhlich grüßen.

Außerdem ist die Kirche durch das Engagement Ansprechpartnerin und Kristallisati-

onskern für Gruppen geworden, die den Flüchtlingen helfen wollen. Pastor Kalm-

bach hat bereits mehrere Koordinierungstreffen der beteiligten Gruppen und Insti-

tutionen in Winsen im Hinblick auf Flüchtlinge organisiert (u.a. Sportvereine, AWO,

Rotes Kreuz, Reso Fabrik, Volkshochschule, Herbergsverein, Landkreis …).

Aufgrund dieser Vernetzung konnten wir z.B. dazu beitragen, dass die angedachten

Sprachkurse in Winsen nun wirklich auf den Weg gekommen sind (einer im Ge-

meindehaus, zwei in der Alten Stadtschule).

Regelmäßig gibt es auch einen Austausch zur aktuellen Situation mit Stadt und

Landkreis im kleinen Kreis. Es ist Vertrauen gewachsen, sodass es in Krisenfällen

schon gelungen ist, durch kurze Wege Situationen zu entspannen (Kirchengemein-

den, die sich bereits auf Kirchenasyl vorbereitet hatten, konnte der Druck genom-

men werden.) Es muss hierbei auch betont werden, dass der Landkreis sich schon

in den letzten Monaten weit über seine Verpflichtungen hinaus, engagiert. Was eini-

ge Landkreismitarbeitende hier auf den Weg bringen, ist ein Segen.

Die Arbeit ist – insbesondere für uns beiden Hauptamtlichen - eine große Heraus-

forderung von der Zeit und der Kraft her, weil mehr und mehr eine Begleitung der

Ehrenamtlichen notwendig wird.

Unter dem Motto „Café Pause“ gibt es alle vier bis sechs Wochen einen Mitarbeiter-

abend. Als Themen hatten wir bisher „Nähe und Distanz“, ein Infoabend mit dem

Landkreis zum Ablauf eines Asylverfahrens, ein Abend zu „Traumatisierungen“. Au-

ßerdem gibt es immer wieder auch Sonderbesprechungen im kleinen Kreis, um Ein-

zelfälle zu besprechen.

Und weil jetzt auch einige Christen dazu gekommen sind, hat die St. Marien Kir-

chengemeinde am ersten Weihnachtstag einen dreisprachigen Gottesdienst ange-

boten. Es gibt zurzeit gerade Gespräch mit der Landeskirche, ob und wie die Flücht-

linge den Status von Gemeindegliedern bekommen können. Zweimal hat es bereits

das Angebot eines englisch-sprachigen Bibelgespräches gegeben.

Die Arbeit mit den Flüchtlingen ändert somit auch die St. Marien-Kirchengemeinde.

Das Internationale Café ist die größte sich regelmäßig treffende Gruppe im Kirchen-

kreis. Was sich dort als Arbeitsfeld in der Kirchengemeinde ergibt, lässt sich als in

die Kategorie der „fresh expressions“ einordnen.

6

Unsere Ehrenamtlichen sind zum Teil sehr gemeindefern, fühlen sich der

Gemeinde jetzt in ihrem Tun jedoch sehr verbunden („Belonging before

believing“).

Durch diakonisches Handeln wächst eine völlig neue Gemeindegruppe her-

an, in der Menschen aus vielen Einzelgemeinden zusammenfinden.

Die Arbeit ist generationsübergreifend – und das ist in den Vollzügen völlig

unproblematisch.

Manch einer entdeckt Kirche als Heimat wieder.

In den Rückmeldungen der Ehrenamtlichen und anderer Menschen, die sich um die

Flüchtlinge kümmern, findet sich schon seit Beginn im Herbst der dringende Apell,

noch für mehr Beschäftigung für die meist jungen Männer zu sorgen. Wir lernen

hochmotivierte junge Menschen kennen, die zum Nichtstun verdammt sind. Der All-

tag der Flüchtlinge besteht zumeist aus Schlafen und Essen, nur wenige haben bis

jetzt Deutschkurse.

- Zur Würde des Menschen gehört die Möglichkeit, sinnvoll tätig zu sein.

- Es werden immer wieder Ängste aus der Bevölkerung geäußert, dass „die

Männer ja nichts zu tun haben und dadurch bestimmt auf dumme Gedanken

kommen.“ Man sollte vorsichtig mit solchen Äußerungen umgehen.

Sinnvolle Beschäftigung ist jedoch auch ein Teil Präventionsarbeit.

Vorlaufendes Projekt im Herbergsverein im Januar 2014

Um einfach einmal anzufangen und Erfahrungen in der Beschäftigung für Flüchtlin-

ge zu sammeln, haben der Kirchenkreis und der Herbergsverein gemeinsam im Ja-

nuar 2014 einen zweiwöchigen Probelauf finanziert und organisiert. Eine Gruppe

von 10 jungen Männern aus Eritrea hat probeweise jeweils vier Stunden pro Tag

beim Herbergsverein gearbeitet.

Dirk Peper, Ehrenamtlicher vom internationalen Café diente als Brücke.

Ein Mitarbeiter des Herbergsvereins hat in einem ganzheitlichen Ansatz mit den

jungen Männern Holzarbeiten durchgeführt, begonnen mit einem Ausflug in den

Wald haben am Ende alle jungen Männer ein selbst gefertigtes Kunstwerk mit nach

Hause nehmen können.

Während der Zeit zeigte sich eine nicht erwartete Motivation der Teilnehmer, die

Möglichkeit, sich auch über Sprachgrenzen hinaus zu verständigen, die hohe sozia-

le Kompetenz bei den Teilnehmenden, ein großes Interesse an (auch) komplexen

Vorgängen unserer Arbeitswelt und unserer Kultur. Für eine spätere Vermittlung war

das Herbergsvereins-Praktikum ein hervorragendes Instrument zur Einschätzung

der individuellen Fähigkeiten und Neigungen der Teilnehmer (einer entpuppte sich

z.B. als ausgebildeter Tischler).

7

Die zwei Wochen beim Herbergsverein haben außerdem gezeigt, dass es keinerlei

Probleme zwischen dem sonstigen Klientel des Herbergsverein und den Flüchtlin-

gen gegeben hat. Im Gegenteil haben die 10 jungen Männer die Atmosphäre auf

dem Gelände bereichert.

Ein gutes Kennenlernen der Flüchtlinge vor einer Vermittlung ist sehr wünschens-

wert, um die Beschäftigungsverhältnisse für die Flüchtlinge und die Beschäftigungs-

geber zum Erfolg werden zu lassen. Im Int. Café haben einen Eindruck von der

Bandbreite der Flüchtlinge: vom Analphabeten, der seinen Lebensunterhalt mit Fi-

schen verdient hat, bis hin zum Hubschrauberpiloten.

Um das Beschäftigungsprojekt des Landkreises mit anzuschieben, wird das Diako-

nische Werk unserer Landeskirche mit ca. 18.000,- Euro einige Monate lang

„Orientierung-Wochen“ auf dem Gelände des Herbergsvereins unterstützen, damit

die Flüchtlinge „passgenauer“ vermittelt werden können.

Beschäftigungsprojekt Landkreis-Herbergsverein

Um den Flüchtlingen die Situation zu erleichtern und als Präventionsmaßnahme ist

nach Gesprächen zwischen Herbergsverein, Kirchenkreis und Landkreis vom Her-

bergsverein in den Weihnachtsferien 13/14 ein Konzept zur Beschäftigung für

Flüchtlinge entworfen worden. Dieses Konzept ist an frühere Modelle „gemeinnützi-

ger Arbeit“ angelehnt. Der große Unterschied: Flüchtlinge dürfen arbeiten.

Es ist am 24.2.2014 vom Landkreis beschlossen worden. Dieses Programm be-

ginnt bereits, ein Segen zu sein – und ist meines Wissens ziemlich einmalig

im Land.

8

Es ist offiziell am 1. April 2014 gestartet.

Die ersten acht Flüchtlin-

ge wurden beim Küster

von St. Marien, beim

Friedhof und bei der Alten

Stadtschule in Winsen

beschäftigt.

Kirchliche und andere

Träger entwickeln Phan-

tasien, die sich ergeben

durch persönliche Kon-

takte mit Flüchtlingen. Mitte Juni 2014 sind bereits 67 Vermittlungen in Beschäfti-

gungsverhältnisse erfolgt. Einige Beispiele:

o Flüchtlinge als Helfer beim Küster (Außenanlagen, Vorbereitung für

Veranstaltungen etc.)

o Restaurierung einer historischen Friedhofsmauer, die sonst verfallen

wäre.

o Rotes Kreuz: Außengelände und leichte Malerarbeiten, die sonst nicht

ausgeführt würden oder ehrenamtlich geleistet werden.

o In Kirchengemeinde: Archiv sortieren und Fotos und Dokumente digi-

talisieren.

o Sportverein: Außengeländepflege

o Museum am Kiekeberg: Außengelände

o Hilfe für Schulhausmeister

Angedacht sind:.

o Handwerklich begabte Flüchtlinge könnten einen „Psalm-23-Weg“ an-

legen.

o Hilfe bei Naturschutzmaßnahmen

o Flüchtlinge könnten als „Gemeindehelfer“ beschäftigt werden. (beim

Küster und Hausmeister helfen, aber auch Briefe mit eintüten im Ge-

meindesekretariat, Briefe austeilen, Stühle stellen etc.)

o Ein pakistanischer Flüchtling wird im Sportverein oder in einer Projekt-

woche in der Schule Cricket-Training anbieten.

o …

Das Ziel ist es, 200 Flüchtlinge im ersten Jahr zu vermitteln. Wenn dies gelingt, ist

das Programm auf drei Jahre angelegt, und der Landkreis wird 180.000,- Euro pro

Jahr in die Vermittlung der Flüchtlinge investieren.

Zusätzlich bekommen die Flüchtlinge vom Landkreis 1,05 Euro pro Stunde Beschäf-

tigung.

Darüber hinaus wird der Landkreis in diesem Jahr mindestens 20 Sprachkurse für

Flüchtlinge anbieten – ebenfalls eine freiwillige Leistung.

9

Ich bin mir sicher, dass wir es schaffen werden, in Zusammenarbeit von Landkreis,

Kirche, Diakonie, Kommunen und den vielen anderen gemeinnützigen Trägern viele

Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen, um den Flüchtlingen ein wenig Normalität

zu bieten.

Aktuell

Der Herbergsverein hat die Arbeit zur Vermittlung der Flüchtlinge intensiv aufge-

nommen. Nach zweieinhalb Monaten waren 67 Beschäftigungsstellen vermittelt.

Viele weitere Flüchtlinge möchten gern arbeiten. Flüchtlinge selbst bezeichnen die

Möglichkeit, sich sinnvoll zu beschäftigen und der Gesellschaft auch ein wenig wie-

der zurück zu geben als Geschenk.

Der Rotary-Club Winsen spendete 3000,- Euro, um das Projekt zu unterstützen.

Hiermit beschäftigen wir jemanden auf Honorar-Basis. Die Dame ist aufgrund ihrer

Arabischkenntnisse und ihres umfänglichen ehrenamtlichen Engagements sehr gut

in der Flüchtlingsszene vernetzt. Sie soll Brücke sein zwischen Internationalem Ca-

fé, den Flüchtlingen und dem Herbergsverein.

Die Landeskirche Hannovers hat zugesagt, eine halbe (Diakonen-)Stelle für ein Jahr

zu finanzieren, um das Internationale Café und die Arbeit mit den Ehrenamtlichen

zu unterstützen. Diese Maßnahme ist bereits mit einigen Stunden angelaufen und

beginnt nun richtig ab 1.7.2014 – sie wird auch Pastor Kalmbach entlasten, damit er

die Vernetzungsarbeit und Betreuung der Ehrenamtlichen intensivieren kann.

Zusätzlich sind wir angewiesen auf weitere finanzielle Unterstützung. Die Kir-

chengemeinde St. Marien investiert in die Café-Logistik den Raum, Reinigung, Hei-

zung, Verbrauchsmittel (Kaffee, Tee, Getränke etc.), Spiele, Lehrmaterial (bisher

gut 1000,- Euro) etc..

Der Kuchen wird zurzeit regelmäßig von einer Bäckerei gespendet.

10

Außerdem erstatten wir jetzt vermehrt Ehrenamtlichen einige Auslagen (z.B. Fahrt-

kosten zur Begleitung zum Rechtsanwalt nach Hamburg oder zum Facharzt nach

Lüneburg).

Ebenfalls investieren wir kirchliches Geld, um bestimmte Beschäftigungsverhältnis-

se möglich zu machen. (z.B. um eine Monatskarte für einen Flüchtling für 40 bzw.

69 Euro zu kaufen)

Einige (Groß-)Spiele sollen ebenfalls angeschafft werden.

Es schmerzt …

In den letzten Wochen stehen vermehrt Rückführungen nach dem Dublin III Verfah-

ren an. Es ist unerträglich, zu sehen, dass die jungen Männer, die nach den furcht-

baren Erfahrungen in den Ursprungsländern und auf der Flucht hier ein wenig zur

Ruhe gekommen sind, jetzt zurück sollen nach z.B. Malta oder Italien.

Auch treue Gäste im Internationalen Café sind davon betroffen.

Dies gibt Unverständnis und Tränen am Samstagmorgen und braucht Begleitung

der Flüchtlinge und auch der Ehrenamtlichen.

Es ist gut belegt, dass es dort eine strukturelle Unterversorgung der Flüchtlinge gibt.

Hier ist die Politik gefragt, sinnvollere und menschlichere Lösungen zu finden, um

die Flüchtlingswege in Europa zu steuern.

Geschichten aus dem Leben

Bei aller Anstrengung und allem Druck in diesem Arbeitsfeld höre ich immer wieder

Geschichten, die mich sehr bewegen. Vieles ist möglich, was vor einem Jahr noch

nicht denkbar war.

Ein Tag mit Petra

Eine Ehrenamtliche ermöglicht jeweils einem

Flüchtling einen Tag mit ihr zu verbringen und

sie zu begleiten (zum Arzt, in die Stadt, zum

Einkaufen etc.), um so ganz normalen deut-

schen Alltag zu erleben. (auf dem Foto Ausflug

mit einer ganzen Gruppe aus Eritrea zum

Stadtfest)

Französich-AG

Doris hat Flüchtlinge aus der Elfenbeinküste mitgenommen zu ihrer Französich-AG

ins Gymnasium. Die Geschichten dort haben dazu geführt, dass einige Jugendliche

samstags jetzt auch zum Café kommen.

Die Gespräche mit den Flüchtlingen werden jetzt auf das zweite Gymnasium in

Winsen ausgeweitet. (Presseartikel im Anhang)

11

Deichlauf

Maren hat von der Lauf-

gruppe des Sportvereins

gebrauchte Laufschuhe or-

ganisiert. Gut 20 Flüchtlinge

haben auf Laufevent am 1.

Mai in Winsen teilgenom-

men. Ihnen wurde das Startgeld erlassen.

Behördenbegleitung

Wolfgang begleitet einen Flüchtling bewusst zum Amt, um der Mitarbeiterin zu er-

möglichen, auch ihre freundliche Seite zu entdecken…

Kartoffeln

In der Elbmarsch haben Menschen einem Flüchtling ein kleines Stück Land zur Ver-

fügung gestellt. Er hat Kartoffeln gesetzt und ist darüber glücklich.

Da stockt der Atem

… wenn auf einmal vier junge Männer aus Eritrea übers Gemeindehausdach laufen.

Wie ich schon erwähnte, sind die jungen Männer sehr motiviert. Durch das Beschäf-

tigungsprogramm des Landekreises helfen einige bei St. Marien in Winsen. Es

stand an, die Dachrinnen beim Gemeindehaus zu reinigen. Leiter und los – so dach-

te sich der Küster. Und dann standen die jungen Männer plötzlich auf dem Dach

und machten alles da oben sauber…

(Inzwischen achten wir bei den Beschäftigungsstellen auf eine ausführliche Einfüh-

rung auch in sicherheitsrelevante Fragen.)

Abraham

Am Himmelfahrtstag gab es auf der Bühne vor St. Marien einen Familiengottes-

dienst mit Kinderchor. Der Taufgottesdienst drehte

sich um Aufbrüche. Abraham (gespielt von einem

Mitte 70jährigen) erzählte von seinem Aufbruch in

alter Zeit. Abraham (ein echter Abraham- 24 Jah-

re) erzählte den 200 Gottesdienstbesuchern von

seinem Aufbruch aus Eritrea. (siehe Anhang)

Gemeinsam spielen

Am 18.5.2014 fand „Niedersachsen spielt“ in

Winsen statt. An vielen Stationen in der Innen-

stadt konnten Kinder und Erwachsene kostenlos

spielen (Dart, Tipp-Kick, Brettspiele, Eisenbahn,

Kettcars etc.). Im Vorfeld hatte die Stadt Not,

Ehrenamtliche für die Stationen zu finden. Pas-

tor Kalmbach mailte die Ehrenamtlichen vom

12

Internationalen Café an und so besetzten wir kurzfristig ca. 10 Spielstationen mit

Ehrenamtlichen und Flüchtlingen.

Gemeinsam weinen

Ingrid (Mitte 70) gibt regelmäßig Privatunterricht in Deutsch

bei sich zuhause. Bei einem Vernetzungstreffen neulich

sagte sie: „Nicht dass ihr denkt, beim Internationalen Café

wird nur gelacht. Letzten Samstag habe ich mit … (Flücht-

ling) geweint. Er hat erzählt von seinen Kindern, die er zu-

rückgelassen hat. Er konnte sie einfach nicht mitnehmen.

Und ich war wieder mittendrin in unserer Flucht damals

´45. Ich weiß, wie Kinder sich fühlen…“

Mobil werden

Fahrräder sind eine wichtige Sa-

che. Hier gibt es die Initiative der

Reso-Fabrik zusammen mit dem

ADFC. Die Ehrenamtlichen aus

dem Café (oder deren Ehepartner)

habe ebenfalls bereits viele Fahr-

räder wieder in Schuss gebracht

und verteilt. Meist werden die

Flüchtlinge in die Arbeit eingebun-

den.

Aktuelle Pläne

Zwei Projekte streben wir aktuell an:

Multiplikatoren: Wir merken, wie gut es ist, einzelne Flüchtlinge besonders zu för-

dern und zu fordern, damit sie andere aus ihrer Wohngruppe, aus ihrem Land mit-

ziehen. Wir überlegen, wie wir solche Multiplikatoren und Motivatoren ansprechen

und weiterbilden.

Fußballplatz: Am letzten Sonntag war die Kirchenkreiskollekte bestimmt für den

Herbergsverein Winsen – für die Anschaffung neuer Fußballtore. Der Platz ist sa-

niert, der Rasen wächst. Und wir wollen zum Ende der WM den Platz mit einem

bunten Fest einweihen. Er wird dann den Bewohnern des Herbergsvereins und den

Flüchtlingen im nahe gelegenen Containerdorf zur Verfügung stehen.

Schlussbemerkungen

Diese Darstellung ist natürlich aus kirchlicher Winser Sicht geschrieben. In letzter

Zeit gibt es immer mehr Aktivitäten für Flüchtlinge im Landkreis, die hier nicht aufge-

führt sind. (Das Diakonische Werk Hittfeld-Winsen hat z.B. im März eine Stelle für

Flüchtlingsbetreuung im Westteil des Landkreises bekommen. Auch im Kirchenkreis

Hittfeld gibt es viele Kirchengemeinde, die auf die eine oder andere Art aktiv sind).

Andere Kreise nehmen ihre Aktivitäten auf (ein „Internationales Café“ nimmt jetzt in

Stelle seine Arbeit auf).

13

Wir versuchen natürlich, mit allen kirchlich-diakonischen und andern Organisationen

im Gespräch zu bleiben, die sich für die Flüchtlinge einsetzen, um die Arbeit sinnvoll

zu koordinieren. Auch hierzu ist viel Energie nötig.

Wir sind dankbar, dass es zurzeit eine sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit mit

dem Landkreis Harburg gibt. Alle Beteiligten geben sich große Mühe, innerhalb der

gesetzlichen Regelungen menschliche Lösungen zu finden. Es gibt die Absprache

mit den Kirchengemeinden und dem Landkreis, dass die Kommunikation in kniffeli-

gen Fällen jeweils über die Superintendenten läuft (Sup. Jäger für KK Hittfeld, ich

für KK Winsen).

Letztlich sind es viele Ehrenamtliche, die Großartiges leisten. Für Pastor Markus

Kalmbach und mich ist es ein Wunder, was sich in den letzten Monaten hier in Win-

sen und im Landkreis entwickelt hat.

Superintendent Christian Berndt, 20.6. 2014

…. und mit dem Aufenthaltsstatus ist die Arbeit nicht vorbei. Hier wird gerade überlegt, wie Ehefrau und drei Kinder aus Afghanistan nachgeholt werden können …

14

Fotos aus dem Café aus den letzten Wochen

15

Pressemitteilung Landkreis Harburg 26.3.14 Neuartiges Beschäftigungsangebot für Asylbewerber Landrat Joachim Bordt unterzeichnet Kooperationsvertrag mit Kirche und Diakonie über gemeinnützige Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge

Ab April startet der Herbergsverein Winsen gemeinsam mit dem Evangelischen Kirchen-

kreis Winsen ein neuartiges Beschäftigungsmodell für Flüchtlinge im Landkreis Harburg:

Auf freiwilliger Basis können sie gemeinnützige, zusätzliche Arbeiten für öffentliche Träger

übernehmen, zum Beispiel unterstützende Gartenarbeiten in öffentlichen Anlagen oder

Hilfsdienste in Altenheimen, Kirchengemeinden oder Werkstätten. Auf diese Weise sollen

die hier lebenden Flüchtlinge die Möglichkeit erhalten, ihren Alltag während des laufenden

Asylverfahrens besser zu strukturieren.

„Die Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten, die zu uns kommen und Schutz suchen,

brauchen mehr als eine Unterkunft und ein geregeltes Asylverfahren. Darum begrüße ich

das gemeinsam mit dem Landkreis erarbeitete Konzept des Herbergsvereins und der Kir-

che, diesen Menschen während ihres Aufenthalts Möglichkeiten für gemeinnützige Arbeiten

zu eröffnen“, sagt Landrat Joachim Bordt letzte Woche bei der Unterzeichnung des Koope-

rationsvertrags mit dem Herbergsverein Winsen.

Der Kreisausschuss hatte dem Beschäftigungskonzept in seiner Sitzung am 24. Februar

einstimmig zugestimmt. Gemäß dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG § 44) können

Asylbewerber bei staatlichen, kommunalen und gemeinnützigen Trägern Arbeitsgelegenhei-

ten wahrnehmen, für die ihnen eine Aufwandsentschädigung ausgezahlt wird.

„Wir haben schon einige Anfragen und Angebote von gemeinnützigen Trägern erhalten“,

freut sich Andrea Picker, Geschäftsführerin des Herbergsvereins Winsen, die das Projekt im

Auftrag des Landkreises mit zwei Mitarbeitern organisiert und koordiniert. Alle als gemein-

nützig anerkannten Vereine, Stiftungen oder Institutionen im Landkreis Harburg sind dazu

eingeladen, entsprechende Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge bereitzustellen.

„In den ersten zwölf Monaten wollen wir 200 Flüchtlinge in Beschäftigungsstellen vermittelt

haben“, sagt Andrea Picker. Das auf zunächst drei Jahre angelegte Projekt soll in jährli-

chem Rhythmus ausgewertet werden, um Erfahrungen, Hürden und Erfolge transparent zu

machen.

„Die Idee zu einer Beschäftigungsmöglichkeit entstand im Internationalen Café Winsen, zu

dem die Kirchengemeinde St. Marien seit Oktober 2013 jeden Samstag Asylbewerber und

Bürger in ihr Gemeindehaus einlädt“, berichtet Christian Berndt, Superintendent des Kir-

chenkreises Winsen. Im Kontakt mit den Flüchtlingen stießen die ehrenamtlich Tätigen im-

mer wieder auf die prägendste Alltagerfahrung in der Asylunterkunft: „Ich esse und schlafe

und schlafe und esse, mehr kann ich nicht tun“, berichtet ein Flüchtling. Daraus entstand

die Forderung der Ehrenamtlichen: „Bietet den Flüchtlingen mehr Beschäftigung!“ Gemein-

16

sam mit dem Landkreis Harburg wurde dann das Konzept für das Beschäftigungsangebot

besprochen und entwickelt.

„Wir hoffen sehr, dass viele gemeinnützige Träger und Wohlfahrtverbände im Landkreis

mitmachen“, sagt Reiner Kaminski, Bereichsleiter Soziales. Der Landkreis zahlt den Flücht-

lingen Aufwandsentschädigungen und übernimmt die Organisationskosten in Höhe von

rund 180.000 Euro pro Jahr. Gemeinnützige Träger können ihre Beschäftigungsangebote

beim Herbergsverein melden: Thomas Stelling, Tel. 04171-654564 oder Michael Grünwald,

Tel. 0172-4198980.

Hinweis für die Redaktionen zum Foto / Bildunterschrift: Kooperationsvertrag zum Beschäftigungsangebot für Flüchtlinge im Landkreis Harburg unterzeichnet: (v.l.n.r.) Reiner Kaminski, Bereichsleiter Soziales, Landrat Joachim Bordt, Andrea Picker, Geschäftsführung Herbergsverein Winsen, Christian Berndt, Superintendent des Kirchenkreises Winsen

Pressekontakt: Johannes Freudewald, Leiter Presse und Öffentlichkeitsarbeit

Telefon: 04171-693-235, E-Mail: [email protected]

17

Pressemitteilung des Landkreises Harburg 02. April 2014

Flüchtlinge werden aktiv für unser Gemeinwesen Asylbewerber starten bei der Kirchengemeinde St. Marien in Winsen das gemeinnützige Beschäftigungsprogramm des Landkreises Harburg

Akten- und Bücherkisten, Schreibtisch, Stühle und Regale müssen raus aus dem Winsener

Gemeindehaus, weil der evangelische Kirchenkreis-Jugenddienst umzieht – hundertfünfzig

Meter weiter in den ehemaligen Firmensitz von Broder Brodersen Kaminöfen. „Wir starten

unser Beschäftigungsprogramm heute mit acht Flüchtlingen aus Eritrea, die wir für diese

gemeinnützige Beschäftigung gewonnen haben“, sagt Andrea Picker, Geschäftsführerin

des Herbergsvereins Winsen, die das Beschäftigungskonzept für Asylbewerber gemeinsam

mit dem Evangelischen Kirchenkreis Winsen und dem Landkreis Harburg entwickelt hat.

„Ich bin sehr dankbar für die vielen helfenden Hände“, ergänzt Claudia Prössel, Jugendwar-

tin des Kirchenkreises, die das neuartige Angebot als erste „Kundin“ ziemlich spontan für

den Umzug ihrer Einrichtung in Anspruch nimmt.

Das Beschäftigungskonzept bietet Asylbewerbern die Möglichkeit, auf freiwilliger Basis ge-

meinnützige Arbeiten für öffentliche Träger zu übernehmen, etwa für Gartenarbeiten in

öffentlichen Anlagen oder für Hilfsdienste in Altenheimen, Kirchengemeinden oder Werk-

stätten. Auf diese Weise können die hier lebenden Flüchtlinge ihren Alltag während ihrer

laufenden Asylverfahren aktiv gestalten. Das Beschäftigungskonzept nutzt Vorgaben des

Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG § 44), demzufolge Asylbewerber bei staatlichen,

kommunalen und gemeinnützigen Trägern Arbeitsgelegenheiten wahrnehmen können, für

die ihnen eine Aufwandsentschädigung von 1,05 Euro pro Stunde ausgezahlt wird.

„Wir beginnen mit Beschäftigungsmöglichkeiten in der Kirchengemeinde St. Marien in Win-

sen, etwa auf dem Friedhof, beim Hausmeister der Gemeinde oder in der Schule“, erläutert

Andrea Picker. Darüber hinaus führen zwei Mitarbeiter des Herbergsvereins momentan im

ganzen Landkreis erste Gespräche mit gemeinnützigen Trägern, die an einer Zusammen-

arbeit interessiert sind. Das Spektrum auf Kreisebene reicht von Gemeinden und Kirchen-

gemeinden über Sportvereine und Wohlfahrtsverbände bis hin zum Freilichtmuseum am

Kiekeberg, die vielfältige Beschäftigungsmöglichkeiten für Flüchtlinge anbieten.

„In den ersten zwölf Monaten wollen wir Flüchtlinge in 200 Beschäftigungsstellen vermittelt

haben“, ergänzt Christian Berndt, Superintendent des Kirchenkreises Winsen, der die zün-

dende Idee für dieses Modellprojekt eingebracht hat. Das auf zunächst drei Jahre angelegte

Projekt soll in jährlichem Rhythmus ausgewertet werden, um Erfahrungen, Hürden und Er-

folge transparent machen zu können.

„Wir begrüßen dieses neue Beschäftigungsangebot und hoffen sehr, dass viele gemeinnüt-

zige Träger und Wohlfahrtverbände im Landkreis mitmachen“, sagt Reiner Kaminski, Be-

reichsleiter Soziales, der das Konzept mit entwickelt hatte. Der Landkreis Harburg zahlt die

18

Aufwandsentschädigungen für die Flüchtlinge und übernimmt die Organisationskosten in

Höhe von 180.000 Euro pro Jahr.

Gemeinnützige Träger und Kommunen können ihre Beschäftigungsangebote bei den bei-

den dafür zuständigen Mitarbeitern des Herbergsvereins Winsen melden:

Thomas Stelling Tel. 04171-6545-33 oder Michael Grünwald 0172-4198980.

Fotos / Bildunterschriften:

Bild 1: Acht Flüchtlinge aus Eritrea, die in Winsener Asylunterkünften untergebracht sind, nehmen als erste am Beschäftigungsprogramm teil, gemeinsam mit (v.l.n.r.) Pastor Markus Kalmbach, Gemeinde St. Marien, Superintendent Christian Berndt, Kirchenkreisjugendwar-tin Claudia Prössel und Andrea Picker, Geschäftsführung Herbergsverein Winsen

Bild 2: Asylbewerber beschäftigen sich als freiwillige Umzugshelfer für den gemeinnützigen Träger Kreisjugenddienst in Winsen

Pressekontakt: Johannes Freudewald, Landkreis Harburg, Leiter Presse und Öffentlich-

keitsarbeit, Telefon: 04171-693-235, E-Mail: [email protected]

19

Abraham-Dialog

(Himmelfahrt-Godi 2014 auf der Marienbühne)

C: Jetzt möchte ich noch einmal mit Abraham reden …

… Ich meine einen Abraham, der heute lebt.

Hallo Abraham.

A: Hallo Christian, wie geht es Dir?

C: Mir geht, es gut, danke, und wie geht es Dir.

A: Mir auch, danke.

C: Du heißt Abraham. Aber Du lebst nicht vor 3000 Jahren.

Wann bist Du geboren? Und wo?

A: Im Mai 1988 bin ich geboren. Ich bin 26 Jahre alt.

Geboren bin ich in Mendefara, im Norden von Eritrea.

Das ist in Afrika.

C: 26 Jahre. Dann bist du ja viel jünger als Abraham aus der Bibel.

Und trotzdem bist Du auch aufgebrochen und hast Dich auf einen langen Weg ge-

macht.

A: Das ist richtig. Ich war erst in der Schule. Aber als ich 19 Jahre alt war, habe ich

mein Land und meine Familie verlassen.

C: Wer gehört denn zu deiner Familie.

A: Meine Eltern und meine Geschwister. Ich bin der Älteste von 8 Kindern.

C: Und warum hast Du Dein Land verlassen?

A: In der 12. Klasse schon mussten wir Training als Soldaten machen.

Wir mussten auf dem Boden kriechen.

Wir mussten rennen.

Wir haben gelernt, zu schießen.

Nach der Schule sollte ich Soldat werden.

Aber ich wollte das nicht in Eritrea.

C: Du wolltest es nicht, weil Eritrea eine Diktatur ist, ein ganz strenger Staat?

A: Genau. Es gibt dort keine Freiheit.

Und immer wieder gibt es Krieg mit unserem Nachbarn Äthiopien.

C: Du bist ja im letzten Herbst nach Winsen gekommen. Wann bist Du zu Hause

aufgebrochen?

A: Das war am 5. Mai 2009.

Wir waren drei junge Männer.

Zu Fuß sind wir in den Sudan gelaufen.

5 Tage hat es gedauert – durch die Wüste.

Und wir hatten kein Wasser. Das war schlimm.

C: Ging es Dir im Sudan besser?

A: Nein. Die Menschen im Sudan waren gegen uns, weil wir aus einem anderen

Land kamen.

C: Und dann?

A: Dann bin ich nach Uganda gegangen.

Dort habe ich über ein Jahr gelebt.

Dann zurück in den Sudan.

Dort habe ich als Verkäufer gearbeitet.

Aber es gab viele böse Menschen. Eine hohe Kriminalität.

20

C: Und dann hast Du Dich entschlossen nach Europa zu kommen?

A: Ja, nach Hause konnte ich nicht zurück, weil ich ja nicht Soldat werden wollte.

Wenn ich nach Eritrea gehe, komme ich ins Gefängnis.

C: Und wie bist du dann nach Europa gekommen?

A: Am 7.7.2012 sind wir mit dem Auto durch die Wüste Sahara nach Libyen gefah-

ren.

Dort war ich vier Monate in einem Lager. Da waren viele Menschen, die nach Euro-

pa wollten.

Als wir das erste Mal übers Meer fahren wollten, haben Sie uns erwischt.

Wir kamen ins Gefängnis.

Wir hatten kaum Essen und Trinken

Und ich hatte Angst, dass sie mich totschlagen.

C:Aber beim zweiten Mal hattest Du Glück. Du bist von Afrika auf die Insel Lampe-

dusa gekommen.

A: Ja, die Fahrt mit dem Boot hat 32 Stunden gedauert. Wir waren über Dreihundert

Menschen auf dem Boot.

C: Aber dann warst Du ja in Italien. Dann war ja alles gut, oder?

A: Nein, es war schlimm.

Wir waren 3000 Leute in einem Lager.

Zwölf Mann in einem Container.

Ein bisschen Schaumstoff, um darauf zu schlafen.

Kein Kontakt nach draußen.

Nach acht Monaten haben sie mich nach Rom geschickt.

C: Hast Du da ein Zimmer bekommen?

A: Nein, ich habe in einem Parkhaus geschlafen.

Deshalb habe ich versucht, nach Deutschland zu kommen.

C: Und so kamst Du schließlich im Oktober letzten Jahres nach Winsen. Da haben

wir gerade das Internationale Café eröffnet.

…. Da haben wir uns kennengelernt….

Abraham, hast Du denn Träume?

A: Ja, ich möchte ganz viel lernen.

Und ich möchte Automechaniker werden.

Und ich möchte in Winsen bleiben.

C: Warum willst Du in Winsen bleiben?

A: Die Menschen hier sind ruhig und freundlich.

Sie helfen mir.

Und ich kenne schon ganz viele Menschen in Winsen.

C: Eine Frage habe ich noch: Warum haben Deine Eltern Dich Abraham genannt?

A: Als ich 20 Tage alt war, wurde ich in der Kirche getauft.

Da habe ich meinen Namen bekommen: Abraham.

Abraham ist ein Freund der Menschen.

Er ist sehr gastfreundlich. Und Abraham ist ein Freund Gottes. Und das bin ich

auch.

C: Das bist Du.

Und genau wie Abraham hast Du einen lange, einen sehr langen Weg hinter dir.

Und ich wünsche Dir, dass Gott zu Dir sagt: Abraham, ich will Dich segnen und du

sollst ein Segen sein. Herzlichen Dank.