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INHALTSVERZEICHNIS Seite Die Reformation radikalisieren 1–2 Europäischer Stationenweg/Neues Licht durch neue Fenster in Linz 3 1956: Die Revolution und die reformierte Kirche in Ungarn 4–5 Gottesdienste/Veranstaltungen 6–7 Religion im Radio 8 Vergangenes bedenken – Zukünftiges planen 9–10 Bücher 10–11 Andacht: Eva–Maria Franke 12 Reformiertes Kirchenblatt Wien/Österreich 94. Jg Oktober 2016 Heft 10/2016 Euro 1,50 Die Reformation radikalisieren – provoziert von Bibel und Krise Alle Illustrationen © 2016 Radicalizing Reformation Auf der Schwelle zum 500-jährigen Refor- mationsjubiläum im Jahr 2017 haben einige Theologen verschiedener Konfessionen unter der Federführung von Prof.Dr.Ulrich Duch- row 94 Thesen erarbeitet, angelehnt an Lu- thers 95 Thesen. Die Absicht war, sich kritisch mit der Reformationsgeschichte auseinander zusetzen, und – herausgefordert von der biblischen Botschaft – die Reformation für die heutige globalisierte Welt relevant zu machen. Das Kirchenblatt möchte seinen Le- sern einige dieser Thesen vorstellen. 1 Biblisch gesehen ist die erste und eigent- liche Tat Gottes Befreiung. Auch die messianische Befreiung im Neuen Testa- ment ist nach dem Muster des Exodus gestaltet. Im Römerbrief geht es Paulus darum, dass Christus Befreiung von der „Schreckensherrschaft der Sünde“ im Kontext des Römischen Reiches bringt (Röm 5,12-8,2). Wird Recht- fertigung dagegen nicht im Exodus- Muster verstanden, sondern wie weithin üblich in der Linie Au- gustin/Anselm von Canterbury auf (Ur-)Schuld und Vergebung redu- ziert, bedeutet das eine problemati- sche Verengung mit erheblichen Ver- lusten gegenüber dem sozialen und politischen Reichtum der Bibel. 5 Mindestens zwei Milliarden Men- schen sind verarmt unter der Herr- schaft des Geldes. Diese ist der heu- tige Ausdruck des Mammon und da- mit die zentrale Herausforderung des Glaubens. Geld ist inzwischen nicht einfach das von den Zentral- banken gedruckte Bargeld in der Ta- sche, sondern Geschäftsbanken ha- ben das Recht, über Kredite gren- zenlos mehr zinsbelastetes Schuld- geld zu schöpfen. Schon Luther nennt Mammon den allgemeinsten Gott auf Erden (Großer Kate- chismus zum 1. Gebot). 7 „Das Land darf nicht unwiderruflich verkauft werden, denn mir gehört das Land, und ihr seid Fremde und Leute mit Bleiberecht bei mir“ (Lev 25,23). Eigentum ist also nur für den Gebrauch zum Leben gedacht. Im Gegensatz dazu macht der Kapi- talismus das Privateigentum absolut und beginnt deshalb mit der Einzäu- nung gemeinsamen Landes und aller natürlichen Ressourcen. Das setzt sich heute u.a. in der Privatisierung (Patentierung) des genetischen Ge- meinguts der Menschheit, des Lan- des (land grabbing), des Wassers, der Luft usw. fort. 21 Luthers Lehre von den zwei Reichen und Regimenten wurde in der späte- ren Wirkungsgeschichte weitgehend zur Rechtfertigung des Quietismus und des Untertanengehorsams (nach Rö 13,1) missbraucht. Sie muss des- halb neu interpretiert werden als Ruf zu politischer Wachsamkeit und zum Engagement der Christinnen und Christen, damit sie ihre öffentliche Verantwortung für die „Nächsten“ wahrnehmen, indem sie sich für Ge- rechtigkeit, Frieden und die Befrei- ung der Schöpfung einsetzen. 25 Das Kreuz war das Hinrichtungsin- strument des römischen Imperiums, insbesondere für Rebellen und ent- laufene Sklaven, dem abertausende unschuldige Menschen zum Opfer seiner öffentlichen Machtentfaltung gefallen sind. Das Bild eines Gekreu- zigten mit der Gasmaske oder einer gekreuzigten Frau und die Darstel- lung eines gekreuzigten Campesino erinnern daran, dass bis heute viele Menschen auf vielfältige Weise den herrschenden Mächten zum Opfer fallen, und der gekreuzigte Jesus mit ihnen allen zutiefst verbunden ist. 32 Luthers Rechtfertigungstheologie muss in verschiedenen Zeiten und These 5

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I N H A L T S V E R Z E I C H N I S Seite

Die Reformation radikalisieren 1–2Europäischer Stationenweg/Neues Licht durch neue Fenster in Linz 31956: Die Revolution und die reformierte Kirche in Ungarn 4–5Gottesdienste/Veranstaltungen 6–7Religion im Radio 8Vergangenes bedenken – Zukünftiges planen 9–10Bücher 10–11Andacht: Eva–Maria Franke 12

ReformiertesK i r chenb la t t

Wien/Österreich 94. Jg Oktober 2016Heft 10/2016Euro 1,50

Die Reformation radikalisieren – provoziert von Bibel und Krise

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Auf der Schwelle zum 500-jährigen Refor-mationsjubiläum im Jahr 2017 haben einigeTheologen verschiedener Konfessionen unterder Federführung von Prof.Dr.Ulrich Duch-row 94 Thesen erarbeitet, angelehnt an Lu-thers 95 Thesen. Die Absicht war, sich kritischmit der Reformationsgeschichte auseinanderzusetzen, und – herausgefordert von derbiblischen Botschaft – die Reformation fürdie heutige globalisierte Welt relevant zumachen. Das Kirchenblatt möchte seinen Le-sern einige dieser Thesen vorstellen.

1Biblisch gesehen ist die erste und eigent-liche Tat Gottes Befreiung. Auch diemessianische Befreiung im Neuen Testa-ment ist nach dem Muster des Exodusgestaltet. Im Römerbrief geht es Paulusdarum, dass Christus Befreiung von der

„Schreckensherrschaft der Sünde“im Kontext des Römischen Reichesbringt (Röm 5,12-8,2). Wird Recht-fertigung dagegen nicht im Exodus-Muster verstanden, sondern wieweithin üblich in der Linie Au-gustin/Anselm von Canterbury auf(Ur-)Schuld und Vergebung redu-ziert, bedeutet das eine problemati-sche Verengung mit erheblichen Ver-lusten gegenüber dem sozialen undpolitischen Reichtum der Bibel.

5Mindestens zwei Milliarden Men-schen sind verarmt unter der Herr-schaft des Geldes. Diese ist der heu-tige Ausdruck des Mammon und da-mit die zentrale Herausforderungdes Glaubens. Geld ist inzwischennicht einfach das von den Zentral-banken gedruckte Bargeld in der Ta-sche, sondern Geschäftsbanken ha-ben das Recht, über Kredite gren-zenlos mehr zinsbelastetes Schuld-geld zu schöpfen. Schon Luthernennt Mammon den allgemeinstenGott auf Erden (Großer Kate-chismus zum 1. Gebot).

7„Das Land darf nicht unwiderruflichverkauft werden, denn mir gehörtdas Land, und ihr seid Fremde undLeute mit Bleiberecht bei mir“ (Lev25,23). Eigentum ist also nur fürden Gebrauch zum Leben gedacht.Im Gegensatz dazu macht der Kapi-talismus das Privateigentum absolutund beginnt deshalb mit der Einzäu-nung gemeinsamen Landes und allernatürlichen Ressourcen. Das setzt

sich heute u.a. in der Privatisierung(Patentierung) des genetischen Ge-meinguts der Menschheit, des Lan-des (land grabbing), des Wassers, derLuft usw. fort.

21Luthers Lehre von den zwei Reichenund Regimenten wurde in der späte-ren Wirkungsgeschichte weitgehendzur Rechtfertigung des Quietismusund des Untertanengehorsams (nachRö 13,1) missbraucht. Sie muss des-halb neu interpretiert werden als Rufzu politischer Wachsamkeit und zumEngagement der Christinnen undChristen, damit sie ihre öffentlicheVerantwortung für die „Nächsten“wahrnehmen, indem sie sich für Ge-rechtigkeit, Frieden und die Befrei-ung der Schöpfung einsetzen.

25Das Kreuz war das Hinrichtungsin-strument des römischen Imperiums,insbesondere für Rebellen und ent-laufene Sklaven, dem abertausendeunschuldige Menschen zum Opferseiner öffentlichen Machtentfaltunggefallen sind. Das Bild eines Gekreu-zigten mit der Gasmaske oder einergekreuzigten Frau und die Darstel-lung eines gekreuzigten Campesinoerinnern daran, dass bis heute vieleMenschen auf vielfältige Weise denherrschenden Mächten zum Opferfallen, und der gekreuzigte Jesus mitihnen allen zutiefst verbunden ist.

32Luthers Rechtfertigungstheologiemuss in verschiedenen Zeiten undThese 5

Orten ausgeweitet und erneuert wer-den, insbesondere im Licht von Lu-thers Begriff des Evangeliums als derlebendigen Stimme Gottes. Die refor-matorische Lehre von der Rechtferti-gung muss aus der Einkapselung inden westlichen possessiven Individua-lismus und politischen Quietismusausbrechen, indem sie die Menschenvon all dem befreit, was sie Götzenunterwirft: Privilegien nach Art undGeschlecht, nach Volkszugehörigkeit,Religion, Nationalität und Klasse.Rechtfertigung muss wiederentdecktwerden als der Ausdruck für Gottestiefes Mitleiden für alle im Tod Jesu.Dadurch wird dann unsere öffentlicheVerantwortung für politische undwirtschaftliche Gerechtigkeit und fürdie Anerkennung „der Anderen“ ver-stärkt.

37Mutter Erde wird gegenwärtig ge-kreuzigt und muss Auferstehung er-fahren (Röm 8,18-22). Das ist zentralwichtig für uns Menschen, die Tiere,Pflanzen, Luft, Wasser und Erde. Wirsind Menschen nicht, weil wir konsu-mieren, sondern weil wir in Verbin-dung mit der Schöpfung leben undfür ihr und unser Wohlsein sorgenmüssen.

59Die Gerechtigkeit Gottes führt Pauluszur visionären Einsicht, dass „inChristus“ die Gegensätze und Hierar-chien der „gegenwärtigen bösen Welt-ordnung“ (Gal 1,4) außer Kraft ge-setzt sind. „Wir“ sind nicht das, wasuns von den anderen abgrenzt, son-dern mit ihnen verbindet.Die menschlichen Gegensät-ze von Nation, Religion, Ge-schlecht, Klasse, die dasSelbst als Feind und Rivalendes anderen konstituieren,werden in der Taufe „abge-legt“ wie alte Kleider. Eineneue Praxis des Einswerdensdurch Miteinander und Für-einander bringt eine neueForm des Menschseins undder Welt hervor. (Gal

6,2.15) „Hier ist nicht mehr Judenoch Grieche, nicht Sklave nochFreier, nicht männlich und weiblich,sondern Ihr seid alle eins in Christus“(Gal 3,28). Damit sind Gottes Ge-rechtigkeit, die Rechtfertigung desMenschen und menschliche Gerech-tigkeit untrennbar miteinander ver-bunden.

65Das Negativurteil über Judentum undGesetz trug maßgeblich auch zu einergrundsätzlichen Abwertung des ge-samten Alten Testaments bei. Die tri-nitarische Formel von Vater, Sohnund Heiligem Geist als gemeinsamesZeugnis aller christlichen Kirchen be-zeugt die unauflösliche Verbindungzwischen den beiden Teilen des bibli-schen Kanons. Die Einheit der beidenTestamente zurückzugewinnen, ist

eine weitere grundlegende Aufgabe re-formatorischer Theologie heute.

71Ein besonderes Problem stellt in die-sem Zusammenhang Luthers Identifi-kation der Zehn Gebote (Dekalog)mit dem Naturrecht dar (Mose als„der Juden Sachsenspiegel“). Dadurchverwischt er die Besonderheit der Toraals alternatives Recht, das in entschei-denden Punkten von den Gesetzes-werken ihrer Umwelt abweicht – etwaim Blick auf die Sabbatgesetzgebung,den Schuldenerlass, das Verbot derAkkumulation durch Gier (zehntesGebot), den Schuldenerlass. Diesekritische Stoßrichtung geht verloren,wenn die Tora gleichgesetzt wird mitjedwedem positiven Recht wie etwadem das private Eigentum verabsolu-tierenden Römischen Recht.

93Wir brauchen eine“neue Reforma-tion“. Jetzt wie damals können Leuteleicht fromm sein. Aber diese Fröm-migkeit drückt sich oft in unangemes-senen Formen aus, weil Kirchen oftvon der realen Situation, in der Men-schen leben, entfremdet sind. Wie sei-nerzeit Luther brauchen wir eine Er-neuerung der Sprache, eine Rückkehrzur befreienden Botschaft des Evange-liums.

94Bonhoeffers Vorschlag einer in derWelt engagierten Christenheit, welcheeine neue Sprache für das alte Evange-lium entdeckt, muss übersetzt werdenals „Beten und Tun des Gerechten un-

ter den Menschen“ (Bonhoef-fer). Alle kirchliche Rede mussvon diesem Gebet und diesemTun her neu eingeübt werden.Genau darauf insistiert Befrei-ungstheologie, indem sie auf derUntrennbarkeit von Orthopra-xis und Orthodoxie besteht.

© 2016 RADICALIZING

REFORMATION

Halle, 7. August, 2014 ■

REFORMIERTES KIRCHENBL ATT 10/2016

2 THEMA

These 25

These 25

BERICHTE

REFORMIERTES KIRCHENBL ATT 10/2016

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Europäischer StationenwegDiözese Wien veröffentlichte Video zum „Europäischen Stationenweg“

zum Reformationsjubiläum 2017Unter dem Motto „Frei samma! Da Jesus hod uns aussegrissn“ hat die Evan-gelische Diözese Wien ein Video veröffentlicht. In dem zweieinhalb Minutenlangen Video wird die Reformationsgeschichte Wiens vorgestellt. 2017 feierndie Evangelischen Kirchen das 500-Jahr-Jubiläum der Reformation. In Wienfällt der Startschuss für dieses besondere Jahr schon im November 2016 mitdem „Europäischen Stationenweg“.Am Freitag, 18. und Samstag, 19. November 2016 können die Wienerinnenund Wiener das „Geschichtenmobil“ mit seinen „Wiener G'schichten“ entde-cken. Es macht Halt zwischen dem Burgtheater und dem Café Landtmann(1010 Wien, Löwelstraße). Informationen: www.evang-wien.at/stationenweg

70 Jahre Diözese WienFestgottesdienst und Gartenfest zum Jubiläum der

SuperintendenzEinen Blick in die Evangelische Superintendenz A.B. Wien sowie einen öku-menischen wie interreligiösen Blick in eine Wiener Zukunft warfen amSamstag, 10. September, rund 350 Gäste der Feierlichkeiten zum 70-Jahr-Jubiläum der Superintendenz Wien. Zum Auftakt des Festtages feiertenrund 250 Gäste einen besonderen Gottesdienst in der Gustav-Adolf-Kirchein Gumpendorf, den Superintendent Hansjörg Lein gemeinsam mit ClowninRossa gestaltete. „Evangelische gibt es seit dem 16. Jahrhundert in Wien –von 1520 bis 1600 galten die Wienerinnen und Wiener sogar als mehrheit-lich protestantisch gesinnt“, erklärte Lein zur Begrüßung. „Mitten im Zwei-ten Weltkrieg, 1942, wurde die Auflösung der bisherigen Kirchenstrukturbeschlossen. 1946, vor 70 Jahren, wurde der Beschluss umgesetzt und dieEvangelische Diözese A.B. Wien gegründet.“ Wien (epdÖ) ■

Neues Licht durch neue Fenster in Linz

Die reformierte Kirche in Linz-Leonding erstrahlt seit kur-zem in hellem Licht der neuen Glasfenster.Als die Kirche in Leonding Anfang der 50er-Jahre gebautwurde, ging dies nur mit geringen Mitteln, und künstleri-sche Gestaltung oder dergleichen war nebensächlich.Die ersten Pläne zu einer farblichen Gestaltung der Front-fenster reichen weit zurück, und im Herbst 2015 kam dasThema „Bunte Fenster“ wieder auf die Tagesordnung derGemeindevertretung. Ansprechpartner dabei war dieGlaswerkstatt des Stiftes Schlierbach und deren Geschäfts-führer, Robert Geyer-Kubista. Aus einem Katalog wurdezunächst die grundsätzliche Linie gewählt. Bereits ge-schaffene Fenster der Mondseer Künstlerin Inge Dick spra-chen uns dabei am meisten an, und die Künstlerin war be-reit, sich unsere Kirche anzuschauen.Nach zwei Besuchen konnte sie einige Entwürfe liefern,von denen die Gemeindevertretung einen auswählte;ebenso wurde mit dem Glas (Oberfläche, Materialbearbei-tung usw.) verfahren.Zunächst mussten die alten Fenster entfernt werden, wassich als schwierig erwies. Man hatte eigentlich damit ge-rechnet, die alten Rahmen relativ leicht herauslösen zukönnen. Aber die Gemeindemitglieder hatten in Eigenar-beit 1953 für die Ewigkeit gebaut und so musste gestemmtwerden.Der anschliessende Einbau verlief dann relativ rasch; einPutztrupp aus Gemeindemitgliedern säuberte darauf diearg verstaubte Kirche.Am 10. Juli war es dann so weit: im Rahmen des Gemein-defestes wurden die Fenster offiziell „eingeweiht“ und er-hellen nun mit ihrem Licht von dunkelorange bis fastweiss die Kirche. Ein „Programm“ hat Inge Dick nicht indiese Fenster hinein gedacht, aber viele Interpretations-möglichkeiten offen gelassen.An Sie, liebe LeserInnen, nun die herzliche Einladung:kommt und seht! RICHARD SCHREIBER

Pfarrer in Linz ■

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© Pfarre Linz

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GESCHICHTE

1956: Die Revolution und diereformierte Kirche in Ungarn„Unser Kampf zeigt eine überraschendeÄhnlichkeit mit dem Kampf der deutschenBekennenden Kirche; wir stimmen alsoden Thesen von Barmen völlig zu, undhalten sie nach der Bibel für den Grundder jetzigen Orientierung.“ Zitat aus derungarischen „Bekennende Erklärung“von 1955.

1955: „Die Lage der bekennendenKirche heute in Ungarn“Die ungarischen kirchlichen Zustän-de in der kommunistischen Ära mitdem deutschen Kirchenkampf der30er Jahre zu vergleichen, erregte gro-ßes Aufsehen im damaligen kirch-lichen Westen. Der Vergleich stamm-te aus der anonymen Schrift einerGruppe junger ungarischer Theolo-gen aus Budapest. Die Schrift trug ur-sprünglich den Titel: „Die Lage derbekennenden Kirche heute in Un-garn“. Die unbekannten Verfasser for-mulierten ihre Kritik in Form einesBekenntnisses, das in Aufbau undThematik der Barmer TheologischenErklärung, dem Grundsatzdokumentder deutschen Bekennenden Kircheaus dem Jahre 1934, folgt. In den vierThesen des „ungarischen Barmen“wurde Kritik an den theologischenAnsichten der Kirchenleitung und ih-rer diktatorischen Machtausübung inder Kirche geäußert. Die Problemeund Nöte der leidenden Christen undGemeinden würden von der Kirchen-leitung nicht wahrgenommen. DieErklärung formulierte eine klare Dis-tanzierung von jeder Art Kirchenpoli-tik, die sich – im Widerspruch zur re-formierten Kirchenverfassung – gegendas Evangelium in den Dienst der Po-litik oder einer Staatsmacht stellt.

Gott oder GeschichteIm Archiv des Ökumenischen Ratesder Kirchen befindet sich eine weiteretheologische Schrift aus dem Jahr1955 mit dem Titel „Gott oder Ge-schichte. Über die Prämissen der heu-

tigen reformierten Kirchenführung inUngarn“. Die Schrift stammt von ei-nem Barth-Schüler und Pfarrer inSüd-Ungarn (Csurgó) und enthälteine ausführliche Analyse und Kritikan der reformierten Kirchenleitungund ihrer Theologie. Die Schrift wirft der Kirchenleitungvor, dass ihr theologisches System –die sogenannte „Theologie des schma-len Weges“ und die „Theologie desDienstes“ – eine falsche Auslegungder Bibel sei. Ihre Begrifflichkeitensind bibelnah formuliert, doch dieAkzente sind irreführend. Die wirk-lichen Motive dieser Theologie grün-den sich nicht auf Glaubenserkennt-nissen, sondern auf politisch-kirchen-politischen Entscheidungen. Beide Schriften sind wichtige Stel-lungnahmen der ersten theologischbegründeten Abgrenzung. Ihre Be-deutung liegt ferner darin, dass sieeine breite Öffentlichkeit erreichten. Allerdings wurde die Öffentlichkeitanfangs nicht etwa in Ungarn, son-dern im Ausland erreicht, nämlichmit der deutschen Übersetzung. DieVerfasser der „Bekennenden Erklä-rung“ nutzten die Gelegenheit derZentenarfeier der Budapester Theolo-gischen Akademie. Zu diesem Anlasswurden bedeutsame ausländischeGäste eingeladen, unter anderen Wil-lem Adolf Visser’t Hooft, der damali-ger Generalsekretär des weltweit wirk-samen Ökumenischen Rates der Kir-chen. Die „Bekennende Erklärung“wurde heimlich an Visser’t Hooft undan weitere internationale Gäste über-geben. Durch diese Personen erreich-te das Dokument die wichtigsten Ver-treter des Protestantismus im Ausland(im Westen) und zugleich eine breiteinternationale Öffentlichkeit. Die anonym erschienene „Bekennen-de Erklärung“ erreichte die ungari-sche Öffentlichkeit erst ein Jahr spä-ter, wobei die nach Ungarn reisendenausländischen Gäste eine große Rolle

gespielt haben. Im August 1956 fandnämlich die jährliche Sitzung desZentralkomitees des ÖRK in Ungarn,in Galyatetö statt.

August 1956: die Auswirkungendes „Tauwetters“Stalins Tod 1953 und der damit ver-bundene ‚Kurswechsel' des Sowjetstaa-tes bewirkte auch in Ungarn Verände-rungen. Im politischen Leben versuch-te der gemäßigte Flügel der Ungari-schen Kommunistischen Partei unterder Leitung von Imre Nagy einen‚Kurswechsel' durchzuziehen und dieVerbindungen zu Sowjet-Russlandaufzulockern. Der Reformgeist er-reichte um 1955/1956 auch die pro-testantischen Kirchen: seitens derKirchenleitung wurden Reformen –anhand der immer lauter werden-den innerkirchlichen Kritik – ange-kündigt.In diesem Umfeld sind die beidenoben genannten Schriften auch zu ver-orten. Ein weiteres Zeichen dieser par-teipolitischen Kursänderung war dasZustandekommen der Sitzung desZentralausschusses des ÖkumenischenRates (ÖRK) 1956 in Galyatetö. Die Erwartungen der beiden Seitenwaren hoch: das Ziel der Gäste wareinerseits, die wirkliche Lage der Kir-chen kennenzulernen, anderseits dieungarische Kirchenleitung mit der in-und ausländischen Kritik zu konfron-tieren. Die ungarische Kirchenleitung be-nutzte die ökumenische Veranstaltungdazu, ein weiteres Zeugnis von Reli-gionsfreiheit und vom blühendenkirchlichen Leben vor der westlichenkirchlichen Öffentlichkeit abzulegen.Als Zeichen dafür durfte der 1948 inden Ruhestand gedrängte reformier-ten Bischof László Ravasz seine Kritikan den kirchlichen Zuständen offenvor den Delegierten aussprechen. Ravasz durfte jedoch keine Rede hal-ten, die nicht vorher von dem „Staat-

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GESCHICHTE

lichen Amt für kirchliche Angelegen-heiten“ überprüft wurde. Er fasste sei-ne Rede in dem sogenannten „Memo-randum“ zusammen. Er beschreibt indieser Schrift sehr genau und an-schaulich das alltägliche Leben unddie Situation der Reformierten KircheUngarns, ohne darin konkrete Fälleund Personen zu nennen oder einzel-ne Menschen anzuklagen. Das „Memorandum“ bestätigte dieAussagen beider Schriften von 1955und bewies, dass die beiden Doku-mente nicht nur die unbedeutendeMeinung eines Theologenkreiseswiderspiegelten, sondern die Sichtvieler Christen in Ungarn.

29. September 1956: „Kurswechselder Kirchenleitung“ Dem Treffen in Galyatetö kann in Be-zug auf Ungarn als Erfolg zugeschrie-ben werden, dass die ungarische Kir-chenleitung innerkirchliche Refor-men versprach und in den nächstenMonaten sich um deren Verwirkli-chung bemühte. Dieses lässt sichexemplarisch an dem Rundbrief des

reformierten Konvents vom 29. Sep-tember zeigen: der Konvent-Rat übteSelbstkritik und legte ein Schuldbe-kenntnis ab. Auf die verfälschtentheologischen Aussagen und auf diediktatorischen Maßnahmen, die dasLeben der Kirche betrafen, wurde je-doch kein Bezug genommen. EinenMonat später beschloss der reformier-te Konvent die Überprüfung von Pro-zessen jener kirchlichen Amtsträger,die in den letzten Jahren zu Unrechtbenachteiligt wurden. Dieses konntejedoch wegen des politischen Um-bruchs am 23. Oktober nur teilweiseverwirklicht werden.

23. Oktober 1956: DieErneuerungsbewegung Am 23. Oktober schlossen sich zahl-reiche Pfarrer der Revolution an undnahmen an Demonstrationen teil.Der scheinbare Sieg des Aufstandshatte Änderungen auf der kirchlichenEbene zur Folge. Die leitenden Per-sönlichkeiten der reformierten Oppo-sition gründeten eine „Landesverwal-tungskommission“ mit dem Ziel einer

personellen und ideologischen Neuor-ganisation der Kirche. Die „Kommis-sion“ bezeichnete sich inoffiziell als„Erneuerungsbewegung“ und wurdevon der Mehrheit der Kirchengemein-den – 900 von 1200 – unterstützt. Die kirchlichen Veränderungen be-grüßte der Generalsekretär des Öku-menischen Rates Viser’t Hooft mitFreude. Er sprach der reformiertenKirche sein Mitgefühl aus und versi-cherte sie der Hilfsbereitschaft desÖkumenischen Rates. Am nächstenTag wurde die westliche Öffentlich-keit über die kirchlichen Vorgänge inUngarn in einer Pressemitteilung desWeltkirchenrates informiert. DiePressemitteilung ergriff jedoch nichtnur Partei für die sich durchsetzendeneue Kirchenleitung, sondern brachtedie Zentralausschusssitzung in Galya-tetö mit der neuen Ära im Leben derungarischen Kirchen in Verbindung. Mit dem Scheitern des politischenReformversuches scheiterte zugleichdie kirchliche Reformbewegung. DieErneuerungsbewegung wurde mit ad-ministrativen Maßnahmen beseitigtund ihre Exponenten aus ihren Äm-tern entfernt.

1956 – eine bekennende Kirche inUngarn? Der Kampf zwischen der systemtreu-en Kirchenleitung und der Opposi-tion wurde bis jetzt nicht als „Kir-chenkampf“ wahrgenommen, obwohlder kirchliche Kontext, die Zielset-zung der Bewegung, sowie ihr Schei-tern dem der Bekennenden Kirchesehr ähnelte. Woran das liegt? War ihrProgramm noch nicht ganz von Res-taurationswünschen befreit? War ihrZustandekommen gesetzlich und mo-ralisch doch nicht hinreichend be-gründet? Hätten die von der Kirchen-leitung versprochenen Reformen auchohne die internationale Kritik und dieErneuerungsbewegung durchgesetztwerden können? Aus der Perspektiveder letzten 60 Jahre sind weiterhinnoch viele Fragen offen.

RÉKA JUHÁSZ

Pfarrerin der Ungarischen Evangelischen

Gemeinde A.B. in Österreich ■

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B. N

émeth

Gruppe der Studenten der Reformierten Theologischen Akademie bei der Großdemonstration in Budapest am 23. Oktober 1956 (der Brillenträger hinter dem Fahnenträger ist der damalige Vikar B. Németh).

REFORMIERTES KIRCHENBL ATT 10/2016

Gottesdienste in der Reformierten Kirche Oktober 2016T E R M I N E

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WIEN – Innere StadtReformierte Stadtkirche

I, Dorotheerg. 16

10:00 Körtner/Wittich mit AM

3-Gemeinde., KiGD, TeeGDGisela u. Johannes Ebmer

Monika Liebert Empfang

Zsuzsanna Veis

Elisabeth Kluge

WIEN – WestZwinglikirche

XV, Schweglerstr. 39

10:003 Gemeindenfest Wien

Ref. StadtkircheHennefeld/Lassmann

Nèmeth/AM1)Geschichtenkiste

Hennefeld/DiakoniumDiakonieGD

Hennefeld/AMReformationsGD

WIEN – SüdErlöserkirche

X, Wielandg. 9

10:003 Gemeindenfest Wien

Ref. StadtkircheWittich/AM

KiGDU. Wittich

FaschingKanzeltausch Perchtoldsdorf

kein GD in Wien-SüdReformationsGD in W-West

OBERWART7400 Oberwart

Ref. Kircheng. 16

09:30Gúthy

dt. Spr.Gúthy

ung. Spr.Gúthy

dt. Spr.Gúthy

ung. Spr.Gúthy

zwei Spr.

LINZ4060 Leonding

Haidfeldstraße 6

09:30SchreiberErntedankSchreiberKiGD, KKSchreiber

J. Lamb/TeamFamGDBenz

Datum02.10.

09.10.

16.10.

23.10.

30.10.

GD = Gottesdienst KiGD = KinderGD FaGD = FamilienGD AM = Abendmahl KK = Kirchenkaffee TeeniGo = TeenagerGD

Predigtzyklus „Familienaufstellungen“in der Reformierten Stadtkirche

02.10. Ulrich Körtner/Johannes Wittich: „Zuag'reiste“ 09.10. Gisela & Johannes Ebmer: „Wenn Eltern ihre Kinder opfern“

16.10. Monika Liebert: „Bruder Sonne, Schwester Mond“ 23.10. Zsuzsanna Veis: „Nachfolge(r) / Jesus, unser letzter Ahne(?)“

30.10. Elisabeth Kluge: „Muttis Tunte, Papas Lesbe“ 31.10. Johannes Langhoff:„Scheiden tut weh“

jeweils sonntags um 10:00

Kulturfahrt nach Salzburg200 Jahre Salzburg – eine Reise in die Vergangenheit

Freitag, 7. – Samstag, 8.10. 2016

Literatur-Cafe„Literaturspaziergang durch Döbling“ mit Klaus Hehn

Mi, 19.10., um 14:00

WIEN – WESTDiakoniums-Gottesdienst

„Von Mensch zu Mensch". Nicht nur was wir füreinander tun ist wichtig. Auch mit welchen

geistig-seelischen Haltungen wir unseren Mitmenschen begegnen,trägt zur Gestaltung von Beziehungen bei. Welche Haltungen lassen

das gute Miteinander aufblühen, welche lassen es verkümmern?

23. Oktober, 10:00

Verband ÖsterreichischerZeitungsherausgeberund Zeitungsverleger

Auflage kontrolliertNormalprüfungVeröffentlichung im Pressehandbuch

INNERE STADT: Mo., 31.10 um 10:00 ReformationsGD mit AM und Kinderreformationsfest

WIEN SÜD: Mo., 31.10 um 10:00 ReformationsGD mit AM, Wittich

OBERWART: Mo., 31.10. um 9:30: zweisprachiger Festgottesdienst mit hl. AM zu Reformation

1) Predigtnachgespräch

WIEN – INNERE STADT

REFORMIERTES KIRCHENBL ATT 10/2016

7Gemeindeveranstaltungen Oktober 2016 T E R M I N E

BREGENZKreuzkirche am Ölrain

Kosmus-Jenny-Str.1

09:30R. StoffersKrabbelGDStoffers

GD mit TaufenOlschbauer

Stoffers

Stoffers/AM

DORNBIRN Heilandskirche

Rosenstr. 8

10:00 Meyer

HerbstfestMeyer/AM

KKVertretung Meyer

FaGD/KKMeyer/Okoro (altkath.)

Ökum. GD/KKReformationsfest in Bludenz

Kein GD in Dornbirn

FELDKIRCHPauluskirche

Bergmanng. 2

09:30 Wedam

KKWedam

KKVertretung

KKWedam, anschl. KK11:00 KiGD/MiniGD

WedamKK

BLUDENZKirche zum guten Hirten

Oberfeldweg 13

10:00Franke

Erntedank, FaGDFranke

KiGD, KKVertretung/AM

18.00 Franke

Franke Reformationsfest

Datum02.10.

09.10.

16.10.

23.10.

30.10.

WIEN Innere StadtReform. Stadtkirche

I , Dorotheerg.16

VIENNACOMMUNITY

CHURCHSunday 12:00 a.m.

Service in English

UNGARISCHERGOTTESDIENST

jeden So 17:00(außer 1. So im Monat)

MOTIVE aus dem evangelischenLeben Ö1 Jeden So 19:05 bis 19:30

Erfüllte ZeitJeden So 7:04–8:00

ZWISCHENRUFjeden So Ö1 06:55 bis 07:00

02.10. Ulrich Körtner09.10. Marco Uschmann16.10. Roland Werneck23.10. Christine Hubka30.10. Michael Chalupka

MORGENGEDANKENÖreg

Mo–Sa 05:40 bis 05:42

So 06:05 bis 06:07

Thomas Hennefeld

9.–15.10.2016

BLUDENZReformationsfest

Sonntag, 30. 10., ab 10:00

DORNBIRN„Fremde Leute in unserer Stadt“

Vortrag und Diskussion mit Judith Schwald (Caritas, Flüchtlingshilffe)

im Gemeindesaal

Freitag, 7.10., um 19:30

„Wohin mit diesen Fremden?“Vortrag mit Kurt Greussing

Rumänische Bettler und Bettlerinnen in Vorarlberg

Mittwoch, 19.10., um 19:30

Church Night für JugendlicheHeilandskriche

Sonntag, 30. 10., um 17:00

LUSTENAU: 9.10. um 8:30 Meyer und 23.10. um 8:30 Meyer/AM

HOHENEMS: Kein GD im OktoberHÖRBRANZ: 22.10. um 18:00 Stoffers

FELDKIRCH„…Drum immer weg mit ihnen!“

Eröffnung der Ausstellung:Luthers Sündenfall gegenüber den Juden.

Pauluskirche, Bergmanngasse 2

Samstag, 22.10., um 19:00

Gitarrenkonzert Pauluskirche, Bergmanngasse 2

Samstag, 29.10., um 19:00

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GEDANKEN für den Tag

Mo 3.10. – Sa 8.10. um 6:56 „Des kaun do no ned ollas gwesen

sein“ – Zum 70. Geburtstag von Georg Danzervon Thomas Stipsits, Kabarettist und Schau-

spielerIn seinen Texten hat Georg Danzer immer wiederTiefsinniges, Romantisches, Komisches und An-stößiges angesprochen. Am 21. Juni 2007 istder Liedermacher Georg Danzer gestorben, am7. Oktober dieses Jahres wäre er 70 Jahre altgeworden. Gestaltung: Alexandra Mantler

Mo 10.10. – Sa 15.10. um 6:56 „Ein Land steht still“ – Jom Kippur in

Israel von Anita Pollak, Journalistin Kein Auto, kein Flugzeug, kein Fernsehen, keineMusik, kein offenes Geschäft oder Lokal und dasin einem modernen Land am Mittelmeer.25 Stunden lang hält Israel still und das Alltags-leben an. Ein Großteil der jüdischen Bevölkerungfastet und betet. Jom Kippur, der höchste jüdischeFeiertag und Fasttag, ist in Israel ein spirituelles,aber auch ein existentielles Erlebnis, dem sichkaum jemand entziehen kann. Selbst nicht-jüdi-sche Touristen nimmt die einzigartige Atmosphä-re, die es nirgendwo sonst auf der Welt gibt, ge-fangen. Rund um den Versöhnungstag im Landder Bibel – „Gedanken“ von Anita Pollak. Gestaltung: Alexandra Mantler

Mo 17.10. – Sa 22.10. um 6:56 „Wenn jemand plötzlich fehlt“ – Trauer

und Verlust in der Literatur von BrigitteSchwens-Harrant, Theologin, Germanistin und

Feuilletonchefin von „Die Furche“. Die „Gedanken für den Tag“ stellen einige lite-rarische Werke aus den vergangenen Jahrenvor, die möglicherweise auch anderen Trauern-den helfen, den je eigenen Weg zu gehen. Auchwenn und gerade weil die Literatur nichts be-schönigt und keinen billigen Trost anbieten will. Gestaltung: Alexandra Mantler

Mo 24.10. – Sa 29.10. um 6:56„Größe und Tragik eines Humanisten“

– Zum 550. Geburtstag des Erasmus vonRotterdam

Erasmus verkörpert mehr als andere das Idealdes humanistischen Gelehrten, der durch Schrif-ten und ein grenzüberschreitendes Wirken dasBeste von dem verkörpert, was europäische Gei-stigkeit hervorgebracht hat. Dass er sich im zu-nehmend polarisierenden Sog der Reformatio-

nen des 16. Jahrhunderts nicht für radikale Lö-sungen vereinnahmen ließ, sondern zeitlebensder Mäßigung und Vernunft das Wort redete,macht ihn zu einer bis heute attraktiven Gestalt.Zu seiner Zeit geriet er dadurch aber zwischendie Stühle: Den Ton bestimmten zunehmend an-dere, die den Kontinent für mehr als ein Jahr-hundert in Spaltung und Gewalt trieben – War-nung auch für das Europa und die Welt vonheute. Gestaltung: Alexandra Mantler

Mo 31.10. – Sa 5.11. um 6:56 „Österreich – semper reformanda?“ von

Michael Bünker, evangelisch-lutherischerBischof

Mit Martin Luthers 95 Thesen gegen den Ablassbegann vor 500 Jahren die Reformation. Raschfasste die neue Bewegung auch in ÖsterreichFuß und breitete sich in Kirche und Gesellschaftaus. Von ihr gingen Impulse aus, deren Nach-wirkungen bis heute zu sehen sind. Manche An-liegen der Reformation sind von ungebrochenerAktualität. Die Parole „Ecclesia semper reform-anda“ kann von den Kirchen auch auf Gesell-schaft und Politik übertragen werden. Auch heu-te gibt es den Ruf nach Reformen in vielen Be-reichen. Braucht Österreich eine neue Reforma-tion? Gestaltung: Alexandra Mantler

LOGOS – Theologie und Leben

Sa 1.10. um 19:05 Was glauben Sie? – Der Ägyptologe Jan

AssmannEs gibt wenige Kulturwissenschaftler, die in denletzten Jahrzehnten so stark im Fokus von theo-logischen Debatten gestanden sind, wie JanAssmann. Schon mit seinem Buch „Moses, derÄgypter“ bis hin zu seinem jüngsten Werk „Exo-dus – Die Revolution der Alten Welt“ ist Ass-mann zu einem Protagonisten der akademi-schen Diskussion über den Zusammenhang vonGewalt und Monotheismus geworden. Wasglaubt der so umfassend Gebildete persönlich? Gestaltung: Johannes Kaup

Sa 8.10. um 19:05 „Tag der Sühne – Tag der Versöhnung“

– Zum jüdischen Jom Kippur-FestNur an einem Tag im Jahr durfte in biblischerZeit der Hohepriester das Allerheiligste des Tem-pels in Jerusalem betreten: am höchsten jüdi-schen Feiertag „Jom Kippur“. Bis heute, alsoauch in der Zeit nach den beiden Tempelzerstö-rungen, gilt er als wichtigster Fasttag im Juden-

tum. Jom Kippur, der in diesem Jahr auf den12. Oktober fällt, wird mit „Tag der Sühne“oder auch „Tag der Versöhnung“ übersetzt. Da-vor werden zehn Tage der Reue und Umkehr be-gangen, die mit dem Neujahrsfest Rosch Hasch-ana beginnen.Was bedeutet „Sünde“ aus jüdischer Sicht?Welche Rolle spielen Reue und Umkehr in derreligiösen Praxis? Und: Wie kann Wiedergutma-chung geleistet und der Weg zur Versöhnungeingeschlagen werden? Gestaltung: Markus Veinfurter

Sa 29.10. um 19:05 „Die Hammerschläge von Wittenberg –

und ihr Widerhall“ – Eine Sendung zum Jubiläum „500 Jahre Re-

formation“ 2017Am 31. Oktober 1517 soll Martin Luther seineberühmten 95 Thesen an das Tor der Schlosskir-che zu Wittenberg geschlagen haben. Die evan-gelischen Kirchen feiern daher im kommendenJahr 2017 das Jubiläum „500 Jahre Reforma-tion“.Im Grunde beschreibt der Begriff „Reformation“nur sehr unscharf eine Vielfalt komplexer Trans-formationsprozesse, die lange vor dem legendä-ren 31. Oktober 1517 begonnen haben undweit über den kirchlich-religiösen Bereich hin-aus gewirkt haben. Zum Auftakt des Gedenkensbringt LOGOS einen Überblick über die zahlrei-chen Aspekte dieses Jubiläums – und die vielenFragen, die es aufwirft.Gestaltung: Markus Veinfurter

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REFORMATIONSGOTTESDIENST

Mo 31.10. um 10:05

Der heurige Radiogottesdienst am Reforma-tionstag wird aus der evangelischen Kirche inKlosterneuburg übertragen. Den Gottesdienstfeiern gemeinsam mit der Gemeinde Oberkir-chenrätin Ingrid Bachler und der Ortspfarrer Ju-lian Sartorius. Die Oberkirchenrätin predigt überdie Seligpreisungen: „Der Reformationstag er-innert daran, Autoritäten zu hinterfragen.“ Die musikalische Gestaltung des Gottesdiensteshat der Chor der Studienrichtung Kirchenmusikan der Universität für Musik und darstellendeKunst Wien unter der Leitung von ManuelSchuen. Zur Aufführung gebracht werden Werkevon Michael Praetorius, einem der großen Musi-ker und Komponisten der Reformationszeit.

Ö1Religionim Radio

BERICHT

Vergangenes bedenken – Zukünftiges planenEine bewegende theologische Tagungin der Reformierten Pfarrgemeinde Oberwart

Insgesamt 102 Teilnehmer aus zehnLändern, aus Westeuropa und ausder reformierten Welt des Karpaten-

beckens, kamen nach Oberwart, umdes 60. Jahrestages der Ereignisse desJahres 1956 und ihrer Folgen zu ge-denken und an das Schicksal zahlrei-cher reformierter Pfarrer zu erinnern,die im 20. Jahrhundert ihr Leben las-sen mussten, weil sie als bekennendereformierte Christen zu Opfern totali-tärer Ideologien wurden. Zu diesenzählt auch der in Österreich dienendejunge Theologe Zsigmond Varga.

Der Ungarische SeelsorgedienstDas Thema der diesjährigen Gedenk-tagung stieß auf enormes Interesse.Die Zahl der Teilnehmer war so großwie nie zuvor. Auch die Republik Un-garn würdigte das Gedenken und ent-sandte hochrangige Vertreter des un-garischen Parlaments, des Staatssekre-tariats für Nationalitätenfragen undder ungarischen Botschaft, die jeweilszu Beginn der Tagung Grußbotschaf-ten überbrachten.Der Ungarische Reformierte Seelsor-gedienst in Westeuropa löste sich imJahr 1957 von der reformierten Kir-che Ungarns los, um in erster Linieder Seelsorge für die Reformierten zudienen, die wegen der Revolution desJahres 1956 aus Ungarn ins westlicheAusland geflüchtet waren. Heute baut der Seelsorgedienst Brü-cken, Brücken in eine Zukunft, die

oft Gemein-dearbeit ineiner anderenals der unga-rischen Spra-che bedeutet.Brücken aber auch zur Überbrük-kung der historischen Spannungen,die durch die Vergeltungsmaßnah-men nach 1956 zwischen den refor-mierten Gemeinden in der westeuro-päischen Diaspora und der reformier-ten Welt im Karpatenbecken entstan-den waren.

Geistige HeimatGesichertes und bezeugtes Wissenüber die Vergangenheit ermöglichtden Brückenschlag in die Zukunft.Diese Tagung leistete ihren Beitragdazu. In der Gegenwart eröffnen sichneue Perspektiven, denn die unga-rischsprachigen reformierten Ge-meinden in Westeuropa können denReformierten, die heute aus den Län-dern des Karpatenbeckens in denWesten ziehen, als „geistige Heimat“dienen, zur Freude beider Seiten, so-wohl der Neuankömmlinge als auchder Gemeinden in Westeuropa.

BegegnungenDie Tagung bot auch Gelegenheit zurBegegnung mit den Nachkommen re-formierter Pfarrer, die zu Märtyrerngeworden waren. Ihre Schilderungender Geschehnisse und deren Folgen

für die jeweiligen Familien und ganzeGemeinschaften waren erschütterndeMomente des Gedenkens und desVerstehens. Weitere Vorträge befassten sich mitdem Thema der Tagung aus histori-scher, theologischer und ökumeni-scher Sicht. Die Lage in der Vojvodina (heute Ser-bien) zwischen ihrer Rückgabe an Un-garn im Jahr 1941 und dem Zerfallim Jahr 1944 wurde geschildert, eben-so die Lage in Transsylvanien (Erdély)vor den Ereignissen des Jahres 1956.Monika Karvansky sprach über dasSchicksal von Lajos Gulyás, der alsPfarrer zum Märtyrer wurde. SeineTochter war bei der Tagung anwe-send. Gedacht wurde weiters der Mär-tyrer Kálmán Sas (Érmihályfalva), Já-nos Gahal (Bánság) und Ferenc Fara-gó (Hercegszöllös). Die Lage der Grä-ber dieser Märtyrer in ganz Europasoll in einer Landkarte erfasst werden.

Einsatz für FlüchtlingeAm Grab des vor 20 Jahren verstorbe-nen ehemaligen Pfarrers von Ober-wart, Dr. Imre Gyenge, wurde seinerüber viele Jahre geleisteten Dienste alsPrediger gedacht. Vom ORF und dem

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Der Ungarische Reformierte Seelsorgedienst inWesteuropa (URSW) hielt seine diesjährige Ta-gung von 14. bis 17. Juli 2016 in Oberwart ab.Anlässlich des 60. Jahrestages der ungarischenRevolution von 1956 stand die Tagung heuer un-ter dem Titel: „‘56 und die im 20. Jahrhundert zuMärtyrern gewordenen ungarischen reformiertenPfarrer“.

© Pfarre Oberwart

BERICHT

Sender Freies Europa übertragen, er-reichten seine Worte regelmäßig eineMillionen umfassende Hörerschaft.Edith Gyenge hielt als Zeitzeugin ei-nen Vortrag über die Aufnahme derFlüchtlinge des Jahres 1956 durch dieReformierte Kirche in Österreich.Daraus wurde ersichtlich, wie groß da-mals der Einsatz für die fast 200.000Flüchtlinge war und wie ihnen vonder Bevölkerung geholfen wurde, weil„jeder nachfühlen konnte, warum die-se Menschen geflüchtet sind“, hatteÖsterreich doch erst im Jahr zuvor sei-ne Unabhängigkeit erlangt. Ergänzt wurden die mündlichen Bei-träge durch eine grafisch und inhalt-lich hervorragend gestaltete Wande-rausstellung über das „Golgotha derUngarn in der Vojvodina“, die wäh-rend der Dauer der Konferenz im Ge-meindesaal der Pfarrgemeinde zu be-sichtigen war. Die wechselnden krie-gerischen Ereignisse in diesem Gebietführten dazu, dass dort 50.000 Men-schen ums Leben kamen und nachdem Krieg 280.000 in Gefangen-schaft waren. 1944 kam es zu schwe-ren Übergriffen auf die ungarischeMinderheit.

Gegenwärtige LageÜber das Gedenken hinaus wurdeauch die gegenwärtige Lage in denungarischsprachigen reformiertenPfarrgemeinden in Westeuropa be-sprochen und die jeweilige Zukunfts-perspektive erörtert.

Angesichts der zahlreichen, oft auchemotional fordernden Vorträge, wa-ren die auflockernden Elemente derTagung von umso größerer Bedeu-tung. Ein Ausflug in die Burg Bern-stein und ein klassisches Gitarrenkon-zert in der Kirche, gefolgt von einembunten Abend im Gemeindesaal, tru-gen ebenso zum großen Erfolg der Ta-gung bei wie das gemeinsame Singen(„nótázás“) der Konferenzteilnehmermit den Oberwartern, musikalischhervorragend begleitet von LudwigBaliko, dem langjährigen Kantor derPfarrgemeinde.Beschlossen wurde die Tagung durcheinen zweisprachigen Festgottesdienstmit Abendmahl, den die Tagungsteil-nehmer gemeinsam mit der Pfarrge-meinde feierten. Die Festpredigt hieltLászló Köntös, stellv. Bischof der ref.Diözese Transdanubien, gemeinsammit Dalma Enikö Lázár, Pfarrerin derung. ref. Pfarrgemeinde in Nürnberg.Am Ende der Tagung stellten die Teil-nehmer einhellig fest, dass sie sich invielfältiger Weise gestärkt auf denHeimweg machen können. Sie hattenerneut erfahren können, dass sie Mit-glieder einer Gemeinschaft im Glau-ben sind, deren Werte auch angesichtsder Herausforderungen des 21. Jahr-hunderts ihre Gültigkeit bewahrt ha-ben.

JUDITH SCHUSTER-GYENGE Presbyterin der Gemeinde H.B. Oberwart

Das gesamten Material der Tagung wird in einerGedenkschrift erfasst. ■

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10 BücherBücher

© J

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Keine gewöhnlichen MännerVieles ist schon über das Denken undWirken des evangelischen TheologenDietrich Bonhoeffer geschriebenworden: Über seine außergewöhnli-che Gelehrtheit, seinen Widerstandgegen Adolf Hitler und seine Gefan-genschaft bis zu seiner Hinrichtungam 9. April 1945. Nicht immer sinddiese Darstellungen frei von klischee-haften Zuschreibungen. Beispielhaftsei hier nur die Charakterisierung als„Märtyrer“ genannt, eine Deutung,die Bonhoeffer selbst schon zu Leb-zeiten von sich wies. Das dünne Buch„Keine gewöhnlichen Männer“ ver-sucht in seiner Darstellung Bonhoef-fers aber einen anderen Weg zu ge-hen. Denn hier steht nicht allein erim Vordergrund, sondern auch derJurist Hans von Dohnanyi, Kind-heitsfreund, Schwager und GefährteDietrich Bonhoeffers im Widerstand. Verfasst wurde dieses Doppelporträtvom kürzlich verstorbenen HistorikerFritz Stern, der als Kind mit seinerFamilie vor den Nationalsozialistennach Amerika flüchtete, und seinerFrau Elisabeth Sifton, Tochter vonReinhold Niebuhr, einem bedeuten-den liberalen Theologen und FreundBonhoeffers. Dies gibt dem Buch ei-nen zurückhaltenden, aber spürbarenpersönlichen Bezug, der dann greif-bar wird, wenn mit großer Einfühl-samkeit und Genauigkeit die Gedan-ken und Beweggründe der zweiMänner nachvollziehbar gemachtwerden. Beide haben von unter-schiedlichen Ausgangspunkten her-kommend einen gemeinsamen Wegin den Widerstand gewählt, den nurwenige ihrer Zeitgenossen genom-men haben. Es wird versucht zu er-gründen, was sie dazu gebracht hat,und wie sehr die Entscheidung dafürauch verbunden war mit dem Ringenum die Frage nach der eigenen gesell-schaftlichen Verantwortung in einemtotalitären Regime. Gleichzeitig wirddeutlich, dass der Weg Dietrich Bon-hoeffers in den politischen Wider-

Leistungen gehört, die ein Menschvollbringen kann, das wird einembeim Lesen von „Keine gewöhn-lichen Männer“ in sehr eindring-licher Weise bewusst.

M.H.

Dem Rassismus widerstehen

In der Geschichte des Ökumeni-schen Rates der Kirchen stellt das indessen Vollversammlung 1968 vonUppsala beschlossene „Programmzur Bekämpfung des Rassismus“ ei-nen Höhepunkt, aber gleichzeitigauch einen Scheideweg dar. Durchdieses Programm wurden die Mit-gliedskirchen aufgefordert, denverschiedenen Zweigen der Befrei-ungsbewegung gegen das Apart-heidregime in Südafrika humanitä-re und soziale Hilfe zu leisten. DasProgramm löste nicht nur unterden Kirchen sondern auch in dersäkularen Welt heftige kontrover-sielle Diskussionen aus. Darüberberichtet in seinem nun vorliegen-den Buch ausführlich der damaligeDirektor dieses Programms, Bald-

win Sjollema, holländischer Sozio-loge, sowohl als Insider als auch alsGestalter. Aus seinem Buch erfah-ren wir, dass der grausame, blutigeund gewalttätige Rassismus dessüdafrikanischen Regimes vieleChristen und Kirchen sensibilisiertund somit die Verabschiedung desProgramms vorangetrieben hat.Das Buch erörtert sowohl die bib-lisch-theologische Motivation desProgramms als auch die Klarstel-lung, dass die Mittel ausschließlichhumanitären Zwecken dienen undnicht Waffenkäufe der Befreiungs-bewegung subventionieren sollten.Ungeachtet dessen haben viele Kir-chen, besonders aus dem deutsch-sprachigen Raum, das Programmmit der Begründung abgelehnt,dass es der Gewaltlosigkeit Jesuwiderspreche und nur dem Kom-munismus Vorschub leiste. UnsereKirche H.B. in Österreich bildeteda eine Ausnahme, weil sie trotzEinsprüchen des lutherischen Bi-schofs das Programm unterstützte.Sjollemas Buch bietet nicht nur ver-lässliche Informationen und zeithis-

torische Fakten, sondern eszeichnet sich auch aus durchdie persönliche Betroffen-heit des Autors.

B.N.■

REFORMIERTES KIRCHENBL ATT 10/2016

11BücherBücher

Baldwin Sjollema: DemRassismus widerstehen.Persönliche Erinnerungenan das ökumenischeEngagement gegenApartheid undRassismus. Vorwort vonMargot Käßmann undNachwort von DorisPeschke.Missionshilfeverlag,Hamburg 2015, 256 S.Euro 17,00

stand nicht losgelöst betrachtet werdenkann von seiner Beziehung zu Hans vonDohnanyi. Dass die Rolle des letzteren impolitischen Widerstand in ihrem vollenAusmaß sichtbar gemacht und nicht demVergessen anheim gegeben wird, ist einklares Anliegen des Buches.„Keine gewöhnlichen Männer“ ist unauf-geregt und sachlich geschrieben, und be-rührt beim Lesen dennoch tief. Es ist dasPorträt zweier Männer, die sich in einemtotalitären und menschenverachtendenRegime das Vertrauen auf ihre innereStimme erhielten und für das, was sieunter „Anstand“ und „Verantwortung“verstanden, bis zuletzt eintraten. „Es wareinfach der zwangsläufige Gang eines an-ständigen Menschen.“, schrieb Hans vonDohnanyi selbst. Dass dieser Gang unddas Festhalten an so etwas wie „Anstand“zu gewissen Zeiten aber zu den größten

Sifton, Elisabeth / Stern, Fritz: Keinegewöhnlichen Männer. DietrichBonhoeffer und Hans von Dohnanyi imWiderstand gegen Hitler. CH Beck 2013.176 S. mit 20 Abbildungen. Euro 18,95

12Andacht

Da sagte der HERR zu Abram:„Verlass deine Heimat, deineSippe und die Familie deines

Vaters und zieh in das Land, das ichdir zeigen werde! Ich will dich segnenund dich zum Stammvater einesmächtigen Volkes machen. DeinName soll in aller Welt berühmt sein.An dir soll sichtbar werden, was es be-deutet, wenn ich jemand segne. Alle,die dir und deinen Nachkommen Gu-tes wünschen, haben auch von mirGutes zu erwarten. Aber wenn je-mand euch Böses wünscht, bringe ichUnglück über ihn. Alle Völker derErde werden Glück und Segen erlan-gen, wenn sie dir und deinen Nach-kommen wohlgesonnen sind.“ Abramfolgte dem Befehl des HERRN undbrach auf. (1. Mose 12,1-4a)Gott fordert Abram auf: Verlass deineHeimat! Was ist Heimat?Positiv verbindet sich mit dem BegriffHeimat das Gefühl der Geborgenheit,des Zuhauseseins. Ich gehe auf ver-trauten Wegen, die mir keine Angstmachen. Ich habe einen Platz, wo ichhingehöre. Ich kenne die Menschen.Ich weiß, wem ich vertrauen kann.Verbinde ich mit dem Begriff Heimatdiese guten Gedanken und Gefühle,dann bedeutet die Aufforderung, dieHeimat zu verlassen, wenn ich ihrdann nachkomme, einen Verlust fürmich.

Enge HeimatNegativ verbindet sich mit dem Be-griff Heimat das Gefühl der Enge, desEingeschlossenseins. Ich bewege michauf eingefahrenen Gleisen. Mein Ho-rizont ist eingeschränkt. VerkrusteteVerhältnisse ersticken meinen Lebens-

mut. Menschen,die mir nicht guttun, werde ichnicht los. Ver-binde ich mitdem Begriff Hei-mat diese belasten-den Gedanken und Gefühle, dann be-deutet für mich die Aufforderung,meine Heimat zu verlassen, wenn ichihr dann nachkomme, einen Gewinn. Gott verspricht Abram, der später Ab-raham genannt wird, Lebensraum,Lebenskraft, Lebensmut. Und Abrambricht auf. Abrams Aufbruch ist füruns Gabe und Aufgabe. Gabe ist derSegen Gottes, der durch JesusChristus auch zu uns kommt. Aufga-be ist der Aufbruch in eine neue Welt.Gottes Segen begleitet die, die aufbre-chen.

Segen und AufforderungSegen, Glück und Frieden wird nichtden Sitzenbleibern verheißen. Darumist es an uns, zu fragen: Wo könnenwir neue Wege gehen? Welche Wegesind segensreiche Wege, die uns zuunseren Mitmenschen führen, zumliebevollen Umgang miteinander.Welche sind Wege zu Fürsorge, Ge-borgenheit, in eine neue Heimat impositiven Sinne, zu Geborgenheit inFreiheit. Der Segen Gottes ist auchimmer zugleich eine Aufforderungzum Aufbruch, eine Sendung auchzum anderen Menschen. Wobei dann auch gilt, dass ich nichtin die Fremde gehen muss, um an denrichtigen Ort zu kommen, an demGott durch mich segensreich wirkenwill. Ich kann an meinem alten Platzbleiben und trotzdem beginnen, neue

Weg zu gehen. Heutzutage ist es jaeher umgekehrt: Fremde Menschenkommen zu uns, bringen ihre unsfremden Kulturen und Religionenmit.

FremdeFremde Menschen aus anderen Län-dern suchen bei uns nach Lebens-raum. Das macht uns auch Angst, weilwir um unseren Lebensraum fürchten.Dies ist sicher ein Bereich, in dem wiraufgefordert sind, in Wirtschaft, Poli-tik und auch im Gespräch zwischenden Religionen neue Wege für ein ge-segnetes Miteinander zu finden. Unterwegssein ist geradezu ein Le-bensgesetz, nicht nur für einen Chris-tenmenschen. Natürlich gilt dabei,dass Veränderung Angst macht. AberVeränderung macht auch lebendig!Veränderung ist Leben, Leben ist Ver-änderung. Unser Aufbruch in die Ver-änderung wird begleitet vom Segendes Herrn, denn der Herr segnet dasLeben.

EVA-MARIA FRANKEPfarrerin in Bludenz ■

Impressum: Medieninhaber & Herausgeber: Evangelischer Ober-kirchenrat H.B. in Wien. E mail: [email protected]: Pfr. Mag. Harald Kluge ([email protected]), Maga. Theol. Sonja Bredel, Pfr.Mag. Thomas Hennefeld, HR Pfr. Mag. Peter Karner, Pfr. Dr.Balázs Németh, Milena HeusslerVerwaltung und Anzeigenannahme: Alle in 1010 Wien,Dorotheerg. 16, Tel. 01/513 65 64, Fax 01/512 44 90Medienhersteller: Donau Forum Druck, 1230 Wien. Layout und Grafiken: Eva GeberBank:Schoellerbank AG, 1010 Wien, BIC: SCHOATWWIBAN: AT95 1920 0615 1117 9004Jahresabonnement 15 Euro. Erscheint 10 Mal im Jahr.DVR. 0418056(005)Medienrichtung: Ein Verkündigungs , Informations undDiskussionsforum der Reformierten Kirche in Österreich.. Alle namentlich gezeichneten Beiträge geben nicht unbe-dingt die Meinung der Redaktion wieder und fallen in dieVerantwortung des Autors/der Autorin. AuszugsweiserNachdruck gegen Zusendung von zwei Belegexemplaren.

Aufbruch in die Veränderung

P.b.b. – Verlagspostamt 1010 Wien – 11Z038962MErscheinungsort Wien

Flüchtlinge vor Lampedusa auf einem Boot der italienischen Küstenwache.

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