Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne,...

56
Inhaltsverzeichnis Vorwort.............................................................................................................................. 2 Einleitung...........................................................................................................................4 Darüber wird es handeln............................................................................................... 4 Die Neolithische Revolution.........................................................................................4 Erste Schleswig-Holsteiner*innen................................................................................ 6 So wird es sein.............................................................................................................. 7 Teil 1:................................................................................................................................. 8 Die Reise zur Sommersiedlung am Meer.......................................................................... 8 Die letzten Jäger*innen, Sammler*innen und Fischer*innen in Schleswig-Holstein.....13 Teil 2:............................................................................................................................... 21 Ein langer Tag im Frühling..............................................................................................21 Die ersten Bauern Schleswig-Holsteins.......................................................................... 25 Teil 3:............................................................................................................................... 33 Welten prallen aufeinander.............................................................................................. 33 Mobilität oder Sesshaftigkeit...........................................................................................39 Schlussreflexion Steinzeitwoche (praktischer Teil).........................................................44 Ich mitten drin.............................................................................................................44 So war es..................................................................................................................... 45 Nachwort......................................................................................................................... 47 So war das Jahr........................................................................................................... 47 So habe ich das Jahr überlebt......................................................................................48 Das hat mir die Arbeit gebracht.................................................................................. 49 Die wichtigste Aussage meiner Arbeit ist................................................................... 50 Ich hatte so viel Glück................................................................................................ 51 Danke...............................................................................................................................52 Literaturangaben..............................................................................................................53 Anhang.............................................................................................................................56 1

Transcript of Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne,...

Page 1: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

InhaltsverzeichnisVorwort..............................................................................................................................2Einleitung...........................................................................................................................4

Darüber wird es handeln...............................................................................................4Die Neolithische Revolution.........................................................................................4Erste Schleswig-Holsteiner*innen................................................................................6So wird es sein..............................................................................................................7

Teil 1:.................................................................................................................................8Die Reise zur Sommersiedlung am Meer..........................................................................8Die letzten Jäger*innen, Sammler*innen und Fischer*innen in Schleswig-Holstein.....13Teil 2:...............................................................................................................................21Ein langer Tag im Frühling..............................................................................................21Die ersten Bauern Schleswig-Holsteins..........................................................................25Teil 3:...............................................................................................................................33Welten prallen aufeinander..............................................................................................33Mobilität oder Sesshaftigkeit...........................................................................................39Schlussreflexion Steinzeitwoche (praktischer Teil).........................................................44

Ich mitten drin.............................................................................................................44So war es.....................................................................................................................45

Nachwort.........................................................................................................................47So war das Jahr...........................................................................................................47So habe ich das Jahr überlebt......................................................................................48Das hat mir die Arbeit gebracht..................................................................................49Die wichtigste Aussage meiner Arbeit ist...................................................................50Ich hatte so viel Glück................................................................................................51

Danke...............................................................................................................................52Literaturangaben..............................................................................................................53Anhang.............................................................................................................................56

1

Page 2: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Kapitel 0.1.

Vorwort_________________________________________________________________________________

Im Moment sind mehr als 65.000.000 Menschen auf der Flucht1, ca. 40.000.000 Menschen2 sind Nomaden und fast alle von uns reisen gerne und oft.Warum also leben wir sesshaft? Wäre es nicht schöner als Nomade frei durchs Land zu ziehen?Aber geht das denn überhaupt? Würden die Rohstoffe der Welt auf diese Weise auch für 7,5 Milliarden Menschen reichen? In unserer jetzigen Lebensweise reichen die Ressourcen jedenfalls nicht. Erdöl, Erdgas, Kohle, usw. sind fast erschöpft, die Meere sind von riesigen Schleppnetzen abgefischt, Urwälder müssen weiten Plantagen weichen. Doch als „Jäger-, Sammler- und Fischer*innen“ bräuchten wir keine fossilen Brennstoffe, alle würden nachhaltig jagen, sammeln und fischen. Das Leben wäre aber vermutlich härter. Denn wir könnten nicht mehr besitzen als wir mitführen können. So würde aber das Weltwirtschaftssystem zusammenbrechen. Dies jedoch könnte zu sozialer und materieller Gerechtigkeit führen.Doch warum wurden die Menschen dann überhaupt sesshaft? Was hat unsere Vorfahren dazu bewegt, das gute alte „Jäger-, Sammler- & Fischer*innen-Modell“ aufzugeben? Und warum blieben sie ausgerechnet im verregneten Schleswig-Holstein? Warum nicht im warmen Italien, mit Hoffnung eines Tages das Römische Reich zu gründen? Oder in Griechenland, Ägypten oder Mesopotamien, wo die großen Hochkulturen der frühen Antike herrschten? Warum im nassen, nebligen, kalten Schleswig-Holstein?So frage ich mich, war Schleswig-Holstein vielleicht früher gar nicht so verregnet und windig? Ich weiß es nicht. Und somit ein Grund mehr, mich danach zu erkundigen:

Wer lebte hier?Wie wurde hier gelebt?Was könnte hier spannendes passiert sein?Wie hat es hier früher einmal ausgesehen?

1 UNO, www.uno-fluechtlingshilfe.de/fluechtling/zahlen-fakten.html2 Wikepedia, en.m.wikipedia.org/wiki/Nomad

2

Page 3: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Ich wusste bereits, dass in Schleswig-Holstein in der Antike German*innenlebten, dass im Mittelalter Wikinger*innen3 hier handelten, dass später hier die Hanse tätig war, und dass sich Dänemark und Preußen öfters um das kleine Schleswig-Holstein stritten. Auch vom größten Verteidigungs-werk Schleswig-Holsteins (Danewerk) hatte ich schon gehört. Und in anderen Regionen der Erde kenne ich mich historisch gesehen auch nicht schlecht aus. Aber von der Vor- und Urgeschichte wusste ich so gut wie garnichts.Ich wusste, dass es in der Steinzeit schon Menschen gab, bzw. dass es das längste und das erste Zeitalter der Menschen war.Außerdem wusste ich, dass die Menschen bis zur neolithischen Revolutionein nomadisches Leben führten. Auch fiel mir zur Steinzeit ein, dass Mammuts gejagt wurden. Dass dies überhaupt nicht stimmt und dass es nichts mit meinem Thema zu tun hat, fand ich schnell heraus. Es wurde mir klar, dass die Steinzeit sehr lange andauerte und enorm vielfältig war.Ein Grund mehr, mich in meiner Jahresarbeit auf Schleswig-Holstein und einen festen Zeitraum zu beschränken.Denn gerade die neolithische Revolution, also die Sesshaftwerdung des Menschen, interessiert mich sehr. Außerdem wollte ich auch wissen, woher ich als Schleswig-Holsteiner komme, wie meine Vorfahren lebten, wo sie herkamen und warum sie hierblieben. Gerade weil heute wie damals viele Menschen auf Wanderschaft zu einer neuen Heimat sind. Und vielleicht können wir von den früheren Wandernden und Heimatsuchenden lernen.Ich habe Wert darauf gelegt, alles ist in einer möglichst einfachen, verständlichen Sprache zu schreiben, damit auch Jugendliche, die sich noch nie mit Geschichte befasst haben, es verstehen können. Auch habe ich versucht, eine möglichst gendergerechte Sprache zu verwenden. Dies ist mir nicht immer gelungen. So entschuldige ich mich für gewisse „Holprigkeiten“, z.B. bei dem Begriff „Bauer“ bzw. „Bäuerin“ und nehme gerne Verbesserungsvorschläge an.

Viel Spaß beim Lesen!

3 Wikinger waren eigendlich auch nur Germanen, werden aber oft extra genannt.

3

Page 4: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Kapitel 0.2.

Einleitung_______________________________________________________________________________________________

Darüber wird es handeln...In dieser Arbeit wird es um die Sesshaftwerdung in Schleswig-Holstein gehen. Dieses geschah in der Steinzeit (3.400.000-2.000 v.u.Z.4), genauer gesagt am Ende der Steinzeit, vor 7000 Jahren bis vor 5000 Jahren. Damalsgab es weder Deutschland noch Dänemark. Deshalb treffen fast alle meineAussagen genauso auf Dänemark wie auch auf Schleswig-Holstein zu.

Die Neolithische RevolutionIch schreibe in meiner Jahresarbeit über die Neolithische Revolution in Schleswig-Holstein. Doch was ist Neolithi...? Und wann kam es dort zur Revolution? Meine kürzeste Antwort darauf ist: Neolithisch kommt von Neolithikum und Revolution beschreibt den Übergang vom Mesolithikum in das Neolithikum5. Du darfst jetzt gerne äußern, dass du kein Altgriechisch verstehen kannst. Ich nämlich auch nicht. Ich kann dir aber sagen, dass Neolithikum und Mesolithikum jeweils aus drei Worten aufgebaut sind. Neolithikum aus „Neo“, was „neu“ oder so viel wie „jung“ bedeutet, „lithi“, bzw. „lithos“ heißt „Stein“ und „ikos“ kann „lang“ wie auch „Zeit“ bedeuten. Mesolithikum hat statt „Neo“ jetzt ein „Meso“ was so viel wie „über“, „dazwischen“ oder „mittel“ bedeuten kann.6 Also heißt meine Antwort übersetzt: Jungsteinzeitlich kommt von Jungsteinzeit. UndRevolution beschreibt den Übergangprozess von der Mittelsteinzeit in die Jungsteinzeit. So, - das Wort wäre dann schon mal geklärt.

Es waren drei wesentliche Dinge, die damals erfunden wurden: Erstens Keramik, das Herstellen von Töpfen, Bechern und andere Behältern aus Ton. Zweitens Ackerbau, also der Anbau von Pflanzen. Drittens Viehzucht, also das Züchten von Rindern, Schafen und Ziegen, noch keine Hühner. Manchmal wird auch noch das Schleifen von Steinklingen dazu gezählt7. Die Auswirkungen dieser drei bis vier Errungenschaften haben unsere gesamte darauffolgende Menschheitsgeschichte geprägt. So steht im Buch „Spuren der Jahrtausende“:4 Vor unserer Zeitrechnung (= v.u.Z.) wird im ganzen Verlauf meiner Arbeit von mir verwendet und ist identisch mit anderen

Beschreibungen, wie: v.Chr. sowie BC im Englischen.5 Kápolnási, 2012, S. Einleitung6 Freeden v. und Schnurbein v., 2003, 189. Übersetzung aus: Google Translate7 Pawlak, 2011, Artikel

4

Page 5: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

„Jüngere Steinzeit das klingt, als wäre sie nur ein Anhängsel der eigentlichen Steinzeit. Das Neolithikum ist jedoch nicht das Ende einer Epoche in der Entwicklung der Menschheit, wie der Name andeuten könnte, sondern vielmehr der einschneidende Wendepunkt. Eine revolutionäre Neuerung trennt das Neolithikum vom vorhergehenden Zeitabschnitt, sie ist gleich wesentlich tief greifender als die spätere Entdeckung der Metalle: Mit dem Neolithikum begann die planvolle Nahrungsmittelproduktion.“8

Deshalb wurden diese drei bis vier Entdeckungen bzw. Errungenschaften nicht an einem Tag erfunden, auch nicht in einem Jahr oder in einem Jahrhundert. Es dauerte ein bis zwei Jahrtausende, bis alles ausreichend entwickelt war, um es Neolithikum zu nennen. Nun musste das Wissen aber noch verbreitet werden. Zum Glück waren die meisten Menschen damals Nomaden, zogen also von Ort zu Ort. Dies förderte die Weitergabe von Wissen.Andererseits macht Anbau und Ackerbau nur Sinn, wenn man bei den Feldern bleibt und nicht umherzieht. Demnach wurden diejenigen, die das Wissen vom Ackerbau anwendeten, sesshaft. Nun konnten sie größere Häuser bauen. Aber weiterziehen und anderen von ihren Ideen erzählen, konnten sie nicht. Deshalb dauerte es weitere 8-12.000 Jahre.

Es gibt zwar auch heute noch Nomaden oder Menschen, die herumreisen. Ihre Anzahl ist jedoch sehr gering im Vergleich zu den heute sesshaft Lebenden.Inzwischen haben sich die Archäolog*innen darauf geeinigt, dass diese Errungenschaften zuerst in Mesopotamien oder in Südchina oder in Mittelamerika oder an allen drei Orten ungefähr gleichzeitig gemacht wurden. Das heißt, dass es eine Zeitlang dauerte bis dieses Wissen in Schleswig-Holstein angekommen war. Auch dauerte es natürlich, bis die Menschen das Wissen nutzten, um nach der neuen Lebensweise zu leben. Das Neolithikum in Eurasien endete schließlich mit dem Beginn der Kupfer-und Bronzezeit (ca. 2000 v.u.Z.).

Abb. 1.9

8 Freeden v. und Schnurbein v., 2003, 1899 www.geopfaden.nl/portal/jupgrade/index.php/de/ – auf der Stauchmoräne;Anmerkung zur Tabelle, die Schwerste Eiszeit

meines Wissens nach war nicht die Sasle-Eiszeit sondern die Varanger-Eiszeit.(ca.1,4 Milliarden Jahre v.u.Z,)

5

Page 6: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Erste Schleswig-Holsteiner*innenNun geht es bei meiner Jahresarbeit um die neolithische Revolution der Schleswig-Holsteiner*innen. Deshalb wollen wir schauen, wer die ersten Menschen in Schleswig-Holstein waren. Sie lebten vor ca. 400.000 Jahren und gehörten der Spezies Homo Erectus an10. Sie blieben nicht lange, denn das Klima war rau und die nächste Eiszeit nahte.

Abb. 2.11 die Erde in den Kaltzeiten der Eiszeit

Die nächsten Menschen, die sich wieder soweit nördlich trauten kamen erst 386.000 Jahre (also 12.000 Jahren v.u.Z.) später. Sie waren Rentierjäger*innen und folgten den Rentieren nach Norden. Ja tatsächlich, es gab Rentiere in Deutschland, denn damals war Eiszeit und deshalb erstreckte sich eine weite Tundra von Zentraleuropa bis zu den Gletschern die damals Skandinavien bedeckten (siehe Abb.2.). Der Meeresspiegel war so tief das die Menschen trockenen Fußes nach Britannien gehen konnten. Später zogen sich die Gletscher zurück und das Wasser, welches sie gespeichert hatten bildeten die Gewässer, die wir heute als Ärmel-Kanal, Nordsee, Ostsee, Schlei, den Wittensee, Eckernförder Bucht, die Eider… kennen.

10 www.palaeon.de und www.zeit.de11 www.pik-potsdam.de/~stefan/Lectures/paleoklima/index.html

6

Page 7: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

So wird es sein...Meine Arbeit habe ich in drei Teile gegliedert.Als erstes möchte ich die Jäger*innen-, Sammler*innen- und Fischereikultur vor der neolithischen Revolution betrachten, damit wir alle wissen, aus was sich die Landwirtschaft der darauffolgenden Kultur entwickelt hat. Anschließend werde ich auf diese erste Ackerbau- und Viehzuchtkultur schauen, um zu zeigen, was sich durch die neolithische Revolution konkret verändert hat.Im dritten Teil, das Herz meiner Arbeit, werde ich den Übergang von der einen in die andere Kultur, ihre Unterschiede und den Bezug zu heute beschreiben. Jeder dieser drei Teile ist nochmals in eine exemplarische fiktive Geschichte und einen theoretischen Teil aufgeteilt. Die fiktiven Geschichten werden einen normalen Tag in der jeweiligen Zeit-, Kulturepoche beschreiben. Die Hauptfigur wird ein Junge in meinem Alter sein. Einige Beispielsituationen aus der fiktiven Geschichte werden in den theoretischen Teil einfließen, um das Leben in der jeweiligen Zeit-/ Kulturepoche zu erklären. Im Teil, der den Übergang von den Jäger*innen,Sammler*innen und Fischer*innen zu der Ackerbau- und Viehzuchtkultur behandelt, werden außerdem auch noch verschiedene Theorien zur neolithischen Revolution in Schleswig-Holstein erläutert. Dann folgt noch die Reflexion meines Praktischen Teils, die von meinen Erlebnissen in der Steinzeitwoche vom 23.7. - 29.7.2017 in Albersdorf erzählt.

7

Page 8: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Kapitel 1.1._______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

Teil 1:

Die Reise zur Sommersiedlung amMeer

_______________________________________________________________________________________________

Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig krabble ich aus den Felldecken hervor und stehe auf, um mich zu strecken. Nils hat schon das Feuer entfacht und ich murmle ihm schlaftrunken einen Morgengruß zu. Ich muss an die lange Wanderung am Vortag denken. Gestern war ich müde wie ein kleines Kind ins Schlaflager gefallen. Aber zumindest haben wir den Fluss erreicht und können jetzt mit den Einbäumen weiter zum Sommerlager fahren.Durch die Blätter strahlt ein sonniger blauer Himmel. Es wird wohl ein schöner Tag werden, denke ich, als Nils mich fragt, ob ich kurz aufs Feuer aufpassen kann. Dann verschwindet er im Wald.Als Nils wiederkommt, sind die Anderen auch schon wach geworden. Runasetzt Teewasser auf, und Joren sammelt Teekräuter. Klein Peer und ich wärmen uns am Feuer, während andere die Reste von gestern herausholenund in kleinen Töpfen aufwärmen. Mein Freund Roh kommt mit neuem, trockenen Holz für das Feuer und setzt sich zu uns. „Guck mal, wie die Wolken ziehen, es wird ein sonniger Tag werden. Der erste richtig warme Tag in diesem Jahr, glaube ich!“ sagt Roh zu mir. „Das hast du gut beobachtet, mein Junge“, antwortet Alt Peer anstelle von mir. „Wie wird das Wetter morgen?“ fragt klein Peer Alt Peer und dieser antwortet darauf,dass nur der Wind das wisse.Etwas später sitzen auch alle anderen um das Feuer. In kleinen Töpfen wärmen wir die Essensreste von gestern auf. Der Wind weht mir den Rauch vom Feuer ins Gesicht. Zum Glück dreht er schnell wieder und diesmal erwischt es Nils. Als der Rauch das zweite Mal an mir vorüberzieht, ist das Frühstück fertig. Wir holen unsere Holzlöffel und beginnen alle aus den Töpfen zu essen. Das warme Essen tut gut und gibt die Kraft, die wir für den Tag brauchen. „Die Sommersiedlung ist nur noch eine Halbtagsfahrt entfernt, aber wir brauchen neue Vorräte. Wer will zur

8

Page 9: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Siedlung vorfahren, um sie vorzubereiten, sodass wir anderen am Abend mit Nahrung dazu stoßen können?“, fragt Uta. Roh und ich melden uns fürdas Vorfahren an. Als wir uns nach jemandem umschauen, der als drittes noch mitfahren will, sagt Nils: „Ich fahre auch noch mit vor.“ Als dies geklärt ist, machen Klein Peer und Ulli den Abwasch, während wir anderenunsere Sachen packen und das Lager aufräumen. Die Zeltstangen, die lederne Zeltplane, die Decken des Nachtlagers, sowie einige Werkzeuge und unsere Klamotten, legen wir in den großen dreizehn Schritt langen Einbaum, mit dem Roh, Nils und ich vorfahren werden. Kleineres Gepäck, und Jagdwaffen werden auf die kleineren Einbäume geladen. Schließlich werden noch die inzwischen sauberen tönernen Töpfe in Felllappen gewickelt und zwischen der Zeltplane und den Decken auf das große Boot gelegt.Während Ulli, Alt Peer, die Kinder und drei weitere Mitglieder unseres Stammes noch bleiben, um im Wald nach Wurzeln und Kräutern zu suchen, fahren Joren, seine beiden Brüder und Uta ein Stück flussaufwärts, um dort auf Biberjagd zu gehen. Nils, Roh und ich fahren flussabwärts zur Sommersiedlung. Der Einbaum liegt tief im Wasser, aber nicht so tief, dass das Wasser ins Boot kommt. Vorsichtig paddeln wir los. Als wir uns sicherer fühlen, tauchen wir die Paddel tiefer ins Wasser. Angetrieben von der Strömung des Flusses und unseren Paddeln, gleitet der Einbaum bald zügig durch dasWasser. Wir müssen bald nur noch aufpassen, dass das Boot sich nicht in einer Flussbiegung verhakt oder auf Grund läuft. Rasch ziehen Linden, Ulmen und Eschen an uns vorbei. Auch Haselnusssträucher sehen wir, aberso früh im Jahr tragen sie noch keine Früchte. Ich freue mich auf die Sommersiedlung und die Weite des Meeres. Wir werden Muscheln und Algen sammeln und Robben und Vögel jagen, denkeich, als Nils mich auf ein paar Rohrkolben aufmerksam macht. Ich lenke uns ans Ufer, sodass wir den Einbaum an Land ziehen und durch den Schlamm waten können, um den Rohrkolben die Wurzeln abzuschneiden. Bald darauf müssen wir aber schon damit aufhören, denn das Boot würde zu schwer werden. Also schieben wir den Einbaum wieder ins Wasser und steigen ein, weiter geht’s! Kurz darauf öffnet sich kurz der Vorhang des Waldes, um dann wieder in einem Erlenwäldchen zu verschwinden und so schlängelt sich der Fluss umdie bewaldeten Hügel. Immer, wenn wir um eine Flussbiegung kommen, kündigen Vögel uns an. Sogar einige Insekten fliegen schon an diesem warmen Frühlingstag umher. Es wird sogar so warm, dass wir unsere Regenhüte aus Schilf anziehen, um uns vor der Sonne zu schützen. Leider

9

Page 10: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

kommt etwas Wasser ins Boot, und Roh muss anfangen Wasser zu schöpfen. Einige Wurzeln müssen wir auch noch über Bord schmeißen, damit wir an Gewicht verlieren. Hinter einer Flussbiegung öffnet der Wald sich plötzlich zu einer feuchten Lichtung, auf welcher einige Wildgänse nach Nahrung suchen. Wir ziehen die Paddel ein. Vorsichtig lassen wir das Boot sich dem Ufer nähern. Nils und Roh nehmen ihre Bögen und Pfeile und springen leise ans Ufer. Schnellspannen sie die Bögen und nehmen einige Pfeile in die Hand. Im Fuchsgang schleichen sie sich an die Gänse heran und verstecken sich im hohen Gras. Dann legen sie beide einen Pfeil an die Sehne und zielen auf die ihnen nächste Gans. Erst schießt Nils, einen Sekundenbruchteil später auch Roh. Beide Pfeile schießen haarscharf am Kopf der Gans vorbei und mit aufgeregtem Geschnatter fliegen die Gänse davon. Nachdem die Beiden ihre Pfeile aus dem Schlamm gezogen haben, kommen sie zurück zum Boot. Sie säubern die hölzernen keulenartigen Spitzen ihrer Pfeile im Fluss und steigen wieder zu mir in den Einbaum. „Wir hätten näher heran gehen sollen!“ schimpft Roh. Darauf antwortet Nils ruhig: „Wären wir noch näher herangegangen, hätten sie uns schon viel früher bemerkt.“ „Aber nicht wegen mir, du Plumpfuß!“ schimpft Roh. „Nein, weil wir zu viele Klamotten an haben.“ „Ich bin nicht derjenige, der sich Muscheln an den Gürtel gebunden hat!!“ „ Jetzt, seid doch leise! Sonst verjagt ihr mit eurem Geschrei noch die Bäume aus dem Wald“, ermahne ich meine beiden Gefährten. Wir fahren schweigend weiter den Fluss hinunter. Schließlich paddeln wir auf einen See hinaus. „Jetzt ist es nicht mehr weit“, bemerkt Nils dazu. Ja, denke auch ich. Noch über den See, dann ein kleines Stück den Fluss herunter und wo der Fluss in die große Bucht mündet, scharf links abbiegen und schon liegt unsere Siedlung vor uns. „Guckt mal hier wächst Schilf. Wir könnten welches mitnehmen, um die Hütte auszubessern“, schlägt Roh vor. Nils und ich sind einverstanden. Also lenke ich den Einbaum ans Ufer. Wir suchen unsere Flintmesser und beginnen Schilf zu schneiden und es auf das Boot zu legen. Bald darauf sagt Nils, dass wir nicht mehr mitnehmen könnten sonst würde der Einbaum untergehen. Deshalb setzen wir uns ins Boot, auf das Schilf und fahren langsam, das letzte Stück zur Sommersiedlung. Dort treffen wir auf die Wellen der Bucht und kentern fast! Wir schaffen es aber gerade noch, das Gleichgewicht zu halten und an den Strand vor der Siedlung anzulegen. „Seht! Unsere Hütte! Die Wellen! Die Wellen sie… sie schlagen in unsere Hütte! Seht!“ schreit Roh stockend und zeigt auf die Reste einer

10

Page 11: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

muschelförmigen Hütte, die einem Haufen Schilf ähnelt. Das Schilf ist schimmelig geworden und bei näherer Betrachtung könnten auch manche Äste aus dem Gerüst ausgebessert werden. Zum Glück ist die Sonne noch nicht allzu weit über ihren höchsten Stand hinaus. So haben wir noch Zeit, die Reste unserer Hütte aus dem Wasser zu holen und diese, weiter landeinwärts wieder aufzubauen.Nachdem wir den Einbaum ausgeladen haben, fährt Nils noch mal zurück, um noch mehr Schilf holen. Währenddessen beginnen Roh und ich das Schilf von der alten Hütte herunterzuholen. Wir legen das schimmelige Schilf neben die Feuerstelle zum Trocknen, während wir das noch brauchbare Schilf am Waldrand stapeln. Zügig arbeiten wir uns voran und schon bald können wir auch das Gerüst auseinander knoten und die Stangen zu dem gestapelten Schilfhaufen legen. Als Nils genug frisches Schilf gebracht hat, holen wir neue Gerüststangen aus dem Wald. Es dauert lange, die richtigen Äste zu finden und genau solange sie abzuhacken. Vor allem weil der Flint immer wieder aus dem Schaft rutscht.Der Himmel beginnt sich schon rot zu färben, als wir zur Siedlung kommen und auch Ulli, Alt Peer und die Kinder sind inzwischen angekommen. Beim Anblick der Reste der alten Hütte, sagt Alt Peer: „Als ich ein Kind war, war der Strand noch doppelt so breit und in einigen Jahren wird es wohl gar keinen Strand mehr geben.“ Ulli sammelt Holz für das Feuer, auf welchem sie ihre mitgebrachten Kräuter kochen will. Währenddessen stecken Nils, Roh und ich die Gerüst-Äste in einen Kreis in den Boden, stellen in dem Kreis Stützen auf , die später das Dach halten sollen, verbinden alle Teile des Gerüstes mit Seilen aus Pflanzenfasern und weiteren Ästen, bis eine Art Kuppel entstanden ist. In der ganzen Zeit reden wir nicht viel, denn wir wollen so schnell wie möglich wieder unter einem festen Dach schlafen. Bei Sonnenuntergang kommt dann auch der Rest des Stammes. Uta und die drei Brüder erzählen, dass es keine Biber mehr in der alten Biberburg gibt. Aber Joren zeigt stolz einen Hecht, den er gefangen hat. Und Uta hat einige Rotfedern in einer Reuse gefangen. Andere bringen kleine Flusskrebse mit. Wir setzen uns ans Feuer, um einander von den Erlebnissen des Tages zu berichten. Ulli erklärt, dass es heute Abend keine Brombeerblätter zu essen gibt, sondern ein leckeres Ragout aus verschiedensten Kräutern. Klein Peer springt ihr aber ins Wort und erzählt aufgeregt von kleinen Frischlingen, die er mit Alt Peer zusammen heute imWald beobachtet hat und wie er auf einen ganz hohen Baum geklettert ist,ganz bis zur Baumkrone, wie er stolz betont. Als Klein Peer sich wieder beruhigt hat und auf meinem Schoß sitzt, erzählt Uta weiter: „Als wir am Bibersee ankamen war der Damm gebrochen und die alte Biberburg war

11

Page 12: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

nur noch zu erahnen. Die Lücken im Damm nutzten wir aus, um dort Reusen auszulegen. Später sind wir zum Fischen auf den See hinaus gefahren. Dort hat Joren dann den Hecht gestochen.“Wäre die Hütte nicht mal wieder überschwemmt worden, wären wir morgen auf Robbenjagd gefahren, aber so sollten wir uns morgen lieber um unseren Schlafplatz kümmern.“ Alle nicken zustimmend. Als wir mit dem Essen beginnen, erzählt Roh, dass es fast Gans zum Abendessen gegeben hätte.Nach dem Essen guckt sich Uta noch das Gerüst der Hütte an, lobt uns für unsere Arbeit und fordert alle auf, beim Darüberlegen der Tierhäute mitzuhelfen, um das Schlaflager darunter auszubreiten. Roh und ich gucken uns gegenseitig noch nach Zecken ab. Dann kuscheln wir uns in die Decken des Nachtlagers.

12

Page 13: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Kapitel 1.2.

Die letzten Jaä ger*innen,Sammler*innen und Fischer*innen

in Schleswig-Holstein______________________________________________________________

So wie in meiner Geschichte hätte es vielleicht sein können. Es könnte aberauch ganz anders gewesen sein. Denn von der Steinzeit sind überwiegend, wie der Name schon sagt, nur Steine übrig geblieben. Fast alle tierischen oder pflanzlichen Materialien sind verrottet. So sind von großen Bau-werken nur Pfostenlöcher, von Speeren nur die steinernen Spitzen, von den erlegten Tieren nur die Knochen übrig, wenn überhaupt. Auch haben wir heute lebenden Menschen keine Schriften gefunden. Die Steinzeit-menschen konnten deshalb wahrscheinlich weder schreiben noch lesen, esist also auch keiner ihrer Gedanken bekannt. Wir können, anhand von demwas heutzutage ausgegraben wurde, nur Vermutungen und Wahrschein-lichkeiten über das damalige Leben aufstellen. Die für mich am glaubhaf-testen klingenden Vermutungen habe ich in meine Geschichte aufgenommen. Im folgendem gehe ich theoretischer weiter auf die letzte Jäger*innen-, Sammler*innen- und Fischer*innenkultur in Schleswig-Holstein ein.Wir nennen sie die Ertebøllekultur, welche von ca. 5400 v.u.Z. bis ca. 4200 v.u.Z. existierte, das war zeitgleich mit der Entstehung des Ägyptischen Reiches und mit der Zähmung des Wildpferdes in den Steppen Eurasiens12.13

Abb. 314

12 Eurasien ist die Erdplatte auf der Europa und Asien liegen.13 Wikipedia, de.m.wikipedia.org/wiki/5._ Jahrtausend_ v._Chr.14 www.dandebart.tk/dk-historie7.htm

13

Page 14: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Die Ertebøllekultur war die Nachfolgekultur der Kongemosekultur und die erste Kultur nördlich der Elbe, von der man Keramik gefunden hat. Ihre Töpfe hatten eine ganz charakteristische Form, denn ihr Boden war Spitz, und wurde dann in Richtung der Mitte breit. Zur Öffnung verschmälerte sich der Topf wieder ein bisschen. In der Einleitung habe ich bereits erwähnt, dass Keramik eine der drei wichtigen Errungenschaften der neolithischen Revolution war. Die Ertebøllekultur ist aber trotzdem noch nicht neolithisch, denn die Menschen damals züchteten weder Vieh noch betrieben sie Ackerbau. Deshalb gehört die Ertebøllekultur noch ins Mesolithikum, also in die Mittelsteinzeit.Glaubt nicht, dass die Menschen sich damals als Ertebøller bezeichneten. Denn der Begriff Ertebøllekultur stammt nicht aus der Steinzeit, sondern kommt von einem Dorf in Dänemark, in welchem Stein- und Knochenwerkzeuge, Keramikscherben, und bergeweise Muschelschalen (Essensreste) aus der Zeit zwischen 4900 v.u.Z. und 3900 v.u.Z. gefunden wurden. Deshalb nannten die Archäolog*innen die ursprünglichen Besitzer*innen dieser Objekte nach dem Dorf, in dem sie gefunden wurden, Ertebøllegruppe15. Doch bald stellte sich heraus, dass diese Gruppe auch kulturelle Verwandte in Schleswig-Holstein und in Schweden hatte16.

Abb.4.17

Nun war sie also keine kleine Gruppe mehr sondern eine ganze Kultur. Unklar ist, ob die Menschen damals wirklich alle die gleiche Kultur hatten, denn wir wissen nur, dass sie alle ähnliche Gegenstände benutzten. Das wäre aber so ähnlich, als wenn zukünftige Archäologen sagen würden, es gäbe einen europäischen Staat, weil fast alle Europäer Smartphones benutzen, in ähnlichen Häusern wohnen, Autos fahren oder viel Plastikmüll produzieren. Aber kulturelle Unterschiede, wie dass Weihnachten in Britannien am 25.12. und in Deutschland am 24.12. 15 de.m.wikipedia.org/wiki/ertebølle-kultur16 Kápolnási, 2012 und Terberger, 2010, 5417 Moesgaard Museum bei Århus,, Dänemark, 2017

14

Page 15: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

gefeiert wird oder dass in Spanien Spanisch und in Finnland Finnisch gesprochen wird, werden sie nicht herausfinden. Es sei denn, sie fänden unsere Schrift und könnten sie entziffern. Doch wie schon weiter vorne gesagt ist es unwahrscheinlich, dass die Steinzeitmenschen überhaupt geschrieben haben, geschweige denn, dass irgendetwas davon die letzten Jahrtausende überlebt hätte.Wenn wir heute an Steinzeitmenschen denken, stellen wir uns oft wilde halbnackte Fellträger vor, welche in Höhlen um ein Feuer sitzen. Das ist aber keinesfalls korrekt, denn wenn die Menschen damals halb nackt gewesen wären, hätten sie bei den herrschenden Temperaturen nicht überlebt! Hätten sie ungegerbte Felle getragen, hätten diese sie nicht gewärmt, denn die Felle wären steif wie Pappkartons geworden. Und in Höhlen ist es erstens nass und feucht, und zweitens gibt es in Schleswig-Holstein kaum eine Höhle, in der die Menschen hätten leben können.So stellt sich natürlich die Frage, wie sie wirklich gelebt haben. Dies ist, wie ich oben erwähnt habe, schwierig zu beantworten. Viel einfacher ist esAussagen darüber zu machen, wie die Steinzeitmenschen nicht gelebt haben. Einfach, weil wir ausprobieren können, was funktioniert und was nicht18. Denn die Naturgesetze haben sich seitdem höchstwahrscheinlich nicht geändert. So ist es aufgrund der vielen Seen, Auen und der beiden angrenzenden Meere hier in Schleswig-Holstein sehr wahrscheinlich, dass die Bewohner*innen die Ressourcen des Wassers nutzten und Fischfang betrieben19. Dass wird auch bestätigt durch die vielen Muschelschalen, Fischgräten und Schneckenhäuser, die in Dänemark gefunden wurden und von den Harpunenspitzen, Aalstecherspitzen und Angelhaken, die ebenfalls gefunden wurden20. Andere Tiere, die diese sumpfige Auen- undSeenlandschaft mögen, sind Wasservögel, welche bestimmt auch bejagt wurden. Deshalb habe ich dies auch in meine Geschichte aufgenommen:

„Hinter einer Flussbiegung öffnet der Wald sich plötzlich zu einer feuchten Lichtung, auf welcher einige Wildgänse grasen. Vorsichtig lassen wir das Boot sich dem Ufer nähern. Nils undRoh nehmen sich ihre Bögen und Pfeile und springen leise ans Ufer. Schnell spannen sie die Bögen und nehmen einige Pfeile in die Hand. Im Fuchsgang schleichen sie sich an die Gänse heran und verstecken sich im hohen Gras. Dann legen sie beide einen Pfeil an die Sehne und zielen auf die ihnen nächste Gans. Erst schießt Niels, einen Sekundenbruchteil später auch Roh. Beide Pfeile schießen haarscharf am Kopf der Gans vorbei und mit aufgeregtem Geschnatter fliegen die Gänse davon.“

18 Zeugnis hierfür ist der zunehmende und rege Austausch seit dem letzten Jahrzehnt unter den Wissenshaftler*innen/Archäolog*innen aus dem gesamten skandinavischem und Baltikraum, siehe Verein zur Förderung des Archäologischen Landesmuseums e.V. , Schloß Gottorf und Treffen, deren Teilnehmer*innen aus der ganzen Welt zusammenkommen, um experimentelle Archäologie und die verschiedenen Kenntnisse, bzw. Erfahrungen zusammen zu tragen.

19 Goldhammer, 201620 Siehe auch Museum zur Frühgeschichte in Moesgaard bei Århus, Dänemark und Meier, 2000, 28

15

Page 16: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

In diesem Teil der Geschichte kommt aber auch vor, dass sie schon Pfeil und Bogen benutzten. Was bei der Jagd auf kleine Tiere große Vorteile verschafft, bei großen Tieren wie Wollnashörnern, aber keine so große Wirkung hat. Deshalb glauben Archäolog*innen, dass Pfeil und Bogen erst nach dem Aussterben von Mammut, Wollnashorn und Höhlenbär entwickelt wurden.21 Für die Jagd auf Wasservögel, Kaninchen, Fuchs, Hasen, Biber etc. ist der Bogen mit Sicherheit eine wirkungsvolle Waffe. InZeiten des Hungers, wenn es nichts anderes zu essen gab, wurden z.T. die Jagd- und Wachhunde gegessen22.Aber natürlich wurde nicht nur Fleisch und Fisch gegessen, auch verschiedenste Pflanzen und Pilze wurden gesammelt23. Nun hab ich ja erzählt, dass sie wahrscheinlich nicht lesen konnten. Das bedeutete für sie,dass sie alle Pflanzen und Pilze ihrer Region auswendig kennen mussten, um zu überleben. Es wird klar, dass die Menschen, um in der Steinzeit überleben zu können, über ein detailliertes und sehr spezifisches Wissen verfügen mussten. Erst recht im Winter, denn dann brauchten die Menschen ein wärmendes Feuer, dicke Kleider und ein Unterstand, auch wenn es im Mesolithikum im Durchschnitt ein paar Grad wärmer war als heute. Auch gab es damals weder Feuerzeug, Streichhölzer, Grillanzünder, noch nicht einmal Papier, um ein Feuer zu entzünden. Das Feuermachen braucht eine lange Vorarbeit. Erst müssen kleinere und größere Holzstücke getrocknet werden. Danach muss entschieden werden, mit welcher Methode das Feuer entzündet werden soll, und die nötigen Materialien und Werkzeuge müssen beschafft werden. Stroh, Zunder und Unterlage waren daher wichtig. Wer zu eilig ans Feuermachen geht, kann es gleich lassen, das habe ich auf der Steinzeitwoche24 gelernt. Dann, wenn alles zusammengesammelt ist, wird erst mal die Feuerstelle vorbereitet: Unten Birkenrinde und Stroh, darüber kleine trockene Scheitstückchen. Dann werden Stroh und Zunder bereit gelegt. Erst jetzt kann die Arbeit am eigentlichen Feuermachen begonnen werden.Für die Methode, die ich gelernt habe, wird ein Brennnesselstrunk, ein kleines Brett aus weichem Holz (2cm hoch, 10-20cm lang und 5-10cm breit), eine nicht entflammbare Unterlage und ein Messer gebraucht. Wenn alles beisammen ist, wird mit dem Messer (aus Flint) eine Kerbe in das Brett geschnitzt und an die Spitze der Kerbe eine kleine Kuhle ausgeschnitzt. In diese Kuhle wird der Brennnesselstrunk gesteckt. Jetzt

21 Kind, 2002, 124ff22 Kápolnási, 2012, 70 ff23 Kápolnási, 2012, 76 ff24 Steinzeitwoche im ”Steinzeitpark, Diethmarschen”, Albersdorf vom 23.07.-30.07.2017, angeleitet von Pfeifer, Werner und

Mahrdt, Eike

16

Page 17: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

muss der Strunk nur noch schnell und mit viel Druck in der Kuhle gedreht werden, bis es anfängt zu qualmen, zu schwelen. Dann kommt das bereit gelegte Stroh und Zunder zum Einsatz, das hoffentlich noch trocken ist. Insgesamt ein bedeutender, schwer und sehr entscheidender Arbeitsvorgang, der viel Erfahrung und Kenntnisse voraussetzt.Auch Kleidung konnten sie nicht einfach mal kurz kaufen. Es müssen Tierhäute und Felle abgezogen werden, die Felle und Häute müssen gegerbt werden, das Garn muss geflochten werden, die Felle und Häute müssen zurechtgeschnitten werden und zum Schluss muss alles zusammengenäht werden. Nebenbei müssen auch noch die verschiedenen Werkzeuge, wie Knochennadeln, Behälter zur Gerbung, Gerbsäure, Schaber, Messer etc., hergestellt werden. Wie die fertigen Kleidungsstücke aussahen, können wir nur erahnen, denn es wurde keinerlei Kleidung aus der Mittelsteinzeit gefunden. Vorstellbar wäre aber, dass sie sich ähnlich der „Nativ-Americans“ oder „First-Nations“kleideten25. Zu den Unterständen ist zu sagen, dass es kaum natürliche Unterstände, wie Höhlen oder Felsvorsprünge in Schleswig-Holstein gab. Weshalb auch dafür Gerüste gebaut werden mussten, vermutlich aus Ästen und Seilen, die dieses Gerüst zusammengehalten haben, das dann wiederum mit Leder oder Schilf bedeckt wurden, um den Regen und den Wind, ähnlich wie bei der Hütte in der Geschichte, draußen zu halten. Auch schliefen alle Stammesmitglieder, wie es in der Geschichte beschrieben ist, zusammen. Das konnten vermutlich eine Handvoll Leute bis zu vierzig Personen sein. Es war vermutlich ein großes Nachtlager, um einander warm zu halten. 26

Abb. 5. 27 Abb. 6. 28

Die Menschen der Mittelsteinzeit bauten aber keine großen Häuser, das hätte sich gar nicht gelohnt, denn sie zogen umher und wechselten den Wohnort wahrscheinlich mit den Jahreszeiten, um immer genug Jagdbeute

25 Hosenbeine, die am Gürtel festgebunden werden.26 Kind 2002, 125 ff27 www.welt.de/geschichte/article147831216/Wie-gut-lebte-es-sich-wirklich-i-nder-steinzeit.html von Graef, Robert, 201528 Moesgaard Museum, 2017

17

Page 18: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

und genug Pflanzen zum Sammeln zu haben. Diesen Platzwechsel können wir in meiner fiktiven Geschichte erleben. 29

Die Landschaft wird hier folgendermaßen beschrieben:

„Rasch ziehen Linden, Ulmen und Eschen an uns vorbei. Auch Haselnusssträucher sehen wir, aber so früh im Jahr tragen sie noch keine Nüsse.“„Bald öffnet sich kurz der Vorhang des Waldes, dann verschwinden wir wieder in einem Erlenwäldchen, während der Fluss sich um die bewaldeten Hügel schlängelt. Immer, wenn wir um eine Flussbiegung kommen, kündigen Vögel uns an. Sogar einige Insekten fliegen schon an diesem warmen Frühlingstag umher.“

Damals bedeckte ein wilder Urwald Schleswig-Holstein, durchzogen von Flüssen, Auen, Meeresarmen und Seen. Der Wald bestand größtenteils ausEichen, Linden, Ulmen, Eschen und Haselbäumen30,31 . In den Wäldern lebte Auerochse, Rothirsch, Reh, Wildschwein, Marder, Wolf, Bär, Fuchs, Vogelarten von Zaunkönig bis Seeadler, Nager von Maus bis zum Biber u.a.m.Um in dieser Welt überleben zu können, brauchten die Menschen viele verschiedene Werkzeuge. Erst einmal brauchten sie Speere, Pfeil und Bogen, Beile und Messer, um an Nahrungsmittel und Rohstoffe heranzukommen. Um diese herzustellen, benutzten sie Flintstein, Knochen, Geweih, Holz und Werkzeuge wie Hammer, Bohrer und Messer. Aus der Haut der erlegten Tiere fertigen sie Kleidung an. Dazu brauchten sie außerdem Schaber, Töpfe, Nadeln, Garn, Messer und verschiedenste Zutaten pflanzlicher und tierischer Art für die Gerbung.Für den Bau von Hütten, um das Holzgerüst zu bauen und um das Schilf fürdas Dach zu schneiden, wurden Seile, Beile und Messer gebraucht. Für die Keramik, d.h. für den Brennvorgang der Töpfe wurden z.B. große Feuer benötigt.

29 Meier, Dirk, 2000, 28

30 Kápolnási; 2012, Einleitung31 Meier, 2000, 29

18

Page 19: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Abb. 7.32 Hier seht ihr einige ihrer Werkzeuge.

Alle Werkzeuge mussten einzeln mit der Hand angefertigt werden. Aus Flintsteinen mussten Klingen geschlagen werden. Dazu schlugen die Menschen z.B. mit Granit Kanten vom Flint ab. Diese waren schärfer, als esdie besten Stahlklingen heute sind, wurden aber auch schnell stumpf und konnten nur schwer wieder geschärft werden, weshalb sie oft im Müll landeten. Übrigens werden heute immer noch Flintsteinklingen in der Chirurgie benutzt33. Aus Knochen und Geweih wurden Angelhaken, Klingen, Schmuck, Hacken geschnitzt und aus Holz wurden Schäfte für Speere, Messer, Pfeile und Beile gefertigt sowie Bögen geschnitzt.Man geht davon aus, dass die Gruppen miteinander handelten und Werkzeuge, Rohstoffe und Wissen untereinander austauschten. Wahrscheinlich hatten sie sogar Handelsbeziehungen zu Bauersiedlungen südlich der Elbe. Denn es sind Funde von Keramik in Schleswig-Holstein gemacht worden, die einer anderen Herstellungsart als der ertebøllischen Spitzbodengefäße unterliegen34. Auch Öllampen, Vieh und Werkzeuge könnten im Tausch gegen Tran oder Pelze mit den Neolithiker*innen südlich der Elbe gehandelt worden sein. Manche Archäolog*innen glauben, dass Handelsbeziehungen bis in die heutige Bretagne oder ins Karpatenbecken reichten. Diese Theorie wird ebenfalls durch Fundstücke untermauert, deren Ursprung in den eben erwähnten Regionen liegen soll.35 Somit hatten die Menschen in Schleswig-Holstein, wenn auch zum Teil vielleicht nur indirekt, Kontakte zu vielen anderen Kulturen Europas. Vor allem mit neolithisch geprägten 32 www.einach-natur.de/angebote-für-schulen/steinzeitwerkstatt-für-schulklassen33 ...weil sie eine hevorragende Schärfe aufweisen und erstaunlich steril sind! Es wurden Deformationen an Schädeln gefunden,

die auf einen operativen Eingriff, auch schon zu der damaligen zeit(!) hinweisen. Plönißen, 2016, Steinzeitwoche34 Kápolnasi;2012, 82 ff35 Kápolnasi; 2012, 82 ff

19

Page 20: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Lebensgemeinschaften. Darauf werde ich im dritten Kapitel „Mobilität oder Sesshaftigkeit“ näher eingehen.Mit Sicherheit haben die Menschen sich damals Geschichten erzählt, dennums Feuer sitzen, Singen oder sich Geschichten erzählen, findet man in allen menschlichen Kulturen. Und wenn gesungen wird, dann werden oft auch Instrumente dazu genommen. Ich glaube, dass das in der Steinzeit nicht anders war, als heute. Funde von Flöten sind ein Beweis dafür und eswird angenommen, dass einzelne Gefäße als Trommeln dienten. Steinzeit-menschen waren bestimmt musikalisch. Darüber hinaus ist von der Kunst der Ertebøllekultur allerdings leider bis heute nichts übrig geblieben. 36

Auch über die Religion der Jäger, Sammler und Fischer ist uns kaum etwasbekannt. Das Einzige, was ich als Antwort auf die Frage nach der Religion bekam war, dass in Dänemark ein ritueller Platz gefunden worden sein soll.37 Es wird vermutet, dass dort Steinäxte in einem Kreis im Boden gesteckt haben. Ansonsten können wir über Religion und Mythologie der Ertebøllekultur nur spekulieren. Ein bisschen mehr über kulturelles Leben ist bei den ersten bäuerlichen Menschen bekannt.

36 Horsch, 2017, Steinzeitwoche

37 Goldhammer., 2016,

20

Page 21: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Kapitel 2.1._______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

Teil 2:

Ein langer Tag im Fruä hling_______________________________________________________________________________________________

Ich wache davon auf, dass mich jemand schüttelt und mir zuruft: „Aufstehen! Aufstehen! Hörst du nicht die Rinder, wie sie nach Essen schreien! Alle anderen sind auch schon wach!“ „Ist ja gut, bin schon wach“,murmle ich gähnend, als ich vorsichtig meine Augen öffne. Im Langhaus istes dunkel, aber ein schwacher Schein kommt vom Feuer und durch den Türspalt zu mir hinein. Draußen in den Pferchen vor dem großen Haus muhen die Kühe und mähen die Ziegen und Schafe. Schnell schlüpfe ich vom Bett in meine Kleidung und eile zusammen mit Bjarte nach oben auf den Heuboden. Wir holen Heu herunter und bringen es nach draußen, wo die Tiere auf uns warten. Freudig werden wir dort mit viel Schwanzgewedel von den Hunden begrüßt.In die Ziegen- und Schafspferche werfen wir nun Heu, und auch die drei Kühen und der Ochse bekommen was davon. Für die vier Schweine holen wir aus dem Gemeinschaftsraum Essensreste von gestern und die Eicheln vom vergangenen Herbst. Als wir zurück in den Gemeinschaftsraum kommen, gibt es ein karges Frühstück aus Trockenfleisch, trockenem Brot und frischen Kräutern. Das ganze Dorf sitzt jetzt auf Hockern und Fellen rund um das große Kochfeuer versammelt. Auch die Hunde haben sich bei uns abgelegt. Aegir stellt fest: „Heute müssen wir Emmer und Einkorn sähen!“ „ Wir brauchen aber nicht erst in einem halben Jahr etwas zu Essen, sondern auch in den kommenden Tagen, denn unsere Vorräte sind knapp“, wirft Aegon ein. „Dann geh du doch jagen!“, gibt Aegir zurück und wendet sich nun an Bjarte und mich. „Baldr und Bjarte könntet ihr ein paarKräuter aus dem Wald mitbringen, wenn ihr mit dem Vieh draußen seid?“ „Ist okay! Können wir machen“, antworte ich. „Gut wäre auch, wenn ihr vorher noch das Gemüsebeet wässern könntet“, meint Aegir und fragt Aegon, „Wen brauchst du noch für die Jagd?“ „Ich dachte eher daran fischen zu gehen. Deshalb würde ich mich freuen, wenn Birger, Ida und Birgit mich begleiten würden?“ Er schaute die genannten Personen an, welche nacheinander zustimmend nickten. „Der Rest hilft beim Sähen!“, stellte Aegir klar. „Dann an die Arbeit! Und frohes Schaffen!“

21

Page 22: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Bjarte und ich suchen Töpfe und holen Wasser von der Au. Wir nutzen gleich die Gelegenheit, um uns zu waschen. Auch Duna, die Jüngste aus der Hundemeute springt freudig mit ins kalte Nass. Kalt beißt das Wasser an diesem Frühlingsmorgen. „Uhuuu, tut das gut! Uhuuuu!“, ruft Bjarte lachend. Auch ich steige in das Freudengeheul mit ein. Zitternd vor Kälte kommen wir wieder an Land. Zum Glück ist der Tag sonnig und auch wenn es noch nicht warm ist, trocknen wir langsam. Noch nass und dennoch erfrischt füllen wir lachend die Töpfe, laufen uns auf dem Weg zum Gemüsebeet warm und begießen vorsichtig, das erst vor wenigen Tagen bestellte Beet.Dann tauschen wir die Töpfe im Haus gegen einen Rucksack, zwei Hasel-nussstöcke, unsere Bögen, Pfeile und Messer aus. Anschließend gehen wir zu den Stallungen. Dort haben die Kinder des Dorfes schon die Schweine mit auf den Hof genommen. Bjarte und ich holen jetzt das andere Vieh und treiben es, unterstützt von Duna, in den Wald. Auf dem Weg dorthin kommen wir an den Feldern des Dorfes vorbei. Vieleder Dorfbewohner*innen haben gerade mit der Arbeit begonnen. Zum Glück sind die Felder umzäunt, sonst wäre es schwierig, die Tiere von ihnen fern zu halten. Wir haben schon so genug damit zu tun, die Tiere weiter in Richtung Wald zu treiben, denn dauernd bleiben sie stehen, um am Wegesrand von den Gräsern und anderen Kräutern zu naschen. Schließlich erreichen wir den Wald. „Gehen wir zu den Brombeersträuchern und dann weiter zum Fluss oder wollen wir die Runde über die große Lichtung nehmen?“, fragt mich Bjartenun. „Ja!“ antworte ich. „Was jetzt, zur Lichtung oder zu den Brombeeren?“ „Zu den Brombeeren. Die Brombeerblätter können wir dann auch zum Mittag essen. Anschließend, können wir auf dem Rückweg dann ja am Moor vorbei kommen. Dort können wir Rohrkolben, Löwenzahn und Brenneseln finden.“ „Gut, dann los!“, antwortet Bjarte.Wir treiben die Kühe, die Schafe und die Ziegen in den Wald. Ständig müssen wir gucken, dass sich kein Tier von der Herde entfernt. Gleichzeitigversuchen wir zwischendurch, ein paar Kräuter zu sammeln. Ich finde bald einen kleinen noch nicht angeknabberten Strauch Spitzwegerich und etwas später Bucheckern und wenige Eicheln vom letzten Jahr. Doch als ichgerade eine weitere Eichel aufheben will, sehe ich, wie sich einige Schafe selbstständig machen und sich im Gänsemarsch von der Herde entfernen. Schnell rufe ich nach Duna und befehle ihr, die Schafe wieder einzufangen. Ich gebe Bjarte ein Zeichen, dass er nun kurz alleine auf den Rest der Herde aufpassen muss. Dann renne ich los. Gemeinsam mit Duna schaffe ich es, die Herde wieder zu vereinen.

22

Page 23: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Als ich zurück bin, zeigt mir Bjarte ein paar Vogeleier, die er gefunden hat. Ich zeige ihm wiederum die Eicheln, die ich gefunden habe. Alles legen wir in den Rucksack. Dann erreichen wir auch schon die Brombeersträucher.Bjarte fängt sogleich an frische Brombeerblätter zu pflücken und entfernt die Dornen von ihnen. Ich erkläre mich derweil bereit, auf das Vieh aufzupassen. Duna hält sich dicht an Bjarte und guckt ihn an, als würde sie gleich verhungern. Tatsächlich ist sie hinter den Beeren her, die für sie einebesondere Leckerei im vergangenen Jahr waren. Aber Bjarte macht klar, dass es zu dieser Jahreszeit keine Brombeeren gibt.Entspannt schaue ich dem Vieh beim Fressen zu, wie sie anschließend auf der kleinen Lichtung bei den Brombeeren ruhen, bis Bjarte mich fragt, ob ich schon ein paar Brombeerblätter probieren möchte. Gerne nehme ich das an, denn das Frühstück ist schon eine Weile her. Wenig später ziehen wir weiter in Richtung Fluss. Wir kommen auf dem Weg an Kamille vorbei, welche wir pflücken und in den Rucksack zu dem anderen Schätzen legen. Kurz darauf erreichen wir den Fluss. Wir lassen die Tiere trinken und sammeln dort am Ufer Pfefferkraut. Dann gibt es ein Mittagessen aus verschiedensten von uns gesammelten Kräutern. Weil auch die Tiere jetzt ruhen, kraule ich gemütlich Duna, während wir beide über die Herde wachen. Bjarte hat währenddessen seinen Bogen genommen und versuchtdamit Fische zu schießen. Ganz still steht er im Wasser, abwartend und mitdem Pfeil am Bogen, nach einem Fisch im trüben Wasser ausspähend.Wenig später sage ich: „Ich denke, wir müssen bald wieder los, denn wir sollen heute noch helfen, das große Feld zu bestellen und zwar bevor es dunkel wird.“ „Ich komme!“ ruft Bjarte als Antwort.Wir packen wieder unsere Sachen und treiben das Vieh in Richtung Moor, von dem aus wir planen, entlang der Au und an den Grabhügeln vorbei zum Dorf zurück zu laufen. Beim Moor machen kurz wir Halt. Dort wollen wir ein paar Rohrkolbenwurzeln mitnehmen. Ich ziehe rasch meine Beinlinge aus und steige in den Morast. Wenig später komme ich mit fünf Wurzeln wieder zurück. „Jetzt aber zügig weiter“, sage ich, als ich meine Beinlinge in den Rucksack lege, „sonst schaffen wir es nicht, rechtzeitig dort zu sein“, füge ich noch beim Aufbrechen hinzu. Wir eilen zur Au. Ich wasche mir meine Beine und Füße und ziehe mir die Beinlinge über.Hier endet der Wald plötzlich und der Familiengrabhügel ragt über uns auf.Da muss ich an meine Großeltern denken, die hier zusammen mit Onkel Balon und den übrigen Ahnen begraben liegen. Auch denke ich an das Baby meiner Schwester, welches den Winter wie so viele Kleinkinder nicht überlebt hat. Respektvoll führen wir die Herde an dem Hügel vorbei und ins Dorf.

23

Page 24: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Wir werden so gleich gerufen mitzuhelfen beim Sähen und schaffen es gerade noch, den Kindern zuzurufen, sie sollen doch bitte die Tiere in die Pferche bringen. Dann eilen wir, verfolgt von Duna, zum großen Feld. Dort bekommen wir Weizenkörner in die Hand gedrückt und beginnen zu sähen. Erst nach Sonnenuntergang sind wir fertig und versammeln uns allmählich im Haus. Aegon, Birger, Ida und Birgit haben aus unseren gesammelten Kräutern und aus den von ihnen gefangenen Fischen ein leckeres Essen gezaubert. Danach fallen wir alle müde ins Bett.

24

Page 25: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Kapitel 2.2.

Die ersten Bauern Schleswig-Holsteins

_________________________________________________________________________________

So wie in der Geschichte hätte es vielleicht sein können. Es könnte natürlich auch ganz anders gewesen sein. Denn z.B. wissen wir nicht, ob die Menschen der Ertebøllekultur sesshaft wurden oder ob Bauern und Bäuerinnen aus dem Süden auf der Suche nach neuem Land hierher kamen. Ich vermute aber, dass einige Menschen aus dem Süden einwanderten und die Idee der Landwirtschaft mitbrachten, und dann die hier lebenden Menschen von der Neuen Lebensweise überzeugten, aber dazu später mehr. Die Einwandernden brachten Getreide, Gemüse und Vieh mit. Die Ackerbebauenden und Viehzüchtenden gründeten Siedlungen und begannen Felder zu bestellen. Dafür mussten sie den Waldroden. Auch veränderte sich die Gestaltung der Keramik. Wo sie vorher Spitz zulief, war jetzt ein runder Boden und oben auf den Gefäßen war jetzt ein kunstvoll gestalteter Trichter38. Wegen der vielen bis heute erhaltenen Töpfe und dem charakteristischen Trichter wurde diese Bauernkultur Trichterbecherkultur genannt. Wie sie sich selber nannten und ob sie sich überhaupt als eine Kultur verstanden haben, wissen wir nicht.

Da sie bäuerlich waren, lebten sie in Siedlungen oder Dörfern. Zu dem Aufbau dieser Siedlungen habe ich von zwei verschiedenen Theorien gehört. Laut einer gab es in jeder Siedlung nur ein bis maximal zwei große Häuser.39 40 Hier gab es möglicherweise Stammesverbände, die siedlungsübergreifend waren. D.h. es lebte nicht nur ein Stamm in einer Siedlung, sondern es gab auch mehrere Siedlungen, die von einem Stamm bewohnt waren41. Die andere Theorie geht davon aus, dass es ein zentrales Dorf mit mehreren Häusern gab, zumeist um die sechs. Um das Dorf herum soll es noch weitere zum Dorf orientierte Gehöfte gegeben 38 Landesmuseeum Schleswig-Holstein (Schloss Gottorf), Archäologische Ausstellung.39 Plönißer, 2017, Steinzeitwoche40 Müller 2010, 95.41 Keine Beweise, eigene Annahmen, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass in einem Stamm weniger als zehn Personen lebten.

25

Page 26: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

haben42. Dieses zweite Modell wird unterstützt durch die Entdeckung eines neolithischen Handelszentrums bei Büdelsdorf. Dort wurde eine Dorfanlage gefunden, in welcher wohl über tausend Menschen gelebt haben in ungefähr 50 Häusern43. Für damalige Verhältnisse eine Stadt. Durch ihre zentrale Lage und die Anbindung an die Eider bot diese Siedlung perfekte Handels- bzw. Tauschbedingungen. Die Spezialität dieserStadt scheinen Flintklingen gewesen zu sein, denn viele davon wurden am Fundort ausgegraben. Auch wurde eine Kreisgrabenanlage entdeckt44. Alsomehrere große Kreise aus Gräben und Pfostenlöchern, die wie eine Matrjoschka (Babuschka-puppe) ineinander liegen.

Abb. 8. 45

Wozu diese Kreisgrabenanlagen gut waren, können wir nur vermuten46. Es ist unwahrscheinlich, dass sie zu Verteidigungszwecken genutzt wurden, dasie dann anders konstruiert und positioniert gewesen wären. Die Theorie, dass sie ein Sonnenkalender darstellten, ist auch unwahrscheinlich, denn die Kreisgrabenanlagen unterscheiden sich in Größe, Verteilung der Eingänge und Ausrichtung dieser in die Himmelsrichtungen. Andere vermuten auch, es könnte sich um Markt- oder um rituelle Plätze handeln. Vielleicht bildete sich das prähistorische „Büdelsdorf“ ja gerade wegen dieser Kreisgrabenanlage, gewissermaßen als Anziehungspunkt, um z.B. die Kreisgrabenanlage zu unterhalten.

42 Freeden und Schnurbein, 2003, 120

43 Hennies, 2015, www.deutschlandfunk.de/norddeutschland-huegelgraeber-liefern-einsichten-in-die.1148.de.html?dram:articele_id=336601

44 www.astronews.com/news/bilder/2009/0906-019.jpg45 www.ksta.de/ringheiligtum-poemmelte-oeffnet-am-21--juni-2415379446 Hennies, 2015, www.deutschlandfunk.de/norddeutschland-huegelgraeber-liefern-einsichten-in-die.1148.de.html?

dram:articele_id=336601

26

Page 27: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Nicht nur wegen dieser Stadt favorisiere ich diese Theorie des zentralen Dorfes, sondern auch weil ich vermute, dass die Trichterbecherkultur inzwischen eine hierarchisch strukturierte Gesellschaft entwickelt hatte. Esgibt Hinweise, dass eine Siedlung in dieser Größe einer Arbeitsaufteilung bedurfte und es daher auch vermutlich hierarchische Strukturen gegeben hat47. Im Dorf könnte demnach ein Häuptling (oder eine Häuptlingsfrau) mit Großfamilie gewohnt haben, sowie andere wichtige Familien. Drum herum auf den Einzelhöfen könnten einfache Leute gelebt haben. Denn dort wo materieller Wert48 (Besitz) und Handel an Wichtigkeit gewinnt, liegt es nahe, dass sich hierarchische Strukturen und Arbeitsteilung im Zusammenleben der Menschen bilden. Z.B. wurde viel bearbeiteter Bernstein gefunden49, der vermutlich als Zahlungsmittel genutzt wurde. Ich kann aber auch einfach durch eine moderne Sichtweise geblendet sein und annehmen, dass alles auf eine Hauptstadt hin zentriert war - wer weiß?

Nun aber gab es nicht nur eine Siedlung, sondern mehrere in dem Gebiet Schleswig-Holsteins. Inzwischen wird davon ausgegangen, dass die Ertebøllekultur noch weiter fortbestand, parallel zur Trichterbecherkultur, die schon in dieser Region angekommen war. So kam es wohl des Öfteren zu kriegerischen Auseinandersetzungen, auch unter den einzelnen Dorfgemeinschaften und auch zu den Jagdgemeinschaften. In Dänemark wurden eingeschlagene Schädel aus dieser Zeit gefunden. Manche dieser Schädel hatten Löcher, die schon wieder zugewachsen waren.50 Dies kann bedeuten, dass die Menschen Wunden dieser Art behandeln bzw. heilen konnten. Aus den Funden lässt sich folglich ableiten, dass die Menschen, aber nicht daraus lernten, denn sie zeigen mehrere Schädelverletzungen, unterschiedlichen Alters auf.51

Die Gemeinschaften begegneten sich nicht immer kriegerisch, auch Tauschhandel wurde betrieben.52 Sogar die Entstehung des Ochsen- oder

47 Kápolnási , 2012, 110

48 Hennies, 2015,49 Wurde häufig, fast überall im ganzen Ostseeraum gefunden und wird auch in dem Artikel unter:

www.deutschlandfunk.de/norddeutschland-huegelgraeber-liefern-einsichten-in-die.1148.de.html?dram:articele_id=336601 vonMatthias Hennies, 2015 beschrieben.

50 diese deuten auf alte Verletzungen hin51 www.spiegel.de/wissenschaft/natur/frauen-in-der-steinzeit-starben-bei-fehden-sagen-anthropologen-a-884034.html52 Kápolnási, 2012, 80 ff

27

Page 28: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Heerweges, heute bekannt als Fahrradwanderweg, liegt am Ende der Trichterbecherkultur, welcher bis zur Neuzeit (ca. 1500 n u.Z.) die „Autobahn“ der kimbrischen Halbinsel war.53

Es gab also wahrscheinlich schon Krieger*innen und Händler*innen. Und diese brauchten Verpflegung, bzw. Tauschwaren. Deshalb gab es eine gewisse Notwendigkeit für die Entstehung einer Ackerbau- und Viehzuchtkultur. Da aber deren Nahrungsproduktion oft nicht ausreichte, waren auch Jäger-, Fischer- und Sammler*innen bedeutend. Doch all dieseBerufe benötigten Werkzeuge, deshalb waren Handwerker*innen notwendig. Hierin könnte der Beginn der Arbeitsteilung und der Spezialisierung liegen, selbst wenn jede/r auch noch Ackerbau und/oder Viehzucht betrieb.54 Als Krieger-, Händler- oder Handwerker*innen waren sie, so wird vermutet nur „nebenberuflich“ tätig. Denn die meisten Tätig-keiten befassten sich mit der Nahrungsproduktion.

Bei der Verwertung von Lebensmitteln war die Haltbarkeit ein sehr wichtiger Faktor, um zu überleben. So hält sich z.B. getrocknetes Brot wesentlich länger als loses Getreide, weil Brot aufgehängt werden kann. Esist damit vor Ungeziefer sicher. Loses Getreide ist da gefährdeter, auch gegenüber Nässe und Schimmel.

Die Menschen der Trichterbecherkultur waren bäuerlich55. Sie hatten Hacken, Erntemesser56 und Spaten. Die neuste Errungenschaft dieser Zeit war der von Rindern gezogene (Hacken-) Pflug57. Auf ihren Feldern bauten sie größtenteils Getreide an. Die Getreidesorten, die sie kannten waren Zwergweizen, Einkorn, Emmer, Spelz und Gerste. Aber auch Gemüse wurde wohl auf kleineren Feldern oder Beeten angebaut, auf denen jedoch überwiegend auch Hülsenfrüchte wuchsen58. Alles, was sie sonst an pflanzlichen Nahrungsmitteln brauchten, sammelten sie, genauso wie die Menschen der Ertebøllekultur. In der Natur fanden sie Beeren, Nüsse, Wildobst, Wurzeln, aber auch Kräuter und Blätter. Zusätzlich sammelten

53 Hill, www.geschichte-s-h.de/ochsenweg/

54 Mit den neuen Lebensweisen entstehen automatisch unterschiedliche arbeiten wie Ackerbau, Viehzucht und Jagd, die klar voneinander unterschieden werden können. Müller; 2010, 62, 71 f,

55 Terberger; 2010, 56 ,56 Jørgensen, 2000, 8357 Hartz, Lübke und Schlichtherle; 2002, 15258 Jørgensen, 2000, 78 ff , 83 ff und Müller , 2010, 62

28

Page 29: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

sie Pilze und Vogeleier. Um an tierische Nahrung zu kommen, züchteten die Trichterbecherleute im Unterschied zu den frühen Ertebøllemenschen Rinder, Ziegen, Schweine und Schafe. Da der Viehbestand wesentlich überschaubarer (kleiner) war, als der von heute, mussten sie zusätzlich noch auf Jagd oder Fischfang gehen59.

Diese Nahrungsmittelbeschaffung ist in meiner Geschichte ja auch thematisiert:

„Aegir stellt fest: „Heute müssen wir Emmer und Einkorn sähen!“ „ Wir brauchen aber nicht erstin einem halben Jahr etwas zu Essen, sondern auch in den kommenden Tagen, denn unsere Vorräte sind knapp“, wirft Aegon ein. „Dann geh du doch jagen!“, gibt Aegir zurück und wendet sich nun an Bjarte und mich. „Baldr und Bjarte könntet ihr ein paar Kräuter aus dem Wald mitbringen, wenn ihr mit dem Vieh draußen seit?“„ Ist okay! Können wir machen“, antworte ich. „Gut wäre auch, wenn ihr vorher noch das Gemüsebeet wässern könntet“, meint Aegir und fragt Aegon, „wen brauchst du noch für die Jagd?“ „Ich dachte eher daran Fischen zu gehen. Deshalb würde ich mich freuen, wenn Birger, Ida und Birgit mich begleiten würden?“ Er schautedie genannten Personen an, welche nacheinander zustimmend nickten. „Der Rest hilft beim Sähen!“, stellte Aegir klar. „Dann an die Arbeit! Und frohes Schaffen!““

Außer Nahrung gibt es aber noch ein weiteres menschliches Bedürfnis, Wärme. Um sich warm zu halten, stellten die Menschen schon seit der Altsteinzeit Kleidung aus Leder und Pelzen her60. Doch im Neolithikum, so wird vermutet, begannen die Menschen auch Textilien anzufertigen, denn sie hatten nun Schafe und somit auch Wolle61. Man hat aber bisher, bedauerlicherweise nur einmal erst gut erhaltene Kleidung aus dieser Zeitepoche gefunden und das war nicht in Schleswig-Holstein, sondern im Ötztal in den Alpen. Der Ermordete, der dort mit allem was er bei sich trug, vor 5200 Jahren erfroren und letztlich eingefroren war, trug ausschließlich Leder, Pelz und verschiedene aus Pflanzen geflochtene Kleidung62. Die zerschlagenden Schädel aus Dänemark zeugen davon, dass es Waffen gab, Äxte, Keulen, Speere, Pfeile und Bögen63.

Für die Herstellung von Waffen, für das Bestellen der Felder, für die Jagd und für den ganzen Rest des Alltags, waren Werkzeuge von Nöten. Werkzeuge zum Nähen, zum Ernten, zum Jagen, zum Kochen, zum Um- 59 Hartz, Sönke; Lübke, Harald und Schlichtherle; 2002, 151

60 Hartz, Sönke; Lübke, Harald und Schlichtherle; , 2002, 152 f61 Plönißer, Miri, 2017, Steinzeitwoche in Albersdorf 201762 Wikipedia; de.m.wikipedia.org/wiki/Ötzi63 www.spiegel.de/wissenschaft/natur/frauen-in-der-steinzeit-starben-bei-fehden-sagen-anthropologen-a-884034.html

29

Page 30: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

und Ausgraben usw. und auch zum Werkzeuge herstellen. Die Werkzeuge wurden aus Holz, Knochen, Geweih, Ton, Birkenpech, Pflanzenfaserseilen/-garn und Stein hergestellt.64

Abb. 9. 65

Mit ihren Werkzeugen bauten die Trichterbecherleute Langhäuser, ähnlich denen der Wikinger. Doch ist anzunehmen, dass sie keine Tiere in den Häusern hielten, sondern diese in Pferche am Siedlungsrand sperrten66. Sohatten sie viel Platz in ihren Häusern. Diese waren recht groß. Es lässt sich aus den gefundenen Pfostenlöchern ablesen, dass sie bis zu 350 m² Innenfläche maßen67. Auf diesem Wissen aufbauend, hat man überlegt, dass das Dach der Häuser fast sieben Meter hoch gewesen sein könnte. Das ganze Haus war aus Holz und Lehm erbaut, mit Seilen und Nieten zusammengehalten und mit Reet oder Schilf gedeckt. Innen war es in drei Bereiche geteilt, in einen Eingangsbereich, vielleicht auch als Werkstatt oder Lager genutzt, in einen zentralen Wohnraum mit einem mittig positionierten Lagerfeuer und dann gab es noch ein Hinterzimmer. Die Funktion des letzten Zimmers ist noch nicht ganz geklärt. Vielleicht war es ein Lager, oder ein Kultraum, um im Alltag die Ahnen um Hilfe zu bitten.

64 Hartz, Lübke und Schlichtherle; 2002.; 153 f und Kápolnási, 2012, 7065 Steinzeitpark Dithmarschen, 201766 Schnurbein und Freeden, 2003, 11367 1:1 großer Nachbau eines TRB Hauses aus AÖZA und Schnurbein und Freeden, 2003, 211

30

Page 31: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Abb. 10 68 Abb. 11 69

Andere kultische Bauwerke dieser Zeit sind uns fast vertraut. Überall stehen sie in der Landschaft und ihr Alter, ihre Bedeutung ist den Wenigsten bewusst. Ja, ich rede von Hügelgräbern. Denn nicht nur in Ägypten wurden riesige Grabanlagen errichtet, sondern schon vor den Ägyptern waren die Menschen hier fleißig damit zugange. Vielleicht für dieAhnen, jedenfalls wurden riesige Steine aufeinander gelegt und ganze Hügel bewegt. Selbst für die kleinsten Hügelgräber mussten ungefähr 20 Personen einen Monat lang hart arbeiten70. Aber so kleine Gräber wurden nur am Anfang der Megalithkultur ( ca. 4000 v.u.Z.) und nur für wichtige Persönlichkeiten errichtet71. Später wurden die Gräber, Hünengräber auch Megalithen (altgriechisch `große Steine´) genannt, gemeinschaftlich, vielleicht als Familiengrab genutzt und sie waren größer72. In die Steine eingraviert findet man oft Zeichen, die moderner Kunst nicht unähnlich sind und z.B. Rinder und Wagen abbilden73. Beim Wort Wagen, kam mir spontan der Gedanke, dass er als ein Symbol für den Weg ins Jenseits stehen könnte, so wie es auch aus der griechischen Mythologie mit dem Kahn bekannt ist, mit welchem die toten Griechen über den Styx gebracht wurden. Die Räder könnten hier als Assoziation für das Lebensrad stehen. Die Megalithkultur endete ca. 2800 v.u.Z. mit der Rückkehr zu schlichteren Einzelgräbern.

68 mapio.net/o/155756/69 www.astronews.com/news/bilder/2009/0906-019.jpg70 Müller, 2010, 90 f71 Müller, 2010, 95 ff72 Müller, 2010, 95 ff73 Müller, 2010, 94

31

Page 32: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Abb.1274 Abb.13 75

Aber auch die Keramik war verziert, vor allem der charakteristische Trichter. Sicherlich hatten die Menschen auch Schmuck aus Bernstein, Muscheln und anderen schönen Dingen. Wie dieser genau gestaltet war, weiß ich nicht. Vielleicht war er dem Schmuck der Ertebøllekultur ähnlich, und damit würde der Unterschied zwischen den beiden Kulturen gar nicht so groß sein. Aber dazu später mehr.

74 Urkeramik.files.wordpress.com/2013/10/trichterbecher-d-ca-15-cm.jpg75 Müller, 2009, 93

32

Page 33: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Kapitel 3.1.

_______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

Teil 3:

Welten prallen aufeinander_______________________________________________________________________________________________

Ich werde vom Gewusel der Anderen wach. Blinzelnd hebe auch ich meinen Kopf aus den gemütlichen Fellen, ziehe mir noch ein wenig müde meine Tunika über und krabble aus der Hütte. Als ich draußen bin, ruft Roh mir zu: „Wer als erstes im Wasser ist, hat gewonnen!“ und rennt los. Während Klein-Peer versucht, mit ihm Schritt zu halten, ziehe ich mir schnell meine Tunika wieder aus und renne den beiden über den Strand hinterher. Irgendwo im flachen Ufer des Meeres hole ich Roh und Klein-Peer ein. Planschend lassen wir uns ins flache, frische Wasser fallen. Nach kurzem Baden kommen wir dann wieder an Land, ziehen uns unsere Kleidung über und wärmen uns am Feuer auf. Bald darauf ist das Frühstückfertig.„Heute gehen wir auf Robbenjagd! Wer kommt mit?“, fragt Uta und guckt in die Frühstücksrunde. Die fünf erfahrensten Jäger und Jägerinnen melden sich. „Ulli, Klein-Peer und ich wollten heute gucken, ob die ersten Brombeeren schon reif sind und vielleicht finden wir auch ein paar Pilze“, sagte Alt-Peer und zwinkert Klein-Peer zu. „Gut! Die anderen wissen auch, was ihre Aufgaben sind?“ stellt Uta fest und blickt ein letztes Mal fragend in die Runde, bevor das Frühstück beendet ist.Roh und ich waschen die Töpfe aus und beschließen, dass wir heute auf die Jagd gehen wollen. Wir tauschen also die Töpfe gegen unsere Bögen, ziehen uns bis auf den Lendenschurz aus und schnüren die restlichen Kleider zu einer festen Rolle zusammen.Dann gehen wir zu Uta und Joren, welche gerade den großen Einbaum für die Robbenjagd vorbereiten. „Wir gehen im Wald auf Jagd!“ ruf ich ihnen zu. „Gut, aber seid vorsichtig, wir haben auf dem großen Jagdausflug vor einigen Tagen Spuren von einem anderen Stamm gefunden“, entgegnet uns Uta.„Wir passen schon auf uns auf! Bis heute Abend!“ rufen Roh und ich zum Abschied und laufen in den Wald hinein. „Weißt du noch wie Uldor auf dem großen Stammestreffen erzählt hat, dass es jetzt auch bei uns in der Gegend einen Stamm geben soll, der Tiere gefangen nimmt, anstatt sie zu

33

Page 34: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

erlegen?“, fragt mich Roh. „Ja!“, antworte ich. „Stell dir doch mal vor, es wäre derselbe Stamm wie der, dessen Spuren Uta gefunden hat. Wäre es nicht aufregend, solche Leute mal zu sehen?“, sagt Roh. Ich antworte sachlich, „Uldor hat aber auch gesagt, dass sie sich von uns kaum unterscheiden, abgesehen von den Tieren, aber wir hatten auch mal ein paar Hunde.“ Nach einer kurzen Pause spricht Roh weiter: „Sie haben aber nicht nur Hunde, sondern auch Schweine und Rinder und äh, diese kleineren Gehörnten, die sie aus dem Süden mitgebracht haben, du weißt schon. So eines wie es Uldor gegen ein Robbenfell eingetauscht hatte.“ „Du meinst eine Ziege?“, frage ich „Ja! Genau!“, ruft Roh.Dann schleichen wir schweigend, langsam mit der Umwelt verschmelzend,durch den Wald. Wir gelangen an eine Au. „Lass uns der Au folgen, am Wasser finden sich immer irgendwelche Tiere“, schlägt Roh flüsternd vor. Ich nicke zustimmend, so waten wir langsam die Au hinunter. Ab und zu bleiben wir kurz für einen schönen Ausblick oder etwas zu essen stehen.Als die Sonne sich schon recht weit erhoben hat, kommen wir an den Ort, wo die Au in einen kleinen Fluss mündet. Dort zeigt Roh auf ein paar Enten, die im flachen Wasser schwimmen. Er holt seinen Bogen heraus, spannt ihn leise und legt einen Pfeil an die Sehne, während ich es ihm leisenachmache. Rohs Pfeil verfehlt sein Ziel nur knapp, aber die Enten fliegen erschrocken auf. Im Abheben treffe ich eine Ente am Flügel, Rohs nächster Pfeil trifft ebenfalls. Die Ente liegt betäubt im Wasser. Wir schmeißen unsere Kleiderbündel ans Ufer und schwimmen los, um unsere Pfeile wieder einzusammeln und die Ente aus dem Wasser zu fischen. „Was für Schüsse!“, lacht Roh. „Was für ein Glück, dass du noch getroffen hast“, entgegne ich froh. Dann töten wir die bewusstlose Ente und holen unsere Kleiderrollen.Wir sind noch nicht weit gelaufen da hebt Roh wieder den Bogen und flüstert: „Da ist so ein Ziegentier, wahrscheinlich ist es dem anderen Stamm ausgebüchst.“ Roh schießt. `Halt´, will ich noch rufen, aber der Pfeilfliegt schon durch die Luft.

Ich hatte gerade eben noch Bjarte zugerufen, dass ein paar Ziegen sich vonder Herde entfernt hatten, da sprengen diese davon und ich sehe, wie unsere älteste Ziege mit einem Pfeil in der Flanke tot am Boden liegt. Ich überlege nicht lange und ducke mich mit gezogenem Messer hinter einen Haselnussstrauch. In der Uferböschung raschele es, jemand scheint sich zunähern, dann fällt er, von jemand anders nach hinten gezogen, um.

34

Page 35: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Ich gebe Bjarte ein Zeichen, dass er leise den Rest der Herde wegführen und seinen Bogen bereithalten soll. Auch ich mache mich kampfbereit, in der einen Hand das Messer, in der anderen meinen Haselnussstab. Dann tauchen zwei Menschen, ebenfalls mit angelegten Pfeilen, aus dem Dickicht auf. Beide sind sie ungefähr im selben Alter wie ich. Vielleicht abernicht so kräftig. Ich lasse meinen Stab fallen.Als sie nah genug sind, spring ich aus meinem Versteck, klammere den einen um den Hals fest und drücke ihm das Messer an die Kehle. „Wer seidihr und warum erschießt ihr unsere Ziegen?“ frage ich den Anderen laut. Der Angesprochene schießt seinen Pfeil in den Boden und sagt: „Wer wir sind, geht dich gar nichts an! Und woher sollten wir wissen, dass das deineZiege ist?“ „Vielleicht weil ich nur zwanzig Schritte von der Ziege entfernt stand?“ entgegne ich seinem blöden Kommentar. „Tut mir leid, ich habe dich nicht gesehen“, sagt der, den ich umklammert halte. Dann fügt er noch hinzu: „Ich dachte sie wäre verwildert, weil sie nicht eingesperrt war. Habe nur an leckeres Essen gedacht und wie stolz alle wären, wenn ich eine Ziege mitbringe.“ Dies sagt er so mitleiderregend, dass ich ihn loslasseund von mir wegstoße. „Ihr könnt die Ziege kaufen. Doch wenn ihr das nicht könnt oder versucht zu betrügen, rufe ich den Rest meines Stammes und wir schlagen euch die Schädel ein. Verstanden?“, biete ich den beiden an. „Gut“ und „abgemacht“, sagen die Beiden und setzen sich mir gegenüber auf den Waldboden.„Ich verlange eure Bögen, all eure Pfeile und die Kleiderbündel“, mache ichklar. „So kommen wir nicht lebend nach Hause. Dann können wir uns genauso gut von deinen Leuten die Köpfe einschlagen lassen. Lasst uns einen Bogen, die Pfeile und die wichtigsten Kleider. Nur damit wir nicht erfrieren und nicht auf dem Weg gefressen werden“, sagt der, der seinen Pfeil in den Boden geschossen hatte. „Sehe es doch mal aus meiner Position. Wie soll ich meiner Familie erklären, dass ich für eine ganze Ziegenur wenige, schlechte Felle und einen Bogen bekommen habe?“ erkläre ich den Beiden meine Situation. „Ich finde so etwas sollte an einem warmen Feuer und bei gutem Essen besprochen werden“, sagt der, welchen ich vorher mit meinem Messer bedroht hatte, plötzlich. Verwirrt fragt der andere ihn: „Roh, du willst dochnicht allen Ernstes hier in der Böschung ein Feuer anzünden und die noch nicht gekaufte Ziege braten?“ „Nein. Meine Idee war, ob wir nicht bei ihm in der Siedlung weiterreden können“, sagt der andere, anscheinend heißt er Roh und zeigt kurz auf mich.Jetzt sind plötzlich alle Anwesenden in verwirrtes Schweigen versunken. Nach einer Weile sagen wir beide gleichzeitig: „Ich weiß nicht, ob das so

35

Page 36: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

eine gute Idee ist.“ Beide erschrocken darüber, dass der Andere denselben Gedanken hatte, schweigen wir wieder. Bis Roh fragt: „Warum?“ Sein Freund antwortet darauf: „Weil wir dort wegen der Ziege die Schädel eingeschlagen kriegen und dass würde auf eine Fehde hinauslaufen. Willst du den Untergang zweier Stämme besiegeln oder war das nur so ein dummer Gedanke.“ „Sei doch nicht immer so ein Schwarzseher. Ich bin doch nur neugierig, Uldor hat doch erzählt, dass sie in riesigen Häusern wohnen. Willst du das denn nicht sehen?“, diskutieren die beiden flüsternd weiter. Sie diskutieren so leise, dass ich sie bald nicht mehr verstehen kann. Nach einiger Zeit wenden sie sich wieder mir zu. „Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir es heute nicht mehr nach Hause schaffen. Deshalb fragen wir dich folgendes,“ sagt der eine. Dann spricht der andere weiter: „Können wir mit zu deinem Zuhause kommen? Wir teilen uns dort die Ziege, sowie eine Ente, die wir heute Vormittag erlegt haben, und verhandeln nochmal über den Preis der Ziege.“ Ich denke eine Weile darüber nach, dann rufe ich Bjarte. Dieser springt von einem nahen Baum und fragt mich, was ich von ihm wolle. Ich wiederum frage ihn, ob erdie Hälfte des Viehs mit zurück zum Dorf nehmen könnte, um dort nachzufragen, ob der Vorschlag der beiden Fremden im Sinne des Stammes sei. Bjarte stimmt zu und macht sich auf den Weg zum Dorf.„Jetzt müssen wir auf die Antwort meines Stammes warten“, erkläre ich mehr mir selbst als den beiden anderen. Wir schweigen. Schließlich bricht Roh das Schweigen. „Wo ist eure Wintersiedlung?“ „Wintersiedlung? So etwas haben wir schon lange nicht mehr. Wir haben nur ein Dorf. Aber meine Mutter hat erzählt, dass die Mutter ihrer Mutter mit den Jahreszeiten, auch die Siedlung gewechselt hat“, erkläre ich. „Was führte zu dem Wandel?“, fragte der Schwarzseher „Soweit ich weiß, waren die Götter unserem Stamm in jener Zeit nicht sehr wohl gesonnen. Meine Ahnen versuchten sie zu besänftigen, aber sie konnten sich bald keine Opferrinder mehr leisten. So begannen sie selbst die Rinderzucht. Das Leben der Viehzüchter hat meinen Stamm wieder stark gemacht. Inzwischen züchten wir auch Schafe, Ziegen, Schweine und Pflanzen. Wennihr noch immer ohne Vieh lebt, wie stellt ihr euch dann mit den Göttern gut?“, frage ich ihn. „Abgesehen davon, dass unsere Sommersiedlung mehrmals im Meer untergegangen ist, geht es uns gut“, antwortete derselbe mir wieder.„Jagt und fischt ihr gar nicht?“, fragte Roh. „Doch klar tun wir das! Der Großteil unseres Essens kommt genau wie bei euch aus dem Wald“, antworte ich ihm. „Viel unserer Nahrung kommt auch aus dem Meer. Der Wald ist im Sommer oft nur ergänzend. Reist ihr auch zur Robbenjagd ans

36

Page 37: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Meer?“, fragt der, der nicht Roh heißt. „Am Meer war ich erst ganz selten und jagen gehen wir im Wald, nicht am Meer“, erzähle ich.Als Roh gerade den Mund für eine weitere Frage öffnet, kommt Bjarte zurück. Er braucht eine Weile, um wieder zu Atem zu kommen, er war wohl den ganzen Weg vom Dorf hierher gerannt. „Aegir hat zugestimmt“. Dann spricht er die Fremden an: „Ihr seid eingeladen, bei uns zu übernachten und über den Preis der Ziege zu verhandeln.“ Nun, wo das klar ist, nehmen wir alle unsere Sachen, treiben unterstützt von meiner Hündin Duna das Vieh zusammen und gehen zurück zum Dorf. Dort angekommen werden wir von Aegir und Aegon erwartet. Man stellt sich vor, und wir erzählen noch einmal kurz, was genau vorgefallen war. Dann zeigen Bjarte und ich den Beiden das Dorf und stellen alle Dorfbewohner vor. Bei Sonnenuntergang sitzen schließlich alle verhandlungsbereit ums Feuer.

Der Mann, der uns als Aegir vorgestellt wurde und der Anführer dieser Dorfgemeinschaft zu sein scheint, beginnt zu reden: „Es soll verhandelt werden über den Preis einer Hälfte von der inzwischen aufgegessenen Ziege. Was seid ihr beiden bereit dafür zu zahlen?“ Ich setze gerade an, umzu antworten, da sagt Roh: „Wenn es mein Stamm erlaubt, würde ich gerne meine Schulden abarbeiten und ein Jahr hier bei euch verbringen.“ Entsetzt sehe ich Roh an, nicht fähig auch nur ein Wort heraus zu bringen.

...im darauffolgendem Sommer...

Kurz vor Sonnenuntergang, komme ich mit dem ganzen Stamm in das Dorf,in welchem Roh jetzt für ein Jahr gelebt hat, ganz alleine unter Fremden. Als wir ankommen, bemerken die Hunde uns als erstes, dann kommt Roh, verfolgt von den Beiden, die wir letztes Jahr im Wald getroffen haben. Als ich ihn jetzt endlich wiedersehe, lege ich schnell meine Sachen ab und laufe ihm entgegen.Spät am Abend sitzen Roh und ich auf einer Wiese am Dorfrand. Roh hatteuns das ganze Dorf gezeigt, uns allen Dorfbewohnern*innen vorgestellt und diese hatten uns mit einem Fest willkommen geheißen.„Ich habe schon so viel erzählt, aber wie ist es euch denn ergangen? Ist dasSommerlager wieder untergegangen?“ fragt Roh. „Nein, dieses Jahr ist nichts untergegangen, es war fast wie jedes Jahr, nur du hast gefehlt.“ antworte ich. „Was ist los Roh?“ frage ich, als ich in Rohs nachdenkliches Gesicht gucke.

37

Page 38: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Nach einer Weile antwortet er mir: „Ach, weißt du. Ich, ich bin am überlegen, was ich jetzt mache, welches Leben ich wähle. Denn einerseits vermisse ich dich und den Rest des Stammes, aber andererseits gefällt mir das Leben hier, dieses immer hier zu sein, das massenhafte Anlegen von Vorräten, ja, diese ganzen Töpfe und Sachen die im Haus von der Decke hängen. Das sieht einfach toll aus! Mir gefällt es, die Tiere durch den Wald zu treiben und sie am Abend wieder in den Pferch ins Dorf zu bringen. Unddann das Bier, das ist wirklich was Besonderes, findest du nicht?“ , fragt Roh mich. „Roh, wir brauchen dich. Es fehlt einfach jemand. Du kannst doch nicht so ohne weiteres den Stamm wechseln“, antworte ich.„Das will ich doch auch gar nicht“, sagt Roh. Nach einer Weile spricht er weiter: „Am Liebsten wäre es mir, wir würden gemeinsam hier bleiben. Dann würden wir beide Vieh treiben und Jagen gehen. Oder wir fischen am Fluss und für unseren Stamm bauen wir ein zweites noch größeres Haus als dieses und errichten einen gewaltigen Grabhügel“, sagt er.„Roh wir können unsere Lebensweise doch nicht einfach aufgeben, das Sommerlager am Meer und all das. Willst du denn nie wieder dort hin? Und das Winterlager am See, willst du das alles zurücklassen? Das Jagen und Fischen, das Bootfahren und Muscheln sammeln. Meinst du wirklich, dass wir das vergessen sollten?“ frage ich Roh.„Nein. Aber...“, setzt er an. „Was aber?“ frage ich ihn wieder. „Aber das alteund das neue Leben, das ich jetzt kenne, sind mir beide wichtig. Ich möchte hier nicht weg und trotzdem möchte ich zum Sommer- und zum Winterlager. Ich möchte mit allen zusammen sein, die ich kenne, mit denen hier, ebenso wie mit dir und unserem Stamm. Du -, ich weiß nicht was oder wie oder warum, aber ich weiß nicht, wie ich mich entscheiden soll, was ich will...“, bricht es verzweifelt aus Roh heraus. „Ach, Roh,das wird schon “, beruhige ich ihn. Und wenig später gehen wir zum Schlafen ins Haus.

38

Page 39: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Kapitel 3.2.

Mobilitaä t oder Sesshaftigkeit_________________________________________________________________________________

So wie in meiner Geschichte, hätte es vielleicht sein können. Es könnte aber auch ganz anders gewesen sein. Denn es gibt fast so viele Theorien dazu, warum die Jäger-Sammler-Fischer*innenkultur zur Viehzucht- und Ackerbaukultur übergegangen ist, wie Archäolog*innen, die sich mit diesem Thema befassen.Die ersten, die sich professionell damit beschäftigten, wunderten sich, warum die Ertebøllekultur so lange noch mesolithisch blieb. Sie vermuteten, dass ihnen lange die Mittel fehlten, um die kargen Böden Schleswig-Holsteins zu bewirtschaften76. Allerdings ging man damals davon aus, dass Landwirtschaft ein Fortschritt sei, den es zu erreichen galt.Das ist natürlich höchst unwahrscheinlich, denn selten kommt es vor, dass alle Menschen das Gleiche wollen. Und das Menschen sich von ihren Gewohnheiten lossagen wollen, kommt mir auch komisch vor77. Auch hatte das System des Jagens und Sammelns sich Jahrmillionen lang bewährt. Für diesen „Willen“ zur Änderung musste es also einen zusätzlichen Auslöser gegeben haben.

Eine sehr verbreitete Theorie dazu ist, dass durch klimatische Veränderungen vor allem den Fischer*innen die Nahrungsmittel ausgingenund dass gleichzeitig eine Bevölkerungszunahme stattfand. Dadurch wärennicht mehr genug Lebensmittel in der Natur zu finden gewesen und aus dieser „Hungersnot“ heraus, so stellt es dieser Ansatz dar, begannen die die Menschen, Vieh zu züchten und Getreide anzubauen. Bisher fehlen aber die Beweise für diese Theorie, die eine Verknappung der Nahrungsmittel, oder eine große Bevölkerungszunahme belegen könnten. Außerdem waren die sogenannten ersten Bäuerlichen, eher noch Jäger-, Sammler- und Fischer*innen. Dies lässt sich aus ihren Essensresten schließen78. Sie haben die Landwirtschaft also eher nebenbei betrieben, sozusagen zusätzlich.

76 Kápolnási, 2012, 102 ff77 vielleicht aber auch nur, weil ich ein ziemlicher Gewohnheitsmensch bin?78 Kápolnási, 2012, 99 ff

39

Page 40: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Auch hätten sie durch Waldpflegemaßnahmen, wie es ein „Nativ-AmericanStamm“ einst tat, die Lebensbedingungen des Wildbestandes und die Jagdbedingungen, erheblich verbessern können. Denn in einem gut gepflegten, lichten Wald findet das Wild gute Futterplätze und die Jäger*innen finden das Wild leichter. So haben Sträucher, wie Haselnuss und Holunder, sowie Kletterpflanzen wie Himbeeren und Brombeeren bessere Lebensbedingungen in einem lichten Wald, wie wir ihn heute fast ausschließlich kennen, als in einem Urwald, wie er damals wohl vorherrschend war79.

Für mich klingt eine Theorie von Julian Thomas und Christopher Tilley schlüssiger. Thomas und Tilley sagen, dass die neolithischen Waren wie Hausrinder, Bier80 und Textilien einen hohen Wert für die Menschen dieserZeit besaßen. Dieser Wert konnte darin liegen, dass sie sie zum Tauschen oder für religiöse Zeremonien benötigten, so Gergely Kápolnásy81. Denn erfand heraus, dass die Opfertiere vorher größtenteils Hirsche waren und nun zunehmend Rinder wurden82. Also kauften oder tauschten die Jäger-, Sammler- und Fischer*innen diese Produkte und Tiere bei den Bäuerlichenein. Irgendwann wurde es diesen aber vielleicht zu teuer, alles eintauschenzu müssen. Darum begannen sie vermutlich selber, Rinder zu züchten. Dass dies geschah, scheinen Haustierknochen aus den Ertebøllesiedlungenzu beweisen83. So waren ihre Ausgaben geringer, und sie konnten auf dieseWeise größtenteils ihre alten Lebensweisen aufrechterhalten. Doch das „wahre Gold“ in dieser Zeit war neben Bernstein84 Alkohol ( Bier85). Ich halte das deshalb für den wahrscheinlichsten Grund mit Getreideanbau zu beginnen, weil man dazu einerseits Getreide benötigt, dieses anbauen musste und dafür war es wiederum notwendig, in einer der Siedlungen zu verweilen. Nur so hatten die Menschen alles aus eigenerProduktion, was sie für ihre Religionsausübung oder für den Tauschhandel brauchten. Darüber hinaus konnten sie Reichtum und Wohlstand, mit ihren „neumodischen“, teuren Waren präsentieren.Das würde auch erklären, warum die ersten Bäuerlichen Schleswig-Holsteins noch hauptberuflich Jäger-Sammler-Fischer*innen waren.

79 Jørgensen, 2000, 28 ff80 Ja, denn die ersten Bauern haben schon Alkohol hergestellt!81 Kápolnásy, 2012, 118 82 Kápolnásy, 2012 , 11183 „Die ältesten Radiokarbonatdatierungen von Haustieren stammen von Schafs- oder Ziegenknochen aus Wangels und der

datieren in die Zeit um 4.150 cal BC. Damit sind sie zugleich der früheste Nachweis für kleine Wiederkäuer im Untersuchungsgebiet. Aufgrund der untersuchten Fundorte kann man das erste auftreten von domestizierten Tiere somit um 4.150 v. Chr. Verorten.“ Kápolnásy, 2012, 71 ff

84 Bernstein war in der gesamten älteren Geschichte die wertvollste Export Ware der Ostsee85 Kápolnási, 2012, 120

40

Page 41: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Wahrscheinlich treffen aber auch unterschiedliche Theorien auf verschiedene Regionen Schleswig-Holsteins zu86.Deutlich wird, dass dieser Prozess sich über mehrere Generationen hin erstreckte, so dass den damaligen Menschen der Wandel wohl kaum bewusst war. Ja, man hätte sie fast für ein und dieselbe Kultur halten können, hätte sich nicht die Keramik verändert. Es hat sich also damals vermutlich grundlegend weniger am Lebensstil was geändert, als vergleichsweise unser Leben in den jüngsten Jahrhunderten.

Jetzt denkt ihr vielleicht an meine fiktive Geschichte und die dort beschriebenen unterschiedlichen Kulturen. Als Beispiele habe ich die früheErtebøllekultur und die mittlere Trichterbecherkultur angeführt, welche sich eigentlich nie hätten begegnen können, da diese fast 1000 Jahre auseinander liegen. Also könnte Bjarte Klein-Peers Urururururururenkel sein. Meine Geschichte ist also nicht ganz korrekt. So lassen sich aber besser die Unterschiede zwischen dem Leben der Meso- und Neolithiker*innen herausstellen. Denn tatsächlich war die späte Ertebølle- von der frühen Trichterbecherkultur kaum zu unterscheiden. Beide hielten Vieh, beide hatten geschliffene Flintäxte, beide wohnten in kleinen Hütten87, beide lebten hauptsächlich von Jagd, Fischfang und Sammlerei. Der einzige, erst einmal offensichtlichste Unterschied war die Keramik. Die einen hatten mehr spitzbodige Keramik, die anderen mehr rundbodige Keramik mit der Trichterform am obigen Gefäßteil. Ein anderer Unterschied könnte sein, dass die Ertebøllekultur noch kein Getreide anbaute, um daraus Bier zu brauen. Dieses ist aber umstritten88.Als ich das erfuhr, fragte ich mich, wie vielleicht auch du gerade, warum dieses denn zwei verschiedene Kulturen sind? Daraufhin habe ich also in meinen Quellen nachgeschlagen und dieses hier gefunden:

„ Nehmen wir für einen Augenblick mal an, den Wandel in der Keramik um 4200/4100 v.Chr. hätte es nicht gegeben, alle anderen Veränderungen wie Auftreten der ersten Haustiere oder der ersten Hinweise auf Pflanzenanbau hätten hingegen stattgefunden. Würden wir in diesem Fall aus unserer heutigen Sicht heraus trotzdem eine kulturelle Grenze zwischen E[rteböllekultur] und früher T[richterbecherkultur] ziehen? Vermutlich nicht, denn alleine schon die Bezeichnung „Trichterbecherkultur“ zeigt die Bedeutung, die wir einem einzigen Kulturmerkmal, nämlich der Form der Keramik zuschreiben. “ 89

86 Kápolnási, 2012, 121

87 Erst später; als es die Ertebøllekultur nicht mehr gab, begann die Trichterbecherkultur Langhäuser zu bauen – also ca. in der „Mittleren Trichterbecherkultur“.

88 Kápolnási, 2012, 67 ff89 Kápolnási, 2012, 118

41

Page 42: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Das heißt, die Form der Keramik ist der einzige für uns relevante und bekannte Unterschied zwischen Ertebølle- und Trichterbecherkultur und die Wissenschaft legt damit alles anhand dieser Gefäßform fest.Es ist ja nur eine Form, nach der man eine ganze Kultur benannt hat. Auch die Schnurkeramikkultur, die Glockenbecherkultur, die Bandkeramikkultur sind nach diesem Kulturmerkmal (der Keramikgestaltung) benannt.

Warum ist dieser Übergang als Revolution bezeichnet worden? Es heißt ja, dass zwischen Ertebølle- und Trichterbecherkultur die neolithische Revolution in Schleswig-Holstein stattfand. Und nach erneuten Recherchenund Nachdenkens meinerseits, kam ich zu dem Schluss, dass die neolithische Revolution sich vom Beginn der Ertebøllekultur bis zum Ende der Trichterbecherkultur vollzogen hat.90 Es handelt sich also um einen sehr langsamen Prozess, über viele, viele Generationen hinweg. Es ist keineswegs so, wie ich es mir zu Anfang meiner Jahresarbeit gedacht hatte, dass in wenigen Jahrzehnten plötzlich aus irgendeinem Grund die Menschen sesshaft wurden und anfingen, Landwirtschaft zu betreiben. Meine Idee, dass alles immer so schnell gehen muss, ist wahrscheinlich eher ein Erbe aus unserer übereilten, stressigen Gesellschaft.

Darüber hinaus bleibt es spannend herauszufinden, was von damals bis heute überlebt hat. Einmal ganz materiell sind es die Funde, Gräber, Müllhalden aus Muschelschalen und Schneckenhäusern, Pfostenlöcher und die Keramik. Zweitens haben auch Elemente der damaligen Lebensweise bis in unsere Zeit hinein überlebt. Die Landwirtschaft, die Fischerei und der Handel, den wir immer noch betreiben. Bis ins 19. Jahrhundert hinein glich die Art und Weise, wie diese Lebensweisen ausgeführt wurden, den damaligen. Der vom Vieh gezogene Pflug, die Reusen zum Fischen und auch das Aalstechen, samt Aalstecher. Seit damals benutzen wir Schüsseln, Becher, Vasen und Karaffen aus Ton, wir haben immer noch Löffel und Messer, auch wenn sie nicht mehr durch Werkzeuge aus Horn, Knochen, Geweih und Flintstein hergestellt werden91. Auch das Trichterbecher-Langhaus hat einen ähnlichen Aufbau und eine ähnliche Ausrichtung, wie viele der Bauernhäuser, aus dem letzten Jahrhundert (siehe auch dazu Abb. 9 und 14).

90 Goldhammer, 2017, e-mail91 Außer bei den heutigen Operationen, bei denen auch heute noch die Sterilität und die Schärfe der Klintsteinklingen hoch

geschätzt werden - Messer aus Obsidianklingen können diese vielleicht noch übertreffen – sind allerdings mit Sicherheit um einiges teurer.

42

Page 43: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Abb. 14.92

All das haben wir also von den „Steinzeitler*innen“ geerbt. Wir hätten ohne die ersten sesshaften, bäuerlichen Braumeister*innen wohl kein Bier.Es lässt sich kaum ausmalen, welches Leben und Wissen wir heute erlangt hätten, hätte sich das damalige Wissen nicht „erhalten“.

Noch viel interessanter finde ich, den Blick darauf zu richten, was sich nicht erhalten hat und was nun erst wiederentdeckt werden muss. Wie z.B. konnten sie damals Schädeloperationen erfolgreich durchführen? Wie konnte sie damals mit Einbäumen Helgoland und die dänische Südsee befahren, bzw. schiffbar machen? Wie konnte ein Weg geplant und gebaut werden, der von Skagen/DK bis an die Elbe reichte? Viele Fragen tun sich auf, die es noch zu klären gibt und deren Klärung könnte uns helfen, wieder mehr mit der Natur, als gegen diese zu leben und die Antworten könnten uns möglicherweise sogar Hinwiese und Lösungsmöglichkeiten geben, um weiterhin unseren angenehmen, wenn auch stressigen Alltag weiter zu leben.

92 Steinzeitpark Dithmarschen, 2017

43

Page 44: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Kapitel 4

Schlussreflexion Steinzeitwoche(praktischer Teil)

_________________________________________________________________________________

Ich war vom 23.7.-29.7. bei der Steinzeitwoche in Albersdorf. Mit mir waren mehr als 50 weitere Steinzeitinteressierte aus ganz Europa und der Welt ( einer aus Südafrika, 2 aus den USA und 2 aus Israel) angereist. Es waren Freizeitsteinzeitler*innen, Wildnislehrer*innen und Archäologen*innen, um nur die Hauptgruppen zu nennen und auch wenige Anfänger*innen, wie ich dabei. Manche kamen, um Wissen zu teilen, andere, um welches zu erhalten. Insgesamt waren wir eine ziemlich bunte Gruppe.

Ich mitten drin

Als ich ankam, war ich sehr aufgeregt und traute mich nicht auf Englisch zureden, weshalb ich nur mit denen redete die Deutsch oder Dänisch spra-chen.Mit einer Gruppe gleichaltriger, deutsch sprechender Niederländer*innen ging ich schon am ersten Tag baden. Auch lernte ich den Archäologie-Stu-denten Janis kennen, sowie Ronen und Sara aus Hamburg. Mit anderen nahm ich wegen meiner Scheu vor der englischen Sprache noch keinen Kontakt auf. Am nächsten Tag verhielt ich mich ähnlich zurückhaltend, auch wenn ich merkte, dass ich Englisch gut verstehen kann. Ich schaffte esFeuer zu bohren und übte beim Vortrag über „Steinzeit-Musik“ mein Eng-lisch. Als Feuermachen und Englisch-Verstehen klappten, war ich ein wenigstolz auf mich. Der dritte Tag war für mich am Härtesten, denn ich hatte mich über Nacht schrecklich erkältet. Dazu kamen gegen Abend auch noch Kopfschmerzen.Ich besuchte zwar einen Workshop und einen Vortrag, konnte mich aber weder einbringen, noch etwas richtig für mich mitnehmen. An diesem Tag ging ich früh zu Bett. Ich konnte mich über Nacht erholen und ging den nächsten Tag ruhig an. Dadurch überwand ich langsam meine Englischprobleme. Im Gegensatz zu

44

Page 45: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

anderen half mir auch die Hitze dieses Tages beim Genesen. Die Vorträge und Workshops waren an diesem Tag nicht so gut, aber ich lernte einiges über das Prinzip des Flintschlagens. Da sich meine Kopfschmerzen am Abend wieder einfanden verschwand ich schon früh in meinem Zelt. Als ich am nächsten Morgen ins Lager kam, war der Morgenkreis schon in vol-lem Gange, doch ich kam noch rechtzeitig um diesen gemeinschaftsbilden-den Morgen mitzuerleben. Wir erkannten, dass wir zu einem Steinzeit-stamm zusammengewachsen waren. Unter dem Motto Stammesgrün-dung lief der Tag für mich auch weiter, denn neben einem Stammes/Grup-penfoto hatte ich auch noch viel Spaß mit anderen beim Frisbee spielen mit einem selbst entworfenen Grasuntersetzer! Im Großen und Ganzen war es ein wunderschöner, lustiger und langer Tag. Ich ging zwar erst spät ins Zelt, schlief aber so gut, dass ich schon vor dem Morgenkreis wieder aufstand. Auch an diesem Tag war der Morgen wieder mit Aktivität gefüllt. Dass Löwenzahn und Brennnesseln essbar sind, wusste ich schon, aber ich lernte wie Pfefferkraut und Rohrkolben geerntet werden. Das Rohrkolben-ernten ist nämlich eine ziemlich lustige, aber matschige Angelegenheit. Das Schönste war, die unterhaltsame Nahrungssuche und das Fest, vor al-lem das Tanzen!!Am Samstag packte ich früh und verabschiedete mich herzlich bei allen, bevor ich leider weg musste.

So war es

Was ich vor allem mitgenommen habe aus der Woche, waren die mensch-lichen Begegnungen und viele einzelne praktische Erfahrungen.

Es war eine super, tolle, archaische, steinzeitliche Stimmung! Das wurde deutlich an den Kindern, denn alle hatten immer ein Auge auf die Kinder der Umgebung und die Kinder spielten alle mit- und untereinander, ob-wohl sie sich nicht sprachlich austauschen konnten. Auch die Erwachsenenwaren total entspannt. Allen wurde klar, dass das Wort „peinlich“ wohl erst nach der Steinzeit erfunden wurde.So war es mir nicht peinlich, dass ich zwei ganze Tage brauchte, um einen Angelhaken aus Knochen zu machen. Nicht peinlich, dafür aber ärgerlich war, dass ich den fast fertigen Angelhaken dann im Wald verlor. Was ich wirklich gut hinbekam, war, das Feuermachen. Das hatte ich mir anfänglich ziemlich schwer und anstrengend vorgestellt, doch dann schaffte ich es, mit kurzer Vorübung, in weniger als zehn Minuten.

45

Page 46: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Am Meisten hat mich beeindruckt, wie unterschiedlich und doch gleich alle Teilnehmenden waren. Denn es waren Menschen aus allen sozialen Schichten, jedes Alter war vertreten, von überall her und mit ganz ver-schiedenen biografischen Hintergründen waren sie zusammen gekommen.Z. B. Schüler*innen, Professor*innen, Kinder, handwerkliche Spezialisten, u.a. Gerber*innen, Flintsteinexpert*innen; Archäolog*innen, Student*in-nen und Reise- und Wildnisserfahrene . Wir haben unser Wissen und unse-re Blick-, bzw. Betrachtungsweisen ausgetauscht, uns ermutigt und viel ge-lacht!Der Wissenstransfer verlief eher spielerisch und vor allem sehr lebendig und dadurch haben wir uns sehr gut ergänzt, unser Wissen korrigiert, auf-gebaut, neue Ideen und viele neue Fragen gefunden.Wunderbar war es, dass alle Lernebenen, das Praktische (Hand), die Wis-sensvermittlung (Kopf) und die Gefühlsebene (Bauch) nicht getrennt, son-dern optimal miteinander verwoben waren. Das habe ich versucht in mei-ner Arbeit mit auf zu nehmen.

Was ich wirklich schade fand, dass sich jeder und jede sein oder ihr eige-nes Essen gemacht hat. Ich glaube und finde, dass ein gemeinschaftliches Kochen und Essen viel steinzeitlicher gewesen wäre. Das habe ich auch Werner mitgeteilt, als er mich fragte, was ich beim nächsten großen Stein-zeit-Treffen anders machen würde.

Am schwersten fiel mir der Abschied am Samstagmorgen. Denn es war so schön gewesen, dass ich mir wünschte, dass es nie enden möge. Ich hatte das Gefühl, mich kaum an das Leben vor der Steinzeitwoche erinnern zu können. So war der Schock groß, als ich mittags im Hamburger Hauptbahn-hof stand, nachdem ich morgens noch in der Steinzeit aufgewacht war.

Nächstes Jahr werde ich wieder bei der Steinzeitwoche dabei sein, um meinen „Steinzeitstamm“ zu treffen und noch viel mehr über Steinzeit zu erfahren.

46

Page 47: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Kapitel: 5

Nachwort______________________________________________________________________

So war das Jahr

Noch vor dem eigentlichen Beginn der Jahresarbeit war ich in Schloss Got-torf in Schleswig zu einem Vortrag mit dem Titel „Steinzeit auf dem Ost-seegrund, Taucharchäologie auf versunkenen Siedlungen am Beispiel von Strande in der Kieler Bucht“ von Dr. Sönke Hartz und Dr. Julia Goldhammer.Nach dem Vortrag der beiden Doktor*innen, gab es noch etwas zu Trinken und zu Naschen, um offene Fragen zu klären. Dort bat ich Julia Goldham-mer, ob sie mir Literaturtipps zu meinem Thema geben könne. Kurz darauf schickte sie mir mehr Büchervorschläge, als ich in einem Jahr hätte lesen können, sowie ihren Vortrag. Ich lieh mir zwei der Bücher bei der Unibi-bliothek in Kiel und zwei weitere bei meiner Mentorin Frau Klaus aus, ein letzter Literaturtipp kam von meiner Mentorin, den ich mir von der Däni-schen Bibliothek in Flensburg auslieh. In den Winterferien begann ich dannmit dem Lesen. Wenig später war ich zu einer Museumsführung zur „Er-nährung in der Steinzeit“ wieder in Schloss Gottorf zu Besuch. In den Os-terferien las ich nur wenig, schrieb aber das Vorwort, erarbeitete mir den groben Aufbau meiner Arbeit und war in dem coolsten Museum, das ich jebesucht habe, im Moesgaard Museum bei Århus in Dänemark. Dieses Mu-seum kann ich wirklich allen empfehlen! Es ist wie ein großer Erlebnis-raum, in dem man hautnah die Frühgeschichte erfährt und dabei noch sehr detailliert Wissen aufnimmt. Ein anderes empfehlenswertes Museum ist der Steinzeitpark Dithmarschen in Albersdorf, von dem ich schon be-richtete (s.o.). Als ich dort Ostermontag zu Besuch war, traf ich Werner Pfeifer, einen Museumspädagogen bzw. den „letzten Steinzeit-Jäger“ (eige-ne aussage in der Dokumentation über die Veranstaltung). Ich fragte ihn nach einem Praktikum. Werner schlug mir vor, zur Steinzeitwoche1 zu kom-men. Ich sagte nach einigen organisatorischen Problemen zu, wollte vor-her aber noch ein Probewochenende im Steinzeitpark verbringen, um zu wissen, was ungefähr auf mich zukommen würde. Dafür brauchte ich steinzeitliche Kleidung, Essbesteck, ein modernes Zelt und andere moder-ne Übernachtungssachen. Deshalb kaufte ich mir Leder und besprach mit meiner Handarbeitslehrerin Fau Grallert, wie ich die Steinzeitkleidung nä-hen könnte. Es entstand eine steinzeitliche Tunika (s.u.). Als sie fertig war,

47

Page 48: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

war ich auch schon auf dem Probewochenende in Albersdorf gelandet. Dort kam ich zwar mit einem Sonnenbrand und mehreren Blasen an Handballen,bzw. mehreren Fingern (vom Feuerbohren) zurück, aber ich wusste nun besser, was Steinzeitleben bedeuten kann. Zu meinem 18. Ge-burtstag im Juli bekam ich dann noch einen schönen Holzlöffel von mei-nem Freund Jannis und eine lederne Hose von meiner Mutter Beke, beidesselbst gemacht. So zog ich dann voll ausgerüstet in die Steinzeit(-woche). Da ich dort kaum selber zum Fotografieren gekommen bin, sind alle meineFotos aus der Steinzeitwoche, die ich in meiner Arbeit veröffentliche von Alexandra Meuleman.

In der zweiten Hälfte der Sommerferien schrieb ich die meisten Texte, die Einleitung, die ersten zwei Geschichten und die ersten beiden Theorieteile.Das waren arbeitsreiche Sommerferien! Als diese zu Ende waren, kam ich bis zu den Herbstferien kaum mehr, neben den Schulanforderungen zu meiner Jahresarbeit. So konnte ich erst im Herbst alle meine restlichen Texte überarbeiten und korrigieren. Außerdem suchte ich hier erst sämtli-che Literaturangaben zusammen - das war ein enormer Aufwand!

So habe ich das Jahr überlebt

Ich hatte mir schon in den Winterferien einen klaren Zeitplan überlegt. AmEnde der Osterferien sollten alle Bücher gelesen und das Vorwort sowie die Einleitung geschrieben sein. In den Sommerferien wollte ich alle Texte, außer dem Nachwort fertig schreiben. Nachwort und Danksagung, sowie der Vortrag sollten dann in den Herbstferien meine Jahresarbeit abschlie-ßen. So hat es aber überhaupt nicht funktioniert. Erst einmal habe ich in den Osterferien nicht kontinuierlich genug gearbeitet, sondern nur recht sporadisch zwischen durch gelesen. Hätte ich dort wirklich schon alles ge-lesen gehabt und auch schon den ersten Teil meiner Arbeit geschrieben, wäre ich wahrscheinlich einfacher durch die anderen Ferien gekommen. Zum Glück passte ich in den Sommerferien mein Arbeitsverhalten der Auf-gabe an und suchte bei meiner Verwandtschaft in Dänemark einen geeig-neten Arbeitsraum. Durch klare Arbeits- und Pausenzeiten schaffte ich es meinen praktischen Teil, die Einleitung und den Großteil meines Hauptteilsinnerhalb dieser zweieinhalb Wochen zu schreiben. Zudem versuchte ich mir dieses Arbeitsverhalten für die Herbstferien zu bewahren, auch wenn es nicht so gut funktionierte, weil mir der von außen geregelte Arbeits-rhythmus fehlte. Außer den Winter- und Osterferien, in denen ich nur ab und zu las, waren alle meine Ferien von dieser Arbeit dominiert. Ich fand

48

Page 49: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

also dieses Jahr keine richtige Erholung. Das gehört, so nehme ich an, wohldazu. Ich habe gelernt es zu akzeptieren, mir die Aufgaben gut ein zu teilenund mir einen geeigneten Arbeitsraum zu suchen mit wenig Ablenkung und einer äußeren, festen Zeiteinteilung.

Was ich beim nächsten Mal, bei einer solchen Arbeitsaufgabe, zum Einen in jedem Fall anders machen werde, sind die Fußnoten mit den Literatur-angaben. Sie nachträglich alle herauszufinden, ist einfach zu Nerv tötend! Zum anderen werde ich viel mehr Zeit zum Korrigieren und vor allem For-matieren einberechnen.

Das hat mir die Arbeit gebracht

Ich hatte mir anfangs gedacht, dass ich viel genauer über die Trichterbe-cherkultur und die Ertebøllekultur schreiben möchte, als ich es jetzt letzt-lich geschafft habe, denn meine Frage, warum die Menschen in Schleswig-Holstein sesshaft wurden ist, wie ich in diesem Jahr herausfand, eher für eine Master- oder Doktorarbeit bestimmt und nicht als Jahresarbeit geeig-net. Es würde glatt den Rahmen sprengen! Auch tauchte die Schwierigkeit auf, konkrete Gründe und Prozessabläufe dieser Veränderungsphase aus-zumachen, denn es bis jetzt keine bewiesenen Antworten auf viele der Frage.

Vor allem, da es neben der Jahresarbeit immer auch noch den normalen Schulalltag gibt, habe ich das Jahr überwiegend als anstrengend erlebt. Diese Anstrengung half mir allerdings auch eine gewisse Motivation und eine Akzeptanz zu entwickeln, z.B. meine Freizeit, z.B. Ferien oder Wo-chenende an die Arbeit (für Schule und Jahresarbeit) abzutreten. Ich konn-te schließlich mit dieser Akzeptanz besser dabei bleiben und steigerte auchmeine Arbeitsdisziplin.

Ich habe herausgefunden, dass Veränderungsprozesse lange andauern können, viel länger als ich am Anfang mir vorgestellt habe (neolithische Re-volution) und dass sie für uns oft, im Nachhinein an „einzelnen“ Merkma-len festgemacht werden (Keramikform). Aber Umwälzungen, also Verände-rungen bestehen tatsächlich aus vielen Dingen, betreffen und beeinflussenletztlich alle Bereiche und können nicht voneinander getrennt betrachtet werden.

49

Page 50: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Das schönste an der Jahresarbeit war die Steinzeitwoche in Albersdorf, dort so viele nette Menschen kennenzulernen und dort auch ein tieferes Wissen über die Steinzeit zu erlangen. Das Besondere war die Art der Wis-sensvermittlung. Die Verbindung zwischen Praktisch-Erfahrbarem, der Theorievermittlung und einer offenen herzlichen Begegnung, bzw. einem Gefühl bei dem Erleben. Dies habe ich auch erfahren bei dem Museumsbesuch in Moesgaard/DK, im Schloss Gottorf, während der Führung zu dem Thema „steinzeitliche Er-nährung“ und auch beim Vortrag „Steinzeit auf dem Ostseegrund“, aber eben besonders während der Steinzeitwoche! Dieses „Erfahrbar-machen von Wissen“, habe ich versucht in meine Arbeit mit aufzunehmen. So sind die Geschichten entstanden! Und viele Erlebnisse, die ich an diesen ver-schiedenen Orten aufgesammelt habe, habe ich in sie einfließen lassen.

Durch diese schönen Erfahrungen wuchs über das Jahr in mir der Wunsch, Archäologie zu studieren und da dies nur mit Abitur möglich ist, auch der Wille Abitur zu machen - möge kommen was wolle!

Die wichtigste Aussage meiner Arbeit ist

Am Anfang dachte ich, das Wichtigste an meiner Arbeit wäre herauszufin-den, warum die Steinzeitmenschen in Schleswig-Holstein sesshaft wurden. Doch beim Lesen merkte ich, dass ich darauf wohl keine endgültige Ant-wort finden würde. Deshalb dachte ich mir, dass ich eine Theorie heraus-greifen, bzw. finden möchte, die ich für am Glaubwürdigsten und richtig empfinde. Später kam mir der Gedanke, dass es mir vor allem wichtig ist, dass endlich niemand mehr glaubt, Steinzeitmenschen wären halbnackte Wilde, die noch dümmer sind, als wir heute. Ich halte die Menschen von damals für schlauer als uns heute. Wie sonst, hätten sie das Feuer bändi-gen, aus den einfachsten Mitteln das Beste machen und gleichzeitig noch mit der Natur und nicht gegen sie, leben können. Ich bin davon überzeugt, dass wir viel von ihnen für unser Leben, vor allem für unsere Zukunft ler-nen können. Deshalb macht es mich immer wieder traurig, wenn Steinzeit-menschen, besonders in den Mainstream-Medien so schlecht dargestellt werden.

50

Page 51: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Ich hatte so viel Glück

Ich hatte so viel Glück, dass ich Julia Goldhammer getroffen und von ihr massenweise Literatur bekommen habe und das, obwohl wir nur zufällig im Internet über das Vortragsangebot gestolpert waren. Hätte ich mir nicht schon kurz vorher das Thema meiner Jahresarbeit überlegt, wäre ich vermutlich gar nicht dort gewesen und vermutlich wäre es gar nicht zu die-ser Arbeit gekommen oder sie wäre bestimmt ganz anders verlaufen. Ich hatte auch Glück, als Frau Schmiedehausen mir erzählte, dass Frau Klaus, meine Mentorin, Archäologin ist. Denn nur so kam ich auf die Idee, sie zu fragen, ob sie meine Mentorin sein mochte. Ganz großes Glück hatte ich, Werner Pfeifer im Steinzeitpark in Albersdorf an zu treffen. Denn ich war nur auf die Idee gekommen dort hin zu fahren, nach einer Dokumentation im NDR über die Steinzeitwoche 2016, über die mich meine Oma eine Woche zuvor informiert hatte. Bis dahin hatte ich noch nie etwas von einem Werner Pfeifer gehört. Ein großes Glück und etwas ganz Besonderes war es auch, dass Werner gerade an diesem Wo-chenende, an dem ich dort vorbeikam, da war. Denn, wie ich später erfuhr,hat er immer viel zu tun und war an allen anderen Wochenenden unter-wegs. Ohne dieses Treffen hätte ich schwer einen praktischen Teil gefun-den und ganz bestimmt keinen so schönen! Glück im Unglück war es dann, dass meine Mutter falsche Zugtickets ge-kauft hatte. Weil es ihr dann aber gelang noch einmal neue zu kaufen, konnte ich auf der Steinzeitwoche dabei sein. Sehr gut für mich war es auch, dass ich bei Jens, Jutta, Paula und Maren (meine Verwandten) in Dänemark den Großteil meiner Arbeit schreiben konnte und einen solch intensiven, morgendlichen Austausch gehabt zu haben!Im Großen und Ganzen hatte ich also vielerlei und besonderes Glück, die-ses von allen Seiten zu bekommen!

1 „Experimentelle Archäologie“, ein Treffen von Archäolog*innen und Wildnislehrer*innen, um Steinzeit zu leben und um sich vor allem auszutauschen.

51

Page 52: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Danke_______________________________________________________________________________________________

Ich hatte so viel Hilfe von so vielen Menschen, dass ich hier, nur die für mich Wichtigsten aufzähle. Somit bedanke ich mich auch bei euch allen kleinen Helfer*innen!

Ein großes Dankeschön gebührt Julia Goldhammer, du, die du mir schon Ende letzten Jahres Berge von Literaturtipps schicktest und mir alles er-klärt hast, was ich nicht wusste oder verstand.

Vielen Dank auch an euch Jutta, Jens, Paula und Maren, dass ich bei euch einen so guten Raum finden konnte, um meine Arbeit zu schreiben. Dir, Jutta auch einen besonderen Dank für das Korrekturlesen.

Für das Gleiche bedanke ich mich auch bei dir, Beke, da du diese Rolle in den Herbstferien größtenteils übernommen hast.

Für das Herausfiltern von den letzten kleinen Fehlern bedanke ich mich beiKatja, Andrea, Marlene und Zoë.

Meinen gesamten praktischen Teil verdanke ich wohl dir, Oma Heide und natürlich auch dir Werner. Wie wäre ich ohne euch beide, die ihr eigentlichnichts miteinander zu tun habt, nur zu einem so schönen praktischen Teil gekommen!

Wo wir schon beim praktischen Teil sind, bedanke ich mich auch ganz herz-lich bei euch allen, die mir halfen mein Steinzeitequipment herzustellen. Vielen Dank dafür an Frau Grallert, an Beke und Jannis. Sowie ich natürlich auch allen Teilnehmern*innen der Steinzeitwoche für diese schöne und besondere Zeit danke! Dort geht mein besonderer Dank an Alexandra, dass ich ihre wunderbaren Fotos benutzten darf, nachdem meine wenigen keineswegs vergleichbar wurden.

Einen ganz großen Dank geht an dich, Frau Klaus. Du warst eine wunderba-re Mentorin für mich, auch wenn unsere Treffen öfters ausfielen, weil wir uns nicht finden konnten.

Letztlich geht auch mein Dank an dich Leser*in, der/die du mit so großem Interesse meine Arbeit gelesen hast.

52

Page 53: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Literaturangaben_______________________________________________________________________________________________ für die Jahresarbeit zum Thema: „Erste Ackerbauer*innen und Viehzüchter*innen Schleswig-Holsteins - oder die letzten Jäger*innen, Sammler*innen und Fischer*innen zwischen den Meeren“

Autor*in Titel

Jørgensen, Erik, 2000 „Yngre stenalder“ in: Det Sønderjyske Landbrugshistorie, Hrsg. Ethelberg, Per u.a., 2000, Haderslev

Kápolnási, Gergely, 2012 Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie Band 210 „Die Entstehung der Trichterbecherkultur“, von Gergely Kapolnasi, 2012, Bonn

Pawlak, Britta, 2011 Artikel: „Wie der Mensch sesshaft wurde –die Geschichte der Evolution- Teil 4“, 2011, in: www.helles-koepfchen.de/geschichte-der-evolution/cro-magnon-steinzeitmenschen-sesshaftigkeit-und-zivilisation.html

wikipedia • de.m.wikipedia.org/wiki/Neolithische_Revolution

• wikipedia.org/wiki/5._ Jahrtausend_ v._Chr.

• de.m.wikipedia.org/wiki/ertebølle-kultur

www.palaeon.de/schoeninger-speere.html

www.zeit.de/2014/48/waffen-werkzeug-steinzeit-archaeologie/seite-2

Terberger, Thomas, 2010 „Vom Jäger zum Bauer“, in: Atlas der Vorgeschichte, HG Siegmar von Schnurbein, 2010, Stuttgart

Goldhammer, Julia, 2016 Vortrag: ”Altsteinzeit auf dem Ostseegrund. Taucharchäologie auf

53

Page 54: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

versunkenen Siedlungen am Beispiel von Strande in der Kieler Bucht”, 11.10.2016 in Schloss Gottorf, Schleswig, Bohuslans Museum, Uddevalla, Schweden und Dr. Sönke Hartz.

Meier, Dirk, 2000 „ Sønderjylland fra natur- til Kulturlandkab” in: Det Sønderjyske Landbrugshistorie, Hrsg. Ethelberg, Per u.a., 2000, Hadderslev

Kind, Claus Joachim, 2002 Hartz, Sönke; Lübke, Harald und Schlichtherle; 2002

”die letzten Jäger und Sammler”in: Menschen-Zeiten-Räume Archäologie in Deutschland, Hrsg. Wilfried Menghin und Dieter Planck, 2002, Stuttgart

Horsch, Alexander, 2017, Steinzeitwoche Vortrag über music in Stone Age, Musik in der Steinzeit , von Horsch, Alexander

Plönißer, Miri, 2017, Steinzeitwoche Führung im Steinzeitpark Dithmarschen von Miri Plönißer

Freeden v., Uta und Schnurbein v., Siegmar, 2003

„Neolithikum, Grundlagen sesshaften Lebens“ in: Spuren der Jahrtausende - Archäologie und Geschichte in Deutschland, 2003, Stuttgart

Hennies, Matthias, 2015 www.deutschlandfunk.de/norddeutschland-huegelgraeber-liefern-einsichten-in-die.1148.de.html?dram:articele_id=336601 von MatthiasHennies, 2015

www.geopfaden.nl/portal/jupgrade/index.php/de/ – auf der Stauchmoräne

www.pikpotsdam.de/~stefan/Lectures/paleoklima/index.html

www.dandebart.tk/dk-historie7.htm

der-Steinzeit.html von Graef, Robert, 2015

www.einach-natur.de/angebote-für-schulen/steinzeitwerkstatt-für-schulklassen/

54

Page 55: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Müller, Johannes, 2010 Atlas der Vorgeschichte, Europa von den ersten Menschen bis Christi Geburt; HG Siegmar Schnurbein; 2010, Stuttgart

www.astronews.com/news/bilder/2009/0906-019.jpg

www.ksta.de/ringheiligtum-poemmelte-oeffnet-am-21--juni-24153794

www.spiegel.de/wissenschaft/natur/frauen-in-der-steinzeit-starben-bei-fehden-sagen-anthropologen-a-884034.html

Hill, www.geschichte-s-h.de/ochsenweg/

mapio.net/o/155756/

urkeramik.files.wordpress.com/2013/10/trichterbecher-d-ca-15-cm.jpg

55

Page 56: Inhaltsverzeichnis - Steinzeitpark Dithmarschen...Als ich meine Augen einen Spaltbreit öffne, kitzelt mich die Sonne und ich rieche den Rauch des Feuers und den Duft des Waldes. Vorsichtig

Anhang_______________________________________________________________________________________________

56