Innenräume Entwerfen
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Verlag und Herausgeberin danken den folgenden Firmen
für ihre Förderung dieses Buchs:
AGROB BUCHTAL
burgbad
nora systems GmbH
Sto AG
Trevira GmbH
Lektorat: Andreas Müller, Berlin
Layout, Covergestaltung und Satz:
Rein Steger, Proxi, Barcelona
Umschlagmotiv: Transluzenter hinterleuchteter Beton
(Fabrikation Lucem); Foto: Sylvia Leydecker
Übersetzung aus dem Englischen (Kapitel Cys, Wong, Lefteri,
Grau, Hamilton sowie die Vorworte): Steffen Walter,
Falkensee bei Berlin
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publika-
tion in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bib-
liografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de
abrufbar.
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch
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nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urhe-
berrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig.
Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen
unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.
Dieses Buch ist auch in englischer Sprache erschienen
(ISBN 978-3-0346-0680-6 gebunden,
ISBN 978-3-0346-1302-6 broschiert).
© 2013 Birkhäuser Verlag GmbH, Basel
Postfach 44, 4009 Basel, Schweiz
Ein Unternehmen von De Gruyter
Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei
gebleichtem Zellstoff. TCF ∞
Printed in Germany
ISBN 978-3-0346-1579-2 gebunden
ISBN 978-3-0346-1300-2 broschiert
9 8 7 6 5 4 3 2 1
www.birkhauser.com
In diesem Buch werden etwa bestehende Patente, Gebrauchs-
muster, Warenzeichen u.ä. in der Regel nicht erwähnt. Wenn
ein solcher Hinweis fehlt, heißt das nicht, dass eine Ware
oder ein Warenname frei ist. Aufgrund der Vielzahl der unter-
schiedlichen genannten Materialien und Produkte war eine
jeweilige Prüfung hinsichtlich eines eventuell vorhandenen
Markenschutzes nicht möglich. Im Zuge einer einheitlichen
Handhabung wurde deshalb auf die Setzung von Waren-
zeichen (z.B. ® oder TM) in der Regel verzichtet.
5
8 Vorwort von Simon Hamilton Simon Hamilton & Associates, International
Director des British Institute of Interior Design (BIID)
9 Vorwort von Kees Spanjers Zaanen Spanjers Architects, Past President
der Dutch Association of Interior Architects (BNI)
Sylvia Leydecker
10 IN BETWEEN – INNENARCHITEKTUR ZWISCHEN ARCHITEKTUR UND DESIGN10 Wahrnehmung
17 Berufsbild
20 Corporate Design im Raum
29 Soziale Komponente
32 Produktdesign
32 Gesamtkonzept
32 Farbe
32 Material
40 Werte
42 Trend
49 Innenarchitektur spiegelt die Ära wider
52 Aufgabentypen
Joanne Cys
62 DIE ENTWICKLUNG EINER DISZIPLIN: LEHRE UND FORSCHUNG IM BEREICH DER INNENARCHITEKTUR
Liliane Wong
66 NACHHALTIGKEIT: BRANCHENSTANDARDS UND INNOVATION67 Nachhaltigkeit durch Branchenstandards
69 Bewertungs- und Zertifizierungssysteme
72 Kritik und Chancen
75 Nachhaltigkeit durch Innovation
76 Bauen im kleinen Maßstab und der Einfluss
von Ökonomie und Ökologie
80 Fallstudie: Vier kleine Projekte in New York
81 Modulare Verfahren
83 Impermanenz
85 Fallstudie: Illy Caffè
87 Fallstudie: Toolbox, Turin
87 Der performative Aspekt: Von der Flexibilität
zur Multifunktionalität
97 Umnutzung
Marina-Elena Wachs
98 YOU HAVE TO BE INSPIRED… MODE, MUSIK, KUNST UND WISSENSCHAFT ALS INSPIRATION 98 Was bedeutet “Gestalt/-gebung” und was
verstehen wir unter “Qualitäten“
101 Inspiration: Zwischen Emotion und Funktion
101 You have to be inspired… by music
102 You have to be inspired… by art
103 You have to be inspired… by fashion
114 You have to be inspired… by science
INHALT
6
Michael Catoir
120 LEBENSQUALITÄT120 Quality – the quiet revolution
128 Raumqualität: Ordnung, Unordnung,
Gliederung, Wegeführung
132 Mikro-Stress im Hotel: Do it simple do it stupid136 Wohnen: Von der Stube zum Wolkenkratzer
und zurück
142 Wohn- und Arbeitsqualität: The glory of bore150 Emotionalität: Anythings goes, but…
Chris Lefteri
156 ETABLIERTE MATERIALIEN157 Glas
161 Holz
172 Metall
Chris Lefteri
176 WEGE DER MATERIALINNOVATION176 Stimmung
180 Schutz
181 Wohlbefinden
182 Akustik
182 Hochleistungsmaterialien
182 Dynamische dekorative Oberflächen
185 Kundenindividuelle Fertigung
185 Ökologische Verantwortung
Chris Lefteri
186 RAUMBILDENDE OBERFLÄCHEN187 Licht als Werkstoff
193 Lichtdurchlässiger Beton
193 Garn spinnen
193 Wiederverwertung
Chris Lefteri
198 TEXTILE UND ANDERE GEWEBE199 Wolle
201 Dreidimensionale Textilien
201 Im Laserschnittverfahren hergestellte Textilien
201 Holztextilien und textiles Holz
203 Metallgewebe
203 Intelligente Hybridgewebe
Sylvia Leydecker
204 NANOTECHNOLOGIE IN DER INNENARCHITEKTUR205 Was ist Nanotechnologie?
209 Reinigung (fast) von selbst
211 Verbesserte Raumluftqualität
211 Hocheffiziente und schlanke Dämmung
211 Verringerter Wärme- und Kühlbedarf durch
Speichermedien
212 Elegante und visionäre Bauformen
durch UHPC
212 Weitere Anwendungen
212 Energieeffizientes Licht:
superflach und flexibel
214 Lack und Licht
214 IT
Peter Ippolito
216 ÄSTHETISCHE QUALITÄTEN VON LICHT, RAUMLUFT UND AKUSTIK217 Licht – ein sinnlicher Baustoff
220 Qualitäten des Lichts:
Von Richard Kelly bis heute
226 Licht ist Emotion
230 Lichtdramaturgie
234 Kulturelle Bezüge von Licht
237 Licht und Alter
239 Lichtdesign stiftet Identität
241 Raumluft, ein unsichtbares Gestaltungsmittel
241 Komponenten von Raumluftkonzepten
242 Raumluft und Nachhaltigkeit
242 Raumluft und Innenarchitektur
244 Akustik – ein ästhetisches
Gestaltungsmittel
244 Facetten der Akustik
246 Akustik ist Wohlbefinden
248 Akustik ist Kommunikation
250 Akustik-Design und Innenarchitektur
Beispiele für den Einsatz der technischen
Gestaltungsmittel:
253 Kantine der SPIEGEL-Gruppe in Hamburg
254 Pausenfoyer des Palace of International
Forums in Taschkent
Mark Blaschitz
256 MEDIEN258 Die Medien und die Bildenden Künste
262 Zu Hause im Cyberspace
264 Topologische Transformationen
und Interspaces
266 Vom Interface zum Interspace
272 Von der intelligenten Technologie zur
intelligenten Typologie
7
Lars Grau
276 INFORMATIONSTECHNOLOGIE278 Smart Home
279 Standardisierung and Nutzererfahrung
279 Anwendungen im Wohnbereich
281 Öffentliche Bauten und Gewerbebauten
286 Sinnvoll und einfach
Johannes Stumpf
288 TECHNISCHE SYSTEME289 Wärme
290 Elektrizität und Signale
290 Wasser, Gase, Luft
290 Heizungsanlagen
290 Wärmeerzeugung
291 Wärmeverteilung
292 Wärmeabgabe
292 Kühlung
292 Kälteerzeugung
293 Verteilung und Übergabe
293 Lüftungsanlagen
294 Feuchte und Temperatur
294 Luftwechsel
294 Gesundheit und Nutzungskomfort
294 Grundsätzliche Anlagenkonzepte
295 Dezentrale versus zentrale
Anlagenkonzepte
296 Das Kanalnetz
297 Raumlüftungssysteme
297 Luftdurchlässe
298 Sonnenschutz
298 Aktiver versus passiver Sonnenschutz
298 Abwasseranlagen
299 Gasanlagen
299 Wasseraufbereitung
299 Warm- und Trinkwasseranlagen
300 Elektrische Anlagen
300 Zentrale Energieerzeugung und -verteilung
300 Dezentrale Energieerzeugung
300 Schnittstellen im Gebäude
301 Wie die Dinge zusammenkommen:
Messen, Steuern, Regeln
301 Die Feldebene
301 Die Automationsebene
301 Die Managementebene
302 Brandschutz
302 Das Brandschutzkonzept
303 Der bauliche Brandschutz
303 Der anlagentechnische Brandschutz
Johannes Stumpf
304 BAUEN IM BESTAND: BARRIEREFREIHEIT UND DENKMALSCHUTZ305 Barrierefreiheit
310 Denkmalschutz
321 Zwei denkmalpflegerische Konzepte: Neues
Museum und Alte Nationalgalerie, Berlin
Johannes Stumpf
326 PROJEKTMANAGEMENT
Thomas Welter
330 INNENARCHITEKTUR OHNE GRENZEN330 Herausforderungen
332 Voraussetzungen
332 Leistungen
334 Erste Schritte
334 Ausblick
Simon Hamilton
339 WIE INTERNATIONAL IST UNSERE ARBEIT?
348 Nachwort und Dank
349 Literatur, Messen, Verbände und
andere Useful Links
350 Über die Herausgeberin und die Autoren
352 Abbildungsnachweis
REGISTER
355 Register der Gestalter und Autoren
356 Register der Projekte
358 Register der Bauaufgaben
361 Ortsregister
362 Profile
8
VORWORT SIMON HAMILTON
Simon Hamilton & Associates,
International Director des British Institute of Interior Design (BIID)
Die Tätigkeit im Bereich der Innenarchitektur ist ein großes Geschenk – und eine in ständigem Wandel begriffene Erfahrung. Während des Studiums wird uns vermittelt, dass man alles erschaffen könne und wir unsere Ideen beharr-lich weiterverfolgen sollten. Danach kommt die Realität ins Spiel. Dennoch bin ich nach wie vor überzeugt, dass es trotz der Grenzen, die durch Budgets, Gesetze und Normen, Vorgaben des Auftraggebers und enge Zeitpläne gesetzt werden, möglich ist, inspirierende, innovative und individuelle Ideen umzusetzen.
In den bisher mehr als zwei Jahrzehnten im Interior Design bin ich in verschiedenen Auf-gabenbereichen tätig gewesen – Arbeiten, Hotel, Gastronomie, Büro, Messen und Aus-stellungen, Wohnen und Gesundheit. Über alle unterschiedlichen Anforderungen hinweg sind die Grundelemente des Entwurfsprozesses stets dieselben.
Auf dem internationalen Markt kommt es dar-auf an, dass die zu erschaffenden Entwürfe relevant sind, angemessen und dabei ihrer Verantwortung gerecht werden. Meine Auf-gaben als International Director des British Institute of Interior Design haben mich in die glückliche Lage versetzt, viele andere Desi-gner und Designergruppen auf der ganzen Welt persönlich treffen zu können. Über alle kulturellen und sprachlichen Unterschiede hinweg gibt es zwischen all diesen Vertretern des Berufsstandes eine große Gemeinsamkeit: die vertrauten Probleme, Schwierigkeiten und Hindernisse, vor denen wir alle stehen. Das ist erleichternd und frustrierend zugleich. Die Bot-schaft, von der wir alle überzeugt sind und die wir immer wieder vermitteln möchten – dass Interior Design etwas Gutes bringt und unser Leben bereichert – wird nicht immer gehört.
Deutlich wurde mir während meiner Reisen der immer drängender werdende Wunsch, zur „Szene“ des Interior Design zu gehören. Unzählige Veranstaltungen in Ländern wie Indien, Singapur, Russland, Brasilien und China machen das klar. Dort ist man fest entschlos-sen, etablierten Messen wie dem Salone Inter-nazionale del Mobile in Mailand, der Neocon in Chicago, der Orgatec in Köln, der 100% Design in London oder Maison et Objet in Paris zu folgen. Droht eine Überfülle an Design?
Unser im globalen Maßstab wachsendes Inter-esse am Interior Design bringt es mit sich, dass er heutzutage zunehmend als etwas Sinnstif-tendes wahrgenommen wird. Zwar hält sich das Image der billigen Lösung noch immer hart-näckig, jedoch zeigen sich die Medien heute besser informiert und nehmen eine etwas weni-ger zynische Haltung ein. Die Bedeutung und der Einfluss guten Designs sind weithin aner-kannt, insbesondere im Einzelhandel und im Hotel- und Gastronomiesektor. Ziel einer jeden Geschäftstätigkeit ist die Verbesserung der Gewinnsituation, und gerade hier kann gutes
Design einen entscheidenden Beitrag leisten. Die für Kunden geschaffenen Erlebnisse – sei es in Fast-Food-Ketten, Grand-Hotels, Flug-hafenlounges, Einkaufszentren, Kinos oder Restaurants – werden sorgfältig geplant und gesteuert. Dies gilt für Arbeitsplätze ebenso wie für Unterhaltungsenvironments.
Unsere Lebenszeit verlängert sich, unser Lebensstandard verbessert sich, das weckt Erwartungen. In den Schwellenländern verfügt die Mittelschicht mittlerweile über die nötigen finanziellen Mittel, will dabeisein und ersehnt Veränderungen. Rasch entstehen neue Städte, Bahntrassen, Häfen und weitere Infrastruk-tur – aber zu welchen langfristigen Kosten? Unsere menschliche Natur lechzt nach Wandel und Fortschritt, und wir wissen, dass dieser unaufhaltsam ist. Wir sollten aus den Fehlern der Vergangenheit mit teilweise übertriebe-nen Wachstums- und Nachfrageprognosen lernen. Angesichts einer Rezession bislang ungekannten Ausmaßes in einem Großteil der Welt verharren wir gegenwärtig im Zustand der Angst oder gar Panik.
Gestaltung kann Menschen zusammenbrin-gen und ein besseres Leben ermöglichen – mag dieser Standpunkt auch utopisch sein. Mit dem Wachstum der Weltbevölkerung auf über 7 Milliarden Menschen rückt die Erfüllung von Grundbedürfnissen zunehmend in den Vordergrund. Nahrung, Wasser und Wohnraum sind in einigen Ländern noch immer nicht gang und gäbe; Entwurfslösungen können auch hier einiges beitragen. Bei wiederholten Reisen nach Indien vermochte ich die allgegenwär-tige Armut kaum mit den in oftmals nur zehn Minuten entfernten Luxushotels stattfinden-den Präsentationen mit üppigem Catering zu vereinbaren. Einerseits gibt es im Land ein umfassendes Programm für Wachstum und Entwicklung, andererseits können sich ange-sichts der Dimension dieser Aufgabe spürbare Veränderungen erst nach längeren Zeiträumen einstellen. Indien ist nicht das einzige Land, das sich ein solches nationales Entwicklungsziel auf seine Fahne geschrieben hat.
Innenraumgestaltung steht hier in der Ver-antwortung, die Lebensqualität für die breite Bevölkerung zu verbessern und dabei das Leben unseres Planeten Erde zu verlängern, statt ihn zu zerstören. Politische und wirt-schaftliche Interessen können das Unterfangen „Nachhaltigkeit“ leicht vom Kurs abbringen. Dennoch gibt es eine Reihe von Ländern, dar-unter Abu Dhabi, Australien und Singapur, die eine Vorreiterrolle auf dem Gebiet der Ökolo-gie übernehmen, statt sich nur in Lippenbe-kenntnissen zu ergehen.
Als Botschafter des britischen Designs habe ich beim internationalen Austausch auch wahr-genommen, wie sehr die britische Ausbildung und Kreativität in diesem Bereich weltweit bewundert und gewürdigt wird, in Chicago
oder Neu Delhi, in Paris oder Toronto, sogar in Mailand und insbesondere in Japan, was in gewisser Weise den großen Erfolg von Paul Smith in diesem Land erklären mag.
In welchem Bereich der Innenarchitektur wir auch arbeiten, die zugrunde liegende Auf-gabe ist stets dieselbe: Wir beginnen mit einer Vorstellung, einer Vision, etwas Einzigartiges, Schönes, Bedeutsames zu erschaffen, das zu einer Verbesserung des Bestehenden beizu-tragen vermag. Für einen kurzen Zeitraum zu einem Teil des Lebens oder Unternehmens Anderer zu werden, kann eine Herausforderung darstellen, aber auch lehrreich, bereichernd und inspirierend sein. Der Begriff der „Reise“ hierfür mag klischeebehaftet sein, beschreibt jedoch am treffendsten die Abfolge der Schritte, die den Planungs- und Entwurfspro-zess kennzeichnen. Gerade im internationalen Raum kommt es ganz wesentlich darauf an, zur „Seele“ des Entwurfs vorzudringen. Der internationale Erfolg führender britischer Designer wie Sebastian Conran, Tricia Guild, David Linley, Paul Smith oder Lee Broom beruht auch auf ihrem Verständnis des jeweiligen lokalen Mark-tes. Noch wichtiger ist, dass sie mit Kompetenz, Humor und persönlicher Note eine Botschaft aussenden und eine Identität schaffen.
Die Anziehungskraft sowohl altehrwürdiger wie auch maßgeschneiderter Produkte und Innenräume steht im Widerspruch zu unserem Bedürfnis nach vertrauten Marken und Iden-titäten, mit denen wir alltäglich bombardiert werden. Jeder stellt sein eigenes Gleichge-wicht zwischen diesen konkurrierenden Wel-ten her. Eklektische Mischungen scheinen am ehesten dem zu entsprechen, was oder wer wir sind. Der platte, unpersönliche, minima-listische, hochglanzpolierte Stil des ausge-henden 20. Jahrhunderts war mit dem leeren Versprechen verbunden, dass alle am Erfolg einer hochentwickelten Welt mit riesigen finan-ziellen Gewinnen teilhaben könnten. Jetzt, da die Blase wahrhaftig explodiert ist, fühlen wir uns von Ideen und Lösungen mit einem menschlicheren, intimeren Maß angezogen. Ich gehe davon aus, dass Wissenschaft und Design künftig eine viel engere Beziehung eingehen werden, als wir uns gegenwärtig unter der dicken „digitalen Decke“, unter der wir leben, vorstellen können. Um die Funkti-onsfähigkeit der Welt zu erhalten, dürfen wir ihre begrenzten Ressourcen nur sehr vorsichtig nutzen. Es kommt darauf an, neue Techno-logien und Materialien zu entdecken und zu erfinden, die für die künftigen Generationen zugänglich und realistisch anwendbar sind.
9
Innenräume sind die Architektur der Zukunft. Design und Architektur sind keine Modetrends mehr, vielmehr sollen sie konkrete Antworten auf die Nachfrage der Nutzer und das Bedürf-nis nach Wohlbefinden liefern. Gesundheit, Sicherheit und Wohlbefinden sind zu wich-tigen gesellschaftlichen Themen geworden, nicht zuletzt in der westlichen Welt, wo eine schrumpfende und alternde Bevölkerung zu einem wachsenden Bedarf an individuell und kleinmaßstäblich geplanten Wohnumgebun-gen führt. Besonderes Augenmerk liegt auf Konzepten der Wiederverwertung und der nachhaltigen Entwicklung. Gut konzipierte Innenräume schaffen einen Mehrwert in Bezug auf unsere Wahrnehmung und die Nutzungs-qualität unseres unmittelbaren Wohnumfeldes, für unser Wohlempfinden und unsere Lebens-qualität.
Innenräume sind die Architektur des Wandels. Im Lebenszyklus eines Gebäudes gibt es viele Nutzer und fortlaufende Veränderungen der Sichtweisen und Präferenzen. Ein Gebäude ist nie fertig; jeder Nutzer hat die Möglichkeit, ihm seine jeweils eigene Geschichte hinzuzufügen. Innenarchitekten/Interior Designer geben der nachhaltigen Modernisierung von Gebäuden eine Form. Unter Bewahrung der besonderen, oft einzigartigen architektonischen Qualitäten sorgen wir dafür, dass sich Generation um Generation im Gebäude zu Hause fühlen kann.
Innenräume sind die Architektur der Wahrneh-mung. Ein Faktor, der die Wertschätzung unse-res Umfeldes maßgeblich bestimmt, ist die Zeit. Das Zusammenspiel von Hell und Dunkel hat genau wie der Wechsel der Jahreszeiten eine entscheidende Wirkung auf die Wahrnehmung eines Innenraums. Auch Modeströmungen und Trends spielen eine wichtige Rolle. Wir fühlen
uns vom Neuen stimuliert, kultivieren aber auch das Bekannte und Vertraute. Grenzerwei-terung ist ein einzigartiger Teil der menschli-chen Natur, genau wie das Streben nach Sinn und nach Sicherheit. Auch zeigt sich bei uns das Phänomen der Gewöhnung: Viele Dinge, die uns auf den ersten Blick seltsam oder häss-lich erscheinen, erfahren im Laufe der Zeit grö-ßere Wertschätzung. Dagegen ist die Alterung kein auf den Menschen beschränkter Prozess. Auch Werkstoffe unterliegen Alterung und Verschleiß. In manchen Fällen entsteht daraus eine neue Art von Schönheit, eine geschätzte oder sogar gern nachgebildete Patina.
Innenräume sind die Architektur der emotiona-len Kultur. In einer angenehmen und anregen-den Umgebung zeigen Menschen einen höhe-ren Grad an Engagement und erfahren mehr Freude, Zufriedenheit und Erfolg. Menschen sehnen sich nach Zugehörigkeit, Ausdruck, Erinnerung und Schönheit. Sie möchten sich mit ihrem Umfeld identifizieren. Daher sollte es Raum für Individualität und Selbstausdruck schaffen, was wiederum neue Perspektiven für Improvisation, Spontaneität, Vision und Vorstellungskraft eröffnet. Interaktive Begeg-nungen und ergonomische Qualität sind zen-tral für die Einbindung sozialpsychologischer Aspekte in das Arbeitsumfeld. Das „emotionale Haus“ kann neue Modelle der Effizienz und Pro-duktivität unterstützen. Auch in öffentlichen Innenräumen ist es wichtig, das funktionale Potential von Wahrnehmung zu nutzen und Orte zu schaffen, die wünschenswertes Verhal-ten fördern. Menschen sind leicht zu beeinflus-sen, aber sie wollen ernst genommen werden.
Innenräume sind die Architektur der Kulturge-schichte. Jenseits ihrer Rolle als funktionale Schnittstellen zwischen Nutzer und Gebäude
sind sie Ausdruck unserer kulturellen Identitä-ten und Bestrebungen. Gestaltung und Dekor unserer unmittelbaren Umgebung sind Künste mit langer Tradition. Erhaltene historische Innenräume können uns mehr über die Kultur, die Modeströmungen und Vorlieben an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit vermitteln als umfassende wissenschaftliche Studien. Doch sind sie so selten wie Gemälde der Alten Meister. Innenräume verkörpern die Nutzerseite von Gebäuden, verleihen ihnen Sinn und Wert, doch diese Seite ist zugleich sehr sensibel und vergänglich. Interieurs sind Kulturträger, wir gestalten sie trotzdem oder deswegen häufig um, wenn sie aus der Zeit gefallen scheinen.
Innenräume sind die Architektur der Verant-wortung. Entwerfer nehmen die Folgen ihres Tuns bezüglich Gesundheit, Sicherheit und Wohlbefinden derjenigen in den Blick, die mit hoher Wahrscheinlichkeit das Ergebnis ihrer Arbeit nutzen oder genießen werden. Dieser Blickwinkel geht weit über Stil- und Dekorfragen hinaus, er erfordert eine fundierte Ausbildung, Berufserfahrung und Offenheit für lebenslanges Lernen. Auch verlangt er nach einer Neigung zu Forschung und Entwicklung. Vor allem aber braucht er Menschenliebe.
Möge dieses Buch Gestaltern bei ihrer Pla-nungs- und Entwurfstätigkeit eine große Hilfe sein.
VORWORT KEES SPANJERS
Zaanen Spanjers Architects,
Past President der Dutch Association of Interior Architects (BNI)
10
IN BETWEEN –
INNENARCHITEKTUR ZWISCHEN
ARCHITEKTUR UND DESIGNSYLVIA LEYDECKER
Freude an der Arbeit lässt das Werk treff lich geraten.Aristoteles
„Der Mensch im Mittelpunkt“ – ist ein Statement, das
auch im Kontext Innenarchitektur regelmäßig anzutref-
fen ist, denn die Wirkung der räumlichen Umwelt auf den
Menschen ist enorm. Alle wissen räumliche Qualität zu
schätzen – sei es durch die reine Aufenthaltsqualität oder
Erleichterung der Arbeitsabläufe. Die innenarchitektoni-
sche Gestaltung beeinflusst das seelische Empfinden und
das daraus resultierende Verhalten der Menschen. Sie kann
eine Haltung vermitteln, Vertrauen und Geborgenheit aus-
strahlen, Sicherheit geben, Angst reduzieren, entspannen,
aufmuntern und trösten. Sie wirkt sich auf die Arbeitsmo-
tivation aus, kann sorgsamen Umgang oder aber Vanda-
lismus befördern, beruhigen oder nervös machen, kann
beflügeln oder auch deprimieren. Die räumliche Gestaltung
und Atmosphäre beeinflussen zweifellos Verhalten und
Wohlbefinden sämtlicher Beteiligter.
WAHRNEHMUNG
Innenarchitektur wird von der Öffentlichkeit zwischen den
Polen Architektur und Design wahrgenommen. Dabei wird
sie gerne auf das Einrichten von luxuriösen Villen fokussiert,
ihr Bild wird von TV-Interior-Formaten geprägt, und auch
die Populärpresse bedient ein entsprechendes Klischee.
InnenarchitektInnen1 werden häufig mit Interior Designern
verwechselt, als „Innen-Designer“ missverstanden und,
insbesondere im internationalen Kontext, auf die Rolle
von „Decorators“ reduziert. Innenarchitektur bedeutet
als Ganzes aber etwas anderes, etwas, wodurch professi-
onelle Innenarchitekten sich von den genannten Klischees
unterscheiden. Sie verfügen zunächst einmal mindestens
über ein fundiertes Studium und bearbeiten ein breites
Aufgabenspektrum, das deutlich über die besagten Luxus-
villen hinausgeht.
Innenarchitektur liegt in einem Grenzgebiet, in dem einer-
seits Architekturbüros auf einem angestammten Feld der
Innenarchitektur, dem Bestand, planen und andererseits
Design-Agenturen den Entwurf lukrativer Marken-Interiors
übernehmen. Dieser für die Profession erst einmal prob-
lematische Zustand zeigt aber auch: Innenarchitektur ist
mehr denn je gefragt.
Dreh- und Angelpunkt der innenarchitektonischen Arbeit
ist der Entwurf. Die Entwürfe sind meist durch individuell
unterschiedliche Ausprägungen der Gestaltung geprägt:
durch eine persönliche Handschrift. Das kreative und intel-
lektuelle Potenzial stellt sich in ein und derselben Entwurfs-
aufgabe immer unterschiedlich dar. In der Praxis muss jeder
11
Climbing de luxe:
Die Kletterwand im
Fitnessclub spielt
mit dem Standort
in Tokios Mode-
Stadtteil – Klettern
an Interior-Elementen
wie Bilderrahmen,
Spiegeln, Vasen und
Hirschköpfen.Illoiha Omotesando Fitness Gym,
Tokio, Japan; Nendo
professionell Arbeitende klar Position beziehen, wie sie
oder er sich selbst und die eigene Berufsausübung definiert.
Innenarchitekten besitzen die Kompetenz und das Know-
how, die Qualität der Innenarchitektur vom Privathaus bis
zum Konzern zukunftsfähig zu gestalten. Die Bandbreite
der Tätigkeit im Bereich Innenarchitektur ist sehr groß
und reicht vom Möbeldesign, dem Produktdesign für die
Industrie, über das Bauen im Bestand bis hin zum Neubau
von Gebäuden.
Wer gibt der Innenarchitektur in der breiten öffentlichen
Wahrnehmung ein Gesicht, welches sind zeitgenössische
Innenarchitektur-/Interior Design-Ikonen? Spontan fallen
einem dazu vielleicht Philippe Starck und Andrée Putman
ein, weiterhin als globale Design-Popstars auch Karim
Rashid oder Marcel Wanders: ersterer als Universalgenie
von der Nudel bis zum Hochhaus, die Zweitgenannte als
Grande Dame der Innenarchitektur, die beiden letzteren
als Produktdesigner, die auch im Bereich Interior tätig
sind. Des Weiteren Büros wie Concrete und Nendo oder
Kelly Hoppen oder Shiro Kuramata mit ihren zeitgenössi-
schen Interiors und Eileen Gray als historischer Meilenstein
und frühe Protagonistin der Innenarchitektur. Die Anzahl
der „Ikonen“ ist im Vergleich zu denen der Architektur
sehr überschaubar; die Innenarchitektur-Szene ist derzeit
nicht adäquat in der öffentlichen Darstellung positioniert.
Zwar gibt es mehr als genug Coffee-Table-Bücher und
Populärmagazine, sie weisen jedoch allesamt eine Tendenz
zur Dekoration auf und die dargestellten Interiors stammen
von allen möglichen Urhebern vom (Innen-)Architekturbüro
über den Interior Designer hin zu Non-Professionals, „der
Gattin von Mr. Wichtig“ oder dem ambitionierten Künstler-
Ehepaar. Kissenknicken de luxe im Eigenheim.
Im Vergleich zu Architeken befinden sich Innenarchitekten
deutlich in der Minderzahl – gute Innenarchitekten sind
ein rares, kostbares Gut. Innerhalb der Profession sind
insbesondere im Studium Frauen im Vergleich zu anderen
Branchen zwar relativ stark vertreten, dies ändert sich spä-
terhin aber im Kontext von Kind und Karriere, da der Spa-
gat zwischen beidem nur schwer zu leisten ist. Der daraus
entstehende Mangel an Innenarchitektinnen kommt leider
keiner Stärkung des Berufsstandes zugute. Stattdessen
entspricht dem Klischee der „Barbie als Innenarchitektin“
zuweilen, je nach Objektgröße, die Auffassung von Innen-
architektur als einer Art „Damenprogramm“. → 17
76
Ab in die Kiste: Jugendherberge
mit Naturanschluss, viel Kiefernholz
und Grün.Jugendherberge „Haus Untersberg“,
Berchtesgaden, Deutschland;
LAVA – Laboratory for Visionary Architecture
BAUEN IM KLEINEN MASSSTAB UND DER EINFLUSS VON ÖKONOMIE UND ÖKOLOGIE
Seit Ende des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts
erleben zahlreiche Industrieländer eine postindustrielle
Krise. Insbesondere Europa und die Vereinigten Staaten
sind aufgrund der globalen Finanzkrise mit einer ökono-
mischen Rezession konfrontiert. In dieser Situation ist die
Knappheit der natürlichen und finanziellen Ressourcen
eine der wichtigsten Fragen, auf die Gestaltungen reagie-
ren müssen. Wird das Thema der Nachhaltigkeit in der
Entwurfspraxis aus einer vorwiegend produktbezogenen
Perspektive betrachtet, wird es aufgrund der „gefühlten“
zusätzlichen Kosten häufig erst einmal als wirtschaftlich
nachteilig erachtet.
Früher nur von Kostenplanern praktiziert, sind Reduzie-
rungen von Projektumfang und -größe zu einer weithin
anerkannten Vorgehensweise im Sinne der Nachhaltigkeit
geworden. Bei kleineren Projekten ergeben sich in der
Regel niedrigere Bau- und Instandhaltungskosten und
ein geringerer Energieverbrauch in der Bau- und Nut-
zungsphase und damit eine Senkung der CO2-Emissio-
nen, die letztlich zu einer günstigeren CO2-Bilanz führen.
Eine Verkleinerung ist jedoch nicht notwendigerweise mit
geringeren Anforderungen an das Raumprogramm und die
erforderlichen Funktionen gleichzusetzen. Das Bauen im
kleinen Maßstab ist vielmehr mit besonderen Entwurfs-
aufgaben verbunden, da ein Mehr an Funktionen in einem
kleineren Baukörper untergebracht werden muss.
Kleine Bauten müssen flexibel ausgelegt sein, damit sie
denselben Funktionsumfang wie größere Bauten gewähr-
leisten. Aus historischer Sicht ist die Flexibilität der Grund-
rissplanung ein Ergebnis der Erfindung der Koksverhüttung
im 18. Jahrhundert und ihres Einflusses auf die Geschichte
der modernen Architektur. Die Massenproduktion von Eisen
führte Mitte des 19. Jahrhunderts zur Entwicklung der Stahl-
industrie – ein existenzieller Schritt, der eine Unabhängig-
keit von rein an der Lastabtragung orientierten Bauweisen
bedeutete. Die Einführung des Stahlskelettbaus veränderte
die Definition des Raumes nachhaltig, so dass die zuvor für
die Innenraumgestaltung bestehenden Beschränkungen
aufgrund der begrenzten Spannweiten der Tragglieder
wesentlich gelockert wurden. Im Zuge der allgemeinen
Akzeptanz des Stahlskelettbaus im Bauwesen trat an die
Stelle der Ende des 19. Jahrhunderts üblichen klassischen
Grundrissplanung mit einer Abfolge streng formaler Räume
die neue, freie Raumplanung, bei der zahlreiche Funk-
tionen innerhalb eines einzigen undefinierten Raumes
gleichzeitig erfüllt werden konnten. Die Auswirkungen die-
ses Wandels auf die moderne Grundrissgestaltung haben
Le Corbusier und Pierre Jeanneret 1927 in ihrem Manifest
„Fünf Punkte zu einer neuen Architektur“ in Architecture Vivante beschrieben und im Entwurf des „Domino-Hauses“
dargestellt.13 Nahezu ein Jahrhundert später ist diese Frei-
heit und Flexibilität Herzstück der Aufgabe des Bauens im
kleinen Maßstab.
NACHHALTIGKEIT
77
Flexibilität in der Nutzung:
Vorhang auf und zu.Büroausbau “Blaue Fabrik“, Thalwil, Schweiz;
ateliersv Innenarchitektur
Der 1972 fertiggestellte Nakagin Capsule Tower von Kisho
Kurokawa in Tokio ist in seiner Quintessenz der Vorläufer
des kompakten, dabei jedoch auch umweltschonenden Ent-
werfens. Das Projekt umfasste zwei Hochhäuser, die jeweils
140 vorgefertigte „Kapseln“ aufnahmen. Für jede Kapsel
sah der Entwurf bereits Einbaumöbel, ein Bad, einge-
baute Haushaltsgeräte sowie eine TV- und Audioanlage
vor, um die Bedürfnisse eines einzelnen Bewohners zu
erfüllen. (Mehrere Bewohner oder Familien konnten meh-
rere Kapseln verbinden.) Als Reaktion auf den sowohl im
Gewerbe- als auch im Wohnbereich bestehenden chroni-
schen Platzmangel in Tokio sollte dieses Projekt Wohn- und
Büronutzungen ermöglichen. Der Erfolg des kompakten
Grundrisses von 58 m2 beruhte auf seiner räumlichen Fle-
xibilität, die die Umsetzung der verschiedenen benötigten
Funktionen ermöglichte. Im Unterschied zum traditionellen
Grundriss, in dem den einzelnen Räumen jeweils eigene
Funktionen zugewiesen wurden, erfüllte hier jeder Raum
gleichzeitig viele Funktionen.
NACHHALTIGKEIT DURCH INNOVATION
78
Baulücken und schmale Gebäude mit wenig
Fläche erfordern andere als herkömmliche
innenarchitektonische Lösungen.Smalste woning van Antwerpen, Antwerpen, Belgien; sculp(IT)
Die Hinwendung zum Kleinen ist heute ein klar erkenn-
barer Trend. Dies gilt sowohl für den Gewerbe- als auch
für den Wohnungsbau. Beim Entwurf von Wohnungsbau-
projekten stehen die heutigen Nachfolger der kompakten
Apartments des Nakagin Capsule Tower für eine Abkehr
von den „McMansions“ – übergroßen Vorstadthäusern,
deren Maßstab und Ästhetik nicht zu ihrem Umfeld passen.
Die meisten kompakten Wohngebäude von heute zeichnen
sich durch die Effizienz und Flexibilität ihrer freien Grund-
rissgestaltung aus. Ein solide konzipierter Entwurf leis-
tet die Erfüllung aller programmatischen Anforderungen
durch Multifunktionalität. Das von Forschern und Planern
in London und an der Technischen Universität München
entworfene micro compact home (m-ch) veranschaulicht
mit 7 m2 Nutzfläche diesen Ansatz. Das m-ch ist ein Wür-
fel mit 2,66 m Kantenlänge, der in seinem Entwurf an die
Körpergröße des Menschen und den für die grundlegen-
den Tätigkeiten im Haushalt benötigten Raum angepasst
ist. Es wurde insbesondere für Studenten und Urlauber
geplant und verfügt über zwei Doppelbetten, Stauraum,
einen Schiebetisch mit Platz für bis zu fünf Personen, ein
Bad und eine voll ausgestattete Küche. In einer Niedrige-
nergieversion wird das m-ch mit Strom aus Solarzellen
und einem Windrad versorgt. Wird es nicht mehr benö-
tigt, kann das m-ch recycelt werden und die Materialien
können für einen neuen „Wohnwürfel“ verwendet werden.
Die Ökobilanz – unter Berücksichtigung der Materialien,
Bauweise, Herstellung und des gesamten Lebenszyklus von
der Anlieferung bis zur endgültigen Entsorgung – ergab,
dass die Niedrigenergieversion des m-ch das Potenzial
eines „Nullemissionshauses“ aufweist.14
Viele neue Entwürfe kompakter Wohngebäude streben
den Status eines „Nullenergiehauses“ an. Daneben rückt
jedoch zunehmend die Verringerung der Umweltauswir-
kungen durch einen „intelligenteren“, weniger belastenden
Lebensstil in den Fokus. Das ist in der heutigen Konsumge-
sellschaft ein anspruchsvolles Ziel. Das Projekt sculp(IT),
ein viergeschossiges Wohn- und Bürogebäude in Antwer-
pen, verschreibt sich jedoch genau diesem Ansatz des
„Weniger ist mehr“. Gelegen auf einem nur 2,40 m breiten
Grundstück, beherbergt das Gebäude auf jeder Etage eine
andere Funktion: Büro, Küche, Schlafzimmer und Bad.
Anders als das micro compact home, in dem ein einziger
kompakter Raum mehrere Funktionen erfüllt, übernimmt
hier jeder der winzigen Grundrisse die ihm zugedachte
Funktion. Ermöglicht wird das durch einen spartanischen,
ja geradezu minimalistischen Ansatz.
NACHHALTIGKEIT
79
Wasser, Luft, Natur.
Nachhaltigkeit kontra
Umweltverschmutzung
bewegt die Welt
und hier China im
Besucherzentrum für
den Qinhu Wetland
Nationalpark.Besuchererlebniszentrum im
Qinhu Wetland Nationalpark,
Jiangsu, China; TRIAD
NACHHALTIGKEIT DURCH INNOVATION
80
Eine lange Theke zieht sich
durch den Hot-Dog-Laden...DASH Dogs, New York City, New York, USA;
LTL Architects
….während hier die Wände
als gestalterisches Element
und Stauraum dienen.XOCOLATTI, New York City,
New York, USA; de-spec
Materialbeschränkung und
reduzierte Ausstattung fassen den
kleinen Raum angenehm.INI ANI Coffee Shop, New York City, New York, USA;
LTL Architects
FALLSTUDIE: VIER KLEINE PROJEKTE IN NEW YORK
Kleine Räume und begrenzte Budgets – die Planung von
Gewerberäumen ist aufgrund der jüngsten Wirtschaftskrise
dieser doppelten Beschränkung unterworfen. Einige Archi-
tekten und Innenarchitekten begreifen diese Begrenzung
jedoch als Chance. Drei von dem in New York ansässi-
gen Büro LTL Architects geplante Restaurantprojekte in
Manhattan sollen hier als Beispiele dienen, um beengte
räumliche Verhältnisse als Ausgangspunkt für innovative
Entwurfsansätze zu verdeutlichen: der Ini Ani Coffee Shop
hat eine Fläche von 33 m2, das Dash Dogs 20 m2 und das
Restaurant Tides 39 m2.
NACHHALTIGKEIT
81
„Statt diese Beschränkungen durch formale oder logisti-
sche Anstrengungen zu umgehen, führt ihre Zuspitzung
zu einer intensiven Untersuchung der definitiven architek-
tonischen Grenzen.“15 In der Wahrnehmung der Gegeben-
heiten als Chance für „generative Lösungen“ akzeptieren
diese Entwürfe die vorgegebenen Beschränkungen und
verlagern den Schwerpunkt der planerischen Tätigkeit.
Hier bestanden die Grenzen sowohl in einem durch die
Abmessungen der Gebäudehülle eingeschränkten Rau-
mangebot als auch in wirtschaftlichen Notwendigkeiten
hinsichtlich der Schaffung einer größtmöglichen Zahl an
Plätzen, der Erschließung und der Funktionsräume. In allen
hier vorgestellten Fällen wurde ein einfach strukturierter
Grundriss gewählt, um die programmatischen Anforderun-
gen optimal zu erfüllen: im Restaurant Tides eine Tischreihe
mit integrierten Bänken; im Ini Ani Coffee Shop sparsam
angeordnete Sitzplätze zur Differenzierung der verschie-
denen Aktivitäten in der Café-Lounge; im Dash Dogs eine
einzige, gerade Theke in strategischer Position, um den
Kundenverkehr vom Eingang über das Bestellfenster zum
Mitnahmepunkt und schließlich zum Ausgang zu leiten.
Die Untersuchungen zu den Entwürfen konzentrieren sich
stattdessen auf die Innenverkleidung, die Wände und die
Fußboden- und Deckenflächen, die für die Erfüllung der
Raumfunktionen nicht erforderlich sind. Diese Flächen die-
nen gewissermaßen als „Folie“ für Innovationen und werden
als homogene „Innenmembranen“ statt als Oberflächen
aufgefasst, welche auf verschiedene Arten behandelt wer-
den können. Im Ini Ani Coffee Shop wurden zwei getrennte
„Volumina mit behandelten Oberflächen“ konzipiert – eines
bestehend aus in einen Stahlkäfig gepressten Streifen aus
Wellpappe, das andere verputzt mit Kunststoffdeckeln von
Kaffeebechern. In einem einzigen offenen Raum dienen
diese Komponenten zur Definition der unterschiedlichen
Atmosphären des Lounge-Bereiches mit seinen eher auf
sich selbst bezogenen WLAN-Nutzern und der Bedientheke
mit ihrem lebhaften Kundenverkehr und Straßenverkauf.
Im Dash Dogs ist der Kundenbereich nur halb so breit wie
tief. Hier dient eine im Raum angeordnete Membran dazu,
physische und optische Ordnung in einem Ladenlokal mit
hohem Kundenaufkommen zu schaffen. Diese Membran
besteht aus einer Reihe von Stahlbändern, die von der
geneigten Decke zum ebenso geneigten Fußboden durch-
laufen, mit Anklängen an mechanische Personentrans-
portsysteme. Im Restaurant Tides wurde an der Decke des
Raumes eine wellenförmige topografische Landschaft aus
„Seegras“ geschaffen, die aus Bambusstäbchen besteht.
An den gläsernen Eingangstüren angebrachte Lichtleitfo-
lien verzerren die von den Gästen wahrgenommene Pers-
pektive und lenken so zusätzliche Aufmerksamkeit auf die
sinnliche Wahrnehmung sich verschiebender Oberflächen.
Ein vergleichbares Beispiel für die im Einzelhandelsbereich
mögliche Flexibilität der Innenraumgestaltung ist das Xoco-
latti, eine in SoHo in Manhattan (New York) ansässige Scho-
koladenmanufaktur. In einem 14 m2 großen, rechteckigen
Schaufenster bilden Wände aus übereinandergestapelten
grünen Schokoladenschachteln eine innenliegende Mem-
bran. Diese aus teils geschlossenen, teils zur Präsentation
der Süßigkeiten offenen Schachteln bestehenden Wände
erfüllen gleichzeitig mehrere Funktionen: Sie sind Tapete,
Auslage, Lager und kinetisches Kunstobjekt. Durch den
Verkauf der Schokoladenpackungen verändert sich das
Aussehen der Wand und spiegelt so die an einem Tag
verkauften Produkte wider.
Im Rahmen des Bauens im kleinen Maßstab versuchen sich
Architekten und Innenarchitekten an immer komplexeren
und erfindungsreicheren Lösungen für den Entwurf des
kompakten Baukörpers. Klein bemessene Bauten sind zwar
bereits wegen ihrer geringen Größe nachhaltig, diese Art
der Effizienz ist jedoch nicht ihr einziger Vorteil. Im Jahr
2010 lud das Londoner Victoria and Albert Museum sieben
internationale Architekten ein, im Museum kleine Bauten
im Maßstab 1:1 zu entwerfen und zu realisieren. Daraus
entstand die Ausstellung 1:1 – Architects Build Small Spaces,
welche die Gestaltung kleiner Räume feierte. Sie unter-
suchte „kleine Bauten und deren Möglichkeiten, Vorstel-
lungen der Alltagserfahrung und des privaten Raumes zu
definieren und zu unterstützen.“16
MODULARE VERFAHREN
Die Energieeffizienz des m-ch und anderer heute auf dem
Markt verfügbarer kompakter Wohneinheiten beruht zu
einem Großteil auf ihrer modularen Bauweise und Vor-
fertigung. Als Verfahren wirkt die Modularität erfolgreich
Entwurfs- und Bauprozessen mit hohem Abfallaufkommen
entgegen. Moderne kompakte Wohngebäude sind haupt-
sächlich modular aufgebaut. Wie die Nakagin-Kapseln, die
ebenfalls vorgefertigt in ihre Einbaulage gehoben wurden,
werden sie bereits im Werk produziert und dann an ihren
Bestimmungsort transportiert. Der ökologische Ansatz
des kleinen Bauens verbindet sich hier mit den Vorteilen
der Vorfertigung: Reduzierung von Abfallstoffen und Bau-
schutt, auf ein Mindestmaß beschränkte tragende Funda-
mente und eine geringere Menge an grauer Energie – alle
diese Faktoren tragen zu einer günstigeren CO2-Bilanz und
zu einer Verringerung der Umweltbelastungen bei.
NACHHALTIGKEIT DURCH INNOVATION
82
NACHHALTIGKEIT
83
Material und Textur stehen im Vordergrund,
wenn 80.000 Bambusstäbchen auf engstem
Raum platziert werden – poetisch schön.Restaurant TIDES, New York City, New York, USA; LTL Architects
Die modulare Bauweise wird bisher am häufigsten bei
neuen Wohngebäuden eingesetzt. Ihre Vorteile zeigen sich
nun aber auch im Bestand im Fall modularer Modernisie-
rungen. Bei groß angelegten institutionellen Bauvorhaben
mit hohem Wiederholungsgrad führt die Verwendung von
Modulen bei der Gebäudesanierung zu einer ökonomisch
und ökologisch vorteilhaften Situation. So wurden bei
der Modernisierung der Haustechnik in einem Studen-
tenwohnheim die Nasszellen im Werk vorgefertigt und
durch die Fenster des Gebäudes in ihre Einbauposition
gebracht. Dieses Verfahren des Austausches „Alt gegen
Neu“ führte zu einer deutlichen Reduzierung der Abfall-
mengen und der Bauzeit. Auf individueller Ebene kann
durch den Einsatz von Modulen für die Modernisierung – wie
des Modular In-Home Office – ein Raumes innerhalb eines
Raums geschaffen werden. Mit dem Ziel, die Heizkosten in
Heimbüros zu minimieren, bietet das Modul eine innovative
Low-Tech-Lösung zur Realisierung einer Zonenheizung.
Nach dem Gewächshaus-Prinzip besteht die Einheit aus in
Dämmstoff eingeschlagenen Holzrahmen, die als Wände
für einen in den Wohnraum eingefügten Büroraum dienen.
Die Modulkonfiguration nimmt auf kreative Weise die Geo-
metrie eines vorhandenen Fensters auf. Dabei dient das
Fenster als Wärme- und Frischluftquelle, und es wird eine
separate Be- und Entlüftungszone innerhalb des Wohnge-
bäudes geschaffen, wobei ein einziger Bereich gezielt auf
natürliche Weise beheizt wird.
IMPERMANENZ
Seit Beginn der globalen Finanzkrise sind leere Schau-
fenster in Städten in der ganzen Welt zu einem vertrauten
Anblick geworden. Im geschrumpften Immobilienmarkt hat
sich ein Trend zu unbeständigen Unternehmenskonzepten
entwickelt. Temporäre und mobile Läden haben in den
Einzelhandel Einzug gehalten. Sie bieten den Unterneh-
men unterschiedliche Möglichkeiten, den Markt zu testen,
ohne dabei Verpflichtungen zur Zahlung einer Miete in
erheblicher Höhe einzugehen. So können Produkte ohne
nennenswerte Bau- und Einrichtungskosten verkauft wer-
den. Außerdem können sich Unternehmen, die bisher nur
im Online-Bereich aktiv sind, für kurze Zeit eine reale Prä-
senz verschaffen oder sich in 1-a-Lagen einen temporären
Standort sichern. Für Vermieter bietet sich die Chance,
Mieteinnahmen zu generieren und in ansonsten leerste-
henden Immobilien die Werbewirksamkeit zu erhöhen.
Temporäre Bauten sind gut geeignet für den Einzelhandel,
dessen Planung ohnehin von einer kurzen Nutzungsdauer
ausgeht. Der kürzere Nutzungszeitraum der temporären
Einrichtungen trägt aus ökonomischer und materieller Sicht
zu einer Reduzierung der für Errichtung und Instandhaltung
aufgewandten Energie bei.
Solche nur vorübergehend eingerichteten Geschäfte haben
in jüngster Zeit stark an Popularität gewonnen und sind
auch unter der Bezeichnung „Pop-up-Läden“ bekannt
geworden. Dabei ist das Konzept der temporären Läden
nicht neu. In der Vergangenheit wurden Ladenlokale für
den Verkauf saisonaler Produkte lediglich in den entspre-
chenden Monaten betrieben. So waren beispielsweise
Geschäfte für den Verkauf von Weihnachtsartikeln nur
in den vier Wochen vor Weihnachten geöffnet. Dieses
am Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage orien-
tierte Konzept wurde im Zuge der Wirtschaftskrise auf
den allgemeinen Einzelhandelsmarkt zugeschnitten. In den
Vereinigten Staaten verzeichnete man im ersten Halbjahr
2011 im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg der Zahl der
Pop-up-Geschäfte um 14 %.17
Der temporäre Charakter der Pop-up-Läden ist häufig
mit einem begrenzten Budget verbunden. Diese finanzi-
ellen Beschränkungen haben zur Entwicklung kreativer,
neuartiger Nutzungen von verbreiteten Materialien, Fer-
tigungsverfahren und Ausführungen geführt. So dienten
zum Beispiel die zahlreichen Dokumenten-Archivboxen
als Muster, Textur und Farbgebung für ein Pop-up-Ge-
schäft für Herrenmoden. Für eine drei Tage dauernde
Werbe-Aktion einer Bekleidungskollektion bildeten 154
Paar Strümpfe, die von der Decke bis zum Boden und in
den Regalen übereinander arrangiert waren, eine Art Höh-
lenlandschaft aus textilen Stalaktiten und Stalagmiten. Die
in London eingerichtete temporäre Buchhandlung Fold-
away Bookshop nutzt die Trageigenschaften von Karton
optimal: Durch Aufeinanderstapeln und Ineinanderfalten
entstanden Wände, Regale und Mobiliar. Nach der Nutzung
wurden die verwendeten Materialien des Buchladens alle
wiederverwertet.
Die Begeisterung für Pop-up-Läden hat dazu geführt, dass
dieser Trend mittlerweile auch im hochpreisigen Einzelhan-
del angekommen ist. In jüngst eingerichteten Pop-up-Ge-
schäften werden Produkte von Designern wie Kate Spade
und Prada präsentiert. Diese Pop-up-Designerläden stehen
jedoch unter keinem Umsatzdruck, vielmehr wird der tem-
poräre Charakter als Merkmal ihrer Exklusivität genutzt
und als neue Form des Marketing eingesetzt. So wurde
das Pop-up-Geschäft von Prada in Paris mit erheblichem
finanziellem Aufwand der Brücke Pont Mirabeau nach-
empfunden. Diese Entwicklung birgt neue Aufgaben für
Architekten und Innenarchitekten, da auf diese Weise
Produkte vom Kaffee bis zur Krawatte beworben werden
sollen. Projekte dieser Art sind in der Regel von kleiner
Dimension, mit großzügigem Budget ausgestattet und zu
Experimentierfeldern von Entwurfsstrategien geworden,
welche die Grenzen der Flexibilität erweitern.
NACHHALTIGKEIT DURCH INNOVATION
84
Mit billigstem
und äußerst
reduziertem
Materialeinsatz
ist diese
Boutique zur
Raumskulptur
mutiert.Temporärer Concept-
Store für die Kollektion
von Arnsdorf Opticks,
Melbourne, Australien;
Edwards Moore
Out of the box:
Modulare Bauweise,
effizient und
praktisch.RIBA Foldaway Bookshop,
London, England; Campaign,
Claire Curtice Publicists
NACHHALTIGKEIT
85
Schiffscontainer, auf Knopfdruck
motorisiert und mit komplett
recyclingfähiger Ausstattung als
Pop-Up-Cafébar.Push Button House – Illy Caffè, Biennale Venedig,
2007, Italien; Adam Kalkin
FALLSTUDIE: ILLY CAFFÈ
Die jüngste Entwicklung des Filialisten Illy ist ein gutes
Beispiel für diese neuen Pop-up-Läden. Zur Bewerbung
von Illy Caffè, einer italienischen Gourmet-Espressomarke,
wurde in Europa und in den Vereinigten Staaten eine
Reihe temporärer Geschäfte eingerichtet. Im Rahmen einer
Partnerschaft mit der Stiftung der Biennale di Venezia ist
Illy jährlich mit einer besonderen Werbe-Aktion auf der
Biennale vertreten. Hierfür richtet das Unternehmen ein
temporäres Café mit entsprechender Markenpräsentation
ein. Auf der im Jahr 2007 veranstalteten 52. Biennale
hatte diese Installation die Form eines voll ausgestatteten
Schiffscontainers mit Küche, Esszimmer, Bad, Schlafzim-
mer, Wohnzimmer und Bibliothek, der sich auf Knopfdruck
öffnete. Das vollständig aus recyclingfähigen Materialien
hergestellte Café vermittelt eine Entwurfshaltung, die auf
Anpassungsfähigkeit von Raum und Material setzt.
NACHHALTIGKEIT DURCH INNOVATION
216
Space illumination:
Die Installation vereint
Lichtprojektion und
Grafik, Licht und Sound
zu einem ästhetischen
Ganzen.Installation BBASS, Gent, Belgien;
SAQ Architects
217
Licht, Raumluft und Akustik als Gestaltungsmittel? Oft
genug als bloße funktionale Notwendigkeit wahrgenom-
men, bietet die Integration des technischen Ausbaus, des-
sen ästhetische Ausdrucksmöglichkeiten sich nicht auf den
ersten Blick erschließen, faszinierende Gestaltungsmög-
lichkeiten. Licht, Raumluft und Akustik unterstützen durch
ihre Gestaltung die Führung, Zonierung und Schichtung
eines Raumes und können Atmosphäre und Aussage eines
Raumes maßgeblich mit prägen.
Die Bandbreite der Gestaltungsmöglichkeiten dieser drei
„Baustoffe“ ist vielfältig. Hierbei ist es wichtig, alle raum-
bildenden Oberflächen wie Möbel, Wand, Boden und Decke
als Gestaltungspotenzial zu nutzen. Besonders die Decke
ist ein oft unterschätzter Gestaltungsraum. Vielfach nur
funktional genutzt, muss ihre Gestaltung als Chance gese-
hen werden, die Identität des Raumes zu beeinflussen.
Als oftmals einzige Fläche, die niemals verdeckt werden
kann, hat sie eine große Bedeutung für die ästhetische
Wirkung des Raumes. Eine innovativ gestaltete Decke kann
Geschichten erzählen, Sehnsüchte, Träume und Wünsche
erwecken oder besänftigen. Sie aktiviert kulturelle oder
persönliche Erinnerungen und schafft so eine Grundlage
für die Aneignung des Raumes durch den Nutzer.
LICHT – EIN SINNLICHER BAUSTOFF
Jenseits seines funktionalen Einsatzes ist Licht eines der
sinnlichsten Gestaltungsmittel des technischen Ausbaus.
In all seinen Dimensionen ist es nicht nur ästhetisches Mit-
tel, sondern ein lebendiger Baustoff, der Räumen Struktur,
Inhalt und Identität – eine unverwechselbare Atmosphäre –
verleihen kann.
Visuelle Erscheinung, Erfahrbarkeit und Formgebung
von Räumen können durch künstliches und natürliches
Licht inszeniert werden. Eine gute Lichtdramaturgie setzt
sich intensiv mit dem räumlichen Kontext auseinander.
Sie schafft Hintergründe, begleitet Sichtachsen, verdeut-
licht Zusammenhänge, stellt Elemente heraus und unter-
stützt die Wahrnehmungshierarchie des Raumes. Licht
macht Räume erst wahrnehmbar. Um das große Potenzial
des Lichts auszuschöpfen, ist es wichtig, die Wirkungen der
unterschiedlichen Qualitäten des Lichts zu kennen. → 220
ÄSTHETISCHE QUALITÄTEN VON LICHT, RAUMLUFT
UND AKUSTIK PETER IPPOLITO
218
Into the dark:
Im Rahmen des
Trailerpark-Festivals
wurde die Nacht mit
einem hinsichtlich Licht
und Sound interaktiven
Spot-Sternenhimmel
inszeniert.Black Box Revelation, Kopenhagen,
Dänemark; Re-Make/Re-Model
Architecture
LICHT
219
Miaooo: Lichtstimmung in
einer Tierarztpraxis abseits
vom Üblichen.Tierärztliche Klinik für Kleintiere,
Lübeck, Deutschland;
Monz + Monz | Innenarchitektur
und Design
Lines: Lichtbänder definieren
subtil die Raumkonturen.New Office Design für das ICADE Premier Haus,
München, Deutschland; landau + kindelbacher
LICHT
220
QUALITÄTEN DES LICHTS: VON RICHARD KELLY BIS HEUTE
Richard Kelly, einer der Pioniere der modernen Lichtge-
staltung und architektonischen Ausleuchtung, der mit
Architekten wie Louis Kahn am Kimbell Art Museum und
Ludwig Mies van der Rohe am Seagram Building zusam-
menarbeitete, setzte unterschiedliche Qualitäten des Lichts
gezielt ein, um Raumelementen die gewünschte Bedeutung
zu geben. Mit seinen zukunftsweisenden Lichtkompositi-
onen prägte er mehrere Generationen von Lichtdesignern
und Architekten. Kellys Erkenntnisse über Architekturbe-
leuchtung, heute ein halbes Jahrhundert alt, sind nach wie
vor gültig. Sein Lichtkonzept visualisiert Emotionen, teilt
diesen Emotionen aber eine Funktion zu. So unterstützt
Licht im Raum beispielsweise nicht nur das Wohlbefinden
des Menschen, sondern ermöglicht auch Orientierung.
Ausgangspunkt von Kellys Lichtkonzeptionen war die
Wahrnehmung des Betrachters. Er verband psychologische
Erkenntnisse mit Erfahrungen aus der Bühnenbeleuchtung.
Der theatrale Stil seiner Lichtinszenierung verlieh dem
Raum neben der ästhetischen auch eine inhaltliche Tiefe
und Bedeutung.
Richard Kelly teilte das Licht in die drei Grundtypen „ambi-
ent luminescence“, „focal glow“ und „play of brilliants“
ein. Der Einsatz dieser drei Grundtypen ist stilprägend
und ermöglicht ein komplexes Raumerlebnis. Gezielte
Lichtakzente visualisieren die jeweilige Besonderheit eines
Raumes und generieren und kommunizieren räumliche und
inhaltliche Informationen.
Die „ambient luminescence“ bildet die Grundlage dieses
Lichtkonzepts. Diffuses Licht ermöglicht dem Betrachter
Orientierung, indem es den Raum mit all seinen Elementen
und Objekten einheitlich und gleichmäßig ausleuchtet und
diesen vollkommen ohne Schatten illuminiert. Bedeutun-
gen, Größenverhältnisse und Formgebung verlieren ihre
Wichtigkeit. Im Fokus dieses Lichts steht der pure Raum,
in seiner geometrischen Dimension. Die „ambient lumi-
nescence“ erweckt ein räumliches Gefühl der Sicherheit.
Im nächsten Schritt erhält der Raum durch den „focal glow“
eine tiefere thematische Akzentuierung und ermöglicht dem
Betrachter eine differenzierte Orientierung, indem wichtige
von unwichtigen Informationen separiert werden. Dieser
Glanz lädt konzeptionell aussagekräftige Raumelemente
durch unterschiedliche Beleuchtungshelligkeitsgrade mit
Bedeutung auf. Dadurch kann die Aufmerksamkeit aktiv
gelenkt und ein Fokus gesetzt werden. Wie ein Spotlight im
Theater kann der „focal glow“ unsere Raumwahrnehmung
ordnen und akzentuieren. Es besteht auch die Möglichkeit,
durch mehrere „focal glows“ innerhalb eines Raumes eine
Bedeutungskette entstehen zu lassen. Der „focal glow“
erleichtert unsere Wahrnehmung.
Das „play of brilliants“ setzt emotional inspirierende
Akzente auf besondere Details des Raumes. Das magische
Licht fängt die Wahrnehmung des Betrachters ein und
setzt brillante Highlights, die die individuelle Besonderheit
eines Raumes visuell erfahrbar machen. Diese Glanzpunkte
kreieren ein lebendiges, thematisch klar strukturiertes
Ambiente – visuell reizvoll, informativ und interessant,
darüber hinaus aber auch funktional logisch aufgebaut.
Es ist der Glanz, der unsere Augen leuchten lässt, indem
es unsere Sinne berührt.
Die drei Funktionen des Lichts lassen sich individuell mit-
einander kombinieren und ermöglichen so einzigartige
Lichtkonzeptionen und Raumwirkungen. Der Lichtdesigner
kann mit dieser Palette der Möglichkeiten jede gewünschte
Facette eines Raumes, eines gewünschten Raumerlebens
und damit der gesamten Innenarchitektur visuell unter-
stützen.
Heute erweitert der Einsatz von LEDs (lichtemittierende
Dioden) durch ihre charakteristischen Merkmale – Wirt-
schaftlichkeit und Minimalisierung in der technischen Aus-
führung – die Gestaltungsmöglichkeiten um ein Vielfaches.
Längst hat sich die LED-Technologie seit ihrem Beginn
in den 1990er Jahren über kritische Vorbehalte hinweg-
gesetzt. Zuerst nur in sehr speziellen Gebieten genutzt,
werden LEDs nun in fast allen Bereichen der Architektur-
beleuchtung und für künstlerische Installationen eingesetzt
und haben seit Kurzem den Weg in den Massenmarkt gefun-
den. LEDs zeichnen sich durch eine lange Lebensdauer
und Energieeffizienz aus. Aufgrund ihrer extrem kleinen
Bauform ermöglichen sie einen hochvariablen Einsatz
und erzeugen im Gegensatz zu allen anderen Leuchtmit-
teln keine UV- und IR-Strahlung. Daher ist das Problem
des Farbverlustes bei beleuchteten Kunstwerken oder
auch bei bestimmten Waren durch den Einsatz von licht-
emittierenden Dioden vollkommen eliminiert. LEDs sind
energieeffizient, bei beachtlichen Helligkeiten mit wenig
Energieverlust und Wärmeerzeugung.
Besonders die gestalterischen Vorteile der LEDs, die mit
keinem anderen Leuchtmittel erzielt werden können, spie-
len in architektonischen Lichtkompositionen eine große
Rolle. Mit lichtemittierenden Dioden können große Flä-
chen kostengünstig mit interessanten visuellen Effekten
inszeniert und zum Leben erweckt werden. Der geringe
Platzbedarf – LEDs sind nahezu auf allen erdenklichen
Oberflächen, Untergründen und geometrischen Formen
anwendbar – lässt neue Freiheiten im Umgang mit archi-
tektonischem Licht entstehen.
Videoinstallationen oder Bildschirme können mit Hilfe von
LEDs nicht nur Räume illuminieren und Lichteffekte kreie-
ren, sondern auch komplexe dreidimensionale Rauminsze-
nierungen schaffen. LEDs ermöglichen ein pulsierendes,
dynamisches räumliches Spiel mit Farbe und Lichtintensi-
tät. Mit Sensoren versehen, visualisieren sie beispielsweise
LICHT
221
Dreamland: Das gekonnt
ausgeleuchtete Schlafzimmer
schafft Atmosphäre.Superjacht Numptia; Achille Salvagni Architetti
Drama: Pointierter Lichteinsatz
schafft Theateratmosphäre für
ein anspruchsvolles Bühnenstück,
hier ein Restaurant-Interior.Restaurant Viet Hoa Mess, London, England; Vonsung
dramatische Interaktionen mit den Bewegungen passie-
render Menschen und generieren einen unmittelbaren
Kontakt zwischen Mensch und Raum. So können Flächen
lebendig gemacht und dynamisiert werden und zur drei-
dimensionalen Kommunikation von Inhalten dienen. Der
Einsatz der LED-Technologie erzeugt auf diese Weise neue
interessante Möglichkeiten der räumlichen Wahrnehmung
und Darstellung.
Intelligente Systeme sind in der Lage, einzelne LEDs
zu kontrollieren, um die erwünschte Raumatmosphäre,
Raumfarbe und Farbwärme dynamisch zu steuern. So
kann tatsächlich jeder erdenkliche Inhalt, jede abstrakte
grafische Information visuell dargestellt werden. LEDs,
die grafische Informationen, aber auch Videoinhalte und
Filme darstellen, dienen gleichermaßen der räumlichen
Gestaltung wie auch der Informationsvermittlung und
der Orientierung im Raum. → 226
LICHT
244
AKUSTIK – EIN ÄSTHETISCHES GESTALTUNGSMITTEL
Die Akustik ist ein auditives Gestaltungsmittel des techni-
schen Ausbaus, dessen ästhetische Qualitäten sich nicht
vordergründig erschließen. Das scheinbare Paradox, dass
die Akustik nicht nur die auditiven, sondern auch die visuel-
len Sinne anspricht, wird in der zeitgenössischen Gestaltung
von Räumen dekonstruiert. Die Gestaltung des Raumklangs
passt sich den Anforderungen der architektonischen Aus-
sage an und stützt so die thematischen und funktionalen
Inhalte und Formen des Raumes.
Akustik ist ein interdisziplinäres Fach, da es physikalische
und psychologische Prinzipien vereint und Erfahrungen
aus der Materialienkunde aufnimmt. Wichtige Elemente
der Akustik für die Innenarchitektur sind die Entstehung
und die Ausbreitung des Schalls, die Korrelation zwischen
architektonischen Materialien und Schall und die Auswir-
kungen des Schalls auf Räume und auf Menschen.
Der Schall, der durch die Schwingung der Luftteilchen
entsteht und vom Menschen wahrgenommen werden kann,
wird als Luftschall bezeichnet. Menschen, Maschinen und
technische Installationen erzeugen Schallwellen, die sich
als Luftschall über die Luft ausbreiten. Hierbei wird zwi-
schen Nutz- und Störschall unterschieden. Nutzschall
beschreibt Stimmen eines Gesprächs oder wohlklingende
Musik. Verkehrslärm und Maschinenlärm dagegen werden
als Störschall bezeichnet. Architektonische und akustische
Konzepte arbeiten daran, den Störschall zu minimieren
und den Nutzschall zu unterstützen, so dass dieser seinen
Wohlklang optimal entfalten kann.
Schwingungen, die von körperlichen Bewegungen von
Materialien, Körpern und Bauteilen ausgehen, nennt man
Körperschall. Körperschall wird vom Menschen nur sehr
eingeschränkt wahrgenommen. Meist sind es tieffrequente
Schwingungen, beispielsweise ein vorbeifahrender Zug, die
vom Menschen direkt als Sinneseindruck aufgenommen
werden können. Hörbar ist dann nur der sich ausbreitende
Luftschall der Körper. Allerdings können Körperschallan-
regungen, wie zum Beispiel das Gehen auf einem nicht
entkoppelten Boden, Materialien in Schwingungen ver-
setzen. Besitzen diese Materialien eine ausreichend große
Oberfläche, können sie durch ihre Körperschallimpulse
die Luft zum Schwingen anregen. Diese Schwingungen
sind dann vom menschlichen Gehör direkt wahrnehmbar.
Auf diese Weise werden etwa die Gehgeräusche auf einer
Geschossdecke an deren Unterseite akustisch wahrnehm-
bar. Wichtig für Innenarchitekt und Akustikplaner ist, dass
sowohl die Anregung eines Bauteils mit Schallereignissen
als auch dessen Schallabstrahlung durch dessen bauliche
Gestaltung gleichermaßen positiv wie negativ beeinflusst
werden können. Je nach gewünschtem Effekt werden
Schallereignisse durch das Akustikkonzept und das archi-
tektonische Konzept unterstützt, minimiert oder weitest-
gehend eliminiert.
Der Akustik ist eine poetische Komponente inhärent, die
jeder Mensch intuitiv erleben und spüren kann. Alle Ober-
flächen des Raumes reflektieren, absorbieren oder streuen
Schall. Daher besitzt jeder Raum eine individuelle Klang-
qualität, die im Hörer eine subjektive Empfindung auslöst.
Spannend ist es, wenn ein Raum durch einen außerge-
wöhnlichen Klang das Bewusstsein des Menschen auf das
eigene Gehör lenkt. Sehbehinderte Menschen werden sehr
stark durch die räumliche Klangwirkung beeinflusst und
müssen die auditiven Eindrücke mit den Gegebenheiten
des Raumes und seinen Funktionen in einen realistischen
Zusammenhang bringen. Bei der Entwicklung eines akus-
tischen Konzepts sollte bedacht werden, dass der rauma-
kustische Eindruck von den subjektiven Empfindungen des
individuellen Menschen geformt wird.
Technische Entwicklungen eröffnen vielfältige Möglichkei-
ten, akustische Boden-, Decken- und Wandelemente einzu-
setzen, die die Akustik eines Raumes verbessern und dabei
zugleich den Raum auch in visueller Hinsicht bereichern.
Die Symbiose von Akustik und Ästhetik kreiert ein visuel-
les und auditives Raumambiente. Das Zusammenwirken
der Gestaltungsmittel Licht, Raumluft und Akustik erfüllt
den Raum mit einer unverwechselbaren und einzigartigen
Atmosphäre. Die räumliche Funktionalität spiegelt sich
dabei immer im ästhetischen Konzept wider. Es werden
atmosphärische Räume gestaltet, deren Ausdruckskraft
von der Balance zwischen Form und Funktion, Ruhe und
Energie und Dynamik und Ausstrahlung lebt.
FACETTEN DER AKUSTIK
Der Klang der Musik und des gesprochenen Wortes bewegte
die Menschen schon früh, sich mit Akustik auseinanderzu-
setzen, um die Klangqualität spezieller Räume zu verbes-
sern. Bereits im 3. Jahrtausend v. Chr. wurden in China in der
Musik Tonsysteme etabliert, die heute als erste Bearbeitung
akustischer Themen gelten. In der Antike beschäftigte
sich der römische Architekt Vitruv mit der Ausbreitung
des Schalls in Amphitheatern. Er ließ unter jedem Sitz
Tongefäße anbringen, die den Schall tieffrequenter Töne
absorbierten und so die Deutlichkeit der Sprechstimmen
verbesserten. In der Renaissance wurden die Raumwirkung
und die Raumanforderungen differenzierter untersucht,
um die Verbesserung des musikalischen Klangs innerhalb
eines Raumes zu erzielen. Schließlich wurden die vielsei-
tigen akustischen Erkenntnisse ab dem 20. Jahrhundert
verstärkt angewandt, um die Raumakustik zu verbessern
und ein auditives Wohlempfinden zu ermöglichen.
Die Nachhallzeit und die Halligkeit beschreiben die wich-
tigsten akustischen Kennzeichen eines Raumes. Die Zeit-
dauer, die ein Schall benötigt, um in einem Raum zu verklin-
gen, wird als Nachhallzeit bezeichnet. Diese physikalische
Einheit hat Auswirkungen auf den Raumklang und dessen
Qualität. Die Nachhallzeit wird durch das Raumvolumen
und durch den Absorptionsgrad der räumlichen Flächen
beeinflusst. Ein wohlklingendes Akustikkonzept muss die
AKUSTIK
245
Musik in der Luft – die
perfekte Akustik sorgt für
vollendeten Genuss und
der kraftvolle dynamische
Schwung scheint
manifestierte Melodie zu sein.J.S. Bach Music Hall, Manchester, England;
Zaha Hadid Architects
AKUSTIK
246
Akustik in einem Bürogebäude ist für die
Arbeitsräume genauso Thema wie für
Konferenz- und Empfangsbereiche.New Office Design für das ICADE Premier Haus, München,
Deutschland; landau + kindelbacher
Nachhallzeit an den Raum, seine Größe, seine geometrische
Form und an seine intendierte Funktion anpassen. Ist die
Nachhallzeit beim gesprochenen Wort zu lang, verklingen
einzelne Silben zu lange und überlagern sich. Die Verständ-
lichkeit wird dadurch eingeschränkt, der Zuhörer kann der
Sprache nicht mehr ohne Anstrengung folgen. Bei Musik
bewirkt eine zu lange Nachhallzeit, dass die einzelnen
Klänge so sehr verschmelzen, dass die Musik ihre Brillanz
verliert. Ist die Nachhallzeit zu kurz, trägt der Raum nicht.
Vor allem bei großen Räumen werden dann die hinteren
Bereiche auditiv nicht mehr erreicht, da die Lautstärke zu
gering ist.
Die Halligkeit bezeichnet die Akustik eines Raumes. Sie wird
von der Reflexions- und Absorptionseigenschaft der raum-
abgrenzenden Flächen und Raumelemente beeinflusst
und durch die Dauer der Nachhallzeit charakterisiert. Die
Zeit, die ein akustisches Signal nach dessen Absenden zum
Abklingen benötigt, bestimmt den subjektiven, raumakus-
tischen Eindruck des Hörenden in seiner räumlich-zeit-
lich-akustischen Ausdehnung.
AKUSTIK IST WOHLEMPFINDEN
Eine gute Raumakustik erzeugt ein räumliches Wohlemp-
finden. Sie gibt dem Menschen innerhalb eines Raumes eine
Orientierung, die ihm eine Fokussierung auf das Wesent-
liche ermöglicht.
Die Tatsache, dass die akustische Raumgestaltung nicht nur
unsichtbare Mittel einsetzt, sondern auch ästhetische und
haptische Materialien und Raumelemente verwendet, zeigt
das schöpferische Potenzial dieses Gestaltungsmittels.
Das Faszinierende ist, dass dieser technische Baustoff, der
physikalischen Normen unterliegt, eine sinnliche Kompo-
nente in sich trägt. Betritt ein Mensch einen Raum, nimmt
er diesen mit all seinen Sinnen intuitiv wahr. Stimmt der
akustische Eindruck nicht mit dem funktionalen Raumein-
druck überein, wird dies als störender Faktor empfunden.
Ein Privatraum, der aufgrund seiner Akustik keinen Raum
für eine intime Unterhaltung ermöglicht, wird nicht als
wohnlich erlebt.
Der akustische Klang und dessen Gestaltung unterstrei-
chen auditiv und visuell die Identität eines Raumes. Dieses
identitätsstiftende Element kann jede erdenkliche Räum-
lichkeit widerspiegeln. Eine wohlklingende Raumakustik
„umarmt“ den Menschen und schmeichelt seinen Sinnen.
Akustik vermag geistige, seelische und emotionale Aktio-
nen und Empfindungen in Gang zu setzen. Sie ermöglicht,
erzeugt und strukturiert Wahrnehmungsprozesse, die die
intellektuelle Rezeption von Informationen und emotionale
Eindrücke einschließen.
AKUSTIK
247
Die Geborgenheit
dieser „Höhle“ wird
durch die gefaltete
perforierte Oberfläche
akustisch unterstützt.Wellington Airport International
Passenger Terminal (“The Rock”),
Wellington, Neuseeland;
Studio Pacific Architecture in
Zusammenarbeit mit Warren and
Mahoney
AKUSTIK
248
AKUSTIK IST KOMMUNIKATION
Die Akustik ist ein kommunikatives Medium. Ihre mediale
Komponente zeigt sich in der Fähigkeit, ein Kommunikati-
onskanal zu sein und Inhalte zu kommunizieren und selbst
zu bilden. Dies unterstreicht das Potenzial, auf zeitge-
nössische Einflüsse und Bedürfnisse eingehen zu können.
Eine Akustik, die die Funktion des Raumes unterstützt,
ermöglicht eine interaktive, menschliche Kommunikation
und eine Kommunikation zwischen Mensch und Raum.
Eine wohlklingende Akustik erleichtert die intellektuelle
Vermittlung von Informationen. Wenn der Hörende ohne
Anstrengung informative auditive Signale empfangen kann
und irritierende akustische Signale gar nicht erst entstehen,
entspricht die Akustik der Funktion des Raumes.
Flexible Akustikkonzepte ermöglichen innerhalb eines
Raumes variierende, individuelle Nutzungen mit unter-
schiedlichen Ansprüchen an den Raumklang. Innerhalb
eines Raumes können mehrere individuelle Klangqualitäten
durch eine akustische Strukturierung integriert werden.
Akustische Zonen lassen sich so nach inhaltlichen und
funktionalen Aspekten differenzieren und unterschied-
lichen Nutzungsanforderungen anpassen. Eine auditive
Raumatmosphäre, die emotionales Wohlempfinden, intel-
lektuelle Kommunikation, kreatives Arbeiten, aber auch
kontemplative Ruhe ermöglicht, bereichert das Leben um
visuelle, haptische und auditive Inspirationen und verleiht
dem Raum eine emotional erfahrbare Dimension und Tiefe.
Akustikkonzepte müssen auf individuelle Unterschiede der
Menschen eingehen. Wenn beispielsweise innerhalb eines
Raumes ruhige, introvertierte Personen mit lauten, extro-
vertierten Personen arbeiten und kommunizieren sollen,
müssen sich beide Personengruppen in diesem Ambiente
wohlfühlen. Der Akustikplaner sollte dann innerhalb des
Raumes akustische Zonen schaffen, so dass jedem Men-
schen ermöglicht wird, seiner Persönlichkeit entsprechend
zu interagieren und sich wohlzufühlen.
Betrachtet man die Akustik unter kulturell inspirierten
Aspekten, eröffnen sich unterschiedliche auditive Vorlie-
ben und Muster, die wiederum unterstreichen, mit welcher
Sensibilität ein Akustikkonzept entwickelt werden sollte
und wie bedeutend der räumliche, kulturelle, soziale, poli-
tische und gesellschaftliche Kontext ist.
Die Analyse unterschiedlicher Kulturen und Nationen zeigt,
dass es, ohne komplexitätsreduzierende Klischees bedie-
nen zu wollen, teilweise tatsächlich gravierende Unter-
schiede in Temperament und dadurch auch im Empfinden
für Lautstärken in räumlichen Umgebungen gibt. In vielen
Regionen der Welt wird eine hohe Lautstärke als normal,
als Zeichen von Lebensfreude und Dynamik wahrgenom-
men, während dies wiederum in anderen Regionen als
störende Lärmbelästigung empfunden wird. In südlichen
Ländern wird beispielsweise eine lebendige Lautstärke als
raumbildendes, raumcharakterisierendes Element in die
Akustikplanung mit einbezogen oder einfach nicht durch
entsprechende Maßnahmen „bekämpft“. In nördlichen Län-
dern dagegen wird sehr großes Augenmerk darauf gelegt,
dass sich die Akustik der Funktion des Raumes anpasst
und eine meist ruhigere auditive Atmosphäre geschaffen
wird, die keine störende Geräuschkulisse entstehen lässt.
Auch die unterschiedlichen Vorlieben der Menschen in
ländlichen und urbanen Gebieten sollten bei der Planung
einer gelungenen Akustik bedacht werden. Innerhalb der
lauten Geräuschkulisse einer großen Stadt müssen Räume
akustisch anders behandelt werden, als Räume in ruhigen,
ländlichen Gebieten. Sollte in urbanen Räumen der trei-
bende Rhythmus einer pulsierenden Stadt aufgenommen
werden oder sollten eher Inseln der Ruhe und Kontem-
plation erschaffen werden? Erfordern ländliche Regionen
eher dramatische Gegensätze zur Ruhe oder soll sich
genau diese Ruhe auditiv in den Räumen widerspiegeln?
Eine genaue Analyse der erwünschten Zielgruppe und der
funktionalen Ausrichtung von Räumen ist für die Beant-
wortung dieser Fragen elementar wichtig. Regionale und
kulturelle Eigenheiten spielen dabei neben individuellen
Wünschen eine große Rolle.
Der „Baustoff“ Akustik formt Räume und ermöglicht dem
Menschen durch die auditive Zonierung eine bessere Ori-
entierung im Raum. Gerade Arbeitsbereiche mit offenen
Raumstrukturen erfordern Lösungen, die die unterschied-
lichen Bereiche mit dem jeweils passenden Raumklang
versehen, denn nur eine angemessene Akustik fördert
Konzentration und Arbeitsqualität. Die akustikgerechte
Gestaltung des Mobiliars ist wichtig, da so beispielsweise
inmitten eines kommunikativen Raumes durch den Ein-
satz schallabsorbierender Materialien Ruheinseln errich-
tet werden können, die innerhalb eines großen Raumes
Privatsphäre und Bereiche der Kontemplation und Ruhe
ermöglichen. Der Raumklang definiert also unterschiedli-
che Nutzungsbereiche auditiv.
Die offene Raumstruktur moderner Arbeitswelten erfordert
dementsprechend flexibel veränderbare Akustikkonzepte.
Schalldämmkabinen oder akustisch abgeteilte Telefonzel-
len und spezielle Möbel bieten differenzierte Nutzungen.
Ein offener Arbeitsbereich mit kurzen Wegen der Kommu-
nikation und Teamarbeit führt zu einer Geräuschkulisse,
die den Arbeitsprozess oft verlangsamt, anstatt diesen zu
beflügeln. Daher müssen einzelne Raumelemente visuell
und haptisch so gestaltet werden, dass flexible akustische
Räume innerhalb des Arbeitsbereiches entstehen, die Kon-
zentration, Kommunikation, Entspannung, Arbeitsqualität
und Kreativität ermöglichen. In solchen Räumen sollte die
Nachhallzeit kurz sein und schallreflektierende Raum-
elemente sollten mit schallabsorbierenden Materialien
verkleidet werden.
AKUSTIK
249
Sprayjob: Rasterdecken-Standard sorgt
für die nötige Akustik – das Mobiliar
billiges Vintage, standard-bürograu
gesprüht, für außergewöhnliches
Office-Design.Office 03, Amsterdam, Niederlande; i29 interior architects Der Konferenzraum verfügt über
die angemessene Akustik.Norton Rose, Frankfurt am Main, Deutschland;
100% interior Sylvia Leydecker
Kopfhörer oder
Baffeldecke – beides
hilft der Hörsamkeit.Google Engineering Headquarters,
London, England; Penson
AKUSTIK
250
Akustisch wirksame Paravents.Flex, Sado, Japan; Ply Project – Kenichi Sato, Material –
Takizawa Veneer Co., Herstellung – Takumi Kohgei Co.
AKUSTIK-DESIGN UND INNENARCHITEKTUR
Jede Raumfunktion erfordert ein spezielles Akustikkon-
zept. Ist Sprache oder Musik im Fokus? Soll der Raum
beruhigend wirken? Soll er ein kreatives Arbeitsklima för-
dern oder eher eine konzentrierte ruhige Raumatmosphäre
schaffen? Wird der Raum öffentlich oder privat genutzt?
Erfüllt er nur eine Funktion oder muss er multifunktional
einsetzbar sein? Dies sind einige der Fragen, die bei der
Entwicklung eines Raum- und Akustikkonzepts bedacht
werden sollten.
Einem wohlklingenden Akustikkonzept stehen mannig-
faltige Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung. Je nach
Bearbeitung und Einsatz der akustischen Materialien und
Raumelemente ist die Klangwirkung unterschwellig oder
bewusst wahrnehmbar. Materialien, die die Akustik beein-
flussen, bieten, aus der Restriktion der seriellen Anferti-
gung gelöst, ein großes ästhetisches Gestaltungspotenzial.
Perforierte Oberflächen bieten als wichtiges akustisches
Werkzeug vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, wenn
hinter ihnen Absorptionsflächen untergebracht werden.
Die Gestaltungsmöglichkeiten perforierter Oberflächen
sind enorm. Bereits mit minimalem Aufwand kann eine
unscheinbare Gipskartondecke in ein individuelles Rau-
melement verwandelt werden. Die Perforationen kreieren
hierbei ein Muster, das die Identität eines Raumes maß-
geblich mitbestimmt.
Ebenso spielt die Formgebung einzelner Raumelemente für
die akustische Raumwirkung eine große Rolle. Ebene Flä-
chen etwa streuen den Schall anders als gewellte Flächen.
Harte Oberflächen reflektieren den Schall, während weiche
Oberflächen den Schall absorbieren. Interessant bei der
akustischen Bearbeitung eines Raumes ist das spannungs-
volle Zusammenspiel unterschiedlicher Texturen mit unter-
schiedlichen Klangqualitäten. Der Kontrast verschiedener
haptischer Materialien bietet zahlreiche Möglichkeiten des
Oberflächendesigns. Weich und hart, laut und leise, grob
und fein, Stoffe, Leder, Teppich, Marmor, Holz, Metall:
Solche unterschiedlichen Texturen und Texturqualitäten
beeinflussen in zahlreichen Kombinationsmöglichkeiten
den Raumklang und seine ästhetische Ausformung.
Die Entwicklung eines passenden Akustikkonzepts erfor-
dert einen interdisziplinären Planungsprozess: Architekten,
Akustiker, Elektroplaner, Innenarchitekten, Medienplaner
und Nutzungsplaner sollten in einem frühen Stadium des
Entwurfs ihre Kompetenzen vereinen. Die interdiszipli-
näre Planung verdeutlicht die Komplexität des Baustof-
fes Akustik: Mannigfache Möglichkeiten, mannigfache
Anforderungen. Perforierte Oberflächen, Bespannungen,
Vorhänge, Oberflächenmaximierung, Akustikputz, Raster-
decken, Deckensegel und Baffeldecken sind nur wenige
der zahlreichen Möglichkeiten, die Akustik eines Raumes
zu gestalten und zu lenken.
Ein weiterer ästhetischer Aspekt in der Entwicklung eines
Akustikkonzepts ist die Frage, ob klangliche Elemente
sichtbar oder unsichtbar im Design des Raumes integ-
riert werden. So hat die Formgebung von Wand, Boden
und Decke einen entscheidenden, aber unter Umständen
unmerklichen Einfluss auf die akustische Raumwirkung.
Sichtbar in den räumlichen Ausbau integrierte, akustisch
wirksame Oberflächen können dagegen einen Fokus set-
zen. Das Gleiche gilt für schallabsorbierende, schalldäm-
mende oder schallzerstreuende Materialien: Unsichtbar
im Design eingegliedert, wirken sie auf subtile Weise und
ordnen sich der Gestaltung und der Nutzungsfunktion des
Raumes unter. Sichtbar, in engem Zusammenspiel mit den
architektonischen Elementen, kreieren sie selbst den visu-
ellen Charakter eines Raumes. Die akustische Gestaltung
wirkt dann stil- und raumbildend.
Die akustische Gestaltung des Bodens beispielsweise
ist für eine angenehme Raumatmosphäre von großer
Bedeutung, da der Boden im Gegensatz zur Decke vom
Menschen haptisch erlebt wird. Beim Gehen über einen
harten Bodenbelag produziert der Mensch Töne, die die
Raumakustik beeinflussen. Um diese Töne zu eliminieren,
werden Böden mit absorbierenden Materialien versehen,
die den Schall dämmen. Weiche Teppichbeläge haben eine
schallabsorbierende Wirkung, schmeicheln dem Auge und
vermitteln durch eine angenehme Haptik Gemütlichkeit.
Kein Mensch zieht dann allein durch das Überschreiten
eines solchen Bodens ungewollt die Aufmerksamkeit auf
sich, da der Schall der Schritte fast vollkommen gedämmt
wird. Durch den Einsatz harter Bodenbeläge kann natür-
lich auch der gegensätzliche Effekt erzielt werden und so
der Fokus auf den Boden und den darüber schreitenden
Menschen gelegt werden.
Das Gestaltungsmittel Akustik stiftet Identität, indem es
ein auditives Symbol für die ästhetische und funktionale
Bedeutung eines Raumes entwirft. Über klangliche und
ästhetische Mittel ist die Akustik in der Lage, darüber
hinaus seine Besonderheit zu unterstützen.
AKUSTIK
251
Akustisch wirksame
Verkleidungen, die für
vielerlei Arten von Events
funktionieren müssen, in
einem Veranstaltungsraum.Hilton Frankfurt Airport Hotel, Frankfurt,
Deutschland; JOI-Design
Blubb: Die Streuloch
akustikdecke dieses
Warteraums wurde
als gestalterisches
Element in das Thema
„Unterwasserwelt“
eingebunden.Kinderzahnarztpraxis „Zahnarium”,
Dres. Stammen & Partner,
Grevenbroich, Deutschland;
100% interior Sylvia Leydecker
AKUSTIK
252
Im Gespräch: Die Kantine des Verlages
verfügt über eine akustisch wirksame Decke
aus mikroperforierten Aluminiumspiegeln,
auf schallabsorbierendem Trägermaterial
aufkaschiert.Kantine DER SPIEGEL, Hamburg,
Deutschland; Ippolito Fleitz Group
LICHT, RAUMLUFT UND AKUSTIK
253
BEISPIELE FÜR DEN EINSATZ DER TECHNISCHEN GESTALTUNGSMITTEL
Eine integrierte Gestaltung der Raumelemente, der kunst-
volle Einsatz von Licht, Raumluft und Ästhetik, eröffnet
neue Perspektiven, indem der Raum über seine Grenzen
hinweg eine endlose Zahl an möglichen Blickwinkeln kre-
iert. Wie hier beschrieben, bewirkt der Einsatz der tech-
nischen Gestaltungsmittel Licht, Raumluft und Akustik,
dass die Aussage von Räumen unterstützt wird und durch
Führung, Schichtung und Zonierung wahrnehmbar gemacht
wird. Darüber hinaus verfügen diese Baustoffe über das
gestalterische Potenzial, Räume mit identitätsstiftenden
Elementen zu versehen. Die folgenden beiden Fallbeispiele
beschreiben die ästhetischen Qualitäten dieser drei Baus-
toffe des technischen Ausbaus näher.
KANTINE DER SPIEGEL-GRUPPE IN HAMBURG
Die Baustoffe Licht, Raumluft und Akustik unterstützen
den besonderen Charakter der Mitarbeiterkantine des
Verlagsgebäudes der SPIEGEL-Gruppe in der Hamburger
HafenCity. Die Deckengestaltung vereint Funktion mit
Ästhetik. Die funktionelle Komponente der Decke ver-
steckt den gesamten technischen Apparat, Sprinkleranlage,
Medientechnik, Licht, Raumluft und Akustik. Die ästheti-
sche Komponente stiftet Identität und schafft einen Bezug
zum Außenraum.
Die Mitarbeiterkantine war und ist – nicht zuletzt auch
wegen ihrer prominenten Lage im Gebäude und der starken
Wirkung nach außen – eine Visitenkarte des Unternehmens
SPIEGEL, die seine journalistische Philosophie genauso
wie seine Gesprächskultur widerspiegelt. Der Grundriss
der Kantine beschreibt einen großen, polygonalen Raum,
dessen starke horizontale Wirkung durch das an zwei
Seiten durchgehende Fensterband noch verstärkt wird.
Wegen der Größe des Raumes galt es den Eindruck eines
monotonen seriellen Aufbaus und von Austauschbarkeit zu
vermeiden. Stattdessen ging es darum, die beim SPIEGEL
über Jahrzehnte gewachsene Gesprächskultur beim Essen
abzubilden. Die Mitarbeiterkantine ist ein Treffpunkt, ein
Ort der Kultur und des informellen Meinungsaustauschs.
Gleichzeitig waren alle funktionalen Aspekte wie Erreich-
barkeit und Übersichtlichkeit zu gewährleisten.
Da der Raum flexibel nutzbar sein muss, bietet sich die
Deckengestaltung als das identitätsstiftende Moment
der Kantine an. Dementsprechend sowie der Assoziation
aus der Lage am Hafen folgend, wurde eine matt schim-
mernde Decke entwickelt, die ähnlich wie Wasser das
Licht reflektiert. Sie besteht aus 4203 im leichten Winkel
zueinander abgehängten Ronden aus mikroperforiertem,
matt geschliffenem Aluminium, kaschiert auf schallab-
sorbierendem Trägermaterial. Die natürliche Lichtatmo-
sphäre in der Kantine reagiert damit auf ihre Umgebung.
Die Decke bietet funktionale Vorteile: Der Bereich über
den Deckentellern wurde samt der notwendigen Haustech-
nikinstallation schwarz ausgeführt und damit unsichtbar
gemacht; Drallauslässe und Sprinkler verschwinden visuell.
Die Oberdecke wurde zusätzlich schallabsorbierend ausge-
führt, um die mikroperforierten Teller in ihrer akustischen
Wirkung zu ergänzen. Die Deckengestaltung vereint somit
ästhetische Aspekte mit funktionalen Aspekten. Sie kre-
iert identitätsstiftende Elemente, nimmt den räumlichen
Kontext der Umgebung auf, verbessert die Akustik durch
den Einsatz schallabsorbierender Materialien und durch
Oberflächengestaltung und schafft einen Glanzpunkt, der
dem Auge durch warme Lichtreflexionen schmeichelt.
Großzügige Lichtschalen zonieren den Raum durch ihre
intensive Farbigkeit. Die Farben sorgen auch an grauen
Tagen für eine positive Atmosphäre im Raum. Durch dimm-
bare Pendelleuchten, die sich direkt über den Tischen
befinden, kann das Beleuchtungsniveau stufenlos reguliert
werden. Am Abend verwandeln sich die Lichtschalen in
indirekt beleuchtete Lichtobjekte. Die Grundstimmung in
der Kantine wird durch das warmweiße „Ambient Light“ der
Pendelleuchten erzeugt. Indirektes Licht in ausgewählten
Pendelleuchten beleuchtet dezent die Taler an der Decke.
Fokussierte Downlights, versteckt in der Decke platziert,
ergänzen durch akzentuiertes Licht die differenzierte, hoch-
wertige Grundstimmung. Deckenintegrierte Wandfluter
erhellen gleichmäßig die Wandflächen. Sie sorgen für ein
ausgewogenes Verhältnis von horizontalen und vertikalen
Beleuchtungsstärken und optimieren das abendliche Raum-
gefühl – auch als Spiegelung in den Glasflächen.
Die runden, kommunikativen Tische bestehen aus einem
schwarz gepulverten Stahlgestell, das in einer weichen
Bewegung aus dem Boden zu wachsen scheint. Als Tisch-
platte wird eine Granitplatte aufgesetzt, die eingelaserte
Rasterung auf der Oberfläche sorgt in Verbindung mit der
Deckenleuchte für blendfreies brillantes Licht.
Die Tische sind in drei großen Gruppen in freier Anordnung
im Raum platziert und setzen so dem polygonalen Grundriss
ein organisches Statement entgegen. Die Bewegungszonen
sind dabei eindeutig erkennbar. In den fugenlosen Boden
aus weißem Terrazzo sind drei Linien eingelassenen: Sie
geben den Tischen entlang der Laufzonen Halt und dem
Raum eine visuelle Struktur.
Entlang dieser Linien ist in vier Bereichen ein abnehmbarer
leichter Raumfilter aus weißen, vertikal abgependelten
Stäben angeordnet, der das Raumluftklima beeinflusst
und visuell ansprechende, transparent abgetrennte Zonen
schafft.
LICHT, RAUMLUFT UND AKUSTIK
276
Digitale Vortragstechnologien sind
selbstverständlich.New Office Design für das ICADE Premier Haus, München, Deutschland;
landau + kindelbacher
Informationstechnologie durchdringt alle Lebensbereiche
einer Informationsgesellschaft. In dieser Art von Gesell-
schaft leben die meisten von uns. Daher ist klar, dass
die Informationstechnologie großen Einfluss auf unseren
Alltag hat, wie es sich auch sehr deutlich in der Innen-
raumgestaltung abzeichnet. Die Integration von Medien
und Technologie erfordert eine enge Abstimmung zwi-
schen Architekten, Raumgestaltern, Ingenieuren für die
Automatisierung von Wohngebäuden, Medienfachleuten
und Handwerkern. Da Technologie und Medien immer
weiter in Innenräume, Mobiliar, Gegenstände des täglichen
Gebrauchs, Geräte und Materialien vordringen, erscheint
eine genauere Betrachtung des Einflusses der Informati-
onstechnologie aus Sicht des Innenarchitekten geboten.
Die Informationsgesellschaft „ist eine Gesellschaft, in
der die Produktion, Verteilung, Verbreitung, Nutzung,
Integration und Beeinflussung von Informationen zu den
bedeutenden wirtschaftlichen, politischen und kulturellen
Aktivitäten gehört. Ziel der Informationsgesellschaft ist
die Gewinnung eines internationalen Wettbewerbsvorteils
durch Nutzung der Informationstechnologie auf kreative
und produktive Weise.“1 Dabei beschränkt sich die Infor-
mationstechnologie nicht nur auf das Internet. Vielmehr
ist dies der übergeordnete Begriff für die Verarbeitung
von Informationen und die hierfür erforderliche Hard- und
Software. Auf diesem Gebiet sind auch aktuelle und zukünf-
tige Mensch-Computer-Schnittstellen (Human-Computer
Interfaces, HCI) genauer zu betrachten.
INFORMATIONS-TECHNOLOGIE
LARS GRAU
277
Die Informationsgesellschaft, wie sie sich seit den 1970er
Jahren entwickelt hat, führt zu einer grundlegenden Verän-
derung der Art und Weise des Funktionierens von Gesell-
schaften. In den vergangenen vier Jahrzehnten hat die
Informationstechnologie viele Bereiche unseres Lebens
transformiert. Es kam zu einem tiefgreifenden Wandel der
Art und Weise unserer Nutzung digitaler Medien und der
Interaktion mit unserem Umfeld. So hat sich die Gestaltung
von PKW-Innenräumen im Laufe der vergangenen 40 Jahre
im Hinblick auf die Möglichkeiten der Nutzerinteraktion
völlig verändert: Während das Auto noch in den 1970er
Jahren nur über wenige und physische Schnittstellen für
grundlegende Funktionen verfügte, sind die Fahrzeuge
von heute mobile Supercomputer, in denen der Fahrer von
einer überwältigenden Zahl von Steuerelementen umgeben
ist, darunter physische Schnittstellen, Sprachsteuerungen
und berührungsempfindliche Elemente, die in multimodaler
Interaktion zu gleicher Zeit bedient werden sollen. Auch
interagiert das Auto von heute nicht nur mit Geräten wie
beispielsweise Mobiltelefonen; es kommuniziert darüber
hinaus mit anderen Fahrzeugen und Diensteanbietern. Dies
führt unter anderem zu deutlich zuverlässigeren Stauvor-
hersagen und einem höheren Sicherheitsstandard.
Eine der Haupttriebkräfte dieses Wandels ist die fortschrei-
tende Miniaturisierung und Vernetzung von Technologien.
Dies ist es, was heute die Integration der Informations-
technologie in Gegenstände des täglichen Gebrauchs,
in Textilien und andere Materialien ermöglicht. Diese Tech-
nologie entwickelt sich fort von einzelnen, stationären
Geräten, die zurzeit noch unser Leben bestimmen, in eine
Zukunft, in der sie allgegenwärtig und unsichtbar präsent
sein wird als ständig verfügbare virtuelle Umgebung, die
unsere physische Umwelt um neue Aspekte und Funk-
tionen ergänzt. Lösungen mit hohem Integrationsgrad
– wie in Kleidung eingearbeitete Computer – stehen für
diesen Trend. Diese Vision der allgegenwärtigen und tief-
greifenden Informationsverarbeitung ist heute recht gut
verstanden und zu einem breit angelegten Forschungs-
thema geworden: als „Internet der Dinge“. Der Begriff
des Ubiquitous Computing beschreibt eine „unsichtbare,
allgegenwärtige Informationsverarbeitung, die nicht an ein
wie auch immer geartetes persönliches Gerät gebunden
ist, sondern uns überall umgibt.“2 Mark Weiser, Informati-
ker und Forscher am Palo Alto Research Center, sah diese
(R)evolution bereits vor 25 Jahren voraus, als er ausführte:
„Im 21. Jahrhundert wird sich die Technologierevolution
in den Alltag, in das Kleine und Unsichtbare verlagern.“3
Nichts Neues also? Das Neue liegt wohl darin, dass wir
gerade erleben, wie die Utopie tatsächlich zur Wirklichkeit
wird. Viele nehmen diese entstehende Realität in gewissem
Maße als Bedrohung wahr – oder fragen zumindest, ob
wir einen solchen Grad an „Komfort“ wirklich benötigen.
Brauchen wir Kaffeetassen, die uns die genaue Temperatur
der in ihnen enthaltenen Flüssigkeit anzeigen, oder Sitzmö-
bel, in denen wir unsere Mobiltelefone aufladen können?
Klar ist, dass neue Technologien nicht entstehen, weil wir
sie brauchen, sondern weil wir in der Lage sind, sie zu erfin-
den. Die Frage lautet daher: Was ist sinnvoll? Und genau
an dieser Stelle sind Designer gefragt. Ihre Rolle besteht
darin, vorhandene Technologien auf vernünftige Art und
Weise einzusetzen, um die bestehenden Bedürfnisse der
Nutzer zu erfüllen. Klaus Krippendorff führt dazu aus: „Die
Etymologie von Design geht zurück auf das lateinische ‚de‘
+ ‚signare‘ und bedeutet, etwas herzustellen, es durch ein
Zeichen unterscheidbar zu machen, ihm Signifikanz zu ver-
leihen, seinen Bezug zu anderen Dingen, Besitzern, Nutzern
oder Gottheiten zu bezeichnen. Ausgehend von dieser
ursprünglichen Bedeutung könnte man sagen: Design heißt,
Sinn zu stiften (den Dingen Sinn zu geben).“4
Insbesondere auf dem Gebiet der Innenarchitektur eröff-
net die Informationstechnologie bisher ungeahnte Mög-
lichkeiten. Die Technologie kann unseren Alltag positiv
beeinflussen, indem sie seine Qualität steigert, mehr Kom-
fort, Sicherheit und Effizienz schafft und dabei Instand-
haltungszeiten, Kosten und Umweltverschmutzung redu-
ziert. Letztlich hängt aber doch alles vom Nutzer – vom
Bewohner – ab. Technische Systeme werden fortwährend
komplexer, während ihre Bedienbarkeit immer einfacher
werden muss, damit sie von den Menschen angenommen
werden. Diese Binsenweisheit ist eine geradezu logische
Nebenwirkung der Informationsgesellschaft: Die Menschen
sind überfordert angesichts der Menge und Vielfalt an
Informationen und Technologien. Da die Technologie für
den Endanwender auch nicht mehr durchschaubar und
begreifbar ist, benötigt er effiziente, gut funktionierende
Lösungen, weil er zur Reparatur gar nicht mehr in der Lage
ist. Also ist auf der Technologie aufbauender Komfort nötig,
der durch das Design bereitgestellt wird.
See me: Gäste erwarten selbstverständlich
mediale Vernetzung und digitale
Kommunikationsmöglichkeiten während
des Aufenthalts.W Hotel, London, England; Concrete Architectural Associates
278
Smart building – die digitale
Kontrolle über das Eigenheim
ist keine Science-Fiction mehr.Flexible Vernetzung im Smart Home mit batterie-
loser Funktechnologie; EnOcean
SMART HOME
Die Innenarchitektur steht gegenwärtig vor der Heraus-
forderung, die physische mit der virtuellen Umgebung
zu verbinden. Die Raumgestalter von heute und – ganz
besonders – von morgen müssen in der Lage sein, sich mit
komplexen technischen Möglichkeiten auseinanderzuset-
zen und in interdisziplinären Teams Gestaltungsaufgaben
wahrzunehmen, die Verbindung und Vernetzung schaffen,
um so den reichhaltigen Nutzererfahrungen im privaten und
öffentlichen Raum und am Arbeitsplatz Sinn zu verleihen.
In den letzten Jahren sind Begriffe wie „Smart Home“
oder „vernetztes Haus“ immer populärer geworden.
Smart-Home-Lösungen oder Systeme zur Automatisie-
rung von Wohngebäuden sollen das Wohnen einfacher
gestalten und mehr Lebensqualität, Komfort und Sicherheit
bieten. Dafür gibt es zahlreiche Anwendungsbereiche.
Eine sinnvolle Unterscheidung kann beispielsweise zwi-
schen „Home-Entertainment“, „Energiemanagement“ und
„Steuerungen im Haushalt“ getroffen werden. Der Bereich
Home-Entertainment erfüllt die Bedürfnisse des Nutzers im
Hinblick auf die Vielfalt der im Wohnumfeld gewünschten
Medien, die in unterschiedlichen Geräten und an mehreren
Orten verfügbar sind. Das Energiemanagement ist auf
Fragen der Nachhaltigkeit, ökologische und ökonomische
Aspekte ausgerichtet: Heizung, Lüftung, Klimatisierung,
Stromverbrauch usw. Das Thema Steuerungen im Haushalt
erstreckt sich auf alle Arten von Anwendungen rund ums
Haus: Sicherheitssysteme, Lichtsteuerungen, elektronische
Helfer im Wohnbereich... Anhand dieser Kategorisierung
wird auch bereits die Hauptaufgabe deutlich: der Bedarf
an Standardisierung.
Wie in vielen anderen Fällen ist auch hier Nordamerika
weltweit der größte Markt mit den meisten Anbietern und
den technisch ausgereiftesten Lösungen. In Europa und
insbesondere in Deutschland sind ganzheitlich ausgerich-
tete Smart-Home-Systeme noch nicht massenmarktfä-
hig geworden, da die Nachrüstung in Bestandsgebäuden
meist als zu aufwändig betrachtet wird. In Europa werden
gegenwärtig nur 20 % der Smart-Home-Lösungen in vor-
handenen Gebäuden installiert, 80 % dagegen in Neubau-
ten.5 Asiatische Anbieter agieren meist als Zulieferer für
Unternehmen in den westlichen Ländern, wohingegen es
auf dem Markt nur wenige europäische und amerikanische
Marken gibt. In diesem Bereich wird China in naher Zukunft
nicht zu den Hauptmärkten gehören, was auch auf kultu-
relle Unterschiede zurückzuführen ist, da beispielsweise
in Amerika der Wunsch nach Sicherheitssystemen viel
stärker ausgeprägt ist als in Europa oder Asien, während
die Einwohner asiatischer Länder drahtlose gegenüber
kabelgebundenen Lösungen bevorzugen.6
Der Smart-Home-Markt wächst und wandelt sich fortlau-
fend mit den steigenden Bedürfnissen der Nutzer im Hin-
blick auf Komfort und vernetzte Lösungen im Wohnumfeld.7
Während er anfangs von Premium-Lösungen dominiert war,
streben nun zahlreiche junge, innovative Unternehmen in
den Massenmarkt und in das Do-It-Yourself-Segment und
bieten einfache, kabellose Plug-and-Play-Produkte an.8
Verschiedenste Anbieter drängen in den Markt. Smart
Home ist und bleibt ein komplexes Thema – insbesondere
für die Anwender. Das Problem liegt wie so oft in der Stan-
dardisierung. Gegenwärtig ist die Smart-Home-Debatte
von technologischen Gesichtspunkten der Standardisie-
rung geprägt. Die nächste echte Herausforderung besteht
jedoch in Bezug auf die Nutzererfahrung: Es braucht einfa-
che, bequeme Anwenderschnittstellen, die für viele unter-
schiedliche Geräte passen.
INFORMATIONSTECHNOLOGIE
279
Sturzprophylaxe: Bodenbeläge
sind durch Sensoren und digitale
Kommunikation in der Lage,
zur Sicherheit von Bewohnern
beizutragen, hier indem sie Stürze
registrieren und melden.SensFloor; Future-Shape GmbH
STANDARDISIERUNG UND NUTZERERFAHRUNG
Aus technologischer Sicht ist der Ansatz der „zentralen Intelli-
genz“ am vielversprechendsten: Ein „digitaler Butler“ verfügt
über das Wissen über die im Haus vorhandenen Geräte und
unterschiedlichen Kommunikationskanäle. „Er“ steuert die Ver-
bindung der einzelnen Geräte mit unterschiedlichen Netzwerken,
so dass geräteunabhängige Lösungen unterstützt werden. Bei
diesem Verfahren ändert sich für den Anwender beim Austausch
eines Geräts grundsätzlich nichts. In verschiedenen Ländern
werden gegenwärtig derartige Systeme auf nationaler Ebene
entwickelt. So hat in Deutschland ein Netz von Projektpart-
nern kürzlich einen technologischen Standard mit dem Namen
„SerCho“9 entwickelt – ein softwarebasierter, modular aufge-
bauter „Werkzeugkasten“ zur Integration von Geräten in einem
herstellerunabhängigen Netzwerk.
Natürlich könnte das Hardware-Gerät, das alle anderen im Haus
vorhandenen Geräte mit der Außenwelt verbindet (heute bekannt
als „Router“ bzw. „Internet“), auch diese Funktion übernehmen.
Ein führender Anbieter von Netzwerk-Hardware, Cisco, brachte
kürzlich „CloudConnect“10 auf den Markt, einen Dienst, der dem
Anwender „zu einem beliebigen Zeitpunkt und von einem belie-
bigen Ort aus den Zugriff auf das Heimnetzwerk ermöglicht“ –
Ausgangspunkt für weitere Szenarien des vernetzten Wohnens.
In naher Zukunft wird es keinen übergreifenden internationalen
Standard für Smart-Home-Lösungen geben. Daher kommt es aus
Anwendersicht vor allem auf Interoperabilität und leichte Bedien-
barkeit der Geräte an. Große Technologieunternehmen mit einem
breit gefächerten Angebot an Geräten für den digitalen Lifestyle
neigen dazu, „geschlossene Ökosysteme“ zu entwickeln, in denen
ihre eigenen Geräte sehr gut miteinander funktionieren, während
„fremde“ Geräte ausgeschlossen sind. Solche geschlossenen
Ökosysteme einzelner Anbieter der Smart-Home-Teilsegmente
werden mit großer Wahrscheinlichkeit obsolet. An ihre Stelle tre-
ten offene Plattformen für eine Vielzahl von Geräten, mit denen
Ökosysteme entstehen für die nahtlose, „ubiquitäre“ Vernetzung
von Menschen, Geräten, Häusern und Fahrzeugen.
ANWENDUNGEN IM WOHNBEREICH
In Wohngebäuden kommt mehr und mehr Informationstechno-
logie zum Einsatz, so dass sie die Form von komplexen Gerä-
ten mit enormem Funktionsumfang annimmt. Tom Rodden und
Steve Benford11 beschreiben die Situation dahingehend, dass
„neue Aufgaben hervortreten, die von den an ihrer Planung und
Gestaltung Beteiligten aufgegriffen werden müssen.“ Rodden
und Benford benannten vor zehn Jahren, 2003, drei verschiedene
Kategorien von Geräten für ubiquitäre Anwendungen im Woh-
numfeld: Informationsgeräte („Information Appliances“), inter-
aktive Haushaltsgegenstände („Interactive Household Objects“)
und Möbel mit integrierten Zusatzfunktionen („Augmented
SMART HOME
280
Furniture“) – eine sinnvolle Aufgliederung, die auch fast
zehn Jahre später noch schlüssig erscheint: „Informations-geräte sind autarke Geräte, die netzunabhängig sind und
eine spezifische Funktionalität bieten12. Viele solcher Geräte
im Wohnbereich entstanden dadurch, dass interaktive
Funktionen mittels standardisierter Kommunikationsein-
richtungen auf vorhandene Haushaltsgeräte ‚aufgesetzt‘
wurden. Beispiele hierfür sind der Internet-Kühlschrank13,
Handheld-Geräte und andere mobile Geräte14, die spezifi-
sche Formen der Interaktion unterstützen. Interaktive Haus-haltsgegenstände führen interaktive Funktionen mit exis-
tenten Haushaltsobjekten zusammen, um neue Formen der
Interaktion entstehen zu lassen. Diese knüpfen häufig an
den mit den Objekten verbundenen kulturellen Werten an.
Beispiele hierfür sind elektronisch aufgewertete Bilderrah-
men mit neuen Anzeige- und Interaktionsmöglichkeiten15,
die Hinzufügung neuer Kommunikationsfunktionen zu Pinn-
oder Notiztafeln16 sowie Tassen mit Zusatzfunktionen17. In Möbel integrierte Zusatzfunktionen machen Möbelstücke
interaktiv. Zu nennen wären hier der interaktive Tisch
DiamondTouch18 und Konzepte zur Funktionserweiterung
von Schränken19 und Gartenmöbeln20. Die genannten drei
Ansätze unterscheiden sich hinsichtlich der Wahrnehmbar-
keit der digitalen Technologie und der Art und Weise, wie
diese den Bewohnern zur Verfügung steht. Die Technologie
ist bei Informationsgeräten am präsentesten; der Grad der
Wahrnehmbarkeit reduziert sich bei Haushaltsgegenstän-
den und Möbeln mit Zusatzfunktionen.“21
Wohnumgebungen unterscheiden sich in einem wichtigen
Punkt von Geräten und Fahrzeugen: Sie verändern sich mit
den Nutzeranforderungen, sind offen für fortlaufenden
Wandel. Dieser Umstand ist Gegenstand des von Stewart
Brand entwickelten Modells, welches den Entwurfsprozess
um eine interessante Perspektive ergänzt. Zum Verständnis
des Wandels, dem Gebäude unterworfen sind, wird dieser
hier in sechs Schichten klassifiziert: Standort, Tragkonst-
ruktion, Gebäudehülle, Haustechnik, räumliche Anordnung
und Einrichtungsgegenstände (im Englischen „die sechs
S“: Site, Structure, Skin, Services, Space Plan, Stuff).
In diesem Zusammenhang bezeichnet der Begriff des
Standortes „das geografische Umfeld, den Ort und das
juristisch definierte Grundstück, dessen Grenzen und
Zusammenhänge Generationen von Gebäuden überdau-
ern.“ Der Standort bezeichnet eine relativ feste Größe.
Die Tragkonstruktion bezeichnet „die Gründung und tra-
genden Bauteile, deren Veränderung mit hohen Kosten und
Risiken verbunden wäre, also nicht vorgenommen wird.
Diese Elemente ‚sind‘ das Gebäude. Die Lebensdauer der
Tragkonstruktion reicht von 30 bis 300 Jahren.“ Der Begriff
der Gebäudehülle bezieht sich auf „die Außenflächen“, die
„heute etwa alle 20 Jahre verändert werden, um mit der
Mode oder Technologie Schritt zu halten oder instandge-
setzt zu werden.“ Die haustechnischen Anlagen sind der
„Organismus des Gebäudes: Kommunikations- und Elektro-
leitungen sowie Sanitärinstallationen“, ebenfalls mit einer
Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren. „Gebäude werden vor
Ablauf ihrer Nutzungsdauer abgerissen, wenn veraltete
Systeme zu fest mit ihnen verbunden sind, um auf einfache
Weise ausgetauscht zu werden.“ Die räumliche Anordnung
definiert „die Innenraumabfolge – also die Position von
Wänden, Decken, Böden und Öffnungen. Dabei können in
dynamischen Räumen Veränderungen schon im Dreijahres-
rhythmus vorgenommen werden. Eine besonders statische
Umgebung kann über 20 oder 30 Jahre von Veränderungen
unberührt bleiben.“ Die letzte Kategorie der Einrichtungs-
gegenstände ist schließlich einem fortwährenden Wandel
unterworfen: „Stühle, Schreibtische, Telefone, Küchenge-
räte, Lampen, Haarbürsten: alle Dinge, die im Tages- oder
Monatsrhythmus ihren Standort wechseln. Der italienische
Begriff ‚mobilia‘ und das deutsche ‚Mobiliar‘ werden hier
nicht ohne Grund verwendet.“ Brand benennt auch die
Hierarchie dieser Kategorien: „Der Standort dominiert die
Tragkonstruktion, diese die Gebäudehülle, die Hülle die
Haustechnik, diese wiederum die räumliche Anordnung
und letztere die Einrichtungsgegenstände.“22
Für die Errichtung und Instandhaltung dieser sechs Ebe-
nen sind zumeist Fachleute erforderlich, also Architek-
ten, Bauingenieure, Designer, Handwerker und so wei-
ter. Obwohl der Informationstechnologie ab den frühen
1980er Jahren entscheidende Entwicklungen bevorstan-
den, erfasste Brand bereits zum damaligen Zeitpunkt, dass
die einzelnen Ebenen miteinander verzahnt sind und dass
etwa Geräte in der Kategorie Einrichtungsgegenstände
eng mit der zugrunde liegenden räumlichen Anordnung
verbunden sind. Nicht überraschend konzentriert sich die
Innenarchitektur auf Aspekte der räumlichen Anordnung
und der Einrichtungsgegenstände und lässt die Ebene
der Haustechnik beiseite, obwohl gerade sie im Hinblick
auf Interoperabilität und Vernetzung von den aus der
aufkommenden Integration der Informationstechnologie
resultierenden Veränderungen betroffen ist.
In die Innenraumgestaltung sind daher alle drei Schichten
einzubeziehen, um eine überzeugende Nutzererfahrung
zu schaffen, die dem ubiquitären Ansatz in der Wohnum-
gebung entspricht: Haustechnik, räumliche Anordnung
und Einrichtungsobjekte. Dabei definiert die Haustechnik
die technischen Kernfunktionen und dient als Grundlage,
während die räumliche Anordnung eine flexible Infrastruk-
tur für das Funktionieren der Einrichtungsgegenstände
schafft und dabei den Bewohnern Anpassungen an ihre
individuellen Bedürfnisse ermöglicht.
INFORMATIONSTECHNOLOGIE
281
ÖFFENTLICHE BAUTEN UND GEWERBEBAUTEN
Im Vergleich zum Wohnen bilden öffentliche und gewerb-
liche Räume einen sehr viel breiteren Anwendungsbereich.
Die Aussagen zur Integration der Informationstechnologie
gelten jedoch auch hier gleichermaßen.
Bei gewerblichen Räumen, insbesondere Unternehmens-
sitzen, muss hier zwischen Einzelhandel und Industrie
unterschieden werden. Während Unternehmenssitze, Schu-
lungszentren und Produktionsanlagen, große Einzelhan-
delsimmobilien, Einkaufszentren und Warenhäuser vorwie-
gend groß angelegte, standardisierte Lösungen für Team-
arbeit, Marketing und Kommunikation erfordern, besteht
gleichzeitig ein großes Potenzial für maßgeschneiderte,
innovative Lösungen des „räumlichen Branding“ – also für
Orte, die den Raum als Medium nutzen, um die Marke des
Unternehmens darzustellen. Oft für Flagship-Stores, Ver-
kaufsräume oder Markengeschäfte entwickelte Lösungen
können ohne Weiteres auch auf das Umfeld von Unter-
nehmensverwaltungen aller Art übertragen werden und
sollten daher für Innenarchitekten, zumal wenn sie sich zu
den „Digital Natives“ zählen, von großem Interesse sein.
Die Markenwerte werden hier auf ganzheitliche Weise
zum Ausdruck gebracht, um die Kundenbeteiligung zu
intensivieren. Innovative Technologie ermöglicht hier eine
Differenzierung von den allgegenwärtigen audiovisuellen
Medien. Dies gilt auch für das Ausstellungs- und Eventde-
sign – für temporäre Räume ebenso wie für institutionelle
Einrichtungen wie Museen.
In öffentlichen Umgebungen zeigt sich ein anderes spezifi-
sches Merkmal: der Bedarf an personalisierten Dienstleis-
tungen. Dies ist der Fall im Gesundheitswesen (beispiels-
weise in Krankenhäusern, Betreuungs- und Pflegeeinrich-
tungen und Arztpraxen, die elektronische Patientenakten
führen und telemedizinische Geräte einsetzen) ebenso wie
im Hotel-, Gastronomie- und Freizeitbereich (in Hotels,
Cafés und Bars, Restaurants, Fitness- und Kureinrichtungen
usw.). Ebenso gilt dies für institutionelle Einrichtungen wie
Ämter, Kreditinstitute, Schulen und Universitäten, Museen
und Kongresszentren.
Die Herausforderung bei der Umsetzung einheitlicher
Lösungen in öffentlichen Umgebungen liegt darin, dass
wir zwar verschiedene virtuelle Identitäten annehmen,
die wir extensiv publik machen, jedoch nicht wünschen,
dass unsere reale Identität verbreitet wird. Daher erfordert
die Interaktion in öffentlichen Umgebungen ein standardi-
siertes, sicheres und zuverlässiges Verfahren der Authen-
tifizierung, das deutlich über den uns heute vertrauten
Login hinausgeht.
Öffentliche Umgebungen und gewerbliche Räume unter-
scheiden sich von Wohnbauten in wenigen, jedoch für
unser Thema entscheidenden Punkten:
1. Die Nutzer verfügen über keine oder nur geringe Mög-
lichkeiten der Kontrolle über die Infrastruktur. Diejenigen,
die die Anforderungen definieren, sind nicht mit denjeni-
gen identisch, die die Räume nutzen. Daher gestaltet sich
die Ermittlung der tatsächlichen Bedürfnisse schwieriger,
so dass Lösungen mit höherem Standardisierungsgrad
bevorzugt werden.
2. Die Anforderungen an Datenschutz und Privatsphäre
unterscheiden sich. Technologie kann auf personalisierte
oder nicht personalisierte Weise eingesetzt werden.
In öffentlichen Umgebungen kehrt sich das Verhältnis
zwischen Szenarien mit nur einem einzigen Nutzer und Sze-
narien mit mehreren/vielen Nutzern im Vergleich zum Woh-
numfeld um. Dies bedeutet, dass öffentliche Räume wei-
tergehende Aufmerksamkeit bezüglich der Vereinbarkeit
von privaten und öffentlichen Nutzerszenarien erfordern,
darunter auch Fragen der Integration von Technologie.
3. An der Stelle der Bewohner stehen hier unterschiedliche
Nutzergruppen mit vielschichtigen Bedürfnissen. So beste-
hen bei Mitarbeitern, Kunden, Patienten, Besuchern und
Gästen aus dem Ausland unterschiedliche Nutzeranforde-
rungen. Daher differieren die Nutzungsszenarien in Bezug
auf Mitwirkung, Authentifizierung, Leistungsangebote und
Information. Als Beispiel können hier die Bedürfnisse von
medizinischem Personal, Patienten und Besuchern eines
Krankenhauses genannt werden.
4. Bei prinzipiell gleichen Anwendungsbereichen unter-
scheidet sich die Fokussierung je nach Art des Umfeldes.
Je größer die Räumlichkeit, desto größer auch der Bedarf
an Technologie für Gebäudeautomatisierung, Energieein-
sparung, Sicherheit und Kommunikation. Dagegen spielt
der Entertainment-Aspekt nur eine untergeordnete Rolle.
5. Schließlich gibt es in öffentlichen und gewerblichen
Umgebungen potenziell eine größere Zahl von Schnitt-
stellen als in Wohngebäuden. Schnittstellen sind das
Kernthema des Entwerfers und können hier sowohl Men-
schen als auch Technologien sein. In öffentlichen Räumen
und Gewerbebauten sind die Entwerfer gefordert, sich mit
einer größeren Zahl sowohl von Beteiligten wie auch von
technischen Schnittstellen auseinanderzusetzen. → 286
ÖFFENTLICHER BEREICH
350
ÜBER DIE HERAUSGEBERIN
UND DIE AUTOREN
SYLVIA LEYDECKER , Dipl.-Ing., ist
praktizierende Innenarchitektin
und führt das Büro 100% interior
in Köln. Sie studierte Innenarchi-
tektur an der Fachhochschule in
Wiesbaden und der Universität
Trisakti in Jakarta/Indonesien.
Diplom 1996 in Wiesbaden. Vor
ihrer Tätigkeit als Innenarchitektin
sammelte sie langjährige internati-
onale berufliche Erfahrung bei der
Deutschen Lufthansa, mit vorange-
henden längeren Auslandsaufent-
halten in Manchester und Paris.
Heute entwirft ihr Büro Corpo-
rate Interiors, arbeitet mit dem
Schwerpunkt Gesundheitswe-
sen, aber auch im Office- und
Produktdesign. Ehrenamtlich ist
sie als Vizepräsidentin für den
Bund Deutscher Innenarchitekten
(BDIA) und bei der International
Federation of Interior Architects/
Designers (IFI) engagiert. Sie ist
darüber hinaus Mitglied im Deut-
schen Designer Club (DDC) und
der Architekten für Krankenhaus-
bau und Gesundheitswesen (AKG).
In erster Linie ist sie leidenschaft-
liche Innenarchitektin, außerdem
Designerin und Autorin zahlreicher
Publikationen.
Mit dem Buch Nanomaterialien in
Architektur, Innenarchitektur und
Design (mit Vorworten von Harold
Kroto und Michael Veith; Basel,
Berlin, Boston: Birkhäuser, 2008)
festigte Sylvia Leydecker ihren
internationalen Ruf als Expertin für
den Einsatz von Nanomaterialien
in der gebauten Umwelt.
MARK BLASCHITZ , geb. 1965 in
Graz. 1988 Co-Gründer von SPLIT-
TERWERK, Label for Fine Arts,
deren Arbeiten mehrmals auf den
Biennalen von Venedig und São
Paulo, auf der documenta in Kassel
und anderen Ausstellungen ver-
treten waren und vielfach preis-
gekrönt wurden. Mark Blaschitz
studierte Architektur, Philosophie
und Soziologie, er diplomierte an
der Technischen Universität Graz
in Architektur und Städtebau und
unterrichtet seit 1989 Architek-
tur, Städtebau, Kunst und Design.
2009 Vertretungsprofessur für
raum&designstrategien an der
Kunstuniversität Linz gemeinsam
mit heri&salli und Berufung als
Professor an die Staatliche Akade-
mie der Bildenden Künste Stutt-
gart. Dort seit 2010 Leitung des
Lehrstuhls für Wohnbau, Grundla-
gen und Entwerfen. 2012 Professur
am Centro de Estudios Superiores
de Diseño de Monterrey (CEDIM) in
Mexiko. Seit 2012 Dekan der Fach-
gruppe Architektur an der Staat-
lichen Akademie der Bildenden
Künste Stuttgart.
MICHAEL CATOIR , geb. 1966 in
Essen, ist Industrial Designer.
Nach einer Schreinerlehre stu-
dierte er Industrial Design, an der
Folkwang Universität der Künste
in Essen. Nach zweijähriger
Zusammenarbeit mit Andrée Put-
man in Paris leitete er von 2000
bis 2008 das Interior Design and
Styling Department im Studio
Matteo Thun & Partners in Mailand.
Seit 2008 betreibt er gemeinsam
mit seiner Ehefrau Elisa Catoir das
Studio Catoir, Mailand und Paris
für Interior Design, Produkt- und
Graphikdesign. Mit dem Schwer-
punkt auf Wohnen und Hotels
arbeitet das Studio Catoir im
gesamten Spektrum von Objekten
und Innenräumen bis zu Fassaden
und Corporate Identity.
JOANNE CYS ist Associate Profes-
sor für Interior Architecture und
Leiterin der Lehre am Fachbereich
Pädagogik, Künste und Sozial-
wissenschaften der University of
South Australia, wo sie zuvor Lei-
terin der Forschung und Leiterin
der Graduate Studies war. Sie ist
Life Fellow des Design Institute of
Australia und war 2008–2010 des-
sen nationale Präsidentin. 2011–
2013 Mitglied des Vorstands der
International Federation of Interior
Architects/Designers (IFI) und
Mitvorsitzende von deren Global
Interiors Education Open Forum
(GIEOF). Sie vertritt ihr Land im
Global Design Network (GDN)
und in der Asia Pacific Space
Designers Alliance (APSDA), ist
Mitbegründerin des Australian
Interior Design Awards Program
und Convenor von dessen Jury seit
der Gründung 2004. Zahlreiche
internationale Vorträge, kuratierte
Ausstellungen und Beiträge in
Fachzeitschriften sowie mehr als
50 akademische und Konferenzpu-
blikationen sowie Buchbeiträge.
LARS GRAU ist Gestalter und
Dozent mit Fokus auf interaktiven
Technologien. Er ist Professor
für Medien- und Kommunikati-
onsdesign an der Macromedia
Hochschule für Medien und Kom-
munikation (MHMK) in Hamburg
und betreibt die User Experience
Design Agentur MOKIK in Berlin.
Seit 1999 arbeitet er in erster Linie
an der Konzeption von ganzheitli-
chen Nutzererlebnissen für mobile
Applikationen, Web-Anwendungen,
digitales Fernsehen und Interak-
tion im Raum. Sein Schwerpunkt
liegt an der Schnittstelle zwischen
Strategie, Design und Technologie
sowie auf dem Forschungsgebiet
der eingebetteten Interaktion.
Er ist regelmäßiger Referent und
Jurymitglied beim jährlichen DDC
Designpreis.
SIMON HAMILTON , geboren in
London, studierte Interior Design
in Nottingham und ist seit mehr
als 20 Jahren als Interior Desig-
ner tätig. Mit seinem Büro, Simon
Hamilton & Associates in London,
hat er seit 2002 eine weite Spanne
von Projekten in den Bereichen
Arbeiten, Wohnen, Einzelhandel
und Gastronomie in Großbritan-
nien und anderen Ländern reali-
siert. Als International Director
Frame; Niederlande
Häuser Das Magazin für Architektur
und Design; Deutschland
Intramuros International Design
Magazine; Frankreich
livingetc, uk The homes magazine
for modern living; Großbritannien
MD Interior, Design, Architecture;
Deutschland
Monitor; Polen
Schöner Wohnen Europas größtes
Wohnmagazin; Deutschland
Wallpaper* Magazine: design, interi-
ors, architecture, fashion, art; Groß-
britannien
MESSEN
100% design London, Singapur,
Tokio
www.100percentdesign.com
ARCHITECT@WORK INTERNATIO-
NAL, verschiedene Länder
www.architectatwork.de
Architektur Biennale, Venedig
www.labiennale.org
BAU, München
www.bau-muenchen.com
Clerkenwell Design Week, London
www.clerkenwelldesignweek.com
Design Miami, Miami / Basel
www.designmiami.com
EuroShop, Düsseldorf
www.euroshop.de
Furniture Fair, Stockholm
www.stockholmfurniturefair.com
Hong Kong Business of Design
Week, Hongkong
www.bodw.com
ICFF International Contemporary
Furniture Fair, New York
www.icff.com
imm cologne – The international
furnishing show, Köln
www.imm-cologne.com
Interieur, Kortrijk
www.interieur.be
ISH, Internationale Messe Sanitär
und Heizung, Frankfurt a. M.
www.ish2013.com
Light and Building, Frankfurt a. M.
www.light-building.com
Maison et Objet, Paris
www.maison-objet.com
NeoCon, Chicago
www.neocon.com
Orgatec Modern Office & Facility,
Köln
www.orgatec.com
Salone Internazionale del Mobile,
Mailand
www.cosmit.it
VERBÄNDE/ORGANISATIONEN
Bund Deutscher Innenarchitekten
bdia.de
Bundesarchitektenkammer
Deutschland
www.bak.de
European Council of Interior
Architecture
www.ecia.net
International Federation of Interior
Architects / Designers
www.ifi-world.org
International Interior Design
Association
www.IIDA.org
world-architects
www.world-architects.com
NICE TO KNOW
ACTIVATED SPACE, Internetblog
für Design
www.activatedspaceblog.com
Archello – The Business
Networking Platform for the
Built Environment
www.archello.com
Architonic, The independent
resource for architecture and
design
www.architonic.com
BauNetz, Online-Architektur-
magazin
www.baunetz.de
Cool Hunter, Internetplattform
für Architektur und Design
www.theCoolhunter.com
Design your way, Resources and
Inspiration for designers
www.DesignYourWay.net
DESIGNSPOTTER, Internationale
Online-Designplattform
www.designspotter.com
DETAIL, Online-Architektur-
und Bauportal
www.detail.de
Heinze Informationsplattform für
Bauprodukte, Firmenprofile und
Architekturobjekte
www.heinze.de
Kinetic Architecture, Internetblog
zu kinetischer Architektur
www.kineticarchitecture.net
Stylepark, Internationale
Online-Plattform für Design
und Architektur
www.stylepark.com
TreeHugger, Online-Plattform
für Design
www.treehugger.com
ANHANG
351
ANHANG
für das British Institute of Interior
Design (BIID) ist er ein Botschafter
für die besten Leistungen briti-
schen Designs in der weltweiten
Community.
PETER IPPOLITO studierte Archi-
tektur in Stuttgart und Chicago.
Während dieser Zeit war er als
Assistent von Professor Ben
Nicholson, Chicago tätig und sam-
melte praktische Erfahrungen im
Studio Daniel Libeskind, Berlin.
1999 war er Gründungsmitglied
von zipherspaceworks. Aus die-
sem Büro ging 2002 die Ippolito
Fleitz Group hervor, die er seitdem
gemeinsam mit Gunter Fleitz führt.
Peter Ippolito übernahm 2001–
2002 eine Vertretungsprofessur
an der Akademie der Bildenden
Künste Stuttgart und Lehraufträge
an der Universität Stuttgart 2004–
2008 und der Fachhochschule
Biberach 2009. Er war mehrfach
Mitglied von Wettbewerbsjurys
und ist ein gern gesehener Vor-
tragsredner.
CHRIS LEFTERI, geboren in Lon-
don, studierte Industrial Design
am Central Saint Martins College
of Art and Design und schloss mit
dem MA bei Professor Daniel Weil
am Royal College of Art, ebenfalls
in London, ab. Er gilt weltweit
als Autorität auf dem Gebiet von
Materialien und ihrer Anwendung
im Design. Seine Arbeit und seine
Publikationen haben den Blick der
Entwerfer und der Materialindus-
trie auf die Materialien nachhaltig
verändert. 2001 wurde das erste
seiner acht Bücher über Materialien
und ihre Anwendungen im Design
veröffentlicht, die in sechs Spra-
chen übersetzt wurden (“Materials
for Inspirational Design” series,
RotoVision, 2001–2007; deutsch
jeweils mit dem Untertitel „Mate-
rial – Herstellung – Produkte“ bei
avedition). Seitdem hat das Studio
Chris Lefteri Design mit Großunter-
nehmen und führenden Designstu-
dios in Europa, den USA und Asien
eine weite Spanne von Strategien
für die wirksame Integration von
Materialien in den Entwurfsprozess
umgesetzt.
KEES SPANJERS ist Innenar-
chitekt, er lebt und arbeitet in
Amsterdam und New York. In
Amsterdam leitet er das Büro
Zaanen Spanjers Architects mit
Schwerpunkt in Bauten für die Kul-
tur und öffentlichen Innenräumen,
deren Arbeit vielfach ausgezeich-
net wurde, u.a. mit dem Archi-
tectural Record Interiors Award.
Kees Spanjers war Präsident des
European Council of Interior
Architects (ECIA) und kooptier-
tes Vorstandsmitglied der Inter-
national Federation of Interior
Architects/Designers (IFI). Er ist
Past President und heute Ehren-
mitglied des Berufsverbands der
niederländischen Innenarchitekten
(BNI) sowie Verfasser zahlreicher
Fachbeiträge und Mitglied interna-
tionaler Gremien und Jurys.
JOHANNES STUMPF, geb. 1963,
lebt und arbeitet als freier Architekt
in Berlin. Sein Büro beschäftigt sich
schwerpunktmäßig mit dem Bauma-
nagement komplexer Neubau- und
Denkmalpflegeprojekte und berät
im internationalen Rahmen Institu-
tionen und Unternehmen zu Fragen
der Nachhaltigkeit im Bauwesen.
Als stellvertretender Vorsitzender
des Landeswettbewerbsausschus-
ses der Architektenkammer Berlin
engagiert er sich seit 2007 im
Wettbewerbs- und Vergabewesen.
Seit 2008 entwickelt er im Rahmen
der internationalen Zusammenar-
beit in der Entwicklungshilfe unter
anderem in Rumänien und Georgien
Konzepte für die Schulung lokaler
Energieauditoren. Als Fachautor
ist Johannes Stumpf für eine Reihe
deutschsprachiger Architekturzeit-
schriften tätig.
DR. MARINA-ELENA WACHS, geb.
1966, ist Diplom-Industriedesi-
gnerin, Damenschneidermeisterin
und Schnittdirektrice und arbeitet
als interne Unternehmensberate-
rin, freie Autorin, Kuratorin sowie
Dozentin an Design- und Kunst-
hochschulen. Sie promovierte
2003–2007 an der Hochschule
für Bildende Künste (HBK) Braun-
schweig interdisziplinär in den
Bereichen Design und Kunstwis-
senschaften über das Thema des
Umgangs mit Materialien in Design,
Kunst und Architektur (Material
Mind, Hamburg: Dr. Kovac Verlag,
2008). 2010 wurde sie als Professo-
rin für Designtheorie an die Hoch-
schule Niederrhein berufen. In einer
Zusammenarbeit von Architekten,
Lichtplanern und Designern arbeitet
sie in den Bereichen Leuchten- und
Möbeldesign. Marina-Elena Wachs
engagiert sich in Fachverbänden
und -vereinigungen wie dem Deut-
schen Mode- Institut (DMI), dem
netzwerk mode textil, der Deut-
schen Gesellschaft für Designtheo-
rie und -forschung (DGTF) und der
britischen Design History Society.
Zahlreiche Vorträge und Publikati-
onen, darunter Nachhaltiges Textiles
Design / Sustainable Textile Design,
Hamburg: Schaff-Verlag, 2013.
DR. THOMAS WELTER , geb. 1969,
ist Bundesgeschäftsführer des
Bundes Deutscher Architekten
(BDA). Er studierte Volkswirt-
schaftslehre und Nordamerika-
studien an der Freien Universität
Berlin, war als freier Mitarbeiter am
Deutschen Institut für Wirtschafts-
forschung (DIW) Berlin sowie als
Lehrbeauftragter an verschiedenen
Lehreinrichtungen tätig. Nach der
Promotion im Fach Wirtschaftswis-
senschaft zum Dr. rer. pol. im Jahr
2000 wurde er Referent für Wirt-
schaft in der Bundesarchitekten-
kammer e.V., 2002 Geschäftsführer
der verbandseigenen D.A.V.I.D.
Deutsche Architekten Verlags- und
Informationsdienste GmbH und
war zuständig für das Netzwerk
Architekturexport (NAX). Zahlrei-
che Moderationen, Vorträge und
Publikationen.
LILIANE WONG , geboren in Hong-
kong, ist Professorin und Vorsit-
zende des Fachbereichs Interior
Architecture an der Rhode Island
School of Design, wo sie seit 1998
lehrt. An der Graduate School of
Design der Harvard University
schloss sie ihr Architekturstudium
mit dem Magister ab und machte
zuvor den Bachelor in Mathematik
am Vassar College. Als eingetra-
gene Architektin praktiziert sie in
Boston, Massachusetts mit ihrem
eigenen Büro MWA mit Schwer-
punkt Bibliotheksbau; das Biblio-
theksmöbelsystem Kore hat sie mit
entwickelt. Vor dem Hintergrund
ihrer ehrenamtlichen Mitarbeit in
Suppenküchen betont sie in der
Lehre das öffentliche Engagement
von Architektur und Design.
Liliane Wong ist Mitbegründerin
und Mitherausgeberin des Int|AR
Journal, das die praktische und aka-
demische Erkundung nachhaltiger
Umgebungen durch beispielhafte
Umnutzungen zum Thema hat.
Mir sind alle Bücher zu lang. Voltaire