Innenräume Entwerfen

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Die Gestaltung von Innenräumen steht an der Seite der anderen entwerfenden Fachgebiete als Aufgabe für alle, die sich mit der gebauten Umwelt befassen. Ein internationales und interdisziplinäres Autorenteam stellt in diesem Werk die vielfältigen Aspekte aus den verschiedenen Bereichen des innenarchitektonischen Entwerfens dar. Die dafür herangezogenen Projektbeispiele wurden einheitlich für alle Kapitel des Buches ausgewählt und repräsentieren alle wichtigen Bauaufgaben wie auch ein breites Spektrum maßgeblicher Entwurfshaltungen. Ein Grundlagenwerk für die gestaltende Arbeit in Interiordesign und Innenarchitektur. ISBN 978-3-0346-1579-2

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Page 1: Innenräume Entwerfen
Page 2: Innenräume Entwerfen

Verlag und Herausgeberin danken den folgenden Firmen

für ihre Förderung dieses Buchs:

AGROB BUCHTAL

burgbad

nora systems GmbH

Sto AG

Trevira GmbH

Lektorat: Andreas Müller, Berlin

Layout, Covergestaltung und Satz:

Rein Steger, Proxi, Barcelona

Umschlagmotiv: Transluzenter hinterleuchteter Beton

(Fabrikation Lucem); Foto: Sylvia Leydecker

Übersetzung aus dem Englischen (Kapitel Cys, Wong, Lefteri,

Grau, Hamilton sowie die Vorworte): Steffen Walter,

Falkensee bei Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publika-

tion in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bib-

liografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de

abrufbar.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch

begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des

Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen

und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der

Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in

Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugs-

weiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses

Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall

nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urhe-

berrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig.

Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen

unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.

Dieses Buch ist auch in englischer Sprache erschienen

(ISBN 978-3-0346-0680-6 gebunden,

ISBN 978-3-0346-1302-6 broschiert).

© 2013 Birkhäuser Verlag GmbH, Basel

Postfach 44, 4009 Basel, Schweiz

Ein Unternehmen von De Gruyter

Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei

gebleichtem Zellstoff. TCF ∞

Printed in Germany

ISBN 978-3-0346-1579-2 gebunden

ISBN 978-3-0346-1300-2 broschiert

9 8 7 6 5 4 3 2 1

www.birkhauser.com

In diesem Buch werden etwa bestehende Patente, Gebrauchs-

muster, Warenzeichen u.ä. in der Regel nicht erwähnt. Wenn

ein solcher Hinweis fehlt, heißt das nicht, dass eine Ware

oder ein Warenname frei ist. Aufgrund der Vielzahl der unter-

schiedlichen genannten Materialien und Produkte war eine

jeweilige Prüfung hinsichtlich eines eventuell vorhandenen

Markenschutzes nicht möglich. Im Zuge einer einheitlichen

Handhabung wurde deshalb auf die Setzung von Waren-

zeichen (z.B. ® oder TM) in der Regel verzichtet.

Page 3: Innenräume Entwerfen

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8 Vorwort von Simon Hamilton Simon Hamilton & Associates, International

Director des British Institute of Interior Design (BIID)

9 Vorwort von Kees Spanjers Zaanen Spanjers Architects, Past President

der Dutch Association of Interior Architects (BNI)

Sylvia Leydecker

10 IN BETWEEN – INNENARCHITEKTUR ZWISCHEN ARCHITEKTUR UND DESIGN10 Wahrnehmung

17 Berufsbild

20 Corporate Design im Raum

29 Soziale Komponente

32 Produktdesign

32 Gesamtkonzept

32 Farbe

32 Material

40 Werte

42 Trend

49 Innenarchitektur spiegelt die Ära wider

52 Aufgabentypen

Joanne Cys

62 DIE ENTWICKLUNG EINER DISZIPLIN: LEHRE UND FORSCHUNG IM BEREICH DER INNENARCHITEKTUR

Liliane Wong

66 NACHHALTIGKEIT: BRANCHENSTANDARDS UND INNOVATION67 Nachhaltigkeit durch Branchenstandards

69 Bewertungs- und Zertifizierungssysteme

72 Kritik und Chancen

75 Nachhaltigkeit durch Innovation

76 Bauen im kleinen Maßstab und der Einfluss

von Ökonomie und Ökologie

80 Fallstudie: Vier kleine Projekte in New York

81 Modulare Verfahren

83 Impermanenz

85 Fallstudie: Illy Caffè

87 Fallstudie: Toolbox, Turin

87 Der performative Aspekt: Von der Flexibilität

zur Multifunktionalität

97 Umnutzung

Marina-Elena Wachs

98 YOU HAVE TO BE INSPIRED… MODE, MUSIK, KUNST UND WISSENSCHAFT ALS INSPIRATION 98 Was bedeutet “Gestalt/-gebung” und was

verstehen wir unter “Qualitäten“

101 Inspiration: Zwischen Emotion und Funktion

101 You have to be inspired… by music

102 You have to be inspired… by art

103 You have to be inspired… by fashion

114 You have to be inspired… by science

INHALT

Page 4: Innenräume Entwerfen

6

Michael Catoir

120 LEBENSQUALITÄT120 Quality – the quiet revolution

128 Raumqualität: Ordnung, Unordnung,

Gliederung, Wegeführung

132 Mikro-Stress im Hotel: Do it simple do it stupid136 Wohnen: Von der Stube zum Wolkenkratzer

und zurück

142 Wohn- und Arbeitsqualität: The glory of bore150 Emotionalität: Anythings goes, but…

Chris Lefteri

156 ETABLIERTE MATERIALIEN157 Glas

161 Holz

172 Metall

Chris Lefteri

176 WEGE DER MATERIALINNOVATION176 Stimmung

180 Schutz

181 Wohlbefinden

182 Akustik

182 Hochleistungsmaterialien

182 Dynamische dekorative Oberflächen

185 Kundenindividuelle Fertigung

185 Ökologische Verantwortung

Chris Lefteri

186 RAUMBILDENDE OBERFLÄCHEN187 Licht als Werkstoff

193 Lichtdurchlässiger Beton

193 Garn spinnen

193 Wiederverwertung

Chris Lefteri

198 TEXTILE UND ANDERE GEWEBE199 Wolle

201 Dreidimensionale Textilien

201 Im Laserschnittverfahren hergestellte Textilien

201 Holztextilien und textiles Holz

203 Metallgewebe

203 Intelligente Hybridgewebe

Sylvia Leydecker

204 NANOTECHNOLOGIE IN DER INNENARCHITEKTUR205 Was ist Nanotechnologie?

209 Reinigung (fast) von selbst

211 Verbesserte Raumluftqualität

211 Hocheffiziente und schlanke Dämmung

211 Verringerter Wärme- und Kühlbedarf durch

Speichermedien

212 Elegante und visionäre Bauformen

durch UHPC

212 Weitere Anwendungen

212 Energieeffizientes Licht:

superflach und flexibel

214 Lack und Licht

214 IT

Peter Ippolito

216 ÄSTHETISCHE QUALITÄTEN VON LICHT, RAUMLUFT UND AKUSTIK217 Licht – ein sinnlicher Baustoff

220 Qualitäten des Lichts:

Von Richard Kelly bis heute

226 Licht ist Emotion

230 Lichtdramaturgie

234 Kulturelle Bezüge von Licht

237 Licht und Alter

239 Lichtdesign stiftet Identität

241 Raumluft, ein unsichtbares Gestaltungsmittel

241 Komponenten von Raumluftkonzepten

242 Raumluft und Nachhaltigkeit

242 Raumluft und Innenarchitektur

244 Akustik – ein ästhetisches

Gestaltungsmittel

244 Facetten der Akustik

246 Akustik ist Wohlbefinden

248 Akustik ist Kommunikation

250 Akustik-Design und Innenarchitektur

Beispiele für den Einsatz der technischen

Gestaltungsmittel:

253 Kantine der SPIEGEL-Gruppe in Hamburg

254 Pausenfoyer des Palace of International

Forums in Taschkent

Mark Blaschitz

256 MEDIEN258 Die Medien und die Bildenden Künste

262 Zu Hause im Cyberspace

264 Topologische Transformationen

und Interspaces

266 Vom Interface zum Interspace

272 Von der intelligenten Technologie zur

intelligenten Typologie

Page 5: Innenräume Entwerfen

7

Lars Grau

276 INFORMATIONSTECHNOLOGIE278 Smart Home

279 Standardisierung and Nutzererfahrung

279 Anwendungen im Wohnbereich

281 Öffentliche Bauten und Gewerbebauten

286 Sinnvoll und einfach

Johannes Stumpf

288 TECHNISCHE SYSTEME289 Wärme

290 Elektrizität und Signale

290 Wasser, Gase, Luft

290 Heizungsanlagen

290 Wärmeerzeugung

291 Wärmeverteilung

292 Wärmeabgabe

292 Kühlung

292 Kälteerzeugung

293 Verteilung und Übergabe

293 Lüftungsanlagen

294 Feuchte und Temperatur

294 Luftwechsel

294 Gesundheit und Nutzungskomfort

294 Grundsätzliche Anlagenkonzepte

295 Dezentrale versus zentrale

Anlagenkonzepte

296 Das Kanalnetz

297 Raumlüftungssysteme

297 Luftdurchlässe

298 Sonnenschutz

298 Aktiver versus passiver Sonnenschutz

298 Abwasseranlagen

299 Gasanlagen

299 Wasseraufbereitung

299 Warm- und Trinkwasseranlagen

300 Elektrische Anlagen

300 Zentrale Energieerzeugung und -verteilung

300 Dezentrale Energieerzeugung

300 Schnittstellen im Gebäude

301 Wie die Dinge zusammenkommen:

Messen, Steuern, Regeln

301 Die Feldebene

301 Die Automationsebene

301 Die Managementebene

302 Brandschutz

302 Das Brandschutzkonzept

303 Der bauliche Brandschutz

303 Der anlagentechnische Brandschutz

Johannes Stumpf

304 BAUEN IM BESTAND: BARRIEREFREIHEIT UND DENKMALSCHUTZ305 Barrierefreiheit

310 Denkmalschutz

321 Zwei denkmalpflegerische Konzepte: Neues

Museum und Alte Nationalgalerie, Berlin

Johannes Stumpf

326 PROJEKTMANAGEMENT

Thomas Welter

330 INNENARCHITEKTUR OHNE GRENZEN330 Herausforderungen

332 Voraussetzungen

332 Leistungen

334 Erste Schritte

334 Ausblick

Simon Hamilton

339 WIE INTERNATIONAL IST UNSERE ARBEIT?

348 Nachwort und Dank

349 Literatur, Messen, Verbände und

andere Useful Links

350 Über die Herausgeberin und die Autoren

352 Abbildungsnachweis

REGISTER

355 Register der Gestalter und Autoren

356 Register der Projekte

358 Register der Bauaufgaben

361 Ortsregister

362 Profile

Page 6: Innenräume Entwerfen

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VORWORT SIMON HAMILTON

Simon Hamilton & Associates,

International Director des British Institute of Interior Design (BIID)

Die Tätigkeit im Bereich der Innenarchitektur ist ein großes Geschenk – und eine in ständigem Wandel begriffene Erfahrung. Während des Studiums wird uns vermittelt, dass man alles erschaffen könne und wir unsere Ideen beharr-lich weiterverfolgen sollten. Danach kommt die Realität ins Spiel. Dennoch bin ich nach wie vor überzeugt, dass es trotz der Grenzen, die durch Budgets, Gesetze und Normen, Vorgaben des Auftraggebers und enge Zeitpläne gesetzt werden, möglich ist, inspirierende, innovative und individuelle Ideen umzusetzen.

In den bisher mehr als zwei Jahrzehnten im Interior Design bin ich in verschiedenen Auf-gabenbereichen tätig gewesen – Arbeiten, Hotel, Gastronomie, Büro, Messen und Aus-stellungen, Wohnen und Gesundheit. Über alle unterschiedlichen Anforderungen hinweg sind die Grundelemente des Entwurfsprozesses stets dieselben.

Auf dem internationalen Markt kommt es dar-auf an, dass die zu erschaffenden Entwürfe relevant sind, angemessen und dabei ihrer Verantwortung gerecht werden. Meine Auf-gaben als International Director des British Institute of Interior Design haben mich in die glückliche Lage versetzt, viele andere Desi-gner und Designergruppen auf der ganzen Welt persönlich treffen zu können. Über alle kulturellen und sprachlichen Unterschiede hinweg gibt es zwischen all diesen Vertretern des Berufsstandes eine große Gemeinsamkeit: die vertrauten Probleme, Schwierigkeiten und Hindernisse, vor denen wir alle stehen. Das ist erleichternd und frustrierend zugleich. Die Bot-schaft, von der wir alle überzeugt sind und die wir immer wieder vermitteln möchten – dass Interior Design etwas Gutes bringt und unser Leben bereichert – wird nicht immer gehört.

Deutlich wurde mir während meiner Reisen der immer drängender werdende Wunsch, zur „Szene“ des Interior Design zu gehören. Unzählige Veranstaltungen in Ländern wie Indien, Singapur, Russland, Brasilien und China machen das klar. Dort ist man fest entschlos-sen, etablierten Messen wie dem Salone Inter-nazionale del Mobile in Mailand, der Neocon in Chicago, der Orgatec in Köln, der 100% Design in London oder Maison et Objet in Paris zu folgen. Droht eine Überfülle an Design?

Unser im globalen Maßstab wachsendes Inter-esse am Interior Design bringt es mit sich, dass er heutzutage zunehmend als etwas Sinnstif-tendes wahrgenommen wird. Zwar hält sich das Image der billigen Lösung noch immer hart-näckig, jedoch zeigen sich die Medien heute besser informiert und nehmen eine etwas weni-ger zynische Haltung ein. Die Bedeutung und der Einfluss guten Designs sind weithin aner-kannt, insbesondere im Einzelhandel und im Hotel- und Gastronomiesektor. Ziel einer jeden Geschäftstätigkeit ist die Verbesserung der Gewinnsituation, und gerade hier kann gutes

Design einen entscheidenden Beitrag leisten. Die für Kunden geschaffenen Erlebnisse – sei es in Fast-Food-Ketten, Grand-Hotels, Flug-hafenlounges, Einkaufszentren, Kinos oder Restaurants – werden sorgfältig geplant und gesteuert. Dies gilt für Arbeitsplätze ebenso wie für Unterhaltungsenvironments.

Unsere Lebenszeit verlängert sich, unser Lebensstandard verbessert sich, das weckt Erwartungen. In den Schwellenländern verfügt die Mittelschicht mittlerweile über die nötigen finanziellen Mittel, will dabeisein und ersehnt Veränderungen. Rasch entstehen neue Städte, Bahntrassen, Häfen und weitere Infrastruk-tur – aber zu welchen langfristigen Kosten? Unsere menschliche Natur lechzt nach Wandel und Fortschritt, und wir wissen, dass dieser unaufhaltsam ist. Wir sollten aus den Fehlern der Vergangenheit mit teilweise übertriebe-nen Wachstums- und Nachfrageprognosen lernen. Angesichts einer Rezession bislang ungekannten Ausmaßes in einem Großteil der Welt verharren wir gegenwärtig im Zustand der Angst oder gar Panik.

Gestaltung kann Menschen zusammenbrin-gen und ein besseres Leben ermöglichen – mag dieser Standpunkt auch utopisch sein. Mit dem Wachstum der Weltbevölkerung auf über 7 Milliarden Menschen rückt die Erfüllung von Grundbedürfnissen zunehmend in den Vordergrund. Nahrung, Wasser und Wohnraum sind in einigen Ländern noch immer nicht gang und gäbe; Entwurfslösungen können auch hier einiges beitragen. Bei wiederholten Reisen nach Indien vermochte ich die allgegenwär-tige Armut kaum mit den in oftmals nur zehn Minuten entfernten Luxushotels stattfinden-den Präsentationen mit üppigem Catering zu vereinbaren. Einerseits gibt es im Land ein umfassendes Programm für Wachstum und Entwicklung, andererseits können sich ange-sichts der Dimension dieser Aufgabe spürbare Veränderungen erst nach längeren Zeiträumen einstellen. Indien ist nicht das einzige Land, das sich ein solches nationales Entwicklungsziel auf seine Fahne geschrieben hat.

Innenraumgestaltung steht hier in der Ver-antwortung, die Lebensqualität für die breite Bevölkerung zu verbessern und dabei das Leben unseres Planeten Erde zu verlängern, statt ihn zu zerstören. Politische und wirt-schaftliche Interessen können das Unterfangen „Nachhaltigkeit“ leicht vom Kurs abbringen. Dennoch gibt es eine Reihe von Ländern, dar-unter Abu Dhabi, Australien und Singapur, die eine Vorreiterrolle auf dem Gebiet der Ökolo-gie übernehmen, statt sich nur in Lippenbe-kenntnissen zu ergehen.

Als Botschafter des britischen Designs habe ich beim internationalen Austausch auch wahr-genommen, wie sehr die britische Ausbildung und Kreativität in diesem Bereich weltweit bewundert und gewürdigt wird, in Chicago

oder Neu Delhi, in Paris oder Toronto, sogar in Mailand und insbesondere in Japan, was in gewisser Weise den großen Erfolg von Paul Smith in diesem Land erklären mag.

In welchem Bereich der Innenarchitektur wir auch arbeiten, die zugrunde liegende Auf-gabe ist stets dieselbe: Wir beginnen mit einer Vorstellung, einer Vision, etwas Einzigartiges, Schönes, Bedeutsames zu erschaffen, das zu einer Verbesserung des Bestehenden beizu-tragen vermag. Für einen kurzen Zeitraum zu einem Teil des Lebens oder Unternehmens Anderer zu werden, kann eine Herausforderung darstellen, aber auch lehrreich, bereichernd und inspirierend sein. Der Begriff der „Reise“ hierfür mag klischeebehaftet sein, beschreibt jedoch am treffendsten die Abfolge der Schritte, die den Planungs- und Entwurfspro-zess kennzeichnen. Gerade im internationalen Raum kommt es ganz wesentlich darauf an, zur „Seele“ des Entwurfs vorzudringen. Der internationale Erfolg führender britischer Designer wie Sebastian Conran, Tricia Guild, David Linley, Paul Smith oder Lee Broom beruht auch auf ihrem Verständnis des jeweiligen lokalen Mark-tes. Noch wichtiger ist, dass sie mit Kompetenz, Humor und persönlicher Note eine Botschaft aussenden und eine Identität schaffen.

Die Anziehungskraft sowohl altehrwürdiger wie auch maßgeschneiderter Produkte und Innenräume steht im Widerspruch zu unserem Bedürfnis nach vertrauten Marken und Iden-titäten, mit denen wir alltäglich bombardiert werden. Jeder stellt sein eigenes Gleichge-wicht zwischen diesen konkurrierenden Wel-ten her. Eklektische Mischungen scheinen am ehesten dem zu entsprechen, was oder wer wir sind. Der platte, unpersönliche, minima-listische, hochglanzpolierte Stil des ausge-henden 20. Jahrhunderts war mit dem leeren Versprechen verbunden, dass alle am Erfolg einer hochentwickelten Welt mit riesigen finan-ziellen Gewinnen teilhaben könnten. Jetzt, da die Blase wahrhaftig explodiert ist, fühlen wir uns von Ideen und Lösungen mit einem menschlicheren, intimeren Maß angezogen. Ich gehe davon aus, dass Wissenschaft und Design künftig eine viel engere Beziehung eingehen werden, als wir uns gegenwärtig unter der dicken „digitalen Decke“, unter der wir leben, vorstellen können. Um die Funkti-onsfähigkeit der Welt zu erhalten, dürfen wir ihre begrenzten Ressourcen nur sehr vorsichtig nutzen. Es kommt darauf an, neue Techno-logien und Materialien zu entdecken und zu erfinden, die für die künftigen Generationen zugänglich und realistisch anwendbar sind.

Page 7: Innenräume Entwerfen

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Innenräume sind die Architektur der Zukunft. Design und Architektur sind keine Modetrends mehr, vielmehr sollen sie konkrete Antworten auf die Nachfrage der Nutzer und das Bedürf-nis nach Wohlbefinden liefern. Gesundheit, Sicherheit und Wohlbefinden sind zu wich-tigen gesellschaftlichen Themen geworden, nicht zuletzt in der westlichen Welt, wo eine schrumpfende und alternde Bevölkerung zu einem wachsenden Bedarf an individuell und kleinmaßstäblich geplanten Wohnumgebun-gen führt. Besonderes Augenmerk liegt auf Konzepten der Wiederverwertung und der nachhaltigen Entwicklung. Gut konzipierte Innenräume schaffen einen Mehrwert in Bezug auf unsere Wahrnehmung und die Nutzungs-qualität unseres unmittelbaren Wohnumfeldes, für unser Wohlempfinden und unsere Lebens-qualität.

Innenräume sind die Architektur des Wandels. Im Lebenszyklus eines Gebäudes gibt es viele Nutzer und fortlaufende Veränderungen der Sichtweisen und Präferenzen. Ein Gebäude ist nie fertig; jeder Nutzer hat die Möglichkeit, ihm seine jeweils eigene Geschichte hinzuzufügen. Innenarchitekten/Interior Designer geben der nachhaltigen Modernisierung von Gebäuden eine Form. Unter Bewahrung der besonderen, oft einzigartigen architektonischen Qualitäten sorgen wir dafür, dass sich Generation um Generation im Gebäude zu Hause fühlen kann.

Innenräume sind die Architektur der Wahrneh-mung. Ein Faktor, der die Wertschätzung unse-res Umfeldes maßgeblich bestimmt, ist die Zeit. Das Zusammenspiel von Hell und Dunkel hat genau wie der Wechsel der Jahreszeiten eine entscheidende Wirkung auf die Wahrnehmung eines Innenraums. Auch Modeströmungen und Trends spielen eine wichtige Rolle. Wir fühlen

uns vom Neuen stimuliert, kultivieren aber auch das Bekannte und Vertraute. Grenzerwei-terung ist ein einzigartiger Teil der menschli-chen Natur, genau wie das Streben nach Sinn und nach Sicherheit. Auch zeigt sich bei uns das Phänomen der Gewöhnung: Viele Dinge, die uns auf den ersten Blick seltsam oder häss-lich erscheinen, erfahren im Laufe der Zeit grö-ßere Wertschätzung. Dagegen ist die Alterung kein auf den Menschen beschränkter Prozess. Auch Werkstoffe unterliegen Alterung und Verschleiß. In manchen Fällen entsteht daraus eine neue Art von Schönheit, eine geschätzte oder sogar gern nachgebildete Patina.

Innenräume sind die Architektur der emotiona-len Kultur. In einer angenehmen und anregen-den Umgebung zeigen Menschen einen höhe-ren Grad an Engagement und erfahren mehr Freude, Zufriedenheit und Erfolg. Menschen sehnen sich nach Zugehörigkeit, Ausdruck, Erinnerung und Schönheit. Sie möchten sich mit ihrem Umfeld identifizieren. Daher sollte es Raum für Individualität und Selbstausdruck schaffen, was wiederum neue Perspektiven für Improvisation, Spontaneität, Vision und Vorstellungskraft eröffnet. Interaktive Begeg-nungen und ergonomische Qualität sind zen-tral für die Einbindung sozialpsychologischer Aspekte in das Arbeitsumfeld. Das „emotionale Haus“ kann neue Modelle der Effizienz und Pro-duktivität unterstützen. Auch in öffentlichen Innenräumen ist es wichtig, das funktionale Potential von Wahrnehmung zu nutzen und Orte zu schaffen, die wünschenswertes Verhal-ten fördern. Menschen sind leicht zu beeinflus-sen, aber sie wollen ernst genommen werden.

Innenräume sind die Architektur der Kulturge-schichte. Jenseits ihrer Rolle als funktionale Schnittstellen zwischen Nutzer und Gebäude

sind sie Ausdruck unserer kulturellen Identitä-ten und Bestrebungen. Gestaltung und Dekor unserer unmittelbaren Umgebung sind Künste mit langer Tradition. Erhaltene historische Innenräume können uns mehr über die Kultur, die Modeströmungen und Vorlieben an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit vermitteln als umfassende wissenschaftliche Studien. Doch sind sie so selten wie Gemälde der Alten Meister. Innenräume verkörpern die Nutzerseite von Gebäuden, verleihen ihnen Sinn und Wert, doch diese Seite ist zugleich sehr sensibel und vergänglich. Interieurs sind Kulturträger, wir gestalten sie trotzdem oder deswegen häufig um, wenn sie aus der Zeit gefallen scheinen.

Innenräume sind die Architektur der Verant-wortung. Entwerfer nehmen die Folgen ihres Tuns bezüglich Gesundheit, Sicherheit und Wohlbefinden derjenigen in den Blick, die mit hoher Wahrscheinlichkeit das Ergebnis ihrer Arbeit nutzen oder genießen werden. Dieser Blickwinkel geht weit über Stil- und Dekorfragen hinaus, er erfordert eine fundierte Ausbildung, Berufserfahrung und Offenheit für lebenslanges Lernen. Auch verlangt er nach einer Neigung zu Forschung und Entwicklung. Vor allem aber braucht er Menschenliebe.

Möge dieses Buch Gestaltern bei ihrer Pla-nungs- und Entwurfstätigkeit eine große Hilfe sein.

VORWORT KEES SPANJERS

Zaanen Spanjers Architects,

Past President der Dutch Association of Interior Architects (BNI)

Page 8: Innenräume Entwerfen

10

IN BETWEEN –

INNENARCHITEKTUR ZWISCHEN

ARCHITEKTUR UND DESIGNSYLVIA LEYDECKER

Freude an der Arbeit lässt das Werk treff lich geraten.Aristoteles

„Der Mensch im Mittelpunkt“ – ist ein Statement, das

auch im Kontext Innenarchitektur regelmäßig anzutref-

fen ist, denn die Wirkung der räumlichen Umwelt auf den

Menschen ist enorm. Alle wissen räumliche Qualität zu

schätzen – sei es durch die reine Aufenthaltsqualität oder

Erleichterung der Arbeitsabläufe. Die innenarchitektoni-

sche Gestaltung beeinflusst das seelische Empfinden und

das daraus resultierende Verhalten der Menschen. Sie kann

eine Haltung vermitteln, Vertrauen und Geborgenheit aus-

strahlen, Sicherheit geben, Angst reduzieren, entspannen,

aufmuntern und trösten. Sie wirkt sich auf die Arbeitsmo-

tivation aus, kann sorgsamen Umgang oder aber Vanda-

lismus befördern, beruhigen oder nervös machen, kann

beflügeln oder auch deprimieren. Die räumliche Gestaltung

und Atmosphäre beeinflussen zweifellos Verhalten und

Wohlbefinden sämtlicher Beteiligter.

WAHRNEHMUNG

Innenarchitektur wird von der Öffentlichkeit zwischen den

Polen Architektur und Design wahrgenommen. Dabei wird

sie gerne auf das Einrichten von luxuriösen Villen fokussiert,

ihr Bild wird von TV-Interior-Formaten geprägt, und auch

die Populärpresse bedient ein entsprechendes Klischee.

InnenarchitektInnen1 werden häufig mit Interior Designern

verwechselt, als „Innen-Designer“ missverstanden und,

insbesondere im internationalen Kontext, auf die Rolle

von „Decorators“ reduziert. Innenarchitektur bedeutet

als Ganzes aber etwas anderes, etwas, wodurch professi-

onelle Innenarchitekten sich von den genannten Klischees

unterscheiden. Sie verfügen zunächst einmal mindestens

über ein fundiertes Studium und bearbeiten ein breites

Aufgabenspektrum, das deutlich über die besagten Luxus-

villen hinausgeht.

Innenarchitektur liegt in einem Grenzgebiet, in dem einer-

seits Architekturbüros auf einem angestammten Feld der

Innenarchitektur, dem Bestand, planen und andererseits

Design-Agenturen den Entwurf lukrativer Marken-Interiors

übernehmen. Dieser für die Profession erst einmal prob-

lematische Zustand zeigt aber auch: Innenarchitektur ist

mehr denn je gefragt.

Dreh- und Angelpunkt der innenarchitektonischen Arbeit

ist der Entwurf. Die Entwürfe sind meist durch individuell

unterschiedliche Ausprägungen der Gestaltung geprägt:

durch eine persönliche Handschrift. Das kreative und intel-

lektuelle Potenzial stellt sich in ein und derselben Entwurfs-

aufgabe immer unterschiedlich dar. In der Praxis muss jeder

Page 9: Innenräume Entwerfen

11

Climbing de luxe:

Die Kletterwand im

Fitnessclub spielt

mit dem Standort

in Tokios Mode-

Stadtteil – Klettern

an Interior-Elementen

wie Bilderrahmen,

Spiegeln, Vasen und

Hirschköpfen.Illoiha Omotesando Fitness Gym,

Tokio, Japan; Nendo

professionell Arbeitende klar Position beziehen, wie sie

oder er sich selbst und die eigene Berufsausübung definiert.

Innenarchitekten besitzen die Kompetenz und das Know-

how, die Qualität der Innenarchitektur vom Privathaus bis

zum Konzern zukunftsfähig zu gestalten. Die Bandbreite

der Tätigkeit im Bereich Innenarchitektur ist sehr groß

und reicht vom Möbeldesign, dem Produktdesign für die

Industrie, über das Bauen im Bestand bis hin zum Neubau

von Gebäuden.

Wer gibt der Innenarchitektur in der breiten öffentlichen

Wahrnehmung ein Gesicht, welches sind zeitgenössische

Innenarchitektur-/Interior Design-Ikonen? Spontan fallen

einem dazu vielleicht Philippe Starck und Andrée Putman

ein, weiterhin als globale Design-Popstars auch Karim

Rashid oder Marcel Wanders: ersterer als Universalgenie

von der Nudel bis zum Hochhaus, die Zweitgenannte als

Grande Dame der Innenarchitektur, die beiden letzteren

als Produktdesigner, die auch im Bereich Interior tätig

sind. Des Weiteren Büros wie Concrete und Nendo oder

Kelly Hoppen oder Shiro Kuramata mit ihren zeitgenössi-

schen Interiors und Eileen Gray als historischer Meilenstein

und frühe Protagonistin der Innenarchitektur. Die Anzahl

der „Ikonen“ ist im Vergleich zu denen der Architektur

sehr überschaubar; die Innenarchitektur-Szene ist derzeit

nicht adäquat in der öffentlichen Darstellung positioniert.

Zwar gibt es mehr als genug Coffee-Table-Bücher und

Populärmagazine, sie weisen jedoch allesamt eine Tendenz

zur Dekoration auf und die dargestellten Interiors stammen

von allen möglichen Urhebern vom (Innen-)Architekturbüro

über den Interior Designer hin zu Non-Professionals, „der

Gattin von Mr. Wichtig“ oder dem ambitionierten Künstler-

Ehepaar. Kissenknicken de luxe im Eigenheim.

Im Vergleich zu Architeken befinden sich Innenarchitekten

deutlich in der Minderzahl – gute Innenarchitekten sind

ein rares, kostbares Gut. Innerhalb der Profession sind

insbesondere im Studium Frauen im Vergleich zu anderen

Branchen zwar relativ stark vertreten, dies ändert sich spä-

terhin aber im Kontext von Kind und Karriere, da der Spa-

gat zwischen beidem nur schwer zu leisten ist. Der daraus

entstehende Mangel an Innenarchitektinnen kommt leider

keiner Stärkung des Berufsstandes zugute. Stattdessen

entspricht dem Klischee der „Barbie als Innenarchitektin“

zuweilen, je nach Objektgröße, die Auffassung von Innen-

architektur als einer Art „Damenprogramm“. → 17

Page 10: Innenräume Entwerfen

76

Ab in die Kiste: Jugendherberge

mit Naturanschluss, viel Kiefernholz

und Grün.Jugendherberge „Haus Untersberg“,

Berchtesgaden, Deutschland;

LAVA – Laboratory for Visionary Architecture

BAUEN IM KLEINEN MASSSTAB UND DER EINFLUSS VON ÖKONOMIE UND ÖKOLOGIE

Seit Ende des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts

erleben zahlreiche Industrieländer eine postindustrielle

Krise. Insbesondere Europa und die Vereinigten Staaten

sind aufgrund der globalen Finanzkrise mit einer ökono-

mischen Rezession konfrontiert. In dieser Situation ist die

Knappheit der natürlichen und finanziellen Ressourcen

eine der wichtigsten Fragen, auf die Gestaltungen reagie-

ren müssen. Wird das Thema der Nachhaltigkeit in der

Entwurfspraxis aus einer vorwiegend produktbezogenen

Perspektive betrachtet, wird es aufgrund der „gefühlten“

zusätzlichen Kosten häufig erst einmal als wirtschaftlich

nachteilig erachtet.

Früher nur von Kostenplanern praktiziert, sind Reduzie-

rungen von Projektumfang und -größe zu einer weithin

anerkannten Vorgehensweise im Sinne der Nachhaltigkeit

geworden. Bei kleineren Projekten ergeben sich in der

Regel niedrigere Bau- und Instandhaltungskosten und

ein geringerer Energieverbrauch in der Bau- und Nut-

zungsphase und damit eine Senkung der CO2-Emissio-

nen, die letztlich zu einer günstigeren CO2-Bilanz führen.

Eine Verkleinerung ist jedoch nicht notwendigerweise mit

geringeren Anforderungen an das Raumprogramm und die

erforderlichen Funktionen gleichzusetzen. Das Bauen im

kleinen Maßstab ist vielmehr mit besonderen Entwurfs-

aufgaben verbunden, da ein Mehr an Funktionen in einem

kleineren Baukörper untergebracht werden muss.

Kleine Bauten müssen flexibel ausgelegt sein, damit sie

denselben Funktionsumfang wie größere Bauten gewähr-

leisten. Aus historischer Sicht ist die Flexibilität der Grund-

rissplanung ein Ergebnis der Erfindung der Koksverhüttung

im 18. Jahrhundert und ihres Einflusses auf die Geschichte

der modernen Architektur. Die Massenproduktion von Eisen

führte Mitte des 19. Jahrhunderts zur Entwicklung der Stahl-

industrie – ein existenzieller Schritt, der eine Unabhängig-

keit von rein an der Lastabtragung orientierten Bauweisen

bedeutete. Die Einführung des Stahlskelettbaus veränderte

die Definition des Raumes nachhaltig, so dass die zuvor für

die Innenraumgestaltung bestehenden Beschränkungen

aufgrund der begrenzten Spannweiten der Tragglieder

wesentlich gelockert wurden. Im Zuge der allgemeinen

Akzeptanz des Stahlskelettbaus im Bauwesen trat an die

Stelle der Ende des 19. Jahrhunderts üblichen klassischen

Grundrissplanung mit einer Abfolge streng formaler Räume

die neue, freie Raumplanung, bei der zahlreiche Funk-

tionen innerhalb eines einzigen undefinierten Raumes

gleichzeitig erfüllt werden konnten. Die Auswirkungen die-

ses Wandels auf die moderne Grundrissgestaltung haben

Le Corbusier und Pierre Jeanneret 1927 in ihrem Manifest

„Fünf Punkte zu einer neuen Architektur“ in Architecture Vivante beschrieben und im Entwurf des „Domino-Hauses“

dargestellt.13 Nahezu ein Jahrhundert später ist diese Frei-

heit und Flexibilität Herzstück der Aufgabe des Bauens im

kleinen Maßstab.

NACHHALTIGKEIT

Page 11: Innenräume Entwerfen

77

Flexibilität in der Nutzung:

Vorhang auf und zu.Büroausbau “Blaue Fabrik“, Thalwil, Schweiz;

ateliersv Innenarchitektur

Der 1972 fertiggestellte Nakagin Capsule Tower von Kisho

Kurokawa in Tokio ist in seiner Quintessenz der Vorläufer

des kompakten, dabei jedoch auch umweltschonenden Ent-

werfens. Das Projekt umfasste zwei Hochhäuser, die jeweils

140 vorgefertigte „Kapseln“ aufnahmen. Für jede Kapsel

sah der Entwurf bereits Einbaumöbel, ein Bad, einge-

baute Haushaltsgeräte sowie eine TV- und Audioanlage

vor, um die Bedürfnisse eines einzelnen Bewohners zu

erfüllen. (Mehrere Bewohner oder Familien konnten meh-

rere Kapseln verbinden.) Als Reaktion auf den sowohl im

Gewerbe- als auch im Wohnbereich bestehenden chroni-

schen Platzmangel in Tokio sollte dieses Projekt Wohn- und

Büronutzungen ermöglichen. Der Erfolg des kompakten

Grundrisses von 58 m2 beruhte auf seiner räumlichen Fle-

xibilität, die die Umsetzung der verschiedenen benötigten

Funktionen ermöglichte. Im Unterschied zum traditionellen

Grundriss, in dem den einzelnen Räumen jeweils eigene

Funktionen zugewiesen wurden, erfüllte hier jeder Raum

gleichzeitig viele Funktionen.

NACHHALTIGKEIT DURCH INNOVATION

Page 12: Innenräume Entwerfen

78

Baulücken und schmale Gebäude mit wenig

Fläche erfordern andere als herkömmliche

innenarchitektonische Lösungen.Smalste woning van Antwerpen, Antwerpen, Belgien; sculp(IT)

Die Hinwendung zum Kleinen ist heute ein klar erkenn-

barer Trend. Dies gilt sowohl für den Gewerbe- als auch

für den Wohnungsbau. Beim Entwurf von Wohnungsbau-

projekten stehen die heutigen Nachfolger der kompakten

Apartments des Nakagin Capsule Tower für eine Abkehr

von den „McMansions“ – übergroßen Vorstadthäusern,

deren Maßstab und Ästhetik nicht zu ihrem Umfeld passen.

Die meisten kompakten Wohngebäude von heute zeichnen

sich durch die Effizienz und Flexibilität ihrer freien Grund-

rissgestaltung aus. Ein solide konzipierter Entwurf leis-

tet die Erfüllung aller programmatischen Anforderungen

durch Multifunktionalität. Das von Forschern und Planern

in London und an der Technischen Universität München

entworfene micro compact home (m-ch) veranschaulicht

mit 7 m2 Nutzfläche diesen Ansatz. Das m-ch ist ein Wür-

fel mit 2,66 m Kantenlänge, der in seinem Entwurf an die

Körpergröße des Menschen und den für die grundlegen-

den Tätigkeiten im Haushalt benötigten Raum angepasst

ist. Es wurde insbesondere für Studenten und Urlauber

geplant und verfügt über zwei Doppelbetten, Stauraum,

einen Schiebetisch mit Platz für bis zu fünf Personen, ein

Bad und eine voll ausgestattete Küche. In einer Niedrige-

nergieversion wird das m-ch mit Strom aus Solarzellen

und einem Windrad versorgt. Wird es nicht mehr benö-

tigt, kann das m-ch recycelt werden und die Materialien

können für einen neuen „Wohnwürfel“ verwendet werden.

Die Ökobilanz – unter Berücksichtigung der Materialien,

Bauweise, Herstellung und des gesamten Lebenszyklus von

der Anlieferung bis zur endgültigen Entsorgung – ergab,

dass die Niedrigenergieversion des m-ch das Potenzial

eines „Nullemissionshauses“ aufweist.14

Viele neue Entwürfe kompakter Wohngebäude streben

den Status eines „Nullenergiehauses“ an. Daneben rückt

jedoch zunehmend die Verringerung der Umweltauswir-

kungen durch einen „intelligenteren“, weniger belastenden

Lebensstil in den Fokus. Das ist in der heutigen Konsumge-

sellschaft ein anspruchsvolles Ziel. Das Projekt sculp(IT),

ein viergeschossiges Wohn- und Bürogebäude in Antwer-

pen, verschreibt sich jedoch genau diesem Ansatz des

„Weniger ist mehr“. Gelegen auf einem nur 2,40 m breiten

Grundstück, beherbergt das Gebäude auf jeder Etage eine

andere Funktion: Büro, Küche, Schlafzimmer und Bad.

Anders als das micro compact home, in dem ein einziger

kompakter Raum mehrere Funktionen erfüllt, übernimmt

hier jeder der winzigen Grundrisse die ihm zugedachte

Funktion. Ermöglicht wird das durch einen spartanischen,

ja geradezu minimalistischen Ansatz.

NACHHALTIGKEIT

Page 13: Innenräume Entwerfen

79

Wasser, Luft, Natur.

Nachhaltigkeit kontra

Umweltverschmutzung

bewegt die Welt

und hier China im

Besucherzentrum für

den Qinhu Wetland

Nationalpark.Besuchererlebniszentrum im

Qinhu Wetland Nationalpark,

Jiangsu, China; TRIAD

NACHHALTIGKEIT DURCH INNOVATION

Page 14: Innenräume Entwerfen

80

Eine lange Theke zieht sich

durch den Hot-Dog-Laden...DASH Dogs, New York City, New York, USA;

LTL Architects

….während hier die Wände

als gestalterisches Element

und Stauraum dienen.XOCOLATTI, New York City,

New York, USA; de-spec

Materialbeschränkung und

reduzierte Ausstattung fassen den

kleinen Raum angenehm.INI ANI Coffee Shop, New York City, New York, USA;

LTL Architects

FALLSTUDIE: VIER KLEINE PROJEKTE IN NEW YORK

Kleine Räume und begrenzte Budgets – die Planung von

Gewerberäumen ist aufgrund der jüngsten Wirtschaftskrise

dieser doppelten Beschränkung unterworfen. Einige Archi-

tekten und Innenarchitekten begreifen diese Begrenzung

jedoch als Chance. Drei von dem in New York ansässi-

gen Büro LTL Architects geplante Restaurantprojekte in

Manhattan sollen hier als Beispiele dienen, um beengte

räumliche Verhältnisse als Ausgangspunkt für innovative

Entwurfsansätze zu verdeutlichen: der Ini Ani Coffee Shop

hat eine Fläche von 33 m2, das Dash Dogs 20 m2 und das

Restaurant Tides 39 m2.

NACHHALTIGKEIT

Page 15: Innenräume Entwerfen

81

„Statt diese Beschränkungen durch formale oder logisti-

sche Anstrengungen zu umgehen, führt ihre Zuspitzung

zu einer intensiven Untersuchung der definitiven architek-

tonischen Grenzen.“15 In der Wahrnehmung der Gegeben-

heiten als Chance für „generative Lösungen“ akzeptieren

diese Entwürfe die vorgegebenen Beschränkungen und

verlagern den Schwerpunkt der planerischen Tätigkeit.

Hier bestanden die Grenzen sowohl in einem durch die

Abmessungen der Gebäudehülle eingeschränkten Rau-

mangebot als auch in wirtschaftlichen Notwendigkeiten

hinsichtlich der Schaffung einer größtmöglichen Zahl an

Plätzen, der Erschließung und der Funktionsräume. In allen

hier vorgestellten Fällen wurde ein einfach strukturierter

Grundriss gewählt, um die programmatischen Anforderun-

gen optimal zu erfüllen: im Restaurant Tides eine Tischreihe

mit integrierten Bänken; im Ini Ani Coffee Shop sparsam

angeordnete Sitzplätze zur Differenzierung der verschie-

denen Aktivitäten in der Café-Lounge; im Dash Dogs eine

einzige, gerade Theke in strategischer Position, um den

Kundenverkehr vom Eingang über das Bestellfenster zum

Mitnahmepunkt und schließlich zum Ausgang zu leiten.

Die Untersuchungen zu den Entwürfen konzentrieren sich

stattdessen auf die Innenverkleidung, die Wände und die

Fußboden- und Deckenflächen, die für die Erfüllung der

Raumfunktionen nicht erforderlich sind. Diese Flächen die-

nen gewissermaßen als „Folie“ für Innovationen und werden

als homogene „Innenmembranen“ statt als Oberflächen

aufgefasst, welche auf verschiedene Arten behandelt wer-

den können. Im Ini Ani Coffee Shop wurden zwei getrennte

„Volumina mit behandelten Oberflächen“ konzipiert – eines

bestehend aus in einen Stahlkäfig gepressten Streifen aus

Wellpappe, das andere verputzt mit Kunststoffdeckeln von

Kaffeebechern. In einem einzigen offenen Raum dienen

diese Komponenten zur Definition der unterschiedlichen

Atmosphären des Lounge-Bereiches mit seinen eher auf

sich selbst bezogenen WLAN-Nutzern und der Bedientheke

mit ihrem lebhaften Kundenverkehr und Straßenverkauf.

Im Dash Dogs ist der Kundenbereich nur halb so breit wie

tief. Hier dient eine im Raum angeordnete Membran dazu,

physische und optische Ordnung in einem Ladenlokal mit

hohem Kundenaufkommen zu schaffen. Diese Membran

besteht aus einer Reihe von Stahlbändern, die von der

geneigten Decke zum ebenso geneigten Fußboden durch-

laufen, mit Anklängen an mechanische Personentrans-

portsysteme. Im Restaurant Tides wurde an der Decke des

Raumes eine wellenförmige topografische Landschaft aus

„Seegras“ geschaffen, die aus Bambusstäbchen besteht.

An den gläsernen Eingangstüren angebrachte Lichtleitfo-

lien verzerren die von den Gästen wahrgenommene Pers-

pektive und lenken so zusätzliche Aufmerksamkeit auf die

sinnliche Wahrnehmung sich verschiebender Oberflächen.

Ein vergleichbares Beispiel für die im Einzelhandelsbereich

mögliche Flexibilität der Innenraumgestaltung ist das Xoco-

latti, eine in SoHo in Manhattan (New York) ansässige Scho-

koladenmanufaktur. In einem 14 m2 großen, rechteckigen

Schaufenster bilden Wände aus übereinandergestapelten

grünen Schokoladenschachteln eine innenliegende Mem-

bran. Diese aus teils geschlossenen, teils zur Präsentation

der Süßigkeiten offenen Schachteln bestehenden Wände

erfüllen gleichzeitig mehrere Funktionen: Sie sind Tapete,

Auslage, Lager und kinetisches Kunstobjekt. Durch den

Verkauf der Schokoladenpackungen verändert sich das

Aussehen der Wand und spiegelt so die an einem Tag

verkauften Produkte wider.

Im Rahmen des Bauens im kleinen Maßstab versuchen sich

Architekten und Innenarchitekten an immer komplexeren

und erfindungsreicheren Lösungen für den Entwurf des

kompakten Baukörpers. Klein bemessene Bauten sind zwar

bereits wegen ihrer geringen Größe nachhaltig, diese Art

der Effizienz ist jedoch nicht ihr einziger Vorteil. Im Jahr

2010 lud das Londoner Victoria and Albert Museum sieben

internationale Architekten ein, im Museum kleine Bauten

im Maßstab 1:1 zu entwerfen und zu realisieren. Daraus

entstand die Ausstellung 1:1 – Architects Build Small Spaces,

welche die Gestaltung kleiner Räume feierte. Sie unter-

suchte „kleine Bauten und deren Möglichkeiten, Vorstel-

lungen der Alltagserfahrung und des privaten Raumes zu

definieren und zu unterstützen.“16

MODULARE VERFAHREN

Die Energieeffizienz des m-ch und anderer heute auf dem

Markt verfügbarer kompakter Wohneinheiten beruht zu

einem Großteil auf ihrer modularen Bauweise und Vor-

fertigung. Als Verfahren wirkt die Modularität erfolgreich

Entwurfs- und Bauprozessen mit hohem Abfallaufkommen

entgegen. Moderne kompakte Wohngebäude sind haupt-

sächlich modular aufgebaut. Wie die Nakagin-Kapseln, die

ebenfalls vorgefertigt in ihre Einbaulage gehoben wurden,

werden sie bereits im Werk produziert und dann an ihren

Bestimmungsort transportiert. Der ökologische Ansatz

des kleinen Bauens verbindet sich hier mit den Vorteilen

der Vorfertigung: Reduzierung von Abfallstoffen und Bau-

schutt, auf ein Mindestmaß beschränkte tragende Funda-

mente und eine geringere Menge an grauer Energie – alle

diese Faktoren tragen zu einer günstigeren CO2-Bilanz und

zu einer Verringerung der Umweltbelastungen bei.

NACHHALTIGKEIT DURCH INNOVATION

Page 16: Innenräume Entwerfen

82

NACHHALTIGKEIT

Page 17: Innenräume Entwerfen

83

Material und Textur stehen im Vordergrund,

wenn 80.000 Bambusstäbchen auf engstem

Raum platziert werden – poetisch schön.Restaurant TIDES, New York City, New York, USA; LTL Architects

Die modulare Bauweise wird bisher am häufigsten bei

neuen Wohngebäuden eingesetzt. Ihre Vorteile zeigen sich

nun aber auch im Bestand im Fall modularer Modernisie-

rungen. Bei groß angelegten institutionellen Bauvorhaben

mit hohem Wiederholungsgrad führt die Verwendung von

Modulen bei der Gebäudesanierung zu einer ökonomisch

und ökologisch vorteilhaften Situation. So wurden bei

der Modernisierung der Haustechnik in einem Studen-

tenwohnheim die Nasszellen im Werk vorgefertigt und

durch die Fenster des Gebäudes in ihre Einbauposition

gebracht. Dieses Verfahren des Austausches „Alt gegen

Neu“ führte zu einer deutlichen Reduzierung der Abfall-

mengen und der Bauzeit. Auf individueller Ebene kann

durch den Einsatz von Modulen für die Modernisierung – wie

des Modular In-Home Office – ein Raumes innerhalb eines

Raums geschaffen werden. Mit dem Ziel, die Heizkosten in

Heimbüros zu minimieren, bietet das Modul eine innovative

Low-Tech-Lösung zur Realisierung einer Zonenheizung.

Nach dem Gewächshaus-Prinzip besteht die Einheit aus in

Dämmstoff eingeschlagenen Holzrahmen, die als Wände

für einen in den Wohnraum eingefügten Büroraum dienen.

Die Modulkonfiguration nimmt auf kreative Weise die Geo-

metrie eines vorhandenen Fensters auf. Dabei dient das

Fenster als Wärme- und Frischluftquelle, und es wird eine

separate Be- und Entlüftungszone innerhalb des Wohnge-

bäudes geschaffen, wobei ein einziger Bereich gezielt auf

natürliche Weise beheizt wird.

IMPERMANENZ

Seit Beginn der globalen Finanzkrise sind leere Schau-

fenster in Städten in der ganzen Welt zu einem vertrauten

Anblick geworden. Im geschrumpften Immobilienmarkt hat

sich ein Trend zu unbeständigen Unternehmenskonzepten

entwickelt. Temporäre und mobile Läden haben in den

Einzelhandel Einzug gehalten. Sie bieten den Unterneh-

men unterschiedliche Möglichkeiten, den Markt zu testen,

ohne dabei Verpflichtungen zur Zahlung einer Miete in

erheblicher Höhe einzugehen. So können Produkte ohne

nennenswerte Bau- und Einrichtungskosten verkauft wer-

den. Außerdem können sich Unternehmen, die bisher nur

im Online-Bereich aktiv sind, für kurze Zeit eine reale Prä-

senz verschaffen oder sich in 1-a-Lagen einen temporären

Standort sichern. Für Vermieter bietet sich die Chance,

Mieteinnahmen zu generieren und in ansonsten leerste-

henden Immobilien die Werbewirksamkeit zu erhöhen.

Temporäre Bauten sind gut geeignet für den Einzelhandel,

dessen Planung ohnehin von einer kurzen Nutzungsdauer

ausgeht. Der kürzere Nutzungszeitraum der temporären

Einrichtungen trägt aus ökonomischer und materieller Sicht

zu einer Reduzierung der für Errichtung und Instandhaltung

aufgewandten Energie bei.

Solche nur vorübergehend eingerichteten Geschäfte haben

in jüngster Zeit stark an Popularität gewonnen und sind

auch unter der Bezeichnung „Pop-up-Läden“ bekannt

geworden. Dabei ist das Konzept der temporären Läden

nicht neu. In der Vergangenheit wurden Ladenlokale für

den Verkauf saisonaler Produkte lediglich in den entspre-

chenden Monaten betrieben. So waren beispielsweise

Geschäfte für den Verkauf von Weihnachtsartikeln nur

in den vier Wochen vor Weihnachten geöffnet. Dieses

am Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage orien-

tierte Konzept wurde im Zuge der Wirtschaftskrise auf

den allgemeinen Einzelhandelsmarkt zugeschnitten. In den

Vereinigten Staaten verzeichnete man im ersten Halbjahr

2011 im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg der Zahl der

Pop-up-Geschäfte um 14 %.17

Der temporäre Charakter der Pop-up-Läden ist häufig

mit einem begrenzten Budget verbunden. Diese finanzi-

ellen Beschränkungen haben zur Entwicklung kreativer,

neuartiger Nutzungen von verbreiteten Materialien, Fer-

tigungsverfahren und Ausführungen geführt. So dienten

zum Beispiel die zahlreichen Dokumenten-Archivboxen

als Muster, Textur und Farbgebung für ein Pop-up-Ge-

schäft für Herrenmoden. Für eine drei Tage dauernde

Werbe-Aktion einer Bekleidungskollektion bildeten 154

Paar Strümpfe, die von der Decke bis zum Boden und in

den Regalen übereinander arrangiert waren, eine Art Höh-

lenlandschaft aus textilen Stalaktiten und Stalagmiten. Die

in London eingerichtete temporäre Buchhandlung Fold-

away Bookshop nutzt die Trageigenschaften von Karton

optimal: Durch Aufeinanderstapeln und Ineinanderfalten

entstanden Wände, Regale und Mobiliar. Nach der Nutzung

wurden die verwendeten Materialien des Buchladens alle

wiederverwertet.

Die Begeisterung für Pop-up-Läden hat dazu geführt, dass

dieser Trend mittlerweile auch im hochpreisigen Einzelhan-

del angekommen ist. In jüngst eingerichteten Pop-up-Ge-

schäften werden Produkte von Designern wie Kate Spade

und Prada präsentiert. Diese Pop-up-Designerläden stehen

jedoch unter keinem Umsatzdruck, vielmehr wird der tem-

poräre Charakter als Merkmal ihrer Exklusivität genutzt

und als neue Form des Marketing eingesetzt. So wurde

das Pop-up-Geschäft von Prada in Paris mit erheblichem

finanziellem Aufwand der Brücke Pont Mirabeau nach-

empfunden. Diese Entwicklung birgt neue Aufgaben für

Architekten und Innenarchitekten, da auf diese Weise

Produkte vom Kaffee bis zur Krawatte beworben werden

sollen. Projekte dieser Art sind in der Regel von kleiner

Dimension, mit großzügigem Budget ausgestattet und zu

Experimentierfeldern von Entwurfsstrategien geworden,

welche die Grenzen der Flexibilität erweitern.

NACHHALTIGKEIT DURCH INNOVATION

Page 18: Innenräume Entwerfen

84

Mit billigstem

und äußerst

reduziertem

Materialeinsatz

ist diese

Boutique zur

Raumskulptur

mutiert.Temporärer Concept-

Store für die Kollektion

von Arnsdorf Opticks,

Melbourne, Australien;

Edwards Moore

Out of the box:

Modulare Bauweise,

effizient und

praktisch.RIBA Foldaway Bookshop,

London, England; Campaign,

Claire Curtice Publicists

NACHHALTIGKEIT

Page 19: Innenräume Entwerfen

85

Schiffscontainer, auf Knopfdruck

motorisiert und mit komplett

recyclingfähiger Ausstattung als

Pop-Up-Cafébar.Push Button House – Illy Caffè, Biennale Venedig,

2007, Italien; Adam Kalkin

FALLSTUDIE: ILLY CAFFÈ

Die jüngste Entwicklung des Filialisten Illy ist ein gutes

Beispiel für diese neuen Pop-up-Läden. Zur Bewerbung

von Illy Caffè, einer italienischen Gourmet-Espressomarke,

wurde in Europa und in den Vereinigten Staaten eine

Reihe temporärer Geschäfte eingerichtet. Im Rahmen einer

Partnerschaft mit der Stiftung der Biennale di Venezia ist

Illy jährlich mit einer besonderen Werbe-Aktion auf der

Biennale vertreten. Hierfür richtet das Unternehmen ein

temporäres Café mit entsprechender Markenpräsentation

ein. Auf der im Jahr 2007 veranstalteten 52. Biennale

hatte diese Installation die Form eines voll ausgestatteten

Schiffscontainers mit Küche, Esszimmer, Bad, Schlafzim-

mer, Wohnzimmer und Bibliothek, der sich auf Knopfdruck

öffnete. Das vollständig aus recyclingfähigen Materialien

hergestellte Café vermittelt eine Entwurfshaltung, die auf

Anpassungsfähigkeit von Raum und Material setzt.

NACHHALTIGKEIT DURCH INNOVATION

Page 20: Innenräume Entwerfen

216

Space illumination:

Die Installation vereint

Lichtprojektion und

Grafik, Licht und Sound

zu einem ästhetischen

Ganzen.Installation BBASS, Gent, Belgien;

SAQ Architects

Page 21: Innenräume Entwerfen

217

Licht, Raumluft und Akustik als Gestaltungsmittel? Oft

genug als bloße funktionale Notwendigkeit wahrgenom-

men, bietet die Integration des technischen Ausbaus, des-

sen ästhetische Ausdrucksmöglichkeiten sich nicht auf den

ersten Blick erschließen, faszinierende Gestaltungsmög-

lichkeiten. Licht, Raumluft und Akustik unterstützen durch

ihre Gestaltung die Führung, Zonierung und Schichtung

eines Raumes und können Atmosphäre und Aussage eines

Raumes maßgeblich mit prägen.

Die Bandbreite der Gestaltungsmöglichkeiten dieser drei

„Baustoffe“ ist vielfältig. Hierbei ist es wichtig, alle raum-

bildenden Oberflächen wie Möbel, Wand, Boden und Decke

als Gestaltungspotenzial zu nutzen. Besonders die Decke

ist ein oft unterschätzter Gestaltungsraum. Vielfach nur

funktional genutzt, muss ihre Gestaltung als Chance gese-

hen werden, die Identität des Raumes zu beeinflussen.

Als oftmals einzige Fläche, die niemals verdeckt werden

kann, hat sie eine große Bedeutung für die ästhetische

Wirkung des Raumes. Eine innovativ gestaltete Decke kann

Geschichten erzählen, Sehnsüchte, Träume und Wünsche

erwecken oder besänftigen. Sie aktiviert kulturelle oder

persönliche Erinnerungen und schafft so eine Grundlage

für die Aneignung des Raumes durch den Nutzer.

LICHT – EIN SINNLICHER BAUSTOFF

Jenseits seines funktionalen Einsatzes ist Licht eines der

sinnlichsten Gestaltungsmittel des technischen Ausbaus.

In all seinen Dimensionen ist es nicht nur ästhetisches Mit-

tel, sondern ein lebendiger Baustoff, der Räumen Struktur,

Inhalt und Identität – eine unverwechselbare Atmosphäre –

verleihen kann.

Visuelle Erscheinung, Erfahrbarkeit und Formgebung

von Räumen können durch künstliches und natürliches

Licht inszeniert werden. Eine gute Lichtdramaturgie setzt

sich intensiv mit dem räumlichen Kontext auseinander.

Sie schafft Hintergründe, begleitet Sichtachsen, verdeut-

licht Zusammenhänge, stellt Elemente heraus und unter-

stützt die Wahrnehmungshierarchie des Raumes. Licht

macht Räume erst wahrnehmbar. Um das große Potenzial

des Lichts auszuschöpfen, ist es wichtig, die Wirkungen der

unterschiedlichen Qualitäten des Lichts zu kennen. → 220

ÄSTHETISCHE QUALITÄTEN VON LICHT, RAUMLUFT

UND AKUSTIK PETER IPPOLITO

Page 22: Innenräume Entwerfen

218

Into the dark:

Im Rahmen des

Trailerpark-Festivals

wurde die Nacht mit

einem hinsichtlich Licht

und Sound interaktiven

Spot-Sternenhimmel

inszeniert.Black Box Revelation, Kopenhagen,

Dänemark; Re-Make/Re-Model

Architecture

LICHT

Page 23: Innenräume Entwerfen

219

Miaooo: Lichtstimmung in

einer Tierarztpraxis abseits

vom Üblichen.Tierärztliche Klinik für Kleintiere,

Lübeck, Deutschland;

Monz + Monz | Innenarchitektur

und Design

Lines: Lichtbänder definieren

subtil die Raumkonturen.New Office Design für das ICADE Premier Haus,

München, Deutschland; landau + kindelbacher

LICHT

Page 24: Innenräume Entwerfen

220

QUALITÄTEN DES LICHTS: VON RICHARD KELLY BIS HEUTE

Richard Kelly, einer der Pioniere der modernen Lichtge-

staltung und architektonischen Ausleuchtung, der mit

Architekten wie Louis Kahn am Kimbell Art Museum und

Ludwig Mies van der Rohe am Seagram Building zusam-

menarbeitete, setzte unterschiedliche Qualitäten des Lichts

gezielt ein, um Raumelementen die gewünschte Bedeutung

zu geben. Mit seinen zukunftsweisenden Lichtkompositi-

onen prägte er mehrere Generationen von Lichtdesignern

und Architekten. Kellys Erkenntnisse über Architekturbe-

leuchtung, heute ein halbes Jahrhundert alt, sind nach wie

vor gültig. Sein Lichtkonzept visualisiert Emotionen, teilt

diesen Emotionen aber eine Funktion zu. So unterstützt

Licht im Raum beispielsweise nicht nur das Wohlbefinden

des Menschen, sondern ermöglicht auch Orientierung.

Ausgangspunkt von Kellys Lichtkonzeptionen war die

Wahrnehmung des Betrachters. Er verband psychologische

Erkenntnisse mit Erfahrungen aus der Bühnenbeleuchtung.

Der theatrale Stil seiner Lichtinszenierung verlieh dem

Raum neben der ästhetischen auch eine inhaltliche Tiefe

und Bedeutung.

Richard Kelly teilte das Licht in die drei Grundtypen „ambi-

ent luminescence“, „focal glow“ und „play of brilliants“

ein. Der Einsatz dieser drei Grundtypen ist stilprägend

und ermöglicht ein komplexes Raumerlebnis. Gezielte

Lichtakzente visualisieren die jeweilige Besonderheit eines

Raumes und generieren und kommunizieren räumliche und

inhaltliche Informationen.

Die „ambient luminescence“ bildet die Grundlage dieses

Lichtkonzepts. Diffuses Licht ermöglicht dem Betrachter

Orientierung, indem es den Raum mit all seinen Elementen

und Objekten einheitlich und gleichmäßig ausleuchtet und

diesen vollkommen ohne Schatten illuminiert. Bedeutun-

gen, Größenverhältnisse und Formgebung verlieren ihre

Wichtigkeit. Im Fokus dieses Lichts steht der pure Raum,

in seiner geometrischen Dimension. Die „ambient lumi-

nescence“ erweckt ein räumliches Gefühl der Sicherheit.

Im nächsten Schritt erhält der Raum durch den „focal glow“

eine tiefere thematische Akzentuierung und ermöglicht dem

Betrachter eine differenzierte Orientierung, indem wichtige

von unwichtigen Informationen separiert werden. Dieser

Glanz lädt konzeptionell aussagekräftige Raumelemente

durch unterschiedliche Beleuchtungshelligkeitsgrade mit

Bedeutung auf. Dadurch kann die Aufmerksamkeit aktiv

gelenkt und ein Fokus gesetzt werden. Wie ein Spotlight im

Theater kann der „focal glow“ unsere Raumwahrnehmung

ordnen und akzentuieren. Es besteht auch die Möglichkeit,

durch mehrere „focal glows“ innerhalb eines Raumes eine

Bedeutungskette entstehen zu lassen. Der „focal glow“

erleichtert unsere Wahrnehmung.

Das „play of brilliants“ setzt emotional inspirierende

Akzente auf besondere Details des Raumes. Das magische

Licht fängt die Wahrnehmung des Betrachters ein und

setzt brillante Highlights, die die individuelle Besonderheit

eines Raumes visuell erfahrbar machen. Diese Glanzpunkte

kreieren ein lebendiges, thematisch klar strukturiertes

Ambiente – visuell reizvoll, informativ und interessant,

darüber hinaus aber auch funktional logisch aufgebaut.

Es ist der Glanz, der unsere Augen leuchten lässt, indem

es unsere Sinne berührt.

Die drei Funktionen des Lichts lassen sich individuell mit-

einander kombinieren und ermöglichen so einzigartige

Lichtkonzeptionen und Raumwirkungen. Der Lichtdesigner

kann mit dieser Palette der Möglichkeiten jede gewünschte

Facette eines Raumes, eines gewünschten Raumerlebens

und damit der gesamten Innenarchitektur visuell unter-

stützen.

Heute erweitert der Einsatz von LEDs (lichtemittierende

Dioden) durch ihre charakteristischen Merkmale – Wirt-

schaftlichkeit und Minimalisierung in der technischen Aus-

führung – die Gestaltungsmöglichkeiten um ein Vielfaches.

Längst hat sich die LED-Technologie seit ihrem Beginn

in den 1990er Jahren über kritische Vorbehalte hinweg-

gesetzt. Zuerst nur in sehr speziellen Gebieten genutzt,

werden LEDs nun in fast allen Bereichen der Architektur-

beleuchtung und für künstlerische Installationen eingesetzt

und haben seit Kurzem den Weg in den Massenmarkt gefun-

den. LEDs zeichnen sich durch eine lange Lebensdauer

und Energieeffizienz aus. Aufgrund ihrer extrem kleinen

Bauform ermöglichen sie einen hochvariablen Einsatz

und erzeugen im Gegensatz zu allen anderen Leuchtmit-

teln keine UV- und IR-Strahlung. Daher ist das Problem

des Farbverlustes bei beleuchteten Kunstwerken oder

auch bei bestimmten Waren durch den Einsatz von licht-

emittierenden Dioden vollkommen eliminiert. LEDs sind

energieeffizient, bei beachtlichen Helligkeiten mit wenig

Energieverlust und Wärmeerzeugung.

Besonders die gestalterischen Vorteile der LEDs, die mit

keinem anderen Leuchtmittel erzielt werden können, spie-

len in architektonischen Lichtkompositionen eine große

Rolle. Mit lichtemittierenden Dioden können große Flä-

chen kostengünstig mit interessanten visuellen Effekten

inszeniert und zum Leben erweckt werden. Der geringe

Platzbedarf – LEDs sind nahezu auf allen erdenklichen

Oberflächen, Untergründen und geometrischen Formen

anwendbar – lässt neue Freiheiten im Umgang mit archi-

tektonischem Licht entstehen.

Videoinstallationen oder Bildschirme können mit Hilfe von

LEDs nicht nur Räume illuminieren und Lichteffekte kreie-

ren, sondern auch komplexe dreidimensionale Rauminsze-

nierungen schaffen. LEDs ermöglichen ein pulsierendes,

dynamisches räumliches Spiel mit Farbe und Lichtintensi-

tät. Mit Sensoren versehen, visualisieren sie beispielsweise

LICHT

Page 25: Innenräume Entwerfen

221

Dreamland: Das gekonnt

ausgeleuchtete Schlafzimmer

schafft Atmosphäre.Superjacht Numptia; Achille Salvagni Architetti

Drama: Pointierter Lichteinsatz

schafft Theateratmosphäre für

ein anspruchsvolles Bühnenstück,

hier ein Restaurant-Interior.Restaurant Viet Hoa Mess, London, England; Vonsung

dramatische Interaktionen mit den Bewegungen passie-

render Menschen und generieren einen unmittelbaren

Kontakt zwischen Mensch und Raum. So können Flächen

lebendig gemacht und dynamisiert werden und zur drei-

dimensionalen Kommunikation von Inhalten dienen. Der

Einsatz der LED-Technologie erzeugt auf diese Weise neue

interessante Möglichkeiten der räumlichen Wahrnehmung

und Darstellung.

Intelligente Systeme sind in der Lage, einzelne LEDs

zu kontrollieren, um die erwünschte Raumatmosphäre,

Raumfarbe und Farbwärme dynamisch zu steuern. So

kann tatsächlich jeder erdenkliche Inhalt, jede abstrakte

grafische Information visuell dargestellt werden. LEDs,

die grafische Informationen, aber auch Videoinhalte und

Filme darstellen, dienen gleichermaßen der räumlichen

Gestaltung wie auch der Informationsvermittlung und

der Orientierung im Raum. → 226

LICHT

Page 26: Innenräume Entwerfen

244

AKUSTIK – EIN ÄSTHETISCHES GESTALTUNGSMITTEL

Die Akustik ist ein auditives Gestaltungsmittel des techni-

schen Ausbaus, dessen ästhetische Qualitäten sich nicht

vordergründig erschließen. Das scheinbare Paradox, dass

die Akustik nicht nur die auditiven, sondern auch die visuel-

len Sinne anspricht, wird in der zeitgenössischen Gestaltung

von Räumen dekonstruiert. Die Gestaltung des Raumklangs

passt sich den Anforderungen der architektonischen Aus-

sage an und stützt so die thematischen und funktionalen

Inhalte und Formen des Raumes.

Akustik ist ein interdisziplinäres Fach, da es physikalische

und psychologische Prinzipien vereint und Erfahrungen

aus der Materialienkunde aufnimmt. Wichtige Elemente

der Akustik für die Innenarchitektur sind die Entstehung

und die Ausbreitung des Schalls, die Korrelation zwischen

architektonischen Materialien und Schall und die Auswir-

kungen des Schalls auf Räume und auf Menschen.

Der Schall, der durch die Schwingung der Luftteilchen

entsteht und vom Menschen wahrgenommen werden kann,

wird als Luftschall bezeichnet. Menschen, Maschinen und

technische Installationen erzeugen Schallwellen, die sich

als Luftschall über die Luft ausbreiten. Hierbei wird zwi-

schen Nutz- und Störschall unterschieden. Nutzschall

beschreibt Stimmen eines Gesprächs oder wohlklingende

Musik. Verkehrslärm und Maschinenlärm dagegen werden

als Störschall bezeichnet. Architektonische und akustische

Konzepte arbeiten daran, den Störschall zu minimieren

und den Nutzschall zu unterstützen, so dass dieser seinen

Wohlklang optimal entfalten kann.

Schwingungen, die von körperlichen Bewegungen von

Materialien, Körpern und Bauteilen ausgehen, nennt man

Körperschall. Körperschall wird vom Menschen nur sehr

eingeschränkt wahrgenommen. Meist sind es tieffrequente

Schwingungen, beispielsweise ein vorbeifahrender Zug, die

vom Menschen direkt als Sinneseindruck aufgenommen

werden können. Hörbar ist dann nur der sich ausbreitende

Luftschall der Körper. Allerdings können Körperschallan-

regungen, wie zum Beispiel das Gehen auf einem nicht

entkoppelten Boden, Materialien in Schwingungen ver-

setzen. Besitzen diese Materialien eine ausreichend große

Oberfläche, können sie durch ihre Körperschallimpulse

die Luft zum Schwingen anregen. Diese Schwingungen

sind dann vom menschlichen Gehör direkt wahrnehmbar.

Auf diese Weise werden etwa die Gehgeräusche auf einer

Geschossdecke an deren Unterseite akustisch wahrnehm-

bar. Wichtig für Innenarchitekt und Akustikplaner ist, dass

sowohl die Anregung eines Bauteils mit Schallereignissen

als auch dessen Schallabstrahlung durch dessen bauliche

Gestaltung gleichermaßen positiv wie negativ beeinflusst

werden können. Je nach gewünschtem Effekt werden

Schallereignisse durch das Akustikkonzept und das archi-

tektonische Konzept unterstützt, minimiert oder weitest-

gehend eliminiert.

Der Akustik ist eine poetische Komponente inhärent, die

jeder Mensch intuitiv erleben und spüren kann. Alle Ober-

flächen des Raumes reflektieren, absorbieren oder streuen

Schall. Daher besitzt jeder Raum eine individuelle Klang-

qualität, die im Hörer eine subjektive Empfindung auslöst.

Spannend ist es, wenn ein Raum durch einen außerge-

wöhnlichen Klang das Bewusstsein des Menschen auf das

eigene Gehör lenkt. Sehbehinderte Menschen werden sehr

stark durch die räumliche Klangwirkung beeinflusst und

müssen die auditiven Eindrücke mit den Gegebenheiten

des Raumes und seinen Funktionen in einen realistischen

Zusammenhang bringen. Bei der Entwicklung eines akus-

tischen Konzepts sollte bedacht werden, dass der rauma-

kustische Eindruck von den subjektiven Empfindungen des

individuellen Menschen geformt wird.

Technische Entwicklungen eröffnen vielfältige Möglichkei-

ten, akustische Boden-, Decken- und Wandelemente einzu-

setzen, die die Akustik eines Raumes verbessern und dabei

zugleich den Raum auch in visueller Hinsicht bereichern.

Die Symbiose von Akustik und Ästhetik kreiert ein visuel-

les und auditives Raumambiente. Das Zusammenwirken

der Gestaltungsmittel Licht, Raumluft und Akustik erfüllt

den Raum mit einer unverwechselbaren und einzigartigen

Atmosphäre. Die räumliche Funktionalität spiegelt sich

dabei immer im ästhetischen Konzept wider. Es werden

atmosphärische Räume gestaltet, deren Ausdruckskraft

von der Balance zwischen Form und Funktion, Ruhe und

Energie und Dynamik und Ausstrahlung lebt.

FACETTEN DER AKUSTIK

Der Klang der Musik und des gesprochenen Wortes bewegte

die Menschen schon früh, sich mit Akustik auseinanderzu-

setzen, um die Klangqualität spezieller Räume zu verbes-

sern. Bereits im 3. Jahrtausend v. Chr. wurden in China in der

Musik Tonsysteme etabliert, die heute als erste Bearbeitung

akustischer Themen gelten. In der Antike beschäftigte

sich der römische Architekt Vitruv mit der Ausbreitung

des Schalls in Amphitheatern. Er ließ unter jedem Sitz

Tongefäße anbringen, die den Schall tieffrequenter Töne

absorbierten und so die Deutlichkeit der Sprechstimmen

verbesserten. In der Renaissance wurden die Raumwirkung

und die Raumanforderungen differenzierter untersucht,

um die Verbesserung des musikalischen Klangs innerhalb

eines Raumes zu erzielen. Schließlich wurden die vielsei-

tigen akustischen Erkenntnisse ab dem 20. Jahrhundert

verstärkt angewandt, um die Raumakustik zu verbessern

und ein auditives Wohlempfinden zu ermöglichen.

Die Nachhallzeit und die Halligkeit beschreiben die wich-

tigsten akustischen Kennzeichen eines Raumes. Die Zeit-

dauer, die ein Schall benötigt, um in einem Raum zu verklin-

gen, wird als Nachhallzeit bezeichnet. Diese physikalische

Einheit hat Auswirkungen auf den Raumklang und dessen

Qualität. Die Nachhallzeit wird durch das Raumvolumen

und durch den Absorptionsgrad der räumlichen Flächen

beeinflusst. Ein wohlklingendes Akustikkonzept muss die

AKUSTIK

Page 27: Innenräume Entwerfen

245

Musik in der Luft – die

perfekte Akustik sorgt für

vollendeten Genuss und

der kraftvolle dynamische

Schwung scheint

manifestierte Melodie zu sein.J.S. Bach Music Hall, Manchester, England;

Zaha Hadid Architects

AKUSTIK

Page 28: Innenräume Entwerfen

246

Akustik in einem Bürogebäude ist für die

Arbeitsräume genauso Thema wie für

Konferenz- und Empfangsbereiche.New Office Design für das ICADE Premier Haus, München,

Deutschland; landau + kindelbacher

Nachhallzeit an den Raum, seine Größe, seine geometrische

Form und an seine intendierte Funktion anpassen. Ist die

Nachhallzeit beim gesprochenen Wort zu lang, verklingen

einzelne Silben zu lange und überlagern sich. Die Verständ-

lichkeit wird dadurch eingeschränkt, der Zuhörer kann der

Sprache nicht mehr ohne Anstrengung folgen. Bei Musik

bewirkt eine zu lange Nachhallzeit, dass die einzelnen

Klänge so sehr verschmelzen, dass die Musik ihre Brillanz

verliert. Ist die Nachhallzeit zu kurz, trägt der Raum nicht.

Vor allem bei großen Räumen werden dann die hinteren

Bereiche auditiv nicht mehr erreicht, da die Lautstärke zu

gering ist.

Die Halligkeit bezeichnet die Akustik eines Raumes. Sie wird

von der Reflexions- und Absorptionseigenschaft der raum-

abgrenzenden Flächen und Raumelemente beeinflusst

und durch die Dauer der Nachhallzeit charakterisiert. Die

Zeit, die ein akustisches Signal nach dessen Absenden zum

Abklingen benötigt, bestimmt den subjektiven, raumakus-

tischen Eindruck des Hörenden in seiner räumlich-zeit-

lich-akustischen Ausdehnung.

AKUSTIK IST WOHLEMPFINDEN

Eine gute Raumakustik erzeugt ein räumliches Wohlemp-

finden. Sie gibt dem Menschen innerhalb eines Raumes eine

Orientierung, die ihm eine Fokussierung auf das Wesent-

liche ermöglicht.

Die Tatsache, dass die akustische Raumgestaltung nicht nur

unsichtbare Mittel einsetzt, sondern auch ästhetische und

haptische Materialien und Raumelemente verwendet, zeigt

das schöpferische Potenzial dieses Gestaltungsmittels.

Das Faszinierende ist, dass dieser technische Baustoff, der

physikalischen Normen unterliegt, eine sinnliche Kompo-

nente in sich trägt. Betritt ein Mensch einen Raum, nimmt

er diesen mit all seinen Sinnen intuitiv wahr. Stimmt der

akustische Eindruck nicht mit dem funktionalen Raumein-

druck überein, wird dies als störender Faktor empfunden.

Ein Privatraum, der aufgrund seiner Akustik keinen Raum

für eine intime Unterhaltung ermöglicht, wird nicht als

wohnlich erlebt.

Der akustische Klang und dessen Gestaltung unterstrei-

chen auditiv und visuell die Identität eines Raumes. Dieses

identitätsstiftende Element kann jede erdenkliche Räum-

lichkeit widerspiegeln. Eine wohlklingende Raumakustik

„umarmt“ den Menschen und schmeichelt seinen Sinnen.

Akustik vermag geistige, seelische und emotionale Aktio-

nen und Empfindungen in Gang zu setzen. Sie ermöglicht,

erzeugt und strukturiert Wahrnehmungsprozesse, die die

intellektuelle Rezeption von Informationen und emotionale

Eindrücke einschließen.

AKUSTIK

Page 29: Innenräume Entwerfen

247

Die Geborgenheit 

dieser „Höhle“ wird 

durch die gefaltete 

perforierte Oberfläche 

akustisch unterstützt.Wellington Airport International

Passenger Terminal (“The Rock”),

Wellington, Neuseeland;

Studio Pacific Architecture in

Zusammenarbeit mit Warren and

Mahoney

AKUSTIK

Page 30: Innenräume Entwerfen

248

AKUSTIK IST KOMMUNIKATION

Die Akustik ist ein kommunikatives Medium. Ihre mediale

Komponente zeigt sich in der Fähigkeit, ein Kommunikati-

onskanal zu sein und Inhalte zu kommunizieren und selbst

zu bilden. Dies unterstreicht das Potenzial, auf zeitge-

nössische Einflüsse und Bedürfnisse eingehen zu können.

Eine Akustik, die die Funktion des Raumes unterstützt,

ermöglicht eine interaktive, menschliche Kommunikation

und eine Kommunikation zwischen Mensch und Raum.

Eine wohlklingende Akustik erleichtert die intellektuelle

Vermittlung von Informationen. Wenn der Hörende ohne

Anstrengung informative auditive Signale empfangen kann

und irritierende akustische Signale gar nicht erst entstehen,

entspricht die Akustik der Funktion des Raumes.

Flexible Akustikkonzepte ermöglichen innerhalb eines

Raumes variierende, individuelle Nutzungen mit unter-

schiedlichen Ansprüchen an den Raumklang. Innerhalb

eines Raumes können mehrere individuelle Klangqualitäten

durch eine akustische Strukturierung integriert werden.

Akustische Zonen lassen sich so nach inhaltlichen und

funktionalen Aspekten differenzieren und unterschied-

lichen Nutzungsanforderungen anpassen. Eine auditive

Raumatmosphäre, die emotionales Wohlempfinden, intel-

lektuelle Kommunikation, kreatives Arbeiten, aber auch

kontemplative Ruhe ermöglicht, bereichert das Leben um

visuelle, haptische und auditive Inspirationen und verleiht

dem Raum eine emotional erfahrbare Dimension und Tiefe.

Akustikkonzepte müssen auf individuelle Unterschiede der

Menschen eingehen. Wenn beispielsweise innerhalb eines

Raumes ruhige, introvertierte Personen mit lauten, extro-

vertierten Personen arbeiten und kommunizieren sollen,

müssen sich beide Personengruppen in diesem Ambiente

wohlfühlen. Der Akustikplaner sollte dann innerhalb des

Raumes akustische Zonen schaffen, so dass jedem Men-

schen ermöglicht wird, seiner Persönlichkeit entsprechend

zu interagieren und sich wohlzufühlen.

Betrachtet man die Akustik unter kulturell inspirierten

Aspekten, eröffnen sich unterschiedliche auditive Vorlie-

ben und Muster, die wiederum unterstreichen, mit welcher

Sensibilität ein Akustikkonzept entwickelt werden sollte

und wie bedeutend der räumliche, kulturelle, soziale, poli-

tische und gesellschaftliche Kontext ist.

Die Analyse unterschiedlicher Kulturen und Nationen zeigt,

dass es, ohne komplexitätsreduzierende Klischees bedie-

nen zu wollen, teilweise tatsächlich gravierende Unter-

schiede in Temperament und dadurch auch im Empfinden

für Lautstärken in räumlichen Umgebungen gibt. In vielen

Regionen der Welt wird eine hohe Lautstärke als normal,

als Zeichen von Lebensfreude und Dynamik wahrgenom-

men, während dies wiederum in anderen Regionen als

störende Lärmbelästigung empfunden wird. In südlichen

Ländern wird beispielsweise eine lebendige Lautstärke als

raumbildendes, raumcharakterisierendes Element in die

Akustikplanung mit einbezogen oder einfach nicht durch

entsprechende Maßnahmen „bekämpft“. In nördlichen Län-

dern dagegen wird sehr großes Augenmerk darauf gelegt,

dass sich die Akustik der Funktion des Raumes anpasst

und eine meist ruhigere auditive Atmosphäre geschaffen

wird, die keine störende Geräuschkulisse entstehen lässt.

Auch die unterschiedlichen Vorlieben der Menschen in

ländlichen und urbanen Gebieten sollten bei der Planung

einer gelungenen Akustik bedacht werden. Innerhalb der

lauten Geräuschkulisse einer großen Stadt müssen Räume

akustisch anders behandelt werden, als Räume in ruhigen,

ländlichen Gebieten. Sollte in urbanen Räumen der trei-

bende Rhythmus einer pulsierenden Stadt aufgenommen

werden oder sollten eher Inseln der Ruhe und Kontem-

plation erschaffen werden? Erfordern ländliche Regionen

eher dramatische Gegensätze zur Ruhe oder soll sich

genau diese Ruhe auditiv in den Räumen widerspiegeln?

Eine genaue Analyse der erwünschten Zielgruppe und der

funktionalen Ausrichtung von Räumen ist für die Beant-

wortung dieser Fragen elementar wichtig. Regionale und

kulturelle Eigenheiten spielen dabei neben individuellen

Wünschen eine große Rolle.

Der „Baustoff“ Akustik formt Räume und ermöglicht dem

Menschen durch die auditive Zonierung eine bessere Ori-

entierung im Raum. Gerade Arbeitsbereiche mit offenen

Raumstrukturen erfordern Lösungen, die die unterschied-

lichen Bereiche mit dem jeweils passenden Raumklang

versehen, denn nur eine angemessene Akustik fördert

Konzentration und Arbeitsqualität. Die akustikgerechte

Gestaltung des Mobiliars ist wichtig, da so beispielsweise

inmitten eines kommunikativen Raumes durch den Ein-

satz schallabsorbierender Materialien Ruheinseln errich-

tet werden können, die innerhalb eines großen Raumes

Privatsphäre und Bereiche der Kontemplation und Ruhe

ermöglichen. Der Raumklang definiert also unterschiedli-

che Nutzungsbereiche auditiv.

Die offene Raumstruktur moderner Arbeitswelten erfordert

dementsprechend flexibel veränderbare Akustikkonzepte.

Schalldämmkabinen oder akustisch abgeteilte Telefonzel-

len und spezielle Möbel bieten differenzierte Nutzungen.

Ein offener Arbeitsbereich mit kurzen Wegen der Kommu-

nikation und Teamarbeit führt zu einer Geräuschkulisse,

die den Arbeitsprozess oft verlangsamt, anstatt diesen zu

beflügeln. Daher müssen einzelne Raumelemente visuell

und haptisch so gestaltet werden, dass flexible akustische

Räume innerhalb des Arbeitsbereiches entstehen, die Kon-

zentration, Kommunikation, Entspannung, Arbeitsqualität

und Kreativität ermöglichen. In solchen Räumen sollte die

Nachhallzeit kurz sein und schallreflektierende Raum-

elemente sollten mit schallabsorbierenden Materialien

verkleidet werden.

AKUSTIK

Page 31: Innenräume Entwerfen

249

Sprayjob: Rasterdecken-Standard sorgt

für die nötige Akustik – das Mobiliar

billiges Vintage, standard-bürograu

gesprüht, für außergewöhnliches

Office-Design.Office 03, Amsterdam, Niederlande; i29 interior architects Der Konferenzraum verfügt über

die angemessene Akustik.Norton Rose, Frankfurt am Main, Deutschland;

100% interior Sylvia Leydecker

Kopfhörer oder

Baffeldecke – beides

hilft der Hörsamkeit.Google Engineering Headquarters,

London, England; Penson

AKUSTIK

Page 32: Innenräume Entwerfen

250

Akustisch wirksame Paravents.Flex, Sado, Japan; Ply Project – Kenichi Sato, Material –

Takizawa Veneer Co., Herstellung – Takumi Kohgei Co.

AKUSTIK-DESIGN UND INNENARCHITEKTUR

Jede Raumfunktion erfordert ein spezielles Akustikkon-

zept. Ist Sprache oder Musik im Fokus? Soll der Raum

beruhigend wirken? Soll er ein kreatives Arbeitsklima för-

dern oder eher eine konzentrierte ruhige Raumatmosphäre

schaffen? Wird der Raum öffentlich oder privat genutzt?

Erfüllt er nur eine Funktion oder muss er multifunktional

einsetzbar sein? Dies sind einige der Fragen, die bei der

Entwicklung eines Raum- und Akustikkonzepts bedacht

werden sollten.

Einem wohlklingenden Akustikkonzept stehen mannig-

faltige Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung. Je nach

Bearbeitung und Einsatz der akustischen Materialien und

Raumelemente ist die Klangwirkung unterschwellig oder

bewusst wahrnehmbar. Materialien, die die Akustik beein-

flussen, bieten, aus der Restriktion der seriellen Anferti-

gung gelöst, ein großes ästhetisches Gestaltungspotenzial.

Perforierte Oberflächen bieten als wichtiges akustisches

Werkzeug vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, wenn

hinter ihnen Absorptionsflächen untergebracht werden.

Die Gestaltungsmöglichkeiten perforierter Oberflächen

sind enorm. Bereits mit minimalem Aufwand kann eine

unscheinbare Gipskartondecke in ein individuelles Rau-

melement verwandelt werden. Die Perforationen kreieren

hierbei ein Muster, das die Identität eines Raumes maß-

geblich mitbestimmt.

Ebenso spielt die Formgebung einzelner Raumelemente für

die akustische Raumwirkung eine große Rolle. Ebene Flä-

chen etwa streuen den Schall anders als gewellte Flächen.

Harte Oberflächen reflektieren den Schall, während weiche

Oberflächen den Schall absorbieren. Interessant bei der

akustischen Bearbeitung eines Raumes ist das spannungs-

volle Zusammenspiel unterschiedlicher Texturen mit unter-

schiedlichen Klangqualitäten. Der Kontrast verschiedener

haptischer Materialien bietet zahlreiche Möglichkeiten des

Oberflächendesigns. Weich und hart, laut und leise, grob

und fein, Stoffe, Leder, Teppich, Marmor, Holz, Metall:

Solche unterschiedlichen Texturen und Texturqualitäten

beeinflussen in zahlreichen Kombinationsmöglichkeiten

den Raumklang und seine ästhetische Ausformung.

Die Entwicklung eines passenden Akustikkonzepts erfor-

dert einen interdisziplinären Planungsprozess: Architekten,

Akustiker, Elektroplaner, Innenarchitekten, Medienplaner

und Nutzungsplaner sollten in einem frühen Stadium des

Entwurfs ihre Kompetenzen vereinen. Die interdiszipli-

näre Planung verdeutlicht die Komplexität des Baustof-

fes Akustik: Mannigfache Möglichkeiten, mannigfache

Anforderungen. Perforierte Oberflächen, Bespannungen,

Vorhänge, Oberflächenmaximierung, Akustikputz, Raster-

decken, Deckensegel und Baffeldecken sind nur wenige

der zahlreichen Möglichkeiten, die Akustik eines Raumes

zu gestalten und zu lenken.

Ein weiterer ästhetischer Aspekt in der Entwicklung eines

Akustikkonzepts ist die Frage, ob klangliche Elemente

sichtbar oder unsichtbar im Design des Raumes integ-

riert werden. So hat die Formgebung von Wand, Boden

und Decke einen entscheidenden, aber unter Umständen

unmerklichen Einfluss auf die akustische Raumwirkung.

Sichtbar in den räumlichen Ausbau integrierte, akustisch

wirksame Oberflächen können dagegen einen Fokus set-

zen. Das Gleiche gilt für schallabsorbierende, schalldäm-

mende oder schallzerstreuende Materialien: Unsichtbar

im Design eingegliedert, wirken sie auf subtile Weise und

ordnen sich der Gestaltung und der Nutzungsfunktion des

Raumes unter. Sichtbar, in engem Zusammenspiel mit den

architektonischen Elementen, kreieren sie selbst den visu-

ellen Charakter eines Raumes. Die akustische Gestaltung

wirkt dann stil- und raumbildend.

Die akustische Gestaltung des Bodens beispielsweise

ist für eine angenehme Raumatmosphäre von großer

Bedeutung, da der Boden im Gegensatz zur Decke vom

Menschen haptisch erlebt wird. Beim Gehen über einen

harten Bodenbelag produziert der Mensch Töne, die die

Raumakustik beeinflussen. Um diese Töne zu eliminieren,

werden Böden mit absorbierenden Materialien versehen,

die den Schall dämmen. Weiche Teppichbeläge haben eine

schallabsorbierende Wirkung, schmeicheln dem Auge und

vermitteln durch eine angenehme Haptik Gemütlichkeit.

Kein Mensch zieht dann allein durch das Überschreiten

eines solchen Bodens ungewollt die Aufmerksamkeit auf

sich, da der Schall der Schritte fast vollkommen gedämmt

wird. Durch den Einsatz harter Bodenbeläge kann natür-

lich auch der gegensätzliche Effekt erzielt werden und so

der Fokus auf den Boden und den darüber schreitenden

Menschen gelegt werden.

Das Gestaltungsmittel Akustik stiftet Identität, indem es

ein auditives Symbol für die ästhetische und funktionale

Bedeutung eines Raumes entwirft. Über klangliche und

ästhetische Mittel ist die Akustik in der Lage, darüber

hinaus seine Besonderheit zu unterstützen.

AKUSTIK

Page 33: Innenräume Entwerfen

251

Akustisch wirksame

Verkleidungen, die für

vielerlei Arten von Events

funktionieren müssen, in

einem Veranstaltungsraum.Hilton Frankfurt Airport Hotel, Frankfurt,

Deutschland; JOI-Design

Blubb: Die Streuloch­

akustikdecke dieses

Warteraums wurde

als gestalterisches

Element in das Thema

„Unterwasserwelt“

eingebunden.Kinderzahnarztpraxis „Zahnarium”,

Dres. Stammen & Partner,

Grevenbroich, Deutschland;

100% interior Sylvia Leydecker

AKUSTIK

Page 34: Innenräume Entwerfen

252

Im Gespräch: Die Kantine des Verlages

verfügt über eine akustisch wirksame Decke

aus mikroperforierten Aluminiumspiegeln,

auf schallabsorbierendem Trägermaterial

aufkaschiert.Kantine DER SPIEGEL, Hamburg,

Deutschland; Ippolito Fleitz Group

LICHT, RAUMLUFT UND AKUSTIK

Page 35: Innenräume Entwerfen

253

BEISPIELE FÜR DEN EINSATZ DER TECHNISCHEN GESTALTUNGSMITTEL

Eine integrierte Gestaltung der Raumelemente, der kunst-

volle Einsatz von Licht, Raumluft und Ästhetik, eröffnet

neue Perspektiven, indem der Raum über seine Grenzen

hinweg eine endlose Zahl an möglichen Blickwinkeln kre-

iert. Wie hier beschrieben, bewirkt der Einsatz der tech-

nischen Gestaltungsmittel Licht, Raumluft und Akustik,

dass die Aussage von Räumen unterstützt wird und durch

Führung, Schichtung und Zonierung wahrnehmbar gemacht

wird. Darüber hinaus verfügen diese Baustoffe über das

gestalterische Potenzial, Räume mit identitätsstiftenden

Elementen zu versehen. Die folgenden beiden Fallbeispiele

beschreiben die ästhetischen Qualitäten dieser drei Baus-

toffe des technischen Ausbaus näher.

KANTINE DER SPIEGEL-GRUPPE IN HAMBURG

Die Baustoffe Licht, Raumluft und Akustik unterstützen

den besonderen Charakter der Mitarbeiterkantine des

Verlagsgebäudes der SPIEGEL-Gruppe in der Hamburger

HafenCity. Die Deckengestaltung vereint Funktion mit

Ästhetik. Die funktionelle Komponente der Decke ver-

steckt den gesamten technischen Apparat, Sprinkleranlage,

Medientechnik, Licht, Raumluft und Akustik. Die ästheti-

sche Komponente stiftet Identität und schafft einen Bezug

zum Außenraum.

Die Mitarbeiterkantine war und ist – nicht zuletzt auch

wegen ihrer prominenten Lage im Gebäude und der starken

Wirkung nach außen – eine Visitenkarte des Unternehmens

SPIEGEL, die seine journalistische Philosophie genauso

wie seine Gesprächskultur widerspiegelt. Der Grundriss

der Kantine beschreibt einen großen, polygonalen Raum,

dessen starke horizontale Wirkung durch das an zwei

Seiten durchgehende Fensterband noch verstärkt wird.

Wegen der Größe des Raumes galt es den Eindruck eines

monotonen seriellen Aufbaus und von Austauschbarkeit zu

vermeiden. Stattdessen ging es darum, die beim SPIEGEL

über Jahrzehnte gewachsene Gesprächskultur beim Essen

abzubilden. Die Mitarbeiterkantine ist ein Treffpunkt, ein

Ort der Kultur und des informellen Meinungsaustauschs.

Gleichzeitig waren alle funktionalen Aspekte wie Erreich-

barkeit und Übersichtlichkeit zu gewährleisten.

Da der Raum flexibel nutzbar sein muss, bietet sich die

Deckengestaltung als das identitätsstiftende Moment

der Kantine an. Dementsprechend sowie der Assoziation

aus der Lage am Hafen folgend, wurde eine matt schim-

mernde Decke entwickelt, die ähnlich wie Wasser das

Licht reflektiert. Sie besteht aus 4203 im leichten Winkel

zueinander abgehängten Ronden aus mikroperforiertem,

matt geschliffenem Aluminium, kaschiert auf schallab-

sorbierendem Trägermaterial. Die natürliche Lichtatmo-

sphäre in der Kantine reagiert damit auf ihre Umgebung.

Die Decke bietet funktionale Vorteile: Der Bereich über

den Deckentellern wurde samt der notwendigen Haustech-

nikinstallation schwarz ausgeführt und damit unsichtbar

gemacht; Drallauslässe und Sprinkler verschwinden visuell.

Die Oberdecke wurde zusätzlich schallabsorbierend ausge-

führt, um die mikroperforierten Teller in ihrer akustischen

Wirkung zu ergänzen. Die Deckengestaltung vereint somit

ästhetische Aspekte mit funktionalen Aspekten. Sie kre-

iert identitätsstiftende Elemente, nimmt den räumlichen

Kontext der Umgebung auf, verbessert die Akustik durch

den Einsatz schallabsorbierender Materialien und durch

Oberflächengestaltung und schafft einen Glanzpunkt, der

dem Auge durch warme Lichtreflexionen schmeichelt.

Großzügige Lichtschalen zonieren den Raum durch ihre

intensive Farbigkeit. Die Farben sorgen auch an grauen

Tagen für eine positive Atmosphäre im Raum. Durch dimm-

bare Pendelleuchten, die sich direkt über den Tischen

befinden, kann das Beleuchtungsniveau stufenlos reguliert

werden. Am Abend verwandeln sich die Lichtschalen in

indirekt beleuchtete Lichtobjekte. Die Grundstimmung in

der Kantine wird durch das warmweiße „Ambient Light“ der

Pendelleuchten erzeugt. Indirektes Licht in ausgewählten

Pendelleuchten beleuchtet dezent die Taler an der Decke.

Fokussierte Downlights, versteckt in der Decke platziert,

ergänzen durch akzentuiertes Licht die differenzierte, hoch-

wertige Grundstimmung. Deckenintegrierte Wandfluter

erhellen gleichmäßig die Wandflächen. Sie sorgen für ein

ausgewogenes Verhältnis von horizontalen und vertikalen

Beleuchtungsstärken und optimieren das abendliche Raum-

gefühl – auch als Spiegelung in den Glasflächen.

Die runden, kommunikativen Tische bestehen aus einem

schwarz gepulverten Stahlgestell, das in einer weichen

Bewegung aus dem Boden zu wachsen scheint. Als Tisch-

platte wird eine Granitplatte aufgesetzt, die eingelaserte

Rasterung auf der Oberfläche sorgt in Verbindung mit der

Deckenleuchte für blendfreies brillantes Licht.

Die Tische sind in drei großen Gruppen in freier Anordnung

im Raum platziert und setzen so dem polygonalen Grundriss

ein organisches Statement entgegen. Die Bewegungszonen

sind dabei eindeutig erkennbar. In den fugenlosen Boden

aus weißem Terrazzo sind drei Linien eingelassenen: Sie

geben den Tischen entlang der Laufzonen Halt und dem

Raum eine visuelle Struktur.

Entlang dieser Linien ist in vier Bereichen ein abnehmbarer

leichter Raumfilter aus weißen, vertikal abgependelten

Stäben angeordnet, der das Raumluftklima beeinflusst

und visuell ansprechende, transparent abgetrennte Zonen

schafft.

LICHT, RAUMLUFT UND AKUSTIK

Page 36: Innenräume Entwerfen

276

Digitale Vortragstechnologien sind

selbstverständlich.New Office Design für das ICADE Premier Haus, München, Deutschland;

landau + kindelbacher

Informationstechnologie durchdringt alle Lebensbereiche

einer Informationsgesellschaft. In dieser Art von Gesell-

schaft leben die meisten von uns. Daher ist klar, dass

die Informationstechnologie großen Einfluss auf unseren

Alltag hat, wie es sich auch sehr deutlich in der Innen-

raumgestaltung abzeichnet. Die Integration von Medien

und Technologie erfordert eine enge Abstimmung zwi-

schen Architekten, Raumgestaltern, Ingenieuren für die

Automatisierung von Wohngebäuden, Medienfachleuten

und Handwerkern. Da Technologie und Medien immer

weiter in Innenräume, Mobiliar, Gegenstände des täglichen

Gebrauchs, Geräte und Materialien vordringen, erscheint

eine genauere Betrachtung des Einflusses der Informati-

onstechnologie aus Sicht des Innenarchitekten geboten.

Die Informationsgesellschaft „ist eine Gesellschaft, in

der die Produktion, Verteilung, Verbreitung, Nutzung,

Integration und Beeinflussung von Informationen zu den

bedeutenden wirtschaftlichen, politischen und kulturellen

Aktivitäten gehört. Ziel der Informationsgesellschaft ist

die Gewinnung eines internationalen Wettbewerbsvorteils

durch Nutzung der Informationstechnologie auf kreative

und produktive Weise.“1 Dabei beschränkt sich die Infor-

mationstechnologie nicht nur auf das Internet. Vielmehr

ist dies der übergeordnete Begriff für die Verarbeitung

von Informationen und die hierfür erforderliche Hard- und

Software. Auf diesem Gebiet sind auch aktuelle und zukünf-

tige Mensch-Computer-Schnittstellen (Human-Computer

Interfaces, HCI) genauer zu betrachten.

INFORMATIONS-TECHNOLOGIE

LARS GRAU

Page 37: Innenräume Entwerfen

277

Die Informationsgesellschaft, wie sie sich seit den 1970er

Jahren entwickelt hat, führt zu einer grundlegenden Verän-

derung der Art und Weise des Funktionierens von Gesell-

schaften. In den vergangenen vier Jahrzehnten hat die

Informationstechnologie viele Bereiche unseres Lebens

transformiert. Es kam zu einem tiefgreifenden Wandel der

Art und Weise unserer Nutzung digitaler Medien und der

Interaktion mit unserem Umfeld. So hat sich die Gestaltung

von PKW-Innenräumen im Laufe der vergangenen 40 Jahre

im Hinblick auf die Möglichkeiten der Nutzerinteraktion

völlig verändert: Während das Auto noch in den 1970er

Jahren nur über wenige und physische Schnittstellen für

grundlegende Funktionen verfügte, sind die Fahrzeuge

von heute mobile Supercomputer, in denen der Fahrer von

einer überwältigenden Zahl von Steuerelementen umgeben

ist, darunter physische Schnittstellen, Sprachsteuerungen

und berührungsempfindliche Elemente, die in multimodaler

Interaktion zu gleicher Zeit bedient werden sollen. Auch

interagiert das Auto von heute nicht nur mit Geräten wie

beispielsweise Mobiltelefonen; es kommuniziert darüber

hinaus mit anderen Fahrzeugen und Diensteanbietern. Dies

führt unter anderem zu deutlich zuverlässigeren Stauvor-

hersagen und einem höheren Sicherheitsstandard.

Eine der Haupttriebkräfte dieses Wandels ist die fortschrei-

tende Miniaturisierung und Vernetzung von Technologien.

Dies ist es, was heute die Integration der Informations-

technologie in Gegenstände des täglichen Gebrauchs,

in Textilien und andere Materialien ermöglicht. Diese Tech-

nologie entwickelt sich fort von einzelnen, stationären

Geräten, die zurzeit noch unser Leben bestimmen, in eine

Zukunft, in der sie allgegenwärtig und unsichtbar präsent

sein wird als ständig verfügbare virtuelle Umgebung, die

unsere physische Umwelt um neue Aspekte und Funk-

tionen ergänzt. Lösungen mit hohem Integrationsgrad

– wie in Kleidung eingearbeitete Computer – stehen für

diesen Trend. Diese Vision der allgegenwärtigen und tief-

greifenden Informationsverarbeitung ist heute recht gut

verstanden und zu einem breit angelegten Forschungs-

thema geworden: als „Internet der Dinge“. Der Begriff

des Ubiquitous Computing beschreibt eine „unsichtbare,

allgegenwärtige Informationsverarbeitung, die nicht an ein

wie auch immer geartetes persönliches Gerät gebunden

ist, sondern uns überall umgibt.“2 Mark Weiser, Informati-

ker und Forscher am Palo Alto Research Center, sah diese

(R)evolution bereits vor 25 Jahren voraus, als er ausführte:

„Im 21. Jahrhundert wird sich die Technologierevolution

in den Alltag, in das Kleine und Unsichtbare verlagern.“3

Nichts Neues also? Das Neue liegt wohl darin, dass wir

gerade erleben, wie die Utopie tatsächlich zur Wirklichkeit

wird. Viele nehmen diese entstehende Realität in gewissem

Maße als Bedrohung wahr – oder fragen zumindest, ob

wir einen solchen Grad an „Komfort“ wirklich benötigen.

Brauchen wir Kaffeetassen, die uns die genaue Temperatur

der in ihnen enthaltenen Flüssigkeit anzeigen, oder Sitzmö-

bel, in denen wir unsere Mobiltelefone aufladen können?

Klar ist, dass neue Technologien nicht entstehen, weil wir

sie brauchen, sondern weil wir in der Lage sind, sie zu erfin-

den. Die Frage lautet daher: Was ist sinnvoll? Und genau

an dieser Stelle sind Designer gefragt. Ihre Rolle besteht

darin, vorhandene Technologien auf vernünftige Art und

Weise einzusetzen, um die bestehenden Bedürfnisse der

Nutzer zu erfüllen. Klaus Krippendorff führt dazu aus: „Die

Etymologie von Design geht zurück auf das lateinische ‚de‘

+ ‚signare‘ und bedeutet, etwas herzustellen, es durch ein

Zeichen unterscheidbar zu machen, ihm Signifikanz zu ver-

leihen, seinen Bezug zu anderen Dingen, Besitzern, Nutzern

oder Gottheiten zu bezeichnen. Ausgehend von dieser

ursprünglichen Bedeutung könnte man sagen: Design heißt,

Sinn zu stiften (den Dingen Sinn zu geben).“4

Insbesondere auf dem Gebiet der Innenarchitektur eröff-

net die Informationstechnologie bisher ungeahnte Mög-

lichkeiten. Die Technologie kann unseren Alltag positiv

beeinflussen, indem sie seine Qualität steigert, mehr Kom-

fort, Sicherheit und Effizienz schafft und dabei Instand-

haltungszeiten, Kosten und Umweltverschmutzung redu-

ziert. Letztlich hängt aber doch alles vom Nutzer – vom

Bewohner – ab. Technische Systeme werden fortwährend

komplexer, während ihre Bedienbarkeit immer einfacher

werden muss, damit sie von den Menschen angenommen

werden. Diese Binsenweisheit ist eine geradezu logische

Nebenwirkung der Informationsgesellschaft: Die Menschen

sind überfordert angesichts der Menge und Vielfalt an

Informationen und Technologien. Da die Technologie für

den Endanwender auch nicht mehr durchschaubar und

begreifbar ist, benötigt er effiziente, gut funktionierende

Lösungen, weil er zur Reparatur gar nicht mehr in der Lage

ist. Also ist auf der Technologie aufbauender Komfort nötig,

der durch das Design bereitgestellt wird.

See me: Gäste erwarten selbstverständlich

mediale Vernetzung und digitale

Kommunikationsmöglichkeiten während

des Aufenthalts.W Hotel, London, England; Concrete Architectural Associates

Page 38: Innenräume Entwerfen

278

Smart building – die digitale

Kontrolle über das Eigenheim

ist keine Science-Fiction mehr.Flexible Vernetzung im Smart Home mit batterie-

loser Funktechnologie; EnOcean

SMART HOME

Die Innenarchitektur steht gegenwärtig vor der Heraus-

forderung, die physische mit der virtuellen Umgebung

zu verbinden. Die Raumgestalter von heute und – ganz

besonders – von morgen müssen in der Lage sein, sich mit

komplexen technischen Möglichkeiten auseinanderzuset-

zen und in interdisziplinären Teams Gestaltungsaufgaben

wahrzunehmen, die Verbindung und Vernetzung schaffen,

um so den reichhaltigen Nutzererfahrungen im privaten und

öffentlichen Raum und am Arbeitsplatz Sinn zu verleihen.

In den letzten Jahren sind Begriffe wie „Smart Home“

oder „vernetztes Haus“ immer populärer geworden.

Smart-Home-Lösungen oder Systeme zur Automatisie-

rung von Wohngebäuden sollen das Wohnen einfacher

gestalten und mehr Lebensqualität, Komfort und Sicherheit

bieten. Dafür gibt es zahlreiche Anwendungsbereiche.

Eine sinnvolle Unterscheidung kann beispielsweise zwi-

schen „Home-Entertainment“, „Energiemanagement“ und

„Steuerungen im Haushalt“ getroffen werden. Der Bereich

Home-Entertainment erfüllt die Bedürfnisse des Nutzers im

Hinblick auf die Vielfalt der im Wohnumfeld gewünschten

Medien, die in unterschiedlichen Geräten und an mehreren

Orten verfügbar sind. Das Energiemanagement ist auf

Fragen der Nachhaltigkeit, ökologische und ökonomische

Aspekte ausgerichtet: Heizung, Lüftung, Klimatisierung,

Stromverbrauch usw. Das Thema Steuerungen im Haushalt

erstreckt sich auf alle Arten von Anwendungen rund ums

Haus: Sicherheitssysteme, Lichtsteuerungen, elektronische

Helfer im Wohnbereich... Anhand dieser Kategorisierung

wird auch bereits die Hauptaufgabe deutlich: der Bedarf

an Standardisierung.

Wie in vielen anderen Fällen ist auch hier Nordamerika

weltweit der größte Markt mit den meisten Anbietern und

den technisch ausgereiftesten Lösungen. In Europa und

insbesondere in Deutschland sind ganzheitlich ausgerich-

tete Smart-Home-Systeme noch nicht massenmarktfä-

hig geworden, da die Nachrüstung in Bestandsgebäuden

meist als zu aufwändig betrachtet wird. In Europa werden

gegenwärtig nur 20 % der Smart-Home-Lösungen in vor-

handenen Gebäuden installiert, 80 % dagegen in Neubau-

ten.5 Asiatische Anbieter agieren meist als Zulieferer für

Unternehmen in den westlichen Ländern, wohingegen es

auf dem Markt nur wenige europäische und amerikanische

Marken gibt. In diesem Bereich wird China in naher Zukunft

nicht zu den Hauptmärkten gehören, was auch auf kultu-

relle Unterschiede zurückzuführen ist, da beispielsweise

in Amerika der Wunsch nach Sicherheitssystemen viel

stärker ausgeprägt ist als in Europa oder Asien, während

die Einwohner asiatischer Länder drahtlose gegenüber

kabelgebundenen Lösungen bevorzugen.6

Der Smart-Home-Markt wächst und wandelt sich fortlau-

fend mit den steigenden Bedürfnissen der Nutzer im Hin-

blick auf Komfort und vernetzte Lösungen im Wohnumfeld.7

Während er anfangs von Premium-Lösungen dominiert war,

streben nun zahlreiche junge, innovative Unternehmen in

den Massenmarkt und in das Do-It-Yourself-Segment und

bieten einfache, kabellose Plug-and-Play-Produkte an.8

Verschiedenste Anbieter drängen in den Markt. Smart

Home ist und bleibt ein komplexes Thema – insbesondere

für die Anwender. Das Problem liegt wie so oft in der Stan-

dardisierung. Gegenwärtig ist die Smart-Home-Debatte

von technologischen Gesichtspunkten der Standardisie-

rung geprägt. Die nächste echte Herausforderung besteht

jedoch in Bezug auf die Nutzererfahrung: Es braucht einfa-

che, bequeme Anwenderschnittstellen, die für viele unter-

schiedliche Geräte passen.

INFORMATIONSTECHNOLOGIE

Page 39: Innenräume Entwerfen

279

Sturzprophylaxe: Bodenbeläge

sind durch Sensoren und digitale

Kommunikation in der Lage,

zur Sicherheit von Bewohnern

beizutragen, hier indem sie Stürze

registrieren und melden.SensFloor; Future-Shape GmbH

STANDARDISIERUNG UND NUTZERERFAHRUNG

Aus technologischer Sicht ist der Ansatz der „zentralen Intelli-

genz“ am vielversprechendsten: Ein „digitaler Butler“ verfügt

über das Wissen über die im Haus vorhandenen Geräte und

unterschiedlichen Kommunikationskanäle. „Er“ steuert die Ver-

bindung der einzelnen Geräte mit unterschiedlichen Netzwerken,

so dass geräteunabhängige Lösungen unterstützt werden. Bei

diesem Verfahren ändert sich für den Anwender beim Austausch

eines Geräts grundsätzlich nichts. In verschiedenen Ländern

werden gegenwärtig derartige Systeme auf nationaler Ebene

entwickelt. So hat in Deutschland ein Netz von Projektpart-

nern kürzlich einen technologischen Standard mit dem Namen

„SerCho“9 entwickelt – ein softwarebasierter, modular aufge-

bauter „Werkzeugkasten“ zur Integration von Geräten in einem

herstellerunabhängigen Netzwerk.

Natürlich könnte das Hardware-Gerät, das alle anderen im Haus

vorhandenen Geräte mit der Außenwelt verbindet (heute bekannt

als „Router“ bzw. „Internet“), auch diese Funktion übernehmen.

Ein führender Anbieter von Netzwerk-Hardware, Cisco, brachte

kürzlich „CloudConnect“10 auf den Markt, einen Dienst, der dem

Anwender „zu einem beliebigen Zeitpunkt und von einem belie-

bigen Ort aus den Zugriff auf das Heimnetzwerk ermöglicht“ –

Ausgangspunkt für weitere Szenarien des vernetzten Wohnens.

In naher Zukunft wird es keinen übergreifenden internationalen

Standard für Smart-Home-Lösungen geben. Daher kommt es aus

Anwendersicht vor allem auf Interoperabilität und leichte Bedien-

barkeit der Geräte an. Große Technologieunternehmen mit einem

breit gefächerten Angebot an Geräten für den digitalen Lifestyle

neigen dazu, „geschlossene Ökosysteme“ zu entwickeln, in denen

ihre eigenen Geräte sehr gut miteinander funktionieren, während

„fremde“ Geräte ausgeschlossen sind. Solche geschlossenen

Ökosysteme einzelner Anbieter der Smart-Home-Teilsegmente

werden mit großer Wahrscheinlichkeit obsolet. An ihre Stelle tre-

ten offene Plattformen für eine Vielzahl von Geräten, mit denen

Ökosysteme entstehen für die nahtlose, „ubiquitäre“ Vernetzung

von Menschen, Geräten, Häusern und Fahrzeugen.

ANWENDUNGEN IM WOHNBEREICH

In Wohngebäuden kommt mehr und mehr Informationstechno-

logie zum Einsatz, so dass sie die Form von komplexen Gerä-

ten mit enormem Funktionsumfang annimmt. Tom Rodden und

Steve Benford11 beschreiben die Situation dahingehend, dass

„neue Aufgaben hervortreten, die von den an ihrer Planung und

Gestaltung Beteiligten aufgegriffen werden müssen.“ Rodden

und Benford benannten vor zehn Jahren, 2003, drei verschiedene

Kategorien von Geräten für ubiquitäre Anwendungen im Woh-

numfeld: Informationsgeräte („Information Appliances“), inter-

aktive Haushaltsgegenstände („Interactive Household Objects“)

und Möbel mit integrierten Zusatzfunktionen („Augmented

SMART HOME

Page 40: Innenräume Entwerfen

280

Furniture“) – eine sinnvolle Aufgliederung, die auch fast

zehn Jahre später noch schlüssig erscheint: „Informations-geräte sind autarke Geräte, die netzunabhängig sind und

eine spezifische Funktionalität bieten12. Viele solcher Geräte

im Wohnbereich entstanden dadurch, dass interaktive

Funktionen mittels standardisierter Kommunikationsein-

richtungen auf vorhandene Haushaltsgeräte ‚aufgesetzt‘

wurden. Beispiele hierfür sind der Internet-Kühlschrank13,

Handheld-Geräte und andere mobile Geräte14, die spezifi-

sche Formen der Interaktion unterstützen. Interaktive Haus-haltsgegenstände führen interaktive Funktionen mit exis-

tenten Haushaltsobjekten zusammen, um neue Formen der

Interaktion entstehen zu lassen. Diese knüpfen häufig an

den mit den Objekten verbundenen kulturellen Werten an.

Beispiele hierfür sind elektronisch aufgewertete Bilderrah-

men mit neuen Anzeige- und Interaktionsmöglichkeiten15,

die Hinzufügung neuer Kommunikationsfunktionen zu Pinn-

oder Notiztafeln16 sowie Tassen mit Zusatzfunktionen17. In Möbel integrierte Zusatzfunktionen machen Möbelstücke

interaktiv. Zu nennen wären hier der interaktive Tisch

DiamondTouch18 und Konzepte zur Funktionserweiterung

von Schränken19 und Gartenmöbeln20. Die genannten drei

Ansätze unterscheiden sich hinsichtlich der Wahrnehmbar-

keit der digitalen Technologie und der Art und Weise, wie

diese den Bewohnern zur Verfügung steht. Die Technologie

ist bei Informationsgeräten am präsentesten; der Grad der

Wahrnehmbarkeit reduziert sich bei Haushaltsgegenstän-

den und Möbeln mit Zusatzfunktionen.“21

Wohnumgebungen unterscheiden sich in einem wichtigen

Punkt von Geräten und Fahrzeugen: Sie verändern sich mit

den Nutzeranforderungen, sind offen für fortlaufenden

Wandel. Dieser Umstand ist Gegenstand des von Stewart

Brand entwickelten Modells, welches den Entwurfsprozess

um eine interessante Perspektive ergänzt. Zum Verständnis

des Wandels, dem Gebäude unterworfen sind, wird dieser

hier in sechs Schichten klassifiziert: Standort, Tragkonst-

ruktion, Gebäudehülle, Haustechnik, räumliche Anordnung

und Einrichtungsgegenstände (im Englischen „die sechs

S“: Site, Structure, Skin, Services, Space Plan, Stuff).

In diesem Zusammenhang bezeichnet der Begriff des

Standortes „das geografische Umfeld, den Ort und das

juristisch definierte Grundstück, dessen Grenzen und

Zusammenhänge Generationen von Gebäuden überdau-

ern.“ Der Standort bezeichnet eine relativ feste Größe.

Die Tragkonstruktion bezeichnet „die Gründung und tra-

genden Bauteile, deren Veränderung mit hohen Kosten und

Risiken verbunden wäre, also nicht vorgenommen wird.

Diese Elemente ‚sind‘ das Gebäude. Die Lebensdauer der

Tragkonstruktion reicht von 30 bis 300 Jahren.“ Der Begriff

der Gebäudehülle bezieht sich auf „die Außenflächen“, die

„heute etwa alle 20 Jahre verändert werden, um mit der

Mode oder Technologie Schritt zu halten oder instandge-

setzt zu werden.“ Die haustechnischen Anlagen sind der

„Organismus des Gebäudes: Kommunikations- und Elektro-

leitungen sowie Sanitärinstallationen“, ebenfalls mit einer

Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren. „Gebäude werden vor

Ablauf ihrer Nutzungsdauer abgerissen, wenn veraltete

Systeme zu fest mit ihnen verbunden sind, um auf einfache

Weise ausgetauscht zu werden.“ Die räumliche Anordnung

definiert „die Innenraumabfolge – also die Position von

Wänden, Decken, Böden und Öffnungen. Dabei können in

dynamischen Räumen Veränderungen schon im Dreijahres-

rhythmus vorgenommen werden. Eine besonders statische

Umgebung kann über 20 oder 30 Jahre von Veränderungen

unberührt bleiben.“ Die letzte Kategorie der Einrichtungs-

gegenstände ist schließlich einem fortwährenden Wandel

unterworfen: „Stühle, Schreibtische, Telefone, Küchenge-

räte, Lampen, Haarbürsten: alle Dinge, die im Tages- oder

Monatsrhythmus ihren Standort wechseln. Der italienische

Begriff ‚mobilia‘ und das deutsche ‚Mobiliar‘ werden hier

nicht ohne Grund verwendet.“ Brand benennt auch die

Hierarchie dieser Kategorien: „Der Standort dominiert die

Tragkonstruktion, diese die Gebäudehülle, die Hülle die

Haustechnik, diese wiederum die räumliche Anordnung

und letztere die Einrichtungsgegenstände.“22

Für die Errichtung und Instandhaltung dieser sechs Ebe-

nen sind zumeist Fachleute erforderlich, also Architek-

ten, Bauingenieure, Designer, Handwerker und so wei-

ter. Obwohl der Informationstechnologie ab den frühen

1980er Jahren entscheidende Entwicklungen bevorstan-

den, erfasste Brand bereits zum damaligen Zeitpunkt, dass

die einzelnen Ebenen miteinander verzahnt sind und dass

etwa Geräte in der Kategorie Einrichtungsgegenstände

eng mit der zugrunde liegenden räumlichen Anordnung

verbunden sind. Nicht überraschend konzentriert sich die

Innenarchitektur auf Aspekte der räumlichen Anordnung

und der Einrichtungsgegenstände und lässt die Ebene

der Haustechnik beiseite, obwohl gerade sie im Hinblick

auf Interoperabilität und Vernetzung von den aus der

aufkommenden Integration der Informationstechnologie

resultierenden Veränderungen betroffen ist.

In die Innenraumgestaltung sind daher alle drei Schichten

einzubeziehen, um eine überzeugende Nutzererfahrung

zu schaffen, die dem ubiquitären Ansatz in der Wohnum-

gebung entspricht: Haustechnik, räumliche Anordnung

und Einrichtungsobjekte. Dabei definiert die Haustechnik

die technischen Kernfunktionen und dient als Grundlage,

während die räumliche Anordnung eine flexible Infrastruk-

tur für das Funktionieren der Einrichtungsgegenstände

schafft und dabei den Bewohnern Anpassungen an ihre

individuellen Bedürfnisse ermöglicht.

INFORMATIONSTECHNOLOGIE

Page 41: Innenräume Entwerfen

281

ÖFFENTLICHE BAUTEN UND GEWERBEBAUTEN

Im Vergleich zum Wohnen bilden öffentliche und gewerb-

liche Räume einen sehr viel breiteren Anwendungsbereich.

Die Aussagen zur Integration der Informationstechnologie

gelten jedoch auch hier gleichermaßen.

Bei gewerblichen Räumen, insbesondere Unternehmens-

sitzen, muss hier zwischen Einzelhandel und Industrie

unterschieden werden. Während Unternehmenssitze, Schu-

lungszentren und Produktionsanlagen, große Einzelhan-

delsimmobilien, Einkaufszentren und Warenhäuser vorwie-

gend groß angelegte, standardisierte Lösungen für Team-

arbeit, Marketing und Kommunikation erfordern, besteht

gleichzeitig ein großes Potenzial für maßgeschneiderte,

innovative Lösungen des „räumlichen Branding“ – also für

Orte, die den Raum als Medium nutzen, um die Marke des

Unternehmens darzustellen. Oft für Flagship-Stores, Ver-

kaufsräume oder Markengeschäfte entwickelte Lösungen

können ohne Weiteres auch auf das Umfeld von Unter-

nehmensverwaltungen aller Art übertragen werden und

sollten daher für Innenarchitekten, zumal wenn sie sich zu

den „Digital Natives“ zählen, von großem Interesse sein.

Die Markenwerte werden hier auf ganzheitliche Weise

zum Ausdruck gebracht, um die Kundenbeteiligung zu

intensivieren. Innovative Technologie ermöglicht hier eine

Differenzierung von den allgegenwärtigen audiovisuellen

Medien. Dies gilt auch für das Ausstellungs- und Eventde-

sign – für temporäre Räume ebenso wie für institutionelle

Einrichtungen wie Museen.

In öffentlichen Umgebungen zeigt sich ein anderes spezifi-

sches Merkmal: der Bedarf an personalisierten Dienstleis-

tungen. Dies ist der Fall im Gesundheitswesen (beispiels-

weise in Krankenhäusern, Betreuungs- und Pflegeeinrich-

tungen und Arztpraxen, die elektronische Patientenakten

führen und telemedizinische Geräte einsetzen) ebenso wie

im Hotel-, Gastronomie- und Freizeitbereich (in Hotels,

Cafés und Bars, Restaurants, Fitness- und Kureinrichtungen

usw.). Ebenso gilt dies für institutionelle Einrichtungen wie

Ämter, Kreditinstitute, Schulen und Universitäten, Museen

und Kongresszentren.

Die Herausforderung bei der Umsetzung einheitlicher

Lösungen in öffentlichen Umgebungen liegt darin, dass

wir zwar verschiedene virtuelle Identitäten annehmen,

die wir extensiv publik machen, jedoch nicht wünschen,

dass unsere reale Identität verbreitet wird. Daher erfordert

die Interaktion in öffentlichen Umgebungen ein standardi-

siertes, sicheres und zuverlässiges Verfahren der Authen-

tifizierung, das deutlich über den uns heute vertrauten

Login hinausgeht.

Öffentliche Umgebungen und gewerbliche Räume unter-

scheiden sich von Wohnbauten in wenigen, jedoch für

unser Thema entscheidenden Punkten:

1. Die Nutzer verfügen über keine oder nur geringe Mög-

lichkeiten der Kontrolle über die Infrastruktur. Diejenigen,

die die Anforderungen definieren, sind nicht mit denjeni-

gen identisch, die die Räume nutzen. Daher gestaltet sich

die Ermittlung der tatsächlichen Bedürfnisse schwieriger,

so dass Lösungen mit höherem Standardisierungsgrad

bevorzugt werden.

2. Die Anforderungen an Datenschutz und Privatsphäre

unterscheiden sich. Technologie kann auf personalisierte

oder nicht personalisierte Weise eingesetzt werden.

In öffentlichen Umgebungen kehrt sich das Verhältnis

zwischen Szenarien mit nur einem einzigen Nutzer und Sze-

narien mit mehreren/vielen Nutzern im Vergleich zum Woh-

numfeld um. Dies bedeutet, dass öffentliche Räume wei-

tergehende Aufmerksamkeit bezüglich der Vereinbarkeit

von privaten und öffentlichen Nutzerszenarien erfordern,

darunter auch Fragen der Integration von Technologie.

3. An der Stelle der Bewohner stehen hier unterschiedliche

Nutzergruppen mit vielschichtigen Bedürfnissen. So beste-

hen bei Mitarbeitern, Kunden, Patienten, Besuchern und

Gästen aus dem Ausland unterschiedliche Nutzeranforde-

rungen. Daher differieren die Nutzungsszenarien in Bezug

auf Mitwirkung, Authentifizierung, Leistungsangebote und

Information. Als Beispiel können hier die Bedürfnisse von

medizinischem Personal, Patienten und Besuchern eines

Krankenhauses genannt werden.

4. Bei prinzipiell gleichen Anwendungsbereichen unter-

scheidet sich die Fokussierung je nach Art des Umfeldes.

Je größer die Räumlichkeit, desto größer auch der Bedarf

an Technologie für Gebäudeautomatisierung, Energieein-

sparung, Sicherheit und Kommunikation. Dagegen spielt

der Entertainment-Aspekt nur eine untergeordnete Rolle.

5. Schließlich gibt es in öffentlichen und gewerblichen

Umgebungen potenziell eine größere Zahl von Schnitt-

stellen als in Wohngebäuden. Schnittstellen sind das

Kernthema des Entwerfers und können hier sowohl Men-

schen als auch Technologien sein. In öffentlichen Räumen

und Gewerbebauten sind die Entwerfer gefordert, sich mit

einer größeren Zahl sowohl von Beteiligten wie auch von

technischen Schnittstellen auseinanderzusetzen. → 286

ÖFFENTLICHER BEREICH

Page 42: Innenräume Entwerfen

350

ÜBER DIE HERAUSGEBERIN

UND DIE AUTOREN

SYLVIA LEYDECKER , Dipl.-Ing., ist

praktizierende Innenarchitektin

und führt das Büro 100% interior

in Köln. Sie studierte Innenarchi-

tektur an der Fachhochschule in

Wiesbaden und der Universität

Trisakti in Jakarta/Indonesien.

Diplom 1996 in Wiesbaden. Vor

ihrer Tätigkeit als Innenarchitektin

sammelte sie langjährige internati-

onale berufliche Erfahrung bei der

Deutschen Lufthansa, mit vorange-

henden längeren Auslandsaufent-

halten in Manchester und Paris.

Heute entwirft ihr Büro Corpo-

rate Interiors, arbeitet mit dem

Schwerpunkt Gesundheitswe-

sen, aber auch im Office- und

Produktdesign. Ehrenamtlich ist

sie als Vizepräsidentin für den

Bund Deutscher Innenarchitekten

(BDIA) und bei der International

Federation of Interior Architects/

Designers (IFI) engagiert. Sie ist

darüber hinaus Mitglied im Deut-

schen Designer Club (DDC) und

der Architekten für Krankenhaus-

bau und Gesundheitswesen (AKG).

In erster Linie ist sie leidenschaft-

liche Innenarchitektin, außerdem

Designerin und Autorin zahlreicher

Publikationen.

Mit dem Buch Nanomaterialien in

Architektur, Innenarchitektur und

Design (mit Vorworten von Harold

Kroto und Michael Veith; Basel,

Berlin, Boston: Birkhäuser, 2008)

festigte Sylvia Leydecker ihren

internationalen Ruf als Expertin für

den Einsatz von Nanomaterialien

in der gebauten Umwelt.

MARK BLASCHITZ , geb. 1965 in

Graz. 1988 Co-Gründer von SPLIT-

TERWERK, Label for Fine Arts,

deren Arbeiten mehrmals auf den

Biennalen von Venedig und São

Paulo, auf der documenta in Kassel

und anderen Ausstellungen ver-

treten waren und vielfach preis-

gekrönt wurden. Mark Blaschitz

studierte Architektur, Philosophie

und Soziologie, er diplomierte an

der Technischen Universität Graz

in Architektur und Städtebau und

unterrichtet seit 1989 Architek-

tur, Städtebau, Kunst und Design.

2009 Vertretungsprofessur für

raum&designstrategien an der

Kunstuniversität Linz gemeinsam

mit heri&salli und Berufung als

Professor an die Staatliche Akade-

mie der Bildenden Künste Stutt-

gart. Dort seit 2010 Leitung des

Lehrstuhls für Wohnbau, Grundla-

gen und Entwerfen. 2012 Professur

am Centro de Estudios Superiores

de Diseño de Monterrey (CEDIM) in

Mexiko. Seit 2012 Dekan der Fach-

gruppe Architektur an der Staat-

lichen Akademie der Bildenden

Künste Stuttgart.

MICHAEL CATOIR , geb. 1966 in

Essen, ist Industrial Designer.

Nach einer Schreinerlehre stu-

dierte er Industrial Design, an der

Folkwang Universität der Künste

in Essen. Nach zweijähriger

Zusammenarbeit mit Andrée Put-

man in Paris leitete er von 2000

bis 2008 das Interior Design and

Styling Department im Studio

Matteo Thun & Partners in Mailand.

Seit 2008 betreibt er gemeinsam

mit seiner Ehefrau Elisa Catoir das

Studio Catoir, Mailand und Paris

für Interior Design, Produkt- und

Graphikdesign. Mit dem Schwer-

punkt auf Wohnen und Hotels

arbeitet das Studio Catoir im

gesamten Spektrum von Objekten

und Innenräumen bis zu Fassaden

und Corporate Identity.

JOANNE CYS ist Associate Profes-

sor für Interior Architecture und

Leiterin der Lehre am Fachbereich

Pädagogik, Künste und Sozial-

wissenschaften der University of

South Australia, wo sie zuvor Lei-

terin der Forschung und Leiterin

der Graduate Studies war. Sie ist

Life Fellow des Design Institute of

Australia und war 2008–2010 des-

sen nationale Präsidentin. 2011–

2013 Mitglied des Vorstands der

International Federation of Interior

Architects/Designers (IFI) und

Mitvorsitzende von deren Global

Interiors Education Open Forum

(GIEOF). Sie vertritt ihr Land im

Global Design Network (GDN)

und in der Asia Pacific Space

Designers Alliance (APSDA), ist

Mitbegründerin des Australian

Interior Design Awards Program

und Convenor von dessen Jury seit

der Gründung 2004. Zahlreiche

internationale Vorträge, kuratierte

Ausstellungen und Beiträge in

Fachzeitschriften sowie mehr als

50 akademische und Konferenzpu-

blikationen sowie Buchbeiträge.

LARS GRAU ist Gestalter und

Dozent mit Fokus auf interaktiven

Technologien. Er ist Professor

für Medien- und Kommunikati-

onsdesign an der Macromedia

Hochschule für Medien und Kom-

munikation (MHMK) in Hamburg

und betreibt die User Experience

Design Agentur MOKIK in Berlin.

Seit 1999 arbeitet er in erster Linie

an der Konzeption von ganzheitli-

chen Nutzererlebnissen für mobile

Applikationen, Web-Anwendungen,

digitales Fernsehen und Interak-

tion im Raum. Sein Schwerpunkt

liegt an der Schnittstelle zwischen

Strategie, Design und Technologie

sowie auf dem Forschungsgebiet

der eingebetteten Interaktion.

Er ist regelmäßiger Referent und

Jurymitglied beim jährlichen DDC

Designpreis.

SIMON HAMILTON , geboren in

London, studierte Interior Design

in Nottingham und ist seit mehr

als 20 Jahren als Interior Desig-

ner tätig. Mit seinem Büro, Simon

Hamilton & Associates in London,

hat er seit 2002 eine weite Spanne

von Projekten in den Bereichen

Arbeiten, Wohnen, Einzelhandel

und Gastronomie in Großbritan-

nien und anderen Ländern reali-

siert. Als International Director

Frame; Niederlande

Häuser Das Magazin für Architektur

und Design; Deutschland

Intramuros International Design

Magazine; Frankreich

livingetc, uk The homes magazine

for modern living; Großbritannien

MD Interior, Design, Architecture;

Deutschland

Monitor; Polen

Schöner Wohnen Europas größtes

Wohnmagazin; Deutschland

Wallpaper* Magazine: design, interi-

ors, architecture, fashion, art; Groß-

britannien

MESSEN

100% design London, Singapur,

Tokio

www.100percentdesign.com

ARCHITECT@WORK INTERNATIO-

NAL, verschiedene Länder

www.architectatwork.de

Architektur Biennale, Venedig

www.labiennale.org

BAU, München

www.bau-muenchen.com

Clerkenwell Design Week, London

www.clerkenwelldesignweek.com

Design Miami, Miami / Basel

www.designmiami.com

EuroShop, Düsseldorf

www.euroshop.de

Furniture Fair, Stockholm

www.stockholmfurniturefair.com

Hong Kong Business of Design

Week, Hongkong

www.bodw.com

ICFF International Contemporary

Furniture Fair, New York

www.icff.com

imm cologne – The international

furnishing show, Köln

www.imm-cologne.com

Interieur, Kortrijk

www.interieur.be

ISH, Internationale Messe Sanitär

und Heizung, Frankfurt a. M.

www.ish2013.com

Light and Building, Frankfurt a. M.

www.light-building.com

Maison et Objet, Paris

www.maison-objet.com

NeoCon, Chicago

www.neocon.com

Orgatec Modern Office & Facility,

Köln

www.orgatec.com

Salone Internazionale del Mobile,

Mailand

www.cosmit.it

VERBÄNDE/ORGANISATIONEN

Bund Deutscher Innenarchitekten

bdia.de

Bundesarchitektenkammer

Deutschland

www.bak.de

European Council of Interior

Architecture

www.ecia.net

International Federation of Interior

Architects / Designers

www.ifi-world.org

International Interior Design

Association

www.IIDA.org

world-architects

www.world-architects.com

NICE TO KNOW

ACTIVATED SPACE, Internetblog

für Design

www.activatedspaceblog.com

Archello – The Business

Networking Platform for the

Built Environment

www.archello.com

Architonic, The independent

resource for architecture and

design

www.architonic.com

BauNetz, Online-Architektur-

magazin

www.baunetz.de

Cool Hunter, Internetplattform

für Architektur und Design

www.theCoolhunter.com

Design your way, Resources and

Inspiration for designers

www.DesignYourWay.net

DESIGNSPOTTER, Internationale

Online-Designplattform

www.designspotter.com

DETAIL, Online-Architektur-

und Bauportal

www.detail.de

Heinze Informationsplattform für

Bauprodukte, Firmenprofile und

Architekturobjekte

www.heinze.de

Kinetic Architecture, Internetblog

zu kinetischer Architektur

www.kineticarchitecture.net

Stylepark, Internationale

Online-Plattform für Design

und Architektur

www.stylepark.com

TreeHugger, Online-Plattform

für Design

www.treehugger.com

ANHANG

Page 43: Innenräume Entwerfen

351

ANHANG

für das British Institute of Interior

Design (BIID) ist er ein Botschafter

für die besten Leistungen briti-

schen Designs in der weltweiten

Community.

PETER IPPOLITO studierte Archi-

tektur in Stuttgart und Chicago.

Während dieser Zeit war er als

Assistent von Professor Ben

Nicholson, Chicago tätig und sam-

melte praktische Erfahrungen im

Studio Daniel Libeskind, Berlin.

1999 war er Gründungsmitglied

von zipherspaceworks. Aus die-

sem Büro ging 2002 die Ippolito

Fleitz Group hervor, die er seitdem

gemeinsam mit Gunter Fleitz führt.

Peter Ippolito übernahm 2001–

2002 eine Vertretungsprofessur

an der Akademie der Bildenden

Künste Stuttgart und Lehraufträge

an der Universität Stuttgart 2004–

2008 und der Fachhochschule

Biberach 2009. Er war mehrfach

Mitglied von Wettbewerbsjurys

und ist ein gern gesehener Vor-

tragsredner.

CHRIS LEFTERI, geboren in Lon-

don, studierte Industrial Design

am Central Saint Martins College

of Art and Design und schloss mit

dem MA bei Professor Daniel Weil

am Royal College of Art, ebenfalls

in London, ab. Er gilt weltweit

als Autorität auf dem Gebiet von

Materialien und ihrer Anwendung

im Design. Seine Arbeit und seine

Publikationen haben den Blick der

Entwerfer und der Materialindus-

trie auf die Materialien nachhaltig

verändert. 2001 wurde das erste

seiner acht Bücher über Materialien

und ihre Anwendungen im Design

veröffentlicht, die in sechs Spra-

chen übersetzt wurden (“Materials

for Inspirational Design” series,

RotoVision, 2001–2007; deutsch

jeweils mit dem Untertitel „Mate-

rial – Herstellung – Produkte“ bei

avedition). Seitdem hat das Studio

Chris Lefteri Design mit Großunter-

nehmen und führenden Designstu-

dios in Europa, den USA und Asien

eine weite Spanne von Strategien

für die wirksame Integration von

Materialien in den Entwurfsprozess

umgesetzt.

KEES SPANJERS ist Innenar-

chitekt, er lebt und arbeitet in

Amsterdam und New York. In

Amsterdam leitet er das Büro

Zaanen Spanjers Architects mit

Schwerpunkt in Bauten für die Kul-

tur und öffentlichen Innenräumen,

deren Arbeit vielfach ausgezeich-

net wurde, u.a. mit dem Archi-

tectural Record Interiors Award.

Kees Spanjers war Präsident des

European Council of Interior

Architects (ECIA) und kooptier-

tes Vorstandsmitglied der Inter-

national Federation of Interior

Architects/Designers (IFI). Er ist

Past President und heute Ehren-

mitglied des Berufsverbands der

niederländischen Innenarchitekten

(BNI) sowie Verfasser zahlreicher

Fachbeiträge und Mitglied interna-

tionaler Gremien und Jurys.

JOHANNES STUMPF, geb. 1963,

lebt und arbeitet als freier Architekt

in Berlin. Sein Büro beschäftigt sich

schwerpunktmäßig mit dem Bauma-

nagement komplexer Neubau- und

Denkmalpflegeprojekte und berät

im internationalen Rahmen Institu-

tionen und Unternehmen zu Fragen

der Nachhaltigkeit im Bauwesen.

Als stellvertretender Vorsitzender

des Landeswettbewerbsausschus-

ses der Architektenkammer Berlin

engagiert er sich seit 2007 im

Wettbewerbs- und Vergabewesen.

Seit 2008 entwickelt er im Rahmen

der internationalen Zusammenar-

beit in der Entwicklungshilfe unter

anderem in Rumänien und Georgien

Konzepte für die Schulung lokaler

Energieauditoren. Als Fachautor

ist Johannes Stumpf für eine Reihe

deutschsprachiger Architekturzeit-

schriften tätig.

DR. MARINA-ELENA WACHS, geb.

1966, ist Diplom-Industriedesi-

gnerin, Damenschneidermeisterin

und Schnittdirektrice und arbeitet

als interne Unternehmensberate-

rin, freie Autorin, Kuratorin sowie

Dozentin an Design- und Kunst-

hochschulen. Sie promovierte

2003–2007 an der Hochschule

für Bildende Künste (HBK) Braun-

schweig interdisziplinär in den

Bereichen Design und Kunstwis-

senschaften über das Thema des

Umgangs mit Materialien in Design,

Kunst und Architektur (Material

Mind, Hamburg: Dr. Kovac Verlag,

2008). 2010 wurde sie als Professo-

rin für Designtheorie an die Hoch-

schule Niederrhein berufen. In einer

Zusammenarbeit von Architekten,

Lichtplanern und Designern arbeitet

sie in den Bereichen Leuchten- und

Möbeldesign. Marina-Elena Wachs

engagiert sich in Fachverbänden

und -vereinigungen wie dem Deut-

schen Mode- Institut (DMI), dem

netzwerk mode textil, der Deut-

schen Gesellschaft für Designtheo-

rie und -forschung (DGTF) und der

britischen Design History Society.

Zahlreiche Vorträge und Publikati-

onen, darunter Nachhaltiges Textiles

Design / Sustainable Textile Design,

Hamburg: Schaff-Verlag, 2013.

DR. THOMAS WELTER , geb. 1969,

ist Bundesgeschäftsführer des

Bundes Deutscher Architekten

(BDA). Er studierte Volkswirt-

schaftslehre und Nordamerika-

studien an der Freien Universität

Berlin, war als freier Mitarbeiter am

Deutschen Institut für Wirtschafts-

forschung (DIW) Berlin sowie als

Lehrbeauftragter an verschiedenen

Lehreinrichtungen tätig. Nach der

Promotion im Fach Wirtschaftswis-

senschaft zum Dr. rer. pol. im Jahr

2000 wurde er Referent für Wirt-

schaft in der Bundesarchitekten-

kammer e.V., 2002 Geschäftsführer

der verbandseigenen D.A.V.I.D.

Deutsche Architekten Verlags- und

Informationsdienste GmbH und

war zuständig für das Netzwerk

Architekturexport (NAX). Zahlrei-

che Moderationen, Vorträge und

Publikationen.

LILIANE WONG , geboren in Hong-

kong, ist Professorin und Vorsit-

zende des Fachbereichs Interior

Architecture an der Rhode Island

School of Design, wo sie seit 1998

lehrt. An der Graduate School of

Design der Harvard University

schloss sie ihr Architekturstudium

mit dem Magister ab und machte

zuvor den Bachelor in Mathematik

am Vassar College. Als eingetra-

gene Architektin praktiziert sie in

Boston, Massachusetts mit ihrem

eigenen Büro MWA mit Schwer-

punkt Bibliotheksbau; das Biblio-

theksmöbelsystem Kore hat sie mit

entwickelt. Vor dem Hintergrund

ihrer ehrenamtlichen Mitarbeit in

Suppenküchen betont sie in der

Lehre das öffentliche Engagement

von Architektur und Design.

Liliane Wong ist Mitbegründerin

und Mitherausgeberin des Int|AR

Journal, das die praktische und aka-

demische Erkundung nachhaltiger

Umgebungen durch beispielhafte

Umnutzungen zum Thema hat.

Mir sind alle Bücher zu lang. Voltaire

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