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Deutscher Fachausschuß für Arznei-, Gewürz- und Aromapflanzen 6. Fachtagung Arznei- und Gewürzpflanzen VI. Conference on Medicinal and Aromatic Plants Berlin · 19. - 22. September 2011 Innovation, Vielfalt und Nutzen Innovation, Diversity and Advantage Kurzfassungen der Vorträge und Poster Abstracts of Oral Presentations and Posters

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Deutscher Fachausschuß für Arznei-, Gewürz- und Aromapfl anzen

6. Fachtagung Arznei- und Gewürzpfl anzenVI. Conference on Medicinal and Aromatic Plants

Berlin · 19. - 22. September 2011

Innovation,Vielfalt und NutzenInnovation,Diversity and AdvantageKurzfassungen der Vorträge und PosterAbstracts of Oral Presentations and Posters

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Veranstalter

Deutscher Fachausschuss für Arznei-, Gewürz- und Aromapflanzen (DFA)

Humboldt-Universität zu Berlin, Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät

Mitveranstalter

Deutsche Botanische Gesellschaft e.V. Sektion Pflanzliche Naturstoffe (DBG)

Deutsche Gesellschaft für Qualitätsforschung (Pflanzliche Nahrungsmittel) e.V. (DGQ)

Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft e.V. Fachgruppe Pharmazeutische Biologie (DPhG)

Deutsche Phytomedizinische Gesellschaft e.V. AK Phytomedizin im Gartenbau (DPG)

Freie Universität Berlin, Institut für Pharmazie

Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V. (GDCh)

Gesellschaft für Arzneipflanzen und Naturstoff-Forschung e.V. (GA)

Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften (GWP), AG Heil- und Gewürzpflanzen

Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V. (GPZ), AG Arznei- und Gewürzpflanzen

Gesellschaft für Phytotherapie e.V. (Gphy)

Horst-Görtz-Stiftungsinstitut für Theorie, Geschichte und Ethik chinesischer Lebenswissenschaften (HGI)

Vereinigung für angewandte Botanik e.V. (VAB)

Wissenschaftliches Komitee F. Marthe, Quedlinburg, Leiter, W.D. Blüthner, Erfurt H. Buckenhüskes, Frankfurt, Ch. Carlen, Conthey, J. Gabler, Quedlinburg, T. Graf, Jena, K. Kraft, Rostock, U. Lohwasser, Gatersleben, J. Müller, Hohenheim, J. Novak, Wien, A. Plescher, Artern, H. Schulz, Quedlinburg, B. Steinhoff, Bonn, Th. Winckler, Jena

Tagungsort

Humboldt-Universität zu Berlin, Universitäts-Hauptgebäude, Unter den Linden 6, 10099 Berlin

Compiler F. Marthe, Institut für Züchtungsforschung an gartenbaulichen Kulturen und Obst - Quedlinburg, Julius Kühn-Institut (JKI)

Herausgeber Humboldt-Universität zu Berlin Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät Invalidenstraße 42 10115 Berlin

Impressum

ISBN 978-3-86004-280-9

Einband Anja Wolck, JKI

Einband Anja Wolck, JKI

Datenbank Hans Hönninger, JKI

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Vorwort

Unter dem Motto Innovation, Vielfalt und Nutzen veranstalten der Deutsche Fachausschuss für Arznei-, Gewürz- und Aromapflanzen (DFA) und die Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin die 6. Fachtagung für Arznei- und Gewürzpflanzen.

Aufgrund der zunehmenden Komplexität pflanzenbaulicher und pflanzenzüchterischer Forschung gewinnt der Wissens- und Technologietransfer von der Grundlagenforschung über die angewandte Forschung in die Praxis immer mehr an Bedeutung. Vielfalt des Ausgangsmaterials, innovative Ideen und Arbeiten sind die Grundlagen für eine effektive und schonende Nutzung der natürlichen Ressourcen. Dies wird im Programm der Tagung sichtbar.

Die große Anzahl von Mitveranstaltern garantiert einen hohen Grad an interdisziplinären Blickwinkeln auf die Schwerpunkte der Tagung, die in fünf Themenkreise gegliedert wurden: 1. Pharmazeutische Biologie, Ethnobotanik, Pharmakologie, Phytotherapie, Ernährung, Kosmetik, 2. Biochemie und Analytik sekundärer Pflanzeninhaltstoffe und Kontaminanten, 3. Genetische Ressourcen, Züchtungsforschung und Züchtungsmethodik, Sortenschutz, 4. Phytopathologie, Pflanzenschutz, Inkulturnahme, Anbau, und Ernte, 5. Technologische Themen.

Die fachgebietübergreifenden Darstellungen und Diskussionen sind als besonderes Anliegen am Veranstaltungsstandort Berlin in hervorragender Weise realisierbar. Die Humboldt-Universität zu Berlin hat seit ihrer Gründung eine bedeutende landwirtschaftliche und gärtnerische Tradition. Gemeinsam mit anderen Einrichtungen mit exzellenter Forschung und hoch innovativen Arbeitsgruppen gibt es hier ein ungewöhnlich großes Potential, das für den Bereich der Arznei- und Gewürzpflanzen noch besser erschlossen wird.

Nach der im Jahr 2008 gemeinsam mit dem Bernburger Winterseminar ausgerichteten Vorgängertagung bietet diese im Abstand von drei bis vier Jahren an unterschiedlichen deutschen Standorten veranstaltete Tagung wiederum ein vielbeachtetes Forum für den wissenschaftlichen Austausch mit Ausstrahlung in viele Europäische Nachbarstaaten.

Bereits die Tagungsvorbereitung bedingt interdisziplnäres Arbeiten. Die Vielzahl von Vorträgen und Posterdarstellungen ist Beleg hierfür. Mein Dank gilt allen beteiligten Kollegen und in besonderem Maße dem wissenschaftlichen Komitee für die Begutachtung der Kurzdarstellunge aller Beiträge.

Ich danke den Veranstaltern, den Mitveranstaltern und den Sponsoren für die Ausrichtung bzw. Unterstützung der Tagung und die Drucklegung des Bandes mit den Kurzfassungen der Vorträge und Poster.

F. Marthe

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6. Fachtagung Arznei- und Gewürzpflanzen, 19. – 22.9.2011, Berlin

II

Inhaltsverzeichnis

Begrüßung durch den Deutscher Fachausschuss für Arznei-, Gewürz- und Aromapflanzen (DFA)

Andreas Plescher, stellv. Vorsitzender des Deutschen Fachausschusses für Arznei-, Gewürz- und Aromapflanzen 11

Themenkreis A: Pharmazeutische Biologie, Ethnobotanik, Pharmakologie, Phytotherapie, Ernährung, Kosmetik

Vorträge

APV01: Historische und gegenwärtige Bedeutung der Arzneipflanzen in der Chine-sischen Medizin

P.U. Unschuld, Charité – Universitätsmedizin Berlin 13

APV02: Die Bedeutung pflanzlicher Arzneizubereitungen in der modernen westlichen Medizin

K. Kraft, Universität Rostock 15

AV03: Glukosinolate der Kreuzblütengewächse in Prävention und Therapie maligner Tumore

I. Herr, Chirurgische Universitätsklinik und DKFZ Heidelberg 18

AV04: Baldrian – von der traditionellen Anwendung zur wissenschaftlichen Begrün-dung der Wirksamkeit

A. Brattström, Magdeburg 21

AV05: Das Waldbingelkraut (Mercurialis perennis L.): alte Arzneipflanze im Fokus der modernen phytochemischen Forschung AV05: Dog’s Mercury (Mercurialis perennis L.): an ancient medicinal plant in the focus of modern phytochemical research

P. Lorenz, U. Meyer and F.C. Stintzing, WALA Heilmittel, Bad Boll/Eckwälden 25

AV06: Der Moringa (Moringa oleifera Lam.) – ein Mosaik zur Verbesserung der Er-nährung in Nicaragua

M.E. Vargas Zambrana, L.L. Hernández Somarriba und U. Müller, Horizont3000, Wien, Österreich, UNAN-León, León, Nicaragua 27

AV07: Arzneipflanzen für die Haut AV07: Medical plants for the skin

Ch.M. Schempp, Universitätsklinikum Freiburg 31

AV08: Terpenbiosynthese in Thymian, Salbei und anderen Lippenblütlern (Lamiaceae) J. Degenhardt, Ch. Crocoll, J. Schimmel, S. Krause und J. Asbach, Martin-Luther Universität Halle 32

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Inhaltsverzeichnis

III

Themenkreis A: Pharmazeutische Biologie, Ethnobotanik, Pharmakologie, Phytotherapie, Ernährung, Kosmetik

Poster

AP01: Koppelprodukte der Arznei- und Gewürzpflanzenverarbeitung- eine wertvolle Ressource für Antioxidantien AP01: By-products of medicinal and aromatic plant processing-a useful resource for antioxidants

U. Bauermann und R. Thomann 36

AP02: Einfluss von Lagerung und Lichtexposition auf die Gerbstoffe in wässrigen Hamamelis virginiana-Extrakten AP02: Impact of storage and light irradiation on tannins from aqueous Hamamelis

virginiana extracts S.M. Duckstein und F.C. Stintzing 39

AP03: Modellierung und Validierung der pflanzlichen 4-O-Methyltransferase am Beispiel von Actaea racemosa L.

B. Ehlers, M.F. Melzig, U. Lindequist und Th. Homann 42

AP04: Analytik, Radioisotopenmarkierung und Pharmakokinetik von Matricin aus Matricaria recutita L.

N. Ghassemi – Dehkordi und J. Hölzl 45

AP05: Wilde Allium-Arten – der bessere Knoblauch? M. Keusgen, J. Jedelská-Keusgen und J. Kusterer 47

AP06: Extraktion und differenzierte Analyse des Öls aus Samen des Burío (Apeiba

tibourbou Aubl.) B. Matthäus, J.M. Cabezas Lacayo, X. Castillo Altamirano, S. Pacheco und U. Müller 49

AP07: Flavonoide aus Reseda luteola schützen die Haut vor UV-bedingten Schäden Ch. Schempp, U. Wölfle, F. Casetti und A. Wähling 51

Themenkreis B: Biochemie und Analytik sekundärer Pflanzeninhaltstoffe und Kontaminanten

Vorträge

BPV09: Biochemie und Analytik sekundärer Pflanzeninhaltsstoffe BPV09: Biochemistry and Analysis of Secondary Metabolites

H. Schulz, Julius Kühn-Institut (JKI), Quedlinburg 53

BV10: Bromidaufnahme und -akkumulation bei ausgewählten Arzneidrogen BV10: Bromide uptake and accumulation in different plant species

A. Chaanin und B. Büter, VitaPlant, Uttwil, Schweiz 55

BV11: Untersuchungen zur Variabilität der antioxidativen Kapazität von Dost (Origanum vulgare L.)

F. Yan, S. Janke, M. Schwarz, S. Zeller und B. Honermeier, Justus-Liebig-Universität Gießen 58

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6. Fachtagung Arznei- und Gewürzpflanzen, 19. – 22.9.2011, Berlin

IV

BV12: Bestimmung des Artemisinin-Gehaltes in Blättern von Artemisia annua L. mit NIRS BV12: Determination of artemisinin content of Artemisia annua L. leaves using Near-infrared spectroscopy

C. Camps, M. Toussirot, M. Quennoz, X. Simonnet and C. Carlen, Agroscope Changins-Wädenswil, Conthey, Switzerland 61

BV13: Nachweis toxischer Schwermetalle in ausgewählten ätherischen Ölen BV13: Analysis of toxic heavy metals in selected essential oils

M. Knödler, P. Lorenz, M. Schulz, U. Meyer, und F. Stintzing, WALA Heilmittel, Boll/Eckwälden 62

Themenkreis B: Biochemie und Analytik sekundärer Pflanzeninhaltstoffe und Kontaminanten

Poster

BP08: Comparison of the properties of proteins and phenolics from different green coffee

M. Ali, M. Khalil, H.-P. Kruse, T. Homann, J.-P. Krause and H. Rawel 64

BP09: Detection and Quantification of Pyrrolizidine Alkaloids in Antibacterial Medical Honey

L. Cramer und T. Beuerle 65

BP10: NIR- und MIR-Spektroskopie an Rotklee – Untersuchungen zum Wirkstoffgehalt von Trifolium pratense am Beispiel von Isoflavonen und Phenolcarbonsäuren BP10: NIR and MIR spectroscopic studies of Trifolium pratense regarding the concentration of isoflavones and phenolic acids

A. Fiedler, W, Schütze, M. Gierus und H. Schulz 67

BP11: Schnelle Analyse des Rosmarinsäuregehaltes in Zitronenmelisse (Melissa

officinalis L.) BP11: Rapid Analysis of Rosmarinic Acid in Lemon Balm (Melissa officinalis L.)

G. Gudi, W. Schütze, F. Marthe und H. Schulz 70

BP12: Lutein ester content in cultivars of different Tagetes species M. Khalil, A. Hurtienne, T. Homann, J. Raila, R. Schenk, F. J. Schweigert and H. Rawel 73

BP13: Untersuchungen zu Elementzusammensetzung, Gesamt-Polyphenolgehalt und antioxidativer Kapazität von Lindenblüten (Tilia cordata Mill.) BP13: Element composition, total phenol content and antioxidant capacity of flowers of small-leaved linden (Tilia cordata Mill.)

N. Koczka und E. Stefanovits-Banyai 74

BP14: Vergleichende phytochemische Untersuchungen von einjährigem Bingelkraut (Mercurialis annua L.) und Waldbingelkraut (Mercurialis perennis L.) BP14: Comparative Phytochemical Studies on the Dog’s Mercury species Mercurialis

annua L. and M. perennis L. P. Lorenz, M. Knödler, U. Meyer und F.C. Stintzing 77

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Inhaltsverzeichnis

V

Themenkreis C: Genetische Ressourcen, Züchtungsforschung und Züchtungsmethodik, Sortenschutz

Vorträge

CPV14: Züchtung von Arznei- und Gewürzpflanzen – eine Herausforderung für „Allrounder“?

J. Novak, Veterinärmedizinische Universität Wien 80

CV15: Nationale Sicherung pflanzengenetischer Ressourcen - Genbank für Wildpflanzen für Ernährung und Landwirtschaft

P. Borgmann, N. Friesen, S. Oevermann, S. Zachgo, Botanischer Garten Universität Osnabrück 83

CV16: Genbanken – Ressourcen für neue Arzneistoffe? CV16: Genebanks – resources for new drugs?

U. Lohwasser und A. Börner, Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK), Gatersleben 86

CV17: Molecular Modelling als methodischer Ansatz in der Pharmakognosie und Pflanzenzüchtung

T. Homann, S.E. Kulling und H. Rawel, Universität Potsdam 88

CV18: Verwandtschaftsverhältnisse und Ploidiestufen ausgewählter Herkünfte und Wildformen des Arznei-Baldrians (Valeriana officinalis L. s.l.)

H. Heuberger, G. Heubl, M. Müller, S. Seefelder und R. Seidenberger, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Freising 90

CV19: Charakterisierung unterschiedlicher Genpools der Melisse (Melissa officinalis) als Basis für die Entwicklung von züchterisch wertvollem Ausgangsmaterial CV19: Charakterization of different lemon balm (Melissa officinalis) gene pools as requirement of valuable breeding material

J. Kittler, H. Krüger, W. Schütze, U. Kästner, W. Junghanns, W.D. Blüthner, U. Lohwasser und F. Marthe, Julius Kühn-Institut (JKI), Quedlinburg 93

CV20: Leistungsprüfung von Anbaupopulationen und Sorten der Echten Kamille (Matricaria recutita L.)

M. Sonnenschein und A. Plescher, Pharmaplant, Artern 97

CV21: Zur Inkulturnahme von Efeu (Hedera helix L.) A. Kranvogel und O. Schmidt, Martin Bauer, Vestenbergsgreuth 100

Themenkreis C: Genetische Ressourcen, Züchtungsforschung und Züchtungsmethodik, Sortenschutz

Poster

CP15: Untersuchungen zur Wirkung von Phytohormonen auf die Blühinduktion von Baldrian (Valeriana officinalis L.)

B. Honermeier, H. Heuberger und P. Doernfeld 103

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6. Fachtagung Arznei- und Gewürzpflanzen, 19. – 22.9.2011, Berlin

VI

CP16: Gelingt die Erzeugung doppelt-haploider Pflanzen in Melisse (Melissa officinalis L)? CP16: Is it possible to produce double haploids in lemon balm (Melissa officinalis L)?

U. Kästner, J. Kittler und F. Marthe 105

CP17: Chemische Diversität Glucosinolat-haltiger Pflanzenarten B. Mikus-Plescher, K.-H. Goos, A. Plescher und S. Thust 108

CP18: Phänotypische, inhaltsstoffliche und karyologische Variabilität innerhalb ausgewählter Herkünfte von Baldrian (Valeriana officinalis L.)

B. Mikus-Plescher, H.-J. Hannig und A. Plescher 110

CP19: Somatische Embryogenese an Blütenexplantaten von Actea racemosa L. (syn. Cimicifuga racemosa (L.) Nutt.)

I. Pinker, A.-M. Gäde und R. Schenk 112

CP20: Chinesisches Süßholz, (Glycyrrhiza uralensis/inflata/glabra) als Arznei- und Rohstoffpflanze - eine botanische Charakterisierung

R. Rinder, G. Heubl und H. Heuberger 114

CP21: Thymus vulgaris L.: Einfluss der Trichomdichte auf den Blättern auf den Gehalt an ätherischem Öl.

M.M. Rossinelli, J. Vouillamoz, C.A. Carron, C. Baroffio und C. Carlen 116

CP22: Artemisia annua L.: Apollon, eine neue Hybridsorte mit hohem Artemisinin-Ertrag CP22: Artemisia annua L.: Apollon, a new hybrid cultivar with a high artemisinin production

X. Simonnet, M. Quennoz1 and C. Carlen 117

CP23: Evaluierung eines Pfefferminzsortimentes vom Institut für Rosen-, Aroma- und Arzneipflanzenforschung in Bulgarien CP23: Evaluation of a peppermint collection from the Research Institute on Roses, Aromatic and Medicinal Plants in Bulgaria

S. Stanev, H. Lambev und R. Todorova 118

Themenkreis D: Phytopathologie, Pflanzenschutz, Inkulturnahme, Anbau, und Ernte

Vorträge

DPV22: Inkulturnahme: Dualismus von Selektionszüchtung und Anbautechnologie A. Plescher, PHARMAPLANT, Artern 121

DV23: Einfluss von Quassia-MD auf den Zikadenbefall an Salbei und Zitronenmelisse - Versuchsergebnisse aus den Jahren 2009 und 2010

M. Michaelsen, H. Witte, M. Neuber und W. Dercks, Fachhochschule Erfurt 123

DV24: Auftreten von Krankheiten und Schädigungen im Kamilleanbau – erste Erkenntnisse zu den Ursachen und Bekämpfungsmöglichkeiten DV24: Occurrence of diseases and damages in cultivation of camomile – first results to the causes and possibilities of controlling

U. Gärber, A. Plescher und G. Hagedorn, Julius Kühn-Institut, Kleinmachnow 129

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Inhaltsverzeichnis

VII

DV25: Klärung der Schadursachen und mögliche Bekämpfungsstrategien an Dill A. Kusterer und M. Krusche 132

DV26: NMR-Bestimmung des Wirkstoffspektrums in Arnikapflanzen sowie Reaktion auf Pathogenbefall und mechanischen Stress

F. Eickmeyer, M. Fischer, B. Frank, I. Merfort, Ch. Schreier, F. Huber und Ch. Proll, LipoFIT Analytic, Regensburg 133

DV27: Temperaturabhängiges und sortenspezifisches Keimungsverhalten von Samen der Zitronenmelisse (Melissa officinalis L.) 137

S. Wahl und A. Plescher, Pharmaplant, Artern

DV28: Potenziale der Kultivierung asiatischer Arznei- und Gemüsekräuter M. Böhme und I. Pinker, Humboldt-Universität Berlin 140

DV29: Einfluss unterschiedlicher Schnittfrequenz auf den Blattertrag und die Gehalte an Caffeoylchinasäuren bei der Artischocke (Cynara cardunculus L.)

B. Honermeier und S. Ali, Justus-Liebig-Universität Gießen 143

DV30: Läßt sich Actea racemosa L. (syn. Cimicifuga racemosa (L.) Nutt.) kultivieren? Probleme und Ergebnisse

R. Schenk und I. Pinker, Humboldt-Universität Berlin 146

Themenkreis D: Phytopathologie, Pflanzenschutz, Inkulturnahme, Anbau, und Ernte

Poster

DP24: Vergleich verschiedener Unkrautbekämpfungsvarianten in Dill (Anethum

graveolens L.) A. Biertümpfel und T. Graf 149

DP25: Einfluss des Zeitpunktes und der Höhe des letzten Schnitt im Herbst auf die Überwinterung von Thymian, Salbei und Melisse

C.A. Carron und Ch. Carlen 151

DP26: Zitronenmelisse: Einfluss der Vliesabdeckung während der Vegetationsperiode auf den Gehalt an ätherischem Öl und Rosmarinsäure in den Blättern

C.A. Carron, J. Vouillamoz, C. Baroffio und C. Carlen 152

DP27: Ein Endophyt in Johanniskraut – Etablierungsversuche M. Goßmann, Th. Homann, I. Pinker, Ch. Hellmann und R. Schenk 153

DP28: Ertragsfähigkeit von Anis unter Thüringer Standortbedingungen T. Graf und A. Biertümpfel 154

DP29: Vor- und Nachernte Prozessschritte an Arzneipflanzen DP29: Harvesting and Postharvest Processing of Medicinal Plants

H. Hagels und T. Wolf 156

DP30: Comparison between the effect of organic and chemical systems on quantitative and qualitative characteristics of Anise (Pimpinella anisum L.)

S. Khalesro, A. Ghalavand, F. Sefidkon and A. Salehi 158

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6. Fachtagung Arznei- und Gewürzpflanzen, 19. – 22.9.2011, Berlin

VIII

DP31: Lückenindikationsversuche mit Herbiziden in Kümmel in Thüringen und Sachsen-Anhalt

M. Krusche, I. Reichardt und R. Schmatz 159

DP32: Einfluss der Saattiefe auf das Auflaufverhalten von Dracocephalum moldavica

V. Oehr, Z. Schmidt, M. Sandalj, X. Zhao, F. Stockmann, S. Zikeli und W. Claupein 160

DP33: Kräuterhof Gut Gneisenau, Kanarische Kräuter M. Packenius 163

DP34: Effect of vermicompost, PGPR and zeolite application on flower yield, essential oil content and chemical constituent of German Chamomile (Matricaria chamomilla L.)

A. Salehi, A. Ghalavand, F. Sefidkon and S. Khalesro 163

DP35: Einfluss der Desinfektion mit belüftetem Dampf von Saatgut von Malve und Eibisch auf deren Krankheitsbefall und Keimfähigkeit

S. Sigg1, A. Sportes1, X. Simonnet1, W. Heller2 und C. Carlen2 164

DP36: Untersuchungen zu Bodenansprüchen für einen Anbau von Bärentraube (Arctostaphylos uva-ursi L.)

M. Sonnenschein, A. Plescher und M. Tegtmeier 165

DP37: Rückstandsverhalten von Thiacloprid in frischen Kräutern – Schließung einer „Lücke“ DP37: Residue behavior of an insecticide in fresh herbs – closing of an indication

M. Stähler, M. Krusche und E. Bergmann 168

DP38: Charakterisierung pharmazeutisch relevanter Inhaltsstoffe und deren Beeinflussbarkeit in Wurzel-Extrakten von Chinesischem Salbei (Salvia miltiorrhiza Bunge)

Y.-H. Sung und B. Honermeier 171

DP39: Bewertung von Arzneifenchelchargen bezüglich des quantitativen Befalls von Mycosphaerella anethi

K. Taubenrauch und Th. Kühne 173

DP40: Zur Qualitätssituation von Handelssaatgut bei Baldrian (Valeriana officinalis

L.), Kamille (Matricaria recutita (L.) RAUSCHERT) und Zitronenmelisse (Melissa

officinalis L.) S. Wahl und A. Plescher 175

DP41: Von der Wildpflanze zur Produktionspflanze T. Wolf und H. Hagels 178

DP42: Moldawischer Drachenkopf (Dracocephalum moldavica) im Ökologischen Anbau: Beikrautdruck in Abhängigkeit vom Reihenabstand DP42: Moldawian Dragon Head (Dracocephalum moldavica) in Organic Farming: Weed Pressure Depending on Row Distance

S. Zikeli, F. Stockmann, S. Gruber und W. Claupein 179

Themenkreis E: Technologische Themen

Vorträge

EV31: Pflanzenzellfermentation am Beispiel des Wirkstoffes Paclitaxel K. Schütte, H. Heckenmüller, und G. Gorr, Phyton Biotech, Ahrensburg 182

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IX

EV32: Nanotechnologie – Einsatz bei Kräutern und Gewürzen? H.J. Buckenhüskes, DLG, Frankfurt 185

EV33: Innovative Verfahren zur Herstellung pastenförmiger Kräuter- und Gewürzprodukte EV33: Innovative technologies for the production of paste-like herb and spice products

D.R. Kammerer, A. Kaiser und R. Carle, Universität Hohenheim 188

EV34: Optimierung der Bandtrocknung von Arznei- und Gewürzpflanzen hinsichtlich Energieeinsatz, Wirtschaftlichkeit und Produktqualität EV34: Optimisation of a belt dryer for medicinal and spice plants regarding energy demand, profitability and product quality

M. Böhner, I. Barfuss, A. Heindl, J. Müller, Martin Bauer Group, Vestenbergsgreuth 191

EV35: Schonende Entkeimung von Medizinaldrogen durch das Lemgoer Verfahren EV35: Gentle decontamination of medical herbs through the Lemgoer method

A. Dammann, K. Schwarzer, H. Lange, H. Krüger, U. Müller, Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Lemgo 194

EV36: Nanotechnologische Ansätze zur Stabilisierung von Wirkstoffen EV36: Stabilization of drugs by Nano Carrier – a review

J.-P. Krause und M. Kumpugdee-Vollrath, Beuth Hochschule für Technik Berlin 197

Themenkreis E: Technologische Themen

Poster

EP43: Beeinflussung des Gehaltes an sekundären Inhaltsstoffen in Medizinalpflanzen durch spezielle Gewächshauskulturführung am Beispiel Pfefferminze (Mentha x piperita L) und Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus L) EP43: Effects of controlled greenhouse cultivation on content of secondary metabolites of the medicinal plants peppermint (Mentha x piperita L) and nasturtium (Tropaeolum

majus L) H. Behn, A. Ulbrich, B. Thiele, J. Max, U. Schurr und I. Janzik 200

Workshop I: Frischpflanzen für Zubereitungen der Homöopathie

Organisation und Leitung: M. Melzig, F Univ. Berlin

WSI37: Welche Arzneipflanzen hat Hahnemann benutzt? WSI37: Which medicinal plants were used by Hahnemann?

M. Keusgen, Philipps-Universität Marburg 202

WSI38: Anforderungen an Frischpflanzen und daraus hergestellte homöopathische Urtinkturen aus regulatorischer Sicht WSI38: Requirements for fresh plants and homeopathic mother tinctures prepared thereof from a regulatory point of view

Ch. Busch, Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Bonn 204

WSI39: Probleme bei der Bereitstellung von Pflanzenmaterial zur Herstellung Monographie-konformer homöopathischer Urtinkturen

P. Riedl, DHU-Arzneimittel, Karlsruhe 208

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6. Fachtagung Arznei- und Gewürzpflanzen, 19. – 22.9.2011, Berlin

X

WSI40: Pflanzenmaterial für die Herstellung monographie-konformer homöopathischer Urtinkturen – Beispiele für die `Belastung´ mit Bromid

A. Lipinski, A. Pflüger, Rheda-Wiedenbrück 209

WSI41: Einfluss von Erntezeitpunkt und verwendeten Pflanzenteilen auf die Qualität von homöopathischen Urtinkturen an ausgewählten Beispielen

H. Peters, PASCOE pharmazeutische Präparate, Giessen 210

WSI42: Möglichkeiten zur Einhaltung der Vorgaben bezüglich Kontaminanten bei Frischpflanzen für homöopathische Zubereitungen

U. Riegert, Wala Heilmittel, Bad Boll-Eckwälden 211

Workshop II: Molekulargenetische Züchtungsmethoden für Arznei- und Gewürzpflanzen

Organisation und Leitung: F. Marthe, Julius Kühn-Institut, Quedlinburg

Sitzung der Gesellschaft für Pflanzenzüchtung, AG Arznei- und Gewürzpflanzen

WSII43: Moderne molekularbiologische Züchtungsmethoden, neue Möglichkeiten für Arznei- und Gewürzpflanzen! WSII43: New molecular breeding techniques, a chance for medicinal and spice plants

F. Hartung, Julius Kühn-Institut, Quedlinburg 212

WSII44: „Next generation sequencing“ in der Züchtung von Arznei- und Gewürzpflanzen

J. Novak, Veterinärmedizinische Universität Wien 215

WSII45: Charakterisierung der intraspezifischen Variabilität bei Petersilie mittels molekularer Marker sowie klassischer und nicht-zielgerichteter Bestimmung flüchtiger Inhaltsstoffe WSII45: Characterization of the intraspecific variability in parsley using molecular markers as well as classical and non-targeted determination of volatile metabolites

H. Budahn, T. Bruchmüller, D. Ulrich, H. Krüger, U. Lohwasser, F. Marthe, Julius Kühn-Institut, Quedlinburg 217

Workshop III: Arzneipflanzen der Traditionellen Chinesischen Medizin

Organisation und Leitung: H. Heuberger, Landesanstalt für Landwirtschaft, Freising

WSII46: Zubereitungen aus Heilpflanzen der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) – Chancen und Herausforderungen aus Sicht der Akteure bei Entwicklung, Registrierung und Anwendung Gemeinsamer Abstract der Impulsvorträge zum TCM-Workshop

H. Heuberger, A. Behrendt, K. Reh, A. Wiebrecht, H. Sievers und R. Seidenberger, Landesanstalt für Landwirtschaft, Freising 221

Verzeichnis der Autoren 223

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Begrüßung durch den Deutscher Fachausschuss für Arznei-, Gewürz- und Aromapflanzen (DFA)

Andreas Plescher

stellv. Vorsitzender des Deutschen Fachausschusses für Arznei-, Gewürz- und Aromapflanzen

Willkommen in Berlin!

Die 6. Fachtagung zu Arznei- und Gewürzpflanzen findet hier, in Berlin, im ehrwürdigen Haupt-gebäude der Humboldt-Universität statt. Der in dieser Stadt geborene Alexander von Humboldt war ein herausragender deutscher Naturwissenschaftler des frühen 19. Jahrhunderts und ein Förderer des sowohl internationalen wie auch interdisziplinären wissenschaftlichen Austausches. Im Jahr 1828 organisierte er in Berlin einen Kongress, der erstmals 600 Naturwissenschaftler verschiedenster Fachgebiete und verschiedenster Nationen hierher nach Berlin zog.

Die vom Deutschen Fachausschuss für Arznei- und Gewürzpflanzen in jeweils mehrjährigem Abstand und gemeinsam mit jeweils anderen Gastgeberinstitutionen organisierten Fachtagungen sind vom Ansatz her nationale Veranstaltungen. Daher ist die Konferenzsprache Deutsch. Die auch diesmal wieder teilnehmenden Gäste aus dem Ausland möchte ich besonders willkommen heißen.

Die 6. Fachtagung stellt die Wirkstoff- bzw. Sekundärstoffpflanzen als Forschungsobjekte ver-schiedener Wissenschaftsdisziplinen in den Mittelpunkt. Die Teilnahme von Experten der Bota-nik, Phytochemie, Pharmazie, Medizin, der Landwirtschaft und des Gartenbaus sowie der Ver-fahrens- und Biotechnologie spiegelt den von den Organisatoren angestrebten interdisziplinären und interprofessionellen Charakter der Veranstaltung wider. Um zu einem fachgebietsübergreifenden Dialog zu finden, bedarf es aber auch einer gemeinsamen verständlichen Sprachwahl. Daher mein Hinweis an alle Referenten, die Vorträge und Präsentationen so zu gestalten, dass sie auch für fachgebietsfremde Wissenschaftler verständlich sind. Ganz spezifische Fachwörter oder Abkürzungen sollten vermieden oder erläutert werden. Gemeinsam haben wir allgemeine und grundlegende Kenntnisse in den Lebenswissenschaften. Auf dieser Grundlage können wir uns auch fachübergreifend verständigen.

Die Vorankündigung und Einladung zur 6. Fachtagung erfolgte unter dem Motto „Innovation, Vielfalt und Nutzen“. Aufgrund der zunehmenden Komplexität phytochemischer, pharmakologischer und ernährungsphysiologischer Erkenntnisse, phytotherapeutischer Ansatzalternativen, regulatorischer Anforderungen und Grenzsetzungen sowie biotechnologischer, pflanzenbaulicher und pflanzenzüchterischer Innovationen gewinnt der Wissens- und Technologietransfer sowohl zwischen Wissenschaftlern, Behörden und Wirtschaftsvertretern als auch von der Grundlagenforschung über angewandte Entwicklung bis hin zur Praxis immer mehr an Bedeutung. Von der Natur angebotene Vielfalt des pflanzlichen Ausgangsmaterials, unsere Ideen, Arbeiten, Methoden, Verfahren und Produkte sind die Grundlagen für die schonende Nutzung genetischer Ressourcen für Gesundheit und menschliches Wohlergehen. Wir wollen dabei die Marktelemente „Wellness“ und „Beauty“ mit einbeziehen.

Das vorliegende Programm erscheint uns als Organisatoren außerordentlich gefüllt und straff. Es spiegelt den enormen Fortschritt, den die Arznei- und Gewürzpflanzenforschung seit der 5.

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6. Fachtagung Arznei- und Gewürzpflanzen, 19. – 22.9.2011, Berlin

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Fachtagung 2008 in Bernburg / Sachsen-Anhalt erfahren hat und den Bedarf an Kenntnis-austausch und Wissenstransfer wider.

Die Organisation einer jeden Tagung erfordert ein außergewöhnliches Engagement, meist von Einzelpersonen, sofern man die Organisation nicht total an ein Dienstleistungsbüro abgibt. Unabhängig davon, wie wir den Verlauf der Tagung nach Abschluss einschätzen werden, möchte ich mich bereits jetzt für die Unterstützung bei der Vorbereitung bei Frau Dr. Schenk, landw.-gärtnerische Fakultät der Humboldt-Universität, bei Herrn Dr. Marthe, Julius-Kühn-Institut / Institut für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen und bei Frau Dr. Titel, Firma con-gressa aufrichtig bedanken.

Nach der Auftaktveranstaltung am gestrigen Abend und nach dem Willkommensgruß im Namen des Vorbereitungskommitees an alle Teilnehmer möchte ich nun die 6. Fachtagung zu Arznei- und Gewürzpflanzen eröffnen.

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Pharmazeutische Biologie, Ethnobotanik, Pharmakologie, Phytotherapie, Ernährung, Kosmetik

Vorträge

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Themenkreis A: Pharmazeutische Biologie, Ethnobotanik, Pharmakologie, Phytotherapie, Ernährung, Kosmetik

Vorträge

APV 01

Historische und gegenwärtige Bedeutung der Arzneipflanzen in der Chinesischen Medizin

P.U. Unschuld

Horst-Görtz-Stiftungsinstitut für Theorie, Geschichte, Ethik Chinesischer Lebenswissenschaften, Zentrum für Human- und Gesundheitswissenschaften, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Charitéplatz 1, 10117 Berlin

Die chinesische Heilkunde ist für einen Zeitraum von fast drei Jahrtausenden dokumentiert. Die ältesten Quellen aus dem frühen 1. Jahrtausende v. Chr. Geburt weisen auf ein Weltbild hin, das menschliches Kranksein als einen Eingriff verstorbener Ahnen in die Existenz der Lebenden deutet. Etwa seit der Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. Geburt sind zusätzlich böswillige Dämonen als Verursacher menschlichen Krankseins identifiziert worden. Wann ein Wissen um die heilkräftigen Wirkungen von Arzneipflanzen in China entstand und schließlich von der Bevölkerung akzeptiert wurde, ist nicht bekannt. Die ältesten chinesischen Quellen, die uns heute Aufschluß über die Bedeutung der Pharmazie und somit der Arzneipflanzen bieten, stammen aus einem Grab in der Provinz Hunan, das im Jahre 167 v. Chr. geschlossen wurde und in dem einem Verstorbenen Texte in die Nachwelt mitgegeben wurden, die, so darf man annehmen, den damaligen Stand der Heilkunde widerspiegeln. Diese so genannten Mawangdui-Texte sind in mehrfacher Hinsicht erstaunlich. Die hoch entwickelte pharmazeutische Technologie, die Anzahl an natürlichen und künstlich hergestellten Substanzen, die Zusammenstellung der Rezepte, die Bandbreite der Indikationen und die generelle Abwesenheit der Akupunktur zu jener Zeit verweisen auf einen hohen Stellenwert der Arzneipflanzenkunde, für dessen Vorentwicklung keinerlei Quellen existieren.

Die Pflanzenheilkunde entwickelte sich aus diesen Anfängen kontinuierlich über die Jahrhunderte. Eine kaum überschaubare Vielzahl von Pflanzen aus China selbst und aus dem benachbarten oder fernen Ausland fand Eingang in den chinesischen Arzneischatz. Eine reiche Arzneibuch- und Rezeptbuchliteratur mit vielerlei unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten entwickelte sich. Das älteste bekannte Arzneibuch, das so genannte Shen Nong ben cao jing, stammt wohl aus dem 1. Jahrhundert nach Chr. Geburt. Die Zahl 365, die Anzahl der Tage im Sonnenjahr, bestimmte auch die Anzahl der beschriebenen Substanzen, so wie auch in der nunmehr konzipierten Akupunktur 365 Punkte auf der Körperoberfläche für die Nadelung bereit standen. Doch in der Pharmazie wurde diese Zahl rasch überwunden. Schon um das Jahr 500 beschrieb die Arzneibuchliteratur 720 Substanzen; die Zahl wuchs rasch an auf über 1500 im 12. und 13. Jahrhundert, mit einem Höhepunkt in dem beeindruckendsten Arzneibuch der Kaiserzeit, dem Bencao gangmu des Li Shizhen aus dem Jahre 1598 mit einer Beschreibung von etwa 1900 Substanzen. Die Thematik der Arzneibücher variierte beträchtlich. Da gab es Autoren, die ein ganzens Buch lediglich einer Substanz widmeten; andere konzentrierten sich auf die Pflanzen einer bestimmten Region, oder auf die pharmazeutisch-technologische Aufarbeitung, oder solche Substanzen, die in Hungerszeiten auch als Lebensmittel dienen können, und viele weitere

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6. Fachtagung Arznei- und Gewürzpflanzen, 19. – 22.9.2011, Berlin

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Themen mehr. Seit der Tang-Zeit, also etwa dem 8. Jahrhundert sind bebilderte Arzneibücher bekannt; die ältesten erhaltenen Pflanzenabbildungen stammen aus dem 13. Jahrhundert. Im 16. Jahrhundert wurden mehrere große Arzneipflanzenkompendien geschaffen, die durch ihre farbigen Illustrationen beeindrucken. Da die Drucktechnik damals solche Zeichnungen noch nicht zu reproduzieren vermochte, sind sie nur in handschriftlichen Versionen erhalten.

Auch die Rezeptliteratur durchlief eine höchst beeindruckende Entwicklung. Waren in den Mawangdui-Texten nur etwas mehr als 200 Rezepte niedergeschrieben, so stieg die Zahl bis zur Tang-Zeit bereits auf 6.000. Der Höhepunkt wurde in dieser Literaturgattung im 15./16. Jahrhundert erreicht, als Rezeptsammlungen bis zu 60.000 Vorschriften in einem Buch vereinten. Diese große Zahl ist erklärbar aus dem Bemühen, für jede einzelne Krankheit so viele Rezeptvorschriften wie möglich zur Verfügung zu haben. Autoren erdachten sich auf Grund unterschiedlicher Kriterien Kombinationen von mehreren Substanzen und beschrieben die therapeutischen Erfolge in ihren Werken. Andere Autoren kopierten diese Vorschriften und vereinten sie mit weiteren zu derselben Indikation, um im Falle von Versagen stets mindestens eine Alternative zu haben. Doch dieser Tradition stand eine andere, theoriegestützte Vorgehensweise entgegen, die mit zwei- bis dreihundert Substanzen auskam und diese Substanzen nach deren vermeintlichen Stellungen in dem Lehrgebäude der Yinyang und Fünf-Phasen-Theorien systematischer Korrespondenz aller Dinge zu Rezepten zusammenstellte und in der Therapie anwandte. Die historische chinesische Phytotherapie ist folglich äußerst heterogen und beruht auf verschiedenen Prinzipien.

Die Einführung der westlichen medizinischen Wissenschaft nach China seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts brachte mehrere tiefgreifende Veränderungen mit sich. Die Forderung nach Kenntnis der wirksamen Inhaltsstoffe resultierte in der chemischen Analyse aller Substanzen und der Infragestellung vieler historischer Indikationen. Die Problematik der pharmakologischen Analyse von Rezeptvorschriften fokussierte den Blick der Auswertung traditioneller Kenntnisse auf Einzelsubstanzen. Die Globalisierung chinesischer Pflanzenheilkunde überforderte traditionelle Anbau- oder Sammelverfahren in der Natur und setzte an deren Stelle moderne Plantagen mit dem Einsatz von Pestiziden, Fungiziden, Herbiziden. Die großflächige Trocknung frischer Pflanzen auf Asphaltflächen bewirkte Kontaminationen ebenso wie der in manchen Gegenden meßbare radioaktive Niederschlag.

Die kommerzielle, internationale Ausbreitung chinesischer Phytotherapie hat zunehmende Exportvolumina zur Folge, mit allen Fragen nach der Qualität der Ware. Die Erlöse aus Fertigpräparaten und Extrakten gehen mittlerweile in die hunderte von Millionen Euro.

Der Gebrauch chiensischer pflanzlicher Arzneien im Inland ist vor allem für die Krankenhäuser, die ökonomisch auf sich selbst gestellt sind, äußerst profitabel. Hier ist die Möglichkeit gegeben, billig einzukaufen und teuer zu verkaufen, so daß kein Krankenhaus auf diese Einnahmequelle verzichten kann – im Gegensatz zu der Akupunktur, die bei sehr personalintensiver Betreuung kaum ökonomischen Gewinn bringt und daher zunehmend marginalisiert wird.

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Pharmazeutische Biologie, Ethnobotanik, Pharmakologie, Phytotherapie, Ernährung, Kosmetik

Vorträge

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APV 02

Die Bedeutung pflanzlicher Arzneizubereitungen in der modernen westlichen Medizin

K. Kraft

Lehrstuhl für Naturheilkunde, Universität Rostock

Zusammenfassung

Durch die Aktivitäten der Europäischen Arzneimittelagentur und ihrer nationalen Pendants haben die Kenntnisse über Qualität, Wirksamkeit und Verträglichkeit von pflanzlichen Drogen bzw. ihren Zubereitungen einen in der Pharmaziegeschichte bisher nie dagewesenen Standard erreicht. Diese Leistung wird jedoch in der modernen westlichen Medizin von den Leistungserbringern und –trägern gegenwärtig nur wenig gewürdigt. Die zunehmenden Probleme im Gesundheitswesen bei Finanzierung und Ressourcenmanagement unter den erschwerten Konditionen einer alternden Gesellschaft sollten hier jedoch zu einem erheblichen Umdenken führen, zumal die Akzeptanz der Phytotherapie in der Bevölkerung sehr hoch ist und sie zur Therapie von häufigen alltäglichen Beschwerden auch des älteren Menschen bei sehr guter Verträglichkeit hervorragend geeignet ist.

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Pflanzliche Drogen und ihre Zubereitungen sind ein sehr wichtiger Teil aller Ethnomedizinen. Dies traf bis zum 19. Jahrhundert auch für in Europa zu. Danach wurden sie aus der westlichen Medizin ebenso wie die dazugehörigen traditionellen Arzneiformen wie Tees, Tinkturen und Medizinalweine durch zunehmend patentierte, intensiv beworbene Monosubstanzen in modernen pharmazeutischen Zubereitungsformen verdrängt. Dieser Trend setzte sich noch rascher fort, als sich die von Teilen der Bevölkerung getragene naturheilkundliche Bewegung dieser Arzneimittel ab den 1880er Jahren annahm. Auch im 20. Jahrhundert blieb das Interesse der modernen westli-chen Medizin an der Phytotherapie im Allgemeinen gering. In der Bevölkerung und insbeson-dere bei den Patienten hat ihre Beliebtheit ab den 1970er Jahren dagegen wieder deutlich zuge-nommen. Dies ist vor allem den damals bereits weit verbreiteten, allerdings wissenschaftlich kaum fundierten Ratgebern zu verdanken sowie der Tatsache, dass allmählich auch die erheb-lichen Nebenwirkungen verschiedener chemisch definierter Arzneistoffe einer breiteren Öffent-lichkeit bekannt wurden. 1978 waren in Deutschland ca. 78 000 Phytopharmaka im Verkehr.

Die Nebenwirkungsproblematik führte zum 2. Arzneimittelgesetz von 1976, das im Rahmen der (Nach-)zulassungsverfahren von Arzneimitteln deren intensive wissenschaftliche Untersuchung zur Folge hatte. Davon waren auch die pflanzlichen Drogen und insbesondere die auf dem Markt befindlichen Phytopharmaka betroffen. Die systematische Erarbeitung der weltweit ersten wissenschaftlich fundierten Monographien für pflanzliche Drogen durch die Kommission E von 1978-1995 war ein wichtiger Schritt auf dem Weg der Phytotherapie zu einem Teil der moder-nen westlichen Medizin. Gleichzeitig führten die Nachzulassungsverfahren zur Sicherung bzw. Verbesserung der Arzneimittelqualität von Phytopharmaka. Vorbestehende Standardisierungs-prozesse, die vom Arzneipflanzenanbau bis zu den Herstellungsverfahren unter Verwendung moderner Zubereitungsformen reichten, wurden weiterentwickelt und garantieren heute eine gleichbleibend hohe Qualität von für Deutschland zugelassenen Phytopharmaka.

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Ab ca. 1990 begann in der modernen westlichen Medizin die bis heute anhaltende intensive Dis-kussion um die Evidenzbasierung von medizinischen Methoden. Noch immer stehen hier vor allem die Arzneimittel im Fokus, nicht-medikamentöse Verfahren werden dagegen erst in den letzten Jahren zunehmend intensiver wissenschaftlich untersucht. Ab 1995 wurde in Deutschland zudem die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelte „Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ (ICD-9, später ICD-10) für die stationäre, ab 2000 auch für die ambulante Versorgung eingeführt. Damit konnten die ge-setzlichen Krankenversicherungen (GKV) die Kosten medizinischer Maßnahmen nur noch für die in dieser Klassifikation aufgeführten Erkrankungen erstatten. Die Hersteller von Phytophar-maka waren hier stark gefordert, da für die meisten ihrer Produkte keine nach den modernen, immer aufwändiger werdenden Prüfmethoden durchgeführten klinischen Studien zum Beleg der Wirksamkeit bei den verschiedenen Indikationen vorlagen und zudem auch noch eine Anpassung der bisher oft relativ unscharf formulierten Indikationen an die Kriterien der ICD-10 Klassifika-tion vorgenommen werden musste. Insbesondere für die oft empirisch gut bewährten Kombina-tionsarzneimittel, die bisher stets eine Domäne der Phytotherapie gewesen waren, waren diese Hürden kaum zu überwinden. Nach Abschluss des Nachzulassungsprozesses befanden sich deshalb im Januar 2007 nur noch ca. 2400 Fertigarzneimittel auf dem Markt.

Inzwischen hat die Europäische Arzneimittelagentur, insbesondere das Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) dafür gesorgt, dass viele der in der EU erhältlichen pflanzlichen Zubereitungen katalogisiert und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bewertet wurden. Die pflanzliche Zubereitungen, die den Status des „well-established use“ erhalten haben, sind den chemisch defi-nierten Arzneimitteln hinsichtlich Qualität und Wirksamkeit bei den Indikationen, für die sie zu-gelassen sind, ebenbürtig, hinsichtlich der Nebenwirkungen sind sie sogar oft überlegen. Diese und die in Deutschland nach § 105 des Arzneimittelgesetzes zugelassenen Phytopharmaka können deshalb mit Fug und Recht als in der modernen westlichen Medizin angekommen bezeichnet werden.

Leider nehmen sie dennoch nicht den Stellenwert ein, der ihnen auch wegen der im Vergleich zu anderen Methoden sehr günstigen Preisgestaltung zukommen könnte. Der weitgehende Verlust der Erstattungsfähigkeit von Phytopharmaka im Januar 2004 infolge des GKV-Modernisierungs-gesetzes, der bekanntlich mit deren fehlender Rezeptpflichtigkeit infolge der geringen Nebenwir-kungen begründet wurde, hatte zur Folge, dass die Aufgeschlossenheit gegenüber Phytophar-maka und damit langfristig auch der Kenntnisstand bei vielen bis dato noch gut informierten Ärzten stark nachließ. Daran konnte auch die Einführung eines Querschnittsbereichs „Rehabi-litation, physikalische Therapie und Naturheilverfahren“ in das Medizinstudium im Rahmen der Änderung der Approbationsordnung für Ärzte im Jahr 2002 wenig ändern. Die zur Verfügung stehende Ausbildungszeit reicht kaum aus, das Interesse der Medizinstudenten an der Phyto-therapie zu wecken. Zudem ist die Konkurrenz durch andere Fächer sehr groß und die allgemeine Lernbelastung sehr hoch.

In der für gewöhnlich stationär stattfindenden Weiterbildung zum Facharzt spielt die Phytothera-pie gegenwärtig kaum noch eine Rolle. Der ökonomische Druck in den Krankenhäusern, hohe Fallzahlen schwer Erkrankter bei einer möglichst kurzen stationären Verweildauer zu erzielen, hat zur weitgehenden Eliminierung aller nicht unmittelbar und/oder nicht stark wirkenden Me-thoden geführt. Davon war auch die Phytotherapie betroffen. Da pflanzliche Drogen in deut-schen Leitlinien zur Therapie von Krankheiten nur ausnahmsweise erwähnt werden, weil den Gremien, die diese Leitlinien erarbeiten, selten Vertreter der Phytotherapie angehören, wird den Patienten diese Therapieoption oft unwissentlich vorenthalten.

Die gilt in gleicher Weise für die ambulante Medizin. Hier konkurriert die Phytotherapie zudem mit vielen anderen nicht durch die GKV erstattungsfähigen Therapiemethoden, die jedoch als

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Pharmazeutische Biologie, Ethnobotanik, Pharmakologie, Phytotherapie, Ernährung, Kosmetik

Vorträge

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sogenannte individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) für den Arzt finanziell wesentlich attrak-tiver sind. Deshalb nimmt beispielsweise die Verordnung chinesischer Heilkräuter im Rahmen der Traditionellen Chinesischen Medizin in Deutschland immer weiter zu, obwohl hierbei Quali-tät, Wirksamkeit und Verträglichkeit bei weitem nicht so gut abgesichert bzw. belegt sind wie bei den in Deutschland zugelassenen Phytopharmaka.

In der Bevölkerung hat infolge der Erschwerung des Arztzugangs das Interesse an der Selbst-medikation bei leichteren Gesundheitsstörungen in den letzten Jahren zugenommen. Dies gilt auch für die Phytotherapie. Da medizinische Laien in der Regel allenfalls rudimentäre Kennt-nisse über Arzneimittelqualität und Wirksamkeitsbelege haben, treffen sie die Auswahl bevor-zugt über den Preis. Hier steht die Phytotherapie in erheblicher Konkurrenz zu anderen Medika-menten und Nahrungsergänzungsmitteln. Zudem findet die qualifizierte Beratung durch den Apotheker nicht so häufig statt, wie man aufgrund der Verkaufszahlen erwarten könnte, weil die in der Apotheke erhältlichen Phytopharmaka zumeist etwas teurer sind als diejenigen aus ande-ren Bezugsquellen. Dagegen hat die in der Öffentlichkeit vor einigen Jahren geführte Debatte über Nebenwirkungen und Interaktionen von Phytopharmaka die Patienten allenfalls kurzfristig irritiert, da sie mit eigenen Erfahrungen nicht übereinstimmten.

Eine erfolgreiche Selbstmedikation setzt eine exakte Stellung der Diagnose voraus, dies ist für den medizinischen Laien in der Regel jedoch nicht möglich. Grundsätzlich muss hier die Frage gestellt werden, ob es ethisch vertretbar ist, eine Vielzahl von Gesundheitsstörungen und leichteren Erkrankungen aus Kosten- oder strukturellen Gründen aus der modernen westlichen Medizin auszuschließen und etwaige Misserfolge in der Selbstbehandlung dann womöglich Verfahren anzulasten, die die Kriterien der westlichen Medizin erfüllen. Dies trifft auch auf die modernen Phytopharmaka zu. Beispielsweise nimmt die Selbstmedikation mit Phytotherapie bei leichterer Depression bzw. Angststörungen wegen der langen Wartezeiten auf einen entsprechen-den Arztkontakt immer mehr zu. Gerade bei psychischen Störungen kann der Betroffene jedoch kaum selbst die Diagnose stellen, er kann zudem vital gefährdet werden. Diese Problematik hat dazu geführt, dass bestimmte Johanniskrautzubereitungen inzwischen bei der Indikation „mittelschwere Depression“ wieder erstattungsfähig wurden und auch in den entsprechenden Leitlinien erwähnt werden. Der Beleg für eine den chemisch definierten Antidepressiva vergleichbare Wirksamkeit bei besserer Verträglichkeit lag zum Zeitpunkt dieser Entscheidung bereits längst vor, er war somit nicht ausschlaggebend.

Obwohl also viele Phytopharmaka formal aufgrund der Nachweise von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit sowie des günstigen Preis-Leistungsverhältnisses in der modernen westlichen Medizin angekommen sind, ist dies in der Praxis noch nicht nachvollziehbar. Dies könnte sich jedoch ändern. Tatsächlich sind die Probleme gegenwärtig gewaltig. Die aufwän-digen Entwicklungs-, Produktions- und Zulassungsverfahren treiben fixe wie variable Kosten für neue Therapieverfahren in die Höhe. Zudem ist inzwischen bekannt, dass ca. 90 % der Produkte und Therapien nur bei 30-50 % der Menschen wirken. Dies scheint insbesondere für spezifisch wirksame Medikamente zu gelten. Bereits vorhandene Technologien und Produkte wie z. B. die Phytopharmaka müssen deshalb noch effektiver eingesetzt werden.

Andererseits wird auf europäischer Ebene die Bedeutung der Gesundheitswirtschaft, die Teil der modernen westlichen Medizin ist, zunehmend erkannt. Je informierter die Menschen werden, umso mehr sind sie bereit, privates Geld in ihre Gesundheit zu investieren. Sie erwarten zu-nehmend ganzheitliche Gesundheitsangebote, die auf einem strukturierten Prozess beruhen. Diese Patientensouveränität ist neben der Kostenproblematik ein wichtiger Treiber des Wandels in der Gesundheitswirtschaft. Sie wird vor allem durch Qualitätstransparenz ermöglicht. Hier sind deutsche Phytopharmaka im internationalen Wettbewerb im Vergleich zu anderen

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pflanzlichen Arzneimitteln sehr gut aufgestellt. Es ist eine der zukünftigen Aufgaben, dies noch stärker als bisher publik zu machen, weil es die Patienten wirklich interessiert.

AV 03

Glukosinolate der Kreuzblütengewächse in Prävention und Therapie maligner Tumore

I. Herr

Experimentelle Chirurgie, Chirurgische Universitätsklinik und DKFZ Heidelberg, Im Neuenheimer Feld 365, 69120 Heidelberg, e-mail: [email protected], http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/MOC

Glukosinolaten aus Gemüse der Kreuzblütengewächse (Cruciferae, Brassicaeae) wird eine chemopräventive und antikanzerogene Wirkung zugeschrieben. Dies basiert auf zahlreichen tierexperimentellen und epidemiologischen Ernährungsstudien am Menschen. Darin wurde ein Zusammenhang zwischen dem Konsum von Kreuzblütlengewächsen und einem geringeren Risiko für verschiedene Krebsarten gefunden. Am konsistentesten sind die Daten für eine inverse Assoziation zwischen dem Verzehr von Kreuzblütengemüsen und einem geringeren Risiko für Krebs der Lunge und des Magen-Darm-Traktes.

Glukosinolate werden von der Pflanze als natürliche Pestizide und zur Schädlingsabwehr hergestellt. Glukosinolate und die daraus entstehenden Senföle sind verantwortlich für den bitteren bis scharfen Geschmack der Kreuzblütengewächse, darunter Kresse, Ruccola, Senf, Rettich, Meerettich, Raps und Kohlgewächse. In der Antike dienten Kohlpflanzen vor allem als Heilmittel und weniger als Nahrungsmittel [1]. Im alten Ägypten wurde Kohl gegen insgesamt 83 Krankheiten verwendet, darunter Gicht und Magenbeschwerden. Die heilsame Wirkung gegen Magenbeschwerden wurde inzwischen wissenschaftlich bewiesen, da Kohlinhaltsstoffe offensichtlich das Magenbakterium Helicobacter Pylorii unterdrücken [2]. Kohl wurde von Pythagoras gepriesen und Hippokrates (460 – 327 vor Christus) empfahl den Kohl ebenfalls zur Behandlung von Magenbeschwerden und Durchfall. Kohl galt in dieser Zeit als unverzichtbarer Bestandteil einer guten Ernährung. Cato der Ältere (234 – 149 vor Christus), ein römischer Staatsmann, notiert in seinem Buch über Heilpflanzen, dass „Kohl, roh mit Essig gegessen oder mit Öl oder Fett gekocht, alles vertreibt und heilt“, vom Kater nach übermäßigem Weingenuss bis hin zu schweren Krankheiten wie Krebs: so schreibt er, dass ein zerstoßenes Kohlblatt einen Brusttumor heilen hilft [3].

Chemisch gesehen bestehen die etwa 120 verschiedenen, in der Natur vorkommenden Glukosinolate aus einer Glukoseeinheit, einer schwefelhaltigen Gruppierung mit einem Agluconrest sowie einer Sulfatgruppe, wobei die jeweiligen Glukosinolate sich nur im Agluconrest unterscheiden. Die Abbauprodukte enthalten ebenfalls ein Schwefelatom, das für den charakteristischen Geruch verantwortlich ist, der beim Kochen von Gemüse aus der Kohlfamilie freigesetzt wird. Die Kreuzblütler-Pflanzen enthalten das Enzym Myrosinase, welches die Glukosegruppe hydrolytisch abspaltet. Das entstandene Molekül konvertiert danach schnell in ein Isothiozyanat, ein Nitril oder ein Thiozyanat – dies sind die aktiven Abwehrsubstanzen der Pflanze, welche für den scharfen Geschmack verantwortlich sind. Ausgehend von den besonders scharf schmeckenden Abbauprodukten des Senf werden die

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Vorträge

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Glukosinolate allgemein auch als „Senfölglycoside“ bezeichnet. Um Schaden von der Pflanze selbst abzuwenden, werden die Myrosinase und die Glukosinolate in separaten Zellkompartimenten gespeichert. Sie kommen nur zusammen wenn die Zelle verletzt wird, z.B. durch schneiden, beißen oder kauen [4]. D.h., es existiert bereits eine partielle Konvertierung der Glukosinolate im Mund, bevor diese den Magen erreichen. Myrosinase kommt nicht nur in der Pflanzenzelle, sondern auch in der Darmflora vor und trägt daher zur Hydrolyse von Glukosinolat bei.

Bestimmte Glukosinolate sind in der gesamten Familie der Kreuzblütler gleich stark vertreten, während einige Sorten einen extrem hohen Gehalt eines bestimmten Typs von Glukosinolaten aufweisen. Da jedes Isothiocyanat aus dem Abbau eines spezifischen Glukosinolats entsteht, hängt die Art der Isothiocyanate, die mit bestimmten Gemüsesorten verbunden sind, von der Art der in diesen Gemüsesorten enthaltenen Glukosinolate ab [3]. Dies ist wichtig zu wissen, weil für bestimmte Isothiocyanate eine stärkere tumorhemmende Wirkung als für andere gefunden wurde. Besonders interessant für die Tumortherapie ist das Sulforaphan, welches aus Glucoraphanin entsteht, einem Glukosinolat, das reichhaltig in Brokkoli vorkommt. Es ist durchaus möglich, dass auch andere Abbauprodukte von Glukosinolaten eine potente Wirkung gegen Krebs besitzen, aber leider wurde bisher nur das Sulforaphan ausgiebig wissenschaftlich untersucht.

Mechanismen der antikarzinogenen Wirkung von Sulforaphan sind breitgefächert und involvieren beispielsweise die direkte Entgiftung von Karzinogenen. Es wurde gezeigt, dass Sulforaphan die Phase 1 Enzyme des Zytochrom P450-Systems hemmen und dadurch eine Aktivierung von Karzinogenen verhindern kann [5]. Dadurch beugt Sulforaphan der Bildung von Karzinogen-induzierten DNA-Adukten vor, die durch heterozyklische Amine ausgelöst werden [6]. Letztere entstehen beim Grillen oder Braten von Fleisch und Fisch. Ein anderer wichtiger Prozess bei der Sulforaphan-induzierten Chemoprotektion ist die Aktivierung von Phase 2 Enzymen durch den Nrf2 Transkriptionsfaktor, wodurch reaktive oxidierende Substanzen (ROS) eliminiert werden [7]. Obwohl Sulforaphan nicht direkt als Anti-Oxidanz wirkt, gibt es reichlich Hinweise auf eine indirekte Erhöhung der antioxidativen zellulären Aktivität durch Sulforaphan [8]. Neben seiner Entgiftungsfunktion übt Sulforaphan einen direkten zytostatischen Effekt auf Tumorzellen aus, indem es den programmierten Zelltod in Gang setzt. Bei den diversen Studien wurde auch gezeigt, dass die Hemmung von Apoptose mit einem Sulforaphan-vermittelten Zellzyklusarrest einhergeht, der wiederum das Wachstum der Tumorzellen einschränkt [7]. Sulforaphan hat nicht nur einen direkten Effekt auf einzelne Tumorzellen, sondern kann das Wachstum ganzer Tumore durch eine Hemmung der Blutgefäßbildung beeinflussen. Die Wirkungsweise von Sulforaphan hierbei umfasst die Inhibition von Angiogenese-aktivierenden Transkriptionsfaktoren wie HIF-1α und c-Myc, Hemmung der Basalmembranintegrität durch verminderte Produktion der Matrixmetalloproteinase-2 und eine Reduktion der Proliferation von Endothelzellen [7, 9]. Des Weiteren weisen experimentelle Daten auf eine Elimination von Tumorstammzellen durch Sulforaphan hin [10]. Dies ist bemerkenswert, da die hoch resistenten Tumorstammzellen als Wurzel des Tumorwachstums angesehen werden und von der konventionellen Chemotherapie nicht wirksam angegriffen werden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das entzündungshemmende Potential von Sulforaphan, welches an dem altbekannten Zusammenhang zwischen chronischer Entzündung und Karzinogenese angreift. Bekannte Interaktionen von Sulforaphan mit dem Immunsystem sind eine Verminderung der iNOS und Cox-2 Expression, sowie der Sekretion von TNF-α in kultivierten Makrophagen [11]. Zudem hemmt Sulforaphan den Transkriptionsfaktor NF-�B [10, 11], der ein Hauptschalter bei Entzündungsreaktionen und der Induktion von Apoptoseresistenzen in Tumorzellen ist.

Obwohl zahlreiche Ernährungsstudien ein verringertes Krebsrisiko bei Menschen zeigen, die viel Kreuzblütengemüse verzehren, sind die Daten aus verschiedenen Studien nicht konsistent. Nicht

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vergessen werden sollte, dass wohl nicht alle Studienergebnisse wahre Assoziationen widerspiegeln, da Ernährungsstudien ihre Begrenzungen haben. Beispielsweise führen Leute, die viel Kreuzblütengemüse essen, meist auch einen gesünderen Lebensstil als solche, die weniger davon essen. Zigaretten und Sport sind wichtige Faktoren, welche Ergebnisse von Ernährungsstudien beeinflussen. Ein anderer Grund für inkonsistente Daten ist die Assoziation der individuellen Genexpression mit dem Glukosinolat-Metabolismus. Abschließend sei hier auch bemerkt, dass die bisherigen Daten nicht zu dem Schluss verleiten sollten, dass eine hohe Zufuhr bestimmter Lebensmittel oder womöglich isolierter Substanzen daraus vor Tumoren schützen oder Krebserkrankungen heilen könnte. Die aktuelle Datenlage lässt lediglich den Schluss zu, dass der häufige Verzehr von Lebensmitteln aus der Familie der Kreuzblütler zu einer Risikominderung und einem verlangsamten Wachstum und Metastasierung von Tumoren bei bestimmten Personen führen kann. Sulforaphan aus Brokkoli verdient eine besondere Aufmerksamkeit im Rahmen einer Krebsvorbeugung durch bewusste Ernährung oder den Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln in der Krebstherapie.

Referenzen

1 Fenwick GR, Heaney RK, Mullin WJ. Glucosinolates and their breakdown products in food and food plants. Crit Rev Food Sci Nutr 1983;18:123-48. 2 Yanaka A, Fahey JW, Fukumoto A, et al. Dietary sulforaphane-rich broccoli sprouts reduce colonization and attenuate gastritis in Helicobacter pylori-infected mice and humans. Cancer prevention research (Philadelphia, Pa 2009;2:353-60. 3 Beliveau R, Gingras D. Krebszellen mögen keine Himbeeren. Nahrungsmittel gegen

Krebs. . München: Kösel-Verlag 2008. 4 Ratzka A, Vogel H, Kliebenstein DJ, et al. Disarming the mustard oil bomb. Proceedings

of the National Academy of Sciences of the United States of America 2002;99:11223-8. 5 Stan SD, Kar S, Stoner GD, et al. Bioactive food components and cancer risk reduction. Journal of cellular biochemistry 2008;104:339-56. 6 Shishu, Singla AK, Kaur IP. Inhibition of mutagenicity of food-derived heterocyclic amines by sulphoraphene--an isothiocyanate isolated from radish. Planta medica 2003;69:184-6. 7 Juge N, Mithen RF, Traka M. Molecular basis for chemoprevention by sulforaphane: a comprehensive review. Cell Mol Life Sci 2007;64:1105-27. 8 Zhang Y, Li J, Tang L. Cancer-preventive isothiocyanates: dichotomous modulators of oxidative stress. Free radical biology & medicine 2005;38:70-7. 9 Bertl E, Bartsch H, Gerhauser C. Inhibition of angiogenesis and endothelial cell functions are novel sulforaphane-mediated mechanisms in chemoprevention. Molecular cancer

therapeutics 2006;5:575-85. 10 Kallifatidis G, Rausch V, Baumann B, et al. Sulforaphane targets pancreatic tumour- initiating cells by NF-kappaB-induced antiapoptotic signalling. Gut 2009;58:949-63. 11 Heiss E, Herhaus C, Klimo K, et al. Nuclear factor kappa B is a molecular target for sulforaphane-mediated anti-inflammatory mechanisms. J Biol Chem 2001;276:32008-15.

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Vorträge

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AV 04

Baldrian – von der traditionellen Anwendung zur wissenschaftlichen Begründung der Wirksamkeit

A. Brattström

Alexander Puschkin Str. 50, 39108 Magdeburg, [email protected]

Der therapeutische Wert von Baldrian wurde ursprünglich seinem Geruch zugeordnet. Erste klinische Berichte über erfolgreiche Behandlung von „minor neuroses“ mit Baldrian stammen von J.S. Manson (1). Er ging davon aus, dass die beobachteten Wirkungen auf das Zentralnervensystem von chemischen Inhaltsstoffen des Baldrian ausgelöst werden und nicht durch den Geruch. Erfahrene Kliniker schätzten seine eigentümliche sedative Wirkung, die von keinem anderen Arzneimittel in der gleichen charakteristischen Weise erreicht wird.

F. Haffner berichtete 1929 über experimentelle Untersuchungen an Mäusen zur pharmakologischen Wertbestimmung von Baldrian (2). Er bestimmte die letale Dosis, die als Folge einer allgemeinen Lähmung eintritt und fand, dass je nach Zubereitung (Tee, Tinktur, Tablette [Baldriandispert]) unterschiedliche Mengen an Baldrianwurzeln benötigt wurden. Für Baldriandispert, als der wirksamsten Zubereitung, ermittelte er ein Drogenäquivalent von 1.5 – 2.0 Gramm Wurzeldroge für 100 Baldrian-Mäuse-Einheiten (BME), wobei eine BME der tödlichen Dosis für eine Maus (20 g) entspricht. Auf Grund der Gehaltsberechnungen bestimmte er ein Drogenäquivalent von 100 BME als den Wert, der beim Menschen eine deutliche Beruhigungswirkung induziert. Nachfolgend wurde Baldriandispert so eingestellt, dass 3 Pillen 100 BME entsprachen, d.h. es gab eine normierte Wirkstoffeinstellung.

Untersuchungen von M. Kochmann und H. Kunz (3) mit verschiedenen Zubereitungen und an verschiedenen Tierarten (Frosch, Maus und Kaninchen) ergaben unterschiedliche Wirkungen an Gross- und Mittelhirn. Die Untersuchungen an den Kaninchen bedürfen gesonderter Betrachtung, da hier mittels Injektion von Coffein (18 mg/ kg) eine „Erregung“ induziert wurde und geprüft wurde, wie viel Baldrianzubereitung werden benötigt, um die induziert Erregung aufzuheben. Diese Menge wurde 100% gesetzt. Sie entsprach einem Drogenäquivalent von 4.5 g Baldrianwurzel. Die vergleichsweise Prüfung verschiedener, kommerziell erhältlicher Präparate ergab eine Schwankungsbreite von 50%, d.h. die zur Unterdrückung der „Coffein-Erregung“ benötigte Menge an Baldrianzubereitungen unterlag beträchtlichen Schwankungen. Lediglich das normierte Baldriandispert erbrachte valide und gleichbleibende Ergebnisse. Es wurde die generelle Forderung nach einer Normierung der Handelspräparate erhoben.

Die Methode der Hemmung einer induzierten Erregung durch Baldrian wurde auch am Menschen erprobt. Werz und Hohmann (4) berichteten 1939 über eine einfache aber sehr zweckmäßige Versuchsanordnung. Probanden mussten einen nassen Wollfaden so tief als möglich in ein senkrecht gestelltes Glasrohr eintauchen. Berührte der nasse Wollfaden die Innenseite des Glasrohres, blieb dieser haften und die erreichte Eintauchtiefe wurde abgelesen. Nach Gabe von 0.1 g Coffeinum purum nimmt die Eintauchtiefe des Fadens ab, wobei das Maximum der Coffeiwirkung zwischen der 1.-3. Stunde nach der Einnahme auftrat. Bei gleichzeitiger Gabe von Coffein und Baldrian (3 Dragées Baldriandispert) wurde die Coffeinwirkung komplett aufgehoben. Auf die Interaktion zwischen Coffein und Baldrian wird später noch einzugehen sein (5).

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Im Gegensatz zu den sedierenden Effekten in der Motorik (4) fanden v. Bracken und Weidemann (6) bei der Mehrzahl ihrer Probanden aktivierende Wirkungen im psychophysiologischen Bereich. Sie überprüften die Flimmer-Verschmelzungs-Frequenz (FVF), d.h. ab wie viel Blitzen pro Zeiteinheit gehen die Einzelblitze in allgemeine Helligkeit über, und berichteten mehrheitlich eine Zunahme der FVF. Dieser Effekt trat bereits nach 30 Minuten ein und hielt ca. 3 Stunden an.

Zum Nachweis sedativer Effekte von Baldrian wurden vornehmlich die Einflüsse auf die spontane Motilität sowie die Verlängerung von Schlafzeiten nach Gabe von Barbituraten und Benzodiazepinen bestimmt. Hendriks et al. (7) untersuchten reine Valerensäure und fanden einen eindeutigen Dosis-Wirkungszusammenhang zwischen Valerensäure und motorischer Aktivität. Die Wirkung setzte 10-15 Minuten nach der intraperitonealen Injektion ein. 100 mg /kg waren notwendig, um einen signifikanten Effekt zu erreichen. Diese Menge würde ca. 20 g Extrakt entsprechen, so dass die Relevanz dieses Ergebnisses offen blieb. Leuschner et al. (8) benutzten Valdispert in ihren Untersuchungen. Das Maximum des Effektes wurde 120 Minuten nach der oralen Verabreichung bestimmt. Allerdings waren auch hier relativ große Extraktmengen notwendig, die ED50 wurde mit 230,7 mg Extrakt / kg Körpergewicht bestimmt. Hiller und Zetler (9) berichteten über einen protektiven Effekt des Baldrianextraktes gegenüber Konvulsionen ausgelöst durch Picrotoxin. Valerensäure (12.5 und 25 mg /kg) war ebenfalls erfolgreich, nicht jedoch Azetoxy-Valerensäure obwohl die Strukturähnlichkeit zwischen beiden Substanzen sehr hoch ist. Zusammenfassend spekulieren die Autoren, dass die wesentlichen Effekte des Baldrians über die GABA ( -Aminobuttersäure) Rezeptoren vermittelt werden.

Weitere Untersuchungen zu einer möglichen Beteiligung von Baldrian an einer GABAergen Wirkung ergaben eine Zunahme der GABA Konzentration im synaptischen Spalt, wobei als Mechanismen sowohl eine Hemmung der Wiederaufnahme als auch eine Beeinflussung des GABA Transportes diskutiert werden (10, 11). Awad et al. berichteten zusätzlich über eine Steigerung der Aktivität von Glutamat Decarboxylase, das ist das Enzym welches aus Glutamat die Bildung von GABA forciert (12).

In experimentellen Untersuchungen, die an artifiziell expremierten GABA Kanälen erfolgten, konnten die Untereinheiten des Kanals beschrieben werden, die nach Gabe von Baldrian einen durch GABA Applikation stimulierten Chloridionenstrom vergrößerten. Mit der Valerensäure wurde der Inhaltsstoff bestimmt, der diese Aktion am GABA Kanal induziert (13, 14). Interessanterweise ist die Bindungsstelle für die Valerensäure nicht identisch mit der Bindungsstelle für die Benzodiazepine, woraus sich möglicherweise neue Therapieansätze zur Bekämpfung von Angststörungen ergeben. Murphy et al. zeigten in in-vivo Experimenten eine potente anxiolytische Aktivität von Baldrianextrakten (15). Die in Wien erzielten Ergebnisse (13,14) wurde in unabhängigen Untersuchungen in Zürich bestätigt (16). Durch Punktmutation an den β2 bzw. β3 Untereinheiten der rekombinierten GABA Rezeptoren wurde der anxiolytische Effekt von Valerensäure komplett aufgehoben nicht jedoch der von Benzodiazepinen. Damit ist eine spezifische Angst lösende Wirkung der Valerensäure bestätigt.

Unabhängig von der durch GABAerge Mechanismen vermittelten Aktion von Baldrian ergab die Suche nach Schlaf anstoßenden bzw. das Durchschlafen verlängernden Baldrianaktionen Hinweise auf eine völlig andere Inhaltsstoffgruppe. In Rezeptor-Bindungsstudien wurde mit den Lignanen eine Substanz gefunden, die spezifisch an die Adenosin A1 Rezeptoren bindet (17, 18). In Untersuchungen an Hirnschnitten konnte diese Aktion an den A1 Adenosinrezeptoren durch einen spezifischen Rezeptorantagonisten blockiert werden (19). Interessanterweise war diese Aktion an den A1 Adenosinrezeptoren beschränkt auf einen methanolischen Extrakt (45%). Ein aus dem identischen Ausgangsmaterial hergestellter ethanolischer Extrakt (70%) war hingegen

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Vorträge

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wirkungslos (20). Die Polarität des Lösungsmittels scheint demnach von erheblicher Bedeutung zu sein für einzelne Effekte von Baldrianextrakten.

Adenosin moduliert die cholinerge Aktivität im frontalen Cortex. Letztere reflektiert den Wachzustand und nimmt ab mit der Dauer des Wachseins oder anders dargestellt, ansteigende Adenosin Konzentration im frontalen Cortex reduziert die cholinerge Aktivität im Cortex und steht für eine zunehmende Bereitschaft zum Schlafen. In chronisch instrumentierten, wachen Nagern stieg die die „slow wave activity“ im frontalen Cortex in einer Zeit und Konzentration abhängigen Weise nach oraler Administration von Baldrian (21). Diese Aktion war im Zeitbereich 1-2 Stunden maximal ausgeprägt. Derartige Steigerung der „slow wave actvity“ im frontalen Cortex findet man mit zunehmender Dauer des Wachseins, z.B. nach Schlafdeprivation und reflektiert eine gesteigert Müdigkeit oder zunehmende Bereitschaft zum Schlafen. Vergleichbare Befunde wurden an Untersuchungen an freiwilligen Probanden erhoben (22). Nach den pharmakodynamischen Beobachtungen tritt der Effekt 1-2 Stunden nach oraler Applikation auf. Die Wirkung von Coffein, eine Substanz die ebenfalls an den Adenosin A1 Rezeptoren bindet, konnte Dosis und Zeit abhängig durch den Baldrianextrakt aufgehoben werden. Somit sind die Untersuchungen zur „Coffein-Aufgeregtheit“ (2, 3) möglicherweise neu zu interpretieren.

Somit ergibt sich eine relativ rasche Bioverfügbarkeit für beide aktive Komponenten im Baldrianextrakt, d.h. sowohl für den GABAergen Mechanismus als auch für die durch die A1 Adenosinrezeptor vermittelte Aktivitäten, da beide Effekte zwischen 1-2 Stunden nach oraler Applikation zu beobachten sind. In wieweit andere Aktionen des Baldrians, die aus klinischen Beobachtungen bzw. auch experimentellen Untersuchungen ebenfalls dem Baldrian zugeordnet werden (z.B. Relaxation der glatten Muskulatur, Diurese), in einen vergleichbaren Zeitrahmen auftreten, ist gegenwärtig nicht abzuschätzen.

Aus den hier berichteten Befunden gehen zu mindestens 2 gut belegte Aktionen von Baldrian hervor. Daraus lässt sich als Aufgabe ableiten, dass züchterische Anstrengungen darauf zu richten sind solche Baldrianpflanzen zu selektieren, welche die mit der Wirkung in Verbindung stehenden Inhaltsstoffe in möglichst hoher Konzentration enthalten. Durch ein solches Vorgehen ließen sich Extrakte gewinnen, von denen eine hohe und gleichbleibende biologische Wirkung in der erwünschten Indikation zu erwarten sind. Selbstverständlich sind in einen solche Prozess auch die Nacherntebehandlung sowie die Optimierung der Extraktion einzubinden. Voraussetzungen dafür sind u.a. eine ausreichende analytische Kapazität, um all die Prozesse kritisch begleiten zu können.

Referenzen:

Manson JS, The therapeutic value of valerian. 1928, Br Med J. Nov. 10; 2(3540): 842. Haffner F, Die pharmakologische Wertbestimmung des Baldrians. 1929, Münchner med. W.sch. 7: 271-272 Kochmann M, Kunz H; Über die Wirkung des Baldrians und eine Methode der Wertbestimmung. 1936, Naunyn Schmiedebergs Arch. (181): 421-434 Werz v. R, Homann G; Über die Prüfung von Beruhigungsmitteln am Menschen. 1939, Arch exp Path Pharm (193): 272-280 Brattström A; Scientific evidence for a fixed extract combination (Ze 91019) from valerian and hops traditionally used as a sleep-inducing aid. 2007, Wien Med Wochenschr (157/ 13-14): 367-370 Bracken v.H, Weidemann J; Der Einfluss von Radix Valerianae auf die Flimmer-Verschmelzungs-Frequenzen als Ausdruck ihrer psychischen Wirkung. 1953. Arzneim Forsch (3): 292-297

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Hendiks H, Bos R, Woerdenberg HJ, Koster ASj; Central nervous depressant activity of valerenic acid in the mouse. 1985, Planta Med (51): 28-31 Leuschner J, Müller J, Rudmann M; Characterisation oft he central nervous depressant activity of a commercially available valerian root extract. 1993, Drug Res. 43: 638-641 Hiller KO, Zetler G, Neuropharmacological studies on ethanol extracts of Valeriana officinalis L.: behavioural and anticonvulsant properties. 1996, Phytotherapy Res (10): 145-151 Santos MS, Ferreira F, Cunha AP, Carvalho AP, Ribeiro CF, Macedo T; Synaptosomal GABA release as influenced by valerian root extract - involvement of the GABA carrier. 1994, Arch Pharmacodyn Ther (327): 220-231 Ortiz JG, Nieves-Natal J, Chavez P; Effect of Valerian officinalis extract on [3H]flunitrazepam binding, synaptosomal [3H]GABA uptake, and hippocampal [3H]GABA release.1999, Neurochem Res (24):1373-1378 Awad R, Levac D, Cybulska P, Merali Z, Trudeau VL, Arnason JT; Effect of traditionally used anxiolytic botanicals on enzymes of the γ-amonibutyric acid (GABA) system. 2007, Can J Physiol Pharmacol (85) 933-942 Khom S, Baburin I, Timin E, Hohaus A, Trauner G, Kopp B, Hering S; Valerenic acid potentiates and inhibits GABAA receptors: molecular mechanism and subunit specificity. 2007, Neuropharmacology (53):178-187 Trauner G, Khom S, Baburin I, Benedek B , Hering S, Kopp B; Modulation of GABAA receptors by valerian extracts is related to the content of valerenic acid. 2008, Planta Med (74): 19-24

Murphy K, Kubin ZJ, Shepherd JN, Ettinger RH; Valeriana officinalis root extracts have potent anxiolytic effects in laboratory rats. 2010, Phytomedicine (17): 674-678 Benke D, Barberis A, Kopp S, Altmann KH, Schubiger M, Voigt KE, Rudolph U, Möhler H; GABAA receptors as in vivo substrate for the anxiolytic action of valerenic acid, a major constituent of valerian root extracts. 2009, Neuropharmacology (56): 174-181 Müller CE, Schuhmacher B, Brattström A, Abourashed EA, Koetter U; Interaction of valerian extracts and a fixed valerian-hop extract combination with adenosine receptors. 2002, Life Sci (71): 1939-1949 Schuhmacher B, Scholle S, Hölzl J, Khudeir N, HessS, Müller CE; Lignans isolated from valerian: identification and characterization of a new olivil derivative with partial agonistic activity at A1 adenosine receptor. 2002, J Nat Prod (65): 1479-1485 Vissiennon Z, Sichardt K, Koetter U, Brattström A, Nieber K; Valerian extract Ze 911 inhibits postsynaptic potentials by activation of adenosine A1 receptors in rat cortical neurons. 2006, Planta Med (72): 579-583 Sichardt K, Vissiennon Z, Koetter U, Brattström A, Nieber K; Modulation of postsynaptic potentials in rat cortical neurons by valerian extracts macerated with different alcohols: involvement of adenosine A1 and GABAA receptors. 2006, Phytotherapy Res (21): 932-937 Dimpfel W, Brattström A, Koetter U; Central action of a fixed valerian-hops extract combination (Ze 91019) in freely moving rats. 2006, Eur J Med Res (11): 496-500 Schellenberg R, Sauer S, Abourashed EA, Koetter U, Brattström A; The fixed combination of valerian and hops (Ze 91019) acts via central adenosine mechanism. (2004) Planta Med (70): 594-597

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Vorträge

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AV 05

Das Waldbingelkraut (Mercurialis perennis L.): alte Arzneipflanze im Fokus der modernen phytochemischen Forschung

Dog’s Mercury (Mercurialis perennis L.): an ancient medicinal plant in the focus of modern phytochemical research

P. Lorenz*, U. Meyer und F.C. Stintzing

WALA Heilmittel GmbH, Abteilung Forschung & Entwicklung, Dorfstr. 1, D-73087 Bad Boll/Eckwälden, *[email protected]

Abstract

Dog’s mercury (Mercurialis perennis L., plant family: Euphorbiaceae) is a medicinal plant rarely known in European phytotherapy. Herbal parts of the plant were used in the Middle Ages, e.g. as a strong laxative and for the treatment of womens’ diseases. Nowadays hydroalcoholic and fermented extracts from M. perennis are mainly applied in preparations of the complementary medicine, e.g. for topical treatment of inflammation, suppuration, hardly healing wounds, burns, haemorrhoids and also against conjunctivitis. Since only little information on the constituents and pharmacology of M. perennis is available from the literature, we decided to investigate the lipophilic and hydrophilic constituents in the course of a comprehensive phytochemical screening. GC/MS investigations of chloroform extracts from herbal and root parts showed a broad spectrum of lipophilic constituents: aromatic alcohols, phenolics, terpenes like myrtanol and myrtanal, the piperidin alkaloid hermidin, squalene and different sterols. Following chromatographic purification, several homologous n-alkylresorcinols were analyzed for the first time in this plant family.

On the other hand, hydroalcoholic or aqueous extraction yielded a mixture of various hydrophilic constituents. By means of LC-MS/MS, different depsides of substituted cinnamic acids together with glucaric- and 2-hydroxyglutaric acids were found. A hitherto unknown depside, mercurialis acid, was isolated as a pure compound, which structure and stereochemisty was elucidated by NMR spectroscopy as well as by use of chiral GC (after derivatization). Finally hydroalcoholic/n-butanol extraction gave a complex mixture of mono- and oligo-glycosides of kaempferol and quercetin all of them being assigned by LC-MS/MS.

The findings presented offer a comprehensive view on the phytochemistry of the rarely studied M. perennis plant. The way of extraction has shown to be crucial for the chemical composition and the resulting extract quality. The data shown will also support analytical approaches for characterization of fresh plant material and herbal drug preparations from M. perennis in the future.

Zusammenfassung

Das Waldbingelkraut (Mercurialis perennis L., Familie: Euphorbiaceae) ist eine in der europäischen Medizin nur wenig bekannte Arzneipflanze. Bereits im Mittelalter wurde das Kraut als starkes Laxans sowie zur Behandlung von Frauenkrankheiten empfohlen. Hydroalkoholische und fermentierte Extrakte finden heute Anwendung in Präparaten der Komplementärmedizin wie beispielsweise zur topischen Behandlung von Entzündungen, schlecht heilenden und eiternden

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Wunden, Ekzemen, bei Verbrennungen, Hämorrhoiden oder im Augenbereich bei trockener Bindehautentzündung. Den in der Literatur vereinzelten Befunden zur pharmakologischen Aktivität stehen gleichermaßen wenig Daten zum Inhaltsstoffspektrum von M. perennis

gegenüber. Daher sollten im Rahmen eines umfangreichen phytochemischen Screenings sowohl die lipophilen wie hydrophilen Inhaltsstoffe von M. perennis umfassend analytisch charakterisiert werden.

GC/MS-Untersuchungen von Chloroform-Extrakten des Krautes und der Wurzeln zeigten ein breites Spektrum lipophiler Verbindungen wie: aromatische Alkohole und Phenole, die Terpene Myrtanol und Myrtanal, das Piperidin-Alkaloid Hermidin, Squalen, sowie verschiedene Sterole. Weiterhin wurde eine für diese Pflanzengattung neue Stoffklasse homologer n-Alkylresorcine nach chromatographischer Anreicherung nachgewiesen.

Die hydrolakoholische bzw. wässrige Extraktion des Krautes lieferte hingegen zahlreiche hydrophile Inhaltsstoffe. Mittels LC-MS/MS konnten verschiedene Depside substituierter Zimtsäuren mit Glucar- bzw. 2-Hydroxyglutarsäure erfasst werden. Das bis dato unbekannte Hauptdepsid Mercurialissäure wurde isoliert und die Struktur und Stereochemie mittels NMR, sowie nach Derivatisierung durch chirale Gaschromatographie aufgeklärt. Darüberhinaus wurden zahlreiche Mono- und Oligoglycoside der Flavonolaglyka Kämpferol und Quercetin per LC-MS/MS nach ethanolisch-n-butanolischer Extraktion zugeordnet.

Figure: Secondary metabolites from Mercurialis perennis. Mercurialis acid (1), Quercetin-3-O-([rutinosid](1→4]hexoside)-7-O-hexoside (2), n-Docosylresorcinol (3, n = 13), Hermidin (4).

Die vorliegenden phytochemischen Untersuchungen an M. perennis zeigen ein breites Spektrum verschiedener Strukturklassen aus hydrophilen und lipophilen Verbindungen. Die Art der Extraktion ist damit maßgeblich für die Zusammensetzung der resultierenden Zubereitungen aus M. perennis. Diese Erkenntnisse und das zugrundeliegende Methodenspektrum stellen daher eine

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Vorträge

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solide Basis für die Qualitätsbewertung von Frischpflanzen, Drogen als auch daraus hergestellten Präparaten aus M. perennis dar.

Literatur:

Lorenz, P., Hradecky, M., Berger, M., Bertrams, J., Meyer, U., Stintzing, F. 2010: Lipophilic constituents from aerial and root parts of Mercurialis perennis L. Phytochem. Anal. 21: 234-245. Lorenz, P., Knoedler, M., Bertrams, J., Berger, M., Meyer, U., Stintzing, F.C. 2010: n-Alkylresorcinol occurrence in Mercurialis perennis L. (Euphorbiaceae). Z. Naturforsch. C/J. Biosci. 65:174-179. Lorenz, P., Conrad, J., Bertrams, J., Berger, M., Duckstein, S., Meyer, U., Stintzing, F.C. 2011: Investigations into the phenolic constituents of dog’s mercury (Mercurialis perennis L.) by LC-MS/MS and GC-MS analyses. Phytochem. Anal., in press (doi-Nr.10.1002/pca. 1325).

AV 06

Der Moringa (Moringa oleifera Lam.) – ein Mosaik zur Verbesserung der Ernährung in Nicaragua

M.E. Vargas Zambrana1, L.L. Hernández Somarriba2 und U. Müller3 1Vicedecana, Facultad Ciencias Químicas, UNAN-León, Aptdo. 68, León, Nicaragua, C.A., 2Facultad Ciencias Químicas, UNAN-León, 3Horizont3000, Wien, Österreich, UNAN-León, León, Nicaragua, aktuelle Adresse: Mozartstraße 13, D-64859 Eppertshausen, Email: [email protected]

Zusammenfassung

Der Baum Moringa (Moringa oleifera Lam.) ist über die tropischen und subtropischen Regionen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas verbreitet und hat ein Potenzial zur Verbesserung der Ernährung auf niedrigem Kostenniveau. Die Universität León, Nicaragua, hat ein Programm entwickelt, das unter dem Gesichtspunkt niedrigst möglicher Kosten den Moringa in Nicaragua als Nahrungsquelle für Mensch und Tier propagiert.

Abstract

The Horseradish tree (Moringa oleifera Lam.) is widespread all over the tropical and subtropical regions of the world with the capability of an improvement of nutrition at low-budget level. The University of León, Nicaragua, designed a program to establish Moringa in Nicaragua as low-budget food source for human and animal nutrition.

Moringa oleifera Lam.

Der Moringa (Moringa oleifera Lam.), auch Meerrettichbaum, "Horseradish Tree", "Drumstick Tree", "Nebeday – Never die" genannt, gehört zu den Bennussgewächsen (Moringaceae) und ist ursprünglich beheimatet in den tieferen Tälern des Sub-Himalaya (Nord-Afghanistan, Nord-Pakistan, Nordwest-Indien, Bangladesh). Von dort wurde er in die tropische und subtropische Welt Asiens, Afrikas und Lateinamerikas verbreitet. Es handelt sich um einen schnell wachsenden, 7 – 12 m hohen Baum mit einem Stammdurchmesser von 25 – 50 cm. Der Name

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"Meerrettichbaum" resultiert aus dem scharfen Geruch und –geschmack der rübenartigen Wurzeln bedingt durch Senfölglykoside.

Die 20 – 25 cm langen Blätter sind zweifach gefiedert und tragen ovale Blättchen von ca. 1 cm Länge. Die rispenartig angeordneten Blüten sind 2 – 4 cm lang, haben 5 Blütenblätter (weiß-creme-rosa) und sind beliebt wegen ihres Wohlgeruchs (fruchtig). Die reifen Früchte sind schotenähnliche Kapseln, aus 3 bis 4 braunen Schalenelementen aufgebaut, die im Inneren ein trockenes, weißes, faseriges Mark enthalten. Sie haben einen Durchmesser von 2 – 3 cm und sind ca. 20 – 40 cm lang. In den Kapseln liegen aneinandergereiht 12 – 25 braune rundliche Samen, mit einem Durchmesser von ca. 0,5 cm und 3 – 4 Kanten, aus denen papierartige Lamellen hervorgehen.

Verwendung: In Indien und Südostasien (Sri Lanka, Thailand, Philippinen) sind die frischen Blätter des Moringa als Gemüse und in Suppen sehr beliebt. Die getrockneten Blätter haben sehr hohe Gehalte an Nährstoffen (Spurenelemente, Vitamine, Aminosäuren), welche in ihrem Gehalt sehr stark von den Kulturbedingungen (Klima, Böden, Wasserzufuhr) abhängen können. In Malawi wurden gemahlene Samen des Moringa zur Reinigung von Wasser verwendet (SUTHERLAND et al, 1994). In Nicaragua wurden Studien über die Entwicklung der Biomasse des Moringa durchgeführt.

Nicaragua

Nicaragua ist mit ca. 130.000 km2 das größte Land des zentralamerikanischen Isthmus und mit seinen fast 6 Mio. Einwohnern gleichzeitig das am dünnsten besiedelte Land der Region. Es ist potenziell ein reiches Land (große landwirtschaftliche Nutzflächen, gute Böden, Fischerei, Bodenschätze) zählt aber mit einem BSP/Kopf von 2733 US$ (EIU 2010) zu den ärmsten Ländern Amerikas und liegt mit einem HDI von 0,699 (max = 1,0) auf Platz 124 von 182 berücksichtigten Staaten (UNDP 2009). Durch die wachsende Armut (von 2000 – 2007 lebten 48% der Bevölkerung unter der nationalen Armutsgrenze – nach UNDP 2009) hat sich in den letzten Jahren die Unterernährung ganzer Bevölkerungsgruppen immer stärker manifestiert. Es gibt zahlreiche Programme auf den unterschiedlichsten Ebenen (staatlich, FAO/WHO, Nichtregierungsorganisationen) dieses Problem zu bewältigen. Ziel eines Projektes der Universität León ist es, die Eigenschaften regional vorhandener Pflanzen auf ihre Tauglichkeit zur Verbesserung der Ernährung zu untersuchen. Dazu kann der Moringa einen kleinen Beitrag leisten.

Moringa oleifera Lam. in Nicaragua

Nach Nicaragua gelangte Moringa durch englische Großgrundbesitzer zu Beginn des letzten Jahrhunderts, wo er bis in die 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ein Schattendasein als Ornamental-Baum fristete. In den Mittelpunkt des Interesses kam der Baum in Nicaragua, als im Rahmen des Projekts "Biomasa" eine Studie zur technischen Verwendbarkeit einheimischer Pflanzen (Biosprit, Biofilter, Kompostierung) durchgeführt wurde. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden zahlreiche, bis heute sehr wertvolle Daten zum Moringa ermittelt. Die günstigste Anbauhöhe in Nicaragua wurde zwischen 0 und 1.000 m gefunden, bei ca. 500 mm Niederschlag im Jahr. In Gegenden mit weniger als 300 mm Jahresniederschlag muss die Pflanzung bewässert werden. Die optimale Pflanzdichte für die höchstmögliche Produktion von Biomasse liegt bei 100 Pflanzen/m2. Bei 6 bis 7 Ernten im Jahr ergibt dies ca. 600 – 800 t/ha Frischmaterial im Jahr, was ca. 13 – 20 t/ha Protein oder 7,5 - 12 t/ha Zucker entspricht.

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In Tabelle 1 sind verschiedene Nährstoffparameter wiedergegeben, die in Blättern von Moringa Bäumen aus Nicaragua und Niger (MAKKAR & BECKER, 1996, FOIDL et al. 2001, RICHTER et al. 2003) bestimmt wurden.

Moringa, ein Mosaik zur Verbesserung der Ernährung in Nicaragua

Auf der Basis dieser Daten und der Erfahrungen einiger afrikanischer Länder mit getrockneten Blättern von Moringa entwickelte die Universität León einen Plan der Promotion des Moringa für die Tier-Ernährung und für die Ernährung unterernährter Kinder und Erwachsenerauf niedrigem Kostenniveau. Es wurden dazu Rezepte von nationalen Gerichten durch getrocknete Blätter von Moringa ergänzt (Tortilla, Blattgemüse mit Salzlakenkäse, Gewürz). Die Verarbeitung der Blätter und Samen kann mit gebräuchlichen Haushaltsgeräten erfolgen (z.B. Maismühlen).

Tabelle 1: Gehalte von Nährstoffen und Spurenelementen in getrockneten Blättern des Moringa. (nach FUGLIE, 2001)

Parameter Masseinheit Gehalt Feuchte % 8,1 Energie kcal/100 g 358,0 Rohprotein g / 100 g 32,3 Öl g / 100 g 5,6 Kohlehydrate g / 100 g 43,7 Rohfaser g / 100 g 9,0 Mineral-Asche g / 100 g 10,2 Kalium mg / 100 g 1750 Kalzium mg / 100 g 1530 Schwefel mg / 100 g 630 Magnesium mg / 100 g 409 Phosphor mg / 100 g 273 Oxalate mg / 100 g 202 Eisen mg / 100 g 27,6 Natrium mg / 100 g 19,7 Zink mg / 100 g 1,99 Kupfer mg / 100 g 0,723 Jod mg / 100 g 0,4719 Glycosinolat mol / 100 g 50,0

In Tabelle 2 sind die Gehalte von essentiellen Aminosäuren getrockneter Blätter des Moringa gezeigt, im Vergleich zur FAO/WHO/UNU-Referenz für die Ernährung von Kindern zwischen 2 und 5 Jahren.

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Tabelle 2: Gehalte essentieller Aminosäuren in getrockneten Blättern des Moringa im Vergleich zur FAO/WHO/UNU Referenz für Kinder zwischen 2 und 5 Jahren

Aminosäure Moringa-Blätter (Nicaragua) [g/16g N]

FAO/WHO/UNU-Referenz [g/16g N]

Lysin (LYS) 5,60 5,80 Leucin (LEU) 8,70 6,60 Isoleucin (ILE) 4,50 2,80 Methionin (MET) 1,98

2,50 Cystein (CYS) 1,35 Phenylalanin (PHE) 6,18

6,30 Tyrosin (TYR) 3,87 Valin (VAL) 5,68 3,50 Histidin (HIS) 2,99 1,90 Threonin (THR) 4,66 3,40 Tryptophan (TRP) 2,10 1,10

Literatur

FAO/WHO/UNU, 2007: Protein and Amino Acid Requirements in Human Nutrition, WHO Technical Report Series 935, zitiert nach dem Report von 1985 Foidl N, Makkar HPS, Becker K, 2001: The potential of Moringa oleifera for agricultural and industrial uses. In: L.J. Fuglie (Ed.), The Miracle Tree: The Multiple Attributes of Moringa (pp. 45-76). Dakar, Senegal: Church World Service Makkar HPS, Becker K, 1996: Nutritional value and antinutritional components of whole and ethanol extracted Moringa oleifera leaves, Anim. Feed Sci. Tech. 63 (211-228) Richter N, Siddhuraju P, Becker K, 2003: Evaluation of nutritional quality of moringa (Moringa

oleifera Lam.) leaves as an alternative protein source for Nile tilapia (Oreochromis niloticus L.), Aquaculture 217, 599-611 Sutherland JP, Folkard GK, Mtawali MA, Grant WD, 1994: Moringa oleifera as a natural coagulant, 20th WEDC Conference, Colombo, Sri Lanka

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Vorträge

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AV 07

Arzneipflanzen für die Haut

Medical plants for the skin

Ch.M. Schempp

Kompetenzzentrum skintegral, Universitäts-Hautklinik, Universitätsklinikum Freiburg, Hauptstr. 7, D-79104 Freiburg, [email protected]

Zusammenfassung

Pflanzenextrakte werden zunehmend in Kosmetika und Nahrungsergänzungsmitteln mit Wirkversprechen für die Haut eingesetzt. In dem Übersichtsreferat wird zunächst kurz auf die dermatologisch relevanten positiven Pflanzenmonografien der ehemaligen Kommission E eingegangen. Anschließend werden neuere klinische Studien mit Pflanzenextrakten in der Dermatologie vorgestellt. Die meisten und qualitativ besten Studien mit Phytotherapeutika wurden in den Indikationen atopische Dermatitis und Psoriasis durchgeführt. Für Mahonie,

Johanniskraut, Süßholz und bestimmte Verfahren aus der traditionellen chinesischen Medizin wurde in kontrollierten Studien eine Wirksamkeit bei der atopischen Dermatitis nachgewiesen. Mahonie, Indigo naturalis und Cayenne-Pfeffer sind bei Psoriasis wirksam. Bei Akne wurden Studien mit Grünteeextrakt und Teebaumöl durchgeführt. Podophyllin und Grünteeextrakt sind wirksam bei Condylomata acuminata. Bei Herpes simplex wurden Proof of concept-Studien mit Melissenextrakt und einer Creme aus Rhabarber- und Salbeiextrakt durchgeführt. Zur Ödemreduktion bei chronisch-venöser Insuffizienz erwiesen sich Extrakte aus Weinrebe (Vitis

vinifera), Rosskastanie (Aesculus hippocastanum), Seekiefer (Pinus maritima) und Mäusedorn (Ruscus aculeatus) in randomisierten klinischen Studien als wirksam. Zaubernuss (Hamamelis

virginiana), Teestrauch (Camellia sinensis), Goldtüpfelfarn (Polypodium leucotomos) und andere Pflanzen enthalten antioxidativ wirksame Polyphenole, die sowohl topisch als auch systemisch angewendet die Haut vor Sonnenbrand und vorzeitiger Hautalterung schützen können. Wirkstoffe aus der Gartenwolfsmilch (Euphorbia peplus) und der Birke (Betula alba) waren in Phase II-Studien wirksam in der Behandlung aktinischer Keratosen. Außerdem werden Pflanzenextrakte für die Behandlung der Vitiligo, verschiedener Formen des Haarausfalls und Pigmentierungsstörungen, und der ästhetischen Dermatologie vorgestellt.

Summary

Plant extracts and isolated compounds are increasingly used in cosmetics and food supplements to improve skin conditions. The present review first introduces the positive plant monographs with dermatological relevance of the former German Commission E. Subsequently clinical studies with botanicals for atopic dermatitis, psoriasis, acne, condylomata acuminata and herpes simplex are discussed. The best studies have been conducted with atopic dermatitis and psoriasis patients. Mahonia aquifolium, Hypericum perforatum, Glycyrrhiza glabra and certain traditional Chinese therapies have been shown to be effective in the treatment of atopic dermatitis. Mahonia

aquifolium, Indigo naturalis and Capsicum frutescens are effective treatments for psoriasis. Green tea-extract and tea tree oil have been investigated in the treatment of acne. Podophyllin and green tea extract are effective treatments for condylomata acuminata. Balm mint and a combination of sage and rhubarb have been shown to be effective in the treatment of herpes simplex in proof of concept studies. Botanicals with anti-oedema effects in chronic venous

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insufficiency are wine leaves (Vitis vinifera), horse chestnut (Aesculus hippocastanum), sea pine (Pinus maritima) and butcher’s broom (Ruscus aculeatus). Plant extracts from witch hazel (Hamamelis virginiana), green tea (Camellia sinensis), the fern Polypodium leucotomos and others contain antioxidant polyphenolic compounds that may protect the skin from sunburn and photoaging when administered topically or systemically. Extracts from the garden spurge (Euphorbia peplus) and from birch bark (Betula alba) have been shown to be effective in the treatment of actinic keratoses in phase II studies. Some plant extracts have also been investigated in the treatment of vitiligo, various forms of hair loss and pigmentation disorders, and in aesthetic dermatology.

Literatur:

Reuter J, Wölfle U, Weckesser S, Schempp CM (2010) Which plant for which skin disease? Part 1: Atopic dermatitis, psoriasis, acne, condyloma and herpes simplex. JDDG 8:788-796 Reuter J, Wölfle U, Korting HC, Schempp CM (2010) ) Which plant for which skin disease? Part 2: Dermatophytes, chronic venous insufficiency, photoprotection, actinic keratoses, vitiligo, hair loss, cosmetic indications. JDDG 8:866-874

AV 08

Terpenbiosynthese in Thymian, Salbei und anderen Lippenblütlern (Lamiaceae)

J. Degenhardt1, Ch. Crocoll2, J. Schimmel1, S. Krause1 und J. Asbach2 1 Martin-Luther Universität Halle, Institut für Pharmazie, Hoher Weg 8, D-06120 Halle, 2 Max-Planck-Institut für Chemische Ökologie, Hans-Köll-Strasse 10, D-07745 Jena, [email protected]

Einleitung

Die ätherischen Öle von Minze, Salbei, Oregano und Thymian haben viele pharmazeutische Nutzungen und werden darüber hinaus auch als Geschmacksstoffe in Nahrungsmitteln und Kosmetika genutzt. Die ätherischen Öle werden bei Lippenblütlern in glandulären Trichomen auf der Blattoberfläche gebildet, die eine Scheibe von Drüsenzellen besitzen (Abbildung 1). Die Komponenten des Öls werden von den Drüsenzellen an der Oberseite abgegeben und sammeln sich in einem Raum unter der Cuticula. Die Zusammensetzung des ätherischen Öls kann in seiner Zusammensetzung stark variieren. In natürlichen Populationen von Thymian und Oregano finden sich oft mehrere Chemotypen. Diese Chemotypen sind morphologisch fast identische Pflanzen, deren ätherische Öle unterschiedlich sind. Die wichtigsten Komponenten des ätherischen Öls von Lippenblütlern sind Monoterpene. Das Terpenprofil des jeweiligen Chemotyps bestimmt die pharmazeutische Nutzbarkeit der Pflanzen. Besonders wertvoll sind dabei aromatische Monoterpenalkohole wie Thymol und Carvacrol, die eine hohe antimikrobielle Aktivität besitzen (Abbildung 1). Klassische genetische Untersuchungen im Thymian zeigten eine epistatische Serie von sechs Loci, die den Chemotyp definieren. Wir möchten die Biosynthese von Terpenen und die Bildung von Chemotypen in Lippenblütlern

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Vorträge

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aufklären. Im Rahmen unserer Arbeiten untersuchen wir die molekularen und biochemischen Mechanismen, die Zusammensetzung des ätherischen Öls in der Pflanze regulieren.

Ergebnisse und Diskussion

Durch die Identifikation und Charakterisierung von Enzymen der Terpenbiosynthese lassen sich die molekularen Grundlagen des Biosyntheseweges und seiner Regulation aufklären. Eine wichtige Enzymklasse bei der Biosynthes von Terpenen sind die Terpensynthasen, die für die Bildung der Grundskelette von Terpenen verantwortlich sind. Diese Enzyme bilden oftmals mehrere Produkte aus einem Substrat, dem Geranyldiphosphat, und tragen somit wesentlich zur Komplexität der Terpengemische in Oregano und Thymian bei. Aus den glandulären Trichomen von Salvia fruticosa und Origanum vulgare wurden EST-Datenbanken erstellt, in denen cDNAs von Genen der Terpenbiosynthese stark angereichert sind (Chatzopoulou et al., 2008, 2010; Crocoll et al., 2010). Gene mit den strukturellen Merkmalen von Terpensynthasen wurden identi-fiziert und kloniert. Durch die Expression in einem bakteriellen System konnte die enzymatische Aktivität charakterisiert werden. In Salbei konnte eine 1,8-Cineolsynthase identifiziert werden (Kampranis et al., 2007).

Abbildung 1: Monoterpene aus dem ätherischen Öl von Origanum vulgare und Thymus vulgare sowie ein Schema eines glandulären Trichoms auf der Blattoberfläche.

In Origanum vulgare wurde eine Gruppe von Terpensynthasen charakterisiert, die fast das gesamte Spektrum der Mono- und Sesquiterpene von zwei Chemotypen produzieren (Crocoll et al., 2010). Die Expressionsmuster der Terpensynthasen zeigte, dass die Monoterpenalkohole Thymol und Carvacrol über das Intermediat γ -Terpinen gebildet werden und weitere Oxidationsschritte für die Bildung dieser Substanzen notwendig sind. In Thymus vulgare ist die Regulation der Chemotypen deutlich komplexer, da jeder Chemotyp von einem andern Monoterpenalkohol dominiert wird (Abbildung 2). Ziel unserer Untersuchungen ist die Charakterisierung Terpensynthasen, die für die Produktion der Monoterpenalkohole in den jeweiligen Chemotypen verantwortlich sind. Die Expressionsmuster dieser Terpensynthasen in Oregano und Thymian korrelieren oftmals mit der Produktion des jeweiligen Produktes, so dass die Ausbildung der Chemotypen vor allem auf der Ebene der Transkription reguliert wird.

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Die Gene der Terpenbiosynthese können als molekulare Werkzeuge zur Veränderung der Terpenzusammensetzung in Pflanzen eingesetzt werden. Durch die Herstellung von molekularen Markern für diese Gene können gerichtete Züchtungsstrategien durchgeführt werden, mit denen Allele gezielt kombiniert werden können (Novak et al., 2008). Biotechnologische Methoden erlauben die gezielte Überexpression von pharmazeutisch wertvollen Terpenen oder die Suppression unerwünschter Komponenten des Öls, wie z.B. des Thujons in Salbei-Arten. Darüber hinaus lassen sich durch spezifische Mutationen in den Enzymen auch die Verhältnisse der Terpenprodukte zueinander verändern. Zur Umsetzung dieser Ziele mit biotechnologischen Methoden befassen wir uns mit dem Aufbau eines Transformationssystems für Thymian.

Abbildung 2: Analyse der ätherischen Öle von Thymus vulgare durch Gaschromatographie. Die Öle des Geraniol-Typ (G), Alpha-Terpineol-Typ (A), Sabinenhydrat-Typ (U), Linalool-Typ (L), Carvacrol-Typ (C) und Thymol-Typ (T) wurden durch Massenspektrometrie analysiert und enthalten die folgenden Substanzen: Geraniol (1), α-Terpineol (2a), α-Terpinylacetat (2b), trans-Sabinenhydrat (3a), cis-Sabinenhydrat (3b), Linalool (4), Carvacrol (5), Thymol (6), para-Cymen und γ-Terpinen (8). IS: Interner Standard.

Literatur:

Chatzopoulou, F.M., Makris, A.M., Argiriou, A., Degenhardt, J., Kanellis, A.K. 2010: EST analysis and annotation of transcripts derived from a trichome – specific cDNA library from Salvia fruticosa. Plant Cell Rep 29: 523-534. Chatzopoulou, F.M., Makris, A.M., Degenhardt, J., Kanelis, A.K. 2008: Annotation and analysis of ESTs from leaves' trichomes of Salvia fruticosa. Planta Medica 74:1119-1128. Crocoll, C., Asbach, J., Novak, J., Gershenzon, J., Degenhardt, J. 2010: Terpene synthases of oregano (Origanum vulgare L.) and their roles in the pathway and regulation of terpene biosynthesis Plant Molecular Biology 73:582-590. Kampranis, S.C., Ioannidis, D., Purvis, A., Mahrez, W., Ninga, E., Katerelos, N.A., Anssour S., Dunwell, J.M., Degenhardt, J., Makris, A.M., Goodenough, P.W., Johnson, C. 2007: Rational Conversion of Substrate and Product Specificity in a Salvia Monoterpene Synthase: Structural Insights into the Evolution of Terpene Synthase Function. The Plant Cell 19: 1994-2005.

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Vorträge

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Novak, J., Lukas, B., Bolzer, K., Grausgruber-Gröger, S., Degenhardt, J. 2008: Identification and characterization of simple sequence repeat markers from a glandular Origanum vulgare expressed sequence tag. Molecular Ecology Resources 8:599-601.

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Themenkreis A: Pharmazeutische Biologie, Ethnobotanik, Pharmakologie, Phytotherapie, Ernährung, Kosmetik

Poster

AP 01

Koppelprodukte der Arznei- und Gewürzpflanzenverarbeitung- eine wertvolle Ressource für Antioxidantien

By-products of medicinal and aromatic plant processing-a useful resource for antioxidants

U. Bauermann1 und R. Thomann2 1 Institut für Lebensmittel- und Umweltforschung e. V. (ILU), 2 Institut für Getreideverarbeitung GmbH, 14558 Nuthetal OT Bergholz-Rehbrücke, Arthur- Scheunert- Allee 40/41, [email protected], Tel. 033200/89207

Zusammenfassung

Im Verlauf unserer Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass ausgewählte Koppelprodukte der Arznei- und Gewürzpflanzenverarbeitung

- ein antioxidatives Potenzial besitzen - als Rohstoff für eine praxisrelevante Produktion von antioxidativ wirksamen Extrakten

geeignet sind

und somit eine wertvolle Ressource für Antioxidantien darstellen. Projektspezifisch produzierte Extrakte wurden konzentrationsabhängig in ein kosmetisches Testsystem eingearbeitet und dessen antioxidative Wirkung auf der Haut untersucht. Es konnte für alle getesteten Extrakte bereits bei einer Einsatzkonzentration von 2 % in neutraler Bodylotion ein Schutzeffekt auf der Haut gegen UV- Strahlung nachgewiesen werden. Für die antioxidativ wirksamen Extrakte wurden Verfahrens- und Produktspezifikationen erstellt.

Abstract

During our investigations has been shown that selected by-products of medicinal and aromatic plant processing

- have an antioxidant potential, - are suitable as raw material for a practical production of antioxidant extracts and therefore are a useful resource for antioxidants.

Project specific produced extracts were mixed in a cosmetic testing system and the antioxidant activity was investigated on the skin. For all tested extracts a protective effect against UV-radiation was detected. Process and product specifications for the antioxidant extracts were created.

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Poster

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Ausgangssituation

Bei der Produktion von Lebensmitteln, Futtermitteln und Kosmetik haben Antioxidantien ein breites Anwendungsfeld. Neben den technologischen Effekten der antioxidativ wirksamen Stoffe zur Vermeidung des Fettverderbs rücken in den letzten Jahren zunehmend die gesundheitlichen und anti- aging- Aspekte, wie radikalfänger und zellschützende Eigenschaften in den Vordergrund des Interesses von Forschung, Produktentwicklung und Marketing für Mensch und Tier.

Mit steigendem Gesundheitsbewusstsein und dem Trend im Wellness- Bereich gewinnen die pflanzlichen antioxidativ wirksamen Extrakte im Gegensatz zu den herkömmlich eingesetzten synthetischen Produkten (BHT, BHA u.a.) zunehmend an Bedeutung und Akzeptanz beim Verbraucher.

Einer wirtschaftlichen Gewinnung von Wirkstoffen aus pflanzlichem Material sind im Gegensatz zu synthetischen Produkten oft Grenzen gesetzt, es sei denn, der Rohstoff ist ein preisgünstiges Massenprodukt oder könnte einer Mehrfachnutzung zugeführt werden. Diese Möglichkeit der Doppelnutzung ist für ausgewählte Bereiche der Verarbeitung von Arznei- und Gewürzpflanzen gegeben.

Die bislang bekanntesten Gewürze mit hoher antioxidativer Aktivität sind Salbei und Rosmarin, gefolgt von Thymian und Oregano.

Zielstellung

Ziel unserer Untersuchungen war es, das antioxidative Potenzial von aussichtsreichen Koppelprodukten der Arznei- und Gewürzpflanzenverarbeitung zu ermitteln und marktorientiert zu erschließen.

Nach Statusanalyse zur Rohstoffverfügbarkeit und analytischer Bewertung der Rückstände sollten Verfahren zum effizienten Aufschluss und zur Extraktion des pflanzlichen Materials erarbeitet werden, so dass Konzentrate/Extrakte mit nachgewiesener antioxidativer Wirksamkeit resultieren. Zielgerichtet auf ausgewählte Anwendungsfelder, wie Kosmetik und Heimtierfutter waren applikationsfähige Produkte zu entwickeln.

Durchführung und Ergebnisse

Unsere Arbeiten waren schwerpunktmäßig gerichtet auf die Ermittlung des antioxidativen Potenzial von Koppelprodukten der Arznei- und Gewürzpflanzenverarbeitung Untersuchungen zum Extraktionsverhalten der Wirksubstanzen und zur Optimierung von Extraktion und Extraktaufbereitung die Herstellung von antioxidativ wirksamen Extrakten für Applikationen in Tierfutter und Kosmetik

Koppelprodukte aus der verarbeitenden Industrie wurden hinsichtlich ihres antioxidativen Potenzials im Screening- Verfahren mittels Bestimmung der Gehalte an Gesamtpolyphenolen und der Trolox- Äquivalente (TEAC- Werte) evaluiert (BAUERMANN et al. 2011). Erwartungsgemäß weisen die Rückstände aus der Verarbeitung von Oregano, Thymian, Majoran und Melisse ein hohes antioxidatives Potenzial auf.

Die höchsten Polyphenolgehalte und TEAC- Werte wurden in den Rückständen der mechanischen Drogenbearbeitung (Blatt-/Stieltrennung, Zerkleinerung) und der CO2- Extraktion nachgewiesen. Bei Verarbeitung der gleichen Pflanzenart liegen die Gehalte der Rückstände aus der Containerdestillation erwartungsgemäß niedriger als die der Rückstände aus der CO2-

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Extraktion, Ursache dafür ist der unterschiedliche Verarbeitungsgrad des im jeweiligen Verfahren eingesetzten Rohstoffes.

Entsprechend ausgewählte Rückstände dienten als Rohstoffbasis für die Herstellung antioxidativ wirksamer Extrakte.

Extraktbezeichnung/ verwendete Rohstoffe:

E-1 Thymian, RA, Feinanteil (< 0,5 mm) E-2 Majoran, RA , Feinanteil (< 0,5 mm) E-3 Thymian, RA , Trieurabgang (ca. 5 mm) E-4 Majoran, RA , Trieurabgang (ca. 5 mm) E-5 Melisse, HDE- to E-6 Oregano, HDE- to

RA Rebelabrieb bzw. andere mechanische Bearbeitung, HDE- to CO2- Hochdruckextraktion, 350 bar Arbeitsdruck

Zur Charakterisierung der Extrakte wurden die Gehalte an Gesamtpolyphenolen (SINGLETON et al. 1999) und an Rosmarinsäure (HPLC- Methode nach Ph.Eur. 7.0 Monographie Melisse) analysiert. Die Bestimmung der antioxidativen Kapazität der Extrakte erfolgte mittels Photo- Chemolumineszenz (PCL) und dem Gerät PHOTOCHEM der Analytik Jena AG (ÖZMEN 2006). Wobei die Aktivität der wasserlöslichen Substanzen als Ascorbinsäure- Äquivalente und die der lipidlöslichen Substanzen als Trolox- Äquivalente ermittelt wurde.

Insgesamt gilt für alle Extrakte, dass die antioxidative Kapazität der lipidlöslichen Substanzen höher ist als die der wasserlöslichen.

Die höchsten antioxidativen Kapazitäten wurden für die Extrakte 5 (Melisse) und 6 (Oregano) gefolgt von den Extrakten 3 und 1 (beide Thymian) nachgewiesen. Die vergleichsweise geringsten Kapazitäten besitzen die Extrakte 2 und 4 (beide Majoran).

Abb. 1 Farbindex (beta- Karotin- Test) in Abhängigkeit vom Extrakt und der Extraktkon-zentration im Testmedium (-1 für 2 % und -2 für 4 %)

Da die Aktivität der pflanzlichen Wirkstoffe durch z. B. Trägerstoffe, Emulgatoren, Proteine usw. beeinflusst werden kann, war deren Wirkung konzentrationsabhängig in entsprechenden Testsystemen zu untersuchen. Dazu wurden die Extrakte u. a. in eine neutrale Bodylotion

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Poster

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eingearbeitet und deren antioxidative Wirkung mittels beta- Karotin- Test (EGGERSBERGER 1995) auf der Haut untersucht.

Die dermatologischen Testungen führte die Derma Consult GmbH durch.

Durch Einwirkung von UV- Strahlung tritt infolge eines chemischen Prozesses unter Einwirkung von reaktivem Sauerstoff eine Entfärbung des beta- Karotins ein. Besitzt ein Produkt, das auf die Haut aufgetragen wird antioxidative Eigenschaften, wird die Entfärbung verringert.

Bei allen Extrakten wurde bereits bei einer Einsatzkonzentration von 2 % ein Farbindex gemessen, der mindestens doppelt so hoch war wie der, der durch die Nullprobe (Lotion ohne Extrakt) erzielt wurde. Mit einer Verdoppelung der Extraktkonzentration konnten in Abhängigkeit vom Extrakt Zunahmen beim Farbindex von 10 bis 30 % registriert werden.

Durch die Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass für alle getesteten Extrakte bereits bei einer Einsatzkonzentration von 2 % in neutraler Bodylotion ein Schutzeffekt auf der Haut gegenüber UVA- Strahlung erreicht wird.

Literatur

Bauermann, U., Thomann, R. 2011: Untersuchungen zum antioxidativen Potenzial von Koppelprodukten der Arznei- und Gewürzpflanzenverarbeitung. Poster 21. Bernburger Winterseminar, 02/2011 Singleton, V.L., Orthofer, R., Lamuela-Raventos, M.R. 1999: Analysis of total phenols and other oxidations substances and antioxidants by means of Folin- Ciocalteu Reagent. Methods in Enzymology 299: 152-178 Eggersberger, H. 1995: Pflanzliche Wirkstoffe für Kosmetika, Melcher Verlag GmbH Heidelberg/München,: 331-333 Özmen, B. 2008: Antioxidantien in Lebensmitteln. GIT Labor-Fachzeitschrift 9/2006: 740- 743

Förderung des Projektes (IW080085) durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie innerhalb des Förderprogramms INNOWATT

AP 02

Einfluss von Lagerung und Lichtexposition auf die Gerbstoffe in wässrigen Hamamelis virginiana-Extrakten

Impact of storage and light irradiation on tannins from aqueous Hamamelis

virginiana extracts

S.M. Duckstein und F.C. Stintzing*

WALA Heilmittel GmbH, Abteilung Forschung & Entwicklung, Dorfstr. 1, D-73087 Bad Boll/ Eckwälden, *[email protected]

Zubereitungen aus der virginianischen Zaubernuss (Hamamelis virginiana L.) erfreuen sich großer Beliebtheit als Phytotherapeutikum in der Behandlung von Hautkrankheiten sowie als hautberuhigender Inhaltsstoff in Kosmetikpräparaten. Als wirksame Bestandteile werden die in

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Rinde und Blättern enthaltenen Tannine diskutiert. Zur Qualitätsbewertung von gerbstoffhaltigen Extrakten wurde die Temperatur- und Lichtstabilität von Hamamelisblätter-Extrakten ermittelt. In einer dreiarmigen Lagerstudie zeigten Untersuchungen mittels HPLC-DAD, dass diese Extrakte bei Lagerung unter Lichtausschluss über 120 Tage bei 5°C weitestgehend stabil waren, bei Raumtemperatur jedoch leichte Um- und Abbaureaktionen aufwiesen. Unter Lichteinfluss konnte zunächst ein stufenweiser und schließlich ein kompletter Abbau der Tanninfraktion sowie ein Abbau weiterer phenolischer Verbindungen wie Zimtsäurederivate und Flavonolglykoside verzeichnet werden. Zusammenfassend zeigen die erhobenen Daten, dass der Erhalt des Inhaltsstoffspektrums von Hamamelis hohe Anforderungen an die Lagerbedingungen stellt.

Abstract

Preparations from witch hazel (Hamamelis virginiana L.) are praised for the treatment of dermatological disorders and used in cosmetic formulas because of their skin calming properties. Tannins from leaves and bark are discussed to be the active components. For quality assessment of such tannin containing extracts, their stability towards light and temperature was determined. In a three-arm study, HPLC-DAD investigations showed that the extracts were rather stable over 120 days of storage at 5 °C, but started to exhibit slight processes of degradation and conversion when stored at room temperature. Storage under light led to an initially stepwise degradation and ended up with a complete loss of the tannin fraction. Moreover, further phenolic constituents like cinnamic acid derivatives or flavonol glycosides also declined. In conclusion, the presented data implicate that strict requirements for the storage conditions of Hamamelis extracts need to be defined to preserve their specific phenolic profile.

---

Mittels RP/HPLC-ESI/MS/MS-Untersuchungen konnten entgegen bisheriger Befunde (WANG et al. 2003; VENNAT et al. 1992) oligomere Gallotannine mit 6 bis 11 an Hexose veresterte Gallussäureeinheiten als wesentlicher Bestandteil von wässrigen Hamamelisblätter-Extrakten identifiziert werden (DUCKSTEIN und STINTZING 2011). Diese gehören zur Gruppe der hydrolysierbaren, d.h. durch Säuren, Laugen sowie Enzyme spaltbaren Tannine (MINGSHU et

al. 2006). Weitere Bestandteile des in Hamamelis-Extrakten enthaltenen phenolischen Inhaltsstoffspektrums stellen Flavonolglycoside, Zimtsäurederivate und Proanthocyanidine dar (DUCKSTEIN und STINTZING 2011).

Da zur Qualitätsbewertung von gerbstoffhaltigen Extrakten bzw. deren Zubereitungen neben dem charakteristischem Inhaltsstoffspektrum die Kenntnis über deren Veränderung im Zuge der Lagerung von wesentlicher Bedeutung ist, sollte die Temperatur- und Lichtstabilität von Hamamelis-Extrakten ermittelt werden. Zwar gibt es Hinweise zur Instabilität hydrolysierbarer Tannine aus der Literatur (SALMINEN 2003), Daten zu Hamamelis hingegen fehlen bislang.

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Abb.1 Abbaucharakteristik der Galloylhexosen im Hamamelisblätter-Extrakt nach 120 Tagen Lagerung (dunkelgrau) bei Dunkelheit und 5 °C (A) Dunkelheit und RT (B) sowie Licht und RT (C) im Vergleich zu einem Referenzextrakt (hellgrau); GH: Galloylhexose

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Poster

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Daher wurde in einer dreiarmigen Lagerstudie ein wässriger Hamamelisblätter-Extrakt 120 Tage lang folgenden Bedingungen ausgesetzt: 5 °C/dunkel, Raumtemperatur/dunkel, Raumtemperatur/Licht. Begleitende Stufenkontrollen mittels HPLC-DAD zeigten, dass wässrige Extrakte aus Hamamelisblättern bei Lagerung unter Lichtausschluss über 120 Tage weitestgehend stabil waren (Abb. 1A). Die Lagerung bei 5 °C erwies sich im Vergleich zur Aufbewahrung bei Raumtemperatur (RT) als vorteilhafter, was sich in einer geringeren Ab- bzw. Umbaurate der enthaltenen Gerbstoffe widerspiegelte (Abb. 1A und 1B). Unter Lichteinfluss beschleunigte sich der Prozess deutlich: Nach einer stufenweisen Degalloylierung wurde schließlich ein kompletter Abbau der Tanninfraktion verzeichnet (Abb. 1C). Weitere phenolische Verbindungen des Hamamelis-Extraktes wie Flavonolglykoside und Zimtsäurederivate zeigten ähnliche Stabilitätscharakteristika wie die Gallotannine, wobei unter Lichteinfluss zwar ebenfalls ein forcierter Abbau, jedoch kein kompletter Verlust stattfand.

Zusammenfassend zeigen die erhobenen Daten, dass der Erhalt des Inhaltsstoffspektrums von Hamamelis-Extrakten hohe Anforderungen an die Lagerbedingungen stellt. Licht- bzw. temperaturbedingte Veränderungen können im Rahmen der Qualitätsbewertung chromatographisch erfasst und damit als Datengrundlage für prospektive Wirksamkeitsaussagen hamamelishaltiger Zubereitungen herangezogen werden.

Literatur

Duckstein, S.M., Stintzing, F.C., 2011: Investigation on the phenolic constituents in Hamamelis

virginiana leaves by HPLC-DAD and LC-MS/MS. Anal. Bioanal. Chem. DOI 10.1007/s00216-011-5111-3 (Artikel im Druck) Mingshu, L., Kai, Y., Qiang, H., Dongying, J., 2006: Biodegradation of gallotannins and ellagitannins. J. Basic. Microbiol. 46, 68-84. Salminen, J.P., 2003: Effects of sample drying and storage, and choice of extraction solvent and analysis method on the yield of birch leaf hydrolyzable tannins. J. Chem. Ecol. 29, 1289-1305. Vennat, B., Gross, D., Pourrat, A., Pourrat, H., 1992: Hamamelis virginiana: Identification and assay of proanthocyanidins, phenolic acids and flavonoids in leaf extracts. Pharm. Acta. Helv. 67, 11-14. Wang, H., Provan, G.J., Helliwell, K., 2003: Determination of hamamelitannin, catechins and gallic acid in witch hazel bark, twig and leaf by HPLC. J. Pharm. Biomed. Anal. 33, 539-544.

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AP 03

Modellierung und Validierung der pflanzlichen 4-O-Methyltransferase am Beispiel von Actaea racemosa L.

B. Ehlers1, M.F. Melzig1, U. Lindequist2 und Th. Homann3

1 Freie Universität Berlin, Institut für Pharmazie, Königin-Luise-Str. 2+4, 14195 Berlin, [email protected], 2 Institut für Pharmazeutische Biologie, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße 17, 17489 Greifswald, 3 Universität Potsdam, Institut für Ernährungswissenschaft, Arthur-Scheunert-Allee 114-116, 14558 Nuthetal, Abt. Lebensmittelchemie

Zusammenfassung:

Die durchgeführten Untersuchungen hatten das Ziel den Einfluss kompetitiv hemmender sekundärer Inhaltsstoffe der Traubensilberkerze (TS), Actaea racemosa L. (Cimicifuga racemosa (L.)Nutt.), an Modellen verschiedener 4-O-Methyltransferasen (4-OMT) zu betrachten, um Rückschlüsse auf das Verhalten der TS-4-OMT zu erhalten. Die 4-OMT der TS bildet aus Kaffeesäure Isoferulasäure (IF), für die eine agonistische Aktivität am 5-HT7 Rezeptor postuliert wird. Potentielle kompetitive Hemmer wurden mittels eines Dockingansatzes auf theoretischer Basis zu identifiziert. Es konnte gezeigt werden, dass verschiedene Phenylacrylsäureester (vgl. Tabelle 1) theoretisch das Potential besitzen, den geschwindigkeitsbestimmenden Schritt in der Bildung von IF zu hemmen.

Abstract:

The purpose of the implemented rsearch consisted in the observation of the influence of competitive inhibiting secondary plant constituents of Black Cohosh (BC), Actaea racemosa L. (Cimicifuga racemosa (L.)Nutt.), in several 4-O-Methyltransferases (4-OMT) models. Through this it was possbile to make conclusions about the reaction of the 4-OMT in BC. The 4-OMT in BC converts caffic acid into isoferulic acid (IF) which has a postulated activity on the 5-HT7 receptor. To identify possible competitive inhibiting compounds we used docking applications on a theoretical approach. The results showed that severals phenyl esters of acrylic acid (comp. table 1) had the capability to inhibit the rate-determining step in the synthase of IF.

Hintergrund:

Die Optimierung von Phytopharmaka zur Behandlung von klimakterischen Beschwerden ist unter verschiedenen Aspekten, z.B. dem der Etablierung von Alternativen zur Hormonersatztherapie, von zunehmender Bedeutung. Eine große Rolle spielen dabei Präparate aus der TS. Neben Triterpenen wird auch die Isoferulasäure als ein Wirkstoff in dieser Pflanze angesehen. Die Verbindung soll eine agonistische Aktivität am 5-HT7 Rezeptor besitzen und dadurch gegen klimakterische Beschwerden, im Besondern Hitzwallungen, wirksam sein (Fabricant et al. 2005). Eine Erhöhung des Gehaltes von IF in der Pflanze wäre somit anzustreben. In der TS wird die IF durch eine 4-OMT aus Kaffeesäure gebildet. Es wird angenommen, dass dieses der geschwindigkeitsbestimmende Schritt in der Bildung von IF ist. Pflanzeninhaltsstoffe, die die 4-OMT kompetitiv hemmen, dürften daher Einfluss auf den Gehalt der Pflanze an IF haben.

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Poster

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Zielstellung:

Ziel war es, Inhaltsstoffe des Rhizoms und der Wurzeln der TS und nah verwandter Stammpflanzen zu identifizieren, welche den geschwindigkeitsbestimmenden Schritt in der Bildung von IF hemmen könnten. Zur Identifikation der kompetitiv hemmenden Inhaltsstoffe wurden Dockinguntersuchungen an Modellen von verschiedenen 4-OMT durchgeführt, um Hinweise auf das Verhalten der in der TS vorkommenden 4-OMT zu erhalten.

Methoden:

Die Identifikation möglicher kompetitiver Substrate erfolgte mithilfe von Dockinguntersuchungen im Programm MOE 2009.10. Die Dockingexperimente wurden anhand von 4-OMT-Modellen von Papaver somniferum L. (P-4OMT) und Catharanthus roseus L. (C-4OMT) durchgeführt. Die 3D-Modelle der 4-OMT wurden aus einer Analogieannahme erstellt. Diese war erforderlich, da für die in der TS vorkommenden 4-OMT weder eine Röntgenstruktur noch die Primärstruktur bekannt ist. Abb. 1 und 2 stellen die finalen 4-OMT-Modelle dar.

Als Grundlage diente eine aus Übersichtsartikeln zusammengestellte Datenbank über die Inhaltsstoffe des Rhizoms und der Wurzeln der TS sowie einiger nah verwandter Stammpflanzen (Fabricant et al., 2005; Li et al., 2006; Iwanaga et al. 10/2009, 11/2009). Im Weiteren wurden Konformationsanalysen anhand des „Low-Mode-MD“-Verfahrens sowie molekular-dynamische Simulationen (Yasara) durchgeführt (MOE 2009.10).

Abb. 1: P-4OMT-Modell mit Pharmako-phore, Cofaktor S-Adenosylmethionin und Wasser (MOE 2009.10)

Abb. 2: C-4OMT-Modell mit Pharmakophore, Cofaktor S-Adenosylmethionin und Wasser (MOE 2009.10)

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Tab. 1: Durchschnittlicher Docking-Score unter Nutzung der Ergebnisse des P-4OMT- und C-4OMT-Modells (Beispielhafte Darstellung der sieben besten Docking Scores)

Ergebnisse:

Es konnte gezeigt werden, dass verschiedene Phenylacrylsäureester (vgl. Tabelle 1) theoretisch das Potential besitzen, den geschwindigkeitsbestimmenden Schritt in der Bildung von IF zu hemmen. Abb. 3 und 4 zeigen beispielhaft die Interaktion der Kaffeesäure sowie der Cimicifugasäure N am P-4OMT-Modell. Hierbei trat eine bisher noch nicht in der Literatur beschriebene, über ein Wassermolekül vermittelte, nicht-kovalente Wechselwirkung zwischen einer para-ständigen phenolischen Hydroxylgruppe und einem Asparagin der 4-OMT auf. Diese Wechselwirkung wurde als essenziell für die ablaufende Transmethylierungsreaktion eingestuft.

Fazit

Falls sich die hier ermittelten Daten in späteren Untersuchungen praktisch verifizieren lassen, wäre eine Reduzierung des Gehalts der theoretisch kompetitiv verhaltenden Inhaltsstoffe durch „SMART-Breeding“-Verfahren anzustreben. Eine Verringerung des Gehalts der Pflanze an den Hemmstoffen könnte dazu beitragen, den Gehalt der IF innerhalb der TS zu erhöhen.

Literatur:

Fabricant, D. S., Nikolic, D., Lankin, D. C., Chen, S. N., Jaki, B. U., Krunic, A., van Breemen, R. B., Fong, H. H. S., Farnsworth. N. R., and Pauli G. F., Cimipronidine, a cyclic guanidine alkaloid from Cimicifuga racemosa. J. Nat. Prod., 2005. 68(8): 1266-1270.

Inhaltsstoffe Docking Scores [kcal/mol]

2- Feruloylfukinsäure-1-methylester

-21,1511

2-Isoferuloylfukinsäure-1-methylester

-20,2933

Cimicifugasäure N -20,0247 Cimicifugasäure B -19,9798 Quercetin-3-O-arabinosyl-(1-6)-glactopyranosid

-19,705

Cimicifugasäure A -19,0468 Cimicifugasäure I -18,7317

Abbildung 3 Interaktion von Kaffeesäure mit dem P-4OMT-Modell (MOE 2009.10)

Abbildung 4 Interaktion von Cimicifugasäure N mit dem P-4OMT-Modell (MOE 2009.10)

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Poster

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Iwanaga, A., Kusano, G., Warashina, T., and Miyase, T., Hyaluronidase inhibitors from "Cimicifugae Rhizoma" (a mixture of the rhizomes of Cimicifuga dahurica and C. heracleifolia. J. Nat. Prod., 10/2009. 73(4): 573-578. Iwanaga, A., Kusano, G., Warashina, T., and Miyase, T., Phenolic constituents of the aerial parts of Cimicifuga simplex and Cimicifuga japonica. J. Nat. Prod, 11/2009. 73(4): 609-612. Li, J.-X., and Yu, Z.-Y., Cimicifugae Rhizoma: From origens, bioaktive constituents to cinical outcomes. Curr. Med. Chem., 2006: 2927-2951. MOE, Molecular Operating Environment; MOE 2009.10. 2009, Chemical Computing Group: Montreal, Canada

AP 04

Analytik, Radioisotopenmarkierung und Pharmakokinetik von Matricin aus Matricaria recutita L.

N. Ghassemi – Dehkordi1* und J. Hölzl2

1: Institut für pharmazeutische Biologie, Fachbereich Pharmazie der Medizinischen Universität Isfahan, Isfahan, Iran, Postfach 81745-359, Tel: 0098-311 – 7922611, Fax: 0098-311 – 6680011, 2: Institut für pharmazeutische Biologie, Fachbereichs Pharmazie der Philipps-Universität Marburg/Lahn, Deutschland, * Korrespondenz: E-mail: [email protected]

Zubereitungen aus Kamillenblüten werden als Antiphlogistikum, Spasmolytikum, Stomachikum und Carminativum therapeutisch eingesetzt. Die Hauptwirkstoffe sind Chamazulen (aus der Muttersubstanz Matricin), Bisabolol, En-In-Dicycloäther (Spiroäther) sowie die Flavonoide Apigenin und Apigenin-7-glucosid (JAKOVLEV et al. 1983; s.a. DAB 9, 1986).

Das Matricin wird heute als eines der antiphlogistischen Wirkprinzipien der Kamille angesehen. Da die labile Substanz (STAHL 1954) jedoch sehr rasch abgebaut wird, bleibt bisher ungeklärt, in welcher Form das Matricin nach der Appilikation im Organismus eigentlich vorliegt. Daher sollte in dieser Arbeit die Pharmakokinetik und der Metabolismus des Matricins untersucht werden (GHASSEMI, 1988).

Zusammenfassend kamen wir in den einzelnen Untersuchungsschritten zu folgenden Resultaten:

1. Für pharmakokinetische Studien wurde radioaktiv markiertes Matricin benötigt. Für die Herstellung von 14C-Matricin wurden zuerst morphologische Merkmale und der Ölgehalt sowie die Ölzusammensetzung diploider und tetraploider Kamillenpflanzen charakterisiert. Mit Ausnahme der diploiden Kamillentypen iranischer und ägyptischer Herkunft waren H-29 (DegumilleR) spanischer Herkunft und tetraploide Kamillenarten (BK2/39, Ö-29, R-Reihen) aus Ungarn für die Markierungsuntersuchungen geeignet.

Die Markierungsversuche mit 2-14C-Acetat haben gezeigt, daß mit einer Einbauzeit von drei Tagen und nach Zusatz von unmarkierter Saccharose die höchsten Einbauraten und die höchste spezifische Aktivität des Matricins zu erzielen waren.

2. Zur genaueren qualitativen und quantitativen Erfassung des Matricins aus der extrahierten Droge wurden hier neu entwickelte DC- und HPLC eingesetzt. Dadurch waren der Nachweis

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und die selektive Bestimmung des Matricins möglich. Auβerdem wurde 14C-Matricin mittels einer speziell ausgearbeiteten SC isoliert.

3. Die Stabilitätsprüfung des Matricins in Wasser sowie in alkoholischen Drogenauszügen ergaben, dass Matricin rasch abgebaut wird. Zu den Zersetzungsprodukten zählten unter anderem auch Chamazulen.

4. Die in-vitro-Verteilungsversuche zeigten, dass Matricin und seine Abbauprodukte eine überaus hohe Affinität zur lipophilen Phase besitzen.

In vivo wurden die Pharmakokinetik und der Metabolismus von 14C-Matricin 3 h nach peroraler Applikation untersucht.

Es konnte nachgewiesen werden, dass die höchste Radiaktivität im Magen vorlag, in den übrigen Organen und Geweben, auβer im Blut, wurden nur relativ niedrige Werte festgestellt. Ein gewisser Anteil der Radiaktivität wurde durch Atemluft, Urin und Faeces ausgeschieden, wobei im Urin ein besonders hoher Anteil festzustellen war.

Bedingt durch das saure Milieu des Magens bestand nur ein geringer Teil der festgestellten Radioaktivität aus unverändertem 14C-Matricin, der übrige Teil war metabolisiert.

Es konnte nachgewiesen werden, dass auch unverändertes Matricin resorbiert wurde und in geringer Konzentration neben seinen 14C-Metaboliten in der Leber sowie im Blut und im Urin auftrat.

Nach unserer Ansicht sind alle 14C-Metaboliten, das Chamazulen sowie die lipophilen Abbauprodukte apolarer als das Matricin und besitzen einen höheren Rf-Wert, nur die polymeren 14C-Metabolite bleiben am Startpunkt.

Wichtigster Befund unserer pharmakokinetischen Versuche war, daβ Chamazulen als Metabolit in Magen, Leber, Blut und auch im Urin nachzuweisen war.

Die Tatsache, daβ intaktes 14C-Matricin und –Chamazulen im Urin nachgewiesen wurde, könnte die antiphlogistische Wirkung von Kamillenzubereitungen in der Volksmedizin bei Blasen- und Nierenentzündungen erklären (PAHLOW 1985).

Die Metabolismusstudien ergeben zusammengefaβt, dass die Matricinmetaboliten immer in höherer Konzemtration auftreten als das Matricin. Über die antiphlogistische Wirkung der Metaboliten, ausgenommen Chamazulen (HEUBNER et al. 1933) ist wenig bekannt; Reinicke und Mitarbeiter (REINICKE et al. 1952) vermuten, dass sie ebenfalls eine antiphlogistische Wirkung besitzen können.

Schlagworte:

Matricaria recutita , Kamille, Matricin, Pharmakokinetik,

Literatur:

DAB 9, 1986: 2, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2065 S. Ghassemi Dehkordi, N., 1988: Analytik, Radioisotopenmarkierung und Pharmakokinetik von Matricin und Spiroäthern aus Matricaria recutita L., Dissertation, Marburg. Heubner, W., Grabe, F., 1933: Über die entzündungswidrige Wirkung des Kamillenöls. Naunyn- Schmiedebergs Arch. exp. Pathol. u. Pharmakol. 171, 329. Jakovlev, V., Isaac, O., Flascamp, E., 1983: Pharmakologische Untersuchung von Kamilleninhaltsstoffen; VI. Untersuchung zur antiphlogistischen Wirkung von Chamazulen und Matricin. Planta Med. 49, 67.

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Poster

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Pahlow, M., 1985: Heilpflanzen in der Apotheke; Heilpflanzen gegen Blasen – und Nierenleiden, Dtsch. Apoth. Ztg. 125, 1382. Reinicke, R., Barton, H. Jung, F., 1952: Synthetische Azulene, IV. Versuche zur Frage Struktur und Wirksamkeit. Naunyn-Schmiedebergs Arch. exp. Pathol. u. Pharmakol. 215, 579. Stahl, E., 1954: Über das Chamazulen und dessen Vorstufen. Chem. Ber. 87, 505 und 1626.

AP 05

Wilde Allium-Arten – der bessere Knoblauch?

M. Keusgen, J. Jedelská-Keusgen und J. Kusterer

Philipps-Universität Marburg, Institut für Pharmazeutische Chemie, Marbacher Weg 6, 35032 Marburg, E-Mail: [email protected]

Zusammenfassung:

Die Küchenzwiebel (Allium cepa L.) und der Knoblauch (A. sativum L.) werden seit mehreren tausend Jahren von der Menschheit genutzt und heute weltweit in großem Umfang kultiviert. Aber auch wilde Laucharten weisen üblicherweise eine große Vielfalt von Schwefelverbindungen auf, wobei die Cysteinsulfoxide die Leitverbindungen der nicht beschädigten Zwiebel sind. Neben dem Alliin, der Leitsubstanz für Knoblauch, und dem Isoalliin, dem wertbestimmenden Cysteinsulfoxid für die Küchenzwiebel, konnten in den vergangenen Jahren in den untersuchten Wildarten weitere Cysteinsulfoxide und zahlreiche davon abgeleitete Substanzen gefunden werden, deren Wirkungen nur teilweise bekannt sind. Bemerkenswert sind hier Allium stipitatum Regel und Allium suworowii Regel, für deren Inhaltsstoffe eine Wirkung gegen Tuberkulose beschrieben wurde. Somit können Allium-Wildarten ein im Vergleich zum Knoblauch erweitertes Wirkspektrum aufweisen. Ein anderes Beispiel ist Allium tripedale Trautv., für den die Substanz Homoisoalliin nachgewiesen werden konnte. Diese Lauchart zeichnet sich durch einen extrem scharfen Geschmack aus; die pharmakologischen Eigenschaften sind weitgehend unbekannt. Erwähnenswert ist auch Allium

obliquum L. wegen seines hohen Gehaltes an Alliin und Isoalliin.

Einleitung:

Zwiebelgewächse werden von der Menschheit wahrscheinlich seit vielen tausend Jahren verwendet; hierbei ist die Nutzung von Knoblauch (A. sativum L.) und der Küchenzwiebel (A.

cepa L.) seit ca. 6.000 Jahren belegt. Beide Arten haben einen vielfältigen gesundheitlichen Nutzen, wobei beim Knoblauch die herz- und gefäßprotektive Wirkungen und bei der Küchenzwiebel die metabolischen Wirkungen sowie deren Einsatz bei Erkältungskrankheiten im Vordergrund stehen. Beide Arten werden schon seit langem gegen unterschiedlichste Infektionen verwendet. In jüngster Zeit werden auch die canzeroprotektiven Wirkungen lebhaft diskutiert (KEUSGEN, 2002). Die wertbestimmenden Inhaltsstoffe der Gattung Allium sind neben Flavonoiden und Saponinen die Cysteinsulfoxide, aus denen sich nach der Reaktion mit dem Enzym Alliinase vielfältige, zum Teil flüchtige Verbindungen ergeben. Es kann davon ausgegangen werden, dass neben diesen bekannten Kulturarten auch noch viele Wildarten regional begrenzt als Gewürz, Lebensmittel oder Arzneipflanze verwendet werden. Dieses ist der

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Inhalt der hier vorgestellten Studie, wobei der Schwerpunkt der Untersuchungen auf südwestasiatische und mittelasiatische Allium-Arten liegt.

Ergebnisse und Diskussion:

Im Mittelpunkt der Untersuchungen standen Arten des Subgenus Melanocrommyum, dessen Vertreter in Asien vielfältig verwendet werden. Die bisher bekannten Cysteinsulfoxide aus diesem Subgenus sind in Abb. 1 zusammengefasst. Dabei kommt das Methiin 1 ubiquitär im gesamten Genus Allium vor. Das Propiin 2 war bisher vom Lauch A. porrum L. bekannt. Neu ist die Pyridinverbindung 3 (KUSTERER, VOGT, KEUSGEN, 2010), die auch als N-Oxid 3a vorliegen kann (KUBEC, 2011). Die Substanzen wurden in A. stipitatum Regel und A.

altissimum Regel gefunden. Die Pyridyl-Cysteine, die noch weitgehend unerforscht sind, werden mit einer antibiotischen Wirkung, insbesondere gegen Tuberkulose, in Verbindung gebracht. Weit verbreitet im Subgenus Melanocrommyum sind die Pyrrolyl-Cysteinsulfoxide 4 und 4a (JEDELSKA et al., 2008, KUCEROVA et al., 2011). Diese sind für die Bildung eines roten Farbstoffes verantwortlich, der beim Verletzten des Pflanzengewebes entsteht. Von den entsprechenden Allium-Arten, beispielsweise A. giganteum Regel, werden zumeist die Blätter volkstümlich verwendet. Ebenfalls von großem Interesse ist die Substanz Marasmin 5, die in großen Mengen in A. suworowii Regel vorkommt. Auch für die Folgeprodukte dieses Cysteinsulfoxides kann eine starke antibiotische Wirkung vermutet werden. Bei weiteren Untersuchungen wurde die Substanz Homoisioalliin in A. tripedale Trautv. gefunden (KUSTERER, KEUSGEN, 2010); die Substanz verursacht einen sehr scharfen Geschmack und deren Wirkungen bisher gänzlich unbekannt sind. Neben diesen Arten wurden noch zahlreiche weitere Wildarten untersucht (FRITSCH et al., 2006), wobei insbesondere A. obliquum L. durch seinen hohen Gehalt an Alliin und Isoalliin auffiel, was auf interessante pharmakologische Wirkungen schließen lässt.

Abb. 1: Cysteinsulfoxide und Cystein-N-oxide, die bisher für den Genus Allium, Subgenus Melanocrommyum, beschrieben worden sind. Erklärungen siehe Text.

Schlussfolgerung:

Die neuen Ergebnisse legen nahe, das wilde Allium-Arten über ein deutlich erweitertes Spektrum an Inhaltsstoffen verfügen, was auf ein erweitertes Wirkspektrum im Vergleich zum Knoblauch schließen lässt.

Literatur:

Fritsch, R.M., Keusgen, M. 2006: Occurrence and taxonomic significance of cysteine sulphoxides in the genus Allium L. Phytochemistry 67: 1127-1135.

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Poster

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Jedelská, J., Vogt, A., Reinscheid, U.M., Keusgen, M. 2008: Isolation and Identification of a Red Pigment from Allium Subgenus Melanocrommyum. JAFC 56 (4): 1465-1470. Keusgen, M. 2002: Health and Alliums in Allium Crop Science - Recent Advantages ( Edited by H.D. Rabinowitch and L. Currah), CABI Wallingford, Oxon, ISBN 0-85199-510-1, 357-378. Kucerova, P., Kubec, R., Simek, P., Vaclavík, L., Schraml, J. 2011: Allium Discoloration: The Precursor and Formation of the Red Pigment in Giant Onion (Allium giganteum Regel) and Some Other Subgenus Melanocrommyum Species. JAFC 59 (5) 1821-1828. Kubec, R., Krejcova, P., Simek, P., Vaclavík, V.; Hajslova, J., Schraml, J. 2011: Precursors and Formation of Pyrithione and Other Pyridyl-Containing Sulfur Compounds in Drumstick Onion, Allium stipitatum. JAFC 59 (10): 5763-5770. Kusterer, J., Vogt, A., Keusgen, M. 2010: Isolation and identification of a new cysteine sulfoxide and volatile sulfur compounds from Allium subgenus Melanocrommyum, JAFC 58(1): 520-526. Kusterer, J., Keusgen, M. 2010: Cysteine sulfoxides and volatile sulfur compounds from Allium

tripedale. JAFC 58 (2): 1129-1137.

Danksagung:

Das Projekt wurde teilweise durch die VolkswagenStiftung Hannover innerhalb des Förderschwerpunktes „Zwischen Europa und Orient – Mittelasien/Kaukasus im Fokus der Wissenschaft” unterstützt.

AP 06

Extraktion und differenzierte Analyse des Öls aus Samen des Burío (Apeiba

tibourbou Aubl.)

B. Matthäus1, J.M. Cabezas Lacayo2, X. Castillo Altamirano3, S. Pacheco2 und U. Müller4 1 Max-Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel, Schützenberg 12, D-32756 Detmold, 2 Facultad de Ciencias, UNAN-León, Aptdo. 68, León, Nicaragua, 3 Facultad Agroecología, UNAN-León, 4Horizont3000, Wien, Österreich, CECALLI & UNAN-León, León, Nicaragua, aktuelle Adresse: Mozartstraße 13, D-64859 Eppertshausen, Email: [email protected]

Zusammenfassung

Der "Burío" (Apeiba tibourbou Aubl.) aus semiariden Zonen Nicaraguas enthält ca. 30% Öl in seinen Samen, das sich durch vorwiegend kurzkettige gesättigte Fettsäuren und eine damit verbundene niedrige Viskosität auszeichnet. Das Öl enthält 281mg/100g Tocopherol und zählt damit zu den Pflanzen mit den höchsten Tocopherol-Gehalten. Hinweise auf gesucht Haarwachstum-Stimulantien wurden nicht gefunden.

Abstract

The seed of "Burío" (Apeiba tibourbou Aubl.), growing in the semiarid Pacific-region of Nicaragua contains about 30% Oil, characterized by short chain fatty acids with resulting low viscosity. The Tocopherol concentration in the oil is 281mg/100g, making Burío one of the plants with highest known Tocopherol concentration. There was no evidence for hair-growing stimulants.

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Einleitung

Der Apeiba tibourbou Aubl., in Nicaragua als "Burío" oder "Peine de Mico" bekannt. Es handelt sich um eine "Pionierpflanze" der Familie der Lindengewächse (Tiliaceae), die in den semiariden Zonen der Pazifikküste Nicaraguas bis zu 25 m hoch werden können (ZAMORA et al. 1999). Die Samen enthalten ein sehr feines, dünnflüssiges und honigfarbenes Öl, das in Nicaragua von Frisören zum Glänzen des Haares und zur Stimulierung des Haarwachstums verwendet wird (TAKAHASHI et al. 2003). Mit dem Ziel, mehr über die Zusammensetzung dieses Öls zu erfahren wurde eine Analyse der Bestandteile des Öls durchgeführt.

Methoden

Im April 2007 wurden Samen des Burío geerntet und ca. 1 Monat in der Dunkelheit getrocknet. Danach wurden sie im Labor mittels Soxhlet-Apparatur bzw. halbindustriell mit n-Hexan Stunden extrahiert. Diese Öle wurden in Nicaragua für weitere physikalisch- chemischen Untersuchungen verwendet.

In Deutschland erfolgte die Extraktion nach ISO 659:1998 (ISO, 1998). Die Fettsäurenzusammensetzung des Öls wurde nach ISO 5509:2000 (ISO, 2000) mit Hilfe eines Temperaturprogramms im Gas-Chromatographen (GC) gegen einen Standard bestimmt. Die Tocopherole wurden mit Hilfe einer Gradienten-HPLC bestimmt. Als Standards dienten Öle von Hafer und Leinsamen. Die Sterole wurden gemäß ISO/FIDS 12228:1999 (ISO, 1999) mittels Dünnschicht-Chromatographie aufgetrennt und anschließend im GC quantifiziert.

Ergebnisse

Die trockenen Samen haben einen Lipidgehalt von ca. 30%. Die Fettsäuren-Komposition ist wie bei anderen Samen, mit einer Besonderheit, dass nahezu 40% der gesättigten Fettsäuren kurzkettige Fettsäuren sind (8:0, 10:0, 12:0, 14:0). Diese haben eine besondere Bedeutung für technische Öle (Uhrmacheröl, Maschinenöl). Die Samen des Burío enthalten sehr hohe Tocopherol-Konzentrationen (281mg / 100g Öl) (BALZ et al. 1992). Ein Beleg für Haarwachstums-fördernde Inhaltsstoffe konnte nicht gefunden werden.

Ausblick

Die Analyse des Öls der Samen des Burío förderte Informationen über die Zusammensetzung des Samen-Öls eines Mitglieds der Familie der Tiliaceae zu Tage. Die Daten werden in der Datenbank "Seed-Oil-Fatty-Acid-Database" – SOFA veröffentlicht werden. Auf der Suche nach Haarwuchs-stimulierenden Substanzen müssten jetzt weitere Analysen folgen, die organische Schwefelverbindungen und Phospholipide einschließen. Die ermittelten Resultate geben Anlass zur Untersuchung ob das Samen-Öl des Burío als Lebensmittel, medizinisches Öl oder technisches Öl Verwendung finden kann.

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Poster

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Literatur

Zamora N, González J & Poveda LJ, 1999: Arboles y Arbustos del Bosque Seco de Costa Rica. Instituto Nacional de Biodiversidad, Costa Rica, http://www.inbio.ac.cr/ [email protected] Takahashi T, Kamimura A, Hamazono-Matsuoka T, Honda S, 2003: Phosphatidic acid has a potential to promote hair growth in vitro and in vivo, and activates mitogen-activated protein kinase/extracellular signal-regulated kinase kinase in hair epithelial cells, J Invest Dermatol. (121/3): 448-456 International Standard ISO 659:1998 - Oilseeds – Determination of hexane extract (or light petroleum extract), called “oil content”, ISO, Geneva 1999. International Standard ISO 5509:2000 - Animal and vegetable fats and oils - Preparation of methyl esters of fatty acids, ISO, Geneva, 2000. Balz M, Schulte E, Thier HP, 1992: Trennung von Tocopherolen und Tocotrienolen durch HPLC. Fat Sci. Technol. (94): 209-213.

International Standard ISO 12228:1999 - Animal and vegetable fats and oils - Determination of individual and total sterols contents – Gas chromatographic method, ISO, Geneva 1999.

AP 07

Flavonoide aus Reseda luteola schützen die Haut vor UV-bedingten Schäden

Ch. Schempp1, U. Wölfle1, F. Casetti1, und A. Wähling2

1 Kompetenzzentrum skintegral, Universitäts-Hautklinik, Universitätsklinikum Freiburg, Hauptstr. 7, D-79104 Freiburg, 2 NIG GmbH, Wasserkunststr. 26, D-39124 Magdeburg, Germany, [email protected]

Flavonoide sind polyphenolische Verbindungen mit weiter Verbreitung im Pflanzenreich. Das Flavon Luteolin ist mit vier Hydroxylgruppen substituiert. Luteolin kommt in grösseren Mengen in der Färbepflanze Reseda luteola L. (Gilbkraut) vor. In den letzten Jahren wurden zahlreiche antimikrobielle, krebshemmende, entzündungshemmende und antioxidative Eigenschaften von Luteolin beschrieben (Seelinger et al. 2008).

Reaktive Sauerstoffspezies spielen eine wichtige Rolle bei der durch ultraviolette Strahlen bedingten Entzündung und Hautalterung, aber auch bei der Entstehung von Kontaktekzemen (Martin et al. 2011). Wir stellen hier Daten zu UV-absorbierenden und antioxidativen Eigenschaften von Luteolin und dem Flavonoid-Extrakt RF-40 aus Reseda luteola vor. RF-40 besitzt einen hohen Flavonoid-Anteil (40% w/w), vorwiegend Luteolin, aber auch Luteolinderivate und Apigenin (Wölfle et al. 2010).

Spektrophotometrische Messungen mit 1% (v/v) Luteolin bzw. RF-40 ergaben ein Extinktionsprofil von RF-40, das weitgehend dem von Luteolin entspricht. Die Extinktionsmaxima befinden sich im UVB und UVA Bereich. Die UV-Transmission unterhalb von 370 nm beträgt weniger als 10%. Die Kapazität von Luteolin und RF-40, Sauerstoffradikale zu neutralisieren, wurde in einem zellfreien und einem zellbasierten Test untersucht. Im zellfreien 2,2-diphenyl-1-picrylhydrazyl (DPPH)-Assay war die halbmaximale inhibitorische Konzentration (IC50) von Luteolin 12 µg/ml (RF-40: 37 µg/ml; Trolox: 25 µg/ml; N-Acetylcystein: 34 µg/ml). Die Bildung von 2’,7’-Dichlorofluoresceine (DCFH) in UVB-

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bestrahlten (60 mJ/cm²) HaCaT Zellen wurde durch Luteolin und RF-40 konzentrationsabhängig gehemmt. Luteolin (IC50 3 µg/ml) und RF-40 (IC50 4 µg/ml) waren dabei wirksamer als Trolox (IC50 12 µg/ml) und N-Acetylcystein (IC50 847 µg/ml).

Zusammmen mit neueren klinischen Untersuchungen, die eine UV-protektive Wirkung von RF-40 in vivo zeigen (Casetti et al. 2009), sind Luteolin und RF-40 wegen ihrer UV-absorbierenden und antioxidativen Eigenschaften als Aktivstoffe für den Sonnenschutz und die Entzündungshemmung interessant.

Literatur:

Seelinger, G., Merfort, I., Schempp, C.M., 2008: Anti-oxidant, anti-inflammatory and anti-allergic activities of luteolin. Planta Med. 74:1667-1677 Martin, S.F., Esser, P.R., Weber, F.C., Jakob, T., Freudenberg, M.A., Schmidt, M., Goebeler, M., 2011: Mechanisms of chemical-induced innate immunity in allergic contact dermatitis. Allergy 2011; DOI: 10.1111/j.1398-9995.2011.02652.x Wölfle, U., Simon-Haarhaus, B., Merfort, I., Schempp, C.M., 2010: Reseda luteola L. extract displays antiproliferative and pro-apoptotic activities that are related to its major flavonoids. Phytother. Res. 24: 1033–1036. Casetti, F., Jung, W., Wölfle, U., Reuter, J., Neumann, K., Gilb, B., Wähling, A., Wagner, S., Merfort, I., Schempp, C.M., 2009: Topical application of solubilized Reseda luteola L. extract reduces ultraviolet B-induced inflammation in vivo. J. Photochem. Photobiol. B 96:260-265

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Biochemie und Analytik sekundärer Pflanzeninhaltstoffe und Kontaminanten

Vorträge

53

Themenkreis B: Biochemie und Analytik sekundärer Pflanzeninhaltstoffe und Kontaminanten

Vorträge

BPV 09

Biochemie und Analytik sekundärer Pflanzeninhaltsstoffe

Biochemistry and Analysis of Secondary Metabolites

H. Schulz

Julius Kühn-Institut (JKI), Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für ökologische Chemie, Pflanzenanalytik und Vorratsschutz, Königin-Luise-Straße 19, 14195 Berlin / Erwin-Baur-Straße 27, 06484 Quedlinburg, [email protected]

Die in Arznei- und Gewürzpflanzen als wirksam beschriebenen Inhaltsstoffe kommen fast immer in relativ komplexen Mischungen neben zahlreichen indifferenten pflanzlichen Komponenten vor. Üblicherweise sind diese Wertkomponenten nicht gleichmäßig über die Pflanze verteilt, sondern sind bevorzugt in den Wurzeln, Blättern, Blüten, Früchten oder in der Rinde anzutreffen. Der jeweilige Wirkstoffgehalt wird darüber hinaus im erheblichen Umfang durch den genetischen Hintergrund der jeweiligen Art, aber auch durch den Anbau beeinflusst. Darüber hinaus wirken sich Erntetechnik, Trocknung sowie Lagerung ebenfalls auf den Gehalt der jeweiligen Wertkomponenten aus. Diejenigen Pflanzeninhaltsstoffe, die mit der arzneilichen Wirksamkeit bzw. dem Aroma in Zusammenhang gebracht werden, können im Wesentlichen den folgenden chemischen Substanzklassen zugeordnet werden: Mono-, Sesqui- und Diterpene, Polyacetylene, Phenylpropane, Saponine, Alkaloide, Anthracene, Flavonoide, Cumarine, Tannine, Lipide, Glucosinolate sowie zahlreiche glykosidische Verbindungen. Die Qualitäts-Beurteilung pflanzlicher Drogen erfolgt meist entsprechend dem Europäischen Arzneibuch oder den bestehenden DIN/ISO-Standards. Sofern bei der analytischen Charakterisierung keine standardisierten Vorgaben zu erfüllen sind, ist es den jeweiligen Firmen, die pflanzliche Drogen verarbeiten, freigestellt, welche Methoden im Rahmen der Wareneingangs- oder der Produktkontrolle zum Einsatz kommen.

Zur analytischen Charakterisierung von Arznei- und Gewürzpflanzen werden auch heute noch meist unterschiedliche chromatografische Trennmethoden (DC, HPTLC, HPLC, GC) eingesetzt, die in den meisten Fällen eine ausreichende Auftrennung und Detektion der jeweiligen Analyte gewährleisten und sich daher auch für eine zuverlässige Qualitätskontrolle pflanzlicher Drogen gut eignen. Mit Hilfe dieser Analyse-Techniken werden sowohl qualitative Fingerprints der detektierten Pflanzeninhaltsstoffe aufgezeichnet als auch einzelne Wertkomponenten quantifiziert. Die chromatografisch getrennten Substanzen werden üblicherweise elektrochemisch mit Hilfe eines Leitfähigkeits-Detektors, spektroskopisch (UV-Vis, Fluoreszenz- oder Massenspektrometer) oder refraktometrisch erfasst. Zur Anreicherung von Spurenkomponenten für eine nachfolgende GC- oder HPLC-Analyse stehen adsorptive Proben-Anreicherungsverfahren wie z.B. die „Solid Phase Micro Extraction“ (SPME) oder die „Stir Bar Sorptive Extraction“ (SBSE) zur Verfügung. Die mittels GC getrennten sekundären Pflanzeninhaltsstoffe werden meist mit Hilfe eines Flammenionisationsdetektors (FID) identifiziert, der insbesondere Substanzen mit höherem Kohlenstoffanteil sehr empfindlich

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analysiert (die minimal detektierbare Menge beträgt ca. 10-11 g Kohlenstoff!). Eine deutlich geringere Empfindlichkeit findet man für Alkohole, organische Halogenverbindungen, Carbonyle sowie Stickstoff- und Schwefelverbindungen. Zur Analyse organischer S- und N-Verbindungen (z. B. Pyrazine, Polyalk(en)yl-Sulfide, Alk(en)ylsulfinate) werden vermehrt auch spezifische Detektoren eingesetzt, da auf diese Weise oftmals ein deutlich empfindlicherer Nachweis vorgenommen werden kann. Die qualitative Charakterisierung von Pflanzenextrakten dient hauptsächlich der Klassifizierung einer bestimmten Droge bzw. eines Pflanzenextraktes (z. B. im Vergleich zu einem Referenz-Chromatogramm). Auf diese Weise kann meist sehr schnell erkannt werden, ob die analysierte Probe unerlaubte Zusätze enthält oder ein von der Spezifikation abweichendes Inhaltsstoff-Profil aufweist.

Mit dem Ziel, die Effizienz in der Qualitätskontrolle pflanzlicher Drogen und Extrakte zu steigern, wurden im Verlauf der letzten Jahre vermehrt Schnellmethoden auf Basis von NIR- und MIR-Spektroskopie-Techniken eingesetzt. Die Spektren der zu analysierenden Komponenten oder Stoffgemische (z. B. frische Pflanzenbestandteile, Arzneidrogen, ätherische Öle, Pflanzenextrakte) lassen sich hierbei in der Regel in kurzer Zeit mit vergleichsweise geringem experimentellen Aufwand registrieren. Dabei liefern insbesondere die im mittelinfraroten Wellenzahlenbereich (400-4000 cm-1) zu beobachtenden Molekülschwingungen wichtige strukturspezifische Informationen, die entweder direkt interpretiert oder aber mit Hilfe statistischer Methoden ggf. unter Einbeziehung von Referenzdaten ausgewertet werden können. Die im NIR-Bereich (700-2500 nm) registrierten Banden weisen hingegen die Oberton- und Kombinationsschwingungen der im mittleren Infrarotbereich zu beobachtenden Grundschwingungen auf. Die besonderen Vorteile der NIR-Spektroskopie bestehen vor allem darin, dass gegenüber Messungen im MIR-Bereich eine größere Eindringtiefe in die pflanzliche Probe erzielt wird und kostengünstig Lichtleiterfasern für die Probenpräsentation verwendet werden können. Da es sich um eine zerstörungsfreie analytische Schnellmethode handelt, lässt sich die NIRS vor allem bei der konventionellen Züchtung von Arznei- und Gewürzpflanzen erfolgreich einsetzen. Außerdem finden sich aber auch Anwendungen im Anbau (Bestimmung des optimalen Erntezeitpunktes) sowie in der Qualitätskontrolle. Anwendungen der Raman-Spektroskopie in der Pflanzenanalytik kamen erst vergleichsweise spät zum erfolgreichen Durchbruch. Um die bei der Raman-Messung auftretenden, unerwünschten Fluoreszenz-Effekte zu minimieren, wird heute meist ein Neodym-YAG-Laser (Anregung bei 1064 nm) zur Anregung eingesetzt.

Zur Identifizierung unbekannter Pflanzeninhaltsstoffe stehen unterschiedliche Kopplungstechniken wie die Gaschromatografie-Massenspektroskopie (GC-MS) sowie Hochleistungsflüssigchromato-grafie-Massenspektrometrie (LC-MS) zur Verfügung, mit deren Hilfe erste Informationen zur strukturellen Zusammensetzung der Analyten erhalten werden können. Für weiter führende Untersuchungen ist es allerdings meist erforderlich, die unbekannten Komponenten aus der pflanzlichen Matrix zu isolieren und nachfolgend mittels Kernspinresonanz (NMR) -Spektroskopie zu analysieren.

In dem Vortrag werden die wichtigsten biochemischen Stoffgruppen von Arznei- und Gewürzpflanzen kurz vorgestellt und anschließend Anwendungsbeispiele diverser Analysetechniken vorgestellt. Neben dem klassischen Ansatz der „zielgerichteten Analytik“ wird auch auf den „holistischen Ansatz“ der Metabolom-Analyse Bezug genommen.

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Biochemie und Analytik sekundärer Pflanzeninhaltstoffe und Kontaminanten

Vorträge

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BV 10

Bromidaufnahme und -akkumulation bei ausgewählten Arzneidrogen

Bromide uptake and accumulation in different plant species

A. Chaanin und B. Büter

VitaPlant AG, Romanshornerstrasse 39, 8592 Uttwil, Schweiz, [email protected]

Zusammenfassung:

Das Europäische Arzneibuch schreibt für Arzneidrogen einen Bromid-Höchstwert von 50 mg.kg-

1 vor, um einen allfälligen Einsatz von Methylbromid vorzubeugen. Vor diesem Hintergrund wurde in Gefäßversuchen im Gewächshaus die Aufnahme von Bromid aus dem Boden bzw. dem Gießwasser bei den Arzneidrogen Petasites hybridus Folium und Passiflora incarnata Herba untersucht. Bei beiden Arzneidrogen führten die Behandlungen mit Bromid in Abhängigkeit von der Applikationsmenge zu einer signifikanten Akkumulation des anorganischen Bromids im Erntegut. Die ermittelten Bromidkonzentrationen lagen mit 888 bzw. 244 mg.kg-1 TS bei Petasites bzw. Passiflora deutlich über dem spezifizierten Grenzwert von 50 mg.kg-1. Staunässebedingungen führten bei beiden Spezies nicht zu einer weiteren Erhöhung der Bromidakkumulation. Petasites hybridus wies im Vergleich zu Passiflora incarnata generell höhere Bromidkonzentrationen im Erntegut auf (3-4x höher). Die Versuche zeigen, dass ein Gehalt von >50 mg.kg-1 Bromid in der Trockensubstanz von Arzneidrogen auch unter normalen, physiologischen Bedingungen erreicht wird und der Gehalt an anorganischem Bromid somit nicht als zuverlässiger Indikator für einen unerlaubten Einsatz von Methylbromid während der Produktion oder Lagerung der Arzneidroge betrachtet werden kann. Im Hinblick auf eine spezifikationskonforme Arzneidrogen-Qualität ist zu empfehlen, vor Anbau-Beginn die Bromidgehalte im Boden und im Wasser zu prüfen.

Abstract:

The European Pharmacopeia determines a maximum tolerable level of inorganic bromide in plant raw materials for pharmaceutical of 50 mg.kg-1. In view of this we examined the uptake of inorganic bromide by Petasites hybridus and Passiflora incarnata in greenhouse experiments. In both species the application of inorganic bromide resulted in a significant accumulation of bromide in the harvested plant material in a dose-dependent manner. The bromide concentrations reached 888 and 244 mg.kg-1 DW in Petasites and Passiflora respectively and thus clearly exceeded the specified limit of 50 mg.kg-1. Cultivation under waterlogged conditions did not lead to a further increase of the bromide accumulation in neither species. Principally, Petasites

hybridus showed a 3-4 times higher bromide uptake and/or concentration in the harvested material (i.e. leaves) as compared to Passiflora incarnata (Herba). The results demonstrate that bromide residues of >50 mg.kg-1 in dried plant materials matter may be reached under regular physiological conditions; thus, the concentration of inorganic bromide in a plant material cannot be regarded as a dependable indicator for a previous use of methyl bromide during production or storage of the drug. In order to avoid bromide residues which not comply with the PharmEur specification it is recommended to examine the bromide contents in the soil and water prior to culture initiation.

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6. Fachtagung Arznei- und Gewürzpflanzen, 19. – 22.9.2011, Berlin

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Einleitung:

Methylbromid wird als Begasungsmittel zur Schädlingsbekämpfung, besonders zur Begasung von Containern, sowie zur Bodenentwesung eingesetzt. Mittlerweile ist seine Verwendung in vielen Ländern verboten. Das Europäische Arzneibuch schreibt deshalb vor, dass Arzneidrogen maximal 50 mg.kg-1 anorganisches Bromid aufweisen dürfen. Bromid entsteht nach der Applikation von Methylbromid, das in Methan und anorganisches Bromid zerfällt, und dann von der Pflanze aufgenommen wird.

Anorganisches Bromid kommt auch unter natürlichen Bedingungen, biogen oder durch bromidhaltige Düngermittel oder bromidhaltiges Wasser bedingt, in vielen Böden vor, d.h. Bromid im Boden oder in der Pflanze muss nicht in jedem Fall auf eine Applikation von Methybromid hinweisen. Der natürliche Bromid-Gehalt im Boden variiert in der Regel zwischen 5 und 40 mg.kg-1 (Kabata-Pendias, 2001). Besonders in küstennahen Gebieten sind die Böden reicher an Bromid.

Um zu prüfen, ob Bromid-Rückstände > 50 mg.kg-1 unter natürlichen Bedingungen, ohne vorangegangenen Einsatz von Methylbromid, erreicht werden, wurden exemplarisch mit den Arzneipflanzenspezies Petasites hybridus und Passiflora incarnata Gefäßversuche unter Gewächshausbedingungen durchgeführt, in denen die Bromidaufnahme aus dem Substrat und dem Giesswasser untersucht wurden.

Material und Methoden:

Aus Stolonen (Petasites) bzw. Stecklingen (Passiflora) VitaPlant-eigener Herkünfte wurden unter Gewächsbedingungen über einen Zeitraum von 8 Wochen Versuchspflanzen VitaPlant-eigener Herkünfte herangezogen. Nach erfolgter Bewurzelung und Abhärtung wurden die Pflanzen in 350-ml-Container mit einer Mischung aus Torf, Mutterboden und Sand (1:1:1, v/v/v), einem pH-Wert von 5.7 und 1.5 g Volldünger/l transferiert. Die Versuche erfolgten in einer Blockanlage mit insgesamt 30 Pflanzen in 3Wiederholungen (3 x 10).

Bei Versuch I wurden über einen Zeitraum von sechs Wochen 7.5 mg/l Br als KBr über die Gießlösung appliziert (2 x Woche je 350 ml). Als Kontrolle diente eine Gießlösung ohne KBr. (Tab. 1). Danach wurden die oberirdischen Teile der Pflanzen geerntet, bei 40 °C getrocknet und analysiert. Nach der Ernte wurden die Pflanzen ohne weitere KBr-Applikation weitergezogen und 7 Monaten nach der ersten Ernte ein zweites Mal beerntet und analysiert (siehe Tab. 1). Die Bestimmung des anorganischen Bromids in der Droge erfolgte nach Extraktion mittels Gaschromatographie.

In einem zweiten Versuch (Versuch II) wurde die applizierte Bromid-Menge halbiert; zusätzlich wurde geprüft, ob Staunässebedingungen während der Kultur einen Effekt auf die Bromid-Aufnahme der Pflanzen ausüben. Der Bromid-Gehalt im Substrat (3.7 mg/l ) bzw. in der Gießlösung (0.58 mg/l wurde so gewählt, dass er den Bromid-Gehalten im Boden und im Wasser an einem der Passiflora-Produktionsstandorten der VitaPlant entspricht (siehe Tab. 2). Bei der Variante mit Staunässebedingungen erfolgte die Behandlung der Pflanzen - wie im Verfahren ohne Staunässe - mit 350 ml Bromidlösung (entspricht max. Wasserkapazität). Im Gegensatz zu den anderen Verfahren in diesem Versuch befanden sich aber die Container dieser Variante für 24 Stunden nach dem Gießen in Untersetzern, so dass die überschüssige Flüssigkeit nicht ablief. Wie in Versuch I wurden nach 6-wöchiger Kulturdauer alle Pflanzen geerntet, getrocknet und analysiert. Eine zweite Ernte wurde nicht durchgeführt.

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Biochemie und Analytik sekundärer Pflanzeninhaltstoffe und Kontaminanten

Vorträge

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Ergebnisse und Diskussion:

Nach 6 Wochen Kultur konnten bei den Pflanzen der Bromidvariante in beiden Versuchen keine Schadsymptome im Vergleich zur Kontrolle sowie keine signifikanten Unterschiede in der Trockensubstanz der geernteten Droge festgestellt werden (Ergebnisse nicht gezeigt). Bestimmungen des anorganischen Bromides in der Droge ergaben jedoch eine hohe Bromidaufnahme und -Akkumulation bei beiden Pflanzenarten: Bei Petasites hybridus wurde eine Bromidkonzentration von 888 mg.kg-1 TS und bei Passiflora incarnata von 244 mg.kg-1 TS gemessen (Tab. 1). Selbst beim Wiederaufwuchs dieser Pflanzen wurden sieben Monate später - ohne dass weiter KBr zugeführt worden war - Bromidkonzentrationen über (Petasites: 80 mg.kg-

1 TS) bzw. knapp unter (Passiflora: 43 mg. kg-1 TS) der Spezifikationsgrenze von 50 mg.kg-1 TS festgestellt.

Tab. 1: Bromidgehalte in Petasites hybridus Folium und Passiflora incarnata Herba nach Applikation von KBr über die Gießlösung (Versuch I)

Variante

Bromid in der Giesslösung

Bromid in der Droge [mg.kg-1 Br in derTS]

[mg Br/l als KBr] Nach 6-wöchiger KBr Applikation

Im Wiederaufwuchs nach 7 Monaten ohne KBr Applikation

Petasites hybridus Kontrolle (ohne KBr) 0 10 13 Giesslösung mit 7.5 mg KBr 7.5 888 80 Passiflora incarnata Kontrolle (ohne KBr) 0 19 < 5 Giesslösung mit 7.5 mg KBr 7.5 244 43

Tab. 2: Bromidgehalte in Petasites hybridus Folium und Passiflora incarnata Herba nach Applikation von KBr über die Giesslösung sowie Einfluss von Staunässebedingungen (Versuch II)

Variante Bromidgehalt im Substrat [mg Br/l als KBr]

Bromidgehalt in der Giesslösung [mg Br/l als KBr]

Bromidgehalt in der Blattdroge [mg.kg-1 Br in der TS]

Petasites hybridus Kontrolle ohne Staunässe 0 0 9 Kontrolle mit Staunässe 0 0 11 Bromid ohne Staunässe 3.7 0.58 120 Bromid mit Staunässe 3.7 0.58 140 Passiflora incarnata Kontrolle ohne Staunässe 0 0 < 5 Kontrolle mit Staunässe 0 0 < 5 Bromid ohne Staunässe 3.7 0.58 40 Bromid mit Staunässe 3.7 0.58 32

Im Versuch II bestätigte sich die gegenüber Passiflora deutliche höhere Bromidaufnahme von Petasites (120 und 140 vs. 40 und 32 mg.kg-1 Br) (Tab. 2). Erwartungsgemäß lagen die in den Drogen gemessenen Bromidkonzentrationen insgesamt tiefer als in Versuch I, doch selbst bei der

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in Versuch II niedrigeren KBr Zugabe von 3.7 mg/l Substrat plus 0.58 mg/l im Gießwasser wurde bei Petasites der Grenzwert von 50 mg.kg -1 klar überschritten. Ein eindeutiger Einfluss von Staunässe konnte in Versuch II nicht beobachtet werden - ein Ergebnis, das sich mit Ergebnissen in von uns durchgeführten Vorversuchen deckt (Ergebnisse nicht gezeigt).

Literatur:

Kabata-Pendias, A., 2001: Trace elements in soils and plants. CRC Press, 2001

BV 11

Untersuchungen zur Variabilität der antioxidativen Kapazität von Dost (Origanum vulgare L.)

F. Yan, S. Janke, M. Schwarz, S. Zeller und B. Honermeier

Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung I, Justus-Liebig-Universität Gießen, Ludwigstraße 23, D-35390 Gießen, Email: [email protected]

Einleitung

Der Dost (Origanum vulgare L.) ist in den Regionen Europas, Asiens und in Nordafrika weit verbreitet. Auf dem Markt wird hauptsächlich mit dem Dost aus dem Mittelmeerraum und Mexiko gehandelt. Der Dost ist eine wirtschaftlich bedeutsame Gewürzpflanze, der antimikrobielle und antioxidative Wirkungen zugesprochen werden. Die antioxidative Wirkung von Dost geht hauptsächlich auf die phenolischen Verbindungen und auf die Komponenten des ätherischen Öls zurück. Diese Verbindungen zählen zu den natürlichen Antioxidantien, denen in der Ernährungsphysiologie eine große Bedeutung zugesprochen wird. Eine der wichtigsten ernährungsphysiologischen Funktionen solcher natürlichen Antioxidantien ist das Abfangen der reaktiven Sauerstoffspezies (ROS = reactive oxygen species), die bei der Entstehung von altersabhängigen Krankheiten wie Krebs, Arteriosklerose, Arthritis und neurodegenerativen Störungen eine Schüsselrolle spielen. Der Gehalt an phenolischen Verbindungen und ätherischem Öl ist deswegen ein wichtiges Qualitätsmerkmal für Dost, das von verschiedenen Faktoren wie z. B. Herkunft und Anbaubedingungen abhängen kann.

In der vorliegenden Arbeit wurde der Frage nachgegangen, in wieweit die antioxidative Kapazität des Dostes von der Herkunft abhängig ist, und wie stark die Anbaubedingungen die antioxidative Kapazität des Dostes beeinflussen können.

Material und Methoden

Um die Variabilität der antioxidativen Kapazität zwischen den verschiedenen Akzessionen festzustellen, wurde ein Sortiment mit 39 Akzessionen von Dost (Origanum vulgare L.) von der Genbank Gatersleben (IPK, Gatersleben, Deutschland) bezogen. Drei weitere Akzessionen wurden von Pharmasaat (Artern, Deutschland) sowie von Syringa (Hilzingen-Binningen, Deutschland) beschafft. Die Herkunftsländer der Akzessionen sind Italien, Albanien, Spanien, USA, Ungarn, Georgien sowie Deutschland. Ein Gefäßversuch mit diesen 42 Akzessionen wurde in der Versuchstation Rauischholzhausen der Justus-Liebig-Universität Gießen von 2007 bis 2008 durchgeführt. Die Pflanzen wurden zu Blühbeginn geerntet und hinsichtlich ihrer

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Biochemie und Analytik sekundärer Pflanzeninhaltstoffe und Kontaminanten

Vorträge

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antioxidativen Kapazität mittels ORAC (Oxygen Radical Absorbance Capacity)- und Folin-Ciocalteu-Methode untersucht. Zusätzlich wurde die Rosmarinsäure mit Hilfe einer HPLC-Methode analysiert.

Der Feldversuch wurde mit 8 Akzessionen von Dost in der Versuchstation Rauischholzhausen der Justus-Liebig-Universität Gießen von 2008 bis 2009 durchgeführt. Die Pflanzen wurden in gleicher Weise wie beim Gefäßversuch behandelt, geerntet und analysiert.

Ergebnisse und Diskussion

Im Ergebnis der Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Ausprägung der antioxidativen Kapazität innerhalb der 42 untersuchten Akzessionen aus verschiedenen Herkunftsländern eine große Variabilität aufweist (Abb. 1). Der niedrigste Wert lag bei etwa 1,6 mmol TE/g und der höchste Wert bei 3,4 mmol TE/g. Somit zeigt Dost eine Schwankung in der antioxidativen Kapazität um mehr als zweifach. Da alle untersuchten Pflanzen unter gleichen Bedingungen angezogen wurden, kann diese Schwankung der antioxidativen Kapazität bei Dost als ein Indiz für eine genetische Variabilität angesehen werden. Die unter Feldbedingungen angebauten Pflanzen von 8 Akzessionen zeigten eine deutlich höhere antioxidative Kapazität. Im Durchschnitt war die antioxidative Kapazität der unter Feldbedingungen kultivierten Dost-Pflanzen zweifach höher als die der unter Gefäßbedingungen angebauten Pflanzen (Abb. 2). Das bedeutet, dass die antioxidative Kapazität von Dost nicht nur genetisch determiniert, sondern auch von Umweltbedingungen abhängig ist. Unter Feldbedingungen ist die Lichtintensität etwa 30% höher als unter Gefäßversuchbedingungen. Durch hohe Lichtintensität war die Temperatur unter Feldbedingungen wahrscheinlich auch höher als unter Gefäßversuchsbedingungen. Die beiden Faktoren können zu einer höheren antioxidativen Kapazität der Dost-Pflanzen führen.

Getestete Akzessionen von Origanum vulgare

Ori.

2O

ri. 6

Ori.

7O

ri. 8

Ori.

10

Ori.

11

Ori.

12

Ori.

13

Ori.

14

Ori.

15

Ori.

16

Ori.

17

Ori.

18

Ori.

19

Ori.

20

Ori.

21

Ori.

23

Ori.

24

Ori.

25

Ori.

26

Ori.

27

Ori.

28

Ori.

29

Ori.

30

Ori.

31

Ori.

33

Ori.

34

Ori.

35

Ori.

36

Ori.

37

Ori.

39

Ori.

40

Ori.

41

Ori.

42

Ori.

43

Ori.

45

Ori.

47

Ori.

49

Ori.

50

Ori.

51

Ori.

52

Ori.

53O

RA

C-W

ert (

mm

ol T

E/g

TM

)

0

1

2

3

4

5

Abb. 1: Antioxidative Kapazität der im Gefäßversuch getesteten Akzessionen von Dost. Dargestellt sind Mittelwert und die Standardabweichung.

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Anbauweise

Gefäß Feld

OR

AC

(m

mol

TE

/g T

M)

0

1

2

3

4

5

6

**

Abb. 2: Der Einfluss von Anbaubedingungen auf die antioxidative Kapazität von Dost. Dargestellt sind Mittelwert und die Standardabweichung.

Zwischen den mit der ORAC-Methode erfassten Werten und den mit der Folin-Ciocalteu-Methode erfassten Werten besteht ein enger Zusammenhang (Abb. 3), obwohl die beide Methode von dem Messprinzip her sich stark unterscheiden. Die ORAC-Methode erfasst die Kapazität für den Wasserstoffatomtransfer der Probe, während die Folin-Ciocalteu-Methode die Kapazität für den Elektronentransfer der Probe erfasst. Diese Ergebnisse deuteten darauf hin, dass im Dost die atioxidative Kapazität wahrscheinlich hauptsächlich auf die phenolischen Verbindungen zurückgeführt werden kann.

Gesamt-Phenolen (mg/g TM)

0 50 100 150 200

OR

AC

(m

mo

l/g

TM

)

0,0

1,0

2,0

3,0

4,0

5,0

6,0

Y = 0,878 + 0,0145Xr = 0,60***n = 352

Abb. 3: Zusammenhang zwischen der antioxidativen Kapazität und dem Gehalt an Gesamt-Phenolen von Dost.

Eine wichtige phenolische Verbindung im Kraut von Dost stellt die Rosmarinsäre dar. Zwischen dem Gehalt an Gesamt-Phenolen und dem Gehalt an Rosmarinsäure besteht eine enge Korrelation (r = 0,39***). Eine ähnliche Beziehung zwischen dem ORAC-Wert und dem Gehalt an Rosmarinsäure konnte aber nicht gefunden werden. Weiterhin wurde beobachtet, dass in

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Biochemie und Analytik sekundärer Pflanzeninhaltstoffe und Kontaminanten

Vorträge

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manchen Akzessionen die Rosmarinsäure die dominante Phenolsäure ist, wohingegen in anderen Akzessionen außer Rosmarinsäure auch andere Phenolsäuren in größerer Menge vorhanden sind.

Zusammenfassung

Die antioxidative Kapazität vom Dost schwankt sehr stark in verschiedenen Akzessionen aus verschiedenen Herkunftsländern. Innerhalb eines Sortimentes von 42 Akzessionen wurde eine Schwankung um mehr als das Zweifache festgestellt. Diese genetische Variabilität hinsichtlich der antioxidativen Kapazität im Dost kann für die Selektion und Züchtung im Bezug auf die Qualität zukünftig genutzt werden. Die antioxidative Kapazität des Dostes ist nicht nur genetisch determiniert, sondern auch stark von Umweltbedingungen abhängig. Die unter Feldversuchsbedingungen angebauten Pflanzen zeigten eine zweifach höhere antioxidative Kapazität als die unter Gefäßversuchsbedingungen kultivierten Pflanzen. Dies stimmt mit der Erfahrung gut überein, dass Dost als Gewürz aus warmen Gebieten wie Mittelmeerländern eine bessere Qualität aufweist als der aus den gemäßigten Klimazonen.

Die mit der ORAC-Methode erfasste antioxidative Kapazität korreliert gut mit dem durch die Folin-Ciocalteu-Methode erfassten Gehalt an Gesamt-Phenolen. Aus diesem Ergebnis wird die Schlussfolgerung abgeleitet, dass die antioxidativ wirksamen Verbindungen im Dost überwiegend als phenolische Verbindungen zu charakterisieren sind. Dazu gehört auch die Rosmarinsäure, die signifikant und positiv mit dem Gehalt an Gesamt-Phenolen korreliert.

BV 12

Bestimmung des Artemisinin-Gehaltes in Blättern von Artemisia annua L. mit NIRS

Determination of artemisinin content of Artemisia annua L. leaves using Near-infrared spectroscopy

C. Camps1, M. Toussirot1,2 , M. Quennoz2, X. Simonnet2 and C. Carlen1

1 Agroscope Changins-Wädenswil ACW, Research centre Conthey, route des vergers 18, CH- 1964, Conthey, Switzerland, 2 Mediplant, route des vergers 18, CH-1964, Conthey, Switzerland

Artemisinin and its derivatives are drugs used to treat malaria. Artemisinin is a sesquiterpene lactone with an endoperoxide bridge which is difficult to synthesize in a cost-effective manner, so direct extraction from the leaves of Artemisia annua L. remains an essential step in drug manufacture. Agronomical research is active for this species, with the principal aim being to improve artemisinin yield, thereby reducing the quantity of leaf material required per extraction. Mediplant has been working for more than 20 years on this Asteraceae and has acquired a thorough knowledge of cultural techniques, drying and stocking procedures. Mediplant has also developed Artemisia A. hybrids that are particularly rich in artemisinin. Such a breeding research program is dependent upon an easy, rapid, low cost, and reliable analytical technique to quantify the artemisinin content of large numbers of samples.

The reference methods currently used to quantify artemisinin content are HPLC (high-performance liquid chromatography) and TLC (thin layer chromatography) techniques, however

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such techniques are time consuming, expensive and need a fully adapted laboratory and specialized scientific personnel.

For years, near-infrared (NIR) spectroscopy technique has been widely developed and is now considered as a helpful tool in various fields of the agricultural supply chain. Numerous studies have presented the potential of such a technique to determine the quality of both fruit and vegetable samples. During the last decade, NIR spectroscopy has been further developed to quantify constituents in medicinal and aromatic plants.

A rapid, low cost method based on near-infrared spectroscopy (NIR), was developed to determine artemisinin and moisture content in dry powder of Artemisia A. leaves. A calibration set of 60 samples and validation set of 40 samples of Artemisia A. hybrids exhibiting a wide range of artemisinin contents (AC) was used. Results of partial least squares (PLS) modelling indicated that NIR was accurate in predicting AC. Root mean square error values of cross-validation (RMSECV) and prediction (RMSEV) of 0.095% and 0.1% were calculated, respectively. A model of moisture content was particularly accurate with RMSECV and RMSEP-values of 0.8% (R2=0.98) and 1.4% (R2=0.96), respectively.

BV 13

Nachweis toxischer Schwermetalle in ausgewählten ätherischen Ölen

Analysis of toxic heavy metals in selected essential oils

M. Knödler*, P. Lorenz, M. Schulz, U. Meyer, und F. Stintzing

WALA Heilmittel GmbH, Abteilung Forschung & Entwicklung, Dorfstr. 1, D-73087 Bad Boll/Eckwälden, *[email protected]

Abstract

Essential oils are widely used in flavour and cosmetic industry due to their strong and pleasant odor. On the other hand, their use in pharmaceutical preparations is ascribed to antimicrobial, antioxidant, anti-inflammatory and diverse pharmacological properties.

As heavy metals pose a hazard to human health their content in plants and preparations thereof for consumption or medicinal purposes must be limited. For this reason limits for heavy metals have been set for foodstuffs, cosmetic and medicinal products by health authorities.

Using a newly developed and validated graphite furnace atomic absorption spectrometric (GF-AAS) method a number of rose essential oils of different origin were analyzed for their content of the heavy metals lead, cadmium and mercury. The measured values for lead were in the range from 0.4 to 12 ppm, while those for cadmium were always found to be below the limit of quantification. Only one sample revealed a remarkable high content of mercury (0.15 ppm). The results obtained by GF-AAS were in good accordance with those obtained by X-ray fluorescence spectroscopy (XRF), which indicates that the XRF provides an additional and powerful tool for the heavy metal analysis in essential oils.

Ätherische Öle finden neben dem Einsatz in Kosmetikpräparaten vor allem als aromagebende Komponenten vielfältige Anwendungen in der Getränke- bzw. Lebensmittelindustrie.

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Biochemie und Analytik sekundärer Pflanzeninhaltstoffe und Kontaminanten

Vorträge

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Demgegenüber liegt deren Einsatz in pharmazeutischen Zubereitungen im Wesentlichen in deren biologischen Eigenschaften, wie beispielsweise ihren antimikrobiellen und antioxidativen Wirkungen, begründet [1-3].

Die Prüfung auf Schwermetalle als Reinheitsprüfung in ätherischen Ölen wird im Deutschen Arzneibuch verlangt [DAB 2.8.N12]. Allerdings fehlt dieser Grenzprüfung die Selektivität individuelle Schwermetalle zu erfassen.

Im Europäischen Arzneibuch sind mittlerweile Grenzwerte für die toxischen Schwermetalle Blei (5 ppm), Cadmium (1,0 ppm) und Quecksilber (0,1 ppm) in pflanzlichen Drogen definiert [Ph.Eur Pflanzliche Drogen 1433] und eine Methode mittels Atomabsorbtionsspektrometrie (AAS) für pflanzliche Drogen und fette Öle beschrieben [Ph.Eur 2.4.27].

Im Kosmetikbereich besteht mittlerweile Konsens darüber, dass die Richtwerte für technische Vermeidbarkeit im kosmetischen Endprodukt der BGA Empfehlung von 1985 mittlerweile als veraltet gelten [4] und die dort zu Grunde gelegten Werte für Blei (20 ppm), Cadmium (5 ppm) und Quecksilber (1 ppm) korrigiert werden müssten.

Entscheidend für die Bewertung von Ergebnissen der Schwermetallanalyse ist das Untersuchungsverfahren, da sich je nach Methode (nasschemische Grenzprüfungen vs. AAS-Methoden) und Art der Probenvorbereitung (Salzsäureauszug, Mikrowellenaufschluss mit HNO3, etc.) unterschiedliche Analysenwerte ergeben.

Bisherige Untersuchungen mittels einer neu entwickelten und validierten GF-AAS Methode mit Mikrowellenaufschluss an einer Reihe von Rosenölen unterschiedlicher Herkunft ergaben Bleigehalte von 0,4 bis 12 ppm während jene für Cadmium stets unter der Bestimmungsgrenze des Analysenverfahrens lagen. Lediglich eine der untersuchten Proben wies mit 0,15 ppm einen auffallend hohen Gehalt an Quecksilber auf.

Die gemessenen Gehalte für Blei waren sehr gut mit den durch Röntgenfluoreszenzspektroskopie (RFA) ermittelten Werten vergleichbar. Die RFA, welche ohne teure und aufwändige Probenvorbereitung auskommt, stellt somit ein zusätzliches Werkzeug zur schnellen und sicheren Qualitätsbeurteilung von ätherischen Ölen dar.

Um höchsten Ansprüchen an die Qualität von Ätherischen Ölen zu genügen, bedarf es neben der Kenntnis von Pflanzenherkunft mit den zugehörigen edaphischen Faktoren, auch der detaillierten Berücksichtigung der Herstell- und Lagerbedingungen. Schließlich ist eine eingehende Betrachtung der Leistungsfähigkeit aktueller Analyseverfahren sowie der Aussagekraft der daraus resultierenden Ergebnisse von wesentlicher Bedeutung Ein Screening ätherischer Öle anderer Genera ist Gegenstand aktueller Untersuchungen.

[1] Bakkali F, Averbeck S, Averbeck D, Idaomar M (2008) Food Chem. Toxicol. 46, 446-475.

[2] Burt S (2004) Int. J. Food Microbiol. 94, 223-253. [3] Edris A.E. (2007) Phytother. Res. 21, 308-323. [4] Stellungnahme BfR Nr. 025/2006 vom 05.04.2006.

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Themenkreis B: Biochemie und Analytik sekundärer Pflanzeninhaltstoffe und Kontaminanten

Poster

BP 08

Comparison of the properties of proteins and phenolics from different green coffee

M. Ali1, M. Khalil1, H.-P. Kruse1, T. Homann1, J.-P. Krause2 and H. Rawel1 1 Institute of Nutritional Science, University of Potsdam, Arthur-Scheunert-Allee 114-116, 14558 Nuthetal Potsdam, German. Email: [email protected], 2 Beuth Hochschule für Technik Berlin, Labor Chemische und Pharmazeutische Technologie, - Nano und Carrier Technology, Luxemburger Str. 10, 13353 Berlin, Germany

Background:

Despite the immense economic importance of coffee, only few studies have dealt with the biochemical and molecular properties of its seed storage proteins. Crude protein values of 8 -13% in green coffee (GC) have been obtained. Storage protein accounts for 45% of total proteins in the GC. These globular proteins belong to 11S storage proteins generally found in legumes. Coffee is also one of the richest dietary sources of hydroxycinnamic acid derivatives (especially 5-caffeoyl-quinic acid, CQA, the major phenolic compound). Data further suggest that polyphenols bound to subunits of this storage protein may contribute to changes in their functional and biological properties. The intention of this study was to increase the knowledge on the composition and structure of GC proteins and the changes induced in them especially with regard to their interactions with the phenolic compounds and the effect on their antioxidant capacity.

Methods:

Protein and phenolic profiles of Coffea arabica and Coffea canephora were compared to those of faba beans. Protein extraction was optimized using various solvents/additives and it was characterized by different methods (HPLC, SDS-PAGE, Maldi-Tof-Ms). Similarly, phenolic compounds were extracted with acidified methanol and analyzed with appropriate methods (TEAC. ORAC, HPLC- MS). Further experiments (surface hydrophobicity, surface tension, emulsification) were performed to illustrate the differences in the techno-functional properties of the proteins.

Results:

The results showed that the total protein in faba beans was higher than in GC. Further, GC has a higher diversity and content of phenolics, where besides the CQA isomers and their esters, other conjugates like feruloylquinic acids were also identified, documenting differences in phenolic profiles for the two coffee types. With regard to protein profiles, it can be shown that coffee proteins are modified by interactions with phenolic compounds being more hydrophilic, consequently affecting their functional properties (fig. 1) and antioxidant capacity.

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Biochemie und Analytik sekundärer Pflanzeninhaltstoffe und Kontaminanten

Poster

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Key words:

Coffee beans, faba beans, proteins, phenolic compounds, antioxidants, protein-phenol interactions

0

0,5

1

1,5

2

2,5

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70

Time (min)

Ab

sorb

an

ce (

50

0 n

m) milk whey

FB(G)

GC (U)

GC (GU)

FB (S)

GC (I)

GC (B)

Fig. 1 Stability of oil-in-water emulsions prepared with 0.2 % protein containing 10 % MCT-oil, Green Coffee (GC): Coffea arabica (Brazil (B) and Guatemala (Gu)) and Coffea canephora (Uganda (U) and Indonesia (I)) are compared to those of faba beans (FB; Sakha3 (S) and Giza 3 (G), Egypt) and milk whey proteins.

BP 09

Detection and Quantification of Pyrrolizidine Alkaloids in Antibacterial Medical Honey

L. Cramer und T. Beuerle

Institute of Pharmaceutical Biology, Mendelssohnsstraße 1, 38106 Braunschweig, [email protected]

In recent years, there has been an increasing interest in antibacterial honey for wound care. On the other hand, several recent studies demonstrated the contamination of retail honey for human consumption with toxic pyrrolizidine alkaloids (PAs) (KEMPF et al. 2010). Hence, it is of particular interest to analyze the PA-content of medical honeys.

PAs are typical plant secondary metabolites and function as defense against herbivores. Up to the present day, over 370 different PAs in more than 560 plant species have been identified. The

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basic structure of these alkaloids consists of a necine base which is esterified with one or two necine acids (HARTMANN and WITTE 1995). Most of the PAs occur in two forms, free tertiary base PAs and the corresponding PA-N-oxides (PANOs), the latter one being mostly the dominating form in plant tissue.

However, 1,2-unsaturated ester-PAs are considered pro-toxic. In mammals, these pro-toxic compounds are converted into reactive pyrrols by P450 catalyzed bioactivation in the liver. Hence, 1,2-unsaturated PAs are known to cause liver, lung and blood vessel diseases as well as being genotoxic and carcinogenic in model organisms (FU et al. 2004).

Antibacterial medical honey is classified as a CE-certified medical product and is available in pharmacies and medical specialized shops. These products, mainly gained from Leptospermum-species, are indicated in acute as well as chronic wounds (e.g. infected wounds or ulcus cruris). The efficiency of the honey includes for example the benefit of wound healing or protection against bacteria. Independent of the existing wound secretion the honey ought to be kept on wounds for several days (SIMON et al. 2008).

The work was focused on the analysis of PAs in different products and batches of antibacterial medical honeys. The method comprised: first a reduction of PANOs using zinc dust in acidic environment. Subsequently, extracts were purified and concentrated by solid phase extraction on strong cation exchange material (SCX-SPE), followed by a reduction with LiAlH4 to yield the necine base backbone of the corresponding 1,2-unsaturated PAs and PANOs. After derivatization with MSTFA the sum parameter of retronecine-equivalents was determined by GC-MS in single ion monitoring mode (SIM). Heliotrine was used as an internal standard for quantification throughout the procedure (KEMPF et al. 2008).

Six different batches and/or products were analyzed for the total PA-content. All batches/products analyzed were PA-positive. The average of all samples of medical honeys was around 100 µg retronecine-equivalents per kg honey. Germany has regulated the use of phytopharmaceuticals containing 1,2-unsaturated PAs (BUNDESANZEIGER 1992). There, a maximum daily level of 1 µg or 100 µg PAs is specified for internal or external application, respectively.

Based on the limited data presented and considering the fact that medical honey is applied to open wounds, it seems reasonable to discuss the monitoring of 1,2-unsaturated PAs in honey that is used for medical applications on wounds to minimize the exposure of PAs to humans.

Literature:

Bundesanzeiger 1992, 4805; Dtsch. Apoth. Ztg. 1992, 132, pp. 1406-1408. Fu, P., Xia, Q., Lin, G. and Chou, M. 2004 Pyrrolizidine Alkaloids - Genotoxicity, Metabolism Enzymes, Metabolic Activation, and Mechanisms. Drug Metabolism Reviews, 36, pp. 1-55. Hartmann, T. and Witte, L. 1995 Chemistry, biology and chemoecology of the pyrrolizidine alkaloids. Alkaloids: Chemical and Biological Perspectives, S.W. Pelletier, Pergamon Press, Vol 9, pp. 155-233.

Kempf, M., Beuerle, T., Bühringer, M., Denner, M., Trost, D., Ohe, K. von der, Bhavanam, V. and Schreier, P. 2008 Pyrrolizidine alkaloids in honey: Risk analysis by gas chromate-graphymass spectrometry. Molecular nutrition & food research, 52, pp. 1193–1200. Kempf, M., Reinhard, A. and Beuerle, T. 2010 Pyrrolizidine alkaloids (PAs) in honey and pollen-legal regulation of PA levels in food and animal feed required. Molecular Nutrition and Food Research, 54, pp. 158-68.

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Poster

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Simon, A., Traynor, K., Santos, K., Blaser, G., Bode, U. and Molan, P. 2008 Medical Honey for Wound Care - still the "Latest Resort"? Advance Access. Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine, 6, pp. 165-173.

BP 10

NIR- und MIR-Spektroskopie an Rotklee – Untersuchungen zum Wirkstoff-gehalt von Trifolium pratense am Beispiel von Isoflavonen und Phenolcarbonsäuren

NIR and MIR spectroscopic studies of Trifolium pratense regarding the concentration of isoflavones and phenolic acids

A. FiedlerA, W, SchützeB, M. GierusC und H. SchulzA

A Julius Kühn-Institut (JKI), Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für ökologi-sche Chemie, Pflanzenanalytik und Vorratsschutz, Königin-Luise-Straße 19, 14195 Berlin, [email protected], B Julius Kühn-Institut (JKI), Bundesforschungsinstitut für Kultur-pflanzen, Institut für ökologische Chemie, Pflanzenanalytik und Vorratsschutz, Erwin-Baur-Straße 27, 06484 Quedlinburg, C Christian Albrechts Universität Kiel, Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung, Hermann-Rodewald-Straße 9, 24118 Kiel

Summary

The aim of this project was to characterize samples of red clover Trifolium pratense via Infrared Spectroscopy (IR) regarding the content of isoflavones and phenolic acids and their dependence of genotype, date of harvest and the application of mechanical stress during growth. The spectra of both methods, middle infrared (MIR) and near infrared (NIR), showed characteristic absorptions which were used in cluster analyses and quantification and for correlation with reference data obtained from HPLC-MS analysis.

In accordance to HPLC it could be shown that the concentration of isoflavones and phenolic acids mostly depends on the date of harvest, whereas the genotype or application of mechanical stress showed no direct influence. With the help of chemometrics, a calibration model for isoflavones and phenolic compounds could be established with relatively high statistical prediction quality (R2 > 82.2, RMSECV/RMSEP < 2.9).

To improve the quality of quantification by IR, a larger set of data should be evaluated. The high potential of IR in the analysis of complex organic samples besides its nondestructive character is the enormous reduction of time for analysis by nearly no need for sample preparation and short measurement time (1 to 2 min/ sample spectrum).

Im Rahmen eines von der GFP finanzierten Forschungsprojektes mit dem Titel „Genetische Variabilität der Futterqualität von Rotkleegenotypen unter Berücksichtigung sekundärer Pflanzeninhaltsstoffe“ (FKZ: F61/08LR) sollten der genetische Hintergrund wie auch die Einflüsse unterschiedlicher Nutzungssysteme auf die Futterqualität von Rotklee untersucht werden. Dazu wurden in einem zweijährigen Feldversuch 12 Rotkleegenotypen und eine Weißklee-Kontrolle zu vier unterschiedlichen Erntezeitpunkten mit und ohne Einwirkung von

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mechanischem Stress mit je drei Feldwiederholungen hinsichtlich relevanter phenolischer Inhaltsstoffe (Isoflavone, Phenolcarbonsäuren) via HPLC-MS/DAD-Analyse charakterisiert.

Ziel der hier vorgestellten Untersuchungen sollte es sein, den gesamten Probenumfang o.g. Studie (12+1 Sorten x 3 Wiederholungen x 2 Jahre x 2 Bedingungen: Stress ja/nein x 4 Schnittermine � 624 Proben) mittels NIR- (Nahinfrarot-) und MIR- (Mittelinfrarot) Spektroskopie zu untersuchen, die erhaltenen Daten mit den Parametern der HPLC-Analyse zu korrelieren und die Ergebnisse beider zu vergleichen.

Die Infrarotspektroskopie ist eine zerstörungsfreie, wenig zeitintensive und meist ohne aufwändige Probenvorbereitung durchführbare Analysemethode zur qualitativen wie auch quantitativen Charakterisierung komplexer Probengemische (NORDHEIM et al. 2007). Mithilfe chemometrischer Methoden wurde untersucht, inwiefern die Spektroskopie vergleichbare Ergebnisse in entsprechender statistischer Sicherheit und Güte wie die etablierte HPLC-Analytik liefert. Im Falle positiver Korrelation würde die IR-Spektroskopie perspektivisch eine schnelle und kostengünstige Alternative zur konventionellen zeit- und arbeitsintensiven Chromatographie bieten (KLEJDUS et al. 2008, POLASEK et al. 2007).

Sowohl bei MIR als auch NIR konnten charakteristische, die Zusammensetzung der Probe darstellende Absorptionsbereiche identifiziert werden, die die Grundlage für die qualitative Untersuchung mittels Clusteranalyse bzw. für die quantitative Bewertung darstellten.

Abbildung 1: MIR- (A) und NIR- (B) Spektrum von Rotklee sowie die für Clusteranalyse und Quantifizierung verwendeten Spektralbereiche (gestrichelt).

In Abbildung 1 ist das MIR- (Abb.1.A) und NIR-Spektrum (Abb.1 B) einer Rotkleeprobe (Trifolium pratense Atlantis) dargestellt; die zur Auswertung verwendeten Spektralbereiche sind mit einer gestrichelten Linie markiert.

Anhand von Clusteranalysen der Spektren konnten mittels NIR und MIR eindeutig die Weißkleeproben (Kontrolle) von den Rotkleeproben unterschieden werden, was die Erfassung der Isoflavone und Phenolcarbonsäuren im betrachteten Spektralbereich belegt.

Mittels NIR konnten die Proben beider Erntejahre sehr gut voneinander differenziert werden, hingegen war bei der MIR-Spektroskopie keine eindeutige Trennung der Erntejahre möglich.

In Analogie zu den Ergebnissen der HPLC-Analyse ließen sich mit NIR und MIR die größten Unterschiede hinsichtlich Zusammensetzung und Konzentration der Isoflavone und Phenolcarbonsäuren in Abhängigkeit vom Erntezeitpunkt beobachten. Die 12 Genotypen

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Poster

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unterschieden sich nicht signifikant in ihrer Wirkstoffzusammensetzung, ebenso wie auch die Einwirkung von mechanischem Stress diese nicht signifikant beeinflusste.

Unter Korrelation mit den Daten der HPLC wurden für die Phenolcarbonsäuren, die Isoflavone sowie deren Hauptvertreter Formononetin und Glycitin individuelle Quantifizierungsmodelle erstellt. Dabei konnten aussichtsreiche und vielversprechende Ansätze mit relativ geringer Fehlerbehaftung (R2 > 82,2, RMESCV/RMSEP < 2,9) besonders für die Isoflavone entwickelt werden.

Um statistisch abgesicherte Konzentrationsbestimmungen in unbekannten Rotkleeproben durchführen zu können, bedarf es aber eines größeren Probenumfangs und variableren Konzentrationsbereiches. Die prinzipielle Anwendbarkeit der IR-Spektroskopie in der qualitativen und quantitativen Analyse phenolischer Sekundärmetabolite im Rotklee konnte mit dieser Arbeit aber gezeigt werden.

Das große Potential der Spektroskopie zeigt sich auch besonders in Hinsicht auf die enorme Zeitersparnis bei den Messungen (Spektrenaufnahme MIR-Spektrometer und NIR-Spektrometer je ca. 1 Minuten / Probe, HPLC-MS-Lauf 45 Minuten / Probe) und die geringe Probenvorbereitung gegenüber konventioneller Analytik unter Einsatz chromatographischer Trennmethoden.

Klejdus, B., Vacek, J., Lojková, L., Benesová, L., Kubán, V. 2008: Ultrahigh-pressure liquid chromatography of isoflavones and phenolic acids on different stationary phases. Journal of Chromatography A 1195: 52-59. Nordheim, H., Volden, H., Fystro, G., Lunnan, T. 2007: Prediction of in situ degradation characteristics of neutral detergent fibre (aNDF) in temperate grasses and red clover using near-infrared reflectance spectroscopy (NIRS). Animal Feed Science and Technology 139: 92-108. Polasek, J., Queiroz, E.F., Hostettmann, K. 2007: On-line Identification of Phenolic Compounds of Trifolium Species using HPLC-UV-MS and Post-Column UV-Derivatisation. Phytochem. Anal. 18: 13-23.

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BP 11

Schnelle Analyse des Rosmarinsäuregehaltes in Zitronenmelisse (Melissa

officinalis L.)

Rapid Analysis of Rosmarinic Acid in Lemon Balm (Melissa officinalis L.)

G. Gudi1, W. Schütze1, F. Marthe2 und H. Schulz1*

Julius Kühn-Institut (JKI) Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, 1 Institut für ökologische Chemie, Pflanzenanalytik und Vorratsschutz; Erwin-Baur-Straße 27, D-06484 Quedlinburg, Germany; Königin-Luise-Str. 19, D-14195 Berlin Germany, 2 Institut für Züchtungsforschung an gartenbaulichen Kulturen und Obst, Erwin-Baur-Straße 27, D-06484 Quedlinburg, *Correspon-ding author: Email: [email protected]

Zusammenfassung

Zur Bestimmung des Rosmarinsäuregehaltes in Blättern von Zitronenmelisse (Melissa

officinalis L.) wurden auf Basis von Mittel-Infrarot- (MIR) und Nah-Infrarot- (NIR) Spektroskopie-Daten Kalibrierungsmethoden entwickelt und die resultierende Vorhersage-Qualität der beiden Techniken miteinander verglichen. Insgesamt wurden 246 Kalibrationsproben aus zwei Anbaujahren analysiert. Die Rosmarinsäuregehalte lagen im Bereich zwischen 2,2 und 12,9 g/100 g Trockenmasse. Beide schwingungsspektroskopischen Methoden erwiesen sich als geeignet, um schnell und präzise den Gehalt von Rosmarinsäure routinemäßig in Blattmaterial ohne jegliche Probenvorbereitung zu bestimmen. Insbesondere bei der Auswahl qualitativ hochwertiger Einzelpflanzen aus umfangreichen Genbank-Kollektionen oder bei der Züchtungsforschung von Melisse liefern beide Methoden eine wertvolle Unterstützung.

Einleitung

Zitronenmelisse (Melissa officinalis L.) gehört zur Familie der Lippenblütler (Laminacea) und wird weltweit angebaut. Vor allem in Europa werden die Blätter als Teedroge aufgrund ihrer aromatischen, verdauungsfördernden und krampflösenden Eigenschaften bei nervösen Störungen und Magen-Darm-Erkrankungen erfolgreich eingesetzt (PETERSEN 1991, BISSET et al 1994). Es wurde festgestellt, dass die im Pflanzengewebe vorkommende Ros-marinsäure (Abb. 1) hauptsächlich für die antivirale und antioxidative Aktivität verantwortlich ist (KOCH-HEITZMANN et al 1984). Die Rosmarinsäure-Gehalte in Melisseblättern erreichen teilweise bis zu 12 % bezogen auf die Trockenmasse (MAY et al 1978, BOROWSKY et al 1996). Phenolischen Substanzen wie Rosmarinsäure wird im zunehmendem Maße Aufmerksamkeit gewidmet, da ihnen als natürlicher Ersatz für synthetische Antioxidantien in der Nahrungsmittel- und Kosmetikindustrie, sowie als Virostatika gegen Herpes-Infektionen und als Beruhigungsmittel in pharmazeutischen Produkten eine besondere Bedeutung zukommt (HÄNSEL et al). Üblicherweise wird Rosmarinsäure mit Hilfe verschiedener HPLC-Methoden bei Anwendung von Reversed-Phase-Säulen und Methanol/Essigsäure/Wasser als mobile Phase analysiert (KIM et al 2010). Da diese chromatografischen Trennverfahren zeitaufwendig und teuer sind, wurden alternativ neue Mittelinfrarot- (MIR) und Nahinfrarot-(NIR)-Spektroskopiemethoden in Kombination mit multivariaten chemometrischen Auswerte-Algorithmen entwickelt (Schulz et al 2002-2009).

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Poster

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Material und Methoden

Zitronenmelisse-Pflanzen wurden im Versuchsgarten des Bundesforschungsinstituts für Kulturpflanzen in Quedlinburg (Deutschland) während zwei Anbaujahren (2008 und 2009) an drei verschiedenen Standorten kultiviert. Die Proben wurden zwischen Ende Juni und Ende August entnommen. Die Blätter wurden manuell von den Stielen getrennt, getrocknet und zu einem feinen Pulver gemahlen.

Referenz-Analysen wurden an einem Agilent HPLC-System "1100" (Agilent Technologies, Waldbronn, Deutschland), ausgestattet mit einer Zorbax SB-C18-Säule (3,5 µm, 3,0 x 150) wie in [Gudi et al 2010] beschrieben, durchgeführt.

Die NIR-Spektren wurden mit einem FT-NIR-Spektrometer (Multi-Purpose-Analyzer von Bruker Optics, Ettlingen, Deutschland) im Bereich von 3800 bis 9000 cm-1 mit einer spektralen Auflösung von 8 cm-1 aufgenommen. Die MIR-Spektren wurden im Bereich von 375 bis 4000 cm-1 mit einem FT-IR-Spektrometer "ALPHA" (Bruker Optics), ausgestattet mit einem Diamant-ATR-Kristall (ATR=abgeschwächte Totalreflexion), registriert. Die chemometrische Analyse (PLS-Kalibrierung) der NIR- und ATR-IR-Spektren wurde mit einem kommerziellen Software-Programm (Opus / Quant 2 Bruker Optik GmbH, Ettlingen, Deutschland) durchgeführt.

Ergebnisse

Die luftgetrockneten Melissenblätter liefern gut aufgelöste NIR- und MIR-Spektren, die hauptsächlich Matrix-Bestandteile (Wasser und Zellulose) widerspiegeln. Trotz des relativ hohen Rosmarinsäure-Gehalts (2,8 bis 12,9 g/100 g Trockenmasse) ist es allerdings sehr schwierig, die signifikanten Banden des Analyten durch direkten Vergleich mit den Spektren der reinen Standard-Substanz zu identifizieren.

Die MIR-Spektren von Melissenblättern zeigen mehrere charakteristische breite Banden, die insbesondere durch Proteine, Lipide und Polysaccharide verursacht werden. Diese Substanzen, die die Pflanzenmatrix aufbauen, tragen überwiegend zum spektralen Hintergrund bei, sodass teilweise die durch Rosmarinsäure bedingten Banden überlagert werden und eine direkte Identifizierung dieser Wertkomponente deutlich erschwert wird.

Die NIR-Spektren von Melissenblättern zeigen auch mehrere unspezifische breite Banden verschiedener Obertöne und Kombinationsbanden, die vor allem aus OH- und CH-Bindungen resultieren. Auch hier können keine charakteristischen Signale eindeutig mit Rosmarinsäure in Zusammenhang gebracht werden.

Dennoch wurde mittels PLS-Kalibrierung eine gute Vorhersage für die Quantifizierung des Analyten erzielt.

Abbildung 1: Molekulare Struktur von Rosmarinsäure

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Tabelle 1: Konzentrationsbereich, Mittelwert sowie statistische NIR- und MIR-Leistungsparameter für die Vorhersage des Rosmarinsäuregehaltes in luftgetrockneten Melisse-Proben

Rosmarinsäure-Konzentration (g/100 g TM)

Kreuzvalidierung der PLS Kalibrierungen

Konzentrations- bereich

Mittelwert MIR NIR R2 RMSECV

g/100 g R2 RMSECV g/100

g 2,8 – 12,9 6,2 0,827 0,75 0,857 0,69

Die auf der Grundlage aller Proben ermittelten R2 und RMSECV-Werte (Tab. 1) zeigen eine ausreichende Vorhersage-Qualität für die Anwendung in der Züchtungsforschung und für die angewandte Züchtung.

References

Bisset, NG; Wichtl, M. 1994: Herbal Drugs, Medpharm, Stuttgart, pp. 329-332. Borkowski, B; Biesiadecka, A, Litwińska, B. 1996: Herba Pol 42, 317. Gudi, G., Schütze, W., Schulz, H. 2011: Asian Chemistry Letters 15, 1. Hänsel, R; Keller, K; Rimpler, H; Schneider, G, Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis, Vol. 5, Springer-Verlag, Berlin, pp 810-821. Kim, A; Yun, EJ; Bak, JS; Lee, H; Lee, SJ; Kim, CT; Lee, JH; Kim, KH. 2010: Food Chemistry 121, 521. Koch-Heitzmann, I; Schultze, W. 1984: Dtsch Apoth Ztg 124, 2137. May, G; Willuhn, G. 1978: Arzneim Forsch 28, 1. Petersen, MS. 1991: Phytochemistry 30, 2877. Schulz, H. 2002a: NIR News 13, 10. Schulz, H, Schrader, B, Quilitzsch, R, Steuer, B. 2002b: Appl Spectrosc 56, 117. Schulz, H, Schrader, B; Quilitzsch, R; Pfeffer, S; Krüger, H. 2003a: J Agric Food

Chem, 51, 2475. Schulz, H; Quilitzsch, R; Krüger, H. 2003b: J Mol Struct, 661/662, 299. Schulz, H. 2004: Application in analysis of coffee, tea, cocoa, tobacco, spices, medicinal and aromatic plants, and related products. In: Roberts, C.; Workman, J.; Reeves, J. (Eds.): Near-infrared spectroscopy in agriculture, American Society of Agronomy - Crop Science of America – Soil, Science Society of America, Madison, USA, Agronomy Monograph, No. 44, pp. 345-376. Schulz, H; Baranska, M. 2007: Vib Spectrosc 43, 13. Schulz, H; Baranska, M. 2009: Fruits and Vegetables, Elsevier Verlag (Ed.: Da-Wen Sun), Infrared Spectroscopy for Food Quality Analysis and Control, pp. 321-345.

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Poster

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BP 12

Lutein ester content in cultivars of different Tagetes species

M. Khalil1, A. Hurtienne1, T. Homann1, J. Raila1, R. Schenk2, F. J. Schweigert1 and H. Rawel1

(1) Institute of Nutritional Science, University of Potsdam, Arthur-Scheunert-Allee 114-116, 14558 Nuthetal OT Bergholz-Rehbrücke, Germany. Email: [email protected], (2) Humboldt-University of Berlin, Department of Crop and Animal Sciences, Division of Agronomy and Crop Production, Albrecht-Thaer-Weg 5, 14195 Berlin, Germany

Background:

Marigold (Tagetes spp.) with its numerous species, belongs to the Asteraceae family. It is recognized as a major source of Lutein ester (LE) and Lutein (L) representing over 90% of the pigments present, the amount being 20 times more than in other reported sources. It is found in ester form with fatty acids like myrstic, palmitic and lauric acids. The demand is continuously growing and an average yearly increase in production of ca. 6 % has been estimated. The aim of this work was to evaluate L and LE content from 4 different species, each represented by different cultivars and to determine its suitability for cultivation and use in Germany.

Materials and Methods:

Thirteen types of T. patula, seven types of T. erecta, five types of T. tenuifolia and one type of T.

lucida were grown in an experimental field near Erfurt (N.L. Chrestensen, Germany) and harvested at full flowering stage. A representative sample of each type was used to obtain from flower-head and petals. These were investigated fresh and after being freeze-dried. Different extraction methods and different HPLC analysis programs were evaluated.

Results:

Content of L was between 1-14 µg/g fresh weight (FW) and LE ranged from 12-1100 µg/g FW. The extraction after freeze drying was increased to 10-40 %based on dry matter (DM). When evaluating the same cultivar of the same species from different experimental field patches led to variations as shown in Fig. 1. The comparison of the HPLC analysis methods showed no differences in amount of LE quantified, whereas the L content was significantly different.

Conclusion:

Typical candidate for Tagetes spp. cultivation in Germany with a high content of LE was identified as T. erecta, orangeprinz. The extraction procedure for LE was optimized and the HPLC conditions modulated to increase analytic efficiency without loss of accurate quantification.

Key words:

Tagetes, carotenoids, lutein ester, extraction, analysis.

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Samples

mg/

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Fresh

Freeze dried

Fig. 1 Content of lutein ester (LE) in fresh and freeze-dried complete flower heads (T. patula type Fiesta) for three different locations (samples 576-578) on the same experimental field.

BP 13

Untersuchungen zu Elementzusammensetzung, Gesamt-Polyphenolgehalt und antioxidativer Kapazität von Lindenblüten (Tilia cordata Mill.)

Element composition, total phenol content and antioxidant capacity of flowers of small-leaved linden (Tilia cordata Mill.)

N. Koczka1 und E. Stefanovits-Banyai2

1Szent Istvan Universität, Fakultät für Agrar- und Umweltwissenschaften, Institut für Gartenbau-technologie, Pater K. u. 1., H-2103 Gödöllö, [email protected], 2Corvinus Universität Budapest, Fakultät für Lebensmittelwissenschaften, Lehrstuhl für Angewandte Chemie, Villanyi ut 29-31., H-1118 Budapest

Zusammenfassung

In der vorliegenden Studie wurden Lindenblüten (Tilia cordata Mill.) in zwei kleinen Regionen in Ungarn gesammelt. Proben stammten von insgesamt 6 Standorten unterschiedlicher Lage. Die Blüten und deren wässrigen und ethanolischen Extrakte wurden auf den Element- und Gesamt-Polyphenolgehalt und auf die antioxidative Kapazität untersucht. Der Elementgehalt der Lindenblüten und die Migrationsrate der Elemente in den Auszügen waren sehr niedrig. Lindenblüten von mehr belasteten Orten hatten einen höheren Elementgehalt. Gesamt-

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Poster

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Polyphenolgehalt und antioxidative Kapazität der Extrakte zeigten einen niedrigen Wert. Lindenblüten von den verschiedenen Standorten unterschieden sich signifikant.

Abstract

Flowers of small-leaved linden trees (Tilia cordata Mill.) collected from different places of two small regions (Paks city and Gödöllı city, Hungary) were analysed in order to investigate the relations among element composition, phenol content and antioxidant capacity. Element composition of dried flowers and of their extracts was determined by ICP-OES. Total phenol content was measured with the use of Folin-Ciocalteu reagent, while antioxidant capacity was determined by the FRAP method from both of aqueous ethanolic and aqueous extracts of the flowers. Element composition of linden flowers depended mainly on the place of collection: they were higher in samples collected from sites with considerable pollution. Element content of the extracts was very low. From the drugs the dissolution rate of the different elements was quite diverse. Significant differences among the samples taken from different sites occured also for the total phenol content and the antioxidant capacity both of in the aqueous ethanolic and the aqueous extracts.

Einleitung

Lindenblütentee wirkt bei Katarrhen der Atemwege aufgrund der Schleimstoffe hustenreizstillend und beruhigt Halsschmerzen. Andere Inhaltsstoffe geben der Lindenblüte eine krampflösende, schmerzstillende und entzündungshemmende Wirkung. Daher wird sie vorwiegend bei fieberhaften Erkrankungen, grippalen Infekten und Katarrhen der oberen Atemwege und in Erweiterung bei Rheuma, Nierenentzündung und Ischias eingesetzt. (VAN WYK u. WINK 2004)

Pflanzen nehmen auf und akkumulieren Schwermetalle in unterschiedlichem Maße, so können manche Arten als Bioindikatoren für Metallbelastungen eingesetzt werden. Großes Problem bedeutet die erhöhte Metallaufnahme, wenn diese Pflanzen vom Menschen in größerer Menge verzehrt werden. (PRASAD u. FREITAS 2003, KOSIBA 2008)

Material und Methoden

In dieser Studie wurden Lindenblüten (Tilia cordata Mill.) sowie deren Extrakte auf die Elementzusammensetzung, antioxidative Kapazität und auf den Gesamt-Polyphenolgehalt untersucht.

Lindenblüten wurden in zwei kleinen Regionen in Ungarn gesammelt. In der Stadt Paks und ihrer Umgebung wurden die Blüten in einem Nationalpark, im Stadtzentrum und in der Nähe vom Atomkraftwerk gepflückt. Genauso drei Standorte wurden in der Stadt Gödöllö ausgewählt: Die Proben stammten von dem Stadtpark, einem Wohngebiet und dem Universitätsparkplatz.

Die gesammelten Blüten wurden bei 30°C getrocknet und pulverisiert. 1 g der Proben wurden jeweils mit 100 ml Wasser (100°C) und 20% Ethanol/Wasser (25°C) extrahiert. Nach Zentrifugieren (13000 rpm, 10 Minuten) wurde der Überstand analysiert.

Elementgehalt wurde mit Hilfe von ICP-OES (Thermo Jarrell Ash Co, ICAP 61) ermittelt. Die Bestimmung des Gesamtphenolgehaltes der Extrakte erfolgte photometrisch gemäß der Methode von Folin-Ciocalteu (SINGLETON u. ROSSI 1965). Antioxidative Kapazität wurde mittels der FRAP-Methode (Ferric Reducing Ability of Plasma) bestimmt (BENZIE u. STRAIN 1996).

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Ergebnisse und Diskussion

Der Elementgehalt der Lindenblüten war niedrig, welches Ergebnis die Erfahrungen anderer Autoren (SOMSAK et al. 2000, SZENTMIHALYI et al. 2008) unterstützt. Anhand der Daten konnte festgestellt werden, dass Lindenblüten von mehr belasteten Orten einen höheren Elementgehalt aufweisen. Gutes Beispiel dafür sind Elemente wie Cd, Co und Pb, die nur bei Proben vom Parkplatz detektiert werden konnten. Elementgehalt der Blüten hängt also vielmehr von der Umweltbelastung (Boden, Luft) als vom Standort ab.

Wässrige und ethanolische Extrakte von den Lindenblüten hatten einen sehr niedrigen Elementgehalt, bei der Hälfte der untersuchten Elemente lagen diese Werte unter der Detektionslinie. Die Migration der einzelnen Elemente war sehr unterschiedlich.

Auch Gesamtphenolgehalt sowie antioxidative Kapazität waren in den Extrakten sehr niedrig. Merkbare Unterschiede wurden unter den Proben von den verschiedenen Orten gefunden. Die ethanolischen Extrakte zeichneten sich im Vergleich mit den wässrigen Extrakten durch einen hohen Gehalt an Gesamt-Polyphenolen aus. Ethanolische Extrakte zeigten aber niedrigere antioxidative Kapazitäten. Lindenblüten von den zwei Regionen unterschieden sich signifikant: Die in der Stadt Paks gesammelten Proben hatten einen höheren Phenolgehalt und in Korrelation damit eine höhere antioxidative Kapazität als die Proben von Gödöllö.

Literatur

BENZIE, I. I .F., STRAIN, J. J., 1996.: The ferric reducing ability of plasma (FRAP) as a measuring of „antioxidant power”: The FRAP assay. Annal. Biochem. 239, 70-76.

KOSIBA, P. 2008. Variability of morphogenic leaf traits in small-leaved linden (Tilia cordata Mill.) under the influence of fair pollution. Acta Soc. Bot. Pol. 2,125-137.

PRASAD, M.N.V., FREITAS, H.M.O. 2003. Metal hyperaccumulation in plants – Biodiversity prospecting for phytoremediation technology. E. J. Biotechn. 3, 285–321.

SINGLETON, V.L., ROSSI, J.A. 1965. Colorimetry of total phenolics with phosphomolibdic-phosphotungstic acid reagents. Am. J. Enol. Vit. 161, 144-158.

SOMSAK, L., SIMURDOVA, B., LIPTAK, J., KROMKA, M., ANTONI, J. 2000. Accumulation of heavy metals by some forest tree species (Tilia cordata Mill., Acer

pseudoplatanus L.). Ekologia-Bratislava 3, 324-330. SZENTMIHÁLYI, K., HAJDÚ, M., THEN, M. 2008. Inorganic biochemistry of medicinal

plants. Med. Arom. Pl. Scie. Biotechn. 1, 57-62. VAN WYK, B.E., WINK, M. 2004: Medicinal plants of the world. Briza Publications, Pretoria.

324.

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Poster

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BP 14

Vergleichende phytochemische Untersuchungen von einjährigem Bingelkraut (Mercurialis annua L.) und Waldbingelkraut (Mercurialis perennis L.)

Comparative Phytochemical Studies on the Dog’s Mercury species Mercurialis

annua L. and M. perennis L.

P. Lorenz*, M. Knödler, U. Meyer und F.C. Stintzing

WALA Heilmittel GmbH, Abteilung Forschung & Entwicklung, Dorfstr. 1, D-73087 Bad Boll/Eckwälden, *[email protected]

Abstract

The two European dog’s mercury species Mercurialis annua L. and M. perennis L. are herbal plants mainly used in remedies of the complementary medicine for topical treatment of inflammations. Since phytochemical knowledge is still generally scant, an analytical approach for the differentiation of both dog’s mercury species was established. Chromatographic fractionation of dichloromethane (DCM) extracts on polyamide yielded two fractions (DCM and methanol) both investigated by GC/MS. In the DCM extracts, the alkaloids hermidin (1) and hermidin quinone (2) already known to occur in Mercurialis were detected in both species (Lorenz et al, 2010a), while 3-cyanopyridine (3) and nicotinamide (4) were specific for M. annua (see Fig. A). The coexistence of both compounds in M. annua suggested the incidence of a nitrile hydratase enzymatically catalyzing the conversion of 3 into 4 by hydratization – a reaction framework hitherto only known from microorganisms (Nagasawa et al., 1988). Most interestingly, the presence of 3-cyanopyridine (3) in plants was proven for the first time. In addition, the investigation of the methanol extracts by GC/MS allowed to distinguish M. annua from M. perennis by analysis of the n-alkylresorcinol (5) fingerprint being distinctly different (see Fig. B).

Both the observed specific chemical markers of M. annua (3 and 4) and the different n-alkylresorcinol fingerprints provide a useful tool for a doubtless phytochemical differentiation between M. annua and M. perennis by GC/MS. Among others, these findings could be applied to the authentication of fresh plant material and herbal preparations obtained from both species.

Die beiden europäischen Arten einjähriges Bingelkraut (Mercurialis annua L.) und Waldbingelkraut (M. perennis L., Euphorbiaceae) sind Arzneipflanzen, die insbesondere in der Komplementärmedizin zur topischen Behandlung entzündlicher Prozesse eingesetzt werden. Beide Arten sind bislang in Bezug auf ihre pharmakologischen Wirkungen und Inhaltsstoffe nur wenig untersucht. Die vorliegenden Untersuchungen stellen erstmals eine analytische Methode zur eindeutigen Differenzierung beider Mercurialis-Arten dar. Eine chromatographische Fraktionierung eines Dichlormethanextraktes (DCM) der Frischpflanzen über Polyamid lieferte zwei Fraktionen (DCM und Methanol) die per GC/MS untersucht wurden. In der DCM-Fraktion beider Arten fanden sich die bereits bekannten Alkaloide Hermidin (1) und Hermidinchinon (2) (Lorenz et al, 2010a). Darüberhinaus wurde eine neue Substanz (3) nachgewiesen, die ausschließlich in M. annua auftritt und als 3-Cyanpyridin identifiziert wurde (s. Abbildung A). Die Methanol-Fraktion hingegen lieferte ein bereits von M. perennis bekanntes Muster an n-Alkylresorcinen 5 (Lorenz et al. 2010b), das sich jedoch in seiner Verteilung von M. annua deutlich unterschied (s. Abbildung B). Weiterhin wurde der nur in M. annua vorkommende

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Marker Nikotinamid (4) gefunden. Der erstmalige Nachweis von 3-Cyanpyridin (3) und Nikotinamid (4) in M. annua lässt eine Nitril-Hydratase in der Pflanze vermuten, welche 3 unter Wasseranlagerung in 4 umwandelt - ein Reaktionsgefüge wie es bisher nur von Mikroorganismen bekannt ist (Nagasawa et al., 1988).

Die Untersuchung der n-Alkylresorcin-Muster von M. annua und M. perennis aus zwei Erntejahren und die für M. annua gefundenen spezifischen Marker ermöglichen nicht nur die zweifelsfreie Unterscheidung und Zuordnung von Drogen- oder Frischpflanzenmaterial sondern auch Zubereitungen beider Arten mit Hilfe eines GC-Fingerprints.

Figure: (A) Structural formulae of hermidin (1) and hermidin quinone (2), as well 3-cyanopyridine (3) and nicotinamide (4) as specific marker compounds of M. annua. (B) Percentage distribution of the n-alkylresorcinols (general structure formula 5, with 15 to 27 C-atoms in the side chain) in Mercurialis annua and M. perennis (GC/MS area %).

Literatur

Lorenz, P., Hradecky, M., Berger, M., Bertrams, J., Meyer, U., Stintzing, F. 2010: Lipophilic constituents from aerial and root parts of Mercurialis perennis L. Phytochem. Anal. 21: 234-245. Lorenz, P., Knoedler, M., Bertrams, J., Berger, M., Meyer, U., Stintzing, F.C. 2010: n-Alkylresorcinol occurrence in Mercurialis perennis L. (Euphorbiaceae). Z. Naturforsch. C/J. Biosci. 65:174-179.

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Biochemie und Analytik sekundärer Pflanzeninhaltstoffe und Kontaminanten

Poster

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Nagasawa, T., Mathew, C.D., Mauger, J., Yamada, H. 1988: Nitrile Hydratase-catalyzed production of nicotinamide from 3-cyanopyridine in Rhodococcus rhodochrous. J. Appl. Environ. Microbiol. 54:1766-1769.

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Themenkreis C: Genetische Ressourcen, Züchtungsforschung und Züchtungsmethodik, Sortenschutz

Vorträge

CPV 14

Züchtung von Arznei- und Gewürzpflanzen – eine Herausforderung für „Allrounder“?

J. Novak

Institut für Angewandte Botanik und Pharmakognosie, Veterinärmedizinische Universität Wien, Veterinärplatz 1, A-1210 Wien, e-mail: [email protected]

„Die Pflanzenzüchtung hat das Ziel, Pflanzen genetisch so zu verändern, daß sie besser an die Bedürfnisse des Menschen angepasst sind.“ (Becker, 1993). Diese Bedürfnisse sind, wenn man sie sehr allgemein formuliert, im Wesentlichen für alle Pflanzen gleich und liegen vorwiegend in der Optimierung von Qualität und Quantität. Trotzdem unterscheidet sich die Züchtung von Arznei- und Gewürzpflanzen in gewissen Rahmenbedingungen und Bedürfnissen von der Züchtung von Arten des großflächigen Anbaues.

Bei den Rahmenbedingungen ist vor allem der Anbauumfang erstes Kriterium der Abgrenzung. Durch die geringe Anbaufläche von Arznei- und Gewürzpflanzen ist natürlich das Einkommen aus dem Saatguthandel sehr gering und damit auch die Investitionsmöglichkeiten in die Züchtung, allein daraus finanziert, sehr begrenzt. Die Kosten der Züchtung werden oft von der Industrie getragen, die die Züchtungserfolge zur Produktion nutzt. Aber auch mit Ko-Finanzierung durch die Industrie und der öffentlichen Hand sind nur temporäre Züchtungsprojekte möglich. Nur in äußerst seltenen Fällen besteht die Möglichkeit einer permanenten züchterischen Verbesserung.

Genetische Ressourcen

Die Anzahl der ex-situ erhaltenen genetischen Ressourcen ist bei Arznei- und Gewürzpflanzen sehr limitiert und nur bei wenigen Arten, wie etwa dem Kümmel, kann man eine Züchtung allein auf Genbankakzessionen aufbauen. Meist muss durch Wildsammlung das genetische Ausgangsmaterial ergänzt werden, oft ist die Wildsammlung der einzige Ausganspunkt für die Züchtung. Das internationale Übereinkommen über die Biologische Vielfalt, abgeschlossen in Rio de Janeiro am 5. Juni 1992 (Biodiversitäts-Konvention, „Convention on biological diversity“ (CBD)), regelt unter anderem den Zugang und den gerechten Vorteilsausgleich bei der Nutzung genetischer Ressourcen („Access und Benefit Sharing“) und ist bei Wildsammlung natürlich zu berücksichtigen. In einem weiteren Treffen der Vertragsstaaten 2010 in Nagoya (Japan) wurde das “Nagoya Protocol on Access to Genetic Resources and the Fair and Equitable Sharing of

Benefits Arising from their Utilization (ABS) to the Convention on Biological Diversity” als Zusatz zu CBD verabschiedet, das nach Ratifizierung durch die Vertragsstaaten in Kraft treten wird. Durch dieses Protokoll wird versucht, durch genauere Regelungen die Rechtssicherheit bei der Nutzung genetischer Ressourcen zu verbessern. Neben den genetischen Ressourcen wird durch dieses Protokoll erstmals auch traditionelles Wissen der Nutzung von genetischen Ressourcen in den Vorteilsausgleich mit einbezogen.

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Genetische Ressourcen, Züchtungsforschung und Züchtungsmethodik, Sortenschutz

Vorträge

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Blühbiologie, Samenbildung, Keimung

In vielen Fällen ist die Züchtung von Arznei- und Gewürzpflanzen in den Prozess der Inkulturnahme eingebettet. Das bedingt natürlich, dass die Züchtung bereits in einem Stadium durchgeführt wird, in dem optimale Anbaubedingungen, Blühbiologie, Samenbildung und Keimung von vielen Arten noch nicht bekannt sind. Dadurch kann es natürlich auch zu Rückschlägen bzw. Verzögerungen kommen, wenn es sich um Arten handelt, die sich schwer kultivieren lassen oder bei denen eine (oder mehrere) der generativen züchterischen Kernpunkte Blühbiologie, Samenbildung und Keimung komplex sind.

Auch lässt sich bei solchen Arten und Projekten die Züchtungsmethodik schwer im Vorhinein planen, wenn nicht einmal bekannt ist, ob es sich um einen Selbst- bzw. Fremdbestäuber handelt. Hier wird man oft die Art mit größtmöglichem Aufwand behandeln (Fremdbestäuber mit fakultativer Selbstbestäubung), obwohl etwa bei einer genetischen Selbstinkompatibilität die Kastration der Blüten bei gezielten Kreuzungen unterbleiben könnte.

Vererbung von züchterisch bedeutsamen Merkmalen

Die Kenntnis der klassischen Vererbung züchterisch bedeutsamer Merkmale ermöglicht ebenfalls die Auswahl effizienter Züchtungsstrategien und lässt vor allem die Dauer abschätzen, bis ein Merkmal homozygot vorliegt. Wenn ein Merkmal rezessiv vererbt wird, ist eine Reinerbigkeit bereits in der zweiten Filialgeneration erreicht, bei dominantem Erbgang wird es viele Generation dauern, bis eine praktikabel ausreichende Gleichmäßigkeit erreicht ist.

Wichtiger noch als das Wissen um den Erbgang ist die Beeinflussung der Ausprägung der Merkmale durch die Umwelt. Wird ein Merkmal kaum von der Umwelt beeinflusst (hohe Heritabilität), ist es züchterisch einfacher zu beurteilen und es kann mit hoher Sicherheit die Ausprägung des Merkmals unter unterschiedlichen Umweltbedingungen vorausgesagt werden. Bei hoher Beeinflussung durch die Umwelt (geringe Heritabilität) sollte das Merkmal unbedingt in einer Leistungsprüfung in der zukünftigen Anbauregion bewertet werden. Bei solchen Merkmalen wird auch mit starken Jahresschwankungen zu rechnen sein.

Züchtungsziele

Ein primäres Zuchtziel bei Arznei- und Gewürzpflanzen ist die genetische Beeinflussung der Ausbildung und Speicherung der Sekundärstoffe.

Bei Arzneipflanzen sind diese Züchtungsziele durch die regulatorischen Anforderungen basierend auf den drei Säulen Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bedingt. Während mit Qualität das Herstellungsverfahren und die Methoden der Qualitätskontrolle gemeint sind, ist Wirksamkeit und Unbedenklichkeit sowohl vom Herstellungsprozess als auch von der genetischen Ausstattung der Pflanze und deren Merkmalsausprägung abhängig. Bei manchen Sekundärstoffen ist zudem das Auftreten von Chemotypen sehr häufig. Die Selektion der richtigen Chemotypen ist ein erster wichtiger Schritt zur Wirksamkeit (Arzneipflanze) oder zur korrekten sensorischen Qualität (Gewürzpflanze).

Bei Arzneipflanzen ist es notwendig, zur Identifizierung und Qualitätskontrolle Leitsubstanzen zu definieren. Die Definition erfolgte dabei zumeist vor Beginn der Züchtung und basiert auf Einkaufsware. Im ungünstigsten Fall kann man dadurch in der Züchtung bereits bei der Ausgangsvariabilität eingeschränkt werden, wenn gewisse Herkünfte nicht den definierten Leitsubstanzen entsprechen und eine Änderung der Registrierung zu aufwändig wäre.

Ein weiteres primäres Zuchtziel ist die Optimierung der Quantität. Bei Arznei- und Gewürzpflanzen bedeutet dies nicht immer automatisch eine Steigerung des Gehaltes der aktiven Inhaltsstoffe, manche Regulatorien verlangen von Arzneipflanzen sowohl eine Untergrenze als

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auch eine Obergrenze des Gehaltes. Bei Gewürzpflanzen hingegen würde eine zu starke Steigerung des Gehaltes geruchs- und geschmacksrelevanter Inhaltsstoffe eine Änderung von Rezepturen von Lebensmitteln bedeuten, die oft nicht erwünscht ist.

Eine weitere Optimierung der Quantität ist die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit durch Erhöhung des erzielten Ertrages pro Flächeneinheit. Dies passiert durch Erhöhung des Gehaltes (wo möglich) und des Gewichtes des erwünschten Ernteproduktes pro Flächeneinheit. Hier kommt der Züchtung und Anbauoptimierung eine kritische Position in der Inkulturnahme zu, da oft erst der Fortschritt der Züchtung und Optimierung darüber entscheidet, ob in Zukunft eine Kultivierung ökonomisch Sinn macht.

Weitere Ziele sind Ertragssicherheit (u.a. durch Resistenzzüchtung) und Homogenität in morphologischen Kriterien als Basis einer Sortenanmeldung.

Phytochemische Züchtungsinstrumente

Eine wichtige Grundlage zur Beurteilung von Qualität und Quantität von Sekundärstoffen oder Wirksamkeit von Extrakten sind phytochemische und eventuell pharmakologische Analysen. Bei Gewürzpflanzen ist es aber auch möglich, allein durch sensorische Prüfungen eine Verbesserung zu erreichen. Die phytochemische Analytik kann der Züchtung durch die Entwicklung schneller und kostengünstiger Methoden, die nur geringe Mengen an Pflanzenmaterial benötigen, stark entgegenkommen.

Molekulare Züchtungsinstrumente

Molekulare Methoden ermöglichen einen Zugang zur genetischen Konstitution der Pflanzen, die durch klassische Methoden nicht möglich ist. So lässt sich etwa die genetische Variabilität des Ausgangsmaterials untersuchen, um darauf aufbauend eine Vorauswahl treffen zu können.

Durch Verwendung von molekularen Markern, die an gewisse Eigenschaften gekoppelt sind, die erst spät in der Pflanzenentwicklung, schwer oder nur mit teuren Methoden zu untersuchen sind, kann man Zeit und Kosten einsparen, da die Untersuchungen bereits ab dem Keimlingsstadium durchführbar sind. Ausserdem lassen sich durch gentechnische Modifikationen die Pflanzen in einer Art und Weise genetisch verändern, wie es auf herkömmlichem Wege nicht realisierbar wäre. Molekulare Methoden lassen sich darüber hinaus auch hervorragend für den Sortenschutz einsetzen, da eine Unterscheidung von Materialien im Streitfall sehr gut möglich ist.

Sortenschutz oder Patent?

Für den Schutz des geistigen Eigentums aus einer Züchtung wurde der Rahmen des Sortenschutzes gebildet, wobei die Ernährungssicherheit bei der der Entwicklung des Sortenschutzes immer im Vordergrund stand. Daher weicht der Sortenschutz in einigen Punkten wesentlich vom Patentschutz ab und gilt als nicht so stark wie dieser. Das ist der Grund, dass es immer wieder zum Aufkommen einer Diskussion über die Möglichkeit eines Patentschutzes von Pflanzen kommt, wie er etwa in Amerika möglich ist. Dies betrifft vor allem Pflanzen, die Industrierohstoffe liefern und ist oft ein Anliegen der Industrie, die mit dem Patentschutz besser vertraut ist.

Literatur

Becker, H., 1993: Pflanzenzüchtung. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, S. 13.

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Genetische Ressourcen, Züchtungsforschung und Züchtungsmethodik, Sortenschutz

Vorträge

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CV 15

Nationale Sicherung pflanzengenetischer Ressourcen - Genbank für Wildpflanzen für Ernährung und Landwirtschaft

P. Borgmann, N. Friesen, S. Oevermann, S. Zachgo

Botanischer Garten der Universität Osnabrück, Albrechtstr. 29, 49076 Osnabrück

Zusammenfassung

Der dramatische Rückgang der Wildpflanzenarten hat Auswirkungen auf die Agrobiodiversität und auf den Naturschutz in Deutschland. Die stetige Abnahme der Populationsgrößen von Wildpflanzen schränkt ihre genetische Variabilität zunehmend ein und kann durch eine abnehmende Individuendichte zu einer kritischen Reproduktionsrate führen. Dies ermöglicht auf Dauer das Aussterben von wertvollen Pflanzenarten.

Ziel des Aufbaus der “Genbank für Wildpflanzen für Ernährung und Landwirtschaft“ (WEL) ist es, erstmalig in einem nationalen Netzwerk koordiniert wildpflanzengenetische Ressourcen zu sammeln und zu schützen. Das Saatgut wild vorkommender Verwandter unserer Nutzpflanzen wird regional von den am Netzwerk beteiligten Botanischen Gärten Berlin, Karls-ruhe, Osnabrück und Regensburg sowie der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe gesammelt und unter Tiefkühlbedingungen in den Botanischen Gärten ex situ aufbewahrt.

Mit diesem vergleichsweise kostengünstigen Verfahren kann die große Anzahl pflanzen-genetischer Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft unentbehrliche Rohstoffe für eine züchterische Verbesserung der Nutzpflanzen bereitstellen. Darüber hinaus stehen Ressourcen für die Arzneimittelforschung sowie für die zunehmend bedeutsamen Naturschutzmaßnahmen zur Verfügung.

In den Sammlungen vorhandener Genbanken in Deutschland finden viele dieser wild-pflanzengenetischen Ressourcen keine bzw. nur unzureichende Berücksichtigung.

Abstract

The dramatic decline of wild plant species has great effects on nature conservation and agrobiodiversity in Germany. The steady decrease in population size and in the number of wild plants within a population increasingly limits its genetic variability and leads, finally, to the extinction of species.

The aim of the “Genbank für Wildpflanzen für Ernährung und Landwirtschaft“ (WEL, Gene Bank for Wild Plants for Food and Agriculture) is to establish, for the first time, a national network to coordinate the collection and storage of plant genetic resources for their protection. The Botanical Gardens in Berlin, Regensburg, Osnabrück and Karlsruhe and the Educational College of Karlsruhe are involved in the gene bank network and have collected seeds from crop wild relatives on a national basis in several of their natural habitats. An efficient method of retaining these plant-genetic resources is the collection and preservation of seeds in seed banks (ex situ) at deep-chill temperatures.

Ex situ collections, such as gene banks, are a wise and necessary supplementation for the conservation of genetic resources. This comparably inexpensive method enables numerous plant genetic resources to be available for the culture, controlled reintroduction and conservation of

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endangered species, for use in basic and advanced scientific research and for an application in plant breeding. Unfortunately, in ex situ collections of available German gene banks many of these crops´ wild relatives find none or insufficient consideration.

Wildpflanzen sind weltweit für viele Organismen insbesondere als Ernährungs-und Futter-pflanzen von hoher Wichtigkeit. Für den Menschen kommen weitere Nutzungsformen mit z.T. großem wirtschaftlichem Interesse hinzu, so dass sie in der Züchtungs- und Arznei-mittelforschung oder im Bereich der Energiepflanzen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Bereits seit Jahrtausenden hat sich ein großes Wissen über die Wirkung und Wirksamkeit von Arzneipflanzen angesammelt. Eine stetig wachsende Zahl von Forschungsarbeiten zeigt, wie einzelne Inhaltsstoffe bzw. komplexe Inhaltsstoffgemische einer Pflanze den Stoffwechsel des Menschen beeinflussen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass Individuen einer Pflanzenart aus unterschiedlichen geographischen Regionen bzw. Ökotypen sich im Ploidiegrad und in der Zusammensetzung der Inhaltsstoffe stark unterscheiden. Insofern ist es sinnvoll, Kenntnisse der verschiedenen Unterarten, Ploidistufen und chemischen Varianten der Arzneipflanzen zu haben.

Bei den im deutschen Arzneipflanzenanbau berücksichtigten Pflanzen handelt es sich vielfach um Sorten, die aus gezielten Züchtungen wildwachsender Arten hervorgegangen sind.

Die internationalen und nationalen Gefährdungslisten (Roten Listen) von Tier- und Pflanzen-arten wachsen jährlich. In Deutschland sind vermehrt Wildpflanzenpopulationen außerhalb von Naturschutzgebieten in ihrer Existenz bedroht. Diese Entwicklung führt unwiederbring-lich zum Verlust bedeutender pflanzengenetischer Ressourcen, so dass auch heimisches Aus-gangsmaterial für die Züchtungsforschung arzneilich interessanter Wildpflanzenarten schon bald nicht mehr zur Verfügung stehen könnte. Vielfach ist es z.B. für die Züchter bereits jetzt schon schwierig, Saatgut von einer Art aus unterschiedlichen geographischen Regionen Deutschlands zu bekommen.

Für die Saatgutsammlung von Wildpflanzen und deren Sicherung unter Tiefkühlbedingungen in sog. Genbanken haben sich in den letzten Jahren zwei Projekte in Osnabrück wesentlich verdient gemacht. Neben der Loki Schmidt Genbank für Wildpflanzen (www.wildpflanzen-genbank.de) wurde unter der Leitung des Botanischen Gartens Osnabrück 2009 eine nationale Genbank für Wildpflanzen für Ernährung und Landwirtschaft (WEL) mit einer Netzwerk-struktur eingerichtet. In einem dreijährigen Modell- und Demonstrationsvorhaben des Bunde-sministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung werden Wildpflanzen mit Nutzungspotential dauerhaft in Ex-situ-Sammlungen gesichert. Hierzu werden sowohl auf Artebene als auch auf inner-artlicher Ebene über die Sicherung zahlreicher Populationen einer Art aus verschiedensten Naturräumen und Biotopen deutschlandweit Saatgut von Wildpflanzen gesammelt, in den vier am Genbanknetzwerk beteiligten Botanischen Gärten Berlin, Karlsruhe, Osnabrück und Regensburg aufgearbeitet (Reinigung, Trocknung, Keimtests, Versand) und dort bei Tiefkühltemperaturen aufbewahrt. Der Saatgutbestand der WEL-Genbank kann online unter www.genbank-wel.de recherchiert werden.

Die Sammlung und Aufarbeitung von Wildpflanzen ist aufwändig. Neben dem benötigten floristischen Wissen ist die Ermittlung der Standorte der zu beprobenden Arten zeitintensiv.

In Deutschland existieren über 2800 Wildpflanzenarten, die zu den potentiellen pflanzen-genetischen Ressourcen (PGR) zählen und zahlreiche Nutzungsformen aufweisen. Zu Beginn des WEL-Modellprojektes erfolgte eine Aufstellung von sechs Kriterien, wonach die im Genbanknetzwerk zu beprobenden Arten ausgewählt wurden. Dies ermöglichte ca. 300

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Vorträge

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Wildpflanzen zu identifizieren, die prioritär in der Laufzeit des Projektes beprobt werden (vgl. Abb. 1).

Zur Koordinierung der deutschlandweiten Sammlungsaktivitäten durch die am WEL-Netzwerk beteiligten Institutionen dienen vier Beprobungsräume (BR). Der BR Nordwest umfasst die Bundesländer (BL) Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, im BR Nordost werden die BL Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen und Sachsen-Anhalt besammelt. Die Bundesländer Rheinland-Pfalz, Saarland und Baden-Württemberg liegen im BR Südwest und im BR Südost werden verschiedene Naturräume der BL Thüringen und Bayern beprobt. In Hessen wird von allen Netzwerkpartnern Wildpflanzensaatgut gesammelt.

Identisches Arteninventar

in jedem der vier Bepro-

bungsräume:

170 Arten

Spezifisches Arteninventar

des Bepro-bungsraumsNordwest: 46 Arten

Spezifisches Arteninventar

des Bepro-bungsraums

Nordost: 28 Arten

Spezifisches Arteninventar

des Bepro-ungsraums

Südost: 21 Arten

Reduktions-schritte zur

Artenauswahl

Zu beprobendes

Arteninventar der Genbank

WEL

Diverse Ausschlussfaktoren verschiedener Gattungen/ Arten

Pflanzengenetischen Ressourcen Deutschlands (PGR)

Wildpflanzenarten mit unterschiedlicher Anzahl an Nutzungsformen2

6

PGR, die mehr als eine Nutzungsform aufweisen3

Wildwachsende Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands1

Gesetzlich nicht geschützte Tier- und Pflanzenarten (wenige Arten haben einen gesetzlichen Schutzstatus)

4ca. 860 Arten

ca. 640 Arten

ca. 300 Arten

7

8

Spezifisches Arteninventar

des Bepro-bungsraums

Südwest: 42 Arten

ca. 4000 Arten

ca. 2800 Arten

ca. 1050 Arten

Berücksichtigung des Saatgutbestandes

bestehender Genbanken (IPK, JKI, Forstgenbanken)5

Identisches Arteninventar

in jedem der vier Bepro-

bungsräume:

170 Arten

Spezifisches Arteninventar

des Bepro-bungsraumsNordwest: 46 Arten

Spezifisches Arteninventar

des Bepro-bungsraums

Nordost: 28 Arten

Spezifisches Arteninventar

des Bepro-ungsraums

Südost: 21 Arten

Reduktions-schritte zur

Artenauswahl

Zu beprobendes

Arteninventar der Genbank

WEL

Diverse Ausschlussfaktoren verschiedener Gattungen/ Arten

Pflanzengenetischen Ressourcen Deutschlands (PGR)

Wildpflanzenarten mit unterschiedlicher Anzahl an Nutzungsformen2

6

PGR, die mehr als eine Nutzungsform aufweisen3

Wildwachsende Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands1

Gesetzlich nicht geschützte Tier- und Pflanzenarten (wenige Arten haben einen gesetzlichen Schutzstatus)

4ca. 860 Arten

ca. 640 Arten

ca. 300 Arten

7

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Spezifisches Arteninventar

des Bepro-bungsraums

Südwest: 42 Arten

ca. 4000 Arten

ca. 2800 Arten

ca. 1050 Arten

Berücksichtigung des Saatgutbestandes

bestehender Genbanken (IPK, JKI, Forstgenbanken)5

Abb.1: Auswahlkriterien der zu beprobenden Wildpflanzenarten in der WEL-Genbank

Es ist gewünscht, die Expertise interessierter Botaniker in die WEL-Genbank einfließen zu lassen. Aktuell melden bereits mehrere Botaniker Fundorte der 300 ausgewählten WEL-Arten den jeweiligen Koordinatorinnen/ren der entsprechenden Beprobungsräume. Mittels einer Markierung in der auf der Homepage der WEL-Genbank zu findenden interaktiven Karte und der automatischen Verortung des Fundortes unter Angabe geographischer Koordinaten, des Bundeslandes, des Kreises, der Gemeinde und des Naturraums können registrierte Nutzer ihre Fundorte mit verschiedensten weiteren Optionen (Populationsgröße, Phänologie etc.) online angeben.

In Ergänzung zur Unterschutzstellung von bedrohten Lebensräumen sind Genbanken sinnvoll und notwendig zur Bewahrung der pflanzlichen Vielfalt. Unter Mitwirkung regional sehr aktiver

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Botaniker sind die Voraussetzungen innerhalb des WEL-Genbanknetzwerkes geschaffen, eine möglichst große Anzahl pflanzengenetischer Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft zu bewahren.

CV 16

Genbanken – Ressourcen für neue Arzneistoffe?

Genebanks – resources for new drugs?

U. Lohwasser und A. Börner

Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK), Abteilung Genbank, Corrensstraße 3, D-06466 Gatersleben, Deutschland, Email: [email protected]

Zusammenfassung

Weltweit lagern 7,4 Millionen Muster an Kulturpflanzen in Ex Situ-Genbanken, in Deutschland sind es knapp 150.000. Darunter befinden sich 10.966 Arznei- und Gewürzpflanzen sowie deren verwandte Wildarten. Sie stammen aus 1.087 Arten und 343 Gattungen von 65 verschiedenen Pflanzenfamilien und sind somit botanisch sehr divers. Einzelne Kollektionen sind durch wissenschaftliche Bearbeitungen besonders im Hinblick auf Inhaltsstoffe sehr gut untersucht.

Summary

Globally germplasm collections contain more than 7.4 million accessions of plant genetic resources. In Germany about 150,000 samples are maintained. This collection comprises 10,966 medicinal and aromatic plants as well as wild relatives of 1,087 botanical species, 343 genera and 65 plant families. Based on scientific research some crop groups are well studied with regard to chemical compounds.

Inhalt

Einer Schätzung der FAO zufolge lagern in Genbanken weltweit 7,4 Millionen Muster (Akzessionen) pflanzengenetischer Ressourcen. Mit ca. 860.000 Akzessionen stellt der Weizen die größte Gruppe dar, gefolgt von Reis (775.000 Akzessionen) und Gerste (470.000 Akzessionen) (FAO, 2010). Eine der umfangreichsten Sammlungen weltweit, die bundeszentrale Ex situ-Genbank für landwirtschaftlich und gartenbaulich genutzte Kulturpflanzen, befindet sich am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben. Nach der Zusammenführung mit den Sortimenten der ehemaligen Bundesanstalt für Züchtungsforschung, Braunschweig werden dort insgesamt 149.000 Muster aufbewahrt. Das gelagerte Pflanzenmaterial stammt u. a. von Sammelexpeditionen, welche seit Beginn der Zwanzigerjahre des letzten Jahrhunderts bis heute in vielen Regionen der Erde durchgeführt wurden. Als Beispiele seien zu nennen: Anatolien 1928, Tibet 1938/39, Äthiopien/Eritrea 1938/39, Süditalien 1950, Iran 1952/54 oder China 1956/58/59 (BÖRNER, 2006).

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Genetische Ressourcen, Züchtungsforschung und Züchtungsmethodik, Sortenschutz

Vorträge

87

0

10.000

20.000

30.000

40.000

50.000

60.000

70.000

Getreide Hülsenfrüchte Gemüse Öl-/Futterpflanzen Arznei-/Gewürzpflanzen

Kartoffeln

Abb. 1: Inventar der Gaterslebener Ex situ-Genbank

Aufbewahrt werden Kulturpflanzen aber auch verwandte Wildarten der gemäßigten Klimazone. Neben den Getreiden, die mit etwa 65.000 Mustern die größte Gruppe umfassen, sind auch andere Fruchtartengruppen vertreten, wie beispielsweise Hülsenfrüchte (28.000 Sippen), Gemüse und Kürbisgewächse (21.000 Sippen) und Kartoffeln (6.000 Sippen). An Arznei- und Gewürzpflanzen sowie ihren verwandten Wildarten befinden sich aktuell 10.966 Akzessionen in der Genbank (Abb. 1). Insgesamt stammen sie aus 1.087 Arten und 343 Gattungen von 65 verschiedenen Pflanzenfamilien. Mehr als ein Drittel aller Arten (insgesamt 3.206) und Gattungen (insgesamt 783) der Genbank werden durch die Arznei- und Gewürzpflanzen gestellt, die damit einen großen Anteil an der botanischen Vielfalt des Gaterslebener Sortiments haben. Den größten Anteil innerhalb der 10.966 Akzessionen stellen die Gattungen Linum, Papaver, Nicotiana, Coriandrum, Allium (Knoblauch) und Ocimum. Durch wissenschaftliche Bearbeitungen sind einzelne Kollektionen der Arznei- und Gewürzpflanzen besonders im Hinblick auf Inhaltsstoffe sehr gut untersucht. So wurden z. B. schon 1955 Untersuchungen über die Alkaloide der Tabak-Kollektion durchgeführt. Die enzymatische Umwandlung von Hyoscyamin in Scopolamin in verschiedenen Datura-Arten wurde in den sechziger Jahren erforscht. Außerdem gab und gibt es unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Julius Kühn-Institut aber auch mit anderen Forschungseinrichtungen Untersuchungen und Evaluierungen einzelner Fruchtarten. So konnten z. B. bei der Evaluierung der Dill-Kollektion (Anethum

graveolens L.) zwei Basis-Chemotypen unterschieden und ein neuer Chemotyp aus Bulgarien detektiert werden. Für Fenchel (Foeniculum vulgare Mill.) wurden vier Chemotypen bestimmt. Beim Koriander (Coriandrum sativum L.) unterstützt die Zusammensetzung der ätherischen Öle die taxonomische Einteilung. Vergleichende Studien zu den ätherischen Ölen innerhalb der Familie der Doldenblütler (Apiaceae) zeigen die Variabilität der Genbank-Kollektion auf. Auch Untersuchungen zu Krankheitsresistenzen wurden z. B. bei der Petersilie durchgeführt. Durch den Einsatz von DNA-Untersuchungen lassen sich jetzt morphologische, phytochemische und molekulare Daten miteinander vergleichen. Viele Kollektionen sind somit durch weiterführende Forschung sehr gut charakterisiert, z. B. Allium sativum L., Cannabis sativa L., Coriandrum

sativum L., Ocimum basilicum L., Papaver somniferum L., Petroselinum crispum (Mill.) Nyman, Salvia officinalis L. und Solanum nigrum L. Die Gaterslebener Kollektionen bieten somit eine gute Grundlage zur Züchtungsforschung und für weiterführende Untersuchungen.

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Literatur

Börner, A., 2006: Preservation of plant genetic resources in the biotechnology era. Biotechnology Journal 1: 1393-1404. FAO, 2010: The second report on the state of the world’s plant genetic resources for food and agriculture. Commission on Genetic Resources for Food and Agriculture, Food and Agriculture Organization of the United Nations, Rome, 399pp.

CV 17

Molecular Modelling als methodischer Ansatz in der Pharmakognosie und Pflanzenzüchtung

T. Homann1, S.E. Kulling2 und H. Rawel1

(1) Universität Potsdam, Institut für Ernährungswissenschaft, Arthur-Scheunert-Allee 114, 116, D-14558 Nuthetal, Abt. Lebensmittelchemie; Email [email protected], (2) Max Rubner-Institut, Haid-und-Neu-Straße 9, D-76131 Karlsruhe; Email [email protected]

Beispielhafte Molecular Modelling Untersuchungen an Harpagophytum procumbens und Cimicifuga racemosa sollen Möglichkeiten der Nutzung dieser Methode in der Arzneipflanzenforschung aufzeigen.

Harpagophytum procumbens (Teufelskralle) ist eine Arzneipflanze mit einer Vielzahl von postulierten Wirkungen. Erwähnt wird, dass der Pflanzenextrakt eine blutzuckersenkende Wirkung hat. [1] (Mahomed and Ojewole 2004)

Als Arbeitshypothese postulierten wir, dass dieser beschriebene Effekt auf die Hemmung der α-Amylase zurückzuführen ist.

Um Inhaltstoffe mit diesen Wirkprofil zu identifizieren wurde eine von uns als reverse Pharmakognosie bezeichnete Methode genutzt. Dazu wurden mit 38 Verbindungen die als Inhaltsstoffe der Teufelskralle beschrieben werden mittels einer LowMode Konformationssuche in MOE 2010 [2] eine Konformationsdatenbank erstellt.

Diese Konformere wurden in Dockinguntersuchung mittels MOE 2009/2010 und Molegro [3] (Thomsen, R.; Christensen, M. H. 2006) auf Ihr potentielles Bindungsverhalten an der α-Amylase untersucht.

Die α-Amylase wurde entsprechend wie unter [4] (Bode et. al. Untersuchungen an Flavonoiden Veröffentlichung in Vorbereitung) beschrieben für diese Untersuchung in silico präpariert.

Als Ergebnis der Experimente konnten zwei Substanzen aus Teufelskralle identifiziert werden die die Amylase hemmen könnten.

Die identifizierten Substanzen Isoverbascosid und Verbascoside sind bisher nicht als Hemmer der α-Amylase beschrieben.

Beide Verbindugen wurden wie in [4] beschrieben auf ihre Aktivität in einem in vitro Testsystem untersucht. Isoverbascosid zeigt in einer Konzentration von 50µM eine 62 %

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Vorträge

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Hemmung der α-Amylase. Die Hemmung ist linear von der Konzentration von Isoverbascosid abhängig.

Abb. 1 Isoverbascosid gedockt in Active Site von α- Amylase

Für Verbascoside konnten die aus den Dockinguntersuchungen resultierende Aktivität in vitro nicht bestätigt werden.

Mit der Identifizierung von Inhaltsstoffen die einen Einfluss auf die α-Amylase und dadurch eine Blutzuckersenkung bewirken, konnte der Befund einer blutzuckersenkenden Wirkung von Inhaltsstoffen des Harpgophytum procumbens auf molekularer Ebene verifiziert und belegt werden.

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Cimicifuga racemosa Extrakte werden in verschiedenen Formulierungen zur Behandlung des klimakterischen Formenkreises genutzt. Ein wesentlicher Inhaltsstoff der für die Wirksamkeit des Extraktes maßgebend sein soll ist Isoferulasäure (IF). Den Gehalt durch züchterische Maßnahmen an Isoferulasäure zu erhöhen bzw. Sorten zu finden die ein Potential für weitere Züchtung besitzen wäre ein interessantes Herangehen zur Sortenoptimierung. Molecular Modelling könnte hierbei unterstützend eingesetzt werden.

Im Ergebnis dieser Untersuchungen konnten verschiedene Phenylacrylsäureester die theoretisch das Potential besitzen, den geschwindigkeitsbestimmenden Schritt in der Bildung von IF zu hemmen identifiziert werden. [5] (Ehlers B., Melzig, M.F., Lindequist Ulrike, Homann T. 2011)

[1] Mahomed, I. M. and J. A. O. Ojewole (2004). "Analgesic, antiinflammatory and antidiabetic properties of Harpagophytum procumbens DC (Pedaliaceae) secondary root aqueous extract." Phytotherapy Research 18(12): 982-989. [2] Molecular Operating Environment (MOE), 2010.10; Chemical Computing Group Inc., 1010 Sherbooke St. West, Suite #910, Montreal, QC, Canada, H3A 2R7, 2010. [3] Thomsen, R.; Christensen, M. H. MolDock 2006: A New Technique for High-Accuracy Molecular Docking. J. Med. Chem., 2006, 49(11), 3315-3321 [4] Bode Lisa M., Homann T., Rawel H. M., Kulling Sabine E. (n.G.): Comparative evaluation of experimental data on α-amylase inhibition by flavonoids using molecular modelling. in preparation [5] Ehlers, B., Melzig, M.F., Lindequist, Ulrike, Homann, T. 2011: Modellierung und Validierung der pflanzlichen 4-O-Methyltransferase am Beispiel von Actaea racemosa L. .Poster DFA 2011

CV 18

Verwandtschaftsverhältnisse und Ploidiestufen ausgewählter Herkünfte und Wildformen des Arznei-Baldrians (Valeriana officinalis L. s.l.)

H. Heuberger1, G. Heubl2, M. Müller1, S. Seefelder1 und R. Seidenberger1 1 Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Vöttinger Straße 38, 85354 Freising, [email protected], 2 Institut für Systemati-sche Botanik, Ludwig-Maximilians-Universität München, Menzinger Straße 67, 80638 München

Einleitung

Als potenzielles Ausgangsmaterial für die Züchtung einer Baldriansorte mit grobstrukturierten Wurzeln und hohem Gehalt an ätherischem Öl wurde ein großes Sortiment von Baldrian Sorten, Herkünften und Wildformen zusammengetragen. Diese werden im Folgenden als Herkünfte bezeichnet und mit fortlaufenden „BLBP“-Nummern gekennzeichnet. Ein Teilziel des laufenden Projektes ist es, die verwandtschaftlichen Beziehungen der Herkünfte basierend auf DNA- und karyologischen Analysen (Ploidiestufe; Cytotyp) aufzuklären, um geeignete Herkünfte zur Entwicklung einer Sorte zu selektieren.

Der Arznei-Baldrian Valeriana officinalis sensu latu (s.l.) ist ein höchst schwieriger Polyploidkomplex, dessen taxonomische Gliederung noch nicht abschließend geklärt ist. Die

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Vorträge

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verschiedenen Sippen werden wechselnd als Kleinarten, Unterarten oder Varietäten eingestuft (HOLUB und KIRSCHNER 1997, ROTHMALER 2005, BUTTLER und HAND 2008, SCHMEIL und FITSCHEN 2009). Der letzte vielversprechende Ansatz von Titz, die Probleme fundiert und großräumig zu lösen, blieb leider unvollendet (siehe etwa TITZ 1969, TITZ und TITZ 1980, TITZ 1984). Diese Arbeit wird derzeit von Dobeš und Kollegen (DOBEŠ 2011) fortgesetzt.

Material und Methoden

Im Rahmen des Baldrianzüchtungsprojekts wurden die Ploidiestufe von 106 Baldrianherkünften an jeweils fünf Einzelpflanzen mit einem Durchfluss-Cytometer untersucht. Die Chromosomenzahl der als Standard verwendeten Pflanzen (tetraploid, 2n=28) wurde an Orcein-Essigsäure gefärbten Metaphasen, die aus Quetschpräparaten junger Wurzelspitzen gewonnen wurden unter dem Mikroskop bestimmt. Die Untersuchung der genetischen Verwandtschaft der Herkünfte erfolgte über eine AFLP (amplified fragment length polymorphism)-Analyse (VOS et

al. 1995). Dazu wurde mit der DNA von sechs Pflanzen je Herkunft eine Restriktion/Ligation mit dem Enzymsystem EcoRI/MseI durchgeführt. Aus acht Primerkombinationen resultierten 86 gut auswertbare polymorphe Marker. Es wurde eine binäre Datenmatrix erstellt und diese anschließend mit der Software NTSYs 2.0 (Numerical Taxonomy and Multivariate Analysis System) (ROHLFS 1998) verrechnet. Die genetische Ähnlichkeit wurde nach der Formel von DICE (1945) berechnet und das Ergebnis einem Gruppierungsverfahren, einer Hauptkomponentenanalyse, zugeführt. Zur Identitätsüberprüfung wurde von einzelnen Herkünften die DNA-Sequenz der nukleären ITS-Region analog zu SCHEUNERT und HEUBL (2011) ermittelt und mit verfügbaren Sequenzen der NCBI-GenBank (BENSON et al. 2005) für V. officinalis und verwandte Arten mittels BLAST-Suchalgorithmus verglichen.

Ergebnisse und Diskussion

Von den 106 Baldrianherkünften waren 11 diploid, 82 tetraploid, 3 gemischt di- und tetraploid, 10 oktoploid. Alle als Sorten bezogenen Herkünfte erwiesen sich als tetraploid, ebenso auch alle für das Züchtungsprogramm geeigneten Herkünfte. Der Chromatingehalt der Einzelpflanzen wich in einigen Fällen leicht von dem für den Cytotypen markierten Standard bzw. der abgeleiteten Referenzlinie ab. In der zweidimensionalen Hauptkomponentenanalyse waren 91 gemeinsam ausgewertete Herkünfte in zwei unterschiedlich großen Gruppen angeordnet. Eine kleine Gruppe beinhaltet neun Herkünfte, darunter die acht verrechneten Oktoploiden. Die neunte Herkunft, BLBP 20, war tetraploid und mit jeweils drei Pflanzen in der 8x bzw. der 4x-Gruppe vertreten. In der großen Gruppe waren die di- und tetraploiden Herkünfte zu finden. Einzelne diploide Herkünfte lagen gut differenzierbar am Rand der großen Gruppe. Diese zeigten eine größere Nähe zwischen den sechs Einzelpflanzen einer Herkunft als dies bei vielen anderen derselben Gruppe der Fall war. Die zum Teil erhebliche Variabilität innerhalb der Herkünfte kann für die BLBP Nr. 1-86 dadurch erklärt werden, dass die untersuchten Pflanzen aus einer Saatgutvermehrung mit unkontrolliertem Pollenflug, d.h. offener Bestäubung zwischen den Herkünften stammen. Damit ist lediglich die mütterliche Hälfte des Genoms sicher aus der jeweiligen Herkunft, die zweite potenziell variabel. Dennoch konnten die drei vorhandenen Cytotypen gut voneinander unterschieden werden.

Die zweidimensionale Hauptkomponentenanalyse aller di- und oktoploiden mit einer Auswahl tetraploider Herkünfte ergab eine weitere Differenzierung in drei Gruppen, in denen jeweils Herkünfte mit demselben Cytotyp vertreten waren. Eine weitere Auswertung der Fragmente zeigte, dass jeder Cytotyp einzelne charakteristische Fragmente aufwies. Diese traten besonders häufig oder sogar ausschließlich im jeweiligen Cytotyp auf. Jedoch wiesen nicht immer alle Herkünfte desselben Cytotyps die Bande auf.

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Die ITS-Sequenz von Valeriana officinalis aus der NCBI-GenBank stimmte mit Sequenzen der drei untersuchten diploiden Herkünfte überein. Die Sequenzen der acht tetra- und vier oktoploiden Herkünfte wiesen mehrere Punktmutationen auf und wichen von der NCBI-Sequenz ab. Bei einer der oktoploiden Herkünfte (BLBP 92, Schweizer Wildherkunft) waren die Signale an den taxonspezifischen Positionen nicht eindeutig identifizierbar, die anderen beiden Basen entsprachen der diploiden V. officinalis. Morphologisch sind die tetra- und oktoploiden Herkünfte aber ohne Zweifel V. officinalis s.l. zuzuordnen.

Die genetische Distanz zwischen Herkünften verschiedener Cytotypen, die trotz möglicher gegenseitiger Einkreuzung deutlich zu sehen war, könnte auf Isolationsmechanismen bei der Bestäubung, Befruchtung oder Embryonalentwicklung zwischen den Cytotypen hinweisen.

Literatur

Benson, D.A., Karsch-Mizrachi, I., Lipman, D.J., Ostell, J., Wheeler, D.L. 2005: GenBank. Nucleic Acids Res. 33 (1) (Database Issue): D34–D38. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ (Abruf am 26.5.2011). Buttler, K.P., Hand, R. 2008: Beiträge zur Fortschreibung der Florenliste Deutschlands. (Pteridophyta, Spermatophyta) – Zweite Folge. Kochia 3: 75–86. Dice, L.R. 1945: Measures of the amount of ecological association between species. Ecology 26, 297-302. Dobeš, C. 2011: Die Bedeutung von Taxonomie und Polyploidie für die Phytochemie des Autopolyploid-Komplexes von Valeriana officinalis L. (Valerianaceae) – eine interdisziplinäre Studie. http://www.oeaw.ac.at/kioes/prob/200902.htm (Abruf am 10.06.2011) Evstatieva, L.N., Handijeva, N.V., Popov, S.S., Pashankov, P.I. 1993: A biosystematic study of Valeriana officinalis (Valerianaceae) distributed in Bulgaria. Plant Syst Evol 185: 167-179. Holub, J., Kirschner, J. 1997: Valeriana L. – kozlík. S. 516–527. In: SLAVÍK, B. (ed.), Kvetena Ceské republiky 5. Praha: Academia. Rothmaler, W. 2005: Exkursionsflora von Deutschland, Bd. 4, Gefäßpflanzen, Kritischer Band. Herausgeber E. J. Jäger und K. Werner. 10. Aufl. Elsevier, Spektrum Akademischer Verlag. Scheunert, A., Heubl, G. 2011: Phylogenetic relationships among New World Scrophularia L. (Scrophulariaceae): new insights inferred from DNA sequence data. Plant Syst Evol 291:69–89. Schmeil, O., Fitschen, J. 2009: Flora von Deutschland und angrenzender Länder. 94. Auflage. Quelle & Meyer Verlag, Wiebelsheim. Titz, E. 1984: Die Arzneibaldriane Deutschlands mit besonderer Berücksichtigung Bayerns. Ber. Bayer. Bot. Ges. 55: 25–48. Titz, W. 1969: Beitrag zur Kenntnis der österreichischen Sippen des Valeriana officinalis-

Aggregats und ihrer Chromosomenzahlen. Oesterr. Bot. Z. 116: 172–180. Titz, W., Titz, E. 1980: Valeriana versifolia und andere oktoploide Arznei-Baldriane in den Schweizer Alpen und angrenzenden Regionen. Ber. Schweiz. Bot. Ges. 89: 251–277. Vos, P., Hogers, R., Bleeker, M., Reijans, M. vande, Lee, T., Hornes, M., Frijters, A., Pot, J., Pelemann, J., Kuiper, M., Zabeau, M. 1995: AFLP: a new technique for DNA fingerprinting. Nucleic Acids Res. 23, 4407-4414.

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Vorträge

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CV 19

Charakterisierung unterschiedlicher Genpools der Melisse (Melissa

officinalis) als Basis für die Entwicklung von züchterisch wertvollem Ausgangsmaterial

Charakterization of different lemon balm (Melissa officinalis) gene pools as requirement of valuable breeding material

J. Kittler1, H. Krüger2, W. Schütze2, U. Kästner1, W. Junghanns3, W.D. Blüthner4, U. Lohwasser5 und F. Marthe1 1 Inst. für Züchtungsforschung an gartenbaulichen Kulturen und Obst – Quedlinburg (ZGO-Q), 2 Inst. für ökologische Chemie, Pflanzenanalytik und Vorratsschutz (ÖPV), Julius Kühn-Institut (JKI), Erwin-Baur-Str. 27, D-06484 Quedlinburg, 3 Dr. Junghanns GmbH, Aue 182, D-06449 Groß Schierstedt, 4 N.L. Chrestensen, Witterdaer Weg 6, D-99092 Erfurt, 5 Leibniz-Inst. für Pflanzengenetik u. Kulturpflanzenforschung (IPK), Corrensstr. 3, D-06466 Gatersleben

Zusammenfassung

Erste Ergebnisse zur Zusammensetzung des ätherischen Öls zeigen drei Chemotypen: Citral-Typ, Germacren-Typen und Caryophyllene-Typen in einer Kollektion von 96 Herkünften. Winterhärte und Gehalt an ätherischem Blattöl stellen bedeutende Merkmale für die züchterische Verbesserung der Melisse dar. Der Winter 2010/11 ermöglichte eine deutliche Einschränkung des bearbeiteten Materials.

Abstract

First results of essential oil composition identify three chemotypes: citral-type, germacrene-type, caryopallene-type out of 96 accessions. Winter hardness and amount of essential leaf oil are important characters for improvement of lemon balm in plant breeding. The winter 2010 to 2011 facilitate strong reduction of material under examination.

Einleitung

Zitronenmelisse ist eine seit ca. 2000 Jahren genutzte Arznei- und Gewürzpflanze. Auf Grund ihres zitronigen Geruches wird sie gegenwärtig als Küchengewürz und Teedroge genutzt. Wesentliche Inhaltsstoffe sind ätherisches Öl und Rosmarinsäure. Die arzneiliche Nutzung wässriger oder alkoholischer Extrakte beruht auf deren sedativer, spasmolytischer und antiviraler Wirkung.

Im Rahmen des Demonstrationsprojektes „Verbesserung der internationalen Wettbewerbsposition des deutschen Arznei- und Gewürzpflanzenanbaus am Beispiel der züchterischen und anbautechnologischen Optimierung von Kamille, Baldrian und Zitronenmelisse“ (KAMEL), steht die Melisse exemplarisch für Blattdrogen. In diesem großangelegten Projektverbund sollen sowohl Anbau, Ernte und Trocknung optimiert, als auch die Züchtung leistungsfähiger Sorten vorangetrieben werden.

Das Verbundprojekt „Entwicklung generativ vermehrbarer Hochleistungslinien von Zitronenmelisse (Melissa officinalis L) durch konventionelle Erzeugung homozygoter Linien als Voraussetzung für Synthetiks oder Hybridsorten“ und das Projekt „Entwicklung eines

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Verfahrens für die Zitronenmelisse (Melissa officinalis L) zur Erzeugung von Doppelhaploiden und Suche nach Elementen für die Schaffung eines Systems zur Befruchtungsregulierung auf der Grundlage männlicher Sterilität“ befassen sich mit der züchterischen Weiterentwicklung und der Schaffung von Grundlagen zur Nutzung moderner Zuchtmethoden in Melisse.

Material und Methoden

In den Jahren 2010 und 2011 wurden in einer Leistungsprüfung 68 Genotypen (überwiegend aus der Sammlung der Bayrischen Landesanstallt für Landwirtschaft (LfL)) in einem Klonpflanzenversuch charakterisiert. Besonderes Augenmerk lag auf agronomischen Eigenschaften, wie Winterhärte, Wiederaustrieb nach Ertragsschnitten und Winterruhe. Es wurden Ertragsmerkmale wie Ganzpflanzenertrag, Blatt-Stängelverhältnis, Blattertrag und die Trocknungsrate bestimmt. Morphologische Merkmale, wie Behaarung, Blattgröße und Geruch wurden ebenfalls erfasst. Gehalt und Zusammensetzung des ätherischen Öles wurde für alle Prüfglieder bestimmt.

Für 28 Akzessionen der Sammlung der Bundeszentralen ex situ Genbank im Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben wurden in einem gemeinsamen Versuch an den Standorten Gatersleben und Quedlinburg ebenfalls die oben genannten Merkmale bewertet, mit Ausnahme der Ertragsmerkmale. Eine weitere Gruppe von 24 Herkünften der Genbank des All-Russian N.I. Vavilov Institute of Plant Industry (VIR) in St. Petersburg wurde 2011 in einen Evaluierungsversuch gestellt und befindet sich im Aufwuchs.

Ergebnisse

Die Sammlung zeigte ein großes Spektrum an phänotypischer Varianz. Während der Geruchsbonituren zeigte sich, dass die Akzessionen, die eine geringe Wuchshöhe und eine hohe Anzahl kleiner Blätter aufwiesen, einen stärkeren zitronenartigen Geruch hatten. Die Analysen der Ölgehalte und die Ertragsdaten der einjährigen Prüfungen (erster und zweiter Schnitt, 2010) zeigen eine nicht sehr enge negative Korrelation zwischen Blattgröße und Internodienabstand zu Ölgehalt (Abbildung 1). Ein morphologischer Marker für hohen Ölghalt, wäre von herausragender Bedeutung, da Melisse erst im zweiten Standjahr für Ertragsuntersuchungen nutzbar ist. Jedoch sind im geprüften Sortiment auch sehr ölarme Genotypen enthalten. Bei Wegfall dieser Herkünfte, etwa in einem unter züchterischen Anforderungen optimierten Genpool kann die Korrelation sehr wahrscheinlich nicht für Vorhersagen zum Ätherischölgehalt genutzt werden.

Betrachtet man den Trockenmasseertrag der Akzessionen, zeigte sich für das Prüfungsjahr 2010 am Standort Quedlinburg ein großer Einfluss der Witterung (stark versetzter Jahresablauf durch langen Winter und kaltes Frühjahr, starke Sommertrockenheit im Frühsommer nach dem ersten Schnitt) auf die Erträge des zweiten Aufwuchses. Ein Großteil der Prüfglieder fiel im Ertrag etwa um die Hälfte ab. Nur wenigen Akzessionen war es möglich den Blattmasseertrag des ersten Schnittes auch zum zweiten Schnitt zu erreichen.

Die Zusammensetzung des ätherischen Blattöles wurde bisher für die Herkünfte der LfL und der Genbank des IPK charakterisiert. Es lassen sich bislang drei Chemotypen abgrenzen.

Als Citral-Typ werden Herkünfte bezeichnet, die einen hohen bis sehr hohen Gesamtcitral-Gehalt aufweisen. Als Gesamtcitral soll die Summe der Gehalte an Citral A, Citral B und Citronellal verstanden werden, welche für den charakteristischen Geruch der Zitronenmelisse verantwortlich sind. Daneben enthalten sie Caryophyllen, Germacren-D und β-Caryophyllenoxid: 76 Akzessionen.

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Vorträge

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Caryophyllen-Typen weisen einen hohen bis sehr hohen Caryophyllengehalt auf sowie geringe Anteile von Germacren-D und Citral: 6 Akzessionen.

Abb. 2: Gehalt an ätherischem Blattöl, mittlerer Internodienabstand und mittlere Blattfläche für 68 Melissegenotypen (Melissa officinalis), im Jahr 2010 am Standort Quedlinburg, zwei Wiederholungen; Keine Maßeinheiten, da zur gemeinsamen Darstellung mit Faktoren multipliziert (Internodien Abstand mit 5, Ölgehalt mit 100) wurde; Ölgehalte zwischen 0,04-0,31%; Rangkorrelationskoeffienten nach Spearman rs für Blattgröße zu Ölgehalt und Internodienabstand zu Ölgehalt sind angegeben;

Germacren-Typen enthalten viel bis sehr viel Germacren-D, daneben geringe Gehalte an Gesamtcitral, Caryophyllen und β-Charyophyllenoxid: 10 Akzessionen.

In den Sammlungen wurden 76 Citral-Typen, 10 Germacren-Typen und sechs Caryophyllen-Typen bestimmt. Es gab lediglich vier Akzessionen, die keinem der dargestellten Chemotypen zugeordnet werden konnten. Die wiederholte Prüfung zum Nachweis der Beständigkeit der Zu-sammensetzung des ätherischen Öles unter verschiedenen Umweltbedingungen steht noch aus.

Die leistungsfähigsten Akzessionen des Jahres 2010, weisen einen hohen Gesamtcitralgehalt auf. Die sechs Caryophyllen-Typen fielen durch ihre starke Wachstumsleistungen und gute Winter-eigenschaften auf, enthielten aber nur sehr wenig ätherisches Öl.

Mit Hilfe molekularer Marker soll erstmals eine Beschreibung der intraspecifischen phylogeneti-schen Zusammenhänge vorgenommen werden. Nach der DNA-Isolierung aus allen Akzessionen werden AFLP für die Erstellung des Dendrogramms genutzt.

In einem dreiortigen Leistungsversuch werden 36 Herkünfte, die nach Bomme (Bomme et al. 2008) eine gute Winterhärte haben auf Ertragsmerkmale getestet. Die Versuchsstandorte sind Erfurt, Groß Schierstedt und Quedlinburg. Auf Grund eines äußerst strengen Winters mit Spät-frösten unter -10 °C, nach beginnendem Wiederaustrieb der Pflanzen im März, kam es zu erheblichen Ausfällen. Die stärkste Schädigung trat am Standort Erfurt auf. Die beiden anderen Standorte zeigten ebenfalls Schädigungen, die übereinstimmend die als Standard genutzten Sorten 'Erfurter Aufrechte' und 'Loreley' sowie acht weitere Prüfglieder betrafen. Auf der Basis eigener Erkenntnisse über die Ölzusammensetzung der Prüfglieder wurden nur Gesamtcitral-Typen weitergeführt. Alle Caryophyllen-Typen wurde ebenfalls aus dem Versuch

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ausgeschlossen und so die Anzahl der Prüfglieder auf 20 reduziert (Abbildung 2). Da sich der Versuch im ersten Erntejahr befindet, liegen zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Ergebnisse vor. Die Auswinterung eines Teils des geprüften Materials am Beginn der Projektlaufzeit ist von hohem Wert, da nur Material im Versuch verbleibt, das im bedeutendsten Zuchtziel überdurchschnittlich gut bewertet werden konnte.

Abb. 2: Ergebnisse der Winterhärteprüfung von 36 Melisseherkünften (Melissa officinalis) nach Winter 2010/11 an den Standorten Quedlinburg (ZGO), Erfurt und Groß Sierstedt (GS). Die Standardsorten 'Erfurter Aufrechte' (PG 34 und 36) und 'Loreley' (PG 33 und 35) waren jeweils zweimal angelegt (rot hinterlegt). Dargestellt ist jeweils die durch- schnittliche Anzahl der überlebenden Pflanzen pro Parzelle aus zwei Wiederholungen. Sterne markieren weitergeführte Prüfglieder, der hochgestellte Stern den neuen Standard (BLBP 33).

Literatur

Bomme, U., Rinder, R., and Pank, F. (2008). Content of rosmarinic acid and winter hardiness in lemon balm (Melissa officinalis L.) - results of investigations from a large collection. Zeitschrift fur Arznei- & Gewurzpflanzen 13, 65-71.

Die Arbeiten erfolgen im Rahmen eines von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) geförderten Verbundprojektes von zehn Partnern im Rahmen des Förderschwerpunktes „Ver-besserung der internationalen Wettbewerbsposition des deutschen Arznei- und Gewürzpflanzen-anbaus am Beispiel der züchterischen und Anbautechnologischen Optimierung von Kamille, Baldrian und Zitronenmelisse (KAMEL)“.

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Vorträge

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CV 20

Leistungsprüfung von Anbaupopulationen und Sorten der Echten Kamille (Matricaria recutita L.)

M. Sonnenschein und A. Plescher

PHARMAPLANT GmbH, Westbahnhof 4, D-06556 Artern, [email protected];

Zielstellungen

In drei Vegetationsjahren wird das Ausgangsmaterial für eine Kamille-Sortenzüchtung ge-schaffen, die das Hauptziel verfolgt, die maschinelle Beerntbarkeit und damit Ertragsfähigkeit im Anbau zu verbessern.

Züchtungsziele

- Mindestens 2 Tonnen gewachsene Blütendroge wird mit der ersten und zweiten Pflücke je Hektar eingebracht, dabei werden die an der gesamten Pflanze gebildeten Blüten erfasst; oder mind. 2,5 t/ha gewachsene Blütendroge, wovon mind. 75% des Gesamtertrages zum ersten und zweiten Pflücktermin erntereif sind.

- 90% des Blütenertrages wächst in einem Pflückhorizont bis 6 cm Tiefe, um einen maximalen Ertrag bei Maschinenpflücke zu erreichen;

- große Blüten mit einem Röhrenblütenkranz-Durchmesser von mind. 1,0 cm verbunden mit guter Pflückbarkeit und kurzen Stielchen an den Blütenköpfen sowie einer langen Blühdauer im erntefähigen Blühstadium, die ein breites Erntefenster erlaubt;

- Mindestens 1% ätherisches Öl und mind. 0,25% Apigenin in der TS sowie mind. 25% Matrizin/Chamazulen im äther. Öl sind angestrebt.

- Unanfälligkeit gegen Krankheiten und Schädlinge

Material

Insgesamt werden 29 Sorten bzw. Anbaupopulationen geprüft (siehe Tab. 1)

Bewertung der Ergebnisse aus dem Sortenscreening 2010

� Die Prüfglieder 07 und 14 erwiesen sich als die ertragreichsten und widerstandsfähigsten Sorten, die inhaltsstofflichen Züchtungsziele erreichen sie nicht.

� Prüfglied 13 zeigte einen guten Gesundheitszustand, den höchsten Ölgehalt aller Prüfglieder mit 0,96% i. d. TS und 27% Matrizingehalt im Öl sowie 0,42% Apigenin in der TS. Es ist kein Alpha-Bisabolol-Typ.

� Prüfglied 21 ist ertragreich, der Ertragsanteil aus erster und zweiter Pflücke beträgt jedoch nur 58%. Der Gesundheitszustand wurde mit ‚gut’ bewertet.

� Die Ergebnisse aus dem Sortenscreening 2010 zeigen, dass keine der geprüften Sorten die gesamten Züchtungsziele in sich vereint, was die Notwendigkeit einer Kombinationszüchtung bestätigt

� Vorliegende Ergebnisse sind einjährige Ergebnisse bei Frühjahrssaat. Die angelegte

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Herbstsaat 2010 soll die Ertragsfähigkeit der Sorten in diesem zweiten Kulturverfahren testen. Des Weiteren wurde die Prüfung durch neue, später bezogene Herkünfte ergänzt. Die Gesamtergebnisse werden Entscheidungsgrundlage dafür sein, welche Prüfglieder im Folgejahr für Einzelpflanzen-Selektionen geeignet sind.

Tab. 1: Auflistung der Sorten bzw. Anbaupopulationen in Prüfung

PG Sorte/Herkunft Frühjahrssaat 2010

Herbstsaat 2010, Prüfung 2011

001 Mabamille X X 002 Manzana X X 003 Bodegold X X 004 Camoflora X X 005 Lutea X X 006 Zloty Lan X X 007 Goral X X 008 Bohemia X X 009 Promyk X X 010 Argenmilla X X 011 Chamomilla organic B&T X X 012 Aromi Italien X X 013 Ferme de Saint Marthe Frankr. X X 014 PNOS Polen X X 015 Bona X X 016 Fa. Kiepenkerl X X 017 Fa. Golden Line Italien X X 018 Novbona X X 019 Fa. Flortis Italien X X 020 Wildherkunft Dover X X 021 Fa. GARAFARM Ungarn X X 022 Margaritar X 023 Handel Rußland X 024 Lazur X 025 Anbaupopulation Herkunft Iran Frühjahrssaat 11 026 Germania Frühjahrssaat 11 027 Handel USA Frühjahrssaat 11 028 Robumille TypI Frühjahrssaat 11 029 Anbaupopulation Kroatien Herbstsaat 2010 030 Robumille Typ II Frühjahrssaat 11

Ergebnisse aus dem Sortenscreening 2010

Die Ergebnisse des ersten Versuchsjahres, dem Sortenscreening Frühjahrssaat 2010, sind in folgender Tabelle 2 zusammenfassend dargestellt.

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Vorträge

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Tab. 2: Bewertung der Prüfglieder entsprechend den Züchtungszielen

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

PG

Sor

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Boniturnoten [5=entspricht dem Züchtungsziel]

PG001 Mabamille 4x sfr 4 1 4 5 3 4 1 1 5 5

PG002 Manzana 4x mfr 1 5 3 5 3 5 1 1 4 5

PG003 Bodegold 4x mfr 3 5 2 2 1 3 1 1 2 5

PG004 Camoflora 2x mfr 3 4 2 2 1 4 1 2 3 5

PG005 Lutea 4x mfr 3 2 5 5 4 1 1 2 5 5

PG006 Zloty Lan 4x mfr 3 2 5 3 1 2 1 2 4 5

PG007 Goral 4x fr 5 4 3 5 3 4 5 2 4 5

PG008 Bohemia 4x mfr 4 4 3 4 1 1 1 1 4 5

PG009 Promyk 2x mfr 2 2 2 2 5 3 1 1 2 5

PG010 Argenmilla 2x mfr 2 2 1 2 2 4 1 1 1 5

PG011 B&T 4x mfr 3 4 4 5 2 1 1 2 3 5

PG012 Aromi Italien 4x mfr 2 4 2 5 1 4 1 3 4 5

PG013 Frankr. 4x mfr 2 2 2 3 4 4 4 5 5

PG014 PNOS Polen 4x mfr 5 1 4 5 1 2 5 2 3 5

PG015 Bona 2x sfr 3 1 1 3 3 3 1 1 3 5

PG016 Fa. Kiepenkerl 4x mfr 3 5 3 3 1 3 1 3 4 5

PG017 Golden Line It 4x mfr 3 3 1 3 1 3 1 3 4 5

PG018 Novbona 2x sfr 4 1 3 3 3 4 1 2 4 5

PG019 Fa. Flortis Italien 4x mfr 3 5 3 3 1 3 1 1 3 5

PG020 Wildherkunft 2x mfr 3 2 4 2 2 5 2 1 1 1

PG021 Ungarn 4x mfr 4 1 2 4 3 4 4 2 4 5

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Danksagung

Die Finanzierung des Vorhabens erfolgt durch die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) und einem Konsortium von Mitgliedern der Forschungsvereinigung der Arzneimittelhersteller (FAH). Den finanzierenden Institutionen und der FAH e. V. als Koordinator der Züchtungsvorhaben sei an dieser Stelle ausdrücklich gedankt.

CV 21

Zur Inkulturnahme von Efeu (Hedera helix L.)

A. Kranvogel und O. Schmidt

Martin Bauer GmbH & Co. KG, Dutendorfer Str. 5 – 7, 91487 Vestenbergsgreuth [email protected], Engelhard Arzneimittel GmbH & Co. KG, Herzbergstr. 3, 61138 Niederdorfelden

Zusammenfassung

Als Grundlage für die feldmäßige Inkulturnahme von Efeu wurden im Freiland Parzellenver-suche angelegt und ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass Herkunft, Pflanzdichte und Schnittre-gime keinen deutlichen Einfluss auf den Gehalt an Hederacosid C in der Blattdroge haben, während bei Ertragsleistung (g Blatt TM pro m2) mitunter deutliche Einflüsse nachweisbar sind.

Als Charakterart sommergrüner Laubwälder ist der immergrüne Kletterstrauch Efeu allgemein bekannt. In seiner mehrere Jahre dauernden Jugendphase zeigt er sich als Bodendecker und Kletterpflanze, während er in der Adultphase zunehmend Strauchform annimmt und erst dann Blüten und Früchte ausbildet.

Efeu wurde bereits in der Antike als Arznei- und vor allem als Kultpflanze geachtet. Besonders nachdem in jüngerer Vergangenheit die pharmakologische Forschung die Wirkungsweise von Efeu-Inhaltsstoffen auf das respiratorische System entschlüsselt hat, nimmt die Nachfrage nach Phytotherapeutika auf Efeubasis stetig zu. Alleine in Deutschland werden jährlich mehr als 100 t getrockneter Efeublätter für Pharmazwecke verarbeitet. Die getrockneten Efeublätter stammten klassischer Weise aus Wildsammlung Um einen konstant hohen Qualitätsstandard zu gewähr-leisten, konnte Rohware nur selektiv aufgekauft werden, wodurch die Mengenplanung erschwert wurde.

Im Jahr 2005 legten die Firmen Engelhard GmbH & Co. KG und Martin Bauer GmbH & Co. KG im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts eine Versuchsreihe zur Inkulturnahme von Efeu auf. Mittlerweile sind erste Erfolge in Form von Pilotanbauprojekten zu verzeichnen.

Das Ziel war es, Grundlagen zu ermitteln, anhand derer Efeu gezielt in kontrollierten, großflä-chig-feldmäßigen Vertragsanbau überführt werden kann, um künftig kalkulierbare Mengen Droge in einheitlich hoher Qualität zu sichern.

Die Versuche wurden im Freiland mittels Kleinparzellen in randomisierten Blockanlagen mit 4 Wiederholungen durchgeführt. Dabei wurden im Verlauf von drei Kulturjahren (nach einem vorgeschalteten Etablierungsjahr) Leistungs- und Qualitätsmerkmale erhoben. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Versuchsanordnungen:

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Vorträge

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• Vergleich 19 verschiedener Herkünfte • Versuch mit drei verschiedenen Pflanzdichtevarianten • Versuch mit variierenden Schnittzeitpunkten und –häufigkeiten (drei Varianten)

Wertgebender Inhaltsstoff von Efeublättern ist das Saponin Hederacosid C. Nach Büechi & Bolli (2003) enthalten Efeublätter 2 bis 6% Triterpen-Saponine. Die Hauptsaponine des Efeus sind Hederacosid C und das daraus durch Esterhydrolyse und auch Fermentation entstehende α-Hederin. Von besonderem Interesse war es, zu ermitteln, wie sich verschiedene anbaurelevante Faktoren auf den Inhaltsstoffgehalt und die Ertragsleistung auswirken.

Herkunftsvergleich

Beim Herkunftsvergleich wurden sämtliche Kulturmaßnahmen konstant gehalten. In jedem von drei Versuchsjahren waren zwei Ernteschnitte vorgesehen. Im dritten Versuchsjahr musste die erste Ernte aufgrund schlechter Bestandesentwicklung entfallen.

Über sämtliche Herkünfte, Wiederholungen und Versuchsjahre hinweg, betrug der mittlere Ge-halt an Hederacosid C 10,09 % in der getrockneten Droge und lag damit deutlich über den Wer-ten, die in der Literatur genannt werden (siehe oben). Selbst der niedrigste Wert (Mittelwert aus vier Wiederholungen einer Herkunft bei einem von insgesamt fünf Ernteereignissen) befand sich mit 8,49 % auf einem relativ hohen Niveau. Der höchste Hederacosid C-Gehalt (ebenfalls Mittel-wert aus vier Wiederholungen einer Herkunft bei einem von insgesamt fünf Ernteereignissen) betrug 14,90 %. Die Einzelwerte unterlagen einer relativ starken Streuung. Die Daten sind noch nicht vollständig statistisch ausgewertet; nach aktuellem Kenntnisstand scheint die Herkunft je-doch keinen ausgeprägten Einfluss auf den Inhaltsstoffgehalt der resultierenden Droge zu haben.

Abbildung 1: Summen der Erträge an Blattdroge im Herkunftsvergleich.

Über fünf Ernteschnitte in drei Jahren und vier Wiederholungen je Herkunft lag der durch-schnittliche Ertrag je Herkunft bei 241 g/ m2. Die Ertragsleistung der meisten Herkünfte lag unterhalb dieses Durchschnitts. Die Herkünfte 06 und 17 fielen durch besonders hohe Ertrags-leistung (904 g/m2 und 1.160 g/ m2 auf (Abb.1).

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Pflanzdichteversuch

Mit einer Herkunft, die zu Beginn des Projekts als vielversprechend erschien, wurde ein Versuch mit drei unterschiedlichen Pflanzdichtevarianten (10 Pfl./m2, 6,7 Pfl./m2 und 5 Pfl./m2) ange-stellt. Die Parzellen wurden in allen drei Versuchsjahren zweimal jährlich beerntet. Im Gesamt-mittel lag der Gehalt an Hederacosid C bei 9,6 % in der Blattdroge und somit erwartungsgemäß auf einem ähnlichen Niveau wie beim Herkunftsvergleich. Die Werte (Mittelwert aus 4 Wieder-holungen je Variante, Ernteschnitt und Versuchsjahr) bewegten sich im Bereich zwischen 7,5 % und 11,2 % in einem relativ engen Rahmen. Bei keiner der insgesamt 6 Ernten zeigte sich ein signifikanter Einfluss der Pflanzdichte auf den Gehalt an Hederacosid C in der Blattdroge.

Nur bei zwei von insgesamt sechs Ernten (zweite Ernte 2006 und zweite Ernte 2007) zeigte sich ein signifikanter Einfluss der Pflanzdichte auf den Ertrag an Blattdroge. Die Einzelwerte streuten sehr stark. Dennoch fiel auf, dass bei nahezu sämtlichen Ernten aller drei Versuchsjahre mit zu-nehmender Pflanzdichte auch der Ertrag zunahm. Diese Unterschiede blieben über den gesamten Versuchszeitraum hinweg erhalten und verwuchsen sich nicht.

Versuch mit variierenden Schnittzeitpunkten und -häufigkeiten

Mit einer weiteren Herkunft, die sich zu Projektbeginn vielversprechend darstellte, wurde ein Versuch mit drei verschiedenen Schnittregimen etabliert. Die Varianten unterschieden sich in der Schnittfrequenz, indem sie in allen drei Versuchsjahren ein, zwei und drei Mal beerntet wurden. Sämtliche übrige Kulturmaßnahmen wurden konstant gehalten. Im Wesentlichen sollte dieser Versuch Auskunft über den optimalen Schnittzeitpunkt hinsichtlich Ertrag und Qualität geben. Darüber hinaus sollten sich jedoch auch Schlüsse über das Regenerationsvermögen der Kultur ziehen lassen.

Der Gesamtmittelwert des Gehalts an Hederacosid C über alle Varianten, Wiederholungen und Versuchsjahre betrug 9,55 % in der Blatttrockenmasse und lag somit auf einem ähnlichen Ni-veau wie der Gesamtmittelwert des Herkunftsvergleichs. Die Mittelwerte der einzelnen Vari-anten über sämtliche Wiederholungen und Versuchsjahre variierten nur sehr wenig (Drei-Schnitt-Variante: 9,50 % , Zwei-Schnitt-Variante: 9,66 %, Ein-Schnitt-Variante: 9,49 %), was zeigt, dass das Schnittregime keinen ausgeprägten Einfluss auf den Gehalt an Hederacosid C in der Blattdroge hat.

Der Gesamtdurchschnitt des Blattertrags über alle Varianten, Wiederholungen und Versuchs-jahre betrug 88 g TM/m2. Verglichen mit den im Herkunftsvergleich ermittelten Ertragsdaten handelt es sich insgesamt um eine relativ niedrige Ertragsleistung. Bei allen drei Schnittregime-Varianten war der durchschnittliche Jahresertrag im dritten Versuchsjahr deutlich niedriger als in den beiden vorausgegangenen Versuchsjahren. Mit 104 g/m2 zeigte sich bei der Variante, in welcher ein einziger Schnitt Mitte September durchgeführt wurde die höchste Ertragsleistung.

Die Erkenntnisse aus den beschriebenen Versuchen wurden als Grundlage für Pilotanbauprojekte in verschiedenen Regionen genutzt. Dabei zeigte sich, dass der feldmäßige Anbau in Gegenden, die durch eher kontinentales Klima geprägt sind, keine befriedigenden Erträge abwirft. Infolge-dessen wurde weiterer Versuchsanbau in anderen Klimaregionen initiiert. Da das Gehölz Efeu unter Feldanbaubedingungen durch sehr langsame Bestandesentwicklung in der Anfangsphase charakterisiert ist, können hierzu noch keine abschließenden Aussagen getroffen werden.

Büechi, S., & Bolli, R. (2003). Efeu - Expectorans, Mukolytikum und Broncholytikum. Phytotherapie , S. 3; 19 - 22.

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Genetische Ressourcen, Züchtungsforschung und Züchtungsmethodik, Sortenschutz

Poster

103

Themenkreis C: Genetische Ressourcen, Züchtungsforschung und Züchtungsmethodik, Sortenschutz

Poster

CP 15

Untersuchungen zur Wirkung von Phytohormonen auf die Blühinduktion von Baldrian (Valeriana officinalis L.)

B. Honermeier, H. Heuberger und P. Doernfeld

Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung I, Justus-Liebig-Universität Gießen, Ludwigstraße 23, D-35390 Gießen, Email: [email protected]

Zusammenfassung

Die Kombination von 4-wöchiger Kältebehandlung mit der nachfolgenden Applikation von Phytohormonen führte beim Baldrian zur Ausbildung von Blütenständen mit kräftiger Seitenverzweigung. Die alleinige Hormonbehandlung (ohne Kältebehandlung) bzw. die alleinige kurzzeitige Kältebehandlung (ohne Hormone) hatte keine bzw. eine unzureichende Blühinduktion zur Folge. Die Applikation von Gibberellinsäure (GA3) war in dem durchgeführten Gefäßversuch insgesamt wirksamer als die Anwendung von trans-Kinetin und Indolessigsäure (IES).

Einleitung

Baldrian (Valeriana officinalis L.) ist eine traditionelle Arzneipflanze, bei der die Rhizome und Wurzeln (Valerianae radix) zur Herstellung von Extrakten genutzt werden, denen eine sedative und einschlaffördernde Wirkung zugesprochen wird (ESCOP 2003, Fernandez et al. 2004, Barton et al. 2011). Als bioaktive Komponenten der Wurzeln werden vor allem die Iridoidvalepotriate, die im ätherischen Öl vorkommenden Mono- und Sesquiterpene sowie Lignane (Hydroxypinoresinol) angesehen (ESCOP 2003, Wang et al. 2009). Zur Ausbildung eines Blütenstandes der winterannuellen Baldrianpflanze sind Vernalisationsreize mit anschließender Langtagsperiode erforderlich. In der Züchtung von Baldrian wird, ebenso wie bei anderen winterannuellen Kulturpflanzen, eine Beschleunigung der Pflanzenentwicklung unter Gewächshausbedingungen angestrebt, um somit die Zeitspanne bis zum Erreichen des Selektionserfolges zu vermindern. Das Ziel der durchgeführten Arbeiten bestand deshalb darin, den Einfluss von Kälte und Phytohormonen auf die Blühinduktion von Baldrian zu untersuchen, um daraus Empfehlungen für die beschleunigte Blühinduktion der Pflanzen im Rahmen laufender Züchtungsarbeiten abzuleiten.

Material und Methoden

Berichtet wird über einen Gefäßversuch, der im Phytotron Rauischholzhausen im Jahr 2010 mit zwei Baldrian-Herkünften (BLBP 42 und BLBP 46) der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung, durchgeführt wurde. Die Anzucht der Pflanzen erfolgte in Saatkästen (20 °C, Fruhstorfer Pflanzerde), danach Pikieren und zweimaliges Umsetzen der Pflanzen in Plastiktöpfe (0,75 bzw. 2 l/Gefäß) mit angepasster Wasser- und Nährstoffversorgung. Nach der Kältebehandlung der Pflanzen (8 bis 10 Blätter, 4

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Wochen, 4 °C, 8 Stunden Belichtung/Tag) erfolgte die Applikation der Phytohormone: Gibberellinsäure (GA3), trans-Zeatin (Cytokinin) und Indolessigsäure (IES). Die Hormone wurden am Apex der Baldrianpflanzen mit einem Netzmittel (Tween 20) und mit Hilfe eines Zerstäubers appliziert. Die Applikation der drei Hormone (GA3, Zeatin und IES) wurde sowohl mit als auch ohne vorherige Kältebehandlung (4 Wochen) durchgeführt. Zusätzlich erfolgte ein Vergleich mit zwei unbehandelten Kontrollvarianten (warme vs. kalte Klimaführung). Der Versuch wurde mit sechs Wiederholungen (randomisiert) durchgeführt.

Ergebnisse und Diskussion

Das Schossen der Pflanzen begann in der Variante „Kälte + GA3“ insgesamt 54 – 68 Tage (Herkunft BLBP 46) bzw. 61 – 68 Tage (BLBP 42) nach Ende der Vernalisationsphase. Das Erscheinen der Blütenknospen wurde in dieser Variante 77 – 105 Tage (BLBP 46) bzw. 81 – 111 Tage (BLBP 42) nach Ende der Vernalisation beobachtet und die Blüte setzte bei beiden Herkünften wiederum 10 – 20 Tage später ein. Auch in den Varianten „Kälte + Zeatin“ sowie „Kälte + IES“ wurde bei den Baldrianpflanzen eine Blüte induziert, die zeitlich etwas verzögert und ungleichmäßiger erfolgte als durch GA3. Ausdruck der Entwicklung des Blütenstandes ist die Ausbildung der Seitentriebe, deren Anzahl pro Pflanze nach der GA3-Behandlung (5,2 bzw. 5,5 Seitentriebe/Pflanze) deutlicher ausfiel als nach Zeatin (4,7 bzw. 5,3 Seitentriebe/Pflanze) und IES (3,5 bzw. 5,2 Seitentriebe/Pflanze). Die Kombination von 4 Wochen Kälte plus Hormonapplikation bewirkte eine wesentlich stärkere Verzweigung der Pflanzen als die Anwendung von Hormonen ohne vorherige Kältebehandlung. Zu Versuchsende erreichten die Baldrianpflanzen nach „Kälte + GA3“ eine Pflanzenlänge von 86 (BLBP 42) bzw. 145 cm (BLBP 46). Ähnliche Längen der Sprossachse wurden nach „Kälte + Zeatin“ (86 bzw. 118 cm) und nach „Kälte plus IES“ (103 bzw. 121 cm) gemessen. Ohne vorherige Kältebehandlung blieben die Phytohormone ohne Wirkung auf das Längenwachstum des Sprosses (30 – 45 cm). Auch die alleinige Kältebehandlung von 4 Wochen war in diesem Versuch nicht ausreichend, um das Längenwachstum und die Blüteninduktion der Baldrianpflanzen auszulösen.

Die Entwicklung und Blühinduktion von Pflanzen kann durch verschiedene, sowohl hemmende als auch stimulierende, endogene Wachstumsfaktoren beeinflusst werden. Eine stimulierende Wirkung auf die Pflanzenentwicklung wird vor allem den Cytokininen, Prostaglandinen und Gibberellinen zugesprochen (Wilmowicz et al. 2008). Auch in den durchgeführten Versuchen mit Baldrian konnte die hohe physiologische Wirksamkeit von Cytokininen, IES und Gibberellinen (GA3) für die Induktion der generativen Entwicklung der Pflanzen bestätigt werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass eine ausreichend lange Kältebehandlung juveniler Baldrianpflanzen (8 bis 10 Blätter) von etwa 8 Wochen (bei 4 °C) unter Kurztagsbedingungen (8 h/Tag) den gleichen Effekt erzielen würde. Mit der Applikation von GA3 kann diese Zeitspanne der Kältebehandlung jedoch deutlich verkürzt und eine vollständige Blüten- und Samenbildung induziert werden.

Literatur

Barton, D.L., Atherton, P.J., Bauer, B.A., Moore, D.F., Mattar, B.I., Lavasseur, B.I., Rowland, K.M., Zon, R.T., Lelindqwister, N.A., Nagargoje, G.G., Morgenthaler, T.I., Sloan, J.A., Loprinzi, C.L., 2011: The use of Valeriana officinalis (Valerian) in improving sleep in patients who are undergoing treatment for cancer: a phase III randomized, placebo-controlled, double-blind study (NCCTG Trial, N01C5). J. Support. Oncol. 9 (1):24-31. ESCOP, 2003: ESCOP Monographs. Thieme-Verlag, 2nd Edition. Fernandez, S., Wasowski, C., Paladini, A.C., Marder, M. 2004: Sedative and sleep-enhancing properties of linarin, a flavonoid-isolated from Valeriana officinalis. Pharmacol. Biochem. Behav. 77 (2):399-404, 2004.

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Poster

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Wang, P.C., Hu, J.M., Ran, X.H., Chen, Z.Q., Jiang, H.Z., Liu, Y.Q., Zhou, J., Zhao, Y.X, 2009: Iridoids and sesquiterpenoids from the roots of Valeriana officinalis. J. Nat. Prod. 72 (9):1682-1685. Wilmowicz, E., Kesy, J., Kopcewicz, J., 2008: Ethylene and ABA interaction in the regulation of flower induction in Pharbitis nil. Journal of Plant Physiology 165:1917-1928.

CP 16

Gelingt die Erzeugung doppelt-haploider Pflanzen in Melisse (Melissa

officinalis L)?

Is it possible to produce double haploids in lemon balm (Melissa officinalis L)?

U. Kästner, J. Kittler und F. Marthe

Institut für Züchtungsforschung an gartenbaulichen Kulturen und Obst – Quedlinburg (ZGO-Q), Julius Kühn-Institut (JKI), Erwin-Baur-Str. 27, D-06484 Quedlinburg, [email protected]

Zusammenfassung

In einem Projekt zur Haploidenerzeugung von Zitronenmelisse (Melissa officinalis L) wird ver-sucht, über Kultur von Antheren, Mikrosporen, Fruchtknoten und Samenanlagen Embryoide oder Kallus zu erzeugen, aus denen haploide bzw. DH-Pflanzen erzeugt werden sollen. In bisher angelegten Kulturen von Antheren konnten nur zwei sporophytische Entwicklungstadien gefunden werden, Samenanlagen zeigten keine Differenzierung.

Summary

Within a project for creation of haploids in lemon balm (Melissa officinalis L) we intend to develop callus or embryoids by culture of anthers, microspores, ovaries and ovule. Haploid or doubled haploid plants should be created, respectively. Only two sporophytic developmental stages have been observed in cultures of anthers. Ovaries were without differentiation.

Einleitung

Im Rahmen des Demonstrationsprojektes „Verbesserung der internationalen Wettbewerbsposi-tion des deutschen Arznei- und Gewürzpflanzenanbaus am Beispiel der züchterischen und anbautechnologischen Optimierung von Kamille, Baldrian und Zitronenmelisse“ soll in einem Projekt mit dem Titel „Entwicklung eines Verfahrens für die Zitronenmelisse (Melissa officinalis L) zur Erzeugung von Doppelhaploiden und Suche nach Elementen für die Schaffung eines Systems zur Befruchtungsregulierung auf der Grundlage männlicher Sterilität“ versucht werden, homozygote Pflanzen zu schaffen und in einem Screening männliche Sterilität zu finden. Im Erfolgsfall werden die Ergebnisse zu einer beschleunigten Schaffung homozygoter Linien führen und über das genannte Ziel hinaus Möglichkeiten zur Kreuzung winterharter und ölreicher Typen eröffnen.

International liegen keine Erfahrungen zur Haploidenerzeugung in Melisse vor, deshalb sollen sowohl die Kultur von Antheren und isolierten Mikrosporen als auch die Samenanlagen- und Fruchtknotenkultur einbezogen werden. Laut FERRIE (2007) wurden bei nur 3 von 14 unter-suchten Arzneipflanzenarten Schwellungen in Mikrosporenkulturen gefunden. Erste Erfolge bei

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der Haploidenerzeugung für Labiatae gab es bei der Antherenkultur von Salbei (Salvia sclarea) (BUGARA et al. 1986). Es wird die Entwicklung von Embryoiden beschrieben, die jedoch nicht zu Pflanzen regeneriert werden konnten.

Material und Methoden

Pflanzen für die in vitro Kulturen wurden aus der nach Quedlinburg überführten Melisse-Sammlung der Bayrischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) nach der im Vorfeld beobach-teten Winterhärte ausgewählt (BOMME u.a. 2008). Aussagen zur Gewebekulturfähigkeit dieser Genotypen liegen nicht vor.

Auf Grund der schweren Vergleichbarkeit von Versuchsvarianten durch täglich unterschiedliche Wetter- bzw. Umwelteinflüsse, der hohen Belastung mit Bakterien und Pilzen bei Freiland-material und der ganzjährigen Nutzbarkeit von Knospen unter künstlichen Bedingungen wurde Pflanzenmaterial in Gewächshaus und Klimakammer überführt.

Nach der Ermittlung des Entwicklungsstadiums der Knospen im Verhältnis zum geeigneten spä-ten Einkernstadium der Pollenentwicklung wurden die Antheren auf künstlichem Nährmedien in

vitro kultiviert. Unterschiedliche Temperaturführungen zu Beginn der Kultur (1 Tag 35 °C, 3 Tage 30 °C) und verschiedene Zusammensetzungen des B5-Nährmediums (GAMBORG et al. 1968) mit Zusätzen von Phytohormonen und Aminosäuren wurden für zehn Pflanzenklone ge-testet. Die Entwicklung des Pollens wurde mikroskopisch und makroskopisch ausgewertet. Für die Untersuchung der kultivierten Antheren auf sporophytische Entwicklung wurde Material fixiert und mit Karminessigsäure angefärbt.

Samenanlagen wurden bisher von einem Genotyp auf agarverfestigtes Nährmedium übertragen und kultiviert.

Ergebnisse

Vom Freilandmaterial wurden 13.440 Antheren und vom Gewächshaus- bzw. Klimakammerma-terial von hauptsächlich einem blühenden Pflanzenklon 7.260 Antheren in Kultur genommen.

Die im Berichtszeitraum ausgewerteten Versuche erbrachten keine Ergebnisse hinsichtlich der unterschiedlichen Kulturbedingungen, da lediglich sporophytische Teilungen von zwei Mikro-sporen und keine Entwicklung in den Samenanlagen gefunden wurden. Kallus- oder Embryoid-bildungen konnten bisher nicht beobachtet werden.

Erste Samenanlagen (2.150) wurden in Kultur genommen. Das Präparieren erwies sich als zeit-aufwendig. Außer kallusartigen Schwellungen an der Schnittstelle, die sich bei einigen Samenan-lagen bildeten, wurden keine Entwicklungen festgestellt.

Diskussion

Um Blütenknospenentwicklung zu induzieren wurden verschiedene Temperaturführungen getestet, Vernalisationszeiten eingeschoben sowie Gibberellinsäurebehandlungen durchgeführt. Bislang ist nur bei einem der zehn Genotypen die Entwicklung von Knospen zu verzeichnen. Die Gibberellinsäurebehandlung bewirkte Streckungswachstum in Abhängigkeit von der verwendeten Konzentration, Aussagen über eventuelle Blühinduktion stehen noch aus.

Die Eignung verschiedener Nährmedien und Kulturbedingungen für eventuelle Regeneratpflan-zen und deren Bewurzelung wird vorab durch Etablierung von Melissepflanzen in vitro getestet. Dazu wurden erfolgreich Stängelstücke und Sproßspitzen aus dem Gewächshaus in Kultur genommen.

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Poster

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Wegen fehlender Blütenbildung in Gewächshaus und Klimakammer wurden noch keine Ver-suche zur Fruchtknoten- und Mikrosporenkultur angelegt. Mikrosporenkultur wird entsprechend der Protokolle von KIM et al. (2008) und LANTOS et al. (2009) vorbereitet. Bei Blühbeginn werden in die Versuche zur Haploidenerzeugung weitere Genotypen einbezogen. Kühlvorbe-handlung soll als weitere Variante zur Induktion der sporophytischen Entwicklung der Mikro-sporen getestet werden. Auch aus der Literatur bekannte andere Nährmedien oder Zusätze wie Aktivkohle bieten weitere Möglichkeiten für eine erfolgreiche Haploidenproduktion in den noch zur Verfügung stehenden zwei Jahren Projektlaufzeit.

Literatur

Bomme, U., Pank, F., Rinder, R., 2008: Rosmarinsäuregehalt und Winterhärte bei Zitronenme-lisse (Melissa officinalis L.) - Ergebnisse aus einer großen Sortimentsprüfung. Z. Arzn. Gew. Pfl., 13, 65-71.

Bugara, A.M., Rusina, L.W., Resnikowa, S.A., 1986: Embryoidogenesis in anther culture of Salvia sclarea. Physiol Biochem Cult Plants (Fiziologiia I Biokhimiia Kulturnykh Rastenii), 18, 381–386.

Ferrie, A.M.R., 2007: Doubled haploid production in nutraceutical species: a review. Euphytica 158, 347-357.

Gamborg, O.L., Miller, R.A., Ojima, O., 1968: Nutrient requirements of suspension cultures of soybean root cell. Exp. Cell Res. 50, 151–158.

Kim, M., Jang, I.-C., Kim, J.-A., Park, E.-J., Yoon, M., Lee, Y., 2008: Embryogenesis and plant regeneration of hot pepper (Capsicum annuum L.) through isolated microspore culture. Plant Cell Rep. 27, 425-434.

Lantos, C., Juhász, A.G., Somogyi, G., Ötvös, K., Vági, P., Milhály, R., Kristóf, Z., Somogyi, N., Pauk, J., 2009: Improvement of isolated microspore culture of pepper (Capsicum

annuum L.) via co-culture with ovary tissues of pepper or wheat. Plant Cell Tiss. Org. Cult. 97, 285-293.

Die Arbeiten erfolgen im Rahmen eines von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) geförderten Projektes im Rahmen des Förderschwerpunktes „Verbesserung der internationalen Wettbewerbsposition des deutschen Arznei- und Gewürzpflanzenanbaus am Beispiel der züchte-rischen und Anbautechnologischen Optimierung von Kamille, Baldrian und Zitronenmelisse (KAMEL)“.

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CP 17

Chemische Diversität Glucosinolat-haltiger Pflanzenarten

B. Mikus-Plescher1), K.-H. Goos2), A. Plescher1) und S. Thust1) 1) PHARMAPLANT GmbH Westbahnhof 4, 06566 Artern, [email protected], 2) Repha Biologische Arzneimittel GmbH, Alt Godshorn 87, 30855 Langenhagen

Zusammenfassung

135 Pflanzenakzessionen aus 48 Arten der Familie der Kreuzblütengewächse (Brassicaceae) wurden hinsichtlich der Gesamtglucosinolatgehalte und der jeweiligen Leitglucosinolate gescreent. Die Samen haben im allgemeinen deutlich höhere Gesamtglucosinolatgehalte (4,5 bis 134,7 mg/g TS) als die oberirdischen Pflanzenteile (2,5 bis 48,0 mg/g TS). Der höchste Gehalt wurde in Samen der Gartenkresse (Lepidium sativum ssp., bis zu 15% Glucotropaeolin i.d. TS) gefunden. Von den untersuchten Wurzelproben hatte Maca (Lepidium peruvianum) mit 71,4 mg Glucotropaeolin / g TS den höchsten Glucosinolatgehalt. Die den Verzehrgewohnheiten entsprechenden Kohlgemüsearten haben gegenüber Wildpflanzen relativ geringe Gehalte, wobei es große Unterschiede zwischen den Sorten gibt, aber auch das Glucosinolatspektrum (Leitglucosinolate) ist sortenabhängig. Das Vorkommen von Glucosinolaten ist nicht auf die Pflanzenfamilie der Brassicaceae beschränkt. Beispielsweise hat auch Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus L.) relativ hohe Glucosinolatgehalte im blühenden Kraut.

Einleitung

Glucosinolate sind Organoschwefelverbindungen und werden wegen ihrer ernährungsphysiologischen und auch nutzbaren therapeutischen Wirkungen zu den Phytaminen gezählt. Bislang sind über 120 verschiedene Glucosinolate beschrieben worden, davon gelten 18 als Hauptglucosinolate in Kohlgemüsearten. Die physiologischen Effekte werden auf die Abbauprodukte, Thiocyanate, Nitrile und Isothiocyanate zurückgeführt, die nach Einwirkung der phytogenen Myrosinase entstehen. Die Myrosinase-vermittelten Abbauprodukte einiger Glucosinolate haben antibiotische / antivirale und kanzeroprotektive Wirkungen.

Ziel der Arbeiten war die Evaluierung einer großen Anzahl glucosinolathaltiger Pflanzenarten zur eventuellen Nutzbarmachung für die menschliche Ernährung oder phytotherapeutische Ansätze.

Material und Methoden

Saatgut zur Anzucht von Pflanzen für das Screening in Feldversuchen wurde teils direkt an Wildstandorten in Mittel- und Nordeuropa gesammelt sowie über Genbanken, Handelsfirmen und Züchter bezogen.

Feldversuche: 80 Pflanzenakzessionen aus 48 ausgewählten Arten wurden in Parzellenversuchen im Zuchtgarten Arten von 2004 bis 2007 kultiviert. Zusätzliches Frischpflanzenmaterial von 55 verschiedenen Gemüsearten/sorten wurden dankenswerterweise von der LLFG Erfurt und dem Bundessortenamt Dachwig zu Verfügung gestellt. Pflanzenprobenmaterial (24 Pflanzen/ Population) wurde nach maschineller Zerkleinerung schonend bei Temperaturen zwischen 25 und 30°C getrocknet. Bei 30 Gemüsesorten erfolgte zudem vor der Trocknung eine Trennung in verschiedene Pflanzenorgane.

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Poster

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Analytische Methoden: Die Glucosinolate wurden nach der DIN 9167-1:1995 extrahiert, gereinigt, desulfatiert und mittels HPLC analysiert.

Zur Sicherstellung der ermittelten Ergebnisse wurden bei ausgewählten Proben einige Glucosinolate direkt unter Verwendung von Reinsubstanzen bestimmt und ein Abgleich erfolgte mit der Methode der Firma REPHA GmbH.

Ergebnisse

Nachfolgend werden einige der gescreenten Pflanzenarten nach den gefundenen Leitglucosinolaten aufgeführt:

Sulfur-Glucosinolate

Glucoraphanin: Brassica oleracea convar. capitata var. rubra Rotkohl – Kopfblätter; Brassica

oleracea var. italica, Broccoli - Knospen, Samen; Diplotaxis tenuifolia Rucola Wilde Rauke - Kraut, Samen; Eruca vesicaria ssp. sativa „Rucola“ – Saatölrauke - Kraut, Samen;

Glucoiberin: Brassica oleracea var. botrytis subvar. cauliflora Blumenkohl – Umblätter; Brassica oleracea convar. capitata var. rubra Rotkohl – Kopfblätter; Brassica oleracea convar.

capitata var. sabauda Wirsing – Kopfblätter; Brassica oleracea var. italica, Broccoli - Knospen, Samen; Iberis amara- Schleifenblume - Kraut;

Alipathische Glucosinolate

Sinigrin: Alliaria petiolata Knoblauchsrauke – Samen;Armoracia rusticana Meerrettich – Blätter, Wurzeln; Brassica oleracea var. botrytis subvar. cauliflora Blumenkohl – Knospen; Brassica oleracea convar. capitata var. alba Weißkohl - Kopfblätter; Brassica oleracea var.

gemnifera Rosenkohl – Rosen, Blätter, Stängel; Brassica oleracea convar. capitata var. sabauda Wirsing – Kopfblätter; Brassica oleracea var. sabellica Grünkohl – Blätter; Brassica nigra

Schwarzer Senf – Samen; Diplotaxis erucoides Rauken- Doppelsame - Kraut, Samen; Descuraina sophia Sophienkraut – Kraut; Lepidium latifolium Breitblättrige Kresse – Kraut; Raphanus sativus Mairrettich – Wurzeln; Raphanus sativus var.nigra Schwarzer Winterrettich - Wurzeln; Thalpsi arvense Ackerhellerkraut - Samen

Gluconapin: Brassica rapa var. cymosa Stängel/Knopsenkohl - Kraut; Brassica rapa var.

cymosa Spargelbroccoli – Kraut; Brassica rapa var. japonica Mizuna- Kraut;

Progoitrin: Brassica oleracea var. oleracea Helgoländer Wildkoh - Kraut, Samen;

Aromatische Glucosinolate

Glucotropaeolin: Lepidium peruvianum Maca - Wurzeln; Lepidium sativum Gartenkresse – Kraut Samen; Tropaeolum majus var. Kapuzinerkresse - Kraut, Samen

Sinalbin: Sinapis alba Weißer Senf - Samen

Gluconasturtiin: Barabarea verna Frühlingsbarbara-Kraut, Samen; Nasturtium officinale

Brunnenkresse – Kraut

4-Hydroxyglucobrassicin: Sisymbrium officinalis, Wegrauke - Kraut

Glucobrassicin: Brassica oleacea ssp., Irischer Blätterkohl; Brassica oleracea convar. capitata

var. rubra Rotkohl – Kopfblätter, Brassica oleracea convar. capitata var. sabauda Wirsing – Kopfblätter; Brassica oleracea var. oleracea Helgoländer Wildkohl – Kraut; Brassica oleracea

var. sabellica Grünkohl – Blätter; Rorippa sylvestris Sumpfkresse – Kraut

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Literatur

Fahey J.W, Zalcmann A.T:, Talalay P.2001: The chemical diversity and distrubtion of glucoinolates ans isothiocyanates among plants. Phytochemistry 56: 5-51 Metz, G. 2000: Glucosinolate- Scharfmacher mit Profil. Pharmazeutische Zeitschrift 44:

Danksagung:

Die Untersuchungen werden durch den Freistaat Thüringen finanziell unterstützt. Die Autoren bedanken sich beim Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz sowie bei der Thüringer Aufbaubank für die Förderung des Vorhabens.

CP 18

Phänotypische, inhaltsstoffliche und karyologische Variabilität innerhalb ausgewählter Herkünfte von Baldrian (Valeriana officinalis L.)

B. Mikus-Plescher1), H.-J. Hannig2) und A. Plescher1) 1) PHARMAPLANT GmbH, Am Westbahnhof 4 , 06566 Artern, [email protected], 2) MARTIN BAUER GmbH & Co.KG, Dutendorfer Str. 5-7, 91487 Vestenbergsgreuth

Zusammenfassung

Es wurde die Variation von Wurzeldrogenertrag, ätherischem Öl- und Gesamtvalerensäuregehalt innerhalb von 3 ausgewählten Akzessionen untersucht. Die mittleren Variationskoeffizienten für die geprüften Merkmale lag bei den drei Herkünften über 25%. Bei der Merkmalsausprägung aller untersuchter Einzelpflanzen wurden folgende maximale Variationsbreiten bestimmt: Wurzeldrogenertrag 42 bis 392 g/Pflanze, ätherischer Ölgehalt 0,26 bis 2,08%, Gesamtvalerensäuregehalt 0,08 bis 0,73%.

Karyologische und molekulargenetische Untersuchungen bestärken die Vermutung, dass es sich, insbesondere bei der Herkunft 3, um keine genetisch einheitliche Population handelt und es warscheinlich zu Einkreuzungen mit anderen Akzessionen gekommen ist. Aus den Ergebnissen der Prüfung von in-vitro klonierten Pflanzen der ersten Inzuchtgenerationen ergeben sich Hinweise darauf, dass die Heritabilität für das Merkmal `Gesamt-valerensäuregehalt` größer ist als das für `ätherisches Öl`oder den `Wurzeldrogenertrag`.

Einleitung

Aufgrund seiner guten Verträglichkeit wird der Baldrian in der heutigen Phytomedizin als mildes Sedativum bei den verschiedensten nervösen Beschwerden bevorzugt eingesetzt. Die für die Wirkung verantwortlichen Inhaltsstoffe der Baldriandroge sind noch immer nicht aufgeklärt. Gegenwärtig stehen neben dem ätherischen Öl u.a.. die Sequiterpensäuren (Valerensäure und deren Derivate) im Blickpunkt. Die Cyclopentan- Sequiterpensäuren sind charakteristische Inhaltsstoffe des offizinellen Baldrian, die in anderen außereuropäischen Arten nicht vorliegen. Daher eignen sie sich als Leitsubstanzen für Zubereitungen aus offizinellen Baldrian.

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Poster

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Material und Methoden

Saatgut der Herkunft H1 wurde unter der Bezeichnung „Arterner Selektion“ von der PHARMASAAT GmbH erworben, die Herkünfte H2 und H3 gehen zurück auf die publizierten Herkünfte BLBP 19 und 20 der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft und Bodenkultur.

Feldversuche: Einzelpflanzenuntersuchung bei drei Herkünften (50 bis 600 Pflanzen / Population)

In-vitro-Klonierung der ersten Inzuchtgeneration von selektierten Elitepflanzen über sterilisierte Samen und Aufpflanzung im Versuchsfeld

Ermittlung des Wurzeldrogenertrages nach jeweils 6 monatiger Kultivierungszeit, nach manuellem Waschen und Trocknung der Proben bei 30 °C

Biochemische Untersuchung: Bestimmung des ätherischen Öl- und Gesamtvalerensäuregehaltes nach PharmEur. 6.0 durch die Firma Phytolab

Karyologische Untersuchungen: Flowcytometrische Messung zur Bestimmung der Ploidiestufen durch die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft

Molekular-genetische Identifizierung von genetischen Distanzen mittels RAPD Primer und Mikrosattelitenmarker durch Herrn Prof. Novak, Veterinärmedizinische Universität Wien

Ergebnisse

Variation innerhalb der Herkünfte

Alle drei Herkünfte mit einem Variationskoeffizienten (CV) von über 25 % im Mittel der untersuchten Merkmale `Wurzeldrogenertrag`, `ätherisches Öl` und `Gesamtvalerensäure` sind als inhomogen einzustufen (Abb. 1). Die Höhe der Variabilität ist abhängig vom untersuchten Merkmal und der jeweiligen Akzession.Von 400 phänotypisch untersuchten Einzelpflanzen der Population H2 zeigten nur maximal 5% der Pflanzen die gleiche Blattmorphologie im ersten Standjahr. Bei der Merkmalsausprägung aller Einzelpflanzen wurden folgende, maximale Variationsbreiten bestimmt: Wurzeldrogenertrag 42 bis 392 g/Pflanze, ätherischer Ölgehalt 0,26 bis 2,08%, Gesamtvalerensäuregehalt 0,08 bis 0,73%.

Variation in der ersten Inzuchtgeneration und Heritabilitäten

Der CV aller Pflanzen der ersten Inzuchtgeneration von selektierten Elitepflanzen der Akzession H3 lag beim Merkmal `Gesamtvalerensäuregehalt` mit 25 % niedriger als bei der Ursprungs-population mit 37 %. Dabei verhielten sich die geprüften I1-Nachkommenschaften der selektier-ten Mutterpflanzenlinien recht unterschiedlich in Bezug auf die chemo- und phänotypische Ho-mogenität. Berechnungen zur Heritabilität weisen darauf hin, dass die Erblichkeit für das Merk-mal `Gesamtvalerensäure` höher liegt als für den Parameter `ätherisches Öl`.

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0 10 20 30 40 50

Wurzel-drogenertrag

Ätherischer Ölgehalt

Gesamt valerensäure

CV [%]

H3

H2

H1

Abb.1: Variationskoeffizienten der Pflanzen dreier Herkünfte und Merkmale, Wurzeldrogen-ertrag: H1 n = 24, H2 n= 159, H3 n= 159; Ätherisches Öl- und Gesamtvalerensäure: H1 n = 10, H2 n= 120, H3 n= 78

Karyologische Untersuchungen und molekular -genetische Diversität

Die Ausbildung verschiedener Ploidiestufen, die für den Formenkreis von Valeriana officinalis typisch ist, findet sich auch bei den untersuchten Herkünften wieder. Bei der sehr inhomogenen Herkunft 3 wurden mehrere Ploidie- sowie Aneuploide-Stufen gefunden (4x, 4-5x, 6x). Untersuchungen zur genetischen Typisierung bestärken die Vermutung, dass es sich vor allem bei der Herkunft H3 um keine einheitliche Population handelt und es warscheinlich zu Einkreuzungen mit anderen Akzessionen gekommen ist.

Literatur

Klatte-Asselmeyer, V.,Bressler, S., Saukel, J., Dobes, C. 2010: Valeriana officinalis agg. In western Austria – morhological and karyological diversification- Univerity of Vienna Department of Pharmacognocy- Posterpräsentation

CP 19

Somatische Embryogenese an Blütenexplantaten von Actea racemosa L. (syn. Cimicifuga racemosa (L.) Nutt.)

I. Pinker, A.-M. Gäde und R. Schenk

Humboldt-Universität zu Berlin, Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät, LFG Gärtnerische Pflanzensysteme, FG Acker- und Pflanzenbau, Lentzeallee 75, D-14195 Berlin

Einleitung

Actea racemosa L. (syn. Cimicifuga racemosa (L.) Nutt.) gewinnt als Heilpflanze immer stärker an Bedeutung. Damit steigt auch das Interesse, diese Pflanze anzubauen. Eine Voraussetzung für den feldmäßigen Anbau ist die Bereitstellung von Jungpflanzen hoher Qualität. Cimicifuga

racemosa hat wie viele Vertreter der Ranunculaceae im reifen Samen nur einen unterentwickelten Embryo, der zwei Phasen der Keimruhe durchläuft (BASKIN und BASKIN,

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Poster

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1985). Dadurch wird die Keimung ein zeitaufwendiger, meist zweijähriger Prozess. Über die Aufspaltung der Eigenschaften in den Sämlingsnachkommenschaften ist bisher nur wenig bekannt.

Interessante Klone für den Anbau sollten deshalb mittels vegetativer Methoden aufgebaut werden. Eine besondere Form der vegetativen Vermehrung ist die Bildung somatischer Embryonen in der In-vitro-Kultur. Für Cimicifuga konnte ein solches Verfahren erfolgreich entwickelt werden (PINKER und SCHENK, 2007). Es wurden dafür jedoch Sämlingsexplantate verwendet, die eine besonders hohe embryogene Potenz haben. Das hat den Nachteil, dass die Eigenschaften dieser Ausgangspflanzen nicht bekannt sind und eine Selektion wertvoller Genotypen erst nach der Vermehrung stattfinden kann. Es wurde nun versucht, die an Sämlingsexplantaten entwickelte Methode auf Blütenexplantate zu übertragen. Damit könnten definierte Mutterpflanzen gezielt verklont werden, ohne diese zu beeinträchtigen. Es wurden nun erste Versuche unternommen, somatische Embryogenese an Blütenständen, Blüten, Staubblättern und Fruchtknoten auszulösen.

Material und Methoden

Das Ausgangsmaterial für die Experimente wurde von 11 Genotypen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Alters im Zeitraum vom 1. Juni bis 15. Juli 2010 gewonnen. Es wurden Segmente von unreifen Blütenständen, halbierte Knospen, isolierte Staubblätter und Fruchtknoten verwendet.

Es konnte ein effektives Desinfektionsverfahren entwickelt werden. In Abhängigkeit vom Explantattyp konnte bis zu 95% steriles Material gewonnen werden, wenn mit 0,3% HgCl2 für 3 min desinfiziert wurde.

In allen Experimenten wurde mit einem modifiziertem Medium nach MURASHIGE und SKOOG (1962, MS) gearbeitet. Die Induktion der somatischen Embryonen erfolgte in Petrischalen auf einem MS-Nährmedium mit 1 mg/l 2,4 D. Auf diesem Medium wurden die Explantate für 3 bis 4 Monate bei 24°C im Dunkeln kultiviert.

Danach wurden die kallusbildenden Explantate erneut auf dieses Medium überführt und weiter kultiviert. Wenn sich reife somatische Embryonen gebildet hatten, wurden sie auf ein hormonfreies MS-Nährmedium mit 0,25% Aktivkohle umgesetzt.

Insgesamt wurden 346 Petrischalen mit mindestens je 10 Explantaten angefertigt.

Ergebnisse und Diskussion

Die Blütenstandssegmente und die geteilten Blütenknospen zeigten keine Entwicklung und starben nach einigen Wochen ab. Die Stamen erwiesen sich als die geeignetsten Explantate. Auf dem Kallusinduktionsmedium entwickelten sich innerhalb von 4 bis 8 Wochen Kalli an den Stamen. Die Zeit, die zur Kallusinduktion an den Stamen benötigt wird, scheint deutlich länger zu sein als bei den Hypokotylsegmenten. Die Quote kallusbildender Stamen erreichte maximal 41%. Das ist im Vergleich zu den bis zu 100% kallusbildenden Hypokotylsegmenten (PINKER und SCHENK 2007) noch zu verbessern. Das häufig zu beobachtende Filamentlängenwachstum zeigt, dass die Stamen vital sind. Ein geringer Prozentsatz dieser Kalli bildete somatische Embryonen. Auch dieser Prozess dauert bei den Stamen länger als bei den Hypokotylsegmenten. Hier sind weitere Untersuchungen zur Optimierung des Mediums für die Induktion von somatischen Embryonen an Stamen erforderlich.

Die Untersuchungen zeigten, dass bei Cimicifuga die Bildung somatischer Embryonen auch an Blütensegmenten ausgelöst werden kann. Damit könnte erstmals der Weg einer Verklonung ausgewählter Genotypen beschritten werden. Die Untersuchungen zeigen aber auch, dass ein

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6. Fachtagung Arznei- und Gewürzpflanzen, 19. – 22.9.2011, Berlin

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beträchtlicher Einfluss des Genotyps zu erwarten ist. Weitere Untersuchungen zur Optimierung des Verfahrens sind in Arbeit.

Literatur

BASKIN, J M; C.C. BASKIN, 1985: Epicotyl dormancy in seed of Cimicifuga racemosa and Hepatica acutiloba. Bulletin of the Torrey Botanical Club, 112 (3), S.253-257

MURASHIGE, T.; F. SKOOG, 1962: A revised medium for rapid growth and bioassay with tobacco cultures. Physiol. Plant. 15, 473-479.

PINKER I., R. SCHENK: Somatic embryogenesis in Cimicifuga racemosa. Acta Hort. 764, 265 – 270, 2007

Wir danken der Fa. Bionorica SE für die Unterstützung dieses Projektes.

CP 20

Chinesisches Süßholz, (Glycyrrhiza uralensis/inflata/glabra) als Arznei- und Rohstoffpflanze - eine botanische Charakterisierung

R. Rinder1), G. Heubl2) und H. Heuberger1) 1) AG Heil- und Gewürzpflanzen, Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Am Gereuth 2, 85354 Freising, [email protected], 2) Institut für Systematische Botanik, Ludwig-Maximilians-Universität München, Menzinger Str. 67, 80638 München

Einleitung

Die Gattung Glycyrrhiza L. (Süßholz) gehört zur Familie der Fabaceae und umfasst ca. 20 Arten (ANONYM 2011a), die im gemäßigten und subtropischen Asien, in Australien, Amerika und im Mittelmeergebiet vorkommen. Bei den meisten Taxa handelt es sich um ausdauernde, oft drüsig behaarte Kräuter oder Halbsträucher mit unpaarig gefiederten Blättern, kleinen hinfälligen Nebenblättern, achselständigen, sitzenden oder gestielten Trauben und kurzen, linealischen oder eiförmigen Hülsen mit nierenförmigen oder kugeligen Samen.

Im Europäischen und Chinesischen Arzneibuch (PH.EUR. 2008, PH.CH. 2005) sind nur die Arten G. glabra L., G. inflata Batalin und G. uralensis Fisch. als Stammpflanzen für Liquiritiae radix (Süßholzwurzel) beschrieben. Andere, nicht süße Glycyrrhizaarten, besonders G. lepidota Pursh und die Giftpflanze Abrus precatorius L. gelten als Verfälschungen (HÄNSEL et al.

1993).

Im Handel wird selten zwischen den einzelnen Arten unterschieden, was sich in einer entsprechenden Heterogenität der verfügbaren Wurzeldrogen niederschlägt. Oftmals wird nur nach Herkunftsländern oder nur zwischen geschälter und ungeschälter Ware unterschieden.

Die zunehmende Zahl von Arzneirezepturen in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) in Deutschland, sowie das steigende Verbraucherinteresse an regionaler und nachhaltiger Produktion, belebt auch die Nachfrage für in Bayern kultiviertes Süßholz wieder.

Um Verwechslungen bereits im Mutterpflanzenquartier, das der Selektion und Vermehrung von Pflanzen für den späteren Anbau dient, zu vermeiden, ist es unerlässlich die bezogenen

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Genetische Ressourcen, Züchtungsforschung und Züchtungsmethodik, Sortenschutz

Poster

115

Herkünfte an Hand phytochemischer (DC, HPLC) und molekularbiologischer Methoden (DNA-Sequenzanalyse) zu überprüfen. Neben einer genauen Absicherung der Identität, ist es zweckmäßig, eine botanische Beschreibung der oberirdischen, vegetativen und generativen Pflanzenteile zur Bestimmung und Kontrolle im Feld an der Hand zu haben.

Material und Methoden

Auf der Suche nach geeigneten Herkünften für klimagerechten Anbau in Bayern wurde Samenmaterial von 22 Herkünften (aus Genbanken, Samenfachhandel und Instituten) beschafft und ausgesät. Von weiteren zwei Herkünften wurden Klon- bzw. Einzelpflanzen bezogen. Aus Blattproben aller Herkünfte wurde am Institut für Systematische Botanik der Ludwig-Maximilians-Universität München DNA isoliert und ein nukleärer Marker (ITS-Region) sequenziert und mit verfügbaren Daten aus der NCBI-GenBank (BENSON et al. 2005) abgeglichen. Die Jungpflanzen (24 Herkünfte) wurden im neu angelegten Mutterpflanzenquartier auf der Versuchsstation Baumannshof der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Forstwiesen, Lkr. Ingolstadt, aufgepflanzt. Die botanische Charakterisierung der Herkünfte im Feld beinhaltete neben dem Pflanzenhabitus (niederliegend oder aufrecht), weitere vegetative Merkmale wie Gestalt der Nebenblätter, Stängelbehaarung und Vorkommen von Drüsen, Zahl, Form und Farbe der Fiederblättchen sowie Tüpfelung der Blattoberseite. Da die Pflanzen im ersten Jahr vegetativ bleiben, konnte eine botanische Bestimmung, zu der in den Florenwerken überwiegend die Blüten- und Fruchtmerkmale herangezogen werden, nicht erfolgen. Alle erfassten morphologischen Merkmale wurden mit der taxonomischen Einordnung basierend auf den DNA-Sequenzanalysen verglichen.

Ergebnisse und Diskussion

Beim Vergleich der ermittelten DNA-Sequenzen der nukleären ITS-Region der Glycyrrhiza-Herkünfte mit jenen aus der NCBI-GenBank (BENSON et al. 2005), entsprachen 4 von 24 Herkünften nicht den deklarierten Arten G. glabra L., G. inflata Batalin, G. uralensis Fisch. sondern Sophora chrysophylla L. (1x) und G. echinata L. (3x). Sieben Herkünfte wurden als G.

uralensis Fisch. identifiziert, sieben weitere als G. glabra L. und vier als vermeintliche Hybriden (G. uralensis x G. glabra). Zwei Herkünfte konnten nicht ausgewertet werden. G. inflata L. war nicht vertreten.

Botanische Charakterisierung im vegetativen Bereich:

G. uralensis: Blätter eiförmig (Verhältnis L:B <2:1) am Rand wellig, getüpfelt, kurz gestielt, Primärblatt nach den Keimblättern rel. spät entfaltet, in der Regel dunkel, blaugrün und glänzend, mit spärlicher Behaarung auf den Blattnerven. Wuchs gedrungen und ausgebreiteter als bei G. glabra. Drüsen an den Sprossachsen, auf der Blattober- (weniger) und -unterseite kugelig oder gestielt hervorstehend, Stängel bei Kontakt sehr klebrig.

G. glabra: Blätter schmal, elliptisch (Verhältnis L:B >2:1), ganzrandig, selten getüpfelt, länger gestielt, im Vergleich zu G. uralensis eher hellgrün und matt, (Farbeindruck nur im größeren Bestand erkennbar), Wuchs aufrecht, Stängel und Blattnerven mit stärkerer Behaarung, Blattunterseite im Sonnenlicht kristallin glänzend und bei Kontakt klebrig, leicht behaart, kaum differenzierbare Drüsen auf Blattunterseite infolge Drüsenausscheidungen.

G. uralensis x G. glabra: Blätter, Stängel, Drüsen und Behaarung zeigen alle Übergangs- und Mischformen der beschriebenen Merkmale von G. uralensis und G. glabra.

Die analysierten Blattmerkmale entsprachen den Bestimmungsschlüsseln aktueller Florenwerke (ANONYM 2011a, 2011b, 2011c). Die in Hagers Handbuch beschriebenen „drüsigen Stacheln“ der Blätter (HÄNSEL et al. 1993) konnten nur bei G. uralensis Fisch. gefunden werden. Sobald

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in den Folgejahren Blüten- und Fruchtcharakterisierungen möglich sind, werden auch diese zur Identifizierung im Feld herangezogen.

Schlussfolgerung

Die durch DNA-Sequenzanalysen identifizierten Arten G. uralensis Fisch. und G. glabra L. konnten auch im Feld anhand morphologischer Merkmale (Zahl und Form der Fiederblättchen, Behaarung, Drüsen) eindeutig unterschieden werden.

Literatur:

Hänsel, R., Keller, K., Rimpler, H., Schneider, G. (Hrsg.) 1993: Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis, Band 5 Drogen: E-O. In: Bruchhausen, F. von (Hrsg.); Hager, H. (Begr.): Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis, 5. vollst. neubearb. Aufl., Springer Verlag-Berlin-Heidelberg, 970 S. Anonym 2011a: Flora of China: http://hua.huh.harvard.edu/china/ (Abruf 01.06.2011) Anonym 2011b: Flora of Pakistan: www.efloras.org (Abruf 01.06.2011) Anonym 2011c: Flora of the USSR: www.agroatlas.ru (Abruf 01.06.2011) Benson, D.A., Karsch-Mizrachi, I., Lipman, D.J., Ostell, J., Wheeler, D.L. 2005: GenBank. Nucleic Acids Res. 33 (Database Issue): D34–D38: http://ncbi.nlm.nih.gov/ PH.EUR. 2008: Europäisches Arzneibuch. 6. Ausgabe Grundwerk und Nachträge. Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart, Govi-Verlag-Pharmazeutischer Verlag GmbH, Eschborn PH.CH. 2005: Pharmacopoeia of the People’s Republic of China. English edition. Vol. 1. People’s Medical Publishing House, Bejing.

CP 21

Thymus vulgaris L.: Einfluss der Trichomdichte auf den Blättern auf den Gehalt an ätherischem Öl.

M.M. Rossinelli, J. Vouillamoz, C.A. Carron, C. Baroffio und C. Carlen

Agroscope Changins-Wädenswil ACW, Forschungszentrum Conthey, route des vergers 18, CH-1964 Conthey, Switzerland

Die drei Thymol-Sorten von Thymian Varico3, Varico2 und Deutscher Winter unterscheiden sich vor allem aufgrund ihres Gehaltes an ätherischen Ölen (Carlen et al., 2009). Die ätherischen Öle von Thymian werden in speziellen Drüsenhaaren (Trichomen) der Epidermis gebildet und gespeichert. In speziellen Sekretzellen der Trichome wird das ätherische Öl gebildet und in den Subcuticularen Raum abgesondert. Über den Sekretzellen entsteht dann eine mit ätherischem Öl gefüllte ‘Blase‘.

Ein Projektes im 2009 hatte zum Ziel, bezüglich der drei Sorten die Anzahl Trichome auf den Thymianblättern in Beziehung zu deren ätherischen Ölgehalt zu bringen. Weiter wurde der Ver-lauf der Trichombildung und des Gehaltes an ätherischem Öl während eines Aufwuches untersucht.

Die Resultate zeigten, dass der Gehalt an ätherischem Öl in Beziehung zur Anzahl Trichome steht. Varico 3 mit dem höchsten Gehalt an ätherischem Öl hatte die höchste Trichomdichte auf

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Genetische Ressourcen, Züchtungsforschung und Züchtungsmethodik, Sortenschutz

Poster

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den Blättern und bei Deutscher Winter, die Sorte mit dem geringsten Gehalt an ätherischem Öl, war die Trichomdichte am kleinsten.

Die Untersuchungen betreffend der Trichombildung und der Entwicklung des Gehaltes an ätheri-schem Öl während eines Aufwuches lassen vermuten, dass die Trichomdichte in einem frühen Stadium der Blattbildung festgelegt wird und dass die Trichome sich dann während des Auf-wuchses mit ätherischem Öl auffüllen.

Ausgehend davon, dass die Trichomdichte in einer frühen Phase der Blattbildung festgelegt wird und dass diese in Beziehung zum ätherischen Ölgehalt steht, könnte die Bestimmung der Anzahl Trichome auf den ersten Blättern von Thymiansämlingen eine Auslesemethode sein, um Genoty-pen zu finden mit hohen ätherischen Ölgehalt. Dies könnte ein Ansatz zur Beschleunigung des Züchtungsprozesse sein.

Literatur

Carlen C., Schaller M., Carron C.A., Vouillamoz J.F., Baroffio C.A. 2010. The new Thymus

vulgaris L. hybrid cultivar 'Varico3' compared to five established cultivars from Germany, France and Switzerland. Acta Hort. 860: 161-166.

CP 22

Artemisia annua L.: Apollon, eine neue Hybridsorte mit hohem Artemisinin-Ertrag

Artemisia annua L.: Apollon, a new hybrid cultivar with a high artemisinin production

X. Simonnet1 M. Quennoz1 and C. Carlen2

1 Mediplant, route des vergers 18, CH-1964, Conthey, Switzerland, 2 Agroscope Changins-Wädenswil ACW, Research centre Conthey, route des vergers 18, CH- 1964, Conthey, Switzerland

Artemisinin, a sesquiterpene lactone endoperoxid isolated from the herb Artemisia annua L. (Asteraceae), is a highly potent antimalarial compound, which is also efficient against multidrug-resistant strains of Plasmodium falciparum. In recent years there was a rapid increase in demand in artemisinin. Despite the research of new technologies, the extraction from A. annua leaves remains the only source of artemisinin. Only the distribution of cultivars with a high artemisinin production potential allows making this new culture attractive and this way answer an increasing demand for low cost artemisinin (Ferreira et al., 2005). Mediplant has been working for more than 20 years on this Asteraceae and developped cultivars with over 1% artemisinin in the leaves The breeding work continued to get new cultivars rich in artemisinin and well-suited to the inter-tropical zone. The present poster presents the results obtained with the latest hybrids created.

For five new hybrids of A. annua, the artemisinin contents in their leaves were very high varying from 1.60 to 1.95%. After 4 months of field cultivation in Swiss climatic conditions with the density of 17,800 plants/ha, these hybrids produced 2.1 to 2.85 t/ha dry leaves and 40.5 to 52.0 kg/ha artemisinin.

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6. Fachtagung Arznei- und Gewürzpflanzen, 19. – 22.9.2011, Berlin

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One of the most promising new hybrid, Apollon, revealed a similar yield in dry leaves, showing 36% higher content of artemisinin in the leaves and 37% higher production of artemisinin compared to the standard cultivar ‘Artemis’.

After the registration in 1999 of a first cultivar ‘Artemis’ with 1.3% artemisinin content in the leaves, the latest results obtained with the new cultivar Apollon were artemisinin contents in the leaves nearing 2%.

CP 23

Evaluierung eines Pfefferminzsortimentes vom Institut für Rosen-, Aroma- und Arzneipflanzenforschung in Bulgarien

Evaluation of a peppermint collection from the Research Institute on Roses, Aromatic and Medicinal Plants in Bulgaria

S. Stanev1, H. Lambev1 und R. Todorova2 1Institut für Rosen-, Aroma- u. Arzneipflanzenforschung, 6300 Kazanlak, [email protected], 2Bulgarischer Kräuterverband, Dondukov-Str. 27, 1000 Sofia, BG und 35415 Pohlheim, Germany

Nach 1990 sind im Institut für Rosen-, Aroma- und Arzneipflanzenforschung im Rosental, Bulgarien über 1.300 Herkünfte Mentha x piperita aus allen Anbauregionen Bulgariens untersucht worden mit dem Ziel best geeignete für eine kleinflächigere Kultivierung zu finden. Die agronomischen und phytochemischen Charakteristika von 16 mentholreichen bulgarischen Pfefferminzsorten und Zuchtstämme sind präsentiert. Es werden auch die Schaderreger in den letzten 3 Jahren beschrieben.

Abstract

A collection of Mentha piperita with 3 Bulgarian established cultivars from Bulgaro-Mitcham type ans 13 genotypes from local menthol-rich populations (native and individual bred) were grown and analysed 3 years on the field of the institute in the Rose valey in Bulgaria. Agronomic, phytochemical characteristics and pathogenes were described.

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden die Qualitätseigenschaften von 16 bulgarischen Pfefferminzherkünften untersucht. Das sind regionale Sorten, ausgelesen aus alten lokalen Populationen vom Typ Bulgaro-Mitcham sowie modernere Sortenzüchtungen nach intra- und interspezifischen Hybridisierungen und nach Polyploidisierung: Tunja, Sofia, Zefir – aktuelle verbreitete Sorten vom Typ Bulgaro-Mitcham; Р 0503, P 0214, MP-DP – Lokale native Populationen Mentha piperita; Р 0012, Р 0601, Р 0902 – Linien nach Individualauslese von lokalen Populationen; 8-75-68, 19-Р-65, 23-P-17, А-19-63 – intraspezifische Hybriden zwischen polyploide Mentha piperita und Mentha arvensis

Р 0501, Р 0502 – Herkünfte aus Deutschland, Р 0901 – Herkunft aus England

Morphologische und agronomische Merkmale der untersuchten Herkünfte werden dargestellt zB. die Trockenblattmasse beträgt im Durchschnitt 3-5 to/ha, der Ölertrag – 90 kg/ha mit einem Mentholgehalt von 17 bis 69 %, wobei das Maximum von einer Hybridherkunft erreicht wird.

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Poster

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Die quantitative Zusammensetzung der Hauptbestandteile des ätherischen Öls zeigt Tab. 1.

Morphologische und agronomische Merkmale der untersuchten Herkünfte werden dargestellt zB. die Trockenblattmasse beträgt im Durchschnitt 3-5 to/ha, der Ölertrag – 90 kg/ha mit einem Mentholgehalt von 17 bis 69 %, wobei das Maximum von einer Hybridherkunft erreicht wird.

Die quantitative Zusammensetzung der Hauptbestandteile des ätherischen Öls zeigt Tab. 1.

Tab. 1: Hauptbestandteile des ätherischen Öls nach Wasserdampfdestillation und GC der Herkünfte als Mittelwert von 3 Anbaujahren 2007-2009 in %.

Herkunfte Cineol Menthon Isomenthon Menthofuran Menthol Menthyl-

acetat

Tunja 4,8 33,8 6,3 2,5 25,4 4,7

Sofia 4,0 24,7 3,6 5,7 36,5 4,7

Zefir 0,4 12,5 4,1 2,5 62,6 1,0

MP-DP 0,4 18,1 4,4 2,6 57,4 1,9

P 0214 4,9 23,1 3,9 9,5 32,2 6,9

Р 0503 6,2 17,1 2,7 15,2 38,6 5,9

Р 0012 6,0 16,8 3,1 10,9 45,5 5,4

19-Р-65 2,4 12,3 2,6 2,6 45,6 13,5

Р 0902 4,8 39,0 7,0 2,5 17,3 9,2

8-75-68 4,0 20,7 3,0 3,4 56,9 0,6

Р 0601 8,0 17,4 3,1 8,0 35,4 5,3

А-19-63 2,1 15,8 1,7 2,5 69,4 1,2

23 P- 17 2,6 13,3 3,1 2,5 58,6 1,8

Р 0501 7,0 26,0 3,4 9,9 30,6 2,7

Р 0502 4,8 45,5 4,3 4,1 11,1 0,9

Р 0901 6,7 24,5 3,2 9,1 33,6 3,4

Die Erfassung der wichtigsten Phytopathogene und des Befallgrades der Herkünfte durch visuelle Bonitur im Freiland ist in der Tabelle 2 dargestellt. Der echte Mehltau Erisyphe cichoracearum ist bei keiner Pfefferminzherkunft in den 3 Jahren beobachtet worden. Nur 3 bulgarische Herkünfte zeigen mittleren und starken Befall durch den Pfefferminzrost, die anderen sind befallsfrei. Die registrierten Spinnmilben und Zikaden weisen eine niedrige Dichte auf und verursachen keine nennenswerten Schäden der Kulturen.

Diese mehrjährige Leistungsprüfung mit Bezug für die Praxis wird weitergeführt um die bulgarische Pfefferminzproduktion aus einem regionalen Zusammenbruch infolge schwankender Preise wieder aktiver zu organisieren.

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Tab. 2: Auftreten von Schaderregern von 2007 bis 2009 durch visuelle Bonitur im Freiland Т

unja

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-DP

Р -

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- 1

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1

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2

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090

1

Puccinia menthae - - - - - - - 2 - 3 - 3 - 2 - 1

Potex,Tobra viruses

- - - - 1 - - - - - - - - 1 - -

Septoria menthae 1 - - - 1 - - 1 - 1 1 1 - 1 1 -

Phyllosticta decidua 1 - - - 1 - - 1 - 1 1 1 - 1 1 -

Eriophyes menthae

- - - - 1 - 1 1 - 1 - 2 - - - -

Tetranychus urticae - 1 1 2 2 1 1 1 - - - - 1 1 1 1

T. turkestani

Chrysomela mentha

1 1 - - - - - - - - 1 - - - - -

Phytoecia virgula - - 1 - - - - - - - - - - - 1 1

Aphis aphinis - - - - - - - - - - - - - - - -

Longitarsus lycopi - - - - - - 1 - - - - - - - - -

Hemiptera - - - - - - - - 1 - - 1 - 1 - -

Philaenus sumarius

2 1 1 - 1 - - 1 1 1 2 1 1 1 - 1

andere Cicadellidae

1 1 1 2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

Erdraupen - - - - - - - - - - - - - - - -

Heuschrecken - - - - - - - - - 1 - - - 1 - -

- kein Befall; 1- schwacher Befall; 2- mittlerer Befall, 3- starker Befall

Literatur:

Institut für Rosen-,Aroma- u. Arzneipflanzenforschung, 2005: Handbuch der wichtigsten Aroma- und Arzneipflanzenkulturen in Bulgarien, Helikon Verlag, Kazanlak ( in Bulgarisch)

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Phytopathologie, Pflanzenschutz, Inkulturnahme, Anbau, und Ernte

Vorträge

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Themenkreis D: Phytopathologie, Pflanzenschutz, Inkulturnahme, Anbau, und Ernte

Vorträge

DPV 22

Inkulturnahme: Dualismus von Selektionszüchtung und Anbautechnologie

A. Plescher

PHARMAPLANT GmbH, Am Westbahnhof 4, 06556 Artern, [email protected]

Zusammenfassung

Obwohl die Inkulturnahme von Wildpflanzen so alt ist wie die Herausbildung menschlicher Siedlungen im Altertum ist sie auch heute noch insbesondere bei den Wirkstoffpflanzen ein aktueller Prozess. Die Überführung von Wildpflanzen in produktive, anthropogen gestaltete Agrarökosysteme ist nicht nur ein Akt einfacher Verpflanzung. Sie ist vielmehr ein höchst komplexer Prozess, der zeitlich und örtlich nicht einheitlich abläuft und der sowohl die Gesamtpflanze wie auch den Pflanzenbestand als genetisches Potential im Verhalten gegenüber den Standortbedingungen und den anthropogenen Umweltfaktoren untersucht. In der Verbindung von gezielter Zuchtwahl und agrartechnologischer Entwicklung ist die Inkulturnahme ein zutiefst schöpferischer, innovativer Prozess.

Kulturgesellschaften und Inkulturnahme

Die Inkulturnahme von Wildpflanzen und die Domestikation von Tieren war die primäre Voraussetzung für das Sesshaftwerden unserer Urahnen, für die Herausbildung von Siedlern, von Ackerbau und Viehzucht. Anfangs waren es die Grundnahrungspflanzen, die dem Zufall des Aufwuchses mehr und mehr entzogen wurden, wie Getreide, Reis, Hirse und Mais. Wie sehr die Entwicklung des Ackerbaus mit der Herausbildung von Gesellschaften zusammenhängt, zeigt heute noch die in vielen Sprachen bivalente Bedeutung des Wortes „Kultur“, wie in „Kulturpflanzen“ und „Kulturgesellschaften“.

Etwa ab 2000 v. Chr. sind die Inkulturnahme von Wein, Obst- und Gemüsepflanzen, Ölpflanzen und erste Faserpflanzen belegt. Die Kunst der Kultivierung erster Wirkstoffpflanzen wurde in den Klostergärten ab dem frühen Mittelalter gepflegt, allerdings dauerte die Überführung in einen feldmäßigen Anbau, z.B. Minzen, Lavendel und Kümmel bis ins 19. Jahrhundert. Bei vielen Heil-, Gewürz- und Aromapflanzen haben sich sowohl bewährte Anbaumethoden herausgebildet, gleichzeitig sind auch geeignete, anbaufähige Formen entstanden. So uralt wie die Bemühungen zur Inkulturnahme sind, so ist sie immer noch ein aktuelles gesellschaftliches Thema. Nach wie vor stehen Entscheidungen an, ob und welche der Pflanzenarten, nunmehr mit absehbar und vergleichsweise geringem Anbauumfang, einer Kultivierung zu zuführen sind.

Inkulturnahme als differenzierter Prozess

In den letzten Jahren und Jahrzehnten gab es eine ganze Reihe von Projekten und Vorhaben zur Inkulturnahme von Wirkstoffpflanzen z.B. Johanniskraut, Pestwurz, Echte Goldrute, Arnika, Primula veris, Enzian, Sonnentau u. v. a. m.. Solche Forschungs- und Entwicklungs-arbeiten enden meist mit dem Nachweis der Machbarkeit in einem mehr oder weniger intensiven

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6. Fachtagung Arznei- und Gewürzpflanzen, 19. – 22.9.2011, Berlin

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Demonstrationsanbau. Damit ist aber der Prozess der Inkulturnahme im weiteren Sinne noch nicht abgeschlossen. Die Überführung von Wildpflanzen in eine landwirtschaftliche Kultur ist ein örtlich und zeitlich nicht einheitlicher oder einmaliger Prozess. Rosenwurz (Rhodiola rosea L.) in einen feldmäßigen Anbau zu überführen, ist derzeit ganz aktuell. Unabhängig voneinander wird an verschiedenen Orten daran gearbeitet: in Deutschland, Polen, Bulgarien, Norwegen, Finnland, Kanada, Italien und in der Schweiz. Bislang wurden zwei mehr oder weniger anbaufähige Sorten registriert ‚Rhodiafarm‘ und ‚Mettmark‘. Aber auch zeitlich ist die Inkulturnahme nicht einheitlich. So wurden in den 50er Jahren an der Universität in Jena populationsanalytische und anbautechnologische Versuche an Frühlingsadonisröschen (Adonis

vernalis L.) durchgeführt. In den 80er Jahren wurde am Institut für Heilpflanzenforschung in Posen / Polen und von 1996 bis 2006 bei der PHARMAPLANT GmbH in Artern an der weiteren Inkulturnahme gearbeitet. Auch wenn die Machbarkeit des Anbaus von Adonis vernalis in einem ansehnlichen Demonstrationsanbau belegt wird, wäre es dennoch vermessen, die Pflanze zu unseren Kulturpflanzen zu zählen. Auch bei anderen, in jüngerer Zeit in Kultur genommenen Arzneipflanzenarten wie Johanniskraut und Schöllkraut scheint der Domestikationsprozess in zeitlichen Schüben abgelaufen zu sein.

Methodik

Die Arbeitsschritte bei der Inkulturnahme laufen relativ einheitlich bei allen Pflanzenarten ab. Stets greifen dabei die Bemühungen zum Auffinden besonders geeigneter, anbaufähiger Genotypen und die Entwicklung möglichst pflanzenartgerechter Anbaumethoden oder Anbauverfahren ineinander. Beide Prozesse lassen sich nicht voneinander trennen. Im Wesentlichen laufen die Inkulturnahmevorhaben nach der von FRANZ (1991) zusammengestellten „Strategie für die Domestikation wildwachsender Pflanzenarten“ ab:

- Studien am natürlichen Standort: Botanik, Boden, Klima, Wachstum, natürliche Ver-mehrung, Verbreitung;

- Anlage von Kollektionen mit möglichst großer Variationsbreite, Sammlung von Saatgut-proben, Keimungsbiologie und Saatgutvorbehandlungsverfahren;

- gärtnerische, erforderlichenfalls auch individuelle Kultivierung, phytochemische Unter-suchung des Pflanzenmaterials, Beginn der Zuchtwahl (Robustheit, Inhaltsstoffe);

- Vermehrung des Pflanzenmaterials;

- Anbauversuche: Standort- und Umweltvariationen, Anbaumethoden, Etablierung von Parzellen und deren Pflege, Vergleich der Herkünfte, Erfassung / Auslotung der öko-logischen Amplitude;

- Phytopathologische Probleme: Mangelerscheinungen, Salzempfindlichkeit, Krankheiten, Schädlinge;

- Züchterische Verbesserungen des Pflanzenmaterials und Verbesserung der Verfahrens-schritte Bestandesetablierung, Düngung, Pflanzenschutz, Standortwahl;

- Erntetechnologie: Ernte nach x Kulturjahren, ontogenetisches Stadium, Erntetechnik, Nach-erntebehandlung , Konservierung (Trocknungstemperatur / - verfahren);

- Wirtschaftlichkeitsbetrachtung: Arbeitskräfte-, Arbeitszeit-, Investitions- Agrochemi-kalienbedarf; Erträge, Erlöse.

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Phytopathologie, Pflanzenschutz, Inkulturnahme, Anbau, und Ernte

Vorträge

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Dualismus von anbautechnologischer Entwicklung und adaptativer Zuchtwahl

Die permanente pflanzenzüchterische und pflanzenbauliche Bearbeitung erfordert ein sehr breites, biochemisches, botanisches, pflanzenphysiologisches sowie gartenbauliches und landwirtschaftliches Wissen.

Der Prozess der Inkulturnahme einer Pflanzenart ist abgeschlossen, wenn

a) ein praktikables und bewährtes Anbauverfahren vorliegt, im allgemeinen niedergelegt in einer Anbauanleitung oder Anbaumonographie,

b) selektierte Populationen vorliegen, die sich auch unter in Grenzen differierenden Kultur-bedingungen (Jahre, Orte) als hinreichend anbaufähig und robust erweisen,

c) die Summe der Vorteile (preislich, qualitativ, sozialökonomisch, ökologisch) des Anbaus größer ist, als die der Sammlung von Wildpflanzen. Anderseits setzt sich der Anbau nicht durch und die jeweilige Pflanzenart verbleibt im Inkulturnahmestadium.

Die Inkulturnahme bedarf nicht der Herausbildung von Kulturpflanzen, die sich laut Definition deutlich von den ursprünglichen Wildformen unterscheiden lassen. Pflanzenzüchtung und wie-tere Optimierung von Anbau-, Ernte- und Nacherntetechnologien sind nachgelagerte Arbeiten.

Neben einer Fülle an wissenschaftlichen Fakten und Prüfergebnissen sammelt sich bei den je-weiligen Bearbeitern ein umfangreicher Erfahrungsschatz zum jeweiligen Forschungsobjekt an. Von der Weitergabe und Vermittlung dieser Erfahrungen hängt vielfach Erfolg oder Misserfolg beim scale up und bei der Überführung der Pflanzenart in die landwirtschaftliche Praxis ab.

Literatur

Franz, Chl., 1991: Kultivierung bedeutender wildwachsender Arznei- und Gewürzpflanzen. Entwicklung und ländlicher Raum 4/91, 3-7 Plescher, A., 2005: Züchterische Aspekte bei der Inkulturnahme von Wirkstoffpflanzen. Vortr. Vavilov-Seminar, Gatersleben 19.01.2005

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Einfluss von Quassia-MD auf den Zikadenbefall an Salbei und Zitronenmelisse - Versuchsergebnisse aus den Jahren 2009 und 2010

M. Michaelsen, H. Witte, M. Neuber und W. Dercks

Fachhochschule Erfurt; Fakultät Landschaftsarchitektur, Gartenbau und Forst; Fachrichtung Gartenbau; Leipziger Straße 77, 99085 Erfurt, [email protected]

Zusammenfassung

Das Präparat Quassia-MD (Wirkstoff: Quassin) wurde 2009 und 2010 in mehreren Versuchen an der Fachhochschule Erfurt auf seine Wirkung gegen Zikaden an Salbei und Zitronenmelisse im Gewächshaus und im Freiland getestet. Dabei wurden verschiedene Aufwandmengen, Applikationshäufigkeiten und -intervalle untersucht. Es wurden der Befallsverlauf, die Wirkungsgrade (nach Abbott) jeweils für die Zikadenlarven und adulte Zikaden sowie die

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Blattschäden zu Versuchsende ermittelt. Der Zikadenbefall (vorwiegend Eupterix atropunctata, E. decemnotata, E. melissae und Emelyanoviana mollicula) wurde effektiv mit Quassia-MD reguliert, so dass sehr hohe Wirkungsgrade mit 6 g/ha Quassin im Gewächshaus sowie 18 g/ha Quassin im Freiland nach zwei- bis dreifacher Applikation in Abständen von ein bis zwei Wochen vorlagen.

Summary

In 2009 and 2010, Quassia-MD (active ingredient: Quassin) was tested in several experiments at the Fachhochschule Erfurt against leafhoppers in Salvia officinalis L. and Melissa officinalis L. in the greenhouse and in the field. Different application rates, frequencies, and intervals were examined. Assessments or calculations, respectively, were done for the level of attack and insecticidal efficacy according to Abbott (both for larvae and adults) as well as for leaf damage at the end of the trials. Leafhoppers (predominantly Eupterix atropunctata, E. decemnotata, E. melissae and Emelyanoviana mollicula) were effectively controlled reaching very high levels of insecticidal efficacy with 6 g/ha Quassin in the greenhouse or 18 g/ha Quassin in the field, respectively, with two or three applications at intervals of one to two weeks.

1. Hintergründe und Fragestellung

Im Arznei- und Gewürzpflanzenanbau haben durch Zikaden verursachte Schäden in den vergangenen 20 Jahren stark zugenommen. An Lamiaceen treten vor allem Zwergzikaden der Gattung Eupteryx auf. Diese aus dem südlichen Europa eingewanderten hemimetabolen Insekten können sich unter günstigen Lebensbedingungen auch in nördlichen Breitengraden stark vermehren (NICKEL und HOLZINGER 2006). Das Aussaugen einzelner Mesophyllzellen ruft Blattvergilbungen hervor, die sich im weiteren Verlauf schnell auf der gesamten Pflanze ausbreiten. Der abgesonderte Honigtau schwächt befallene Pflanzen zusätzlich, bietet einen Nährboden für Schwärzepilze und weitere unerwünschte Schädlinge (FRITZSCHE et al. 2007). Die starke Minderung der inneren und äußeren Erntequalität ist gerade bei der Produktion von Topfkräutern und frischer Bundware nicht tolerierbar. Derzeit gibt es keine praktikablen Regulierungsmaßnahmen. Besonders problematisch ist die Situation im ökologischen Anbau. Die wenigen, hier anwendbaren Mittel wurden nicht hinreichend auf ihre Wirkung gegen Zikaden getestet; der Einsatz von Nützlingen hat sich nicht bewährt (ALBERT et al. 2007; DERCKS et al. 2008; KRUSCHE und KUSTERER 2010). Im Rahmen des von mehreren Institutionen gemeinsam realisierten BÖL-Projektes “Entwicklung praxistauglicher Strategien zur Regulierung von Zikaden im ökologischen Arznei- und Gewürzpflanzenanbau“ (Blum et al. 2008) wurde das Präparat Quassia-MD (Wirkstoffgehalt < 1% Quassin) der Trifolio-M GmbH (Lahnau, Hessen) an der Fachhochschule Erfurt in mehreren Versuchen getestet. Der insektizide Hauptinhaltsstoff Quassin wird aus dem Surinam Bitterholz Quassia amara L. gewonnen. Es handelt sich um ein Fraß- und Kontaktgift mit direkter toxischer Wirkung. In Deutschland dürfen unformulierte Bitterholzextrakte (welche auch einen zweiten Wirkstoff, Neoquassin, enthalten können) über den § 6 a Abs. 4 PflSchG “Zubereitung und Selbstherstellung von Pflanzenschutzmitteln im eigenen Betrieb“ angewendet werden. Im ökologischen Obstbau werden Quassia Extrakte oftmals als die einzigen wirksamen, nicht resistenzgefährdeten Insektizide gegen Blattläuse und Wickler eingesetzt (STEIN 2005, KIENZLE et al. 2007, KLEEBERG et al. 2007, KLICHE-SPORY et al. 2007). Die Fragestellung der hier beschriebenen Untersuchungen bestand darin, die Wirkung des formulierten Präparats Quassia-MD gegen Zikaden an ausgewählten Arznei- und Gewürzpflanzen zu überprüfen. Ein formuliertes Präparat böte der pflanzenbaulichen Praxis entscheidende Vorteile bezüglich Verfügbarkeit, standardisierter Qualität und Anwendungsmöglichkeiten. Es müsste aber als Pflanzenschutzmittel zugelassen werden.

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2. Material und Methoden

Im Jahr 2009 wurde Quassia-MD im Gewächshaus an Salbei Salvia officinalis L. ´Extrakta´ und Zitronenmelisse Melissa officinalis L. ´Citra´ in einer Wirkstoffaufwandmenge von 6 g/ha Quassin sowie im Freiland mit 18 g/ha an Salbei getestet. 2010 wurde das Mittel im Freiland an Salbei und Zitronenmelisse erneut mit 18 g/ha Quassin auf seine Wirkung gegen Zikaden untersucht. Die ersten Applikationen erfolgten in beiden Versuchsjahren unmittelbar nach Befallsbeginn. Ausgebracht wurde das Präparat mit einer Rückenspritze in einer Aufwandmenge von 600 l/ha H2O in Kombination mit dem Netzmittel Trifolio S-forte (0,5 %). Kulturtechnische Abläufe wie bspw. Düngung oder Bewässerung erfolgten auf praxisübliche Weise nach ökologischen Anbaubedingungen. Im Freiland wurden zwei Aufwüchse (= „Schnitte“) realisiert. Die Blockversuche wurden im Gewächshaus mit vier Varianten (Var.) je drei Wiederholungen, im Freiland mit vier Var. je vier Wiederholungen (Salbei) und mit fünf Var. je fünf Wiederholungen (Zitronenmelisse) durchgeführt. In allen Versuchen wurde die Var. 1 nicht behandelt und diente als unbehandelte Kontrolle (UK). In Var. 2 wurde Quassia-MD einmal, in Var. 3 zweimal und in Var. 4 dreimal ausgebracht. 2009 betrug der Abstand zwischen den Applikationen (Appl.) 7 Tage, 2010 wurde der Abstand auf die Entwicklungsdauer der Zikaden hin optimiert und im Freiland auf 14 Tage festgesetzt. Im Zitronenmelissefeld wurde Trifolio S-forte 2010 dreimalig in der Var. 5 appliziert, um das Netzmittel auf eine etwaige insektizide Wirkung zu überprüfen. Die unter Glas eingesetzten Zikaden stammten teilweise aus einer Erhaltungszucht der Fachhochschule Erfurt, weiterhin wurden von Frau Dr. K. Jung (Julius Kühn-Institut Darmstadt) mehrere Zuchtboxen mit Zikaden (Eupterix florida und E. decemnotata) für die Versuche zur Verfügung gestellt. Im Freiland handelte es sich um natürlichen Zikadenbefall. Die taxonomische Bestimmung der in den Versuchen vorkommenden Zikaden wurde von Dr. H. Nickel (Universität Göttingen) vorgenommen. In beiden Versuchsjahren bestand die Zikadenpopulation im Freiland vorwiegend aus Eupterix

atropunctata, E. decemnotata, E. melissae und Emelyanoviana mollicula. Für die Gewächshausversuche wurden die Jungpflanzen im Frühjahr getopft, auf den in Parzellen eingeteilten Tischen aufgestellt und anschließend von bereit gestelltem befallenen Pflanzenmaterial mit Zikaden besiedelt. Pro Versuch waren zwei Durchgänge geplant, wovon allerdings aufgrund schlechter Zikadenentwicklung jeweils nur ein Durchgang ausgewertet werden konnte. Im Freiland konnte 2010 aufgrund des geringen Befallsdruckes wegen kühler Witterung jeweils nur der zweite Versuchsdurchgang ausgewertet werden. Bei dem Rückschnitt des ersten Aufwuchses wurden die Randstreifen des Salbeifeldes stehen gelassen, um den nötigen Befallsdruck für die Versuche zu gewährleisten. Bonitiert wurden durchgehend der wöchentliche Befall an Zikadenlarven und adulten Zikaden an 5 bzw. 10 markierten Pflanzen pro Parzelle. Im Gewächshaus konnte der Befall durch Zählen der Insekten an Topfpflanzen ermittelt werden. Im Freiland wurde die Anzahl Adulter durch zehn Kescherschläge pro Parzelle erfasst und die Larven an 50 Blättern pro Pflanze ausgezählt.

3. Ergebnisse

In den Gewächshausversuchen zeigte Quassia-MD bereits nach einer Appl. in einer Aufwandmenge von 6 g/ha Quassin und einem Spritzabstand von 7 Tagen einen deutlichen Einfluss auf die Larvenanzahl (Abb. 1). Im Salbei stieg der Befall in der unbehandelten Kontrolle (UK) auf 120 Larven pro Pflanze an, so dass ein sehr hoher Befallsdruck vorlag. In den Var. 2 und 3 wurde der Befall bereits nach zwei bzw. drei Appl. langfristig bis auf wenige Larven signifikant reduziert. Dabei wurden Wirkungsgrade von 97 bzw. 99 % zum Zeitpunkt des stärksten Befalls in der Kontrolle erreicht (Abb. 2).

Die Ergebnisse der anderen Versuche 2009 sind im Folgenden zusammengefasst. In Zitronenmelisse (Gewächshaus) wurden bei gleichen Aufwandmengen und Intervallen ähnliche

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Ergebnisse erzielt, allerdings war der Befallsdruck in der UK mit 48 Larven pro Pflanze niedriger. Eine Appl. reduzierte hier die Larvenanzahl nur kurzfristig, und der Befall stieg auch in der zweimalig behandelten Var. 3 deutlich an. Drei Appl. zeigten eine langfristige Regulierung der Larven, so dass in Var. 4 Wirkungsgrade von 94 % zum Zeitpunkt des stärksten Befalls (UK) erreicht wurden. Die Befallsverläufe der adulten Zikaden waren denen der Larven sehr ähnlich, aber aufgrund der Flugfähigkeit der Insekten und den gegebenen Ausweichmöglichkeiten in Nachbarparzellen waren die Ergebnisse nicht ganz so aussagekräftig. Eine Auswertung der von den Zikaden verursachten Blattschäden war aufgrund von Mehltaubefall in den Gewächshauskabinen nicht möglich. Im Freiland verliefen beide Versuchsdurchgänge im Salbei 2009 bei niedrigem Befall. Dort wurden in der UK zum Zeitpunkt des stärksten Befalls ca. 6,5 Larven pro 100 Blatt ermittelt. Die erste und zweite Appl. (Aufwandmenge 18 g/ha, Intervall 7 Tage) unterdrückte einen starken Befallsanstieg, während in der 4 Var. zum Zeitpunkt des stärksten Befalls weniger als 1 Larve pro 100 Blatt auftrat und ein Wirkungsgrad von 85 % ermittelt wurde. Das Mittel zeigte auch hier deutliche Effekte auf die Adulten. Eine Bonitur der Blattschäden bestätigte indirekt die Ergebnisse. Demnach hatte die UK den geringsten Anteil (ca. 47 %) unbeschädigter Blätter. Mit zunehmender Applikationshäufigkeit nahmen die Schäden ab, so dass nach drei Appl. etwa 58 % der Blätter unbeschädigt waren. In der Zitronenmelisse war der Zikadenbefall 2009 im Freiland so gering, dass keine Daten erhoben werden konnten.

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455

490

525

Var. 1) Kontrolle (unbehandelt)

Var. 2) Eine Appliaktion Quassia-MD (6 g/ha Quassin)

Var. 3) Zwei Appliaktionen Quassia-MD (6 g/ha Quassin)

Var. 4) Drei Appliaktionen Quassia-MD (6 g/ha Quassin)

Applikation Variante 2, 3, 4

Applikation Variante 3, 4

Applikation Variante 4

Standardabweichung

Irrtumswahrscheinlichkeitp = 5 %

Abb. 1: Einfluss verschiedener Applikationshäufigkeiten von Quassia-MD (6 g/ha Quassin) bei einem Spritzabstand von 7 Tagen auf den Befall von Zikadenlarven an Salvia

officinalis L. 2009 im Gewächshaus links: Befallsverlauf; rechts: Statistik (homogene Untergruppen zum Zeitpunkt des Hauptbefalls in der Kontrolle und beim Gesamtbefall; verschiedene Buchstaben bedeuten statistisch signifikante Unterschiede im Student-Newman-Keuls-Test;

Irrtumswahrscheinlichkeit p = 5%)

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2010 wurden nur Freilandversuche durchgeführt. Sowohl im Salbei als auch in der Zitronenmelisse wurden sehr gute Wirkungen erzielt und somit die Ergebnisse aus dem Jahr 2009 bestätigt. Es konnten allerdings nur im zweiten Aufwuchs Daten ermittelt werden, während des ersten Aufwuchses trat kein Befall auf. Bei mittlerem Befallsdruck wurden mit 18g/ha Quassin bei Spritzabständen von 14 Tagen eine weitgehende Befallsreduktion und Wirkungsgrade von über 90% zur Zeit des Hauptbefalls und zu Versuchsende erzielt. Die Blattschädenbonitur im Salbei ergab ähnliche Ergebnisse wie im Vorjahr. In der Zitronenmelisse war eine Auswertung der Blattschäden aufgrund starken Befalls mit Septoria melissae nicht möglich. Das Netzmittel Trifolio S-forte hatte bei alleiniger Appl. (vorher nicht getestet) einen nur schwach befallsmindernden, aber doch signifikanten Effekt auf den Zikadenbefall in der Zitronenmelisse.

9194 94

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Var. 2) 1 Appliaktion Quassia-MD (6 g/ha Quassin)

Var. 3) 2 Appliaktionen Quassia-MD (6 g/ha Quassin)

Var. 4) 3 Appliaktionen Quassia-MD (6 g/ha Quassin)

Var. 1) Kontrolle (unbehandelt)

Applikation Variante 2, 3, 4

Applikation Variante 3, 4

Applikation Variante 4

Abb. 2: Wirkungsgrade (nach ABBOTT) verschiedener Applikationshäufigkeiten von Quassia-MD (6 g/ha Quassin) bei einem Spritzabstand von 7 Tagen auf den Befall von Zikadenlarven an Salvia officinalis L. 2009 im Gewächshaus

4. Diskussion

Quassia-MD zeigte in allen Versuchen einen deutlichen Einfluss auf die Populationsentwicklung der Larven und adulten Zikaden. Sowohl im Gewächshaus (6g/ha Quassin) als auch im Freiland (18 g/ha Quassin) konnten die Zikaden sehr gut reguliert werden. Das Netzmittel Trifolio S-forte hatte allein getestet nur eine schwache insektizide Wirkung, wurde allerdings nur einmal getestet. Bei der Anwendung von Quassia-MD gegen Zikaden sollte vor allem der Entwicklungszyklus der Insekten berücksichtigt werden. Da die Eier der Zwergzikaden in den Blattadern der Pflanzen gut geschützt abgelegt werden, können von einer Behandlung nur die bereits geschlüpften Tiere von der Spritzbrühe erfasst werden. Aus diesem Grund war eine einzelne Behandlung nicht ausreichend. Mit der Anwendung der zweiten Appl. konnten dagegen auch die später geschlüpften Larven getroffen werden. Eine dreimalige Behandlung erzielte durchgehend die höchsten Wirkungsgrade und die längste Wirkungsdauer bei

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Applikationsintervallen von 7 (2009) und 14 Tagen (2010). Die Ergebnisse konnten durch eine geringere Blattschädigung bestätigt werden. Es muss herausgestellt werden, dass die Spritzungen beim Auftreten der ersten Zikaden einsetzen müssen, um eine gute Wirkung zu erzielen. Bevor Quassia-MD für die Regulierung von Zikaden in Salbei und Zitronenmelisse als Pflanzenschutzmittel zugelassen werden kann, müssen neben weiteren Wirksamkeitsprüfungen auch Untersuchungen zum Rückstandsverhalten, zur Toxikologie, zur Ökotoxikologie und zur Nützlingsverträglichkeit des Wirkstoffs und zu einer möglichen Geschmacksbeeinträchtigung des Ernteguts durch Bitterstoffe durchgeführt werden.

5. Literatur

Albert, R., Allgaier, C., Schneller, H., Schrameyer, K. 2007: Biologischer Pflanzenschutz im Gewächshaus; Eugen Ulmer KG, Stuttgart. 282 S.. Blum, H., Dercks, W., Fausten, G., Jung, K., Neuber, M., Nickel, H., Planer, J., Pude, R. 2008: Entwicklung praxistauglicher Strategien zur Regulierung von Zikaden im ökologischen Arznei- und Gewürzpflanzenanbau. In: Tagungsband, 18. Bernburger Winterseminar und 5. Fachtagung Arznei- und Gewürzpflanzen; Bernburg, Deutschland, Februar 2008; Herausgeber: Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau Sachsen-Anhalt, 67 - 69. Dercks, W., Neuber, M., Sachse, A. 2008: Regulierung von Zikaden in Zitronenmelisse (Melissa

officinalis L.) - Ergebnisse aus den Versuchsjahren 2006 und 2007. In: Tagungsband, 18. Bernburger Winterseminar und 5. Fachtagung Arznei- und Gewürzpflanzen; Bernburg, Deutschland, Februar 2008; Herausgeber: Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau Sachsen-Anhalt, 41 - 43. Fritzsche, R., Gabler, J., Kleinhempel, H., Naumann, K., Plescher, A., Proeseler, G., Rabenstein, F., Schliephake, E., Wrazidlo, W. 2007: Handbuch des Arznei- und Gewürzpflanzenbaus; Band 3: Krankheiten und Schädigungen an Arznei- und Gewürzpflanzen. Verein für Arznei- und Gewürzpflanzen SALUPLANTA e.V., Bernburg. 416 S. Kienzle, J., Maxin, P., Zimmer, J., Pfeiffer, B., Buchleither, S., Rank, H. 2007: Anwendung und Potential von Quassia im ökologischen Obstbau unter Berücksichtigung der Applikationstechnik. 12. Fachgespräch „Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und innovativer Verfahren im Ökologischen Landbau - Neue Wirkstoffe und Applikationstechnik“. Braunschweig 27. September 2007; Berichte aus der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, 141, 61 - 64. Kleeberg, H., Hummel, E., Ruch, B. 2007: Neue Indikationsmöglichkeiten von NeemAzal- und Quassia-Formulierungen: Was braucht die Praxis? 12. Fachgespräch „Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und innovativer Verfahren im Ökologischen Landbau - Neue Wirkstoffe und Applikationstechnik“. Braunschweig 27. September 2007; Berichte aus der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, 141, 43 - 46. Kliche-Spory, C., Kleeberg, H., Holaschke, M. 2007: Herstellung, ökotoxikologische Daten von Quassia - Extrakt - MD und seinen Inhaltsstoffen. 12. Fachgespräch „Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und innovativer Verfahren im Ökologischen Landbau - Neue Wirkstoffe und Applikationstechnik“. Braunschweig 27. September 2007; Berichte aus der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, 141, 47 - 52. Krusche, M., Kusterer, A. 2010: Genehmigungen/Zulassungen der Pflanzenschutzmittelanwen-dungen im Arznei- und Gewürzpflanzenbau, Stand 22. Dezember 2009; Zeitschrift für Arznei- und Gewürzpflanzen, 15 (1), 10 - 22. Nickel, H., Holzinger, W. E. 2006: Rapid range expansion of Ligurian leafhopper, Eupteryx

decemnotata Rey, 1891(Hemiptera: Cicadellidae), a potential pest of garden und greenhouse herbs, in Europe; Russian Entomological Journal 15 (3), 57 - 63.

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Phytopathologie, Pflanzenschutz, Inkulturnahme, Anbau, und Ernte

Vorträge

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Stein, W. 2005. Quassia-, Rotenon- und Knoblauchpräparate. In: Natürliche Schädlingsbekämpfungsmittel; Herausgeber: Schmutterer, H., Huber, J., Eugen Ulmer GmbH und Co., Stuttgart, 159 - 170.

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Auftreten von Krankheiten und Schädigungen im Kamilleanbau – erste Erkenntnisse zu den Ursachen und Bekämpfungsmöglichkeiten

Occurrence of diseases and damages in cultivation of camomile – first results to the causes and possibilities of controlling

U. Gärber1), A. Plescher2) und G. Hagedorn3) 1) Julius Kühn-Institut, Institut für Pflanzenschutz in Gartenbau und Forst, Außenstelle Kleinmachnow, Stahnsdorfer Damm 81, 14532 Kleinmachnow, [email protected], 2) Pharmaplant GmbH, Straße am Westbahnhof, 06556 Artern, 3) Julius Kühn-Institut, Institut für Epidemiologie und Pathogendiagnostik, Königin-Luise-Str. 19, 14195 Berlin-Dahlem

Der Anbau von Kamille (Matricaria chamomilla L.), flächenmäßig eine der bedeutendsten Arzneipflanzen Deutschlands mit Thüringen als Hauptanbaugebiet, wird seit 2007 durch das Auftreten einer noch unbekannten Krankheit stark gefährdet deren Ursachen möglicherweise komplex sind. Als potentielle Ursache wurde zum einen eine Pilzart aus der Gattung Septoria

ermittelt, zum anderen ein Pilz, der morphologisch Entylomella trailii ähnelt, nach DNA Sequenzierung jedoch zu den Ascomyceten zu stellen ist. Es ist noch unklar, ob es sich um zwei verschiedene Pilze handelt. Des Weiteren wurden starke Fraßschäden durch Larven im Kamillestängel festgestellt, die auf den Kamillestängelrüsselkäfer zurückzuführen sind. Nach ersten Untersuchungen zur Pathogenität kann die Bedeutung der einzelnen Schadorganismen für das Krankheitsgeschehen noch nicht eingeschätzt werden. Die Testung von 15 Fungiziden an einem Praxisstandort führte zu keinem befallsreduzierenden Effekt.

Problemstellung

Die Echte Kamille (Matricaria chamomilla L.) ist in Deutschland flächenmäßig eine der bedeutendsten Arzneipflanzen und mit 80% des gesamtdeutschen Anbaus in Thüringen konzentriert. Die Anbaufläche in Thüringen beträgt etwa 800 ha. Hauptanbaugebiete sind heute die Regionen um Nöbdenitz und Ranis, für die der Anbau von Kamille strukturbestimmend ist. Seit 2007 wird auf diesen Flächen eine Krankheit beobachtet, die 2008 epidemisch aufgetreten ist und den Ertrag stark beeinträchtigte. In den Folgejahren nahmen die Krankheitserscheinungen zu, die die Ernte in starkem Maße gefährdeten und den Anbauer derzeit vor nicht lösbare Pflanzenschutzprobleme stellt

Schadbild

Da das Schadbild zunächst unauffällig war, blieb die Krankheit vermutlich längere Zeit unerkannt. Schäden, die sich im Frühjahr zeigten, wurden anfangs auf Frostschäden zurückgeführt. Während der Pflanzenbestand visuell von oben betrachtet zunächst völlig grün erschien, zeigte sich bei genauerer Betrachtung, dass die unteren Blätter stark verbräunt bzw.

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abgestorben waren. In Herbstaussaaten wurden bereits im Februar erste Symptome beobachtet, die vermutlich schon vor dem Winter aufgetreten waren. Beginnend an den Blattspitzen traten zunächst an den unteren Blattfiedern Vergilbungen auf (Abb. 1). Im April waren die chlorotischen Blattflächen der älteren Rosettenblätter nekrotisiert, die Blattfiedern wurden braun, vertrockneten und starben ab. In Frühjahrsaussaaten wurden erste Symptome Mitte Mai festgestellt. Nach dem ersten Pflückvorgang waren die Pflanzen meist derart geschwächt, so dass sie keinen zweiten Blütenflor mehr bildeten und erhebliche Ertragseinbußen die Folge waren. Langgezogene braune Stängelflecke zogen sich bis zu den Blütenstielen hinauf. Auf den Kelchblättern der Blüten entstanden braune Flecke Die Pflanzen entblätterten und bildeten nach der ersten Pflücke lediglich kleine „Notblüten“ aus. Die Krankheit trat flächendeckend auf mehreren Schlägen auf. Zusätzlich wurden vermehrt Fraßschäden im Mark der Kamillestängel festgestellt.

Abb. 1: Beginnende Schadsymptome am unteren Fiederblatt

Abb. 2: Pilzstrukturen des als Entylomella trailii identifizierten Pilzes

Suche nach den Schadensursachen

Pflanzenproben aus kranken Kamillebeständen der Region Nöbdenitz und Ranis wurden auf ihre potenziellen Schadensursachen untersucht. Die Probenahme erfolgte 2009 und 2010 auf insgesamt zehn Schlägen zu verschiedenen Zeitpunkten der Pflanzenentwicklung. Auf den Pflanzen konnten zwei, evtl. auch drei pilzliche Schaderreger nachgewiesen werden, die an Kamille bislang unbekannt und noch nicht erforscht sind. Zum einen handelt es sich um eine Art aus der Gattung Septoria. Die Pyknidien des Pilzes wurden regelmäßig auf verbräuntem Blattgewebe gefunden, bei Frühjahrsaussaaten vereinzelt auch auf grünen Keimblättern. Mikroskopisch sind die für Septoria typischen langen, fadenförmigen Sporen erkennbar, die aus den Pyknidien als lange Sporenranken austreten. Eine Artzugehörigkeit der an den Proben aufgefundenen Septoria konnte noch nicht eindeutig geklärt werden. Identische ITS-Sequenzen bei den untersuchten Septoria-Stämmen lassen vermuten, dass es sich um eine Art handelt. Der zweite auf Kamille vorkommende Pilz wurde von U. Braun, Martin-Luther-Universität Halle, als Entylomella trailii (Massee) Cif. identifiziert. Auf der Oberfläche von verbräunten Blatt- und Stängelgewebe treten hyaline Sporen aus, die kristallähnliche Strukturen im Verband bilden (Abb. 2). Sporuliert der Pilz, ist er massenhaft auf dem Blattgewebe in Form dieser Strukturen zu finden und gut unter der Lupe erkennbar. Entylomella trailii wird als ein an Kamille gelegentlich vorkommender Pilz beschrieben. Der Pilz ist die anamorphe Form zu Entyloma matricariae

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Vorträge

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Rostr. Allerdings konnten die Brandsporen der Hauptfruchtform noch nicht gefunden werden. Mehrere Abisolierungen aus zwei verschiedenen Jahren wurden zudem molekularbiologisch untersucht. Nach der DNA-Sequenzierung ist der Pilz, der morphologisch Entylomella trailii ähnelt, keine Entylomella sondern eindeutig zu den Ascomyceten zu stellen. Die Ergebnisse der DNA-Sequenzierung waren in den Untersuchungsjahren 2009 und 2010 identisch. Es ist noch unklar, ob es sich hierbei um einen dritten Pilz handelt, oder ob die morphologische Einordnung des zweiten Pilzes als Entyloma matricariae hinterfragt werden muss. Für eine Klärung bedarf es weiterer diagnostischer Untersuchungen. An den Pflanzenproben kommen Septoria und der als Entylomella trailii identifizierte Pilz häufig vergesellschaftet vor.

Bei den Fraßschäden im Stängelinneren handelt es sich nach ersten Kenntnissen um Larven des Kamillenstängelrüsslers Microplontus rugulosus Herbst. Adulte Käfer traten ab Mitte Juni im Bestand auf.

Da die Schadensursachen sehr komplex sind und eine Differenzierung der auftretenden Schadsymptome im Bestand schwierig ist, kann anhand vorliegender Untersuchungen die Bedeutung der einzelnen Schaderreger noch nicht eingeschätzt werden.

Erste Pathogenitätstests

Erste Pathogenitätstests sollten Aufschluss geben, welche der an Kamille nachgewiesenen Pilze maßgeblich an der Krankheit beteiligt sind. In Gefäßversuchen im Gewächshaus und unter einer überdachten Freifläche wurden zwei Septoria-Isolate und vier als Entylomella trailii

identifizierte Isolate sowie vergleichsweise die Arten jeweils im Isolate-Gemisch auf ihre Pathogenität an Kamille geprüft. Die Inokulation mit den Isolaten bzw. Isolate-Gemischen erfolgte an der Sorte ´Mabamilla` durch Aufsprühen einer Sporensuspension, einmal direkt nach dem Aufgang der Pflanzen und zum anderen nach Ausbildung des 6. bis 7. Fiederblattes. In den mit Septoria inokulierten Varianten konnten zwei Wochen nach Inokulation verbräunte Blattspitzen beobachtet werden, auf denen sich zahlreich Pyknidien bildeten, aus denen der Pilz reisoliert werden konnte. Zunächst verstärkten sich die Schadsymptome. Letztendlich waren jedoch nur noch wenige Pyknidien nachweisbar, so dass die Chlorosen und Nekrosen im weiteren Versuchsverlauf eher physiologisch bedingt waren. An den mit Entylomella

inokulierten Pflanzen sowie an Pflanzen aus der nicht inokulierten Kontrollvariante traten gleichfalls Chlorosen auf, die später nekrotisierten. Auf dem geschädigten Pflanzengewebe konnte der Entylomella-Pilz nicht identifiziert werden. Damit konnte kein eindeutiger Nachweis für die Schädigung durch diesen Pilz geführt werden. Aufgrund der noch fehlenden Kenntnisse zur Biologie des Pilzes waren möglicherweise die Infektionsbedingungen nicht geeignet oder aber durch die Kulturhaltung des Pilzes auf künstlichem Nährboden kam es bereits zu größeren Virulenzverlusten. Anhand des derzeitig noch geringen Kenntnisstandes ist es nicht möglich, die Bedeutung der einzelnen Pilze für die Krankheit einzuschätzen

Erste Bekämpfungsversuche

2010 wurde durch die Pharmaplant GmbH auf einem Schlag der AG Nöbdenitz e.G. ein Fungizid-Screening-Versuch ohne Wiederholungen angelegt. Ziel war es, fungizide Wirkstoffe oder Wirkstoffgruppen zu identifizieren, die einen befallsreduzierenden bzw. ertragssteigernden Effekt zeigen. Alle Präparate wurden zweimal im Abstand von 14 Tagen, im BBCH-Stadium 52 und 57 (Blütenknospenbildung), bei einer Brüheaufwandmenge von 400 Liter/ha gespritzt. Phytotoxische Schäden wurden nicht festgestellt. Von den 15 geprüften Fungiziden zeigte kein Präparat einen wirkungsvollen Bekämpfungseffekt. Lediglich OPERA (Epoxyconazol + Pyraclostrobin) und BRAVO 500 (Chlorothalonil) führten zu einer vorübergehenden Verzögerung der Befallsentwicklung und zu einer leichten Erhöhung des Gesamtertrages (1. bis 4. Pflücke). Allerdings führte die späte Fungizidanwendung zu einer Überschreitung der

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geltenden Rückstandshöchstmengen. Der Einsatz von Fungiziden scheint für die Bekämpfung der pilzlichen Erkrankungen im Kamilleanbau keine Option zu sein. Hinzu kommt, dass die Abnehmer und Endvermarkter eine zunehmende „Chemisierung“ des Kamilleanbaus ablehnen.

Fazit

Um möglichst kurzfristig Lösungswege zur Stabilisierung der Kamillebestände aufzuzeigen., ist es dringend erforderlich, die Forschungsarbeiten zu intensivieren, Die Ursachen für rückläufige Erträge bei Kamille im Thüringischen Anbau sind sehr komplex und schließen neben den an Kamille vorkommenden bekannten Schaderregern weitere „neue“ Schaderreger ein. Weiterführende Untersuchungen zur Diagnose, zur Biologie und Epidemiologie der Schaderreger und zur Befall-Schaden-Relation sind grundlegend für die Erarbeitung nachhaltiger Bekämpfungsmöglichkeiten und eine wichtige Voraussetzung für die derzeit im Rahmen von Forschungsarbeiten intensivierte Züchtung von Kamille.

DV 25

Klärung der Schadursachen und mögliche Bekämpfungsstrategien an Dill

A. Kusterer und M. Krusche

Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, Dezernat Pflanzenschutz, Strenzfelder Allee 22, 06406 Bernburg, [email protected]

In Dillbeständen traten in der Vergangenheit zunehmend Krankheitserscheinungen auf, die teilweise zu erheblichen Ertragsminderungen führten (PLESCHER, 1992). Allgemein werden u.a. folgende Symptome beobachtet: Verfärbungen der Blätter und Stängel, Deformationen der Blätter bzw. der ganzen Pflanze, Einschnürungen unterhalb der Dolden, schwarze Pusteln mit chlorotischem Hof auf Blättern, Stängeln und Dolden. Für eine effektive Bekämpfung ist das Wissen um die genaue Schadursache essentiell. In einem ersten Schritt werden die auftretenden Symptome den entsprechenden Schaderregern zugeordnet um dann im folgenden eine Bekämpfungsstrategie zu entwickeln.

Kräuselungen der Blätter werden meist durch Blattläuse hervorgerufen. An Dill kommt neben der Grünen Pfirsichlaus (Myzus persicae) auch die Gierschblattlaus (Cavariella aegopodii) vor. Neben dem direkten Schaden durch die Saugtätigkeit der Läuse können sie auch noch verschiedene Viren übertragen. So wird das an Dill vorkommende Luteovirus (Carrot red leaf virus) von C. aegopodii in persistenter Weise übertragen, d.h. virustragende Läuse können zeitlebens das Virus abgeben und damit immer neue Pflanzen infizieren. Mit Carrot red leaf virus infizierte Pflanzen bleiben im Wuchs zurück und zeigen eine auffällige Rotfärbung der Blätter. Myzus persicae dagegen kann Potyviren auf Dill übertragen. Diese führen zu einer Gelbverfärbung der Blätter und Wuchsdepressionen. Da Viren nicht direkt bekämpft werden können und zu fatalen Ertragsausfällen führen können, ist eine effektive Vektorenbekämpfung wichtig. Neben dem Einsatz von Kulturschutznetzen stehen hierfür verschiedene Pflanzenschutzmittel zur Verfügung (z.B. Calypso, Fastac SC Super Contact, Karate Zeon, Pirimor Granulat, Plenum 50 WG u.a.).

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Phytopathologie, Pflanzenschutz, Inkulturnahme, Anbau, und Ernte

Vorträge

133

Bei feuchtwarmer Witterung treten Einschnürungen unterhalb der Dolden und Blattwelken auf. Diese Symptome werden durch verschiedene Pseudomonas-Arten hervorgerufen. Eine Bekämpfung ist nur über einen Antrag im Einzelfall (§ 18b PflSchG) möglich.

Schwarze Pusteln mit chlorotischem Hof auf Blättern, Stängeln und Dolden werden von dem Pilz Mycosphaerella anethi verursacht. Dieser tritt nicht in jedem Jahr auf und seine Schäden an Dill können vernachlässigt werden (KUSTERER et al., 2001, KUSTERER et al., 2002). Wichtiger sind andere pilzliche Blattfleckenerreger und pilzliche Doldenerkrankungen. Hierfür wurden im Rahmen der Lückenindikation verschiedene Präparate getestet und über § 18 a genehmigt. Versuche im Rahmen der Lückenindikation sind aufwendig und teuer. Neben der Wirkung und der Phytotoxizität sind auch Rückstandsproben zu erarbeiten und zu analysieren. Das ganze Verfahren kann sich über mehrere Jahre hinziehen. Im günstigsten Fall steht nach 3 Jahren ein neues Präparat zur Verfügung.

Literatur:

Kusterer, A., Gabler, J., Ehrig, F., Rabenstein, F., Kühne, T., 2001: Untersuchungen zum Krankheitsauftreten an Blattdill (Anethum graveolens L.). Z. Arzn. Gew. Pfl., 6, 125-128. Kusterer, A., Taubenrauch, K., Gabler, J., Kühne, T., 2002:Krankheitsauftreten an Kümmel, Fenchel, Dill am Standort Aschersleben. Z. Arzn. Gew. Pfl., 7, 387-391. Plescher, A., 1992: Bericht über das Auftreten wichtiger Schaderreger im Arznei- und Gewürzpflanzenanbau im Jahr 1991 in den ostdeutschen Bundesländern. Drogenreport, 7, 9-12.

DV 26

NMR-Bestimmung des Wirkstoffspektrums in Arnikapflanzen sowie Reaktion auf Pathogenbefall und mechanischen Stress

F. Eickmeyer1), M. Fischer,2), B. Frank2), I. Merfort3), Ch. Schreier4), F. Huber4) und Ch. Proll4) 1) AESKULAP GmbH; 2) Kneipp Werke & Co. KG; 3) Lehrstuhl für Pharmazeutische Biologie und Biotechnologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg; 4) LipoFIT Analytic GmbH

Einleitung

Arnica montana ist eine traditionelle Arzneipflanze, die in der Phytotherapie wegen ihrer schmerzstillenden, antiseptischen und durchblutungssteigernden Wirkung insbesondere zur Behandlung von Prellungen, Verstauchungen und Hämatomen Verwendung findet.

Der Gehalt und das relative Verhältnis der Sesquiterpenlacton-Gruppen (Helenaline und Dihydro-Helenaline) als Hauptwirkstoffe von Arnica montana variiert je nach Herkunft, aber auch zwischen den einzelnen Pflanzenteilen und während der Entwicklung der Pflanze.

Das im Handel befindliche Drogenmaterial stammt überwiegend aus Wildsammlungen. Weltweit gibt es aktuell lediglich eine eingetragene und geschützte Sorte ´Arbo´, die von Bomme (1993) an der LfL Freising gezüchtet und 1998 ins Sortenregister eingetragen wurde. Eine weitere Sorte namens ´Arvita´ wird voraussichtlich 2011 in das deutsche Sortenregister eingetragen (Berner, 2011; pers. Mitteilung).

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Aufgrund von Änderungen der Rahmenbedingungen in den Haupt-Sammelländern und einer damit verbundenen Verknappung der Droge ist in den letzten Jahren die Nachfrage nach Arnika aus deutschem Anbau merkbar gestiegen. Damit ist auch eine Wiederaufnahme/ Intensivierung der züchterischen Bearbeitung und der Saatgutproduktion dieser Art attraktiv geworden.

Als insektenbestäubter Fremdbefruchter muss Arnika mit populationsgenetischen Methoden züchterisch bearbeitet werden. Bisher war eine gleichzeitige Selektion auf agronomische Merkmale und auf Inhaltsstoffgehalte und -zusammensetzung jedoch limitiert durch die hohen Kosten für die Analytik und es konnten nur wenige Pflanzen pro Serie auf Inhaltsstoffmuster und -gehalte analysiert werden. Mit Hilfe der Kernmagnetresonanz-Spektrometrie (NMR) können größere Kollektive von Pflanzen auch inhaltsstoffanalytisch zu vertretbaren Kosten untersucht werden. Mit Hilfe der NMR-Spektroskopie können Unterschiede in der Wirkstoffverteilung und des relativen Verhältnisses der Helenalin- und Dihydrohelenalin-Verbindungen zueinander umfassend bestimmt werden. Die Möglichkeit, mit dieser Technologie im Hochdurchsatz einfach und simultan Inhaltsstoffe – auch über die Sesquiterpenlactone hinaus – zu erfassen, ermöglicht die Charakterisierung der unterschiedlichen zu erntenden Pflanzenteile, eine Genotypen-Bestimmung und die Bestimmung des optimalen Erntezeitpunktes. Sie erlaubt außerdem aufgrund weiterer Informationen weitere Fragen nachträglich zu bearbeiten.

Diese Informationen können sowohl in der Züchtung als Selektionskriterien als auch zur Charakterisierung der Drogen herangezogen werden. Schnellere und umfangreichere Charakterisierungen von Pflanzen und Extrakten werden so möglich.

Nachfolgend werden erste Ergebnisse aus NMR-Untersuchungen der Sesquiterpenlactone vorgestellt. Die Identifizierung der Helenalin/Dihydrohelenalin-Signale in den NMR-Spektren erfolgte gegen Referenzspektren der Sesquiterpenlactone. Weitere Unterschiede im Signalbereich der sekundären Pflanzenstoffe wurden zunächst durch den Vergleich mit Kontrollpflanzen desselben Klons identifiziert. Die Informationen können in der Folge zur Identifizierung der der Signaländerung zugrunde liegenden Substanzen eingesetzt werden.

Abbildung 1: Dihydrohelenalin- und Helenalin-Methacrylat in Arnikaextrakten; 1D 1H-NMR-NOESY-Spektren.

Fragestellungen

Für die Analysen wurde überwiegend Material aus einem Zuchtprogramm (Kneipp-Werke/Berner/Eickmeyer) des sogenannten „Spanischen“ Chemotyps verwendet, der weit

� �

Dihydrohelenalin

Helenalin

� �

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Phytopathologie, Pflanzenschutz, Inkulturnahme, Anbau, und Ernte

Vorträge

135

überwiegend die Dihydrohelenalinform der SL enthält. Folgende Fragestellungen standen dabei im Vordergrund:

1. Ist eine Vorhersage des Chemotyps (Helenalin- oder Dihydrohelenalin-Typ) bereits im vegetativen Zustand der Pflanze möglich und somit heranziehbar für spätere Züchtungsprojekte?

2. Welche Organe der Pflanze eignen sich aufgrund der Höhe ihres Wirkstoffgehaltes prinzipiell für eine Ernte und für eine Bestimmung des SL-Typs?

3. Führen mechanischer oder biotischer Stress zu Änderungen in Gehalt oder relativen Zusammensetzung der Inhaltsstoffe?

Ergebnisse

Alle Untersuchungen wurden an frisch geernteter und eingefrorener Ware durchgeführt, sofern nicht anders vermerkt. Tabelle 1 zeigt die relativen Sesquiterpenlactongehalte in unterschiedlichen Pflanzenorganen zur Zeit der Blüte – gemittelt über 5 Arnika-Klone (des spanischen Chemotyps). Es ist ein weitgehend konstantes Verhältnis der unterschiedlichen Sesquiterpenlactonformen mit einem hohen Gehalt der Dihydrohelenalinform in allen Proben über alle Organe zu erkennen. Lediglich im mittleren und unteren Stängelbereich sind die Konzentrationen so niedrig, dass sich hier im prozentualen Verhältnis leichte Abweichungen ergeben. Des Weiteren ist zu erkennen, dass die Gehalte in folgender Reihenfolge der Organe abnehmen: Blüte voll aufgeblüht > Blüte Frischdroge (2 Röhrenblütenkränze aufgeblüht) > Knospe > Blatt > Stängel unter der Blüte > Stängel Mitte > Stängel Basis.

Tabelle 1: Relative Sesquiterpenlactongehalte

in unterschiedlichen Pflanzenorganen zur Zeit der Blüte – gemittelt über 5 Arnika-Klone (auf Streuungswerte wurde hier

verzichtet; die Streuungswerte sind noch sehr groß). Dimensionslose Zahlen in den Tabellen bedeuten Signalfläche bezogen auf die standardisierte Einwaage.

In Tabelle 2 ist wiederum über alle Termine der Beprobung und über alle beprobten Organe ein konstantes Verhältnis Dihydrohelenalin zu Helenalinderivaten mit starker Verschiebung zugunsten der Dihydrohelenalinderivate zu erkennen. Dieses Verhältnis ist auch beim Vergleich von generativen und vegetativen Pflanzen des gleichen Klons konstant. Allerdings schwanken diese relativen Gehalte der einzelnen Wiederholungen noch sehr stark (Daten können bei den Autoren abgefragt werden). Weitere Untersuchungen zur Optimierung des Beprobungsverfahrens oder zur Erhöhung der Wiederholungszahl erscheinen hier angebracht. Auffällig sind die sehr geringen absoluten Sesquiterpenlactongehalte in den Stängeln und die sehr hohen Gehalte in den vegetativen Blattrosetten. Eine Verletzung bei der Erstbeprobung hatte keinen erkennbaren Einfluss auf Gehalte und Zusammensetzung der Sesquiterpenlactone beim zweiten Beprobungstermin derselben Klonpflanze.

Pflanzenorgan

Mittelwert

Konzentration

Helenaline

Mittelwert

Konzentration

Dihydrohelenaline

Mittelwert %

Dihydrohelenaline

Knospe 25,5 535,4 95%Blüte Frischdroge 51,4 871,7 94%Blüte voll aufgeblüht 70,7 1033,9 93%Blatt 13,3 414,6 97%Stengel unter Blüte 12,8 248,4 95%Stengel Mitte 7,0 78,6 89%Stengel unten 5,2 32,3 80%

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Tabelle 2: Relative Sesquiterpenlactongehalte in

unterschiedlichen Pflanzenorganen von zwei Arnika-Klonen im 1. Blütejahr und im Jahr vor der ersten Blüte (vegetativ) an

verschiedenen Beprobungsterminen im Entwicklungsverlauf bis zur Blüte (beim Material im 1. Blütejahr) (Mittelwerte aus jeweils 3 Wiederholungen)

(auf Streuungswerte wurde hier verzichtet; die Streuungswerte sind noch sehr groß). Dimensionslose Zahlen in den Tabellen bedeuten Signalfläche bezogen auf die standardisierte Einwaage.

Weitere Ergebnisse (Daten können bei den Autoren abgefragt werden) liefern Experimente mit gezieltem Schädlingsbesatz (Schnecken, Blattläuse), einer mechanischen Verwundung der Pflanze (Pinzettenstich) und der Behandlung mit Abscisinsäure von zwei Klonen im vegetativen Zustand. Wiederum sind die konstanten Verhältnisse der relativen Sesquiterpenlacton-Gehalte zueinander auffällig. Insbesondere auf die Behandlung mit Abscisinsäure scheinen unterschiedliche Klone unterschiedlich zu reagieren. Daten weiterer Klone werden später ergänzt. Nach Schneckenfraß findet man keine Erhöhung der Sesquiterpenlactongehalte in vegetativen Pflanzen. Auch in diesem Versuch schwankten die Ergebnisse der Klonwiederholungen sehr stark (Daten nicht aufgeführt). Sowohl Schneckenbesatz als auch die Pinzettenstich- sowie die Abscisinsäurevariante wurde auch an blühenden Pflanzen durchgeführt. Diese Arbeiten sind Teil des Promotionsvorhabens von Marcel Flemming, der als Doktorand von Prof. Heilmann an der Universität Regensburg an Arnika-Inhaltsstoffen arbeitet. Weiterhin erfolgte ein Vergleich der relativen Gehalte und Zusammensetzung der Sesquiterpenlactone von vegetativem Material im ersten Jahr mit generativem Material im zweiten Jahr.

In anderen Bereichen der NMR-Spektren – außerhalb der Sesquiterpenlactone – konnten Zu- und Abnahmen einzelner Peaks als Reaktion auf die Behandlungen beobachtet werden. Die dafür verantwortlichen Substanzen sollen zukünftig charakterisiert werden.

Auch wenn in den bisherigen Arbeiten noch nicht alle Fragen beantwortet wurden und weitere Experimente notwendig sind, steht mit der NMR-Spektroskopie ein geeignetes analytisches Verfahren zur Beantwortung dieser Fragestellungen zur Verfügung.

Literatur

Bomme, U., 1993. Anbau von Arnica montana ist jetzt möglich. Bodenkultur und Pflanzenbau,

5/93. Merfort, I., 2010. Arnika – aktueller Stand hinsichtlich Wirksamkeit, Pharmakokinetik und Nebenwirkungen. Z. Phytother. 31: 188-19

Klon-bezeichnung

Probe-Datum

2011 Pflanzenorgan

Mittelwert

Konzentration

Helenaline

Mittelwert

Konzentration

Dihydrohelenaline

Mittelwert %

Dihydrohelenaline

519-15 4.4. Rosette 17,9 888,1 98%519-15 13.4. Rosette 2. Beprobung 16,0 551,9 97%519-15 13.4. Neue Rosette 21,1 853,1 97%519-15 29.4. Blüte 18,7 623,4 97%519-15 29.4. Stängel 14,2 486,4 97%519-15 29.4. Blatt 31,7 823,0 96%519-15 15.5. Blüte 48,1 929,7 95%519-15 15.5. Stängel 17,9 569,6 97%519-15 29.4. Rosette vegetativ 74,1 1438,5 95%519-15 15.5. Rosette vegetativ 2. Beprobung 61,2 1874,8 97%519-15 15.5. Neue Rosette vegetativ 45,9 1562,7 97%

519-08 4.4. Rosette 24,3 1081,6 98%519-08 13.4. Rosette 2. Beprobung 26,1 1005,1 97%519-08 13.4. Neue Rosette 18,2 908,7 98%519-08 29.4. Blüte 17,6 828,5 98%519-08 29.4. Stängel 8,7 343,0 98%519-08 29.4. Blatt 19,5 777,3 97%519-08 15.5. Blüte 12,2 781,2 99%519-08 15.5. Stängel 15,5 413,4 96%519-08 15.5. Blatt 38,2 1165,1 97%519-08 29.4. Rosette vegetativ 77,8 1524,6 95%519-08 15.5. Rosette vegetativ 2. Beprobung 62,4 1566,7 96%519-08 15.5. Neue Rosette vegetativ 42,9 1446,6 97%

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Phytopathologie, Pflanzenschutz, Inkulturnahme, Anbau, und Ernte

Vorträge

137

DV 27

Temperaturabhängiges und sortenspezifisches Keimungsverhalten von Samen der Zitronenmelisse (Melissa officinalis L.)

S. Wahl und A. Plescher

PHARMAPLANT GmbH, Am Westbahnhof 4, 06556 Artern, [email protected], Tel.: 03466/32560, FAX: 03466/325620

Zusammenfassung

Untersucht wurde die Keimung von Samen verschiedener Melissesorten (Melissa officinalis L.) bei unterschiedlichen Temperaturen. Die Mindesttemperaturen (T0, Keimungsbeginn mind. 21 Tage nach Inkubation) liegen für alle Melissemuster zwischen 15 und 17°C. Mit zunehmender Inkubationstemperatur verfrüht sich der Keimungsbeginn; bei 19°C erfolgt die Keimung schon nach etwa 5 Tagen. Das Optimum (höchste Keimschnelligkeit, maximale Keimrate) liegt bei 27°C. Die geprüften Muster von ‚Lemona’ und ‚Limonella’ zeigten sich etwas thermophiler als Einzelmuster der Sorten ‚Erfurter Aufrechte’, ‚Quedlinburger Niederliegende’ und ‚Citronella’.

Einleitung

Im Rahmen des Demonstrationsprojektes der FAH „ Verbesserung der internationalen Wettbewerbsposition des deutschen Arznei- und Gewürzpflanzenanbaus am Beispiel der züchterischen und anbautechnologischen Optimierung von Kamille, Baldrian und Zitronenmelisse“ wird ein Teilprojekt „Entwicklung von Standardverfahrensanweisungen zur Bestimmung der Saatgutqualität von Kamille, Baldrian und Zitronenmelisse mit der Zielstellung eines besser gesicherten Feldaufgangs“ bei der PHARMAPLANT GmbH bearbeitet.

Das Ziel der Untersuchungen ist es, mit der Bestimmung von sortenspezifischen Mindestkeimtemperaturen und der Ermittlung des Zusammenhangs zwischen Keim- (Boden-) temperatur und Keimschnelligkeit, Schlussfolgerungen für Aussaatzeiten, Sortenwahl sowie Vorauflaufanwendungen von Herbiziden geben zu können.

Material und Methoden

Saatgut der Sorten ‚Offstein’, ‚Lemona’, ‚Limonella’, ‚Erfurter Aufrechte’, ‚Quedlinburger Niederliegende’ und ‚Citronella’ wurden aus dem einschlägigem Handel bezogen.

Keimfähigkeit: Keimrate bei Optimaltemperatur (BLACK 2006) nach ISTA (2009) in %

Keimrate: Rel. Anteil gekeimter Samen bei der jeweiligen Temperatur in %

Keimbeginn: Inkubationsdauer, bis Keimblätter aus den ersten Samen treten, nach … Tagen

Keimschnelligkeit (t50): Inkubationsdauer, bis 50% der keimfähigen Samen gekeimt sind, in … Tagen

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6. Fachtagung Arznei- und Gewürzpflanzen, 19. – 22.9.2011, Berlin

138

Ergebnisse

Tabelle 1: Ergebnisse des temperaturabhängigen Keimverhaltens verschiedener Sorten der Melisse im Bereich der minimalen Keimtemperaturen (T0) nach 21 Tagen (je Sorte ein Muster)

Prüfglied /

Sorte

Minimale Keimtemperatur (T0) bei

Keimungsbeginn (nach … Tagen) bei

Mittlere Keimschnelligkeit (t50)

1) in Tagen bei

Keimrate der Samen in % bei

(nach 21 Tagen)

13°C 15°C 17°C 15°C 17°C 19°C 15°C 17°C 19°C 15°C 17°C 19°C

M1/‚Offstein‘ _ + + 11 11 6 11 14,7 8,6 2 25 23

M3/‚Erfurter Aufrechte‘

_ + + 11 15 5 11 16,0 7,5 2 5 13

M5/‚Lemona‘ _ _ + - 15 5 - 17,5 8,6 0 5 10

M12/

‚Limonella‘ _ _ + - 15 5 - 15,0 7,0 0 2 3

M14/‚Quedl. Nieder-

liegende‘ _ _ + - 11 5 - 14,3 8,0 0 12 69

M19/

‚Citronella‘ _ + + 11 8 5 11,8 11,4 7,3 5 27 38

Diskussion

Die ermittelten minimalen Keimtemperaturen (T0) der getesteten Melissemuster liegen zwischen 15°C und 17°C. Bei diesen Temperaturen zeigten alle Muster jedoch nur geringe Keimraten (nach 21 Tagen) und Keimschnelligkeiten. Bei 17 °C keimten die Samen im Mittel erst nach 10 bis 15 Tagen. Eine Erhöhung der Inkubationstemperatur wirkte sich positiv auf die Keimergeb-nisse aus. Der Keimbeginn verkürzt sich schon bei 19°C auf 5 Tage. Jedoch konnte das Opti-mum bei allen Mustern erst bei 27°C nachgewiesen werden, da bei dieser Temperatur erst die maximale Keimrate erreicht werden konnte.

Diese hohen Temperaturen sind in der Regel in unseren Regionen mit Bodentrockenheit verbun-den, so dass Kompromisse im Aussaattermin toleriert werden müssen. Bei der Entwicklung von Direktsaatverfahren sind die Aussaatzeiten zumindest so zu wählen, dass die mittleren Boden-temperaturen mindestens 17°C betragen, um eine Keimung zu gewährleisten. Da sich schon bei 19°C die Keimungsdauer stark verkürzt, sollte die Devise gelten “je später die Aussaat, desto besser“, oder für geplante Herbstaussaaten „je früher die Aussaat, desto besser“, denn damit kann ein deutlicher Etablierungsvorteil geschaffen werden.

Innerhalb des getesteten Temperaturgradienten zwischen 15°C und 31°C könnten im Keimungs-verlauf nach den bisherigen Ergebnissen Sortenunterschiede existieren.

Die getesteten Muster von ‚Lemona’ und ‚Limonella’ zeigten sich in unseren Untersuchungen als thermophiler, da sie auch noch bei 25 °C eine deutliche Reduzierung ihrer Keimrate zeigten.

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Vorträge

139

Hingegen konnten die Muster der Sorten ‚Erfurter Aufrechte’, ‚Quedlinburger Niederliegende’ und ‚Citronella’ schon unter niedrigeren Temperaturen sehr gute Keimraten erzielen.

Die bisherigen Ergebnisse werden im Moment an Saatgutmustern anderer Erntejahre überprüft.

Tabelle 2: Ergebnisse des temperaturabhängigen Keimverhaltens verschiedener Sorten der Melisse im Bereich der optimalen Keimtemperaturen (Tmax) nach 21 Tagen (je Sorte ein Muster) 1) (t50): Zeit in Tagen, bis 50% der keimfähigen Samen gekeimt sind

Prüfglied /

Sorte

Keimungsbeginn (nach … Tagen) bei

Mittlere Keimschnelligkeit

(t50) 1) in Tagen bei

Keimrate der Samen in % bei

(nach 21 Tagen)

25°C 27°C 29°C 25°C 27°C 29°C 25°C 27°C 29°C

M1/‚Offstein‘ 4 4 3 5,5 5,2 6,3 63 56 53

M3/‚Erfurter Aufrechte‘

4 4 3 5,3 4,8 5,7 85 90 97

M5/‚Lemona‘ 4 4 4 6,3 5,9 6,7 62 92 99

M12/

‚Limonella‘ 4 4 3 5,8 6,1 6,3 43 92 95

M14/‚Quedl. Nieder-

liegende‘

4 4 3 4,4 4,5 5,9 94 100 97

M19/

‚Citronella‘ 4 4 3 4,8 4,2 5,9 88 96 98

Danksagung

Die Finanzierung des Vorhabens erfolgt durch die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. sowie die arzneipflanzenanbauenden Betriebe Agrargenossenschaft Nöbdenitz e. G., Agrarpro-dukte Ludwigshof e. G., Hofgutkräuter GmbH & Co. KG und Lampertswalder Sachsenland Agrar GmbH & Co. KG. Ihnen und der koordinierenden Forschungsvereinigung der Arznei-mittelhersteller e. V. sei an dieser Stelle gedankt.

Literatur

Black, M., Bewley, J.D., Halmer, P. 2006: The Encyclopedia of seeds science. Technology and uses. 1. Aufl.. CAB International, Wallingford and Cambridge 2006: 270- 276 ISTA- International Rules for Seed Testing. Ed. 2009/1, International Seed Testing Association (ISTA) Basserdorf (CH) ISBN 13 978-3-906549-53-8

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140

DV 28

Potenziale der Kultivierung asiatischer Arznei- und Gemüsekräuter

M. Böhme und I. Pinker

LFG Gärtnerische Pflanzensysteme, Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät, Humboldt-Universität zu Berlin, Lentzeallee 75, 14195Berlin, [email protected]

Zusammenfassung

Die Nachfrage nach frischen exotischen Kräutern steigt in Deutschland rasch an. Die meisten dieser Kräuter habe eine geschmacksverbessernde und gesundheitsfördernde Wirkung. Es werden einige asiatische Kräuter vorgestellt, die ein hohes Marktpotenzial haben könnten, vier davon werden ausführlicher dargestellt:ThaiBasilikum (Ocimum basilicum), Indisches Basilikum(Ocimum sanctum),Perilla oder Schwarznessel (Perilla frutescens)und Vietnamesische Melisse oder Kamm Minze (Elsholtzia ciliata). Zu diesen Kräutern liegen Untersuchungen zum Anbau in hydroponischen Systemen vor. Ergebnisse zum Einfluss pflanzenbaulicher Faktoren auf Ertrag und Inhaltsstoffe werden vorgestellt. Es wurden der Nitratgehalt, der Gehalt an Vitamin C und an ätherischem Öl analysiert. Die Kräuter konnten nach zwei bis vier Wochen geerntet werden, insgesamt waren 3 bis 4 Ernten in der Sommerzeit möglich. Der Nitratgehalt lag unter den in Deutschland üblichen Grenzwerten. Der Gehalt an ätherischem Öl und Vitamin C war in den untersuchten Kräutern unterschiedlich und es gab auch Unterschiede zwischen den verschiedenen Kultivierungssystemen.

Einleitung

Der Konsum frischer Kräuter ist steigend und auch asiatische Kräuter werden verstärkt nachgefragt. Eine Kultivierung asiatischer Kräuter in Deutschland hat ihre Vorzüge wegen der größeren Frische und Qualitätssicherung. Es wird aber eine Veränderung des Geschmacks, als auch eine Reduzierung der wertgebenden zum Teil bioaktiven Inhaltsstoffe unter bestimmten Wachstumsbedingungen vermutet.

Aus diesem Grund scheint es erforderlich zu sein, den Einfluss desKlimas (Temperatur, Licht, Luftfeuchte), sowie die Bedingungen im Wurzelraum und die Ernährung der Pflanzenauf wertgebende Inhaltsstoffe zu untersuchen. Nur wenige Kenntnisse gibt es auch hinsichtlich der Einflüsse der Kultivierungsmethodeauf die zeitliche Entwicklung und die Biomasse Produktion. Die Untersuchungen waren vorerst konzentriert auf einen Vergleich einer Kultivierung in organischen Substraten mit Anstaubewässerung und in einem aeroponischen System. In Auswertung früherer Untersuchungen schien es erforderlich auch den Einfluss der Pflanzendichte und der Erntehäufigkeit, bzw. des Ernteintervalls auf den Ertrag und auf den Gehalt an Inhaltsstoffen zu untersuchen. Bei der Auswahl der Kräuter für diese Untersuchungen wurde auf Verwendbarkeit als Salatgemüse, Würzmittel und gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe wert gelegt.

Material und Methoden

Für das Verfahren der Substratkultur wurden Töpfe mit Ø12 cm verwendet, 20 Tage alte Sämlinge wurden pikiert in ein Substrat bestehend aus Weiß- und Schwarztorf sowie Perlite (1-6 mm). Die Versorgung mit Wasser und Nährelementen erfolgte durch ein periodisches Anstauen. Für die Aeroponik wurden die Sämlinge in 4 cm Steinwollwürfel pikiert, die kleinen

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Vorträge

141

Jungpflanzen wurden dann in Styrodur-Platten mit Löchern gesetzt, welche die Aeroponikanlage abdeckten. Die Nährlösung wird über Sprühköpfe bei einem Gesamtdruck von 6 bar an die Wurzeln der Pflanzen alle 5 Minuten für 30 sec. gesprüht. Die überschüssige Nährlösung fließt wieder in den Nährlösungsbehälter zurück. Bei der Aeroponik wurde der EC-Wert auf Ø 2,0 mS cm-1 und der pH-Wert auf Ø 5,7 eingestellt.

Für die Substratkultur wurde der EC-Wert auf Ø 1,7 mS cm-1 und der pH-Wert auf Ø 6,5 eingestellt. Die Nährlösung hatte folgende Zusammensetzung: N (130 ppm), P (50), K (225), Ca (120), Mg (60), Fe (3), HCO3(90).

Die Experimente erfolgten mit folgenden asiatischen Kräutern: Thailändisches Basilikum (Ocimum basilicum), Indisches Basilikum(Ocimum sanctum), Perilla oder Schwarznessel (Perilla frutescens) und Kamminze (Elsholtzia ciliata)

Ergebnisse und Diskussion

Hinsichtlich der Ertragskennziffern, Frischmasse (FM), Trockenmasse (TM), Trieblänge und Blattfläche konnten Unterschiede sowohl zwischen den verfahren der Kultivierung, als auch der untersuchten Kräuter ermittelt werden. Beim Indischen Basilikum waren die FM und TM in der Aeroponik und in der Substratkultur signifikant unterschiedlich. Im Substrat war eine wesentlich höhere Biomasseproduktion zu verzeichnen. Hinsichtlich der Wachstumsentwicklung bei Perilla und der Kamminzevor und nach dem Schnitt, gab es gleichfalls höhere Trieblängenbei den im Substrat gewachsenen Pflanzen, im Vergleich zu den Pflanzen, die in der Aeroponik kultiviert wurden.

Bei einem Vergleich verschiedener Pflanzendichten und drei Schnitten bei Kamminze, gab es signifikant höhere Erträge bei der größeren Pflanzendichte von 100 Pflanzen je m² (Abb. 1).

Der Nitratgehalt lag bei den Kräutern in den Blättern zwischen 150 und 400 mg/kg Frischmasse und in Stängeln zwischen 450 und 980 mg kg-1, damit lag er weit unter den üblichen Grenzwerten, die für Blattgemüse über 1000 mg kg-1 betragen.

Hinsichtlich der wertgebenden Inhaltsstoffe Vitamin C und ätherisches Öl ergaben sich unter-schiedliche Ergebnisse für die untersuchten Pflanzen und die die beiden Kultivierungsverfahren. Der höchste Gehalt an Vitamin C wurde bei Perilla im Aeroponischen System ermittelt. Bei den anderen Arten gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Kulturverfahren (Abb. 2).

Abb. 1 Erträge von Kamminze(Elsholtzia ciliata) bei zwei Pflanzdichten und drei Ernteterminen in einer Aeroponikanlage

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Abb. 2 Gehalte an Vitamin C in drei asiatischen Kräutern in der Substratkultur, bzw. in der Aeroponik

Abb. 3 Gehalte an ätherischem Öl C in drei asiatischen Kräutern in der Substratkultur, bzw. in einer Aeroponikanlage kultiviert

Der höchste Gehalt an ätherischem Öl wurde in Perilla in Substratkultur, ermittelt (Abb. 3).

Auch im Indischen Basilikum waren die Ölgehalte in der Substratkultur höher, allerdings waren die Unterschiede geringfügiger. Bei der Kamminze waren dagegen die Gehalte in Pflanzen aus dem aeroponischen Anbau höher.

Schlussfolgerungen

- Asiatische Kräuter können im Gewächshaus in Mitteleuropa angebaut werden. Dabei spielt das Kultursystem eine entscheidende Rolle für Ertrag und Qualität. Das Substratkultur-System mit Anstaubewässerung ermöglicht höhere und stabilere Erträge als die Aeroponik.

- Im aeroponischen System spielt die Pflanzendichte eine besondere Rolle. - Mehrmalige Ernten sind in der lichtreichen Jahreszeit möglich. - Die beiden Verfahren der Kultivierung haben offensichtlich einen Einfluss auf die Gehalte

an wertgebenden Inhaltsstoffen. Die Gehalte erreichen im Gewächshaus Werte, wie sie in der Literatur für Freilandware beschrieben sind. Weitere Untersuchungen sind erforderlich.

- Die Produktion im geschützten Anbau ermöglicht die Kontrolle der Nitratwerte. - Weitere Analysen sind erforderlich, um die geeigneten Wachstumsbedingungen und

Zusammensetzung der Nährlösung zu ermitteln, und ihre Wechselbeziehungen zu den wertgeben den Inhaltsstoffen.

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Vorträge

143

DV 29

Einfluss unterschiedlicher Schnittfrequenz auf den Blattertrag und die Gehalte an Caffeoylchinasäuren bei der Artischocke (Cynara cardunculus L.)

B. Honermeier und S. Ali

Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung I, Justus-Liebig-Universität Gießen, Ludwigstraße 23, D-35390 Gießen, Email: [email protected]

Zusammenfassung

In den Jahren 2006 bis 2008 wurde am Standort Groß-Gerau ein zweifaktorieller Feldversuch mit der Artischocke (cv. Gobbo di Nizza) durchgeführt, um den Einfluss der Pflanzendichte (4, 8, 12 und 16 Pflanzen/m2) und der Schnittfrequenz (3, 5 und 6 Schnitte pro Jahr) auf den Blattertrag und den Gehalt an Caffeoylchinasäuren zu klären. Es wurde festgestellt, dass die Zunahme der Pflanzendichte zu einer Verminderung der Blattzahl/Pflanze, jedoch zu einer Zunahme der Blatterträge führte. Als Optimum für die Blattbildung wird ein Bereich von 8 bis 12 Pflanzen/m2 angesehen. Eine geringe Schnittfrequenz von drei Ernten pro Vegetationsperiode führte zu höheren Blatterträgen als eine große Schnitthäufigkeit. Die Gehalte an CCS-Verbindungen und Flavonoiden unterlagen einem gesicherten Einfluss durch die Pflanzendichte. Niedrige Pflanzendichten wirkten sich positiv auf die Synthese phenolischer Verbindungen in den Artischockenblättern aus. Eine geringe Schnitthäufigkeit führte in zwei Versuchsjahren zu höheren Gehalten an CCS-Verbindungen in den Blättern.

Einleitung

Die zur Familie der Asteraceae zählende Artischocke (Cynara cadunculus L.) wird als Blattdrogenpflanze zur Herstellung von Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln genutzt (SCHILCHER und HAGELS 1999). Grundlage für die pharmazeutische und ernährungsphysiologische Wirksamkeit von Extrakten der Artischocke sind phenolische Verbindungen wie Caffeoylchinasäuren und Flavonoide sowie terpenoide Komponenten wie Sesquiterpenlactone, denen choleretische und hepatoprotektive Effekte sowie eine Wirksamkeit bei dyspeptischen Beschwerden zugesprochen werden (GEBHARDT 2002). Beim Anbau der Artischocke als Blattdrogenpflanze werden hohe Blatterträge und Wirkstoffgehalte (Gehalte an Caffeoylchinasäuren) angestrebt. Auf Grund der guten Regenerationsfähigkeit können die Rosettenblätter der Artischockenpflanzen mehrmals pro Vegetationsperiode geschnitten bzw. geerntet werden. Es wird vermutet, dass der Erntetermin und die Häufigkeit der Blatternten sowohl die Blatterträge als auch die Gehalte an Caffeoylchinasäuren (CCS) in den Blättern beeinflussen. Es sollte deshalb unter den Bedingungen eines Feldversuchs geklärt werden, ob und in welchem Ausmaß durch die Veränderung der Schnittfrequenz (Schnitthäufigkeit) in Kombination mit unterschiedlichen Pflanzendichten eine Beeinflussung der Blatterträge und der Gehalte an CCS-Verbindungen der Artischocke bewirkt wird.

Material und Methoden

In den Jahren 2006 bis 2008 wurden drei zweifaktorielle Feldversuche (Prüffaktor A – Pflanzendichte, Prüffaktor B – Schnittfrequenz) am Standort Groß-Gerau (südwestlich von Frankfurt am Main: 49° 45´Nord, 8° 29´Ost, 90 m über NN) auf einer Parabraunerde sandiger Textur (Ackerzahl 25) durchgeführt. Die Feldversuche wurden als 2-faktorielle Blockanlagen

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(A*B-Bl) mit den Prüffaktoren bzw. Prüfstufen Pflanzendichte (4, 8, 12 und 16 Pflanzen/m2) und Schnittfrequenz (SF 1 = 3, SF 2 = 5 und SF 3 = 6 Schnitte bzw. Ernten pro Vegetationsperiode) mit vier Wiederholungen (Parzellenfläche zur Ernte: 10,5 m2) durchgeführt. Verwendet wurde die Sorte Gobbo di Nizza, die manuell am 20.04.2006, 17.04.2007 und 22.04.2008 (2 Samen je Pflanzloch) gesät wurde. Nach dem Feldaufgang wurden die Pflanzen auf die geforderte Pflanzendichte eingestellt. Die N-Düngung erfolgte nach jedem Schnitt mit 40 kg N/ha. Die Ernte erfolgte bei drei Schnitten (SF 1) unmittelbar vor Schossbeginn der Pflanzen, bei 5 Schnitten (SF 2) alle vier Wochen und bei 6 Schnitten (SF 3) alle drei Wochen. Die Analyse der Caffeoylchinasäuren (CCS) und Flavonoide erfolgte mit HPLC (Fa. Knauer, Pumpe K-1001) mittels UV-Detektion nach BRAND und WESCHTA (1991). Die statistische Verrechnung der Ergebnisse erfolgte mit Hilfe des Programms PIAFStat. Die Daten wurden auf Normalverteilung und auf Homogenität der Varianzen innerhalb der Gruppen (Levené-Test) geprüft. Anschließend erfolgte eine zweifaktorielle Varianzanalyse.

Ergebnisse und Diskussion

Die unterschiedliche Schnittfrequenz (SF) bzw. Erntehäufigkeit der Artischockenblätter hatte erwartungsgemäß einen signifikanten Einfluss auf die Höhe (cm) sowie auf den relativen Deckungsgrad (%) der Pflanzen zum Zeitpunkt der Ernte (s. Tab. 1). Eine niedrige Schnittfrequenz von nur drei Ernten führte zu größeren Pflanzenhöhen und Deckungsgraden der Artischocken als größere Schnitthäufigkeiten von fünf bzw. sechs Ernten pro Vegetationsperiode. Bei drei Ernten bewirkte die längere Entwicklungszeit der Pflanzen eine größere Masse und Fläche der Einzelblätter. Die Erhöhung der Schnittfrequenz auf fünf (SF 2) bzw. sechs (SF 3) Ernten pro Vegetationsperiode bewirkte in allen drei Versuchsjahren eine signifikante Verminderung der Pflanzenhöhe und des Deckungsgrades der Blätter. Zugleich wurde durch Erhöhung der Schnittfrequenz auch die Anzahl grüner und gelber (seneszenter) Blätter pro Pflanze vermindert. Durch die Erhöhung der Pflanzendichte wurden die Prüfmerkmale Pflanzenhöhe, Deckungsgrad und Blattzahl/Pflanze in gleicher Weise verändert wie durch eine Erhöhung der Schnittfrequenz.

Die Gesamtblatterträge (Summe pro Vegetationsperiode) lagen in der Spanne von 82 – 95 dt TM/ha (2006), 45 – 65 dt TM/ha (2007) und 40 – 60 dt TM/ha (2008). Die Erhöhung der Pflanzendichte bewirkte generell eine Zunahme der Blatterträge. Die höchsten Gesamt-Blatterträge (Summe der Aufwüchse pro Vegetationsperiode) wurden mit 12 Pfl./m2 im Jahr 2006, 8 Pflanzen/m2 im Jahr 2007 bzw. 8 Pfl./m2 im Jahr 2008 erzielt. Betrachtet man die Einzelblatterträge je Erntetermin, dann wurden in allen Versuchsjahren bereits mit Pflanzendichten von 8 Pfl./m2 die höchsten Blatterträge erreicht. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Versuchsdaten wird vermutet, dass unter den gegebenen Standortbedingungen das Optimum der Pflanzendichte für die Artischocke bei 8 bis 12 Pflanzen/2 liegt.

Hinsichtlich der Schnitthäufigkeit ist festzustellen, dass eine geringe Schnittfrequenz von drei Ernten pro Vegetationsperiode den Vergleichsvarianten im Gesamt-Blattertrag überlegen war. In allen drei Versuchsjahren konnten mit drei Ernten signifikant höhere Gesamt-Blatterträge ermittelt werden als mit fünf oder sechs Ernten pro Vegetationsperiode. Mit der höchsten Schnittfrequenz von sechs Ernten wurden demgegenüber die geringsten Gesamt-Blatterträge erzielt. Mit diesem Ergebnis wird deutlich, dass die Zunahme der Schnitthäufigkeit in den durchgeführten Feldversuchen nicht geeignet war, um die Blatterträge beim Anbau der Artischocke zu maximieren.

Die Konzentration an Caffeoylchinasäuren (CCS) in den Blattproben (ganze Blätter) der Artischocken lag im Jahr 2006 bei 1,2 % der TM (Varianten mit 4 bis 12 Pflanzen/m2), im Jahr 2007 bei 3,2 % der TM (Varianten mit 4 bis 8 Pflanzen/m2) und im Jahr 2008 bei 2,7 % der TM

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Vorträge

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(in der Variante mit 4 Pflanzen/m2 und drei Schnitten). In allen Versuchsjahren wurden somit bei geringer Pflanzendichte die besten Qualitäten erreicht. Bei Betrachtung der Flavonoidgehalte konnte diese Wirkung nicht oder nur tendenziell beobachtet werden. Im dritten Versuchsjahr 2008 war eine Wechselwirkung zwischen den Prüffaktoren Pflanzendichte und Schnittfrequenz vorhanden. Diese Wechselwirkung bestand darin, dass die Abnahme der Gehalte an CCS-Verbindungen mit zunehmender Pflanzendichte nicht bei allen drei Schnittfrequenzen gleich gerichtet verlief. Die höchsten CCS-Gehalte wurden jedoch bei allen drei Schnittfrequenzen mit den geringsten Pflanzendichten erzielt, was als Bestätigung der Befunde aus den Jahren 2006 und 2007 gewertet werden kann. Als Ursache für den positiven Effekt der verminderten Pflanzendichte auf die CCS-Gehalte werden die besseren Wachstumsbedingungen der Pflanzen (bessere Wasser- und Lichtversorgung) vermutet. Es kann davon ausgegangen werden, dass bei niedriger Pflanzendichte auch eine bessere UV-Lichtversorgung der Einzelpflanzen vorhanden ist, die sich positiv auf die Synthese von Phenolsäuren auswirken dürfte.

Tab. 1: Einfluss der Schnittfrequenz (SF) und der Pflanzendichte (PD) auf morphologische Parameter, Blattertrag und Wirkstoffgehalt der Artischocke, Feldversuche Groß-Gerau 2007-2008, Ergebnisse der Varianzanalyse (p-Werte)

Die Zunahme der Schnittfrequenz bewirkte in den Jahren 2006 und 2008 eine signifikante Abnahme der CCS- und Flavonoid-Gehalte in den Blättern. Im Jahr 2007 hatte die Erntehäufigkeit dagegen keinen Einfluss auf die Gehalte an CCS-Verbindungen und Flavonoiden. Die Hypothese, dass juvenile und physiologisch jüngere Blätter höhere Gehalte an phenolischen Verbindungen aufweisen, konnte damit nicht bestätigt werden. Zwei Aspekte müssten bei der Bewertung dieses Zusammenhangs berücksichtigt werden. Zum Einen die Lichtexposition der Blätter, die bei niedriger Schnittfrequenz (längere Aufwuchs- und Wachstumsphase der Blätter) insgesamt größer gewesen sein dürfte. Zum anderen wurde nach jeder Ernte den Artischocken eine N-Gabe von 40 kg N/ha verabreicht, was zu einer höheren N-Menge bei höherer Schnittfrequenz führte. Diese höhere N-Menge könnte sich negativ auf die Gehalte an CCS-Verbindungen und Flavonoiden ausgewirkt haben.

Prüfmerkmale 2007 2008

SF PD SFxPD SF PD SFxPD

p-Werte

Pflanzenhöhe (cm) < 0,001 NS NS < 0,001 NS NS

Deckungsgrad der Blätter (%) < 0,001 < 0,001 NS < 0,001 < 0,001 0,021

TM-Gehalt (%) NS NS NS < 0,001 < 0,001 0,014

Grüne Blätter/Pflanze < 0,001 < 0,001 0,024 < 0,001 < 0,001 0,024

Gelbe Blätter/Pflanze < 0,001 0,048 0,097 < 0,001 NS NS

Blattertrag/Variante (dt/ha) < 0,001 < 0,001 NS < 0,001 < 0,001 NS

Blattertrag/Schnitt (dt/ha) < 0,001 < 0,001 NS < 0,001 < 0,001 NS

CCS-Verbindungen (% TM) NS 0,002 NS < 0,001 < 0,001 < 0,001

Flavonoide (% TM) NS NS NS < 0,001 < 0,001 < 0,001

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Literatur

Brand, N., Weschta, F., 1991: Die analytische Bewertung der Artischocke und ihrer Präparate. Zeitschrift für Phytotherapie, 12, 15-21. Gebhardt, R. 2002: Prevention of taurolithocholate-induced hepatic bile canalicular distortions by HPLC-characterized extracts of artichoke (Cynara scolymus) leaves. Planta medica 68, 776-779. Schilcher, H., Hagels, H. J. 1999: Presssaft aus Artischocken. Deutsche Apothekerzeitung 139, 2725-2729.

DV 30

Läßt sich Actea racemosa L. (syn. Cimicifuga racemosa (L.) Nutt.) kultivieren? Probleme und Ergebnisse

R. Schenk und I. Pinker

Humboldt-Universität zu Berlin, Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät, Department für Nutzpflanzen- und Tierwissenschaften, Albrecht – Thaer - Weg 5, D - 14195 Berlin, [email protected]

Einleitung

Extrakte aus dem Cimicifuga-Wurzelstock haben sich in klinischen Studien und Anwendungsbeobachtungen als wirksam und gut verträglich bei der Therapie von neuro- und psychovegetativen klimakterischen Beschwerden erwiesen.

Actea racemosa L. (Traubensilberkerze, black cohosh), syn. Cimicifuga racemosa (L.) Nutt. ist eine ausdauernde Pflanze, die in den Laubwäldern Nordamerika beheimatet ist. Die Pflanze besitzt aufrechte Stängel mit großen, fast grundständigen, 2- bis 3-fach gefiederten Laubblättern. Die langen, schmalen, traubigen Blütenstände mit cremefarbigen Blüten blühen von Juni bis September. Die Pflanze bildet ein kräftiges Rhizom und aus den Achseln der Niederblätter entspringen sprossbürtige Wurzeln.

Die Droge stammt hauptsächlich aus Indiana, Kentucky, Missouri, Ohio, Tennessee und West Virginia und wird vorwiegend über Wildsammlungen gewonnen (LYKE 2001).

Voraussetzung für die Herstellung von Phytopharmaka ist eine qualitativ hochwertige und standardisierte Pflanzenrohware. Diese hohen Anforderungen kann ein gezielter Arzneipflanzenanbau besonders gut sicherstellen. Für den Anbau der Traubensilberkerze liegen bisher keine gesicherten langjährigen Erfahrungen vor. Es gibt keine Erkenntnisse über den Erntezeitpunkt, Einfluss von Standortfaktoren und Düngungsmaßnahmen. In dem Forschungsprojekt zur „Inkulturnahme von Cimicifuga racemosa“ werden deshalb grundlegenden Fragen des Anbaus untersucht.

Material und Methoden

An den Standorten Berlin-Dahlem und Blumberg wurden folgende Feldversuche durchgeführt.

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Vorträge

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• Bestimmung des optimalen Erntezeitpunktes, Versuchsanlage mit 24 Parzellen, pro Parzelle wurden 3 Reihen gepflanzt mit jeweils 7 Pflanzen, die Reihen- und Pflanzabstände betrugen jeweils 50 cm, 14-tägige Proberodungen von April bis Oktober

• zum Einfluss von Beschattung (2 Stufen), Bewässerung (2 Stufen) und Mulchen (3 Stufen), Feldversuch als dreifaktorielle randomisierte Spaltanlage mit 4 Wiederholungen

• zum Einfluss von Düngungsmaßnahmen (7 Stufen), Feldversuch als einfaktorielle randomisierte Blockanlage mit 4 Wiederholungen

• um intraspezifische Verfälschungen ausschließen zu können, wurde eine Sammlung verschiedener Arten und Accessionen angelegt

Die Ernte erfolgte Ende September bis Anfang Oktober. Die Pflanzen wurden per Hand gerodet, die Rhizome gewaschen und getrocknet. Frisch- und Trockenmasse wurden erfasst, Extraktivstoffgehalte und ausgewählte Inhaltsstoffe wurden bestimmt.

Ergebnisse und Diskussion

Um Verfälschungen und Verwechslungen zu vermeiden, ist eine sichere Bestimmung der Spezies erforderlich. Dazu wurden aus Botanischen Gärten und dem Zierpflanzenhandel verschiedene Arten zusammengetragen und aufgepflanzt. Insgesamt wurden aus 26 ver-schiedenen Quellen 65 Accessionen gepflanzt. Auf Grundlage der phänotypischen morpho-logischen Merkmale erfolgte eine taxonomische Einordnung und Bestimmung der Arten. Dabei erwiesen sich 22 von 65 Accessionen als falsch. Es konnten die Arten C. racemosa (C. r.), C.

rubifolia, C. foetida, C. simplex und C. japonica identifiziert werden. Die Arten C. americana

und C. dahurica wurden nicht gefunden.

C. r. unterliegt einer Dormanz und benötigt mehrere Monate zur Keimung. Daher stellt sich die Keimung von C. r. als eines der wichtigsten Probleme dar. Saatgut von C. r. enthält in den Samenkapseln bis zu 12 Samen, diese sind aber unterschiedlich entwickelt und meist haben nur 4 bis 6 Samen die nötige Qualität. Wie viele andere Vertreter der Ranunculaceae enthält der Cimicifuga-Samen einen sehr unreifen Embryo, der sich erst während der Keimung entwickelt. Histologische Untersuchungen zeigten, dass der Embryo im reifen Samen noch im Globulärstadium verharrt. Z.T wurde sogar noch der Suspensor gefunden, was auf ein sehr frühes Entwicklungsstadium des Embryos hinweist. Die bereits 1985 von BASKIN und BASKIN beschriebene morpho-physiologische Dormanz kann mit einer Warm-Kalt-Warm-Stratifikation überwunden werden.

Die vegetative Vermehrung durch Rhizomteilung ist möglich, höhere Vermehrungsraten sind erst bei älteren Pflanzen zu erreichen. Eine besonders schnelle Form der vegetativen Vermeh-rung ist die Bildung somatischer Embryonen in der In-vitro-Kultur. Es konnte gezeigt werden, dass bei C. r. die Bildung somatischer Embryonen an Hypokotylsegmenten ausgelöst werden kann und diese auch zu Pflanzen heranwachsen. Gegenwärtig wird daran gearbeitet, somatische Embryogenese an Blütenständen, Blüten, Antheren und Fruchtknoten auszulösen.

Zur Erfassung eines optimalen Erntezeitpunktes sind mehrjährig 14-tägige Proberodungen von Vegetationsbeginn bis Vegetationsende durchgeführt worden. Im Jahresverlauf ist ein Zuwachs an Wurzel-, Rhizomtrockenmasse zu erkennen. Jedoch variierten die Werte inner-halb einer Ernte zum Teil sehr stark. Die Ursache dafür dürfte in dem sehr unausgeglichenen Pflanzenbestand zu suchen sein. Mit zunehmenden Jahren verschiebt sich das Verhältnis von Wurzelmasse zu Rhizommasse und der Rhizomanteil nimmt zu. Die Inhaltstoffe unterliegen jahreszeitlichen Schwankungen. Die Verläufe der Gehalte waren für alle untersuchten Parameter ähnlich, wobei jahresbedingte Unterschiede auftraten.

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C. r. ist in den Laubwäldern Nordamerikas beheimatet. Es handelt sich nicht um eine Schatten-, sondern um eine Schatten tolerierende Pflanze mit der Besonderheit, bei geringer Lichteinstrahlung höhere Photosyntheseraten als reine Sonnenpflanzen zu haben.

Im Versuch förderte die Beschattung die Bildung von Krautmasse, wirkte sich jedoch signifikant negativ auf den Wurzelertrag aus. Eine Bewässerung führte zu höheren Erträgen. Fehlende Bewässerung lässt sich durch Mulchen mit organischer Substanz oder Folie ausgleichen, was die Verdunstung des Bodens herabsetzt. Geringe auftretende Unterschiede im Extraktivstoffgehalt sind nicht signifikant. Tendenziell wirkt sich eine gute Wasserversorgung positiv aus.

Eine ausgewogene Düngung ist für Ertrag und Inhaltsstoffe von Bedeutung. Die Nährstoffentzüge liegen für N bei 120 bis 200 kg/ha, für K bei 120 bis 170 kg/ha und für P um 25 kg/ha.

Literatur

Baskin, J M; C.C. Baskin, 1985: Epicotyl dormancy in seed of Cimicifuga racemosa and Hepatica acutiloba. Bulletin of the Torrey Botanical Club, 112 (3), S.253-257

Lyke, J., 2001: Conservation status of Cimicifuga rubifolia, C. Americana and C. racemosa. Medicinal Plant Conservation 7, S 22-24

Wir danken der Fa. Bionorica SE für die Unterstützung des Projektes.

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Poster

149

Themenkreis D: Phytopathologie, Pflanzenschutz, Inkulturnahme, Anbau, und Ernte

Poster

DP 24

Vergleich verschiedener Unkrautbekämpfungsvarianten in Dill (Anethum

graveolens L.)

A. Biertümpfel und T. Graf

Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft, Referat Nachwachsende Rohstoffe, Apoldaer Straße 4, D-07774 Dornburg-Camburg, [email protected]

Zusammenfassung

In der Versuchsstation Dornburg der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft wurden von 2007 bis 2009 in einem Exaktversuch in Dill eine einmalige chemische, eine chemisch-mechanische und eine rein mechanische Unkrautbekämpfung hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Bestandesetablierung, den Unkrautbesatz und den Ertrag untersucht.

Im Ergebnis des Versuches zeigte sich, dass die Kombination einer chemischen mit einer mechanischen Unkrautbekämpfungsmaßnahme bei Dill in allen Versuchsjahren zu weitgehend unkrautfreien Beständen zur Ernte führte. Eine einmalige chemische bzw. mechanische Unkrautbekämpfung hatte in der Regel einen deutlich höheren Unkrautbesatz im Erntegut zur Folge. Lediglich in sehr günstigen Jahren reichte eine solche Pflegemaßnahme für ein qualitativ hochwertiges, besatzarmes Erntegut aus.

Insgesamt ist einzuschätzen, dass eine Kombination chemischer und mechanischer Unkrautbekämpfungsmaßnahmen bei geeigneten Kulturen zu sehr guten Ergebnissen führen kann.

In den Jahren 2007 bis 2009 kam in der Versuchsstation Dornburg der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft ein Exaktversuch in Dill zur Anlage, in dem eine einmalige chemische, eine chemisch-mechanische und eine rein mechanische Unkrautbekämpfung hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Bestandesetablierung, den Unkrautbesatz und den Ertrag von Dill untersucht worden sind.

Folgende Varianten wurden geprüft:

PG 1 Bandur 3,0 l/ha im Vorauflauf

PG 2 Bandur 3,0 l/ha im Vorauflauf + Maschinenhacke bei 5 bis 8 cm Wuchshöhe

PG 3 Maschinenhacke bei 5 bis 8 cm Wuchshöhe.

Die Aussaat der Sorte ‚Tetradill/Goldkrone’ erfolgte jeweils im April mit einer Saatstärke von 25 kg/ha bei 30 cm Reihenabstand. Geerntet wurde zur Knospenbildung mit einem Parzellengrünfutterernter.

Im Ergebnis des Versuches zeigte sich, dass die Kombination einer chemischen mit einer mechanischen Unkrautbekämpfungsmaßnahme bei Dill in allen Versuchsjahren zu weitgehend unkrautfreien Beständen zur Ernte führte. Eine einmalige chemische bzw. mechanische

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Unkrautbekämpfung hatte in der Regel einen deutlich höheren Unkrautbesatz im Erntegut zur Folge. Lediglich in sehr günstigen Jahren, wie z. B. 2007, reichte eine solche Pflegemaßnahme für ein qualitativ hochwertiges, besatzarmes Erntegut aus.

Tabelle 1: Einfluss verschiedener chemisch/mechanischer Unkrautbekämpfungsvarianten auf Wuchshöhe und Unkrautbesatz zur Ernte von Dill, VS Dornburg 2007 bis 2009

Behandlung Wuchshöhe (cm)

Unkrautbesatz (%)

2007 2008 2009 2007 2008 2009 Bandur (3,0 l/ha) im VA 81 86 82 5 28 12 Bandur (3,0 l/ha) im VA + Maschinenhacke bei 5 – 8 cm WH

83 89 85 3 5 5

Maschinenhacke bei 5 – 8 cm WH

84 90 78 5 18 15

GD t, 5 % 4,5 4,1 6,0 n. b. n. b. n. b.

Variante der Unkrautbekämpfungchemisch chemisch + mechanisch mechanisch

0

10

20

30

40

50

2007 2008

2009 bereinigter Ertrag

Abbildung 1: Einfluss der Unkrautbekämpfungsvariante in Dill, Vs Dornburg 2007 bis 2009

Die durch die Maschinenhacke bei ungünstigen Bodenverhältnissen teilweise verursachten Pflanzenverluste verwuchsen sich im Vegetationsverlauf weitgehend. Trotzdem waren die Erträge bei alleiniger Maschinenhacke im Vergleich zur rein chemischen Behandlung in zwei der drei Versuchsjahre signifikant niedriger. Dass das bei der Kombination von chemischer und mechanischer Pflege nicht der Fall war, kann nur durch einen höheren Unkrautbesatz der unbehandelten Variante erklärt werden, der möglicherweise beim Einsatz der Maschinenhacke zum Versatz der Hackelemente, zum Verschleppen des Unkrautes und damit höheren

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Phytopathologie, Pflanzenschutz, Inkulturnahme, Anbau, und Ernte

Poster

151

Pflanzenverlusten beim Dill führte. Die durch den Einsatz von Bandur hervorgerufene Wuchsdepression, die sich in den meisten Jahren in einer etwas geringeren Wuchshöhe äußerte, wirkte sich jedoch nicht auf den Ertrag aus (Tab. 1, Abb. 1).

Generell ist festzustellen, dass die Kombination chemischer und mechanischer Unkrautbekämpfungsmaßnahmen bei geeigneten Kulturen sehr effizient sein kann und bei optimalen Boden- und Witterungsverhältnissen zum Zeitpunkt der mechanischen Maßnahmen zu sehr guten Ergebnissen führt.

DP 25

Einfluss des Zeitpunktes und der Höhe des letzten Schnitt im Herbst auf die Überwinterung von Thymian, Salbei und Melisse

C.A. Carron und Ch. Carlen

Agroscope Changins-Wädenswil ACW, Forschungszentrum Conthey, route des vergers 18, CH-1964 Conthey, Switzerland

Salbei (Salvia officinalis L.), Thymian (Thymus vulagris L.) und Zitronenmelisse (Melissa officinalis L.) sind die am häufigsten angebauten Heil- und Gewürzkräuter in der Schweiz. Um eine optimale Ernte dieser Kulturen sicherstellen zu können, wurde der Einfluss der Schnitthöhe beim letzten Schnitt (5 cm und 15 cm), sowie der Zeitpunkt des letzten Ernte vor dem Winter auf die Überwinterung und den Ertrag im folgenden Jahr im Schweizer Berggebiet untersucht.

Bei allen drei Arten wurde mit einem letzten Schnitt im Herbst auf einer Höhe von 15 cm das Risiko von Frostschäden stark reduziert im Vergleich zu einer tiefen Schnitthöhe von 5 cm.

Die Resultate zeigten weiter, dass für Salbei und Thymian der letzte Schnitt anfangs September durchgeführt werden sollte, um ein geringeres Risiko an Frostschäden zu haben im Vergleich zu einem Schnittzeitpunkt anfangs Oktober.

Für die Melisse gab es keine Unterschiede bezüglich des Schnittzeitpunktes im Herbst. Melisse kann auch gegen Ende September bis anfangs Oktober geerntet werden.

Gründe für diese Reaktion der Pflanzen können in der Restblattfläche nach dem Schnitt gefunden werden. Je höher die Restblattfläche nach dem Schnitt ist, desto geringer das Frostrisko. Die Photosynthese der Restblattfläche auf der Pflanze nach dem letzten Schnitt ist für die Überwinterung wichtig, da noch Reservestoff gebildet und eingelagert werden können

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DP 26

Zitronenmelisse: Einfluss der Vliesabdeckung während der Vegetations-periode auf den Gehalt an ätherischem Öl und Rosmarinsäure in den Blättern

C.A. Carron, J. Vouillamoz, C. Baroffio, und C. Carlen

Agroscope Changins-Wädenswil ACW, Forschungszentrum Conthey, route des vergers 18, CH-1964 Conthey, Switzerland

Die Zitronenmelisse (Melissa officinalis L.) ist besonders für die aromatischen und die therapeu-tischen Eigenschaften der Blätter bekannt. Neben dem ätherischen Öl gewinnen verschiedene phenolische Verbindungen, im besonderen die Rosmarinsäure, mehr und mehr an Bedeutung.

Mit dem Ziel das agronomische, aromatische und therapeutische Potential der Melisse im Berggebiet zu verbessern, hat Agroscope ACW Faktoren untersucht, die Bildung von ätherischem Öl sowie von Rosmarinsäure in den Blättern beeinflussen. Die Untersuchungen wurden mit der Sorte LORELEI durchgeführt. In diesem Poster wird die Frage des Einfluss von Abdeckungen mit Agrotextil (Agryl Vlies, 17 g/m2) während der Vegetationsperiode auf den Ertrag, den Gehalt an ätherischem Öl und den Gehalt an Rosmarinsäure verfolgt. Die Agrylabdeckung im Sommer wird in einigen Gebieten auch als Pflanzenschutzmassnahme gegen Zikaden verwendet.

Die Resultate zeigten, dass die Abdeckung mit Agrotexil den Trockensubstanzertrag kaum beeinflusste. Dagegen wird der Gehalt an ätherischem Öl durch die Abdeckung mehr als verdoppelt im Vergleich zum Verfahren ohne Abdeckung. Das unter der Agrotexil gebildete Mikroklima bringt eine erhebliche Erwärmung und fördert die Produktion an ätherischem Öl.

Im Gegensatz dazu, konnte mit der Agryl-Abdeckung eine Abnahme des Gehaltes an Rosmarinsäure in den Blättern festgestellt werden. Die höhere Temperatur oder die geringere Lichtintensität unterhalb der Abdeckung scheint die Bildung dieser Phenolverbindung negativ zu beeinflussen.

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Phytopathologie, Pflanzenschutz, Inkulturnahme, Anbau, und Ernte

Poster

153

DP 27

Ein Endophyt in Johanniskraut – Etablierungsversuche

M. Goßmann, Th. Homann*, I. Pinker, Ch. Hellmann und R. Schenk

Humboldt-Universität zu Berlin, Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät, Department für Nutzpflanzen- und Tierwissenschaften, Albrecht-Thaer-Weg 5, D-14195 Berlin, *Universität Potsdam, Institut für Ernährungswissenschaft, Abt. Lebensmittelchemie, Arthur-Scheunert-Allee 114-116, 14558 Nuthetal

Einleitung

Endophytische Pilze können u. a. wegen ihrer ertragssteigernden und resistenzinduzierenden Wirkung interessant sein. An Hypericum perforatum (Johanniskraut) wurde in Indien ein endophytischer Pilz gefunden, der die Hypericinbildung in den Johanniskrautpflanzen steigern kann (KUSARI & LAMSHÖFT et al. 2007).

Mit einem Isolat des pilzlichen Endophyten INFU/Hp/KF/34B vom DSMZ (Deutsche Sammlung für Mikroorganismen und Zellkulturen) erfolgten erste Etablierungsversuche am Johanniskraut (Hypericum perforatum).

Material und Methoden

Um die Morphologie dieses pilzlichen Endophyten näher kennenzulernen, wurde er auf Potato Dextrose Agar (PDA) und Speziellem Nährstoffarmem Agar (SNA) bei 20 °C und Dauerdunkel bzw. Dauer-UV kultiviert.

Es wurden verschiedene Applikationsmethoden und -zeitpunkte geprüft. Zum einen wurde das Saatgut der Sorten Hyperixtrakt und Motiv in einer Myzelsuspension gequollen, zum anderen wurden die Keimlinge bzw. Jungpflanzen mit einer Myzelsuspension gegossen. Desweiteren wurden Jungpflanzen vor dem Umpflanzen an den Wurzeln verletzt und diese in eine Myzelsuspension getaucht. In vitro gekeimte Sämlinge wurden mit der Myzelsuspensions kokultiviert. Nach einer Inkubationszeit bis zu ca. drei Monaten nach der Inokulation erfolgt die Überprüfung der Etablierung des Pilzes in den Johanniskrautpflanzen. Hierzu wurden 0,5 bis 1,0 cm lange Sproß- und Wurzelstücke mit NaOCl oberflächendesinfiziert und auf SNA ausgelegt.

Ergebnisse

Die Kolonie dieses pilzlichen Endophyten wächst sehr langsam und weist auf PDA anfangs ein weißliches, später dunkelfarbiges, schwarzes Myzel mit einem polsterartigen Wuchs und einem zerklüfteten, unregelmäßigem Myzelrand auf. Das Myzel besteht zum einen aus hyalinen, mit an den Septen meist eingeschnürten Hyphen. Zum anderen zeigen sich dunkle Hyphen bzw. kugelähnliche Formen. Eine Sporenbildung erfolgte unter den geprüften Inkubationsbedingungen und -zeiträumen nicht.

Eine lichtmikroskopische Bonitur nach einer 14-tägigen Inkubationszeit erbrachte bisher allerdings noch keinen Etablierungsnachweis des endophytischen Pilzes bei den geprüften Applikations-methoden und -zeitpunkten. Weitere Möglichkeiten zur Etablierung dieses endophytischen Pilzes am Johanniskraut werden noch geprüft.

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Literatur

Kusari, S., Lamshöft, M., Zühlke, S. and Spiteller, S. (2007): An Endophytic Fungus from Hypericum perforatum that Produces Hypericin. J. Nat. Prod., 2008, 71 (2): 159-162.

DP 28

Ertragsfähigkeit von Anis unter Thüringer Standortbedingungen

T. Graf und A. Biertümpfel

Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft, Referat Nachwachsende Rohstoffe, Apoldaer Straße 4, D-07774 Dornburg-Camburg, [email protected]

Zusammenfassung

Seit einigen Jahren besteht seitens der abnehmenden Hand eine gewisse Nachfrage nach Anis aus heimischer Produktion. Für den Anbau der Körnerfrucht Anis ist die übliche Technik für den Druschfruchtanbau einsetzbar, Spezialmaschinen sind nicht erforderlich. Deshalb könnte der Anis auch in nicht auf die Arzneipflanzenproduktion spezialisierten Betrieben zum Anbau kommen.

In Thüringen wurden von 2006 bis 2009 an zwei Orten Versuche zur Anbaueignung sowie zur Ertragsfähigkeit und –stabilität durchgeführt. Es zeigte sich, dass die Produktion von Anis unter Thüringer Standortbedingungen risikobehaftet ist. Die Pflanze ist sehr anfällig gegenüber pilzlichen Schaderregern, was besonders in feuchten Jahren zum Tragen kommt und teilweise bis zum Totalausfall führen kann. Gute Erträge, wie 2006 und 2008, wechseln sich mit niedrigen Erträgen, wie 2007 oder 2009, ab. Hinzu kommt mitunter ein starker Befall mit sekundären Schwärzepilzen auf den Früchten, der eine Vermarktung als Tee nahezu un-möglich macht.

Anis als Körnerdroge, deren Anbau keine Spezialtechnik erfordert, wäre auch für Betriebe, die nicht auf den Arzneipflanzenanbau spezialisiert sind, eine mögliche Anbaualternative. Voraussetzungen dafür sind, neben einem gesicherten Absatz, eine gute Anbaueignung sowie eine hohe Ertragsfähigkeit und –stabilität.

Zur Prüfung dieser Aspekte kamen in Großenstein und Dornburg in den Jahren 2006 bis 2009 Versuche mit zwei Herkünften zur Anlage. Beide Versuchsstationen gehören mit Jahresdurchschnittstemperaturen von 8,0 °C (Großenstein) und 8,3 °C (Dornburg) zu den wärmeren Lagen Thüringens, um den klimatischen Anforderungen des aus dem Mittelmeerraum stammenden Anis zu entsprechen. Die Aussaat der Versuche erfolgte im April mit einer Saatstärke von 15 kg/ha und einem Reihenabstand von 30 cm. Geernet wurde mit einem Parzellenmähdrescher zur Vollreife der Samen.

Im Ergebnis der Versuche zeigte sich, dass das der Anis in den einzelnen Versuchen sehr unterschiedliche Erträge erreichte. Die Unterschiede zwischen den beiden Versuchsstandorten und Herkünften waren dabei deutlich geringer als zwischen den Jahren, was auf einen gravierenden Einfluss der Jahreswitterung schließen lässt. Bei Betrachtung der entsprechenden Daten ist festzustellen, dass der Anis in Jahren mit geringen Niederschlägen im Zeitraum von Mai bis Juli die besten Erträge realisierte. So fielen beispielsweise 2006 in diesem Zeitraum in Dornburg nur 131,5 mm Niederschlag, in Großenstein 134,3 mm. Ähnlich war es 2008 mit 135,6

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Poster

155

mm Regen in Dornburg und 118,3 mm in Großenstein. In beiden Jahren lagen die Erträge des Anis zwischen 9,5 und 19,0 dt/ha und damit auf hohem Niveau.

In den ertragsschwächeren Jahren 2007 und 2009 war es von Mai bis Juli deutlich feuchter mit über 300 mm (2007) bzw. mehr als 200 mm (2009) in beiden Versuchsstationen. Weniger große Bedeutung für die Ertragsbildung scheint der Temperatur zuzukommen, obwohl auch hier ein gewisser Einfluss zu verzeichnen war, insbesondere dann, wenn feuchte Witterung mit niedrigen Temperaturen zusammenfiel. So geschehen in 2009 als die Durchschnittstemperaturen von Mai bis Juli in Dornburg und Großenstein mit 15,3 °C bzw. 16,0 °C deutlich unter den Werten der Vorjahre lagen. Der Anis reagierte 2009 in Großenstein mit einen Totalausfall und in Dornburg mit extrem niedrigen Erträgen (Abb. 1).

10,5

3,6

12,5

0,6

11,1

4,4

19

0

13,1

5

9,5

0,6

12,6

9,7

17,9

0

2006 2007 2008 2009 2006 2007 2008 2009

0

5

10

15

20Herkunft 1 Herkunft 2

Dornburg Großenstein

Abbildung 1: Erträge zweier Anisherkünfte unter Thüringer Standortbedingungen, VS Dornburg und Großenstein 2006 bis 2009

Ursache für die geringen Erträge in den feuchten Jahren war ein starker Befall mit pilzlichen Schaderregern, der zum einen zu Lager und zum anderen auch zu geringem Samenansatz führte. Zudem wurde der Anis bei ungünstigen Witterungsverhältnissen zur Reife von sekundären Schwärzepilzen befallen, die eine Vermarktung als Tee nahezu unmöglich machen würden. Denkbar wäre hier noch die Gewinnung des ätherischen Öls, zumal der Gehalt auch in ertragsschwachen Jahren kaum in Mitleidenschaft gezogen war, wie in Tabelle 1 beispielhaft für die Jahre 2006 und 2007 dargestellt ist.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Anbau von Anis unter Thüringer Standortverhältnissen risikobehaftet ist. Insbesondere in Jahren mit hohen Niederschlägen von Mai bis Juli wird der Anis von zahlreichen pilzlichen Krankheitserregern befallen, die die Ertragshöhe negativ beeinflussen und zudem auch die Qualität, besonders für die Teeproduktion, vermindern. Wichtig wäre in diesem Zusammenhang, die Möglichkeit des Einsatzes von

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Fungiziden zur Gesunderhaltung der Bestände und zur Verbesserung der Ertragsstabilität zu prüfen.

Tabelle 1: Qualität zweier Anisherkünfte, VS Dornburg und VS Großenstein 2006 und 2007

Herkunft Äth. Ölgehalt (ml/100 g TM)

Ertrag äth. Öl (l/ha)

2006 2007 2006 2007 Dornburg Großenste

in Dornburg Großenste

in Dornburg Großenste

in Dornburg Großenste

in 1 2,18 2,02 1,57 1,94 20,8 20,4 5,6 8,5 2 1,84 2,00 1,72 1,84 21,8 23,0 6,7 17,8 GD t, 5 % 0,20 0,05 n. b. n. b. 1,26 2,79 n. b. n. b.

DP 29

Vor- und Nachernte Prozessschritte an Arzneipflanzen

Harvesting and Postharvest Processing of Medicinal Plants

H. Hagels und T. Wolf

Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Phyto Center, Binger Straße 173, 55216 Ingelheim am Rhein, [email protected]

Summary

The quality of raw plant material is affected by breeding and agricultural factors. However, harvesting and post-harvest treatment are critical steps in ensuring the preservation of optimum crop quality.

Introduction

The quality of herbal medicinal plant materials depends on a large number of factors. In the case of cultivated plants, breeding ensures the genetic quality of the plant. The choice of area for cultivation and fertilization, irrigation, shade, cultivation under foil, plant protection as well as certain measures to stress the plant all influence the plant’s biomass production and phytochemical composition. The optimum standard of growth control is provided by greenhouses. In complete contrast, there is wild collection where the quality of all growth factors is mostly controlled by the choice of harvesting area.

Herbal medicinal plant research has been focusing on these issues for decades. Little, however, has been published about the essential steps of harvesting and postharvest treatment. For some plants, the extracting process can begin immediately, but most often, the harvested plant material is dried to obtain a preservable state prior to the downstream process which can therefore be planned independently from the harvesting process.

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Poster

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Development Stage of the Plant

It is obvious that red vine leaves should only be harvested once they have turned red and fruits only once they are ripe. It is also clear, of course, that the quality of a young plant will largely be different from one which is in blossom or bearing ripe fruit. However, the quality of most raw plant material depends on invisible compounds. Echinacea purpurea roots, for example, show a significant increase in cichoric acid between the pre-flowering stage and senescence (STUART & WILLIS 2000). Digitalis lanata is a biannual plant the leaves of which are used. We have found that they should be harvested in the fall of the first year as they develop their central stem in the second year, resulting in a relative reduction of the active ingredient, Lanatoside C.

Pre-harvest Quality Control

For several crops, especially when collected wild (as the collector cannot know when the plants were sown), the performance of pre-harvest analyses may be useful, such as an easy-to-perform semi-quantitative assay to assess their content. Pesticide residues caused by spray drift may also be an issue and this should ideally be evaluated prior to harvesting before the cost intensive processing work is done.

Harvesting

The harvesting process can either be carried out manually or by machines. If it is done by hand, the collectors should be trained not to contaminate the material. Contamination with Enterobacteriaciae, in particular, is often accidentally caused by people who come into direct contact with the product.

Automated harvesting limits the extent to which the worker comes into direct contact with the product, thereby reducing the risk of product and human contamination. This is of benefit, for example, when harvesting poisonous plants. The type of mechanisation has an impact on the crushing of the plant part. This can be beneficial for materials that should be crushed in preparation for the next downstream process but also leads to decompartimentation which may then cause degradation of quality-relevant metabolites.

Underground parts sometimes require initial cleaning directly after harvesting to remove soil residue. If organs (such as roots, bulbs, rhizomes or tubers) have already been damaged prior to this step, sticky sap may flow out causing the adherence of foreign matter and attracting pests.

Intermediate Storage

Freshly harvested raw plant material is in a critical state as it is no longer supplied with nutrients by the plant and is therefore perishable. In this state, it attracts pests and forms the ideal basis for a variety of fermentation processes started by its own or by microbial enzymes. This may lead to the degradation of active principles as well as essential matrix components. This is why this critical step should be investigated with regard to defining a time period and temperature range in which this material can be assumed not to significantly decompose. Some plants in this intermediate stage should therefore be stored under cooling if they cannot be dried directly.

Drying

A range of different techniques for drying are in use, from natural sun or air drying with nearly no possibility of control, to different types of solar dryers and even high-tech conveyor dryers where the volume of transported material over time, the temperature and air circulation can be accurately controlled. The decision to use a particular technique is often made for economic reasons as mechanical dryers are large investments that require high-capacity utilization in order to maximize return.

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The quality for each individual raw material depends on an optimum drying temperature. On the one hand, a high temperature is beneficial for a fast process and ensures a reduction of the microbial burden. On the other hand, the high energy involved may result in the degradation of active substances or essential enzymes, or even in the modification of the whole material, for example due to the Maillard reaction which may have a negative effect on the downstream processing. For instance, peppermint leaves cannot be dried at a high temperature as this will cause the essential oil to evaporate. Digitalis lanata leaves also require a mild temperature as the compounds of interest, such as digoxin and digitoxin, are not inherent in the plant but are formed by a fermentation process triggered by the plant’s own thermolabile enzymes prior to extraction. Plantago lanceolata leaves also show a drastic reduction in their metabolites aucubin, catalpol, and acteoside when dried at 60 °C (Tanko et.al. 2005).

Dust generation caused by conveying the product or by air circulation should be avoided with regard to health of the workers – large amounts of small particles within the dried product may also cause problems with the extraction.

The aim - the dried state - should also be specified, as the drier the material is, the more stable it is. However, very dry products reabsorb water from the air during the drying process.

Storage

The warehouse should be established with temperature and humidity control. It also needs to be protected from insects, rodents and microorganisms, and documented pest control must be ensured. By selecting packaging material certified by the food industry, the migration of additives from polymers can be excluded. Care should be taken where the product needs an interaction with air during storage – in that case, no occlusive materials should be chosen.

Literature 1 Stuart, D., Willis, R. 2000: Alkylamide and Cichoric acid levels in Echinacea purpurea tissues during plant growth, Journal of Herbs, Spices and Medicinal Plants 7: 91-101 1 Tanko, H., Carrier, D. J., Duan, L., Clausen, E. 2005: Pre- and post-harvest processing of medicinal plants; Plant Genetic Resources 3; 304-313

DP 30

Comparison between the effect of organic and chemical systems on quantitative and qualitative characteristics of Anise (Pimpinella anisum L.)

S. Khalesro1, A. Ghalavand2, F. Sefidkon3 and A. Salehi4

1- Department of Agronomy, Faculty of Agriculture, Kurdistan University, Sanandaj, Iran, 2- Department of Agronomy, Faculty of Agriculture, Tarbiat Modarres University, Tehran, Iran, 3- Department of Medicinal plants and By-products Research Division, Research institute of Forests and Rangelands, Tehran, Iran, 4- Department of Agronomy, Faculty of Agriculture, Yasuj University, Yasuj, Iran, e.mail: [email protected]

In recent years, organic system for cultivation medicinal and aromatic plants has been a growing movement. In Present research we compared the effect of organic system with the effect of

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Poster

159

chemical system on pimpinella anisum L. Field experiment was conducted in the agriculture research station, at Sanandaj, Iran, in 2008. Experimental factors of organic system were vermicompost (0, 5 and 10 t.ha-1), PGPR (mixture of Azotobacter chroococum, Azospirillum lipoferum and Pseudomonas fluorescens) and zeolite (0 and 4.5 t.ha-1). The treatments were arranged as factorial in a randomized complete blocks design with twelve treatments and three replications. These treatments together with a chemical fertilizer control treatment (N: 90 Kg/ha) were also evaluated using a randomized complete blocks design with thirteen treatments and three replications. Studied traits were plant height, umbel no/ plant, biological and seed yield, essential oil content, essential oil yield and anethol percentage. The results revealed that the significant difference between organic with chemical nutrition system on plant height, biological and seed yield was not observed, but in organic system these values were greater than chemical system. Also In organic system applying the third level of vermicompost combined with zeolite and PGPR inoculation significantly increased umbel no/ plant, essential oil content, essential oil yield and anethol percentage .in comparison with chemical system. Generally the most favorable qualitative characters was obtained from organic system. In addition organic system could have environmental advantages when compared with chemical system.

Keywords: Pimpinella anisum, organic system, chemical system, yield, essential oil.

DP 31

Lückenindikationsversuche mit Herbiziden in Kümmel in Thüringen und Sachsen-Anhalt

M. Krusche1, I. Reichardt1 und R. Schmatz2 1 Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, Strenzfelder Allee 22, D 06406 Bernburg, ² Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft, Naumburger Straße 98, D-07743 Jena

Kümmel gehört zu den ältesten Gewürzpflanzen Europas. Vom Ursprung her zweijährig, kam vor etwa 10 Jahren eine in Quedlinburg gezüchtete einjährige Sorte “Sprinter“ auf den Markt, mit der auf den stark schwankenden Absatz besser reagiert werden konnte. Meist ist der Unkrautdruck auf den zur Verfügung stehenden Flächen so hoch, dass alleinige mechanische Maßnahmen nicht ausreichen bzw. nicht vertretbare Kosten verursachen. Die wirtschaftliche Erzeugung ist in diesen Fällen ohne den Einsatz von Herbiziden bei der Bekämpfung von Unkräutern und Ungräsern nicht möglich.

Aus diesem Grunde wurden in Sachsen-Anhalt und Thüringen ab 1994 zunächst an zweijährigem Kümmel Versuche durchgeführt, die später zur Überprüfung der Verträglichkeit mit der Sorte „Sprinter“ wiederholt wurden. Das Ziel war zunächst die Ermittlung verträglicher Herbizide und anschließend die Erarbeitung der erforderlichen Daten für das Verfahren zur Genehmigung der Anwendung gemäß § 18 PflSchG. Die Versuche mit 25 ausgewählten Mitteln gegen dikotyle Unkräuter und Gräser kamen auf Flächen von Versuchsstationen beider Bundesländer sowie in Praxisbetrieben zur Anlage und Durchführung. Die Anwendungstermine wurden in Abhängigkeit von ihrer Wirkungsweise gesetzt.

In den Versuchen erwiesen sich folgende Herbizide als geeignet: Afalon (vor dem Auflauf=VA), Bandur (VA), Boxer (nach dem Auflauf=NA), Ethosat 500 (NA); Goltix Gold (NA), Lentagran

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WP (NA), Powertwin Plus (NA), Stomp Aqua (VA) und die Gräserherbizide Fusilade MAX und Targa Super. Als nicht verträglich in der geprüften Aufwandmengen zeigten sich Basagran, Certrol B, Centium 36 CS, Debut, Lontrel 100, Tolkan Flo.

In Praxisvarianten wurden Herbizide in Kombination mit Abflammgeräten (kurz vor dem Auflauf der Kultur) mit gutem Erfolg getestet. Eine erste Genehmigung nach § 18a PflSchG steht seit 2003 mit Bandur (im Vorauflauf) und Boxer (im Nachauflauf) zur Verfügung. Der Einsatz von Bandur sollte nur unmittelbar nach der Saat erfolgen und nicht in Verbindung mit Beregnungsmaßnahmen. Die 2006 erteilte Genehmigung von Stomp SC ist inzwischen abgelaufen. Zurzeit stehen darüber hinaus gegen dikotyle Unkräuter für die Praxis Ethosat 500, Lentagran WP und Goltix Gold zur Verfügung, gegen Ungräser, ausgenommen Einjähriger Rispe, Fusilade MAX und Targa Super. Trotz der für Lückenindikation relativ umfangreichen Prüfungen können in Abhängigkeit von Sorte, Anbauverfahren und spezifischen Umweltbedingungen Schäden an der Kultur nicht ausgeschlossen werden. Die Pflanzenverträglichkeit der Herbizide sollte daher unter den betriebsspezifischen Bedingungen geprüft werden.

Wie im Fall des Durchwuchses von Kümmel in der möglichen Nachfrucht Getreide oder Zuckerrüben zu verfahren ist, wurde in einem Screening überprüft. Von den für diesen Zweck ausgewählten 20 Herbiziden erreichten nur Rebell und POWERTWIN PLUS keine Wirkung gegen den Durchwuchs.

Unser Dank gilt den aktiven Mitstreitern Sabine Stumpe, Ronald Anklam, Irmgard Göring sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Versuchsstation Friemar.

DP 32

Einfluss der Saattiefe auf das Auflaufverhalten von Dracocephalum moldavica

V. Oehr, Z. Schmidt, M. Sandalj, X. Zhao, F. Stockmann*1), S. Zikeli2) und W. Claupein1) 1) Universität Hohenheim, Institut für Kulturpflanzenwissenschaften, Fruwirthstraße 23, 70599 Stuttgart, 2) Universität Hohenheim, Koordinationsstelle für Ökologischen Landbau und Ver-braucherschutz, Fruwirthstr. 14, 70599 Stuttgart, *[email protected]

Zusammenfassung

In einem Gewächshausversuch wurde versucht, die optimale Aussaattiefe von Dracocephalum

moldavica zu bestimmen. Jeweils 100 Samen wurden in unterschiedlichen Tiefen (0, 1, 3, 5 und 7 cm) abgelegt und der Aufgang sowie die Auflaufdauer festgehalten. Der höchste Aufgang konnte bei oberflächennaher Ablage des Saatguts in 0, 1 und 3 cm Tiefe beobachtet werden. Obwohl der Aufgang der oberflächlich abgelegten Samen prozentual gesehen mit 1 cm und 3 cm Tiefe vergleichbar war, sollten hier bei der praktischen Anwendung potentielle negative Effekte wie Vogelfraß, Verschlämmung und Erosion mitberücksichtigt werden. Eine Aussaat knapp unter der Erdoberfläche ist deshalb vorzuziehen.

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Poster

161

Einleitung

Der aus Zentralasien stammende moldawische Drachenkopf (Dracocephalum moldavica) wird auf Grund seines intensiven Aromas vor allem in Teemischungen verwendet (DORMAN et al. 2007). Hohe Anteile an ätherischen Ölen, u. a. Citral und Geranylacetat mit antimikrobiellen und antioxidativen Eigenschaften bringen die Pflanze zunehmend auch bei der Konservierung von Lebensmitteln, in der Kosmetik- und Arzneimittelindustrie zum Einsatz (DOMOKOS et al. 1994). Aus diesem Grund wird D. moldavica heute auch in Mitteleuropa verstärkt angebaut (DORMAN et al. 2007). Zur Etablierung der Pflanze in Deutschland sind Kenntnisse über pflanzenbauliche Parameter, u. a. Saattiefe, unabdingbar. Da bisher nur wenig über die optimale Saattiefe von D. moldavica bekannt ist, war es das Ziel dieser Forschungsarbeit, die optimale Ablagetiefe zu ermitteln.

Material und Methoden

In einem randomisierten Topfversuch mit 4 Wiederholungen wurde im Gewächshaus unter unkontrollierten Bedingungen geprüft, inwieweit die Saattiefe (0, 1, 3, 5 und 7 cm) Einfluss auf das Keimverhalten hat. Es wurde eine nach GRUBER et al. (2010) geeignete Bodenmischung aus Torf, Sand und Lehm im Verhältnis 2:2:1 verwendet, welche mittels eines 4x4 mm Siebes homogenisiert und anschließend mechanisch gemischt wurde. Die 20 Töpfe zu 18x18x17 cm wurden mit Wasser aufgesättigt, um eine gute Wasserversorgung während des Keimversuchs zu gewährleisten. In jedem Topf wurden 100 Samen auf einem fein perforierten Netz aus synthetischen Fasern ausgelegt, welches eine genaue Ablage und ein Auffinden der nicht gekeimten Samen nach Versuchsende ermöglichte (GRUBER et al. 2010). Der Topfversuch begann am 02.03.und endete am 28.03. Stichproben der nicht gekeimten Samen wurden anschließend einer Keimprobe mit Stratifikation unterzogen, wobei das Keimverhalten der verbliebenen Samen in einem kontrollierten Klimaschrank unter optimalen Bedingungen (10°C und Dauerlicht) über zwei Wochen hinweg beobachtet wurde, anschließend erfolgte eine Woche Behandlung mit Wechseltemperatur (3°C/30°C) und wechselnden Lichtverhältnissen (12 h hell/12 h dunkel).

Ergebnisse

Die Ergebnisse des Gewächshausversuches ergaben signifikante Unterschiede des Auflaufens in Abhängigkeit von den Ablagetiefen (Tab. 1). Eine Saattiefe von 1 cm erwies sich mit einer Auflaufrate von 35 % als die beste Ablagetiefe. Die Schwankungen zwischen den einzelnen Wiederholungen waren jedoch sehr groß, was auf generell unregelmäßiges Auflaufverhalten des D. moldavica hinweist. Die Ergebnisse zeigen zudem eine negative Korrelation zwischen

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Ablagetiefe und Auflaufrate. Die Saattiefe wirkte sich nicht nur auf die Anzahl der gekeimten Samen aus, sondern auch auf die Schnelligkeit des Auflaufens (Abb. 1). Bei der Ablagetiefe 1 cm liefen die ersten Pflanzen bereits nach 6 Tagen auf, während bei den Tiefen 0 cm und 3 cm eine zeitliche Verzögerung des Auflaufens erkennbar war (Abb. 1). Die Ergebnisse des nachfolgenden Keimtests zeigten, dass ein Teil der Samen noch keimfähig war (Tab. 1).

Diskussion

Zu hohe Feuchtigkeit mit einhergehendem Sauerstoffmangel könnte ein möglicher Grund für eine verminderte Keimfähigkeit bei zunehmender Ablagetiefe sein. Die auf der Oberfläche abgelegten Samen waren teilweise sehr hohen Temperaturen, starken Temperaturschwankungen und reduzierter Wasserverfügbarkeit ausgesetzt. Letzteres war möglicherweise ausschlaggebend für den verzögerten Aufgang in 0 cm Ablagetiefe, da die oberflächlich abgelegten Samen nur geringen Kontakt mit dem Substrat hatten. In ähnlichen Versuchen mit Linsen nahm das Keimungspotenzial analog dazu mit abnehmendem Bodenwasserpotential und damit verbundener Stresserhöhung ab (AL-

KARAKI 1998). Auch das geringe Tausendkorngewicht (TKG) der Samen mit 2,42 g kann als möglicher limitierender Faktor gesehen werden, da Studien eine negative Korrelation zwischen abnehmendem TKG und Tiefenkeimfähigkeit nachweisen (TAKAHASHI et al. 2000). Methodische Schwierigkeiten ergaben sich bei der Nachbehandlung der im Topfversuch nicht gekeimten Samen. Das Saatgut von D. moldavica bildet beim Befeuchten eine Schleimschicht aus, die zu einem Verkleben der Samen mit den Substratpartikeln führt. Eine mechanische Verletzung der nicht gekeimten Samen beim Auslesen aus dem Substrat kann daher nicht ausgeschlossen werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass die Samen eine sekundäre Dormanz ausgebildet haben, die auch durch die Stratifikation im Keimtest nicht gebrochen werden konnte.

Literatur

Al-Karaki, G.N. 1998: Seed Size and Water Potential Effects on Water Uptake, Germination and Growth of Lentil. In Journal of Agronomy and Crop Sciences 181:237-242.

Tab. 1 Auflaufrate im Topfversuch und im nachfolgendem Keimtest bei D. moldavica aus verschiedenen Ablagetiefen

Tiefe

cm

Auflaufrate im Topfversuch %

Keimungsrate nach Topfversuch

%

0 29 59

1 35 1

3 28 0

5 1 3

7 0 6

Abb. 1 Zeitlicher Verlauf des Auflaufens von D.

moldavica, nach der Aussaat am 02.03.

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Phytopathologie, Pflanzenschutz, Inkulturnahme, Anbau, und Ernte

Poster

163

Dorman, H., Dastmalchi, K., Hiltunen, R., Laakso, I. 2007: Chemical composition and antioxidative activity of Moldavian balm (Dracocephalum moldavica L.) extracts. In Food

Science and Technology 40:1655–1663. Domokos, J., Halasz-Zelni, K., Peredi, J. 1994: Characterization of seed oils of dragonhead (Dracocephalummoldavica L.) and catnip (Nepetacataria var. citriodora Balb.). In Industrial

Crops and Product 3:91-94. Gruber, S., Bühler, A., Möhring, J., Claupein, W. 2010: Sleepers in the soil - Vertical distribution by tillage and long-term survival of oilseed rape seeds compared with plastic pellets. In European Journal of Agronomy 33 (2):81-88. Takahashi, H., Sato, K., Takeda, K. 2000: Mapping genes for deep seeding tolerance in barley. In Euphytica 122:37-43.

DP 33

Kräuterhof Gut Gneisenau, Kanarische Kräuter

M. Packenius

Pacenius UG, Kräuterhof Gut Gneisenau, Wilhelminenhofstr. 83-85, 12459 Berlin, Tel.: 030/53 010111, 030/53 010109

Unsere Kräuter, Arznei- und Gewürzpflanzen entstammen einem nachhaltigen, ökologischen und umweltschonenden Anbau. Wir beziehen sie direkt von den Bauern zu fairen Preisen. Wir setzen uns mit sozialem und ökologischem Engagement für den Erhalt der Kulturlandschaften und der natürlichen Regionen ein, ob auf den Kanarischen Inseln oder in der Magdeburger Börde, wo sich das Gut Gneisenau befindet.

DP 34

Effect of vermicompost, PGPR and zeolite application on flower yield, essential oil content and chemical constituent of German Chamomile (Matricaria chamomilla L.)

A. Salehi1, A. Ghalavand2, F. Sefidkon3 and S. Khalesro4

1- Department of Agronomy, Faculty of Agriculture, Yasuj University, Yasuj, Iran. e.mail: [email protected], 2- Department of Agronomy, Faculty of Agriculture, Tarbiat Modarres University, Tehran, Iran, 3- Department of Medicinal plants and By-products Research Division, Research institute of Forests and Rangelands, Tehran, Iran, 4- Department of Agronomy, Faculty of Agriculture, Kurdistan University, Sanandaj, Iran.

In this research, the effects of bio-organic fertilizers and zeolite on dry flower yield, essential oil content and quality of Matricaria chamomilla L., as, one of the most important aromatic and

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medicinal plant, was investigated. This study has been carried out at the Tarbiat Modares University research field, Tehran, Iran during 2008. The experimental design was as three factor factorial based of completely randomized block design with three replications. The factors were mixture of Azotobacter chroococcum, Azospirillum lipoferum, & pseudomonas flouresence (b1=no inoculated and b2= inoculated), vermicompost (v1=0, v2=5, v3=10 ton/ha) and zeolite (z1=0 and z2=9 ton/ha). The results showed that vermicompost levels highly increased the characters including flower yield, essential oil content and essential oil constituent. The application of 10 t.ha-1 vermicompost gave the highest value of those characters. Flower yield and essential oil were also significantly increased by PGPR inoculation and zeolite application. Applying the third level of vermicompost caused the highest value of essential oil and alpha bisabolol oxide A percentage. Zeolite application had a significant effect on essential oil content, alpha bisabolol oxide A percentage but no significant effect on chamazulene percentage. There was positive and synergistic interaction between PGPR inoculum and vermicompost levels on dry flower yield, as the highest and lowest flower yield was obtained in v3b2 and v1b1 treatments with 448.73 and 204.31 kg/ha, respectively. Consequently, it seems that the organic cultivation of German chamomile as an alternative system in chamomile production can increase flower yield, essential oil and chemical constituent.

Key words: Vermicompost, PGPR, Matricaria flower chamomilla L., essential oil, yield.

DP 35

Einfluss der Desinfektion mit belüftetem Dampf von Saatgut von Malve und Eibisch auf deren Krankheitsbefall und Keimfähigkeit

S. Sigg1, A. Sportes1, X. Simonnet1, W. Heller2 und C. Carlen2

1 Mediplant, route des vergers 18, CH-1964 Conthey, Switzerland, 2 Agroscope Changins-Wädenswil ACW, Forschungszentrum Conthey, route des vergers 18, CH-1964 Conthey, Switzerland

Samenbürtige Krankheiten können nicht nur im Acker- und Gemüsebau sondern auch bei Heil- und Gewürzpflanzen ein Problem sein. Vor allem bei Malvaceen wie Eibisch und Malve wurden in den letzten Jahren in der Schweiz verschiedene Probleme beobachtet. Die Pilzsporen sitzen oberflächig auf der Samenschale oder dringen mehr oder weniger tief in den Samen ein. Eine biologische Methode zur Desinfektion des Saatgutes ist die „physikalische Beize“. Man unter-scheidet zwischen Warmwasser-, Heißwasser- und Dampfbeize. Die Dampfbeize hat einige Vorteile. Wegen der kurzen Behandlungszeit im Vergleich zur Behandlung mit Warm- oder Heisswasser dringt nur wenig Wasser in die Samenkörner ein. Deshalb ist der Nach-trocknungsprozess kurz und dadurch günstig. Agroscope ACW hat mit Erfolg eine Desinfek-tions-Methode mit belüftetem Dampf optimiert, um Gemüse- und Basilikumsaatgut zu behan-deln (Buser und Heller, 2010; Heller und Razavi, 2007).

Das Ziel des Versuches war diese Methode mit belüftetem Dampf auch auf anderen Heil- und Gewürzkräutern im 2009 und 2010 zu testen. Dabei wurden Malve und Eibisch berücksichtigt, um den Einfluss des belüftenden Dampfes bei unterschiedlicher Temperatur (63 und 68°C) und

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Poster

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unterschiedlicher Behandlungsdauer (60 bis 180 Sekunden) auf Krankheitsbefall und Keim-fähigkeit des Saatgutes zu testen.

Die Resultate zeigten, dass die Behandlung mit belüftetem Dampf bei 68°C signifikant besser ist als bei 63°C bezüglich der Bekämpfung der Krankheiten. Dagegen hatte die Dauer der Behand-lung zwischen 60 bis 180 Sekunden einen relativ geringen Einfluss auf die Reduktion des Pilz-befalles. Empfohlen für Malve und Eibisch wird eine Behandlung bei 68°C während rund 120 Sekunden. Unter diesen Bedingungen wurde der Befall von Alternaria um rund 50 % bis 80 % reduziert. Myzelien von verschiedenen nicht definierten Pilzarten wurden dabei nur unwesentlich beeinflusst. Mit der belüfteten Dampf-Desinfektion können Pilzkrankheiten nur zum Teil abgetötet werden. Ob die Effizienz dieser Behandlung in Praxisbedingungen ausreicht ist noch abzuklären.

Die Behandlung mit belüftetem Dampf hatte aber einen erstaunlichen Nebeneffekt. Die Keim-fähigkeit des Saatgutes von Malve und Eibisch wurde wesentlich erhöht. Unmittelbar nach einer Behandlung bei 68°C während rund 120 Sekunden wurde die Keimfähigkeit des Saatgutes von Malve von 30-40 % auf rund 75 % und das von Eibisch von rund 40 % auf 90 % erhöht. Es bleibt aber zu klären, wie lange diese erhöhte Keimfähigkeit des behandelten Saatgutes nach der Nachtrocknung erhalten werden kann.

Literatur

Heller W.E., Zoller C. 2010. Desinfektion von Basilikum-Saatgut ist eine Herausforderung. Agrarforschung Schweiz 1 (5): 190–193. Heller W. E., Razavi E. 2007. Mit Dampf zu gesundem Saatgut. Der Gemüsebau (5), 10–11.

DP 36

Untersuchungen zu Bodenansprüchen für einen Anbau von Bärentraube (Arctostaphylos uva-ursi L.)

M. Sonnenschein1), A. Plescher1) und M. Tegtmeier2), 3) 1) PHARMAPLANT GmbH, Westbahnhof 4, D-06556 Artern , [email protected], 2) Schaper & Brümmer GmbH & Co. KG, Bahnhofstasse 35, D-38259 Salzgitter-Ringelheim, 3) Universität Lübeck, Institut für experimentelle und klinische Pharmakologie und Toxikologie, Ratzeburger Allee 160, D-23538 Lübeck;

Bedeutung als Phytotherapeutikum

Bei der Behandlung von Harnwegsleiden zählen Bärentraubenblätter (Uvae ursi folium) zu den Standardphytotherapeutika. Für die Wirksamkeit sind Hydrochinonderivate wie Arbutin verantwortlich, so dass deren Gehalt das entscheidende Qualitätsmerkmal in der Drogenmonographie des Europäischen Arzneibuches (Pharm.Eur.)bildet. Laut Pharm. Eur. 6.1 ist ein Mindestgehalt an wasserfreiem Arbutin von 7,0 % in der Bärentraubenblätter-Droge festgelegt. Die weite Verbreitung der Pflanzenart führte bisher zu keinen Engpässen bei der Beschaffung der Rohware aus Wildsammlung, allerdings steht die Pflanze in einigen europäischen Ländern schon seit längerem unter Artenschutz (D, A, CH, I, CZ, YU). Als Hauptlieferländer gelten derzeit noch Spanien und die Länder Osteuropas.

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Ziel der Arbeiten zur Inkulturnahme

• Schaffung der grundlegenden Voraussetzungen für die Inkulturnahme von Arctostaphylos uva-ursi (nach FRANZ,1991); Auslotung der ökologischen Amplituden, hier: Bodenansprüche bei Konstanthaltung von Witterungsfaktoren;

• Intension: Sicherung des mengenmäßigen Bedarfs von weitestgehend standardisierter Rohware für die Herstellung von Phytopharmaka in der Zukunft;

Material und Methode

Aus einer europaweiten Sammlung von 52 Bärentraube-Wildherkünften wurden auf der Basis eines ersten Screenings die Akzessionen Nr.1, Nr. 10 und Nr. 11 für die Durchführung eines Substratversuches ausgewählt. Das Pflanzgut für den Versuch wurde durch Stecklingsvermehrung erzeugt.

Zur Simulation natürlicher Standorte und potentieller Anbaugebiete wurden die Herkünfte in sieben Substratvarianten am Standort Artern getestet.

Versuchsanlage: 7 Substratvarianten (Tab. 1) in Großgefäßen à 44 m² bei 0,50 m Substrattiefe; je Substratvariante 10 Pflanzen/Akzession aus Stecklingsvermehrung ohne Wiederholung;

Tab. 1: Substratvarianten

Substrat Bezeichnung Komponenten pH-Wert

A sandig-schluffiger Lehm Arterner Mutterboden = Kontrolle 7,5

B Lehmboden (lehmiger Schluff) Lehm-Mutterboden 2:1 7,1

C Sandiger Lehm Sand-Lehm-Mutterboden 3:3:4 7,2

D Sandboden Sand-Mutterboden 2:1 6,5

E Schieferverwitterungsboden Schiefersplitt-Mutterboden 1:2 7,5

E1 Podsol Original Podsol ungemulcht 4,9

E2 Podsol + Kiefernrindenmulch 4,9

E3 Podsol + Shreddermulch Mulch von Laubgehölzen 4,9

F Anmoor Weißtorf-Sand-Muttererde 2:1:1; Einarbeitung von Holzschnitzeln

4,5

G Kiefernwaldboden 25 cm leicht lehmiger Sand, 25 cm natürlicher, abgetragener Kiefernwaldboden

3,8

Düngung: keine Düngung im Etablierungsjahr; in den Folgejahren dem Bodentyp angepasste Nährstoffgaben;

Bewässerung: in der Anwachsphase bei allen Varianten, folgend substratspezifisch nach Bedarf;

Pflanzung: Mai;

Bonituren im Etablierungs- und Folgejahr: im Abstand von 5 Wochen nach folgenden Merkmalen: Überlebensrate, Triebanzahl und –länge, Blattanzahl Haupttrieb, maximale Ausbreitung je Pflanze in Länge x Breite (cm); Krankheitssymptome;

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Poster

167

Ergebnisse

o In Kiefernwaldsubstrat zeigten alle Prüfglieder die beste Wüchsigkeit. Ebenfalls als vorteilhaft erwiesen sich die Varianten ‚Anmoor’ und ‚Podsol’ sowohl mit als auch ohne Mulchauflage im pH-Bereich von 4,5 bzw. 4,9.

o Bei den genannten Substraten zeigte sich eine Verbesserung der Vitalität der Pflanzen im Verlauf der Vegetationsperiode. Im Gegensatz dazu nahm die Vitalität der Pflanzen in den Lehmbodenvarianten A, B und C im pH-Bereich von 7,1 bis 7,5 deutlich ab. Die Ergebnisse bestätigten sich im zweiten Prüfjahr.

o Die Herkünfte Nr. 01, 10 und 11 bewiesen unterschiedliche Toleranz zu den Substratvarianten im neutralen pH-Bereich. Herkunft Nr. 11 wuchs ausschließlich in den sauren Substraten kräftig. In den Substraten mit höheren pH-Werten verfärbten sich die Blätter gelb, es erfolgte kein Triebzuwachs. Herkunft 01 erwies sich als die robusteste Akzession in allen Substratvarianten. Herkunft Nr. 10 erreichte auf sauren Substraten eine gute Vitalität und Triebzuwachs, auf lehmigen, pH-neutralen Substraten zeigte sie einen mäßigen Triebzuwachs.

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E

0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

3,5

4

4,5

5

Gesundheitszustand der Pflanzen (Note 5= kein Befall, 1=starker Befall)

HK11 HK10 HK01

Abb. 1: Einfluss der Bodenverhältnisse auf den Gesundheitszustand der Pflanzen am Beispiel von drei unterschiedlichen Akzessionen

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Schlussfolgerungen

� Die Bärentraube bevorzugt sauren, luftigen und gut durchlässigen Boden mit einem Humusgehalt von mindestens 3%.

� Unterschiedliche Schadpilze wie z. B. Colletotrichum, Pythium und Pestalotia wurden an Bärentraube identifiziert, die zu Blattflecken, Abwelken von Triebabschnitten bis zum Absterben der gesamten Pflanze führen. Durch geeignete Bodenverhältnisse am Anbaustandort können Blattschädigungen minimiert werden (Abb. 1).

Literatur

Ch. Franz, Kultivierung bedeutender wildwachsender Arznei- und Gewürzpflanzen, Entwicklung und ländlicher Raum 4/91

Danksagung

Ein Großteil der praktischen Arbeiten wurde durch Herrn Dr. W. Peschel durchgeführt, für dessen Einsatz an dieser Stelle gedankt wird.

DP 37

Rückstandsverhalten von Thiacloprid in frischen Kräutern – Schließung einer „Lücke“

Residue behavior of an insecticide in fresh herbs – closing of an indication

M. Stähler1), M. Krusche2) und E. Bergmann2)

1) Julius Kühn-Institut, Institut für ökologische Chemie, Pflanzenanalytik und Vorratsschutz, Königin-Luise-Str. 19, 14195 Berlin, E-Mail: [email protected] 2) Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau Sachsen-Anhalt (LLFG), Strenzfelder Allee 22, 06406 Bernburg

Abstract

Plant pesticides are used to protect crops against various diseases. A possible consequence of their use may be the presence of pesticide residues in foodstuffs such as fresh herbs. The intention of this study was to determine residues of thiacloprid in thyme, marjoram, oregano, and parsley after treatment with this active ingredient related to the group of neonicotinoides under field conditions.

Fehlende Pflanzenschutzmittel (PSM) für notwendige Anwendungsgebiete in kleinen Kulturen (minor crops) sind die „Lücke“, die es zu schließen gilt (MEINERT, 2008). Davon waren bzw. sind auch die Arznei- und Gewürzpflanzen betroffen. Nach der erfolgreichen Prüfung der Wirksamkeit eines zugelassenden PSM müssen fehlende Rückstandsdaten im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach § 18 des PflSchG, 2010 für die entsprechende Kultur erarbeitet werden.

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Poster

169

Zielstellung:

Das Ziel der Untersuchungen war die Bestimmung von Thiacloprid in/auf Thymian, Majoran, Oregano und Petersilie nach der Behandlung mit diesem Neonicotinoid unter Freilandbedingungen. Die Rückstandssituation bei dieser Stoffgruppe und ihren Anwendungsgebieten ist im Vergleich zu den Herbiziden durchaus kritischer zu sehen, da die Anwendungszeitpunkte der PSM in der Regel nahe beim Erntetermin liegen. Unter diesen Gesichtspunkten lohnt es sich wiederum, die Rückstände des Wirkstoffs in den Feldproben in Abbaureihen zu bestimmen, um eine konkrete Wartezeit, die von der letzten PSM-Anwendung bis zur Ernte einzuhalten ist, unter Beachtung der Rückstandshöchstgehalte zu ermitteln.

Material und Methoden:

Die neusten Entwicklungen in der Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) in Verbindung mit der Tandem-Massenspektrometrie (MS/MS) erlauben es, auf zeitaufwendige Reinigungsschritte für die Probenextrakte zu verzichten, einen hohen Probendurchsatz zu erreichen und auf eine selektive Nachweisempfindlichkeit zurückzugreifen (SUR UND ZIMMER, 2006). Das spiegelt sich auch in der modifizierten Analysenmethode nach SCHÖNING UND

PLACKE (2001) wider, die die folgenden Schritte umfasst: Zerkleinern der tief gefrorenen Laborprobe, Entnahme der zwei Analysenproben, Zugabe des Surrogats vor der Extraktion mit Aceton/Wasser, Entnahme eines Aliquotes, Festphasenverteilung auf einer Chem Elut-Säule, Zugabe des internen Standards als stabiles Isotop (ISTD) und die Bestimmung der Rückstände mittels HPLC-MS/MS auch unter Berücksichtigung auftretender Matrixeffekte in den einzelnen Kulturen. Die statistische Beurteilung des Analysenverfahrens ergab, für den Analyten über alle Kräuter betrachtet, eine Bestimmungsgrenze von 0,010 mg/kg mit mittleren Wiederfindungsraten von 66 % bis 102 % und aus allen Zusatzversuchen berechnete Nachweisgrenzen im Bereich von 0,002 mg/kg bis 0,005 mg/kg (DFG, 1987). Die Wiederfindungsraten des Surrogats in den Analysenproben jeweils in der Konzentration von 0,10 mg/kg zu den einzelnen Proben dotiert, lagen zwischen 81 % und 112 % in den Einzelmessungen.

Ergebnisse:

Durch das Dezernat Pflanzenschutz der LLFG Sachsen-Anhalt wurden im Jahr 2005 Feldversuche mit vergleichbarer guter landwirtschaftlicher Praxis (GAP) im Rahmen der Lückenindikation zur Prüfung des Rückstandsverhaltens nach zwei Behandlungen innerhalb von 7-10 Tagen durchgeführt. Diese wurden im JKI auf dem Versuchsfeld am Standort Dahlem in den Jahren 2007 und 2008 speziell zur Klärung des Abbauverhaltens in 1- und 2-jährigen frischen Kräutern sowie in krauser und glatter Petersilie unter der vergleichbaren GAP ergänzt. Das Versuchsdesign wurde so gewählt, dass die Abnahme der Konzentration in den oberirdischen Pflanzenteilen vom Zeitpunkt der Applikation bis maximal 11 Tage nach der Behandlung beschrieben werden kann. Die Ergebnisse der Abbauversuche zum Wirkstoff (Tage nach Behandlung [d n.B.]) in den unterschiedlichen frischen Kräutern und den Anmerkungen für das jeweilige Versuchsjahr sind Tabelle 1 zu entnehmen.

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Tabelle 1: Thiacloprid-Rückstände [mg/kg] in den untersuchten Gewürzpflanzen

Kultur: Thymian Majoran Oregano Petersilie

Versuchsjahr: 2005 2008 2005 2007 2005 2008 2005 2007

Anmerkung: 2-jährig 1-jährig 1-jährig 2-jährig 1-jährig krause glatte

[d n.B.] [mg/kg] [mg/kg] [mg/kg] [mg/kg] [mg/kg] [mg/kg] [mg/kg] [mg/kg]

0 7,4 4,7 3,8 2,5 8,6 7,5 8,0 5,1

3 4,6 0,90 1,4 1,4 7,7 (2d) 0,80 0,09 0,76

7 2,6 0,54 0,45 0,42 4,9 (6d) 0,54 0,02 0,06

10 2,2 0,34 0,44 0,50 2,1 (9d) 0,26 0,01 0,03

Zusammenfassende Diskussion:

Pflanzenschutzmittel werden zum Schutz von Kulturpflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge angewendet und können somit zu Rückständen auf den Ernteprodukten führen. Dabei ist die Bestimmung der Rückstände in Kräutern wegen ihres komplexen Inhaltsstoff-Spektrums stets eine Herausforderung für die Rückstandsanalytik. Die in den Untersuchungen angewandte Methode erfüllte die aufgestellten SANCO-Kriterien: Wiederfindungsrate: 60 %-120 % bei einer relativen Standardabweichung von 30 % im Konzentrationsbereich > 0,001 mg/kg ≤ 0,01 mg/kg (SANCO/852/00 rev. 8.1, 2010).

Die Anfangskonzentrationen zum Zeitpunkt t = 0 in der Höhe von 4 mg/kg bis 8 mg/kg Thiacloprid halbierten sich in der Regel nach 3 Tagen. 7 Tage nach der Behandlung waren die Rückstände unterhalb des Rückstandshöchstgehaltes von 5 mg/kg für Kräuter (Verordnung (EG) Nr. 396/2005). In den unterschiedlichen Untersuchungsjahren erfolgte der Abbau von Thiacloprid in den 1-jährigen Kulturen deutlich schneller als in Kulturen im zweiten Standjahr. Ursächlich hierfür kann die Verholzung im 2-jährigen Thymian bzw. Oregano sein. Sortenunterschiede, wie sie bei glatt- und krausblättrigen Petersilie-Genotypen aufgrund der unterschiedlichen Blattfläche eventuell zu erwarten gewesen wären, konnten nicht festgestellt werden.

Literatur:

DFG, 1987: DFG-Methodensammlung zur Rückstandsanalytik von Pflanzenschutzmitteln, Kapitel:XI, B. Statistische Beurteilung von Analysenverfahren (Nachweis- und Bestimmungsgrenze) 9. Lieferung. VCH Verlagsgesellschaft mbH, Weinheim. MEINERT, G., 2008: Schließung von Lückenindikationen – eine Erfolgsgeschichte. Nachrichtenbl. Deut. Pflanzenschutzd. 60 (2): 31-36. PflSchG, 2010: Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz - PflSchG). SANCO/852/00 rev. 8.1, 2010: Guidance document on pesticide residue analytical methods SCHÖNING, R., PLACKE, F.-J., 2001: Residue analytical method for the determination of residues of YRC 2894 in/on plant materials by HPLC with electrospray ionization and MS/MS-detection. Pflanzenschutz-Nachrichten Bayer 54: 261-280. SUR, R., ZIMMER, D., 2006: HPLC-MS/MS in der Rückstandsanalytik von Pflanzenschutzmitteln. UWSF-Z Umweltchem. Ökotox. 18 (1): 21-26. Verordnung (EG) Nr. 396/2005: Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Februar 2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futter-mitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs und zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates. http://ec.europa.eu/sanco_pesticides/public/index.cfm (Stand: 01.06.2011)

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Poster

171

DP 38

Charakterisierung pharmazeutisch relevanter Inhaltsstoffe und deren Beeinflussbarkeit in Wurzel-Extrakten von Chinesischem Salbei (Salvia

miltiorrhiza Bunge)

Y.-H. Sung und B. Honermeier

Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung I, Justus-Liebig Universität Gießen, 35390 Gießen, Ludwigstr. 23, [email protected]

Zusammenfassung

In den Jahren 2008 bis 2009 wurde am Standort Groß-Gerau ein Feldversuch mit Chinesischem Salbei durchgeführt. Die Ergebnisse des Versuchs bringen zum Ausdruck, dass die Wurzelerträge und die Konzentration an Tanshinonen (Cryptotanshinon, Tanshinon I und IIA) durch den Erntetermin bzw. das Entwicklungsstadium der Salbeipflanze beeinflusst wurden. Die Wurzelerträge waren in den Herbstmonaten (22,7-24,1 dt/ha TM) deutlich höher als im Frühjahr (15,4 dt/ha TM). Die Konzentration an Tanshinonen war im Gegensatz zu den Wurzelerträgen im Frühjahr nach der Überwinterung (0,82% der TM) deutlich höher als in den Herbstmonaten (0,59-0,60% der TM). Die Ebenkultur war gegenüber der Dammkultur ertragsüberlegen. Der Effekt der Reihenweite war nicht eindeutig.

Einleitung

Der zur Familie Lamiaceae zählende Chinesische Salbei (Salvia miltiorrhiza Bunge) ist eine mehrjährige Arzneipflanze, die seit langem in der TCM genutzt wird. Verwendet werden die getrockneten Wurzeln und Rhizome (Danshen), deren Zubereitungen vor allem in China zur Therapie von ischämischen Erkrankungen wie Angina pectoris, Herzinfarkt oder Schlaganfall bzw. Hyperlipidämie eingesetzt werden (ZHOU et al. 2005, ADAMS et al. 2006). Als Wirkstoffe werden die in den Wurzeln vorkommenden Tanshinone angesehen, die eine Diterpen-Struktur besitzen. Es wird vermutet, dass der Wirkstoffgehalt an Tanshinonen sowohl von genetischen, ökologischen und agronomischen Faktoren abhängig ist. Ziel der Untersuchungen war es daher, den Effekt unterschiedlicher Erntetermine und Anbauverfahren auf den Wurzelertrag und den Gehalt an Tanshinonen von Chinesischem Salbei unter Freilandbedingungen in Deutschland zu prüfen.

Material und Methoden

Der zweifaktorielle Feldversuch wurde in den Jahren 2008 und 2009 (Pflanztermin 17.06.2008) am Standort Groß-Gerau mit vier Wiederholungen (Parzellengröße: 12m² bzw. 18m²) angelegt. Der Boden (Sandboden, pH 6,7) wies eine gute P- K- und Mg-Versorgung auf. Die Prüffaktoren waren A-Kulturform (Damm und Ebenkultur) und B-Reihenweite (50 cm vs. 75 cm). Die Pflanzendichte betrug 10 Pfl./m² (50 cm) bzw. 20 Pfl. (75 cm). Die Anzucht der Jungpflanzen erfolgte im Gewächshaus mit Original-Saatgut aus China. Die Ernte erfolgte an sechs Terminen (Herbst vs. Frühjahr). Die Ernteflächen betrugen 1m² bei 50 cm Reihenweite bzw. 1,5 m² bei 75 cm Reihenweite. Die N-Düngung betrug 60 kg/ha unmittelbar zur Pflanzung bei einem Nmin-Gehalt des Bodens (0-90 cm) von 18 kg N/ha. HPLC-Analyse: Extrahiert wurde 500 mg Probe (TS) mit 50 ml Methanol (60 min. Ultraschallbehandlung). Genutzt wurde eine HPLC-Anlage mit folgenden Komponenten: Pumpe: K-1001, Degasser, DAD-Detektor: K-2700 (alles Knauer,

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Berlin), Säulenofen: K7 (Techlab), Hauptsäule: Synergi 4µ, Hydro-RP, 80A, 250 x 4,6 mm (Phenomenex). Die Bedingungen der HPLC-Analyse waren: Mobile Phase: Methanol/H2O (83/17) isokratisch für 45 min., Detektionswellenlänge: 270 nm, Säulentemperatur: 20 °C, Injektionsvolumen: 10 µl und Flussrate: 1 ml/min. Der Gehalt an Cryptotanshinon, Tanshinon I und IIA wurde mittels externer Standardkalibrierung in Methanolextrakten von Chinesischem Salbei ermittelt. Die statistische Auswertung wurde mit dem Programm PASW 17.0.2 durchgeführt.

Ergebnisse und Diskussion

Die höchsten Wurzelerträge wurden bereits im ersten Vegetationsjahr im Herbst mit 24,1 dt TM/ha (31.10.2008) erzielt. Die Verzögerung der Wurzelernte um etwa einen Monat (02.12.2008) zeigte einen leichten Rückgang der Wurzelerträge (22,7 dt/ha TM). Unmittelbar nach der Überwinterung (28.04.2008) wurden mit 15,4 dt/ha TM die geringsten Wurzelerträge, die sich singnifikant von den Wurzelerträgen der ersten beiden Erntetermine unterschieden, ermittelt. In der Folgezeit konnte im zweiten Vegetationsjahr in der Tendenz ein Anstieg der Wurzelerträge beobachtet werden (Tab. 1). Die Konzentration an Tanshinonen (Cryptotanshinon, Tanshinon I und IIA) in den Salbeiwurzeln war ebenfalls von der Erntezeit abhängig. Im Gegensatz zu dem Wurzelertrag wurden die höchsten Konzentrationen an Tanshinonen nach der Überwinterung (28.04.2008) während der Endphase des Schossens gemessen. Zu den Folgeterminen nahmen die Tanshinon-Konzentrationen kontinuierlich ab. Die geringsten Konzentrationen der Tanshinone wurden zu den beiden letzten Erntezeiten im Juli 2009 in dem zweiten Vegetationsjahr gemessen. Zwischen den Erntezeiten lag der Tanshinon-Gehalt im Bereich von minimal 0,44 der TM (29.07.2009) bis maximal 0,82 der TM (28.04.2009) im zweiten Vegetationsjahr.

Tabelle 1: Einfluss der Erntezeiten auf die Wurzelerträge und Konzentrationen an Tanshinonen (Cryptotanshinon, Tanshinon I und IIA) in den Wurzeln von Salvia miltiorrhiza, Feldversuch Groß-Gerau 2008-2009

Erntedatum Wurzelertrag Tanshinon-Gehalt in % TM

in dt/ha TM Cryptotanshinon Tanshion I Tanshinon IIA ∑

1 - 31.10.2008 24,1 0,18 0,11 0,30 0,59

2 - 02.12.2008 22,7 0,17 0,14 0,29 0,60

3 - 28.04.2009 15,4 0,23 0,2 0,39 0,82

4 - 04.06.2009 18,5 0,19 0,17 0,33 0,69

5 - 01.07.2009 17,2 0,13 0,13 0,25 0,51

6 - 29.07.2009 20,5 0,12 0,11 0,21 0,44

GD5% 3,99 0,03 0,02 0,04 0,08

Zwischen den Kulturformen (Damm- vs. Ebenkultur) bestanden signifikante Ertragsunterschiede (GD5%=2,3 dt/ha TM). Die Ebenkultur war gegenüber der Dammkultur ertragsüberlegen. So wurde in der Ebenkultur mit 22,5 dt/ha TM ein deutlich höherer Wurzelertrag als in der Dammkultur mit 16,9 dt TM/ha ermittelt. Die Konzentration an Tanshinonen in den Salbeiwurzeln war ebenfalls von der Kulturform abhängig. So wurde in der Dammkultur mit 0,63% (TM) ein höherer Tanhinongehalt (gesamt) als in der Ebenkultur (0,59 der TM)

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Phytopathologie, Pflanzenschutz, Inkulturnahme, Anbau, und Ernte

Poster

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gemessen. Demgegenüber hatte die Änderung der Reihenweite von 50 cm auf 75 cm keinen gesicherten Effekt auf die Wurzelerträge von Salvia miltiorrhiza.

Literatur

Adams, J.D. et al. 2006: Preclinical and clinical examinations of Salvia miltiorrhiza and its tanshinones in ischemic conditions. Chinese Medicine. http://www.cmjournal.org/content/1/1/3.

Zhou, L. et al. 2005: Danshen: An overview of its chemistry, pharmacology, pharmacokinetic, and clinical use. The Journal of Clinical Pharmacology. 45, 1345-1359.

DP 39

Bewertung von Arzneifenchelchargen bezüglich des quantitativen Befalls von Mycosphaerella anethi

K. Taubenrauch und Th. Kühne

Julius Kühn-Institut (JKI), Institut für Epidemiologie und Pathogendiagnostik, Erwin-Baur-Str. 27, D-06484 Quedlinburg, [email protected] in Kooperation mit der Forschungs-vereinigung der Arzneimittelhersteller e.V. (FAH) und gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) über den Projektträger Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) (FKZ: 22018208)

Zusammenfassung

Hauptziel des Forschungsprojekts ist die Entwicklung einer hochsensitiven, praxisrelevanten Methode für den Nachweis von M. anethi (anamorph Passalora punctum) an Fenchelfrüchten. Zum serologischen Nachweis des Erregers wurde ein semi-quantitativer PTA-ELISA mit polyklonalen Antiseren entwickelt und etabliert, mit welchem die Pilzmenge im Samenmehl erfasst werden kann. Die Befallswerte der Früchte verschiedener Sorten und Herkünfte des Arzneifenchels aus einem Feldversuch des Jahres 2009 werden vorgestellt und verglichen

Abstract

The aim of the project is to develop a highly sensitive, reliable and easy to apply method to detect the amount of M. anethi in fennel seeds. Based on fungus-specific polyclonal antisera a semi-quantitative PTA-ELISA was developed. Seeds from numerous fennel varieties and accessions originating from a field trial in 2009 were tested and the contamination rates with the mycelium were compared.

Einleitung

Mycosphaerella anethi ist der bedeutendste samenübertragbare pilzliche Schaderreger im Produktionsanbau von Fenchel. Befallene Pflanzen bleiben bis zur Blüte symptomlos. Die Krankheit kann sich bei günstigen Witterungsbedingungen explosionsartig entwickeln und zum Totalausfall aller Früchte führen. Bisher gibt es keine effektive Bekämpfungsstrategie zur Schadensminimierung. Zielsetzung des Projekts ist die Sicherung des kommerziellen Fenchelanbaus in Deutschland durch die Entwicklung und Standardisierung einer

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praxistauglichen Methode zur Detektion des M. anethi - Befalls an Handelsware und Saatgut. Ein einheitliches Bewertungssystem soll die Selektion von befallsarmem bzw. -freiem Saatgut ermöglichen und zur Verbesserung der Konsumqualität von Arzneifenchel beitragen.

Die Charakterisierung der Hochleistungssorten bezüglich ihrer genetischen Prädisposition für Saatgutbefall mit M. anethi wird die Sortenwahl vereinfachen und damit Ertragsausfälle vermeiden helfen.

Problemstellung

Für die Befallsbeurteilung von Früchten im Pathosystem M. anethi und Fenchel war es für einen praxistauglichen Test wichtig, einen spezifischen Erregernachweis zu entwickeln, mit dem eine große Anzahl von Prüfgliedern objektiv verglichen werden konnte. Da Doldenblütler Doldenordnungen bilden, die zu unterschiedlicher Zeit blühen und uneinheitlich infiziert werden, handelt es sich beim Erntegut um eine Mischung von sehr heterogenen Befallsstärken. Für die Ermittlung des tatsächlichen Befallsstatus ist es daher wichtig, ausreichend große Proben zu untersuchen, Einzelne Früchte bzw. geringe Stückzahlen (10 - 30) repräsentieren keinesfalls einen ganzen Bestand. Zwischen Sorten existieren außerdem unterschiedliche Symptomausprägungen, die sich in der Verteilung und Stärke unterschieden. Für die Befallsermittlung und den Vergleich von Fruchtchargen war die symptomtragende Außenhülle der Samen entscheidend. Hier manifestierten sich die Konidienlager und die Mycelmenge, die für Fenchel als Rohware für die Weiterverarbeitung unerwünscht ist. Zusätzlich zeigte sich an der Intensität der Symptombildung die Stärke der Krankheitsentwicklung während der Vegetationsphase. Rückschlüsse auf die Anfälligkeit von Sorten, Wuchseigenschaften und der Erfolg von Pflanzenschutzbehandlungen wären ebenfalls möglich. Zum serologischen Nachweis des Erregers wurde ein PTA-ELISA mit JKI-eigenen polyklonalen Antiseren etabliert, der spezifisch zum Nachweis von M. anethi an Pflanzenteilen geeignet ist. Aufgrund der aussichtsreichen Ergebnisse wurde der Testablauf zum Nachweis des Befalls an Früchten optimiert.

Ergebnisse

Der PTA-ELISA lieferte aussagekräftige reproduzierbare Ergebnisse über die Kontamination der Fenchelfrüchte mit M. anethi. Für die Probenaufbereitung wurden die befallenen Fruchthüllen von den Endospermkernen mit einer Kugelmühle abgeschält und zermahlen. Die Endospermkerne konnten anschließend abgesiebt werden. Auf diese Weise konnte pro Volumeneinheit eine höhere Anzahl von Früchten in der Mischprobe untersucht und die enthaltene Pilzmycelmenge konzentriert werden. Die äußere Fruchthülle von Fenchel enthält zahlreiche aromatische und ölhaltige Inhaltsstoffe, die den Erregernachweis erschweren. Der angestrebte Vergleich von Fruchtchargen war deshalb nur durch vorherige Eliminierung dieser Inhaltsstoffe möglich. Als Negativkontrolle wurde eine Charge ausgewählt, die nach eingehender Sichtbonitur keine Konidienlager auf Früchten oder Stielresten aufwies. Als Positivkontrolle wurde getrocknetes gemörsertes M. anethi - Mycel aus einer Sterilkultur ausgewählt. Neben den Prüfgliedern wurden immer zwei Fruchtchargen als Standardproben mitgeführt, eine wenig und eine stark befallene Charge, die zur Überprüfung und Einordnung der Testreaktion dienten.

Zur Ermittlung der Pilzkontamination der Fruchtchargen wurde jeweils eine Eichreihe mit 10 Verdünnungsschritten aus einer Mischung von unbefallenem Fruchtmehl und einer M. anethi - Reinkultur bei jeder Mikrotiterplatte mit aufgetragen. Anhand dieser Parameter sollte eine gleichbleibende überprüfbare Qualität der Testung gewährleistet werden.

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Poster

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Grundsätzlich ist ein serologischer Test durch die Verwendung von Antikörpern immer gewissen Wertschwankungen unterworfen, die sich auch durch exaktes Arbeiten nicht völlig vermeiden lassen. Aus diesem Grund wurden die Eichreihen und Kontrollen auf jeder einzelnen Mikrotiterplatte mitgeführt. Durch die logarithmische Darstellung der Trendlinien ergaben sich bei unterschiedlichen Steigungen der Linien automatisch größere Wertunterschiede, d .h. die Spannbreite der Werte wurde für die höheren Konzentrationen Mycel größer. Ein Vergleich der ermittelten Trendlinien der Eichreihen von 12 Mikrotiterplatten von unterschiedlichen Testterminen ergab eine sehr gute Übereinstimmung. Bei Fruchtchargenwiederholungen auf unterschiedlichen Platten ergaben sich zwischen den Testungen signifikante Korrelationen.

Zur Kontrolle der Aussagekraft der im Labor ermittelten Daten wurden vergleichende Feldversuche (Isolierungsparzellen mit Maistrennstreifen) am JKI Quedlinburg und DLRG Rheinpfalz (Klein-Altendorf) angelegt, um die epidemische Entwicklung des Erregers unter natürlichen Witterungsverhältnissen im Hochsommer zu erfassen und zu vergleichen. Die Feldversuche sollen die Beziehungen zwischen der Höhe des Ausgangsbefalls, der Stärke der epidemischen Verbreitung im Bestand und der Höhe der Kontamination des Erntegutes klären. Bisher ist nicht wissenschaftlich nachgewiesen, welche Bedeutung der Grad der Vorinfektion des Saatgutes in diesem Pathosystem hat. Diese Zusammenhänge sind nur durch einheitliche Feldversuche abzuklären. Dies ist besonders bei der Ermittlung und Bewertung der Sortenanfälligkeit zwingend notwendig, da die Art des Vermehrungsanbaus (Einzelpflanze oder geschlossener Feldbestand) eine entscheidende Rolle bei der Ausbildung des Befalls an den Früchten spielt.

DP 40

Zur Qualitätssituation von Handelssaatgut bei Baldrian (Valeriana officinalis

L.), Kamille (Matricaria recutita (L.) RAUSCHERT) und Zitronenmelisse (Melissa officinalis L.)

S. Wahl und A. Plescher

PHARMAPLANT GmbH, Am Westbahnhof 4, 06556 Artern, [email protected], Tel.: 03466/32560, FAX: 03466/325620

Zusammenfassung

Ziel der Untersuchungen ist es, die Qualitätsparameter der am Markt gehandelten Saatgutchar-gen von Baldrian, Kamille und Zitronenmelisse mit publizierten, wenn auch unverbindlichen Normvorschlägen (TGL 14197/ HOPPE 2009) zu vergleichen und eventuell neue, biologisch und technologisch realisierbare Normen zu formulieren. Von den insgesamt 38 Kamillechargen aus 2009 und 2010 erfüllten 52% / 24% die unverbindlichen Normen zur Keimfähigkeit, Rein-heit und Fremdsamenbesatz. Hier liegt das Hauptproblem beim Besatz mit artfremden Samen. Bei Baldrian (insges. 27 Chargen) sind 29,6% / 7,4% normgerecht, wobei hier die Keimfähigkeit das Hauptproblem darstellt. Im Durchschnitt hat das gehandelte Melisse- Saatgut ebenfalls zu geringe Keimfähigkeiten; nur 44% / 29 % der 34 geprüften Chargen erfüllen die jeweiligen Normen.

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Einleitung

Der größte Teil der Arznei- und Gewürzpflanzen, wie auch die drei untersuchten Arten, fallen nicht unter das Saatgutverkehrsgesetz, so dass keine wertbestimmenden Eigenschaften des Saat-gutes vorgeschriebenen sind. Es sind jedoch spezielle Qualitätsanforderungen vorhanden, um auch für diese Kulturen einen Mindeststandard zu schaffen. Hierzu wird häufig die TGL 14197 der DDR (TGL der DDR 1980) verwendet, in welcher Mindestkeimfähigkeiten, Reinheiten und der Besatz mit Fremdsamen für viele Arznei- und Gewürzpflanzen festgelegt worden sind. Im Band 1 des „Handbuch des Arznei- und Gewürzpflanzenanbaus“ (HOPPE 2009) werden diese Werte zum Teil als veraltet bezeichnet und neue Mindestanforderungen aus heutiger Sicht publiziert, da mit heutiger modernerer Technik eine bessere Saatgutqualität erzielt werden kann.

Material und Methoden

Saatgutmuster von Baldrian, Kamille und Zitronenmelisse wurden 2009 und 2010 von verschie-denen Saatguthandelsfirmen erworben. Die Untersuchungen erfolgen alle nach der ISTA- Vorschrift (2009/1).

Ergebnisse

Tabelle 1: Zusammengefasste Ergebnisse der Keimfähigkeitsprüfungen

Norm ehem. DDR-TGL

14197

Anteil der norment-

sprechenden Chargen

Normvorschlag „Handbuch des A&G-Pflanzen-

anbaus“ (HOPPE 2009)

Anteil der norment-

sprechenden Chargen

Mittlere Keimfähigkeit

der untersuchten Chargen

2009 2010 2009 2010 2009 2010

Kamille (22 Chrg. 2009, 16 Chrg. 2010)

75 % 36 % 75 % 75 % 36 % 75 % 60,6 % 82 %

Baldrian (15 Chrg. 2009, 12 Chrg. 2010)

60 % 53 % 33 % 75 % 33 % 8 % 69,8 % 45 %

Melisse (18 Chrg.2009, 16 Chrg. 2010)

70 % 33 % 82 % 80 % 33 % 65 % 45,8 % 79 %

Für alle drei Kulturen sollte nach neueren Normvorschlägen (HOPPE 2009) eine Reinheit von mindestens 99 % angestrebt werden. Die meisten Chargen von Melisse konnten die Norm in beiden Jahren erreichen. Die getesteten Kamille- und Baldrianmuster konnten die Norm zum Teil jedoch nicht erreichen.

Besonders problematisch sind Verunreinigungen mit Unkräutern. Unsere Untersuchungen von Handelssaatgut konnten bestätigen, dass dieses Problem bei allen drei Arten existiert. Besonders bei Kamille konnten 2009 und 2010 lediglich ein Drittel der untersuchten Muster den Normvor-schlag nach HOPPE 2009, wonach höchstens 2 Fremdsamen in 0,5 g Saatgut enthalten sein dür-fen, erreichen. Hier gab es vereinzelt Chargen mit sehr hohem Fremdsamenbesatz. Die Hälfte der Melissechargen 2010 erreichte ebenfalls die Norm von 2 Fremdsamen in 2,0 g Saatgut nicht. Am geringsten erwies sich der Fremdsamenbesatz im Baldrian.

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Phytopathologie, Pflanzenschutz, Inkulturnahme, Anbau, und Ernte

Poster

177

Tabelle 2: Zusammengefasste Ergebnisse der Reinheitsprüfungen

2009 2010 2009 2010 2009 2010

Kamille (22 Chrg. 2009, 16 Chrg. 2010)

90 % 82 % 100 % 99 % 18 % 62,5 % 93,9 % 97,9 %

Baldrian (15 Chrg. 2009, 12 Chrg. 2010)

98 % 72 % 50 % 99 % 27 % 10 % 95,6 % 97,2 %

Melisse (18 Chrg.2009, 16 Chrg. 2010)

97 % 94 % 100% 99 % 88 % 94 % 99,3 % 99,6 %

Tabelle 3: Zusammengefasste Ergebnisse der Prüfungen auf Fremdsamenbesatz

2009 2010 2009 2010 2009 2010

Kamille (22 Chrg. 2009, 16 Chrg. 2010)

o. A. - - max.

2 Stück/0,5 g 32 % 38 % 13,8 34,9

Baldrian (15 Chrg. 2009, 12 Chrg. 2010)

max. 5 Stück/

2,0 g 100 % 75 %

max. 2 Stück/2,0 g

100 % 75 % 0 3,5

Melisse (18 Chrg.2009, 16 Chrg. 2010)

max. 5 Stück/

2,0 g

100 % 65 % max.

2 Stück/2,0 g 94 % 53 % 0,4 4,2

Das Qualitätsmonitoring wird mit der Ernte 2011 fortgesetzt. Das Ziel ist es, erforderlichenfalls neue, biologisch und technologisch realisierbare Normen zu formulieren.

Danksagung

Die Finanzierung des Vorhabens erfolgt durch die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. sowie die arzneipflanzenanbauenden Betriebe Agrargenossenschaft Nöbdenitz e. G., Agrarpro-dukte Ludwigshof e. G., Hofgutkräuter GmbH & Co. KG und Lampertswalder Sachsenland Agrar GmbH & Co. KG. Ihnen und der koordinierenden Forschungsvereinigung der Arznei-mittelhersteller e. V. sei an dieser Stelle gedankt.

Literatur

Black, M., Bewley, J.D., Halmer, P. 2006: The Encyclopedia of seeds science. Technology and uses. 1. Aufl.. CAB International, Wallingford and Cambridge 2006: 270- 276 Hoppe, B., 2009: Handbuch des Arznei- und Gewürzpflanzenbaus. Bd 1, Verein für Arznei- und Gewürzpflanzen SALUPLANTA e.V. Bernburg: 646 - 654 ISTA- International Rules for Seed Testing. Ed. 2009/1, International Seed Testing Association (ISTA) Basserdorf (CH) ISBN 13 978-3-906549-53-8 TGL der DDR, 1980: Saatgut- Qualitätsanforderungen gartenbaulich genutzter Arten. TGL 14197

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DP 41

Von der Wildpflanze zur Produktionspflanze

T. Wolf und H. Hagels

Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co.KG, Binger Straße 173, 55216 Ingelheim am Rhein, [email protected]

Zusammenfassung:

Die Nutzung von Pflanzen aufgrund ihrer pharmakologischen Wirkung hat Jahrtausende lange Tradition. Die Nutzung von Pflanzen als Wirkstoffproduzenten im industriellen Maßstab ist kulturhistorisch gesehen dagegen vergleichsweise jung. Dabei besteht aus Gründen der Nachhaltigkeit, Reproduzierbarkeit, Biodiversität und Verlässlichkeit die Notwendigkeit, von der Wildpflanze zur Inhaltsstoff und agrarökonomisch definierten Produktionspflanze zu gehen. Dieser Prozess ist an bestimmte Schritte gekoppelt. Zu Anfang stehen die Beschaffung des Pflanzenmaterials, die Nachzucht sowie die Kultivierung der Pflanze. Selektions- und Züchtungsschritte nach vorher systematisch ausgearbeiteten Schwerpunkten schließen sich an. Parallel dazu werden Methoden zum Schutz des Geistigen Eigentums entwickelt, die in eine Patentierung oder in Sortenschutz münden können. Prozesstechnische Schritte mit Fokus auf den Inhaltsstoff, wie die Überprüfung des Pflanzenmaterials hinsichtlich seiner Trocknungseigenschaften, Einfluss auf die Inhaltsstoffgewinnung und inhaltsstoffliche Verunreinigungen werden überprüft. Abschließend sind Fragen nach dem zukünftigen geeigneten Standort für die Pflanzenproduktion mit entsprechender Logistik vor Ort, wie Trocknung, Verpackung, Transport zu beantworten.

Wie entsteht aus einer Wildpflanze eine Produktionspflanze mit großtechnischem Anspruch? Der erste Schritt auf diesem Weg stellt die Sammlung von gewünschtem Pflanzenmaterial dar. Dieses Pflanzenmaterial wird im Rahmen eines ersten Screenings auf den gewünschten Inhaltsstoff geprüft, ob und wenn ja, in welcher Konzentration dieser in der Pflanze enthalten ist. Im nächsten Schritt wird die Vermehrungsfähigkeit der Pflanze untersucht hinsichtlich der Frage, ob diese über Stecklinge, Saatgut oder über in vitro Kultur vermehrt werden kann. Je nach Arbeitsansatz werden Protokolle entwickelt, mit Hilfe derer eine Vermehrung der Pflanze, zunächst im Kleinmaßstab, sichergestellt werden kann. Es folgen Untersuchungen zur Kultivierbarkeit der Pflanze. Pharmakologisch interessante Wildpflanzen besiedeln oftmals sehr spezielle Habitate. Sorgfältige Untersuchungen dieser natürlichen Habitate, z. B. Boden, Klima, Begleitpflanzen etc. geben erste Aufschlüsse über die Bedürfnisse der Pflanzen an ihren zukünftigen Produktionsstandort. In weiterführenden Untersuchungen wird versucht, diesen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, bzw. auszuloten, in wieweit diese auch abweichen können. Parallel dazu erfolgt die Ausarbeitung eines Anforderungskataloges in Bezug auf agronomische Gesichtspunkte, wie Biomasseproduktion, Erntetechnik etc. sowie Inhaltsstoffproduktion. Sind die ersten Pflanzen erfolgreich im Versuchsmaßstab im Feld angebaut, werden anhand dieser Selektionskriterien Pflanzen ausgelesen, die diesen Anforderungen entsprechen. Dabei werden die Pflanzen morphologisch und analytisch bewertet. Dieses Pflanzenmaterial stellt das Ausgangsmaterial für die sich anschließenden Züchtungsarbeiten dar. Jedem Züchtungsschritt folgt eine solche Auslese von Pflanzen anhand des Anforderungskataloges. Je nach Pflanzenart kristallisiert sich nach gewisser Zeit Elitepflanzenmaterial heraus, das den Grundstock für das Produktionspflanzenmaterial darstellt. Die Züchtungsarbeiten werden phyto-analytisch und molekulargenetisch begleitet. Die Analytik spielt hierbei eine zentrale Rolle nicht nur in Bezug

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Poster

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auf die Inhaltsstoffproduktion und die Steigerung derer, sondern auch zur Abgrenzung von Pflanzenmaterial mit störenden Begleitstoffen. Diese Informationen gehen direkt in das Züchtungsprogramm ein, um die Inhaltsstoffproduktion zu steigern und dabei störende Begleitstoffe zu minimieren. Die molekulargenetische Begleitung der Züchtung hat zum einen den Hintergrund, Marker-gestützte Selektion durch zu führen, zum anderen das wertvolle Pflanzenmaterial bereits zu einem frühen Zeitpunkt zu schützen (Intellectual Property Protection, Patentierung, Sortenschutz). Ist das Kultivierungsprotokoll erarbeitet, werden die prozesstechnischen Arbeitsschritte in den Fokus genommen. Hierbei werden zunächst die Trocknungseigenschaften des Pflanzenmaterials untersucht. Dabei wird geprüft, welchen Einfluss Trocknungstemperatur und -Dauer auf den gewünschten Inhaltsstoff haben. Hierbei wird eine Vielzahl von unterschiedlichen Variablen gegeneinander ausgetestet, um die optimale Trocknung des Pflanzenmaterials zu gewährleisten. Das Ergebnis dieser Untersuchungen hat einen direkten Einfluss auf die Auswahl des geeigneten Trockners in der Produktion (Hordentrockner, Bandtrockner). Die Entscheidung für einen zukünftigen Anbaustandort wird nicht nur auf Basis der oben genannten Arbeiten, sondern auch im Hinblick auf die zur Verfügung stehende Infrastruktur getroffen. Dabei ist es entscheidend, dass nach dem Erntevorgang innerhalb kurzer Zeit ein Trockner zu erreichen ist. An diesem Standort muss die Möglichkeit einer geeigneten Verpackung des Pflanzenmaterials sowie des Abtransportes gegeben sein.

DP 42

Moldawischer Drachenkopf (Dracocephalum moldavica) im Ökologischen Anbau: Beikrautdruck in Abhängigkeit vom Reihenabstand

Moldawian Dragon Head (Dracocephalum moldavica) in Organic Farming: Weed Pressure Depending on Row Distance

S. Zikelia), F. Stockmannb), S. Gruberb) und W. Claupeinb) a)Universität Hohenheim, Koordinationsstelle für Ökologischen Landbau und Verbraucherschutz, b)Universität Hohenheim, Institut für Kulturpflanzenwissenschaften, Allg. Pflanzenbau (340a), e-mail: [email protected], Tel.: 0711-459-23248

Summary

Moldavian Dragon Head (Dracocephalum moldavica) contains high amounts of etheric oils and can be used in herbal teas. In organic farming, weed control is the crucial issue to make the cultivation of D. moldavica economically feasible. Therefore, a field experiment with a row distance of 25 and 50 cm was implemented under organic management. The plots with a row distance of 25 cm showed the highest weed pressure but also the highest dry matter yields with up to 0.2 tons per hectare.

Einleitung

Der Moldawische Drachenkopf (Dracocephalum moldavica) gehört zur Familie der Lippenblütler (Lamiaceae). Aufgrund des zitronenartigen Aromas wird D. moldavica vorwiegend als Teepflanze angebaut. Die Pflanze besitzt hohe Gehalte an ätherischen Ölen

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(Citral, Geranylacetat, Geraniol, Nerylacetat; HOLM et al. 1988) und antimikrobielle sowie anti-oxidative Eigenschaften (POVILAITYTE und VENSKUTONIS 2000, POVILAITYTE et. al. 2001, DASTAMALCHI et al. 2007). Da eine Nachfrage nach ökologisch erzeugter Ware mit hoher, gleichbleibender und einheitlicher Qualität besteht, ist der Moldawischer Drachenkopf für den hiesigen ökologischen Landbau attraktiv.

Besonders im ökologischen Anbau können Beikräuter Ernteprobleme sowie Ertrags- und Qualitätseinbußen verursachen, da nur mechanische Verfahren zur Beikrautbekämpfung zur Verfügung stehen. Bei hohem Beikrautaufkommen ist zusätzlich eine mehrfach durchgeführte Handhacke notwendig, die den Anbau von D. moldavica auf Grund der hohen Kosten unwirtschaftlich werden lässt. Daher wurde im Rahmen eines Feldversuchs getestet, ob enge Reihenweiten im ökologischen Anbaubedingungen einen niedrigeren Beikrautdruck bedingen.

Material und Methoden

Im Jahr 2010 wurde auf der ökologisch bewirtschafteten Versuchsstation Kleinhohenheim der Universität Hohenheim (400 m ü: N.N., mittlere jährliche Niederschlagsmenge 700 mm, mittlere Jahrestemperatur 8,7 °C) ein Feldversuch mit den Reihenweiten 25 cm und 50 cm angelegt. Es handelte sich um eine vollständig randomisierte Blockanlage mit drei Wiederholungen. Die Aussaat erfolgte am 25.05.2010, die Parzellen mit 25cm Reihenabstand erreichten Bestandesdichten von durchschnittlich 60 Pflanzen m-2, die Parzellen mit 50cm Reihenabstand von durchschnittlich 42 Pflanzen m-2. Da der Beikrautdruck sehr hoch war, wurde einen Monat nach der Aussaat eine maschinelle Beikrautregulierung mit dem Striegel durchgeführt. Der Beikrautbesatz wurde direkt vor der Maßnahme bonitiert. Da mit dem Striegel viele Beikräuter nicht erfasst wurden, wurde zweimal mit der Hand gejätet. Die Beerntung von D. moldavica

erfolgte in Quadratmeterschnitten, bestimmt wurden Frisch- und Trockenmasse (105°C) sowie die Blattmasseerträge.

Ergebnisse

Im Bestand traten vor allem folgende Beikrautarten auf: Ackerkratzdistel (Cirsium

arvense), Hühnerhirse (Echinochloa crus-galli), Echte Kamille (Matricaria

chamomilla) und Melde (Atriplex patula) auf. Im Vergleich der Mittelwerte (Abb.1) zeigte ein weiter Reihenabstand von 50 cm einen signifikant geringeren Unkrautdruck als die Variante mit geringerer Reihenweite. Auch hinsichtlich der Trockenmasseerträge konnten Unterschiede zwischen den Versuchsparzellen festgestellt werden: Beim Anbau in der Reihenweite 25 cm wurde Trockenmasseerträge von 1,81 dt ha-1 bis zu 2,05 dt ha-1 erzielt, während bei der Reihenweite 50 cm die Trockenmasseerträge lediglich 1,23 bis 1,63 dt ha-1 erreichten (Ergebnisse nicht dargestellt).

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Phytopathologie, Pflanzenschutz, Inkulturnahme, Anbau, und Ernte

Poster

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Diskussion und Schlussfolgerungen

Im ökologischen Landbau können Beikräuter zwischen den Reihen mit maschinellen Maßnahmen relativ einfach beseitigt werden; das größere Problem stellen Beikräuter dar, die in Reihe mit den Kulturpflanzen auflaufen. Diese können mit den maschinellen Maßnahmen nur unzureichend bekämpft werden und müssen daher händisch entfernt werden. Die Versuchsergebnisse von 2010 deuten darauf hin, dass enge Reihenweiten beim Anbau von D.

moldavica zu vergleichsweise hohen Trockenmasseträgen führen, wobei sich jedoch D. moldavica trotz höherer Bestandesdichten als wenig konkurrenzfähig gegen die Beikräuter erwiesen hat. Hohe Trockenmasseerträge bei möglichst geringem Handarbeitsaufwand lassen sich für D. moldavica im ökologischen Landbau vermutlich nur dann erreichen, wenn weitere mechanische Maßnahmen zur Beikrautbekämpfung wie Blindstriegeln kurz nach der Aussaat durchgeführt werden. Die Effizienz und die günstigste Kombination solcher Maßnahmen sollte in weiteren Versuchen geprüft werden.

Literatur

Dastamalchi K, Dorman H J D, Laakso I, Hiltunen R. 2007. Chemical composition and antioxidative activity of Moldavian balm (Dracocephalum moldavica L.) extracts, LWT 40:1655-1663 Holm Y, Hiltunen R., Nykänen I. 1988. Capillary gas chromatographic-mass spectrometric determination of the flavour composition of Dragonhead (Dracocephalum moldavica L.) Flavour and Fragrance Journal 3:109-112 Povilaityte V, Venskutonis P.R., 2000. Antioxidative activity of Purple Peril (Perilla

fructescens), Moldavian Dragonhead (Dracocephalum moldavica) and Roman Chamomille (Anthemis nobilis L.) extracts in rapeseed oil Journal of the American Oil Chemists' Society7(9):951-956 Povilaityte V, Cuvelier M-E, Berset C 2001. Antioxidant properties of Moldavian Dragonhead (Dracocephalum moldavica L.), Journal of Food Lipids 8:45-64

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Themenkreis E: Technologische Themen

Vorträge

EV 31

Pflanzenzellfermentation am Beispiel des Wirkstoffes Paclitaxel

K. Schütte, H. Heckenmüller, und G. Gorr

Phyton Biotech GmbH, Alter Postweg 1, 22926 Ahrensburg, [email protected]

Eine Vielzahl von Arzneistoffen hat ihren Ursprung in pflanzlichen Inhaltsstoffen. Medizinalpflanzen stellen dabei die umfangreichste Quelle für Leitstrukturen, Vorstufen oder aktive Substanzen dar. Als Voraussetzung für die Entwicklung eines Arzneistoffes kann die Bereitstellung des Ausgangsstoffes in ausreichender Menge und entsprechender Reinheit gesehen werden. Die molekulare Komplexität vieler dieser pflanzlichen Sekundärstoffe erlaubt allerdings nicht immer die chemische Synthese und auch die Kultivierung der Pflanzen ist in einigen Fällen nicht einfach. Hinzu kommen möglicherweise geringe Konzentrationen der Zielsubstanz aber auch die regelmäßig zu beobachtende Heterogenität in dem geernteten Pflanzenmaterial. Ein Ergebnis der ständig wechselnden abiotischen Bedingungen in der Natur.

Herausragendes Beispiel für ein Produkt, dessen nachhaltige Gewinnung aus Pflanzenmaterial sich als äußerst schwierig gestaltet hat, ist Paclitaxel.

Als Zytostatikum wird Paclitaxel seit vielen Jahren erfolgreich in der Therapie von verschiedenen Krebsindikationen eingesetzt. Schon in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde die anti-neoplastische Wirkung von Paclitaxel, welches aus der Rinde der Pazifischen Eibe isoliert wurde, beschrieben. Das National Cancer Institute in den USA setzte zu der Zeit ein Programm zur Identifikation von Substanzen aus Pflanzen mit derartiger Wirkung auf. Neben der Pazifischen Eibe (Taxus brevifolia Nutt.) wurden weitere Taxus-Arten hinsichtlich ihrer Paclitaxel-Gehalte charakterisiert. Obwohl die Substanz in den meisten Arten identifiziert wurde, waren die absoluten Mengen mit 0,5 Milligramm Paclitaxel pro Kilogramm Trockengewicht sehr niedrig. Hinzu kam, dass die Werte von Baum zu Baum und über die Jahreszeit stark variierten und die Ernte von Pflanzenmaterial zu irreversiblen Schäden der zumeist langsam wachsenden Arten führte. Die rein chemische Synthese dieses komplexen Sekundärstoffes ist unter kommerziellen Gesichtspunkten nicht möglich. Selbst die Entwicklung einer Semisynthese, ausgehend von Vorstufen wie Baccatin III oder 10-Deacetylbaccatin, die aus Nadeln von Taxus gewonnen werden, war keine optimale Lösung für die limitierten Herstellungsmöglichkeiten. Dieser Produktionsweg ist mit einem hohen Verbrauch an Chemikalien und Lösungsmitteln verknüpft und basiert weiterhin auf Pflanzenmaterial heterogener Ausgangsqualität.

Durch die Produktion von Paclitaxel mit Hilfe von isolierten Pflanzenzellen wurde dagegen ein umweltfreundliches Verfahren entwickelt, welches einerseits die Vorteile technischer Prozesse nutzte, andererseits aber auf der unschlagbaren Biosynthesekapazität der Eibenzellen basierte.

Auch wenn dieser Produktionsprozess seit 2000 bei der Firma Phyton Biotech GmbH in Ahrensburg erfolgreich durchgeführt wird und heute eine Selbstverständlichkeit darstellt - auf dem Weg zum finalen zugelassenen Prozess mussten viele wichtige Aspekte beachtet und erarbeitet werden.

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Technologische Themen

Vorträge

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Die Erfolgsfaktoren sind naheliegend:

• man benötigte eine Zelllinie, die zuverlässig und auf hohem Niveau große Mengen Paclitaxel produzieren kann

• diese Zelllinie durfte nicht nur im Schüttelkolben auf der Laborbank funktionieren, sondern man musste ihre Eigenschaften auch in einer Fermenter-Umgebung im großen Maßstab erhalten

• der gesamte Prozess, von der Agarplatte mit den Zellaggregaten bis zur Zellsuspension im 75.000 Liter-Maßstab, muss stabil und nachweislich kontrollier- und beherrschbar sein, um die Qualitätsanforderungen einer pharmazeutischen Wirkstoffproduktion zu erfüllen

Diese Kriterien zu erreichen und einzuhalten bedarf es allerdings einer umfangreichen Expertise.

Abbildung 1: 16 L Laborfermenter für Entwicklungsprozesse (Phyton Biotech GmbH)

Am Anfang stand die Selektion von geeigneten Zelllinien. Material von verschiedenen Taxus Spezies wurde isoliert und mit Taxus chinensis wurde eine Art identifiziert, von der auffällig viele Isolate sehr gute Paclitaxel-Werte aufwiesen. In der Folge wurden mehr als 1.000.000 Klone selektioniert. Auf der Grundlage modernster Analytik wurden die Klone sowohl qualitativ auf ihre Sekundärstoffprofile als auch quantitativ auf ihre Kapazität hinsichtlich der Biosynthese von Paclitaxel sowie ihrer Wachstumsleistung charakterisiert. Um die besten Zelllinien zu sichern wurde ein Verfahren entwickelt, welches die langfristige Lagerung der Zellen erlaubt, die sogenannte Kryopreservation. Diese Technik ermöglichte es auch, die besten Zelllinien in einer Zellbank mit tausenden von Vials für die spätere Produktion bereitzustellen.

Da die Biosynthese des Sekundärstoffes Paclitaxel durch Zugabe von Elicitoren angeschaltet und unterstützt werden kann, wurde ein umfangreiches Programm zur Optimierung durchgeführt. Mit Methyljasmonat wurde unter anderen eine Induktionskomponente identifiziert, die bis zum

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75.000 Liter Maßstab erfolgreich eingesetzt werden konnte. Neben der Erarbeitung der besten Medienzusammensetzung wurde ebenfalls viel Arbeit in die Prozessentwicklung investiert (Abbildung 1).

Als bevorzugtes Produktionsverfahren stellte sich ein zweistufiger Prozess heraus, der aus einer Reihe von Wachstumsphasen besteht und im eigentlichen Produktionszyklus eine Umstellung des Mediums beinhaltet. Obwohl damals schon viele großtechnische Fermentationsprozesse durchgeführt wurden, basierten diese Verfahren in der Regel auf mikrobiellen Organismen. Die Besonderheiten der Pflanzenzellen erforderten spezielle Anforderungen in der Ausstattung und Prozessführung, ohne auf Erfahrungen aus anderen Prozessen aufbauen zu können - hier sind spezifisch Energieeintrag und Begasungsregime zu nennen,

Am Ende der Entwicklung stand ein Produktionsprozess für Paclitaxel aus Eibenzellen, der seit dem Jahr 2000 umweltfreundlich, stabil, reproduzierbar und auf hohem Niveau auch heute noch die Bereitstellung dieser wertvollen Substanz gewährleistet (Abbildung 2).

Die besondere Expertise kann und wird für die Entwicklung weiterer Verfahren zur Herstellung von Sekundärstoffen angewendet. Ausgehend von frischem Pflanzenmaterial oder Zellen aus der umfangreichen kryokonservierten Stammsammlung sind auch heute noch das Screening nach hoch produzierenden Zelllinien, Optimierungsprogramme zur Expression der Zielsubstanz und die gesamte Prozessentwicklung zum großen Fermentationsmaßstab die Schlüsselelemente.

Abbildung 2: Produktionsanlage mit 75 m³ Fermenter (Phyton Biotech BmbH)

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Technologische Themen

Vorträge

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EV 32

Nanotechnologie – Einsatz bei Kräutern und Gewürzen?

H.J. Buckenhüskes

DLG eV., Frankfurt; E-Mail: [email protected]

„Nanotechnologie“ ist ein Sammelbegriff für verschiedene Techniken, die in Physik, Chemie, Biologie, Medizin und anderen Bereichen angewendet werden. Gemeinsames Merkmal dieser Techniken ist, dass hierbei funktionale Strukturen erforscht, hergestellt sowie an- oder verwendet werden, deren Abmessungen in einer Dimension unterhalb von 100 Nanometer liegen. Unter Nanomaterialien werden beabsichtigt hergestellte granuläre Partikel und aggregierte Strukturen, z.B. Röhren oder Fasern, verstanden, die einen Durchmesser von unter 100 nm aufweisen, doch werden auch extrem dünne Schichten und Poren dazu gerechnet.

Im Verhältnis zu ihrem Volumen besitzen Nanostrukturen sehr große Oberflächen, was für deren Reaktivität von Bedeutung sein kann. Weiterhin resultieren aus der Nanoskaligkeit Eigenschaften, die gegenüber denen desselben Stoffes in größeren Dimensionen verändert sind. In physikalischer Hinsicht kann dies z.B. veränderte Eigenschaften bezüglich Leitfähigkeit, Lichtbrechung (Farbe), Dichte, Härte und Schmelzpunkt bedeuten. Mit Blick auf chemische und physikalisch-chemische Eigenschaften können z. B. Reaktionsfähigkeit, Löslichkeit oder Struktur verändert sein. Und was die biologischen Eigenschaften betrifft, so kann es hier zur Membrangängigkeit kommen oder Diffusionseigenschaften und biologische Aktivität zeigen plötzlich ein gänzlich anderes Verhalten. Ein weiteres Phänomen ist, dass verschiedene Moleküle durch Energiezufuhr dazu angeregt werden können, sich zu definierten Strukturen anzuordnen, deren Eigenschaften sich von Strukturen im Makrobereich unterscheiden können.

Vor allem die veränderten Eigenschaften im biologischen Bereich sind Hintergrund für viele Diskussionen hinsichtlich der Sicherheit und Unbedenklichkeit von Nanomaterialien, gerade auch in Lebensmitteln oder im Kontakt mit diesen. Ohne die Notwendigkeit einer kritischen Betrachtung zu bestreiten, bleibt festzustellen, dass die Nano-Dimension in der Natur nichts neues, sondern vielmehr weit verbreitet ist und dass sie daher grundsätzlich auch in Lebensmitteln anzutreffen ist. So weisen die Caseinmizellen in der Milch eine Größe von etwa 20 – 500 nm auf, Molkenproteine eine von etwa 3 nm. Festzustellen ist zudem, dass auch schon durch die bei der traditionellen Herstellung von Lebensmitteln angewandten Herstellungs- und Haltbarmachungsverfahren Nanopartikel und Nanostrukturen entstehen konnten.

In den Bereichen Lebensmittel und Ernährung könnte die Nanotechnologie nach heutiger Vorstellung in folgenden Teilgebieten Bedeutung erlangen: technologische Verfahren, Lebensmittelsicherheit, Lebensmittelanalytik und Verpackungstechnologie.

Technologische Verfahren: Als ein technologisches Verfahren, bei dem nanoskalige Strukturen zum Einsatz kommen, sei die Nanofiltration (NF) angesprochen. Hierbei handelt es sich um ein druckgetriebenes Membranverfahren, das sich zwischen den Trenngrenzen der Umkehrosmose und der Ultrafiltration einfügt und Partikel im Nanometer-Bereich, d.h. zwischen 10 und 1 nm zurückhält. Die Selektivität von NF Membrane wird einerseits über die Größe der Verbindungen, also das Molekulargewicht, zum anderen aber auch wesentlich durch die elektrische Ladung und die Wertigkeit von Salzen und Verbindungen in Lösung bestimmt. Verdünnte Lösungen von einwertigen Ionen können eine NF Membran weitgehend ungehindert passieren, während mehrwertige Ionen großenteils zurückgehalten werden. Angewendet wird die Nanofiltration z. B.

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zur Enthärtung und zur Entfernung von Schwermetallen bei der Wasseraufbereitung. In Japan befindet sich eine nanofiltrierte Milch auf dem Markt. Hintergrund dafür ist, dass man den Calcium- und Eiweißgehalt der Milch erhöhen will, ohne dabei die typischen Veränderungen einer thermischen Konzentrierung hinsichtlich des Geschmacks in Kauf nehmen zu müssen.

Lebensmittelsicherheit: Mit Blick auf die Sicherheit unserer Lebensmittel lassen sich verschiedene Ansatzpunkte für den Einsatz von Nanotechnologie erkennen. Ein wesentlicher geht von dem Phänomen aus, das in der Öffentlichkeit als Lotus-Effekt bekannt ist. Wenn eine Oberfläche durch eine Flüssigkeit benetzt wird, so ist es u.a. eine Frage der Struktur und der Chemie der Oberfläche, wie diese Benetzung aussieht. Fällt beispielsweise ein Wassertropfen auf eine glatte Oberfläche, so zerfließt er dort mehr oder weniger. Ist die Oberfläche aber gleichzeitig aus einem hydrophoben, d.h. Wasser abweisenden Material, so erfolgt das Zerfließen wesentlich weniger. Strukturiert man eine derartige Oberfläche dann noch durch Mikro- und/oder Nanostrukturen, so bleibt der Tropfen fast in der ursprünglichen Form erhalten. Stellt man derartiger Oberflächen etwas schräg, so läuft der Wassertropfen davon ab. Befinden sich zu diesem Zeitpunkt Schmutzpartikel auf der Oberfläche, also auf den Spitzen der Strukturelemente, so sind die Kräfte zwischen den Schmutzpartikeln und dem Wassertropfen größer als zwischen dem Schmutzpartikel und der Oberfläche. Die Folge ist, dass die Schmutzpartikel von dem abfließenden Wasser mitgerissen werden – so wie dies bei den Lotusblumen der Fall ist. Auf diese Weise kann man selbstreinigende oder zumindest wesentlich einfacher zu reinigende Oberflächen herstellen, was zu einer Verbesserung der Sicherheit von Lebensmitteln beitragen kann. Bei Spritzgussteilen aus Kunststoff kann man derartige Oberflächenstrukturierungen bereits herstellen, nicht jedoch bei Metallen. Solche Strukturierungen können auch genutzt werden, um die Entleerbarkeit etwa von Ketchupflaschen oder auch die Versiegelung von Kunststoffbechern zu verbessern, gerade dann, wenn beim Abfüllvorgang auch einmal etwas vom Produkt auf den Rand gefallen ist.

Lebensmittelanalytik: Auch im Bereich der Lebensmittelanalytik kann die Nanotechnologie auf unterschiedliche Weise Vorteile bringen. Einer dieser Vorteile ist darin zu sehen, Chips und Sensoren zu miniaturisieren. Wesentlicher Hintergrund hierbei ist es, dass Nanopartikel und -oberflächen so verändert werden können, dass ein elektrisches oder chemisches Signal generiert wird, wenn beispielsweise konkrete Kontaminanten (Schadstoffe) oder Mikroorganismen in einer Probe vorhanden sind. Auf diese Weise lassen sich vielfältige unterschiedliche Reaktionen auf einen sehr kleinen Platz zusammenbringen, so dass für die Untersuchung auch nur sehr kleine Probenmengen notwendig sind. Anwendungsgebiete im Bereich der Kräuter und Gewürze wären z.B. die Detektion von unterschiedlichsten Pflanzenschutzmittelrückständen in einem Arbeitsgang, Schnellmethoden zur Beurteilung der mikrobiellen Belastung oder etwa farbbasierte Methoden zur Bestimmung des antioxidativen Potenzials von Kräutern und Gewürzen bzw. deren Extrakten.

Lebensmittelverpackung: Das Gebiet, auf dem die nanotechnologische Forschung und deren Umsetzung in die Praxis im Umfeld der Lebensmittelherstellung am weitesten vorangeschritten ist, stellt die Verpackungstechnologie dar. Im Grunde ist hier bereits seit rund 40 Jahren ein weitverbreiteter Packstoff auf dem Markt, der in großen Mengen verwendet wird, nämlich bedampfte Aluminium- oder neueren Datums bedampfte SiOx-Folien, die als aromadichte Verpackungsmaterialien gerade bei der Verpackung von Kräutern und Gewürzen zum Einsatz kommen. Bei der Entwicklung neuer Verpackungsmaterialien gibt es grundsätzlich zwei unterschiedliche Ansätze, Verpackungspolymere mit Hilfe der Nanotechnologie zu funktionalisieren: zum einen durch Funktionalisierung der Oberfläche durch Mikro-/Nanostrukturen und zum anderen durch Funktionalisierung im Volumen des Verpackungsmaterials.

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Technologische Themen

Vorträge

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Beispielhaft für oberflächlich funktionalisierte Verpackungen sind Folien und tiefgezogene Verpackungen, auf die eine Schicht von Nanosilber laminiert wurde. Silberionen besitzen eine antimikrobielle Wirkung. In Japan sind derartige Folien bereits auf dem Markt und werden dort zur Verpackung von Obst und Gemüse, Fisch und Fleisch sowie Brot und Käse eingesetzt, um deren Haltbarkeit zu verlängern. In Europa steht man derartigen Folien noch skeptisch gegenüber, da einerseits bereits Resistenzen von Mikroorganismen gegenüber Silber bekannt geworden sind und andererseits die Frage noch nicht geklärt ist, ob bei der Entsorgung der Packungen mit Umweltproblemen zu rechnen ist.

Siliziumdioxid: Das in der Öffentlichkeit bekannteste Thema im Zusammenhang mit einem Zusatz von Nanomaterialien direkt in Lebensmittel ist der angebliche Zusatz von Nano-Silizi-umdioxid als Rieselhilfsmittel etwa zu Gewürzen, Salz und Tomatenpulver. Was das Siliziumdioxid anbelangt, so befindet sich in der Tat bereits seit den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts nanostrukturiertes Siliziumdioxid am Markt, das unter der E-Nummer 551 auch als Zusatzstoff zum Einsatz in Lebensmitteln zugelassen ist. Die Verwirrung kommt hierbei dadurch zustande, dass bei dem zugrundeliegenden Produktionsverfahren intermediär nanoskalige Partikel entstehen, die aber sofort aggregieren. Damit ist die verwendete Kieselsäure zwar nanostrukturiert, da sie aus nanoskaligen Teilchen zusammengesetzt ist, selber ist sie jedoch kein Nanopartikel. Im Übrigen liegen zu diesem Zusatzstoff umfangreiche toxikologische Studien vor, die keine Hinweise auf nachteilige gesundheitliche Effekte ergaben.

Nanoverkapselungen: Ein sehr weit verbreitetes Thema und Forschungsobjekt ist die Produktion und Stabilisierung von mikro- und nanoskaligen Verkapselungen. Hintergrund hierfür ist, dass es auf diese Weise möglich wird, sensorisch unvorteilhafte Lebensmittelzutaten zu neutralisieren, empfindliche Zutaten und Zusätze wie Vitamine, Geschmacks- und Aroma-stoffe, Farbstoffe, Extrakte aus Kräutern und Gewürzen oder auch Mikroorganismen zu stabilisieren und last but not least definierte Stoffe an eine bestimmte Stelle in den Körper zu bringen und dort erst freizusetzen. Damit wird denn auch die Bedeutung derartiger Kapseln für den Bereich der Funktionellen Lebensmittel deutlich.

Zur Herstellung stärkebasierter Nanokapseln „zerschneidet“ man die natürlicherweise in geschlungenen Ketten vorliegende Stärke mit Hilfe von Cyclodextrin-Glycosyltransferasen so, dass dabei ringförmige Gebilde - so genannte Cyclodextrine - entstehen, die aus 6, 7 oder 8 Zuckerbausteinen bestehen. Diese Cyclodextrine haben eine konische Molekülform mit einem definierten Hohlraum, wobei primäre OH-Gruppen am schmaleren, sekundäre OH-Gruppen am weiteren Rand des Ringes angeordnet sind. Da in den Hohlraum nur C–C und C–H Bindungen hineinreichen, ist das Innere des Hohlraumes hydrophob, während die Außenfläche polar ist. Diese Ringe können als nanoskalige „Molekülfallen“ angesehen werden, in die z.B. Aroma-, Farb-, Konservierungsstoffe eingeschlossen werden können. Da die Außenfläche der Ringe polar ist, ergeben sich so wasserlösliche Komplexe in denen die eingeschlossenen Substanzen weitgehend vor UV-Strahlung und andere Umgebungsbedingungen wie z.B. Sauerstoff geschützt sind. In diesem Fall kann man sogar die Freisetzung der eingeschlossenen Substanzen in einem gewissen Umfang steuern, da diese vom pH-Wert abhängig ist.

So wie diese kohlenhydratbasierte (Stärke) Nanoverkapselung lassen sich auch solche auf der Basis von Lipiden und Proteinen durchführen, womit das Spektrum der möglichen Eigenschaften sehr verbreitert wird und den vielfältigen Anforderungen der zu verkapselnden Stoffe sowie deren Ort und Art der Freisetzung Rechnung getragen werden kann.

In eine ähnliche Richtung geht die Möglichkeit der Herstellung von so genannten Nanoemulsionen. In den herkömmlichen natürlichen und künstlichen Emulsionen liegt die Größenordnung der Tröpfchen im Bereich von ca. 1-50 µm. Da in diesen aber immer eine Verteilung unterschiedlicher Tröpfchengrößen vorliegt, kommen auch in den konventionellen

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Emulsionen bereits Tröpfchengrößen vor, die an den Nanobereich heranreichen. In den letzten Jahren wurden neue Emulgiertechniken wie die Membranemulgierung, die Ultraschallemulgierung und die Microfluidisation entwickelt, mit denen weit kleinere Tröpfchengrößen (Nanoemulsionen) erzeugt werden. Reduziert man in derartigen Nanoemulsionen den Fettanteil, so bleiben die sensorischen Eigenschaften nicht nur erhalten, sondern werden sogar noch verbessert.

EV 33

Innovative Verfahren zur Herstellung pastenförmiger Kräuter- und Gewürzprodukte

Innovative technologies for the production of paste-like herb and spice products

D.R. Kammerer, A. Kaiser und R. Carle

Universität Hohenheim, Institut für Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie, Lehrstuhl Lebensmittel pflanzlicher Herkunft, Garbenstrasse 25, 70599 Stuttgart, Email: [email protected]

Abstract

Within the scope of the research project innovative, energy-efficient processes for the production of high quality herbs and spices are developed. These innovative processes are exemplified using locally produced herbs and spices, such as coriander, parsley, marjoram, celeriac and garlic cloves. Immediately after harvest the fresh raw material is washed, minced and subsequently heated for rapid inactivation of microorganisms and endogenous enzymes, and subsequently hot filled. Alternatively, blanching of the plant material is performed prior to mincing. The paste-like products obtained from such processes are characterized by improved color and flavor retention, pumpability and low microbial loads. They do not make dust and are easier to dose, thus facilitating their application in the food processing industry. By omitting drying and cryogenic milling and by applying innovative heating processes (e.g. high frequency) the overall process contributes to energy saving and the enhancement of energy efficiency. The research project aims at immediate transfer of the results to a pilot plant scale, and first acceptance studies of the novel products incorporated into meat products are currently performed by an industrial project partner.

Die Hauptanbauländer für Kräuter und Gewürze liegen in Indien, dem Nahen Osten und im Mittelmeerraum. Konventionelle, pulverförmige Gewürzformen weisen in der Regel hohe Gesamtkeimzahlen auf, da sie in tropisch / subtropischen Regionen vielfach unter hygienisch mangelhaften Bedingungen getrocknet, verarbeitet und gelagert werden, und bergen somit insbesondere in der industriellen Lebensmittelverarbeitung ein potentielles Hygienerisiko in sich. Dies gilt insbesondere für Frischprodukte, da zwischen Herstellung und Verzehr eine drastische Vermehrung der Mikroorganismen erfolgen kann und weil Gesamtkeimzahlen bis zu 107 bei konventionell hergestellten Gewürzen keine Seltenheit sind (BUCKENHÜSKES, 2001; SCHWEIGGERT et al., 2007a). Neben pathogenen und nicht pathogenen Sporenbildnern stellen Schimmelpilze aufgrund der Mykotoxinbildung hierbei ein latentes Risiko dar. Bei der Weiterverarbeitung sind solche Produkte zudem durch Staubentwicklung und eine mangelhafte

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Technologische Themen

Vorträge

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Dosier- und Mischbarkeit gekennzeichnet. Außerdem wird die Aktivität pflanzeneigener Enzyme, etwa von Proteasen, Phosphatasen, Lipoxygenasen, Polyphenoloxidasen und Peroxidasen, bei der herkömmlichen Gewürztrocknung durch die allmähliche Senkung des aw-Wertes lediglich vorübergehend gehemmt, nicht aber inaktiviert. So besteht bei der Rehydratisierung generell die Gefahr von Farb-, Aroma- und Texturverlusten in verarbeiteten Lebensmitteln infolge Reaktivierung der genannten Enzymaktivitäten. Außerdem zählt die Trocknung in der Lebensmittelverarbeitung zu den energieintensivsten Verfahren, da neben hohen Investitionskosten zusätzlich ständig steigende Energiepreise für zumeist nicht regenerative Energieträger einkalkuliert werden müssen (HEINDL, 1999; MÜLLER & HEINDL, 2006). Dieser Verarbeitungsschritt birgt somit ein hohes Einsparpotential in sich (BAHU, 1991). Vor dem Hintergrund sich abzeichnender Klimaveränderungen ist deshalb die Energieeinsparung im Rahmen der Lebensmittelverarbeitung nicht nur ein wichtiges Mittel zur Kostensenkung, sondern auch im Sinne einer möglichst umweltverträglichen und nachhaltigen Produktionsweise aus ökologischen Gründen angezeigt.

Abb. 1: Aufarbeitungsschema zur Herstellung pastenförmiger Produkte am Beispiel Petersilie

Im Rahmen des vorgestellten Verbundprojekts werden daher unter Verzicht auf einen Trock-nungsschritt innovative Gewürz-Applikationsformen entwickelt, die sich gegenüber herkömm-lichen Produkten durch deutliche Vorteile auszeichnen. Hierzu werden in Analogie zu einem Verfahren, das bereits erfolgreich an tropischen Gewürzen wie Pfeffer und Chili erprobt wurde (SCHWEIGGERT et al., 2005a,b, 2007b), erntefrische Kräuter- und Gewürzpflanzen vor oder nach Zerkleinerung der Rohware einem initialen Erhitzungsschritt unterzogen. Dies trägt zur signifikanten Reduktion der mikrobiellen Belastung bei, so dass Produkte erhalten werden, die direkt auch in sehr sensible Lebensmittel, wie z.B. Fisch, Fleisch und -produkte eingearbeitet werden können. Durch die kurzzeitige Erhitzung der erntefrischen Rohware werden die pflanzlichen Enzyme sofort inaktiviert, so dass nach Applikation der Produkte keine der o.g. Qualitätsverluste zu erwarten sind. Die pumpbaren Kräuter- und Gewürzpasten lassen sich sehr viel leichter dosieren als herkömmliche Gewürzpulver und sind deshalb in der weiterverarbeitenden Industrie problemlos einsetzbar. Außerdem lässt sich durch den Verzicht

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auf die Trocknung die zur Herstellung mikrobiologisch sicherer Produkte notwendige Energiemenge erheblich einsparen.

Mit zunehmender Erhitzungstemperatur und -dauer war bei den chlorophyllhaltigen Produkten eine Farbverschiebung zu gelbgrünen Tönen beobachtbar, während ein Blanchierschritt sogar zu einer Intensivierung der grünen Farbe beitragen kann, was am Beispiel von Petersilienpaste gezeigt wurde. Bei der Herstellung von Selleriepasten bewirkte der initiale Erhitzungsschritt eine wirksame Verminderung unerwünschter enzymatischer Bräunungsreaktionen. Die Abnahmen in den Gesamtphenolgehalten (HPLC-DAD bzw. Folin Ciocalteu-Assay) und in der antioxidativen Kapazität waren unter den gewählten Prozessbedingungen meist sehr gering und lassen sich durch Optimierung der Erhitzungsparameter minimieren, während sich im Profil und Gehalt einzelner phenolischer Komponenten teils deutliche Unterschiede zeigten. Bei der Inaktivierung pflanzeneigener Enzyme zeigte sich, dass je nach pflanzlicher Matrix unterschiedliche Temperatur-Zeit-Regime zur weitgehenden Inaktivierung potentiell qualitätsmindernder Enzyme angewandt werden müssen. Aufgrund des Waschschrittes und des Erhitzungsprozesses wiesen die neuartigen Kräuter- und Gewürzprodukte sehr geringe Gesamtkeimzahlen auf (z.B. aerobe Gesamtkeimzahl in Knoblauchpaste: max. 2,5x102 KbE/g; Abwesenheit pathogener Keime), so dass deren Anwendung durch weiterverarbeitende Betriebe und den Endverbraucher problemlos möglich ist. Das Verfahren zur Herstellung neuartiger Kräuter und Gewürzprodukte ermöglicht den weitgehenden Erhalt von Farbe und wertgebenden Inhaltsstoffen und garantiert deren mikrobielle Unbedenklichkeit. In Echtzeitlagerversuchen über einen Zeitraum von vier Wochen unter Kühlbedingungen zeigte sich, dass die mikrobielle Stabilität auch gelagerter Proben gegeben ist und dass z.B. Chlorophylle, die für die Farbe pastöser Kräuterzubereitungen ausschlaggebend sind, sowie weitere wertgebende Inhaltsstoffe nur in geringem Maß abgebaut wurden. Erste Applikationsversuche mit den neuartigen Produkten im Bereich Wurstwaren durch den Firmenpartner Hagesüd Interspice Gewürzwerke GmbH & Co.KG sowie Akzeptanzstudien sind Gegenstand derzeitiger Untersuchungen.

Literatur

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(3) Heindl, A., 1999: Trockner für Arznei- und Gewürzpflanzen – Überblick und mögliche Entwicklungen in der Zukunft. Drogenreport 12: 45-53.

(4) Müller, J., Heindl, A., 2006: Drying of medicinal plants. In: Bogers, R.J., Craker, L.E., Lange, D. (Hrsg.) Medicinal and Aromatic Plants, Springer Verlag, Berlin, S. 237-252.

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(6) Schweiggert, U., Kurz, C., Schieber, A., Carle, R., 2007b: Effects of processing and storage on the stability of free and esterified carotenoids of red peppers (Capsicum annuum L.) and hot chilli peppers (Capsicum frutescens L.) Eur. Food Res. Technol. 225: 261-270.

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Technologische Themen

Vorträge

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EV 34

Optimierung der Bandtrocknung von Arznei- und Gewürzpflanzen hinsichtlich Energieeinsatz, Wirtschaftlichkeit und Produktqualität

Optimisation of a belt dryer for medicinal and spice plants regarding energy demand, profitability and product quality

M. Böhner1, I. Barfuss2, A. Heindl2, J. Müller2 1Martin Bauer Group, Dutendorfer Str.5-7, 91487 Vestenbergsgreuth, Tel. 09163-88-472, E-Mail: [email protected], 2Universität Hohenheim, Institut für Agrartechnik, Fg. Agrartechnik in den Tropen und Subtropen ATS 440e, Garbenstr. 9, 70599 Stuttgart, Tel. 0711-459-22490, E-Mail: [email protected]

Zusammenfassung:

Bandtrockner sind im Bereich der Arznei- und Gewürzpflanzen, aufgrund ihrer hohen Durchsatzleistung bei relativ niedrigem Energieverbrauch, eine stark verbreitete Trocknungstechnik. Durch die CFD-Strömungssimulation konnte eine gleichmäßige Trocknung erreicht werden. Dabei wurde das Problem der Produktschädigung durch Übertrocknung an den Seiten der Trocknungsbänder behoben. Zur energetischen Optimierung wurde die Abwärmenutzung einer Biogasanlage zu Trocknungszwecken mittels effizienter Kraft-Wärme-Kopplung untersucht. Die Abwärme aus einem Blockheizkraftwerk konnte ca. 40% des fossilen Energiebedarfes ersetzt. Weiterhin wurden Nahinfrarotspektroskopie-Sensoren zur Online- Messung von Produktfeuchte und ätherischen Ölgehalt kalibriert und getestet. Darauf aufbauend wurde ein Regelungskonzept des Trockners entwickelt.

English summary:

Belt dryers have a high throughput and are capable to satisfy requirements at peak harvest time, although it is often the case that drying uniformity across the belt width may vary, which is due to non-uniform air flow distribution. The determining factors related to drying uniformity as well as the air flow are fluctuations in the initial moisture content and radiation effects of the hot dryer walls on the belt. To achieve system optimisation, computational fluid simulations were conducted using the Ansys Fluent program. The influence of the guide plates adjoining the drying chamber was confirmed due to the fluid path length of the hot air. Conventional multi-belt dryers are supplied mainly by fossil fuel energy resources. One aim of this study was to harness the waste heat from a combined heat and power unit (CHP) of a biogas plant for drying parsley on a belt dryer. Near Infrared Spectroscopy (NIR) offers potential to control the product quality during drying. The objective was to assess the performance of near infrared spectroscopy as a fast and non-destructive method for on-line measurements of moisture content of parsley bulk.

Bandtrockner weisen häufig eine ungleichmäßige Trocknung über der Bandbreite auf. Diese Ungleichmäßigkeit durch Feuchte- und Temperaturmessung über der Bandbreite zu quantifizieren und den Energieverbrauch des Trockners zu ermitteln, war ein Ziel der Untersuchung. Das Gut trocknet auf dem durchströmten Band an den Längsseiten stärker als in der Mitte, so dass der Trocknungsfortschritt in der Bandmitte die Verweilzeit des Gutes im Trockner bestimmt. Die Einflussfaktoren auf die Gleichmäßigkeit der Trocknung sind neben der

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Luftführung und der Temperaturverteilung unter den Bändern die Schwankung der Eingangsfeuchte und die Wärmestrahlung der heißen Trocknerwände. Der Bandabschnitt, der direkt an die Trocknerwand angrenzt, erhält über fünfmal soviel Wärmestrahlung wie der Bandabschnitt in der Mitte des Trockners (BÖHNER et al., 2009).

Um die ungleichmäßige Trocknung in Bandtrocknern zu verstehen, wurden Messungen und Probenahmen zur Produktfeuchte am Trockner vorgenommen. Es wurden zwei unterschiedliche Simulationen der Luftströmung im Trockner durchgeführt, eine mit Produkt, die andere ohne. Die Simulationen wurden mit der CFD-Software Ansys Fluent (Computational Fluid Dynamics) durchgeführt. Messungen für Luftgeschwindigkeit und –temperatur wurden zum Vergleich der gemessenen und mit der CFD berechneten Werte durchgeführt. Die Erkenntnisse dieser Studie führten zu einer optimierten Luftführung mit homogener Temperaturverteilung über die Trocknungsfläche. Eine wesentliche Verbesserung wird durch die Installation von Leitblechen erreicht, welche die Luft zur Trocknermitte leiten.

Energiebedarf von Bandtrocknern wird hauptsächlich durch fossile Energiequellen gedeckt. Ein Ziel war es, die Abwärme eines Blockheizkraftwerks (BHKW) einer Biogasanlage für die Trocknung von Petersilie (Petroselinum crispum) in einem Bandtrockner nutzbar zu machen. Nach dem Schneiden des Frischmaterials wurden Stiele und Blätter durch Windsichtung abgetrennt. Die Stiele wurden neben den herkömmlichen Gärsubstraten zur Biogasproduktion genutzt. Ein standardisierter Fermentationstest im Batchverfahren (Hohenheimer Biogasertragstest) wurde durchgeführt, um den potentiellen Biogasertrag von Petersilienstielen zu bestimmen.

Die Energieversorgung des Trockners erfolgte mit Heizölbrennern und der BHKW-Abwärme.

Der Trockner setzt sich aus einem Vortrockner, bestehend aus einem Band und einem Fünfbandtrockner zusammen. Dieser ist in drei Temperaturzonen unterteilt und besitzt eine Gesamttrocknungsfläche von 316 m². Für die Trocknung von Petersilie wurde ein Temperaturprofil von 90/80/75°C für die drei Zonen angewendet. Sowohl der Energieverbrauch der Ölbrenner als auch die thermische Energie des BHKW wurden gemessen. Das Temperaturniveau des Vortockner betrug maximal 75°C in der Zuluft.

Der spezifische Energieverbrauch zur Trocknung von Petersilie konnte zu 47% durch das BHKW bereitgestellt werden. Die genauen Messwerte zur energetischen Bewertung des Bandtrockners sind in Tab. 1 dargestellt. Der Energieverbrauch hängt dabei stark vom Durchsatz und der Ein- und Ausgangsfeuchte ab, die über die drei Messsaisons schwankten.

Das Ergebnis des Biogasertragstests lieferte einen Ertrag von 0,331 m³ Methan pro kg organischer Trockenmasse. Die Abwärme des BHKW ermöglichte eine Erhitzung der Trocknungsluft im Vortrockner auf 75°C. Jedoch werden 90°C empfohlen, um die optimale Produktfarbe zu erlangen. Daher muss noch ein hoher Anteil an fossiler Energie (Heizöl) für die Trocknung der Petersilie bereitgestellt werden. Weitere Untersuchungen sind nötig, mit dem Ziel der Reduktion des fossilen Energieeinsatzes und der CO2 Emissionen.

Der Bedarf an getrocknete Petersilie mit optimalem Feuchtegehalt ist in der Lebensmittelindustrie sehr hoch. Die Nahinfrarot (NIR)-Spektroskopie bietet die Möglichkeit die schonende Trocknung im Prozess zu kontrollieren (HEINDL 1998). Für die Untersuchung wurden zwei Mehrbandtrockner für Gewürz- und Arzneipflanzen genutzt. Ziel war es die Leistungsfähigkeit und Genauigkeit der NIR-Sensoren für eine zerstörungsfreie Online-Messung der Produktfeuchte und des ätherischen Ölgehaltes von Petersilie zu ermitteln. Dazu wurden je zwei Sensoren an den Trocknern installiert, einer in der Bandmitte am Trocknereingang für die Produktfeuchte von 50-90% (bezogen auf Gesamtmasse, wet basis w.b.) und ein weiterer am

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Trocknerausgang für den Feuchtebereich von 2-40% w.b., An einem Trockner wurden am Ein- und Ausgang zusätzlich die ätherischen Öle im Bereich von 0 bis 0,4 mg/ 100g Produkt gemessen. Die Kalibration wurde für den Feuchtegehalt bei einer Wellenlänge 1450 nm und 1950 nm durchgeführt. Die ätherischen Öle wurden bei einer Wellenlänge von 2300 nm kalibriert. Die Genauigkeit der NIR-Messung war bei der Trockenschrankmethode als Referenz hoch und niedriger beim Halogentrockner.

Tab 1: Parameter für die Bewertung der Trocknung von Petersilie ohne (2008) und mit (2009/2010) der Nutzung von Biogasabwärme

Parameter Mooskrause Petersilie Glatte Petersilie Messsaison 2008 2009 2008 2009 2010 Anfangsfeuchte, % w.b. 82,6 87,0 84,1 83,0 83,0 Endfeuchte, % w.b. 2,6 5,1 1,7 4,3 7,0 Durchsatz Endprodukt, kg/h

217,6 150,0 154,0 186,0 112,0

Wasserverdampfung, kg/h 1000,5 945,0 795,3 861,0 493,0 Energiebedarf der 3 Öl-brenner, kWh

1827,8 1001,0 1678,6 992,0 701,0

Energiebedarf der Wärme-tauscher, kWh

- 878,0 - 623,2 199,0

Anteil des Energiebe-darfes an erneuerbaren Energien, %

- 46,7 - 38,6 22,1

Spez. Energieverbrauch,

kWh/kg verd. Wasser 1,83 1,99 2,11 1,88 1,81

Spez. Energieverbrauch,

kJ/kg verd. Wasser 6,577,0

7157,9 7610,0 6753,4 6507,0

Die Ergebnisse zur Nutzung von BHKW-Abwärme hat einen Nutzen in der Praxis, da immer mehr dezentrale Kraftwerke entstehen, mit deren Abwärmenutzung ein hoher Gesamtwirkungs-grad, gerade auch in Sommermonaten erzielt werden kann. Die Ergebnisse der CFD-Strömungssimulation können in Form der entwickelten Dächergeometrie für jeden Bandtrockner mit dieser Luftführung angepasst werden. Weiterhin konnte die CFD-Simulation als Methode validiert werden, die sich als Tool für Optimierungen sehr gut eignet. Die Online-Feuchtemessung und damit verbundene Regelungstechnik bietet viel Potential, setzt aber einen großen zeitlichen Aufwand für die Kalibration und ein hohes Investment in die Sensoren voraus, so dass dies nur für große Anlagen mit hoher Auslastung zu empfehlen ist.

Danksagung:

Die Autoren danken dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-schutz (BMELV) für die Förderung des Projektes (Förderkennzeichen: 22013007) durch finan-zielle Unterstützung über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) als Projektträger des BMELV für das Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe und der Arzneipflanzen GbR, Groß-Gerau für die Unterstützung bei den Messungen.

Literatur:

Böhner, M., Barfuss I., Heindl A., Müller J., 2009: Gleichmäßigkeit und Energieverbrauch der Bandtrocknung von Petersilie (Petroselinum crispum). Zeitschrift für Arznei- und Gewürzpflanzen, 14(3): S. 126-131

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Heindl A. ; Heindl Th., 1998. Kontinuierliche Feuchtemessung zur Feuchtemessung zur Regelung von Bandtrocknern. Zeitchrift Arznei- und Gewürzpflanzen, 3, S. 146-150

EV 35

Schonende Entkeimung von Medizinaldrogen durch das Lemgoer Verfahren

Gentle decontamination of medical herbs through the Lemgoer method

A. Dammann1, K. Schwarzer1, H. Lange², H. Krüger², U. Müller1

1Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Institut für LebensmitteltechnologieNRW, Verfahrenstechnik, Liebigstraße 87, 32657 Lemgo, ²Julius Kühn-Institut (JKI) Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für ökologische Chemie, Pflanzenanalytik und Vorratsschutz Erwin-Baur-Straße 27, 06484 Quedlinburg, [email protected]

Zusammenfassung

Um die gesetzlichen Grenzwerte von Keimen auf Medizinaldrogen einzuhalten, müssen diese häufig vor der Verarbeitung reduziert werden. Die klassische Sattdampfentkeimung ist dafür eine weit verbreitete Methode, hierbei ist der entkeimende Schritt die Bedampfung des Produktes. Es liegt somit eine hitze-thermische Entkeimung vor. Insbesondere für die Abtötung von Sporen sind dabei hohe Temperaturen und längere Haltezeiten notwendig. An der Hochschule OWL wird ein schonenderes Verfahren untersucht, die mechanische Sattdampfentkeimung. Bei dieser Methode wird nach einer kurzen Bedampfung sehr schnell Vakuum gezogen, dabei kommt es zu einer Flashverdampfung des Kondensatfilmes und die Keime werden mechanisch von der Oberfläche abgerissen. Bei 5 Modelldrogen (Zwiebel, Leinsamen, Fenchel, Majoran und Kapuzinerkresse) konnte eine Entkeimung von 2-5 Dekaden nachgewiesen werden, wobei zumeist kaum Wirkstoffverluste auftraten. Nur bei Majoran kam es zu größeren Ölverlusten, da hier die Ölzellen frei auf der Oberfläche liegen und somit durch das plötzliche Vakuumziehen zerstört werden können.

Summary

To keep the lawful limiting values of Microorganisms of medical herbs prior to processing decontamination is necessary. The classic saturated steam decontamination is a widely used method, where the vaporization is the sterilizing step, it is therefore a heat-thermal sterilization. Especially for the killing of spores high temperature and longer holding times are required. At the University of Applied Sciences in OWL a gentler method is investigated, the mechanical saturated steam decontamination. In this, after a short vaporization a quickly vacuum follows. Through the latter a flash evaporation of the condensate film occurs and the germs are separated mechanically from the surface. In our model drugs (onion, flax seed, fennel, marjoram, nasturtium) we could realize a sterilization of 2-5 decades, where occurred barely active ingredients losses. Only with marjoram, there were more oil losses, as the oil cells are exposed on the surface and thus can be destroyed by the sudden vacuum drawing.

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Vorträge

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Einführung

Als der Natur entnommene Rohstoffe enthalten Arzneipflanzen stets eine Vielzahl an Mikroorganismen, wobei das Ausmaß der mikrobiellen Belastung in Abhängigkeit von Anbauverfahren, Standort, Witterung, etc. stark variieren kann. Zur Verwendung in arzneilichen Produkten muss diese Keimdichte teilweise erheblich reduziert werden. Hierzu werden heute zumeist Sattdampfverfahren angewendet, bei denen die eigentliche Abtötung rein hitze-thermisch erfolgt. Die daraus folgende hitze-thermische Belastung sowie , wie oft beschrieben, ein wasserdampfdestillativer Effekt führen häufig zu großen Verlusten der wertgebenden Inhaltsstoffe. Vor diesem Hintergrund wurde ein thermisch-mechanisches Entkeimungsverfahren weiterentwickelt, das Lemgoer Verfahren, bei dem Oberflächen nach kurzer Beaufschlagung mit Wasserdampf durch spontane Druckabsenkung entkeimt werden. Der Hauptentkeimungseffekt entsteht durch eine Flashverdampfung, die die Keime mitreißt und so mechanisch von der Oberfläche entfernt. Sehr kurze Einwirkzeiten des Dampfes ausschließlich zur Erzeugung eines Kondensatfilms reichen aus, um deutliche Keimreduktionen zu gewährleisten, wobei der Film unterstützend stark Haftkraft-reduzierend wirkt (LILIE, M. 2009). Mit dem Lemgoer Verfahren sind demnach deutlich geringere Qualitätsverluste zu erwarten (LILIE, M. 2007; Lange, H. 2010). Ziel des Projektes war es, Arzneipflanzen bei geringen Behandlungskosten unter weitgehendem Erhalt der Inhaltsstoffe zu entkeimen.

Material und Methoden

In einem mantelbeheizbaren 5-Liter-Pflugscharmischer der Firma Gebr. Lödige Maschinenbau GmbH (Paderborn), betrieben bei 150 upm und unterschiedlichen Manteltemperaturen, wurden verschiedene Medizinaldrogen (2 L je Versuch) mit Sattdampf (110°C/ 125°C) für 20 Sekunden bedampft. Anschließend wurde extrem schnell Vakuum gezogen. Zur Rückhaltung des Produktes wurden ein Sieb und/oder ein Zyklon eingesetzt. Der Eiskondensator dient zur Kondensation des Dampfes und als Vakuumpuffer (Abb.1). Die Bestimmung des Keimgehaltes erfolgte direkt vor und nach der Entkeimung nach den Vorschriften der European Pharmacopoeia. Die entkeimten Proben wurden getrocknet und der Gehalt an wertgebenden Stoffen bestimmt.

Ergebnisse

Die Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die Entkeimungserfolge und Inhaltsstoffverluste.

Alle Modelldrogen konnten erfolgreich entkeimt werden. In keiner Probe fanden sich noch pathogene Keime. Bei optimierten Bedingungen konnten bei allen Modelldrogen die Sporen bis zur Nachweisgrenze (100 koloniebildende Einheiten/g) reduziert werden. Dabei zeigten Fenchel und Leinsamen keine signifikanten Änderungen der gemessenen Inhaltsstoffe. Zwiebel und Kapuzinerkresse hatten geringe Verluste. Nur die ätherischen Öle des Majorans gingen weitgehend verloren.

Es konnte gezeigt werden, dass die auf der Oberfläche liegenden Ölzellen des Majorans platzen. Insofern dürfte der wasserdampfdestillative Effekt erst nach einer Membranzerstörung auftreten. Versuche an weiteren ölhaltigen Pflanzen zeigten eine direkte Abhängigkeit des Verlustes von der Lage der Ölzellen. Umso geschützter die Ölzellen auf der Oberfläche liegen, desto weniger Ölverluste traten während der mechanischen Sattdampfentkeimung auf. Die Chargenzeit der verwendeten kleintechnischen Anlage betrug, abhängig vom Produkt, 2 bis 3 Minuten (je 20 s Vor-, Nachvakuum und Bedampfung sowie Be- und Entladung). Daraus ergibt sich eine Kapazität von 40 bis 60 L/h. Eine Maßstabsvergrößerung mit 60 L Nutzvolumen, wird momentan erprobt.

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Schlussfolgerungen

Mit dem Lemgoer Verfahren konnte eine neuartige schonende Entkeimungsmethode für Medizinaldrogen vorgestellt werden. Für viele Drogen stellt sie eine Möglichkeit dar, mit nur geringen Qualitätseinbußen zu einem mikrobiologisch sicheren Produkt zu kommen. Um auch Kräuter mit oberflächlich liegenden Ölzellen zu behandeln, sind weitere Untersuchungen und Entwicklungen notwendig, wobei der Schwerpunkt auf die Protektion der Ölzellenmembranen liegen muss.

Tab. 1: Überblick über die Entkeimungserfolge und die Inhaltsstoffverluste der mechanischen Sattdampfentkeimung (Lemgoer Verfahren) in der halbtechnischen 5-Liter Anlage (Bedampfungszeit: 20 s). Bei optimierten Bedingungen konnten bei allen Modelldrogen die Sporen bis zur Nachweisgrenze (100 koloniebildende Einheiten/g) reduziert werden.*ns: Keine signifikante Änderung.

Modelldroge Sporenreduktion

[Dekaden]

Inhaltsstoffe Verlust

Zwiebel 3,5 Cysteinsulfoxide ~15%

Leinsamen 2Quellfähigkeit Fettsäuren

ns* ns*

Fenchel 2 ätherisches Öl ns*

Majoran 2 ätherisches Öl ~90%

Kapuzinerkresse 3-4 Glucotropaeolin ~10%

Danksagung

Das IGF-Vorhaben (15547 BG) der Forschungsvereinigung (Forschungsvereinigung der Arzneimittelhersteller) wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und –entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Literatur

Lange, H., Krüger, H., Dammann, A., Schwarzer, K., David, R., Müller U., 2010: Entkeimung von Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus) mittels „Mechanischer Sattdampfentkeimung“- Z. Arznei- Gewürzpfla 15(2) 81-85 Lilie, M. 2009: Mechano-thermische Vakuum-Dampf-Vakuum-Entkeimung (mtVDV) am Beispiel bakterieller Sporen - Dissertation, Universität Bielefeld Lilie, M., Hein, S., Wilhelm, P., Müller, U. 2007: Decontamination of Spices by Combining Mechanical and Thermal Effects – An Alternative Approach For Quality Retention - International Journal of Food Science and Technology, 42, 190-193

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Technologische Themen

Vorträge

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EV 36

Nanotechnologische Ansätze zur Stabilisierung von Wirkstoffen

Stabilization of drugs by Nano Carrier – a review

J.-P. Krause und M. Kumpugdee-Vollrath

Beuth Hochschule für Technik Berlin, FB II, Labor Chemische und Pharmazeutische Technologie, Luxemburger Str. 10, 13353 Berlin, Tel. 030 4504 5163, Mail: [email protected]

Zusammenfassung

Wirkstoffformulierungen müssen zwei wesentliche Forderungen erfüllen: Erhalt der Wirkung unter typischen Lager- und Anwendungsbedingungen sowie gezielte Freigabe am Ort der Wirkung. Kolloidale Systeme bieten hochinteressante Eigenschaften, neuartige Carrier für Wirkstoffe zu entwickeln. In einer Übersicht wird auf neueste Entwicklungen in diesem Bereich eingegangen und an Beispielen Struktur-Wirkungsbeziehungen der Systeme Mizellen, Liposomen und Emulsionen näher erläutert.

Abstract

Modern drug dosage forms have to ensure the stability of the drug during storage and should enable a targeted delivery. Formation and properties of colloidal systems such as micelles, liposomes and emulsions are discussed as drug delivery systems.

Grenzflächen und Kolloide

Erreichen Teilchen einen Durchmesser unter 1 µm treten zunehmend Eigenschaften auf, die als typisch für Kolloide angesehen werden. Ostwald definiert das Kolloid als eine feine Verteilung einer dispersen Phase in einem Dispersionsmittel. Wendet man diese Definition auf praktische Systeme an, so stellt man sehr schnell fest, dass Kolloide das tägliche Leben dominieren. Kolloide sind beliebige Kombinationen aus festen, flüssigen und gasförmigen Phasen.

Je kleiner die Teilchen werden, desto größer wird die spezifische Oberfläche SV bei gleichbleibendem Volumenanteil. Kolloide sind in der Lage, Wirkstoffe einzuschließen, zu schützen und durch biologische Membranen zu transportieren. Besonders interessant ist die Nutzung der Carrierfunktion für den Schutz und die Solubilisierung lipophiler Wirkstoffe. Die Oberfläche der Teilchen zeigt besondere Affinitäten zu Wirkorten oder kann dafür gezielt modifiziert werden.

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Die Formierung von Mizellen, Liposomen und Emulsionen ist an die Anwesenheit von grenzflächenaktiven Substanzen (surfactants) gebunden, die in der Lage sind, Grenzflächen-spannungen erheblich zu reduzieren und stabile Filme zu bilden. Dabei geht der Trend zu natürlichen surfactants wie Phospholipiden und Proteinen.

Mizellen

Biologische Mizellen mit Durchmessern im zweistelligen Nanometerbereich befinden sich beispielsweise in Hühnereiern (Cholesterinmicelle mit d = 20 – 60 nm) und in der Milch (Kasein Submicelle mit d = 10 – 20 nm). Mizellen entstehen, wenn sich amphiphile surfactants oberhalb der kritischen Mizellkonzentration zu thermodynamisch stabilen Strukturen (5 nm – 100 nm) anordnen. Im Inneren der Mizelle als auch in der strukturbildenden Palisadenschicht können organischen Stoffe mit geringer Löslichkeit eingelagert werden. Man spricht dann von Solubilisierung. Der menschliche Organismus stellt kontinuierlich Micellen her, um fettlösliche Substanzen – z.B. Vitamine A, D, E und K – im Körper aufnehmen zu können. Dies ist die Voraussetzung für die Metabolisierung fettlöslicher Substanzen. Durch die physiologische Mizelle (≤ 50 nm) wird der Transport und die Freigabe der wasserunlöslichen Produkte ermöglicht.

Bei der Herstellung von Produktmizellen hängen der Vorgang der Solubilisierung und die Solubilisierungskapazität stark vom Wirkstoff und Tensid ab. Häufig werden Co-Tenside eingesetzt.

Beispiele für Solubilisate sind Konservierungsstoffe (Sorbinsäure und Benzoesäure) und Gewürzextrakte mit antioxidativer Wirkung (Carnosolsäure, Carnosol).

Untersuchungen zeigten, dass der Grundstoff Benzoesäure keine hemmende Wirkung zeigte, wohingegen NovaSOL® Benzoesäure (Fa. Aquanova) nach zwei Wochen eine vollständige Hemmung des Keimes Saccharomyces cerevisiae in einer Würze-Bouillon pH 6,2 erzielte ( DE MELO, 2007).

Liposomen

Liposomen sind kugelförmige Teilchen, die aus ein- oder mehrschaligen Phospholipidmembranen gebildet werden und einen wäßrigen Kern umschließen. Lecithin ist die natürliche Quelle für Phospholipide (PL). Die Größe von Liposomen kann zwischen 20 nm und mehreren Mikrometern liegen. Mehrschalige Liposome sind Wirkstoffe und zugleich Wirkstoffträger. Durch die Ähnlichkeit mit den Hautzellen werden Liposomen sehr gut von der Haut aufgenommen und können in tiefere Hautschichten eindringen. Die einfachste Art Liposomen herzustellen ist das Filmverfahren. Hierbei wird ein PL-Film an einer Wand abgeschieden und durch Zugabe von Wasser hydratisiert, was zur Ablösung von Liposomen aus dem Filmverband führt. Wirkstoffe können sowohl im Inneren als auch in der PL-Doppelschicht eingelagert werden.

Die Pegylierung von Liposomen ermöglicht die „Tarnung“ der Wirkstoffliposomen in der Blutbahn und damit erhöhte Verweilzeiten.

Abb. 1 Spezifische Oberfläche von Kolloiden

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Technologische Themen

Vorträge

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Miniemulsionen

Klassische Öl-in-Wasser-Emulsionen können durch den Einsatz von Hochdruckhomogenisatoren zu Mini- oder Nanoemulsionen umgewandelt werden. Im Innenraum der Nanoemulsion befindet sich eine Ölphase. Daher können größere Mengen lipophiler Wirkstoffe eingearbeitet werden als in Liposomen. Solche Nanoemulsionen werden im Bereich der parenteralen-Fett-Ernährung eingesetzt aber auch arzneistoffhaltige Präparate sind auf dem Markt zu finden, z.B. Nanoemulsionen mit Narkotika. Die Bildung von Emulsionen aus ätherischen Ölen und deren Freisetzung im Dampfstrom ist ein aktuelles Forschungsthema. Dabei wird die Microfluidizer-Technik angewandt, um die Teilchengröße zu reduzieren.

Emulsionskonzentrate

Die Bildung von O/W-Emulsionen und nachträgliche Konzentrierung durch Abtrennen der wässrigen Phase ist ein interessanter Weg, die Wirkstoffbeladung zu erhöhen, rheologische Eigenschaften nachhaltig zu verändern und Gefahr mikrobiologischer Belastung zu erniedrigen.

Unter Einsatz von Pflanzenproteinen konnten bereits koaleszenzstabile Konzentrate hergestellt werden (KRAUSE et al, 1996).

Aktuell wird in der Arbeitsgruppe die Aufnahme und Freisetzung von Resveratrol aus konzentrierten Emulsionen untersucht, die mittels Protein stabilisiert worden sind.

Charakterisierung

Die Charakterisierung von Kolloiden erfolgt maßgeblich über die Bestimmung der Partikelgrößenverteilung. Dazu werden Lichtstreuverfahren und die Elektronenmikroskopie eingesetzt.

Neben der Präparation der Probe kommt der Bewertung der Verteilungsparameter (D10, D32, D43) besondere Bedeutung zu, um die qualitätsbestimmenden Eigenschaften ermitteln zu können, was an einigen Praxisbeispielen erläutert wird.

Literatur

de Melo, B. 2007, Diplomarbeit, TFH Berlin Krause, JP, Buchheim, W. Schwenke KD. 1996: Ultrastructure of dense-packed oil-in-water emulsions stabilized by globular proteins from faba beans, Food Hydrocolloids 10, 69-73

Abb. 2 elektronenmikroskopische Aufnahme proteinstabilisierter Emulsionskonzentrate (Pfeil markieren den Proteinfilm zwischen den Öltröpfchen)

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Themenkreis E: Technologische Themen

Poster

EP 43

Beeinflussung des Gehaltes an sekundären Inhaltsstoffen in Medizinal-pflanzen durch spezielle Gewächshauskulturführung am Beispiel Pfeffer-minze (Mentha x piperita L) und Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus L)

Effects of controlled greenhouse cultivation on content of secondary metabolites of the medicinal plants peppermint (Mentha x piperita L) and nasturtium (Tropaeolum majus L)

H. Behn1, A. Ulbrich2, B. Thiele3, J. Max1, U. Schurr1 und I. Janzik1 1Forschungszentrum Jülich, IBG-2 (Pflanzenwissenschaften), 52425 Jülich, 2Fachhochschule Osnabrück, Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur, Oldenburger Landstraße 24, 49090 Osnabrück, 3Forschungszentrum Jülich, BIOSPEC, 52425 Jülich, [email protected]

Der automatisierte Gewächshausanbau von Medizinalpflanzen wie Pfefferminze und Kapuzinerkresse bietet die Möglichkeit, durch Einstellung spezieller, kontrollierter Kulturbedingungen den Gehalt und die Zusammensetzung der Wirkstoffe gezielt zu verbessern. Die Qualität der Produkte kann somit deutlich gesteigert und auch bei mehrmaliger Ernte pro Jahr gewährleistet werden.

Der Gehalt und die Zusammensetzung sekundärer pflanzlicher Inhaltsstoffe werden von verschiedenen abiotischen und biotischen Faktoren beeinflusst. In Pfefferminze sind beispiels-weise Effekte von Temperatur, Strahlung und Photoperiodik auf die Biosynthese der Monoter-pene bekannt (CLARK and MENARY 1980, BURBOTT and LOOMIS 1967). Diese bilden den wesentlichen Anteil des ätherischen Öls von Pfefferminze, welches aufgrund seines Aromas so-wie seiner kühlenden und schmerzlindernden Wirkung breite Verwendung in der Herstellung von Lebensmitteln, Kosmetika und medizinischen Produkten findet. In Kapuzinerkresse wird der Gehalt des wirksamen Senfölglykosids Glucotropaeolin unter anderem von der Schwefel-Versor-gung sowie von Herbivoren- und Pathogenbefall beeinflusst (BIRCH et al. 1990, BLOEM 2001, HALKIER and GERSHENZON 2006). Glucotropaeolin ist für den scharfen Geschmack der Kapuzinerkresseblüten und -blätter wie auch für die Wirkung pharmazeutischer Kapuziner-kressepräparate verantwortlich. Während diese Einflussfaktoren im Freilandanbau unkontrolliert und in Kombination einwirken, kann im Gewächshausanbau jeder einzelne Faktor präzise gesteuert werden.

In dieser im Rahmen des Regionale 2010 Projektes AgroHortmed durchgeführten Studie soll der Einfluss unterschiedlicher Kulturbedingungen, darunter Wurzeltemperatur, Strahlungsbedin-gungen und Nährstoffversorgung, auf den Monoterpengehalt von Pfefferminze und den Gluco-tropaeolingehalt von Kapuzinerkresse untersucht werden. Dazu werden Pflanzen beider Arten unter entsprechenden Wachstumsbedingungen im Gewächshaus bzw. in Klimakammern ange-zogen. In definierten Entwicklungsstadien wird mittels Gaschromatographie-Massenspektrome-

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Technologische Themen

Poster

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trie (GC-MS) der Monoterpengehalt von Pfefferminze und mittels High Performance Liquid Chromatographie (HPLC) der Glucotropaeolingehalt von Kapuzinerkresse bestimmt.

Literatur

Birch, A.N.E., Griffith, D.W., MacFarlane Smith, W.H. 1990: Changes in forage and oilseed rape (Brassica napus L.) root glucosinolates in response to attack by turnip root fly (Delia floralis). J. Sci. Food Agric. 51: 309-320. Bloem E et al. (2001): The effect of sulphur and nitrogen fertilisation on the glucotropaeolin content in Tropaeolum majus (L.). In: XXXVI. Vortragstagung Gewürz- und Heilpflanzen, Deutsche Gesellschaft für Qualitätsforschung, Freising-Weihenstephan 185-190. Burbott AJ and Loomis WD (1967): Effects of Light and Temperature on the Monoterpenes of Peppermint. Plant Physiol. 42: 20-28. Clark RJ and Menary RC (1980): Environmental Effects on Peppermint (Mentha piperita L.). I. Effect of Daylength, Photon Flux Density, Night Temperature and Day Temperature on the Yield and Composition of Peppermint Oil. Aust. J. Plant Physiol., 7 (6), 685–692. Halkier BA and Gershenzon J (2006): Biology and Biochemistry of Glucosinolates. Annu. Rev. Plant Biol. 57: 303-333.

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6. Fachtagung Arznei- und Gewürzpflanzen, 19. – 22.9.2011, Berlin

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Workshop I: Frischpflanzen für Zubereitungen der Homöopathie

Organisation und Leitung: M. Melzig, F Univ. Berlin

WSI 37

Welche Arzneipflanzen hat Hahnemann benutzt?

Which medicinal plants were used by Hahnemann?

M. Keusgen

Institut für Pharmazeutische Chemie, Philipps-Universität Marburg, Marbacher Weg 6, D-35032 Marburg. E-Mail: [email protected]

Zusammenfassung:

Die klassische Homöopathie wurde vom Arzt und Apotheker Samuel Hahnemann (1755 – 1843) gegründet. Die Grundzüge seiner homöopathischen Lehre wurden erstmalig 1810 im Organon zusammengefasst. In dieser Schrift wird auch auf die verwendeten Arzneistoffe und deren Eigenschaften Bezug genommen. Die Ausgangsstoffe als solche sind aber in der Materia medica

pura (1811-1833) beschrieben. Ein weiteres wichtiges Werk ist das Apothekerlexikon von 1793. Insbesondere letzteres gibt einen guten Einblick in die Handelsqualitäten von Drogen, die damals apothekenüblich waren. Die Rückverfolgbarkeit der Ausgangsmaterialien, wie sie von Hahnemann verwendet worden sind, gestaltet sich oftmals schwierig, was unterschiedliche Gründe haben kann: Einerseits wurde die „Binäre Nomenklatur“ der Pflanzen nach Carl von Linné, wie sie heute allgemein üblich ist, gerade erst eingeführt (1758). Zum anderen waren viele ausländische Arzneipflanzen noch nicht vollständig beschrieben. Zuletzt ist auch von Bedeutung, dass die Materia medica permanent erweitert wurde und die Einführung einer neuen Droge oder Frischpflanze teilweise nur schwer rückverfolgbar ist. Diese Fragestellung wird am Beispiel der Chinarinde (Cinchonae cortex) und dem Ephedra-Kraut (Ephedrae herba) erörtert.

Abstract:

The so called ‘classic homeopathy’ was founded by the physician and pharmacist Samuel Hahnemann (1755-1843). The basic principles of homeopathy were published in 1810 in the Organon for the fist time. In this book, also the used drugs as well as their characters were mentioned. However, detailed descriptions of the homeopathic raw materials were in the Materia

medica pura (1811-1833). A further, rather important book of Hahnemann is the Apothekerlexikon from 1793. This book gives a good overview, which types and qualities of Drugs were used in pharmacies at this time. In our days it might be rather complicated to figure out the raw material, which was really used in the time of Hahnemann. There are several reasons for this: On one hand, the ‘binary nomenclature’ of Carl von Linné was just at its beginning (1758). On the other hand, medicinal plants from abroad were often not described sufficiently. Further on, the Materia medica has been continuously expanded by fresh plants and drugs and the date of introduction as well as the circumstances can be hardly reconstructed. These questions will be discussed by two examples (Cinchonae cortex and Ephedrae herba).

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Frischpflanzen für Zubereitungen der Homöopathie

Workshop

203

Ergebnisse:

Die klassische Homöopathie wurde vor nunmehr 200 Jahren vom Arzt und Apotheker Samuel Hahnemann (1755-1843) gegründet. Dabei hat Hahnemann die Grundzüge seiner homöopathischen Lehre erstmalig im Organon von 1810 zusammengefasst. Das Organon wurde seit diesem Zeitpunkt mehrfach überarbeitet, wobei die 6. Auflage erst 1921 von Richard Haehl publiziert wurde. Diese Ausgabe enthält interessanterweise zwei Vorworte und 291 Paragraphen. Hier wird auch auf die homöopathisch verwendeten Stoffe und deren Eigenschaften Bezug genommen.

Die Ausgangsmaterialien als solche sind aber in der Materia medica pura (1811-1833) genau beschrieben. Dabei wird großer Wert auf Herkunft, Gewinnung und Qualitätsmerkmale gelegt. Die Materia medica pura enthielt ca. 70 Monographien, die sich nach folgenden Stoffgebieten einteilen lassen: Chemische Elemente, Mineralien, pflanzliche Ausgangsstoffe, tierische Ausgangsstoffe, andere Materialien (z. B. Magnetismus). Bei den pflanzlichen Materialen sollte tunlichst das frische Material verwendet werden, was bei nicht einheimischen Pflanzen natürlich nicht möglich war.

Die Rekonstruktion der Verhältnisse und der Ausgangsmaterialien, wie sie zu Zeiten von Hahnemann verwendet worden sind, stößt häufig an Grenzen. Ein gutes Beispiel ist die Chinarinde (Cinchonae cortex), die sich schon vor 200 Jahren recht großer Beliebtheit erfreute. Die Pflanze als solche war jedoch nur unzureichend erforscht und die taxonomische Klassifizierung ist nicht ganz klar. Letzteres ist darauf zurückzuführen, dass Carl von Linné seine „binäre Nomenklatur“ erst 1758 eingeführt hat und diese zunächst einmal nicht allgemein anerkannt wurde. Selbst Johann Wolfgang von Goethe äußerte sich noch 1817 kritisch über die Werke von Linné („Geschichte meines botanischen Studiums“).

Abb. 1: Ausschnitt aus der Wigand’schen Drogen-sammlung an der Universität Marburg mit ursprünglich ca. 3.000 Belegen. Die Sammlung wurde in den Jahren 1846 – 1886 zusammengetragen und gibt damit einen guten Überblick über Handelsqualitäten, wie diese auch zu Beginn der Homöo-pathie im Umlauf waren.

In der Homöopathie wird heute laut Homöopathischem Arzneibuch (HAB) die rote Chinarinde verwendet. Hahnemann schreibt in seinem Apothekerlexikon von 1793, Zitat: „Man hat in neuen Zeiten zwei Sorten Rinde (gelb und rot) unterschieden, welche, wie man glaubt, von einerlei Baume kommen“. Von Linné wurde 1753 Cinchona officinalis beschrieben („Gelber Chinarindenbaum“, entspricht Cinchona calisaya), woraus abgeleitet werden kann, dass die gelbrindigen Arten zu dieser Zeit „offizinell“ waren. Aus Hahnemann’s Ausführungen kann geschlossen werden, dass mit der „Roten Rinde“ solche von Cinchona pubescens (oder

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ähnlichen Arten) gemeint ist und die „Gelbe Rinde“ wahrscheinlich von Cinchona calisaya (oder ähnlichen Arten) stammt. Bei der Beantwortung dieser Fragen können Referenzsammlungen wertvolle Dienste leisten (Abb. 1). Es kann aber nicht aus den Ausführungen geschlossen werden, dass es sich nur um Cinchona pubescens sowie deren Varietäten und Hybriden gehandelt hat. Deshalb kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob die rote Rinde auch schon vor 200 Jahren verwendet worden ist.

Im HAB wird Ephedra distachya L., 1753 in „Species Plantarum“ erstmals beschrieben, zur Herstellung von Urtinkturen verwendet. Diese Art ist auch im Mittelmeergebiet heimisch, kommt aber auch bis nach China vor. Es kann also vermutet werden, dass Hahnemann Zugang zu europäischem Material haben konnte (aber nicht musste!). Ebenso gut konnte das Material aus Asien kommen. Hier gibt es aber eine erhebliche taxonomische Unsicherheit, da beispielsweise das viel verwendete Ephedra sinica erst 1927 von Stapf beschrieben worden ist. Bei genauerer Betrachtung ist es jedoch wahrscheinlich, dass Ephedra distachya L. die „richtige“ Pflanze ist, denn sie wurde erst nach Hahnemann in die Materia medica eingeführt.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass jede Arzneipflanze einzeln geprüft werden muss, wenn es darum geht, ob sie heute in ursprünglicher Weise angewendet wird oder nicht. Oft fällt die Antwort nicht eindeutig aus.

WSI 38

Anforderungen an Frischpflanzen und daraus hergestellte homöopathische Urtinkturen aus regulatorischer Sicht

Requirements for fresh plants and homeopathic mother tinctures prepared thereof from a regulatory point of view

Ch. Busch

Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Abteilung Besondere Therapierichtungen und Traditionelle Arzneimittel, Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3, 53175 Bonn [email protected], Tel. 0228-99-307-5649

Bei der Herstellung homöopathischer Arzneimittel werden häufig Frischpflanzen verwendet. Diese müssen nach der Ernte zügig verarbeitet werden. Daher sind umfangreiche Prüfungen am Ausgangsmaterial, wie sie bei getrockneten pflanzlichen Substanzen durchgeführt werden, vielfach nicht möglich. Um die Qualität von frischem pflanzlichen Ausgangsmaterial zu ge-währleisten, kommt neben Maßnahmen der Good Agricultural and Collection Practice (GACP) den Untersuchungen an der Urtinktur auf Identität, Reinheit und - falls erforderlich - des Gehalts toxikologisch relevanter Inhaltsstoffe eine besondere Bedeutung zu. Die nationalen und europäischen Anforderungen an Frischpflanzen und daraus hergestellte homöopathische Urtinkturen sind zu berücksichtigen. Hierzu gehören u. a. die allgemeinen Monographien „Pflanzliche Drogen für homöopathische Zubereitungen“ und „Urtinkturen für homöopathische Zubereitungen“ des Europäischen Arzneibuchs sowie die individuellen Stoffmonographien für Frischpflanzen und deren Urtinkturen im Homöopathischen Arzneibuch (HAB) und dem Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.).

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Frischpflanzen für Zubereitungen der Homöopathie

Workshop

205

Abstract

For the manufacture of homeopathic medicinal products in the most cases fresh plants are used. These have to be processed immediately after harvesting. Therefore comprehensive testing on the starting material is often not possible in contrary to dried herbal drugs. In order to guarantee the quality of starting material from fresh plants besides adequate measures of Good Agricultural and Collection Practice (GACP) examinations on the mother tincture, i.e. testing for identity, purity, and if required, an assay of toxicologically relevant constituents are of particular importance. The national and European requirements for fresh herbal drugs and homeopathic mother tinctures prepared thereof should be taken into consideration. This comprises among others the general monographs “Herbal drugs for homoeopathic preparations” and “Mother tinctures for homoeopathic preparations” of the European Pharmacopoeia as well as individual monographs for fresh herbal drugs and their mother tinctures of the German Homeopathic Pharmacopoeia (GHP) and the European Pharmacopoeia (Ph. Eur.).

Für eine Vielzahl von Frischpflanzen und die daraus hergestellten homöopathischen Urtinkturen liegen im Homöopathischen Arzneibuch (HAB) und teilweise bereits im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) individuelle Monographien vor. Im Zuge der Harmonisierung der Qualitätsanforderungen werden zukünftig weitere nationale Monographien in „harmonisierter Form“ Eingang in die Ph. Eur. finden. Mit der Erstellung dieser Monographien ist die europäische Arbeitsgruppe „Homeopathic Raw Materials and Stocks Working Party“ (HOM WP) des EDQM betraut. Im Folgenden werden die bestehenden nationalen und europäischen Anforderungen an Frischpflanzen und deren Urtinkturen vorgestellt und beabsichtigten Änderungen in der Ph. Eur. gegenübergestellt.

Anforderungen an Frischpflanzenmaterial:

Die Pflanzen oder deren zu verwendende Teile sind so schnell wie möglich nach der Ernte zu

verarbeiten. In begründeten Fällen kann entsprechend der Ph. Eur. Monographie „Pflanzliche Drogen für homöopathische Zubereitungen“ das zu verarbeitende Material tief gefroren oder in

Ethanol transportiert oder gelagert werden. Daraus folgt, dass keine umfangreichen Quali-tätsprüfungen am Frischpflanzenmaterial möglich sind.

Um die Qualität von frischem pflanzlichen Ausgangsmaterial zu gewährleisten, kommt daher Maßnahmen der Good Agricultural and Collection Practice (GACP) besondere Bedeutung zu. Entsprechend der Ph. Eur. Monographie „Pflanzliche Drogen für homöopathische Zu-bereitungen“ gehören hierzu ein fachgerechtes Kultivieren, Ernten, Sammeln, Aussortieren und Zerkleinern des Pflanzenmaterials. Im HAB sind die Sammel- und Erntezeiten für die jeweiligen Pflanzenteile angegeben. Diese sind einzuhalten, sofern in der Stoffmonographie nicht anders angegeben. Die Einhaltung dieser Maßnahmen ist durch entsprechende Unterlagen, z. B. Ernteprotokolle, zu belegen. Es sind außerdem Angaben zur Herkunft (Anbau oder Wildsammlung), zum Erntezeitpunkt und zur Weiterverarbeitung erforderlich.

Allgemeine und spezielle auf das jeweilige Ausgangsmaterial bezogene Anforderungen an Frischpflanzen sind in der Ph. Eur. Monographie „Pflanzliche Drogen für homöopathische Zubereitungen“ sowie in den Stoffmonographien des HAB und der Ph. Eur. festgelegt. Hierzu gehört u. a. eine Definition des Pflanzenmaterials mit Angabe des verwendeten Pflanzenteils und des wissenschaftlichen Namens. Zur Identitätsprüfung des verwendeten Pflanzenteils enthält die Stoffmonographie zumindest eine makroskopische Beschreibung. Entsprechend der o. g. allgemeinen Ph. Eur. Monographie sind außerdem Prüfungen auf Fremde Bestandteile und ggf. auf Verfälschungen sowie unter bestimmten Voraussetzungen eine Prüfung des

Trocknungsverlusts bzw. des Wassergehalts erforderlich.

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Bei Verwendung von Frischpflanzen zur Herstellung homöopathischer Zubereitungen muss entsprechend Ph. Eur. der Anteil an fremden Bestandteilen so gering wie möglich sein. Falls erforderlich, wird der höchstzulässige Anteil an fremden Bestandteilen in der Einzelmono-graphie angegeben.

Der aktuellen Fassung der Ph. Eur. Monographie „Pflanzliche Drogen für homöopathische Zubereitungen“ zufolge ist bei Frischpflanzenmaterial keine Prüfung auf den Trocknungsverlust nach Ph. Eur. 2.2.32 erforderlich. Dagegen ist in dem Entwurf der von der HOM WP überarbeiteten o. g. Monographie eine Prüfung vorgesehen, wenn eine Frischpflanze nicht

innerhalb von 24 Stunden nach der Ernte verarbeitet wird. In diesem Fall ist in der Stoff-monographie ein unterer Grenzwert für den Trocknungsverlust anzugeben.

Entsprechend den Ph. Eur. Monographien „Pflanzliche Drogen für homöopathische

Zubereitungen“ und „Urtinkturen für homöopathische Zubereitungen“ sowie derzeitigen nationalen Regelungen ist entweder am Ausgangsmaterial oder in begründeten Fällen an der

Urtinktur eine Prüfung auf Pestizidrückstände nach Ph. Eur. 2.8.13 durchzuführen. Bei Prüfung an der Urtinktur ist sicherzustellen, dass auch für das Ausgangsmaterial die Anforderungen der Ph. Eur. an Pestizidrückstände eingehalten werden. Falls nicht allgemein anerkannte Prüfmethoden angewendet werden, müssen für diese Analysenverfahren Validierungsunterlagen vorgelegt werden. Es sind die in Ph. Eur. Tabelle 2.8.13-1 angegebenen Grenzwerte für Pestizide einzuhalten. In Deutschland kann die Vorlage von Untersuchungsergebnissen auf Pestizidrückstände entfallen, wenn mit ausführlichen Unterlagen belegt wird, dass eine Pestizidbelastung auszuschließen ist. Hierzu gehören neben Angaben (inkl. Zertifikaten) über biologischen Landbau, Lageplänen, Beschreibung von Maßnahmen zur Verhinderung von Kontamination durch ubiquitär vorkommende Quellen und retrospektiven Daten auch ausführliche Angaben zum Monitoring und Maßnahmen bei Auffälligkeiten im Rahmen des Monitorings. Entsprechend der aktuellen Monographie „Urtinkturen für homöopathische

Zubereitungen“ gilt die Prüfung auf Pestizide an der Urtinktur als erfüllt, wenn das pflanzliche Ausgangsmaterial der Prüfung entspricht.

Im aktuellen Entwurf der überarbeiteten Monographie ist jetzt ergänzt, dass die Bestimmung auf Pestizidrückstände - in begründeten Fällen - anstatt an der Pflanze an der Urtinktur durchgeführt werden kann. Dabei ist für die Festlegung der Grenzwerte außer Art und Herkunft des pflanzlichen Ausgangsmaterials der Verdünnungsfaktor für die Urtinktur und die

Nachweisgrenze der Prüfmethode mit zu berücksichtigen.

Um eine Schwermetallbelastung auszuschließen, ist eine Prüfung auf Schwermetalle erforder-lich. In Deutschland ist die Prüfung an der Urtinktur allgemein akzeptiert. Die Prüfung erfolgt entsprechend der in der Ph. Eur. unter 2.2.23 beschriebenen Atomabsorptionsspektrometrie. National sind die Anforderungen des Entwurfs der Arzneimittel-Kontaminanten-Empfehlung-Schwermetalle - vom 17.10.1991 einzuhalten. Während entsprechend der aktuellen Fassung der Ph. Eur. Monographie „Pflanzliche Drogen für homöopathische Zubereitungen“ das Risiko einer

Verunreinigung in Betracht gezogen werden muss, sind die im derzeitigen Entwurf der Monographie festgelegten Grenzwerte für Cadmium (≤ 1.0 ppm), Blei (≤ 5.0 ppm) und Quecksilber (≤ 0.1 ppm) einzuhalten. Ausnahmen hiervon sind in begründeten und zugelassenen Fällen möglich. Außerdem sind in Abhängigkeit von Art und Herkunft des pflanzlichen Ausgangsmaterials geeignete Grenzwerte für andere Schwermetalle, wie Arsen oder Nickel, festzulegen. Ebenso wie bei der Festlegung der Grenzwerte für Pestizide kann entsprechend dem jetzigen Entwurf der Monographie „Urtinkturen für homöopathische Zubereitungen“ die Schwermetallprüfung an der Urtinktur unter den dort genannten Bedingungen durchgeführt werden.

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Frischpflanzen für Zubereitungen der Homöopathie

Workshop

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Zum Ausschluss einer Kontamination mit Aflatoxinen wird in Deutschland eine entsprechende Prüfung auch für Frischpflanzenmaterial als erforderlich angesehen. Diese sollte grundsätzlich am Ausgangsmaterial erfolgen; in begründeten Fällen ist in Deutschland auch eine Untersuchung an der Urtinktur möglich. Die in § 1 der Aflatoxin-Verbotsverordnung vom 19.07.2000 festgelegten Grenzwerte sind einzuhalten. Da sich die Ph. Eur. Methode „2.8.18 Bestimmung von Aflatoxin B1 in pflanzlichen Drogen“ bisher lediglich für die dort angegebenen Pflanzen als geeignet erwiesen hat, sind für andere pflanzliche Ausgangsmaterialien bzw. daraus hergestellte Urtinkturen auch für diese Methode Validierungsunterlagen vorzulegen.

Weitere mögliche Reinheitsprüfungen sind die Prüfungen auf Asche, Bitterwert, radioaktive

Kontamination und entsprechend dem aktuellen Entwurf der Monographie „Pflanzliche Drogen für homöopathische Zubereitungen“ auch die Prüfung auf Ochratoxin A.

Anforderungen an die Urtinktur:

Entsprechend den HAB-Monographien ist für die Urtinktur mindestens eine chromato-graphische Prüfung auf Identität erforderlich. Außerdem sind Reinheitsprüfungen erforderlich. Geprüft werden die relative Dichte, der Gehalt von Methanol und 2-Propanol und der Trockenrückstand. Wenn toxische Bestandteile enthalten sind, ist entsprechend der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 06. November 2001, Anhang I, Modul 3, Teil III, Nr. 3b an der Urtinktur eine Gehaltsbestimmung durchzuführen; Grenzwerte mit Unter- und Obergrenzen sind festzulegen. Dagegen ist auf europäischer Ebene in Diskussion, ob über die o. g. Richtlinie hinaus Gehaltsbestimmungen nicht generell aus Qualitätsgründen, z.B. zum Beleg der Stabilität, zu fordern sind.

Weiterhin sind, sofern nicht bereits am Ausgangsmaterial geprüft, Untersuchungen auf Schwermetalle, Pestizide und Aflatoxine erforderlich. Die Eignung der Methode der Schwer-metallprüfung ist für die Urtinktur unter Berücksichtigung matrixspezifischer Effekte zu vali-dieren. Außerdem ist durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die mikrobiologische Qualität der homöopathischen Zubereitung, die pflanzliches Ausgangsmaterial enthält, den Empfehlungen unter Ph. Eur. 5.1.4 „Mikrobiologische Qualität pharmazeutischer Zubereitungen“ entspricht.

1 Guideline on Good Agricultural and Collection Practices for Starting Materials of Herbal Origin (EMEA/HMPC/246816/2005) 1 Bekanntmachung von Empfehlungen für Höchstmengen an Schwermetallen bei Arzneimitteln pflanzlicher und tierischer Herkunft (Arzneimittel-Kontaminanten-Empfehlung - Schwermetalle) Entwurf vom 17.10.1991 1 Aflatoxin-Verbotsverordnung (Aflatoxin VerbotsV vom 19.07.2000, Bundesgesetzblatt Jahrgang 2000, Teil I, Nr. 33 vom 25.07.2000) 1 Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 06. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 28. November 2001), geändert durch Richtlinie 2002/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 2003 (ABl. L 33 vom 08. Februar 2003), durch Richtlinie 2003/63/EG der Kommission vom 25. Juni 2003 (ABl. L 159 vom 27. Juni 2003, berichtigt in ABl. L 302 vom 20. November 2003) durch Richtlinie 2004/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 (ABl. L 136 vom 30. April 2004), durch Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 (ABl. L 136 vom 30. April 2004)

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Probleme bei der Bereitstellung von Pflanzenmaterial zur Herstellung Monographie-konformer homöopathischer Urtinkturen

P. Riedl

DHU-Arzneimittel GmbH & Co. KG, Ottostraße 24, 76227 Karlsruhe, [email protected]

In der Homöopathie kommt eine sehr große Vielfalt an pflanzlichen, mineralischen und tierischen Ausgangsmaterialien zum Einsatz. Die DHU verarbeitet mehr als 800 pflanzliche Drogen, davon ca. 70 % als Frischmaterial und 30 % in getrockneter Form. Die Bedarfsmengen sind sehr variabel, sie bewegen sich in einer Größenordnung von wenigen Kilogramm bis hin zu mehreren Tonnen eines Ausgangsstoffes.

Die Qualität der pflanzlichen Drogen wird durch Anforderungskriterien an Identität, Reinheit und Gehalt definiert. Unter „Reinheit“ wird auch die Einhaltung von Grenzwerten (Aflatoxine, Pestizide, Mikrobiologie, Schwermetalle) geprüft. Generell sind die Ph.Eur.-Monographien „Homöopathische Zubereitungen“ und „Pflanzliche Drogen für homöopathische Zubereitungen“ verbindlich. Zulässige Pflanzenarten, Ernteteile und Erntezeitpunkte werden in den jeweiligen Monographien des Europäischen sowie des Homöopathischen Arzneibuches (HAB) beschrieben. Für Materialien, die in keiner offiziellen Pharmakopöe erfasst sind, gibt es hauseigene Vorgaben.

Die Probleme bei der Bereitstellung von Pflanzenmaterial können unterschiedlichster Natur sein. An erster Stelle ist hier die generelle Verfügbarkeit eines Materials bzw. die Verfügbarkeit in geeigneter Qualität zu nennen. Zahlreiche Drogen sind zwar am Markt erhältlich, allerdings entspricht die marktübliche Qualität nicht den definierten Anforderungen für homöopathische Arzneimittel.

Des Weiteren kann das in der Beschaffung oftmals praktizierte „Spotsourcing“ problematisch sein. Kleine Bedarfsmengen und eine unregelmäßige Bedarfsentstehung erschweren eine nachhaltige Beschaffung.

Die Verwendung von Frischmaterial erfordert eine gute Transportlogistik, ggf. können die gemäß Arzneibuch zulässigen Optionen des Tiefgefrierens oder der Ethanolkonservierung angewandt werden. Der Trocknungsverlust einer Frischpflanze ist ein wesentlicher Parameter bei der Herstellung einer homöopathischen Urtinktur. Abhängig ist der Wassergehalt u. a. vom Erntezeitpunkt, dieser wird in der Monographie geregelt. Bei nicht klar definierten Erntezeitpunkten besteht das Risiko, dass es Probleme in der Reproduzierbarkeit der Qualität einer Urtinktur gibt und entsprechend monographiekonformes Pflanzenmaterial zu einer nicht monographiekonformen Urtinktur führen kann.

Die natürliche und umweltbedingte Variabilität von pflanzlichen Drogen wird immer wieder zu Schwankungen der qualitätsrelevanten Parameter einer Urtinktur führen. Selbst bei homogenen Chargen aus definiertem Ausgangsmaterial, erzielt durch kontrollierten Anbau, ist dies nicht auszuschließen.

Eine Sicherstellung der Rohstoffversorgung umfasst demnach nicht nur die Qualitätssicherung der Drogen sondern auch eine kontinuierliche Monographiearbeit.

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Frischpflanzen für Zubereitungen der Homöopathie

Workshop

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Pflanzenmaterial für die Herstellung monographie-konformer homöopa-thischer Urtinkturen – Beispiele für die `Belastung´ mit Bromid

A. Lipinski

Homöopathisches Laboratorium A. Pflüger GmbH & Co. KG, Röntgenstraße 4, 33378 Rheda-Wiedenbrück, [email protected]

Rund zwei Drittel der in der Homöopathie verwendeten Ausgangsmaterialien sind pflanzlichen Ursprungs. Es werden ganze Pflanzen oder Teile von Pflanzen frisch oder getrocknet zu Urtinkturen verarbeitet. Neben den stoffspezifischen Monographien des HAB bzw. der Ph. Eur. unterliegen sie wie alle Arzneimittel den allgemeinen Monographien der Ph. Eur., darunter der Vorschrift 2.8.13 Pestizid-Rückstände. Diese Vorschrift soll verhindern, dass Pflanzenschutzmittel in gesundheitsschädlichen Mengen in Arzneimittel gelangen. Mit dem Supplement 6.2 wurden zahlreiche Verbindungen neu aufgenommen, darunter auch anorganisches Bromid (berechnet als Bromid-Ion), für das ein Grenzwert von 50 mg / kg Pflanze vorgeschrieben ist (KABELITZ 2005). Die Aufnahme der Bromid-Bestimmung erfolgte, weil die Anwesenheit von Brom ein Indiz für eine in der EU zwar seit Jahren verbotene, aber außerhalb Europas noch erlaubte und praktizierte Begasung von Böden und Transportbehältern mit dem hoch toxischen und ozonschädigenden Methylbromid sein kann.

Ein Überschreiten des vorgeschriebenen Grenzwertes kann aber nicht zwingend als Nachweis einer Behandlung mit Methylbromid angesehen werden, da Bromid in bestimmten Pflanzenarten genuin enthalten oder auf natürliche Weise aufgenommen worden sein kann. Beispiele sind Methylbromid produzierende Pflanzen aus der Familie der Brassicaceae oder Pflanzenarten, die Bromid als anorganisches Salz aus natürlichen Vorkommen akkumulieren (FLURY 1993, GRIBBLE 2005). Eine analytische Abgrenzung natürlichen Bromids ist derzeit nicht möglich, so dass alle Befunde als Pestizidrückstände gewertet werden (ARP 2007).

Hieraus ergeben sich für die Hersteller homöopathischer Urtinkturen Probleme. Zum einen werden zahlreiche Pflanzen in kleinen Mengen über Zwischenhändler aus Übersee bezogen, so dass hierfür die Recherche bzgl. einer Begasung der Transportbehälter in der Regel ins Leere führt, auch wenn im internationalen Handel seit 2008 eine Kennzeichnungspflicht besteht. Zum anderen stammen viele Pflanzen aus Wildsammlungen aus Übersee und dem europäischen Raum, bei denen die Umgebungsbedingungen nicht überprüfbar sind. Für diese Pflanzenlieferungen entsteht somit eine Prüfpflicht, und eine Grenzwertüberschreitung führt mangels alternativer Lieferanten schnell zu Produktionsengpässen.

Bei Pflüger gab es seit Anfang 2009 bei 117 Bromidprüfungen 8 Grenzwertüberschreitungen, 87 Ergebnisse lagen zwischen 1 und 50 mg/kg und lediglich 22 unterhalb 1 mg/kg. Bei den Pflanzen mit einem unzulässigen Bromidgehalt handelt es sich überwiegend um Trocken-pflanzen aus Wildsammlungen aus dem asiatischen und amerikanischen Raum. Informationen zu den Transportbedingungen gab es nicht.

Mögliche Lösungsansätze, die diese Problematik berücksichtigen, sollten im Rahmen der Er-stellung der Homöopathie-spezifischen Arzneibuchvorschriften diskutiert werden.

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6. Fachtagung Arznei- und Gewürzpflanzen, 19. – 22.9.2011, Berlin

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Literaturverzeichnis

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WSI 41

Einfluss von Erntezeitpunkt und verwendeten Pflanzenteilen auf die Qualität von homöopathischen Urtinkturen an ausgewählten Beispielen

H. Peters

PASCOE pharmazeutische Präparate, Giessen, Schiffenberger Weg 55 [email protected]

In der Homöopathie werden zu einem wesentlichen Teil Pflanzen und Pflanzenteile in frischem oder getrocknetem Zustand zur Herstellung der entsprechenden Zubereitungen (Urtinkturen) ver-wendet. Zur Sicherung eines gleichbleibenden Qualität dieser homöopathischen Zubereitungen wird in den Einzelmonographien des Homöopathischen bzw. des Europäischen Arzneibuches unter anderem die Pflanzenart, der zu verwendende Pflanzenteil und, teilweise, der Erntezeitpunkt definiert. Bei Fehlen einer Angabe zum Erntezeitpunkt in der Einzelmonographie sind die allgemeinen Regelungen im Homöopathischen Arzneibuch Kap. H 5.2 (HAB, 2010) zu berücksichtigen.

Sämtliche dieser Festlegungen sind als Arzneibuch-Anforderungen einzuhalten und gemäß GACP-Richtlinie (EMEA, 2006) im Rahmen einer Vereinbarung zwischen Anbauer und Hersteller zu beschreiben. In der Praxis können aus verschiedenen Gründen Abweichungen von diesen Festlegungen auftreten, deren Einfluss auf die Qualität der homöopathischen Zubereitung jeweils betrachtet werden muß.

Homöopathisches Arzneibuch 2010 (HAB 2010), Amtliche Ausgabe, 2010, Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart und Govi-Verlag Pharmazeutischer Verlag GmbH Eschborn EMEA, 2006: Guideline on good agricultural and collection practice (GACP) for starting materials of herbal origin, EMEA/HMPC/246816/2005,

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Frischpflanzen für Zubereitungen der Homöopathie

Workshop

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WSI 42

Möglichkeiten zur Einhaltung der Vorgaben bezüglich Kontaminanten bei Frischpflanzen für homöopathische Zubereitungen

U. Riegert

Wala Heilmittel GmbH, Dorfstrasse 3, D-73087 Bad Boll-Eckwälden, [email protected]

Für 70 Pestizide gibt das Europäische Arzneibuch Grenzwerte vor, die auch von pflanzlichen Drogen für homöopathische Zubereitungen eingehalten werden müssen. Werden in einem Pflanzenmaterial weitere Pestizide vermutet oder nachgewiesen, so beschreibt das Europäische Arzneibuch die Vorgehensweise zur Festlegung der Grenzwerte für diese Stoffe. Des Weiteren muss die Belastung der Pflanzen mit Aflatoxinen sowie mit Schwermetallen, in erster Linie Blei, Cadmium und Quecksilber, in Betracht gezogen werden und ggf. müssen die Pflanzen darauf geprüft werden.

Eine Möglichkeit zur Sicherstellung, dass die Vorgaben bezüglich dieser Kontaminanten eingehalten werden, ist die Untersuchung jeder Erntecharge sowohl auf Pestizidrückstände als auch auf Schwermetalle und Aflatoxine. Bei der hohen Anzahl der in der Homöopathie hergestellten Zubereitungen bedeutet dies jedoch einen erheblichen Kosten- und Zeitaufwand. Zudem liegen die Ergebnisse der Untersuchungen im Normalfall erst vor, wenn die Pflanzen schon weiterverarbeitet sind, da für die Herstellung der homöopathischen Zubereitungen in der Regel Frischpflanzen verwendet werden.

In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, basierend auf einer Risikoanalyse einen Prüfplan mit reduzierter Prüfhäufigkeit auszuarbeiten, der ebenfalls sicherstellen soll, dass alle Erntechargen den oben genannten Vorgaben entsprechen.

Die Prüfung auf Aflatoxine sollte bei Risikomaterial, wie Samen, Früchten, Wurzeln und Rhizomen erfolgen, vor allem wenn das Pflanzenmaterial in getrockneter Form verwendet wird. Bei Verwendung von anderem Pflanzenmaterial, wie Blüten oder Blätter, vor allem wenn diese frisch eingesetzt werden, kann die Prüfung entfallen oder stichprobenartig erfolgen.

Stammen die zu verarbeitenden Pflanzen aus Anbau, so kann durch ein Monitoring die Einhaltung der Grenzwerte für Pestizide und Schwermetalle sichergestellt werden. Auf Schwermetalle sollten stellvertretend für eine Anbaufläche diejenigen Pflanzen geprüft werden, von denen bekannt ist, dass sie bestimmte Schwermetalle akkumulieren. Das Monitoring auf Pestizide sollte so gestaltet sein, dass bei der Auswahl der Pflanzen, die stellvertretend geprüft werden, berücksichtigt wird, dass alle Anbauflächen und alle Erntemonate erfasst werden und dass verschiedene Pflanzenteile (unterirdisch, oberirdisch) untersucht werden.

Die Möglichkeit, die Einhaltung der Vorgaben bezüglich Kontaminanten durch einen Prüfplan sicherzustellen, erlaubt somit eine deutliche Reduzierung der Anzahl an Chargen, die auf Pestizidrückstände, Schwermetalle und Aflatoxine zu prüfen sind.

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6. Fachtagung Arznei- und Gewürzpflanzen, 19. – 22.9.2011, Berlin

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Workshop II: Molekulargenetische Züchtungsmethoden für Arznei- und Gewürzpflanzen

Organisation: und Leitung: F. Marthe, Julius Kühn-Institut, Quedlinburg,

Sitzung der Gesellschaft für Pflanzenzüchtung, AG Arznei- und Gewürzpflanzen

WSII 43

Moderne molekularbiologische Züchtungsmethoden, neue Möglichkeiten für Arznei- und Gewürzpflanzen!

New molecular breeding techniques, a chance for medicinal and spice plants

F. Hartung

Julius Kühn-Institut (JKI), Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Sicherheit in der Gentechnik bei Pflanzen, Erwin-Baur-Str. 27, 06484 Quedlinburg, Germany. E-mail: [email protected]

Summary

Due to the recent development of molecular techniques dealing with sequence directed gene manipulation in combination with next generation sequencing it is for the first time possible to target specific genes or loci in a plant genome. The nuclease technology using Meganucleases, Zinc Finger or TALE nucleases makes it possible to introduce a double strand break (DSB) in a known sequence at a defined location. Depending on the used DSB repair pathway the subsequent repair leads either to point mutations, deletions/insertion or excision of the sequence. Furthermore, using homologous sequences flanking the DSB site one can replace any kind of sequence against an altered gene or a designed construct. Therefore gene targeting in plants is nowadays a possible task with feasible rates and can be used to design better adapted plants.

Zusammenfassung

Die Entwicklung von maßgeschneiderten Enzymen zum Einfügen gezielter Doppelstrangbrüche im Genom von Tieren und Pflanzen ermöglicht erstmals gezielt Gene in dem Organismus zu manipulieren. In Verbindung mit next generation sequencing Technologien und anderen modernen Analysemethoden ist es heutzutage möglich gene targeting in nennenswerter Quantität zu erzielen und nachzuweisen. Insbesondere die Nukleasetechnologie mit drei verschiedenen Systemen, Meganukleasen, Zinc Finger Nukleasen und TALE Nukleasen verspricht eine hohe Zielgenauigkeit gepaart mit großer Effizienz. Hiermit ist es möglich Gene zu verändern (Punktmutationen), auszutauschen (homologe Rekombination) oder auszuschneiden.

In den letzten Jahren wurden zahlreiche neue Technologien und Konzepte entwickelt, um das Genom von Pflanzen und Tieren in großem Umfang zu sequenzieren. Neue Sequenziermethoden und deren Optimierung haben zu einer erheblichen Senkung der Sequenzierkosten geführt, so daß heutzutage die Sequenzierung eines durchschnittlichen Genoms erschwinglich geworden ist. Die Kosten für Resequenzierungen bekannter Genome oder Transkriptome liegen bereits unter 10.000 Dollar. Durch die Sequenzierung von Nutzpflanzen ist es endlich gelungen in

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Molekulargenetische Züchtungsmethoden für Arznei- und Gewürzpflanzen

Workshop

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vermehrtem Maß die Loci quantitativer Merkmale (QTL) aufzuklären. So konnten zum Beispiel seit der Fertigstellung des Reisgenoms im Laufe der letzten 10 Jahre insgesamt 18 QTLs aufgeklärt werden, im Weizen hingegen nur einer, da er auf Grund seiner hohen Komplexität noch nicht sequenziert wurde. Weiterhin ermöglicht die Genomsequenzierung die gezielte Zuordnung von orthologen Genen für Wirkstoffe oder Resistenzen in verschiedenen Pflanzen und somit die Aufklärung ihrer evolutionären Entwicklung und Bedeutung.

Auch für die Forschung an Arznei- und Gewürzmittelpflanzen dürfte es von großem Interesse sein gezielt solche Gene, die für die Produktion bestimmter Wirkstoffe verantwortlich sind in andere effektivere Systeme zu übertragen, anders zu kombinieren oder ihre Expression in der Ursprungspflanze zu erhöhen. Hierzu ist es nicht unbedingt nötig das vollständige Genom zu sequenzieren, oftmals langt das Transkriptom, um die verantwortlichen Gene zu identifizieren und zu charakterisieren. Danach kann gezielt der Genombereich der entsprechenden Gene sequenziert werden.

Die in den letzten Jahren durchgeführte Entwicklung von maßgeschneiderten Enzymen zum Einfügen gezielter Doppelstrangbrüche im Genom von Tieren und Pflanzen ermöglicht nun erstmals gezielt Gene in dem Organismus zu manipulieren. In Verbindung mit den oben genannten next generation sequencing Technologien und anderen modernen Analysemethoden ist es heutzutage möglich gene targeting in Pflanzen in nennenswerter Quantität zu erzielen und anschließend zu analysieren. Hervorzuheben ist dabei die Nukleasetechnologie mit im Augenblick drei verschiedenen Systemen, Meganukleasen, Zinc Finger Nukleasen und TALE Nukleasen verspricht eine hohe Zielgenauigkeit gepaart mit großer Effizienz. Hiermit ist es möglich Gene zu verändern (Punktmutationen), auszutauschen (homologe Rekombination) oder auszuschneiden (Verwendung von zwei Nukleaseschnittstellen).

Meganukleasen sind im Prinzip sehr ähnlich zu Restriktionsenzymen der Bakterien, sie schneiden an einer spezifischen Sequenz und bestehen aus einem Protein, das DNA bindet und diese restringiert. Der Begriff Mega- bezieht sich dabei auf die lange Erkennungssequenz (15-25 Basen) dieser Enzyme, da eine kurze Basenabfolge zu oft im Genom von Eukaryonten vorkommen würde. Durch in vitro Selektion ist es möglich die Erkennungssequenz von Meganukleasen zu modifizieren, sie sozusagen auf andere Sequenzen zu trainieren (GRIZOT et al., 2009). Dadurch konnten heutzutage schon einige hundert verschiedene Meganukleasen hergestellt werden.

Zinc Finger Nukleasen (ZFN) und die in den letzten Jahren entwickelten TALE-Nukleasen (Transcription activator like effectors) bestehen aus zwei Komponenten, der DNA-Bindungsdomäne (ZF oder TALE) sowie einer Nuklease (meistens FOK I aus dem Flavobacterium okeanokoites). Das Prinzip der beiden Systeme ist sehr ähnlich, wobei die ZFN mit ihren einzelnen Zinc Fingern jeweils drei Basen gleichzeitig und die TALEs mit jeder Bindedomäne nur eine Base erkennen. Beide Bindedomänen können modular aufgebaut werden, bei den ZFN ist jedoch jede einzelne Bindedomäne stark kontextabhängig und muß daher erst in einem Assay vorab getestet werden. Die Bindedomänen der TALEs können, soweit es bisher bekannt ist, unabhängig von ihren jeweiligen Nachbardomänen frei kombiniert werden, was ihre Flexibilität stark erhöht. Die Gruppe von Ulla Bonas aus Halle (BOCH et al., 2009; hat dabei die jeweilige Spezifität der in einer TALE-Bindedomäne entscheidenden zwei Aminosäuren aufklären können, so daß jetzt für jede Base eine entsprechende Aminosäurekombination zur Verfügung steht. Für beide Systeme gibt es mittlerweile für die Forschung frei verfügbare Klonierungs- und Expressionsvektoren, in denen neue ZFN oder TALEs zusammengebaut werden können (SANDER et al., 2010; ZHANG et al., 2010; BOCH, 2011).

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Durch die Kombination von verschiedenen dieser neuen Technologien ist es somit erstmals möglich gezielt Gene an ihrem Genomlocus zu manipulieren oder gegen ganz neue Sequenzen auszutauschen.

Hierzu benötigt man wie bei einem Backrezept folgende Zutaten:

a) Die Kenntnis der Sequenz an dem zu verändernden Genlocus b) Eine Sequenz die man dort einbauen möchte (neues Gen, Promotor oder

z.B. ein RNAi Sequenz) c) Eine Nuklease (Mega- ZFN oder TALE) d) Ein Transformationssystem für transiente oder stabile Transformation (T-

DNA, Transposon oder nackte DNA) e) Bei Bedarf einen Resistenzmarker oder ein Reportergen (in einigen

Systemen nicht mehr nötig)

Hat man diese Informationen zusammen, kann man durch Einsatz der Nukleasetechnologie ein Gen durch Mutation stillegen (ohne Einbau neuer Sequenzen), bestimmte Bereiche eines Gens verändern (z.B. den Promotor) oder neue Sequenzen einbringen (z.B. aus einer nahe verwandten Pflanze, Cisgenesis). Die beiden letztgenannten Arbeiten erfordern den Einsatz von zum Genlocus homologen Sequenzen, um die neue Sequenz zielgerichtet einbauen zu können (siehe Abb. 1).

Abbildung 1. Zielgerichtete Integration eine neuen Sequenz an einem bekannten Genlocus.

Durch die Expression zweier TALE-Nukleasen (TALEN 1 und 2) wird in einem Genlocus ein Doppelstrangbruch induziert (DSB). Dieser wird über die mit dem Konstrukt eingebrachten homologen Sequenzen (hom 1 und 2) zum Teil mittels homologer Rekombination repariert. Hierdurch wird die zwischen den homologen Sequenzen liegende "sequence of interest" (SOI) in den Genomlocus eingebaut und es ergibt sich ein veränderter Locus.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß es mit den neuen Technologien möglich ist durch Sequenzierung von Wildtypen züchterisch interessante Loci zu ermitteln und diese in Kulturpflanzen einzukreuzen (Smart Breeding). Darüber hinaus ist es durch Einsatz von Nukleasetechnologien erstmals möglich an einem bekannten Genlocus in einer Pflanze nahezu

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Molekulargenetische Züchtungsmethoden für Arznei- und Gewürzpflanzen

Workshop

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jede beliebige Veränderung vorzunehmen. Hierdurch können bekannte gewünschte Eigenschaften innerhalb von Arten oder über Artgrenzen hinweg völlig neu kombiniert werden.

Literatur

Boch, J. 2011: TALEs of genome targeting. Nature 29(2), 135-36. Boch, J. et al., 2009: Breaking the Code of DNA binding specificity of TAL-type III effectors. Science 326, 1509-12. Grizot, S. et al., 2009: Efficient targeting of a SCID gene by an engineered single-chain homing endonuclease. Nucleic Acids Res 37(16), 5405-19. Sander, J.D. et al., 2011: Selection-free zinc-finger-nuclease engineering by context-dependent assembly (CoDA). Nat Methods 8(1), 67-69. Zhang, F. et al., 2011: Efficient construction of sequence-specific TAL effectors for modulating mammalian transcription. Nat Biotechnology 29(2), 149-54.

WSII 44

„Next generation sequencing“ in der Züchtung von Arznei- und Gewürzpflanzen

J. Novak

Institut für Angewandte Botanik und Pharmakognosie, Veterinärmedizinische Universität Wien, Veterinärplatz 1, A-1210 Wien, e-mail: [email protected]

DNA-basierende molekulare Marker und andere DNA-basierende Technologien haben die Pflanzenzüchtung revolutioniert. Diese Methoden beruhen auf zwei technologischen Meilensteinen, einerseits der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) und andererseits der Bestimmung der Abfolge der Basenpaare, der DNA-Sequenzierung.

Zur DNA-Sequenzierung wurde bisher die Sanger-Sequenzierung eingesetzt. In den letzten Jahren wurden aber vollkommen neue, unterschiedliche Technologien entwickelt, die es ermöglichen, in einem Lauf eine enorme Fülle an DNA-Information zu generieren. Auch die Kostenstruktur der Sequenzierung hat sich damit vollständig gewandelt, wobei die Kostendegression gerechnet pro Base mehrere Größenordnungen umfasst. Diese Technologien werden unter dem Begriff „Next-generation sequencing“ (NGS, „Sequenzierung der zweiten Generation“ oder Hochdurchsatzsequenzierung) zusammengefasst. Von den unterschiedlichen technologischen Plattformen haben sich vor allem die 454-Pyrosequenzierung (Roche Diagnostics), das Solexa/Illumina-System und das SOLiD-System (Applied Biosystems) durchgesetzt. Daneben gibt es noch eine Reihe anderer Technologien und weitere neue Ansätze der Hochdurchsatzsequenzierung sind in Entwicklung, die nochmals eine deutliche Steigerung des Durchsatzes und Reduktion der Kosten versprechen.

Derzeit werden NGS-Systeme bereits in der Züchtung sehr erfolgreich eingesetzt. Die Kosten pro Durchgang erscheinen zwar sehr hoch, aber es gibt Möglichkeiten, mehrere Genotypen in einem Lauf zu sequenzieren, indem man ihnen eine kleine DNA-Erkennungssequenz („Barcoding“) anhängt.

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Resequenzierung und de-novo Sequenzierung, Transkriptomanalysen

Der Nachteil der NGS ist in den kurzen Leselängen zwischen und 100 und 400 bp, während die Sanger-Sequenzierung im Mittel bis zu 1000 bp lange DNA-Stücke sequenzieren kann. Daher ist die korrekte Assemblierung der Stücke bei NGS sehr schwierig und wesentlich durch eine existierende Sequenzvorlage (Referenzsequenz) erleichtert. In diesem Falle spricht man von einer Resequenzierung.

Bei Arznei- und Gewürzpflanzen haben wir das Problem, dass derartige Referenzgenome nicht zur Verfügung stehen. Es ist aber auch eine de-novo Sequenzierung mit NGS im wesentlich größeren Ausmaß möglich, als man zu Beginn vermutet hatte. Generell ist die Fehlerhäufigkeit der NGS wesentlich höher als bei der Sanger-Sequenzierung. Dadurch, dass aber eine Sequenz sehr häufig wiederholt sequenziert wird, hängt es von der „Sequenztiefe“ (der Anzahl der Wiederholungen der Sequenz) ab, wie gut man Sequenzierfehler eliminieren kann.

Vorwiegend wird die Re- oder die de-novo Sequenzierung heute dazu eingesetzt, die Genexpression, das Transkriptom zu charakterisieren, wobei sich diese Analysen auch quantitativ auswerten lassen. Das wäre auch gerade für Arznei- und Gewürzpflanzen von besonderem Interesse, da man dadurch die Gene der Biosynthese der Sekundärstoffe erfassen würde und durch Sequenzhomologien zu bereits identifizierten Genen deren Funktion bestimmen könnte.

Molekulare Marker, markerunterstützte Selektion

Der momentan hauptsächliche Vorteil der NGS für die Züchtung liegt im enormen Potential der Markerentwicklung vor allem von Einzelnukleotidpolymorphismen („single nucleotide polymorphisms“, SNPs). So wurden beispielsweise bei Eucalyptus grandis mehrere Genotypen mit dem 454/Roche System sequenziert. In den 148 Mbp, die man in einem Durchgang erhalten hatte, wurden 23 742 SNPs entdeckt (Novaes et al., 2008).

Wenn ein molekularer Marker mit dem gewünschten Merkmal korreliert auftritt, dann kann er für die Selektion auf das gewünschte Merkmal direkt eingesetzt werden („markerunterstüzte Selektion“). Dies ist bei Arznei- und Gewürzpflanzen bisher noch sehr selten der Fall, hat sich aber in der Züchtung sehr bewährt, um Entwicklungszeit und Kosten zu sparen.

In Verbindung mit der Sequenzierung ganzer Transkriptome und den identifizierten Polymorphismen in den Genen kommt es derzeit zu einer Verschiebung von molekularen Markern, die über das Genom verstreut liegen, hin zu funktionellen Markern, also molekularen Markern, die sich direkt im Gen befinden („genic molecular markers“, GMM), von denen manche zur markergestützten Selektion eingesetzt werden können.

Insgesamt reicht das Einfluss der NGS in der Pflanzenzüchtung weit über die genannten Beispiele hinaus. NGS wird bereits etwa häufig für Genetische Kartierungen, Metagenomik und Epigenetik eingesetzt, also in Bereichen, in denen es für Arznei- und Gewürzpflanzen im Moment noch keine Anwendungsbeispiele gibt. Die Kosten der NGS werden in kurzer Zeit nochmals dramatisch fallen, wobei das realistische Ziel bei einigen hundert Euro pro Genom liegt. Damit wird NGS nicht nur eine Technik der Züchtung von Hauptkulturen sein, sondern auch den Arznei- und Gewürzpflanzen leicht zugänglich werden.

Literatur

Novaes, E., Drost, D.R., Farmerie, W.G., Pappas Jr., G.J., Grattapaglia, D., Sederoff, R.R., Kirst, M. 2008: High throughput gene and SNP discovery in Eucalyptus grandis, an uncharacterized genome. BMC Genomics 9: 312.

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Molekulargenetische Züchtungsmethoden für Arznei- und Gewürzpflanzen

Workshop

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Varshney, R.K., Nayak, S.N., May, G.C., Jackson, S.A. 2009: Next-generation sequencing technologies and their implications for crop genetics and breeding. Trends in Biotechnology 27: 522-530.

WSII 45

Charakterisierung der intraspezifischen Variabilität bei Petersilie mittels molekularer Marker sowie klassischer und nicht-zielgerichteter Bestimmung flüchtiger Inhaltsstoffe

Characterization of the intraspecific variability in parsley using molecular markers as well as classical and non-targeted determination of volatile metabolites

H. Budahn1, T. Bruchmüller1, D. Ulrich2, H. Krüger2, U. Lohwasser3 und F. Marthe1

1 Institut für Züchtungsforschung an gartenbaulichen Kulturen und Obst (ZGO-Q) und 2 Institut für ökologische Chemie, Pflanzenanalytik und Vorratsschutz (ÖPV) des Julius Kühn-Institutes (JKI) - Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Erwin-Baur-Str. 27, D-06484 Quedlinburg, 3 Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK), Corrensstr. 3, D-06466 Gatersleben, [email protected]

Abstract

The complete assortment of parsley (Petroselinum crispum) accessions (200) of the IPK gene bank and 19 genotypes from the JKI were grown in parallel in Gatersleben and in Quedlinburg. They were characterized morphologically as well as for resistance traits, aromatic components, taste, and flavour. All genotypes were characterized with 206 molecular markers. The 1/0 matrix was used for distance analysis showing clear separation into two main groups. All crisped-leafed types were found in the larger subgroup, whereas the smaller one includes all root-types. Leaf-types were dispersed over both subgroups. Separation into the same two subgroups was found after PCA of the holistic analysis of volatile substances. Combining both results the subgroups according molecular analysis and chemotypes were identical with the exception of only 8 genotypes. Good correlation has been found between genetic distances and content of different oil components.

Einleitung

Die Petersilie (Petroselinum crispum (Mill.) Nym.) ist eine Kulturpflanze, die eine sehr lange Anbaugeschichte aufweist. In der Antike wurde sie vor allem als Heilpflanze und zu kultischen Zwecken genutzt. Die harntreibende Wirkung der Petersilie wird auch heute noch in der Natur-heilkunde geschätzt. Allerdings steht mittlerweile die Nutzung als Gewürz in der Nahrungs-mittelzubereitung klar im Vordergrund. Petersilie hat mit 1700 ha die größte Anbaufläche aller Gewürzpflanzen in Deutschland. Das Weltsortiment Petersilie der Genbank des IPK, Gatersle-ben wurde erstmalig einer genetischen Distanzanalyse unterzogen. Gleichzeitig wurden die Kon-zentrationen wichtiger flüchtiger Inhaltsstoffe durch Hydrodestillation bestimmt und die Gesam-theit der flüchtigen Inhaltsstoffe in einem holistischen Ansatz, einer sogenannten nicht-zielge-richteten Analytik erfasst. Diese Ausgangsdaten werden für erste Assoziationsstudien zwischen molekularen Markern und Merkmalen genutzt.

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Material und Methoden

Das Weltsortiment der Bundeszentralen ex situ-Genbank des IPK, Gatersleben (200 Akzessio-nen) und weitere 19 Herkünfte des JKI, Quedlinburg wurden an den Standorten Quedlinburg und Gatersleben angebaut und morphologische sowie Resistenzmerkmale mehrmals in der Vegeta-tionszeit erfasst.

Die DNA-Isolation erfolgte aus Mischproben der Genotypen nach einer leicht variierten Methode von POREBSKI et al. (1997). Die RAPD-Analyse folgte entsprechend dem Protokoll von WILLIAMS et al. (1990), jedoch wurden die Amplifikationsprodukte auf PAAGE-Gelen (Sequigene GT, BIO-RAD, 38 x 50 cm) aufgetrennt. Die Banden wurden durch Silberfärbung nach BASSAM et al. (1991) sichtbar gemacht. Für die Doppel-Primer (dp) RAPD-Technik wurde jeweils ein unmarkierter und ein fluoreszenzmarkierter Decamer-Primer kombiniert und nach Amplifikation mittels RAPD-Protokoll, die Produkte mit dem ABI 310 Genetic Analyzer (Applied Biosystems) aufgetrennt und detektiert (BUDAHN et al. 2008). SRAP-Marker wurden gemäß LI und QUIROS (2001) analysiert. Die Amplifikation der AFLP-Fragmente erfolgte nach dem Protokoll von VOS et al. (1995) und deren Auftrennung und Detektion mittels LICOR 4300S. Die erhaltene 1/0-Matrix wurde mit dem Programm PAUP im Neighbor joining-Modus (NEI und LI 1979) verrechnet.

Abb. 1: Dendrogramm der Distanzanalyse von 219 Akzessionen der Petersilien (Petroselinum

crispum) basierend auf 206 molekularen Markern

Für die Bestimmung der flüchtigen Inhaltstoffe wurde ein holistischer Ansatz gewählt. Blattma-terial wurde homogenisiert, enzyminhibiert und einer HS-SPME (automated headspace solid

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Molekulargenetische Züchtungsmethoden für Arznei- und Gewürzpflanzen

Workshop

219

phase microextraction) unterzogen. Die an einer 100 µm Polydimethylsiloxane-Faser (Supelco, Bellefonte, PA, USA) absorbierten flüchtigen Substanzen wurden mittels Gaschromatographie (GC Agilent Technologies 6890) aufgetrennt. Alle erhaltenen Peaks über einem Schwellenwert wurden anschließend einer Mustererkennung unterzogen und die erhaltenen Daten mittels Principal Component Analysis (PCA) visualisiert (ULRICH et al. 2003). Parallele GC/MS-Läufe mit definierten Substanzen dienten der Identifikation ausgewählter Peaks.

Zur quantitativen Bestimmung wertbestimmender Inhaltsstoffe wurde das ätherische Öl durch Destillation gewonnen und anschließend mittels Gaschromatographie aufgetrennt.

Ergebnisse und Diskussion

Die 219 zu untersuchenden Akzessionen wurden in Quedlinburg und Gatersleben angebaut. Die Blattpetersilien-Typen (Convarietät crispum) wurden nach ihrem Habitus den Varietäten vulgare (glattblättrige Formen), neapolitanicum (glattblättrige Formen mit verlängerten Petiolen) und crispum (krausblättrige Formen) zugeordnet und von der Convarietät radicosum (Wurzelpeter-silien-Typen) unterschieden.

Alle 219 Akzessionen wurden mit 206 Markern (22 RAPD-, 66 dpRAPD-, 53 SRAP- und 65 AFLP-Marker) untersucht. Nach Analyse der 1/0-Matrix mit dem Programm PAUP ergaben sich zwei sehr klar unterschiedene Hauptgruppen von 132 bzw. 87 Akzessionen (Abbildung 1).

Alle krausblättrigen Petersilien-Typen waren der größeren Hauptgruppe (HG 1) zugeordnet und untereinander stark geclustert, alle Wurzelpetersilien-Typen fanden sich in der kleineren Haupt-gruppe (HG 2) wieder. Die restlichen Blattpetersilien-Akzessionen (sowohl der Varietät vulgare, als auch der Varietät neapolitanicum) waren über beide Hauptgruppen verteilt.

Die Gesamtheit der flüchtigen Inhaltsstoffe, insgesamt 133 Peaks, wurde für alle Akzessionen erfasst und die Daten mittels PCA verrechnet. Dabei ergaben sich gleichfalls genau zwei Haupt-gruppen (Chemotypen). Beim Vergleich der molekularen Gruppierung und der Gruppierung nach Chemotypen ergab sich eine sehr hohe Übereinstimmung. Nur 8 Akzessionen wurden durch die beiden völlig unabhängigen Bestimmungen nicht übereinstimmend gruppiert. Der Grad an genetischen Unterschieden wird also sehr gut vom Spektrum an flüchtigen Inhalts-stoffen wiedergespiegelt.

Schließlich wurden der Gesamtgehalt und 11 Einzelkomponenten des ätherischen Blattöls in den 219 Akzessionen quantifiziert. Insbesondere bei Myrcen und β-Phellandren konnte eine klare Korrelation mit der genetischen Distanz festgestellt werden. Der β-Phellandren-Anteil am jewei-ligen Gesamtgehalt des ätherischen Öls war in der HG 1 im Durchschnitt doppelt so hoch wie in HG 2. Dagegen ist der durchschnittliche Myrcen-Gehalt der Akzessionen in der HG 2 2,3-mal so hoch wie in der HG 1. Auf diesen Ergebnissen aufbauende Assoziationsstudien von individu-ellen molekularen Markern und Merkmalen sollen die Grundlage für eine markergestützte Selek-tion bei der Petersilie schaffen.

Literatur

Bassam, B.J., Caetano-Anolles, G., Gresshoff, P.M. 1991: Fast and sensitive silver staining of DNA in polyacrylamide gels. Appl Biochem Biotechnol 42:181-188

Budahn, H., Schrader, O., Peterka, H. 2008: Development of a complete set of disomic rape-radish chromosome addition lines. Euphytica 162: 117-128

Li, G., Quiros, C.F. 2001: Sequence-related amplified polymorphism (SRAP), a new marker system on a simple PCR reaction: its application to mapping and gene tagging in Brassica. Theor Appl Genet 103: 455-461

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Nei, M., Li, W.H. 1979: Mathematical model for studying genetic variations in terms of restriction endonucleases. Proc Natl Acad Sci USA 76: 5269-5273

Porebski, S., Bailey, G., Baum, B.R. 1997: Modification of a CTAB DNA extraction protocol for plants containing high polysaccharide and polyphenol components. Plant Mol Biol Rep 15: 8-15

Ulrich, D., Nothnagel, T., Hoberg, E., Straka, P. 2003: Analysis of aroma types by rapid GC methods in carrot breeding research. In (Eds.) Le Quere, J.L. Etievant, P.X.: Flavour Research at the Dawn of the Twenty-first Century. Lavoisier, London-Paris-New York, 440-444

Vos, P., Bleeker, M., Reijans, M., van de Lee, T., Hornes, M., Frijters, A., Pot, J., Kuiper, M., Zabeau, M. 1995: AFLP: a new technique for DNA fingerprinting. Nucl Acids Res 21: 4407-4414

Williams, J.G.K., Kubelik, A.R., Livak, K.J., Rafalski, J.A., Tingey, S.V. 1990: DNA polymorphisms amplified by arbitrary primers are useful as genetic markers. Nucl Acids Res 18: 6531-6535

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Arzneipflanzen der Traditionellen Chinesischen Medizin

Workshop

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Workshop III: Arzneipflanzen der Traditionellen Chinesischen Medizin

Organisation und Leitung: H. Heuberger, Landesanstalt für Landwirtschaft, Freising

WSIII 46

Zubereitungen aus Heilpflanzen der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) – Chancen und Herausforderungen aus Sicht der Akteure bei Entwicklung, Registrierung und Anwendung

Gemeinsamer Abstract der Impulsvorträge zum TCM-Workshop

H. Heuberger1, A. Behrendt2, K. Reh3, A. Wiebrecht4, H. Sievers5 und R. Seidenberger1 1 Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung, Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), Vöttin-ger Str. 38, 85354 Freising, [email protected]; rebecca.seidenberger@LfL. bayern.de, 2 Praxis für Traditionelle Chinesische Medizin und Psychotonik, Wilhelmsaue 10, 10715 Berlin, [email protected], 3 Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-produkte, Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3, 53175 Bonn, [email protected], 4 Centrum für Therapiesicherheit in der Chinesischen Arzneitherapie (CTCA), Bundesallee 141, 12161 Berlin, [email protected], 5 PhytoLab GmbH & Co. KG, Dutendorfer Str. 5 – 7, 91487 Vestenbergsgreuth, [email protected]

In den letzten Jahrzehnten wurde die Traditionelle Chinesische Arzneitherapie auch in Europa zunehmend populär. Das wachsende Interesse von Konsumenten und Patienten an alternativen Heilmethoden und –mitteln geht dabei mit einem ebenso wachsenden Interesse von Pharmazie und Medizin an diesen Produkten einher.

Die klassische und traditionelle Form der Zubereitung ist die Dekoktierung durch den Patienten aus individuell verordneten Kräutermischungen. Gebrauchsfertig angebotene Zubereitungen aus Chinesischen Heilpflanzen würden in bestimmten Lebenssituationen oder Therapiebereichen für Patienten und Ärzte eine Erweiterung der Anwendungsmöglichkeiten darstellen. Bereits gängige Praxis ist die Dekoktierung in Apotheken und die Zusammenstellung von Granulatmischungen auf der Grundlage der individuellen ärztlichen Rezepturen. Letztere weichen in der Herstellung mehr oder weniger ab, ermöglichen jedoch eine einfachere Anwendung für die Patienten. Eine weitere Vereinfachung wäre die Nutzung von fertigen Zubereitungen in Form von Granulaten, Tabletten oder Kapseln. Dieser Schritt würde aber auch die Ablösung von der individualisierten Therapie bedeuten und die therapeutisch gewollte intensive Beschäftigung des Patienten mit seinem Heilmittel, wie es beim Abkochen der Heilpflanzen geschieht. Ebenso stellt sich die Frage nach veränderter Wirksamkeit und möglichen Anwendungsgebieten.

Die Tatsache, dass das Europäische Arzneibuch mittlerweile mehrere Monographien zu chinesischen Drogen enthält und zahlreiche weitere TCM-Monographien in Vorbereitung sind, dokumentiert unabhängig von vielen offenen Fragen zum Verkehrsstatus entsprechender Produkte deren faktische Präsenz auf dem europäischen Markt. Vermehrt wird daher diskutiert, ob pflanzlichen Arzneimitteln der TCM auch der Marktzugang über eine Registrierung als Traditional Herbal Medicinal Product (THMP) offen steht. Obwohl die THMP-Direktive

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natürlich keine Ausschlusskriterien für TCM enthält, ist die Frage nicht ohne weiteres mit „Ja“ zu beantworten. Pflanzliche Arzneimittel der TCM enthalten in aller Regel eine Mehrzahl von wirksamen Komponenten. Dabei handelt es sich nicht um polypragmatische Kombinationen, wie dies bei vielen Traditionellen Europäischen AM der Fall ist, sondern jedem wirksamen Bestandteil kommt im Wirkgeschehen eine bestimmte Rolle zu. Minusvarianten, wie sie die THMPD – etwa zur Erzielung einer besseren Verträglichkeit (verbleibende Plausibilität der Wirksamkeit vorausgesetzt) - vorsieht, sind also für TCM-Arzneimittel nicht einfach zu rechtfertigen. Ein weiterer Faktor ist das von der westlichen Medizin (auch der traditionellen) gänzlich verschiedene pathogenetische und diagnostische Konzept. Dies wirft nicht zuletzt auch die Frage auf, ob TCM-Arzneimittel für eine Selbstmedikation im europäischen Umfeld geeignet sind.

Wichtige Voraussetzungen für die Registrierung als THMP ist der Nachweis, dass das Produkt, d.h. die Rezeptur für die Dauer von mindestens 30 Jahren, davon mindestens 15 Jahre in der EU, angewendet wurde. Es gibt verschiedene Grundrezepturen, die in der klinischen Praxis entsprechend der individuellen Diagnose abgewandelt und nur in seltenen Fällen langfristig dokumentiert werden. Daher wird der übliche Traditionsbeleg für eine genaue Rezeptur nur schwer zu führen sein.

Für eine wachsende Zahl Chinesischer Heilpflanzen werden Untersuchungen zur Wirksamkeit veröffentlicht. Daher kann alternativ über die traditionelle Verwendung hinaus ein TCM-Arzneimittel mit nachgewiesener Wirkung entwickelt werden. Eine Zulassung auf der Basis des „Well Established Use“ (WEU) ist in fast allen Fällen nicht möglich, da es an der Eingangsvoraussetzung, einer seit mindestens zehn Jahren bestehenden Zulassung in der EU, mangelt. Damit steigt der Aufwand die Dossiers für die Zulassung zu erstellen, insbesondere da umfangreichere klinische Studien notwendig werden. Bei deren Durchführung ist wegen der speziellen Therapieform der TCM ein großes Augenmerk auf das Studiendesign zu legen.

Für die Registrierung oder Zulassung eines Arzneimittels sind pharmakologische und toxikologische Daten erforderlich. Für einen Großteil der gebräuchlichen Drogen liegen LD50-Werte, in-vivo- und pharmakologische Daten vor, sowohl in internationalen als auch in chinesischen Zeitschriften, in letzteren auch zunehmend englischsprachig. Allerdings sind Untersuchungen zur Mutagenität und Kanzerogenität noch recht unvollständig.

Unabhängig von der Form der Zubereitung werden getrocknete Chinesische Heilkräuter in verlässlicher und hoher Qualität benötigt. Ein kontrollierter, dokumentierter Anbau oder kontrollierte Wildsammlung sind dazu unerlässlich. Um Heilpflanzen der Traditionellen Chinesischen Medizin unter kontrollierten Bedingungen in Deutschland anbauen zu können, beschäftigt sich die LfL seit 1999 mit der systematischen Anbauforschung von 18 ausgewählten Arten. Seit 2004 werden sechs dieser Chinesische Heilpflanzenarten züchterisch bearbeitet. Neben der Bestimmung der Identität und pharmazeutischen Qualität hat die Forschung zum Ziel, die vorhandenen Saatgutherkünfte im Hinblick auf Ertrag, Homogenität und Drogenqualität zu verbessern. Aktuell werden 10 Arten der chinesischen Heilpflanzen in Mittelfranken und Oberbayern großflächig angebaut, für weitere stehen Kulturempfehlungen zur Verfügung. Durch den züchterischen Erfolg sowie den kontrollierten und dokumentierten Anbau stehen homogene Rohdrogen mit einer hohen pharmazeutischen und sensorischen Qualität zur weiteren Nutzung durch Händler, Apotheker, TCM-Ärzte und als Ausgangsstoff für Fertigpräparate zur Verfügung.

Die Impulsvorträge der Autoren greifen diese Fragen auf und stellen diese, sowie mögliche Lösungsansätze zur Diskussion.

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Autorenverzeichnis

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Verzeichnis der Autoren

M. Ali 64 S. Ali 143 J. Asbach 32 I. Barfuss 191 C. Baroffio 116, 152 U. Bauermann 36 H. Behn 200 A. Behrendt 221 E. Bergmann 168 T. Beuerle 65 A. Biertümpfel 149, 154 W.D. Blüthner 93 M. Böhme 140 M. Böhner 191 P. Borgmann 83 A. Börner 86 A. Brattström 21 T. Bruchmüller 217 H.J. Buckenhüskes 185 H. Budahn 217 Ch. Busch 204 B. Büter 55 J.M. Cabezas Lacayo 49 C. Camps 61 R. Carle 188 Ch. Carlen 61, 116, 117, 151, 152, 164 C.A. Carron 116, 151, 152 F. Casetti 51 X. Castillo Altamirano 49 A. Chaanin 55 W. Claupein 160, 179 L. Cramer 65 Ch. Crocoll 32 A. Dammann 194 J. Degenhardt 32 W. Dercks 123 P. Doernfeld 103 S.M. Duckstein 39 B. Ehlers 42 F. Eickmeyer 133 A. Fiedler 67 M. Fischer 133 B. Frank 133 N. Friesen 83 A.-M. Gäde 112 U. Gärber 129 A. Ghalavand 158, 163

N. Ghassemi – Dehkordi 45 M. Gierus 67 K.-H. Goos 108 G. Gorr 182 M. Goßmann 153 T. Graf 149, 154 S. Gruber 179 G. Gudi 70 G. Hagedorn 129 H. Hagels 156, 178 H.-J. Hannig 110 F. Hartung 212 H. Heckenmüller 182 A. Heindl 191 W. Heller 164 Ch. Hellmann 153 L.L. Hernández Somarriba 27 I. Herr 18 H. Heuberger 90, 103, 114, 221 G. Heubl 90, 114 J. Hölzl 45 Th. Homann 64, 42, 73, 88, 153 B. Honermeier 58, 103, 143, 171 F. Huber 133 A. Hurtienne 73 S. Janke 58 I. Janzik 200 J. Jedelská-Keusgen 47 W. Junghanns 93 A. Kaiser 188 D.R. Kammerer 188 U. Kästner 93, 105 M. Keusgen 47, 202 S. Khalesro 158, 163 M. Khalil 64, 73 J. Kittler 93, 105 M. Knödler 62, 77 N. Koczka 74 K. Kraft 15 A. Kranvogel 100 J.-P. Krause 64, 197 S. Krause 32 H. Krüger 93, 194, 217 M. Krusche 132, 159, 168 H.-P. Kruse 64 Th. Kühne 174 S.E. Kulling 88

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M. Kumpugdee-Vollrath 197 J. Kusterer 47 A. Kusterer 132 H. Lambev 118 H. Lange 194 U. Lindequist 42 A. Lipinski 209 U. Lohwasser 86, 93, 217 P. Lorenz 25, 62, 77 F. Marthe 1, 70, 93, 105, 217 B. Matthäus 49 J. Max 200 M.F. Melzig 42 I. Merfort 133 U. Meyer 25, 62, 77 M. Michaelsen 123 B. Mikus-Plescher 108, 110 J. Müller 191 M. Müller 90 U. Müller 27, 49, 194 M. Neuber 123 J. Novak 80, 215 V. Oehr 160 S. Oevermann 83 S. Pacheco 49 M. Packenius 163 H. Peters 210 I. Pinker 112, 140, 146, 153 A. Plescher 11, 97, 108, 110, 121, 129, 137, 165, 175 Ch. Proll 133 M. Quennoz 61, 117 J. Raila 73 H. Rawel 64, 73, 88 K. Reh 221 I. Reichardt 159 P. Riedl 208 U. Riegert 211 R. Rinder 114 M.M. Rossinelli 116 A. Salehi 158, 163 M. Sandalj 160 Ch.M. Schempp 31, 51 R. Schenk 73, 112, 146, 153 J. Schimmel 32 R. Schmatz 159 O. Schmidt 100 Z. Schmidt 160 Ch. Schreier 133 H. Schulz 53, 67, 70

M. Schulz 62 U. Schurr 200 K. Schütte 182 W. Schütze 67, 70, 93 M. Schwarz 58 K. Schwarzer 194 F. J. Schweigert 73 S. Seefelder 90 F. Sefidkon 158, 163 R. Seidenberger 90, 221 H. Sievers 221 S. Sigg 164 X. Simonnet 61, 117, 164 M. Sonnenschein 97, 165 A. Sportes 164 M. Stähler 168 S. Stanev 118 E. Stefanovits-Banyai 74 F.C. Stintzing 25, 39, 62, 77 F. Stockmann 160, 179 Y.-H. Sung 171 K. Taubenrauch 173 M. Tegtmeier 165 B. Thiele 200 R. Thomann 36 S. Thust 108 R. Todorova 118 M. Toussirot 61 A. Ulbrich 200 D. Ulrich 217 P.U. Unschuld 13 M.E. Vargas Zambrana 27 J. Vouillamoz 116, 152 S. Wahl 137, 175 A. Wähling 51 A. Wiebrecht 221 H. Witte 123 T. Wolf 156, 178 U. Wölfle 51 F. Yan 58 S. Zachgo 83 S. Zeller 58 X. Zhao 160 S. Zikeli 160, 179

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Deutscher Fachausschuß für Arznei-, Gewürz- und Aromapfl anzen

6. Fachtagung Arznei- und Gewürzpfl anzenVI. Conference on Medicinal and Aromatic Plants

Berlin · 19. - 22. September 2011

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