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Grimm | Heinrich | Malanowski | Pfirrmann | Schindler | Stahl-Rolf | Zweck Nomos Nanotechnologie: Innovationsmotor für den Standort Deutschland

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Grimm | Heinrich | Malanowski | Pfirrmann | Schindler | Stahl-Rolf | Zweck

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Nanotechnologie: Innovationsmotor für den Standort Deutschland

ISBN 978-3-8329-6609-6

Mit Nanotechnologie kann die Leistung und Funktion von Produkten und Anwendungen deutlich erhöht werden. Technikentwicklung, so ist das Verständnis dieser Studie, findet im Bereich Nano-technologie nicht isoliert in Forschungsstätten und Entwicklungslaboren statt, sondern bezieht das Innovationsumfeld mit ein. Die Nutzung der Nanotechnologie für Gesellschaft, Umwelt und Wirt-schaft steht international und auch in Deutschland allerdings noch am Anfang. Es gibt bereits nützliche Produkte auf dem Markt, wie zum Beispiel Nanomembranen für die Dialyse, doch die Markteinführung vieler Nanotechnologie-basierter Produkte steht erst in den nächsten drei bis zehn Jahren bevor. Zu erwarten sind verbesserte Solaranlagen, stabilere Windräder oder auch Biochips für eine präzisere medizinische Diagnose. Um diese Innovationen zum Vorteil für den Standort Deutschland nutzen zu können, bedarf es einer vertieften gesellschaftlichen Abstimmung. Dazu können zum Beispiel auch so genannte runde Tische dienen, insbesondere wenn es darum geht, die Chancen und Risiken von nanotechnologischen Anwendungen sachlich abzuwägen.

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Nanotechnologie: Innovationsmotor für den Standort Deutschland

Nomos

Vera Grimm | Stephan Heinrich | Norbert Malanowski | Oliver Pfirrmann | Eva Schindler | Silke Stahl-Rolf | Axel Zweck

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1. Auflage 2011© Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2011. Printed in Germany. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der Über-setzung, vorbehalten. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Bildnachweis Titel: istockphoto.com

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Vorwort

Für viele in Deutschland wichtige Industriebranchen wie Chemie, Automobilbau,Informationstechnik und Pharma hängt die künftige Wettbewerbsfähigkeit derProdukte auch von der Erschließung des Nanokosmos ab. Konkurrenzfähigkeitwird in zunehmendem Maße durch die Faktoren Technologie und Innovation be-stimmt. Neue Technologietrends wie die der Nanotechnologie lassen einen deut-lichen Einfluss auf Güter wie auch Arbeitsmärkte des 21. Jahrhunderts erwarten.Diese müssen zur Sicherung des Wohlstands am Standort Deutschland genutztwerden. Aber die Entwicklung neuer Zukunftsarbeitsplätze passiert nicht von al-lein, sondern wir müssen uns nachhaltig dafür einsetzen. Die wachsende Dynamikder Nanotechnologie zeigt, dass es darauf ankommt, die Weichen für die künftigeFörderung richtig zu stellen. Die Grenzen der Nutzungsmöglichkeiten können wirheute noch gar nicht absehen. Das macht Nanotechnologie zu einem erstrangigenInnovationsthema.

Sozialwissenschaftliche Studien zum Thema Nanotechnologie fokussieren ge-genwärtig meist auf Risikoaspekte dieser Technologie. Eine Erklärung dafür liegtin dem bestehenden sozialwissenschaftlichen Arbeitsfeld der „Risiko-Soziologie“,welches vor allem von Ulrich Beck angestoßen wurde. Eine „Chancen-Soziologie“ist hingegen bis zum heutigen Tag noch nicht etabliert. Zukünftig wird es jedochimmer wichtiger werden, im Rahmen angewandter sozialwissenschaftlicher For-schung über neue Technologien, die Chancen und Risiken gleichermaßen zu ana-lysieren und zu bewerten. Dafür bietet sich u. a. der „systemische Blick“ an, d. h.die Betrachtung einer neuen Technologie im Kontext des jeweiligen Innovations-systems mit seinen Institutionen, Strukturen und Akteuren.

In der vorliegenden Studie wurde der systemische Blick auf die Nanotechnolo-gie sehr gelungen umgesetzt. Anhand aktueller Produktbeispiele werden Chancen,Risiken und Herausforderungen der Nanotechnologie am Standort Deutschlandauch für Laien klar beschrieben und analysiert. Überdies werden – und das istbesonders zu betonen – hier sich abzeichnende Handlungsfelder und -optionenskizziert, die dazu beitragen können, den Innovationsstandort Deutschland im Be-reich Nanotechnologie auf hohem Niveau zu konsolidieren. Hannover, im Mai 2011Michael VassiliadisVorsitzenderIndustriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE)

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Vorwort

Als wir vor etwa 30 Jahren in den naturwissenschaftlichen Fächern die ersten zag-haften Experimente zur kontrollierten Herstellung von Nanopartikeln machten,ahnte niemand, dass daraus das wohl interdisziplinärste und eines der größten For-schungsgebiete weltweit würde. Heute sind wir an einem Punkt angelangt, wo dieNanotechnologie in bereits etablierte Produktionsprozesse Einzug gehalten undProdukte schlichtweg besser gemacht hat als mit traditionellen Methoden. Ein Bei-spiel, das jeder im täglichen Leben beobachten kann, ist die enorme Verbesserungvon Akkulaufzeiten, sei es in Laptops, Handys oder anderen Bereichen. Zahlreicheandere Beispiele lassen sich finden oder sind bereits soweit entwickelt, dass einebaldige Einführung in den Markt bevorsteht. Vor diesem Hintergrund ist es drin-gend erforderlich, neben den technologischen auch die gesellschaftsrelevantenEinflüsse dieser Technologie zu untersuchen und zu bewerten. Dies gilt umso mehr,als die jetzigen Anwendungen wohl nur als die Spitze des Eisberges betrachtetwerden können, und in den Laboren der Forscher experimentelle Grundlagen ge-schaffen werden, die z. B. die Medizin revolutionieren werden. Die vorliegendeStudie leistet hierzu nach meinem Empfinden einen wichtigen Beitrag, da geradeökonomische, ökologische und soziologische Aspekte in voller Breite angegangenwerden. Neben den Chancen, die die neuen Technologien bieten, werden auch klarmögliche Risiken aufgezeigt und Fragen diskutiert, wie diese Technologie in brei-tem Konsens mit der Bevölkerung zur zukünftigen Entwicklung unserer Gesell-schaft beitragen und unseren Wohlstand sichern kann.

Ich habe diese Studie mit Freude und Interesse gelesen und wünsche mir, dasssie eine wichtige Quelle für die kommenden Diskussionen im technologischen wieauch gesellschaftspolitischen Bereich sein wird.

Hamburg, im Mai 2011Horst WellerProfessor für Physikalische ChemieUniversität Hamburg

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Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis 11Abbildungsverzeichnis 13Tabellenverzeichnis 14

Einleitung1 15Vera Grimm, Stephan Heinrich, Norbert Malanowski, Oliver Pfirrmann,Eva Schindler, Silke Stahl-Rolf, Axel Zweck

Hintergrund und Ziele der Studie1.1 15

Fragestellungen und Hypothesen1.2 18

Gang der Studie und Methodik1.3 22

Stand der Forschung2 27Oliver Pfirrmann, Eva Schindler

Internationale Wettbewerbsfähigkeit und Produktion in derNanotechnologie

2.127

Beschäftigung, Qualifikation sowie Aus- und Weiterbildung in derNanotechnologie

2.230

Sicherheitsforschung und Risikowahrnehmung bezüglich derNanotechnologie

2.334

Nanotechnologie in den Industriesektoren Chemie, Energie undPharmazie

341

Auswahl der Industriesektoren und relevanter Fallbeispiele3.1 41Norbert Malanowski, Axel Zweck

Hintergrund der Industriesektoren in Deutschland3.2 46Stephan Heinrich

Technologische und wirtschaftliche Relevanz sowieRisikopotenzial der ausgewählten Produktbeispiele

3.355

Norbert Malanowski, Silke Stahl-Rolf, Axel Zweck

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Analyse der ausgewählten Produktbeispiele4 63

Nanosilber4.1 63Vera Grimm, Norbert Malanowski

Kohlenstoffnanoröhren4.2 73Eva Schindler

Lithium-Ionen-Batterien4.3 85Silke Stahl-Rolf

Organische Photovoltaik4.4 98Eva Schindler

Biochips4.5 111Vera Grimm

Nanomembranen für die Dialyse4.6 124Stephan Heinrich

Synthese der Ergebnisse5 137Vera Grimm, Stephan Heinrich, Norbert Malanowski, Oliver Pfirrmann,Eva Schindler, Silke Stahl-Rolf

Nanotechnologie in (sektoralen) Innovationssystemen5.1 137

Nanotechnologie in Anwendungen, Produkten und Produktion5.2 148

Herausforderungen im internationalen Kontext:Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland

5.3165

Sich abzeichnende Handlungsfelder und -optionen5.4 175

Literatur 181

Anhang 191

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 193

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Abkürzungsverzeichnis

BAuA Bundesanstalt für Arbeitsschutz und ArbeitsmedizinBfR Bundesinstitut für RisikobewertungBIP BruttoinlandsproduktBMBF Bundesministerium für Bildung und ForschungBMELV Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und

VerbraucherschutzBMWi Bundesministerium für Wirtschaft und TechnologieCE-Zeichen Conformité Européenne (Übereinstimmung mit EU-Richtlinien)CMOS Complementary metal oxide semiconductor (Komplementäre

Metalloxidhalbleiter)CNF Carbon Nano Fibers (Kohlenstoffnanofasern)CNT Carbon Nanotubes (Kohlenstoffnanoröhren)CVD Chemical Vapour DepositionDSSC Dye-sensitized solar cell (Farbstoffzelle)FuE Forschung und EntwicklungGKSS Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und

Schiffahrt mbHIAO Institut für Arbeitswirtschaft und OrganisationIAPP Institut für Angewandte PhotophysikIPMS Institut für Photonische MikrosystemeISE Institut für Solare EnergiesystemeISI Institut für System- und InnovationsforschungISO Internationale Organisation für NormungISW Institut für Strukturpolitik und WirtschaftsförderungIWS Institut für Werkstoff- und StrahltechnikKMU Kleine und Mittlere UnternehmenLED Light-Emitting Diode (Leuchtdiode)MINT Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften & TechnikNGO NichtregierungsorganisationNIS Nationales Innovationssystem

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OLED Organic Light-Emitting Diode (Organische Leuchtdiode)OPEG Organische Photovoltaik zur integrierbaren EnergieversorgungOPV Organische PhotovoltaikPV PhotovoltaikREACH Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of

Chemicals (EG Verordnung Nr. 1907/200)RFID Radio-frequency identification (Radiofrequenz-Identifikation)TÜV Technischer Überwachungs-VereinUBAVCI

UmweltbundesamtVerband der Chemischen Industrie

VdL Verband der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Trichtermodell zur Eingrenzung von Informationen 24Abbildung 2: Internationaler Kenntnisstand der Bevölkerung zur

Nanotechnologie 36Abbildung 3: Internationale Risikowahrnehmung von

Nanotechnologien 36Abbildung 4: Das Trichtermodell in der Anwendung 42Abbildung 5: Bedeutung der ausgewählten Industriesektoren in der

deutschen Wirtschaft (2008) 46Abbildung 6: Kennzahlen des Industriesektors Chemie in Deutschland 49Abbildung 7: Kennzahlen des Industriesektors Elektrizitäts-

erzeugungs-/-verteilungsgeräte in Deutschland 51Abbildung 8: Kennzahlen des Industriesektors Pharmazie in

Deutschland 53Abbildung 9: Anzahl an Patenten weltweit im Bereich Biochips 123Abbildung 10: Presseresonanz Nanorisiken 2009 164Abbildung 11: Kennzahlen des Industriesektors Sonstige Chemie in

Deutschland 192

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Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Durchgeführte Interviews 26Tabelle 2: Qualifikationsstruktur der Mitarbeiter/-innen (MA) von

Nano-Unternehmen in Abhängigkeit von der Betriebsgröße 31Tabelle 3: Nanotechnologie-Studiengänge in Deutschland 32Tabelle 4: Beispiele für nanooptimierte Zwischenprodukte und

Komponenten in den Industriesektoren Chemie, Energieund Pharmazie 43

Tabelle 5: An der Produktion von Lithium-Ionen-Batterien inDeutschland beteiligte Unternehmen 87

Tabelle 6: Übersicht über Kooperationspartner des Projektes OPEG 105Tabelle 7: Übersicht über Kooperationspartner im Forum Organic

Electronics 105Tabelle 8: Auswahl an Deutschen Biochip-Firmen aus dem Bereich

Medizin 116Tabelle 9: Auswahl an Biochip-Firmen weltweit 122Tabelle 10: Erwarteter Markteintritt verschiedener Nano-Produkte 151Tabelle 11: Partner der Innovationsallianz Inno.CNT 191

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Einleitung

Vera Grimm, Stephan Heinrich, Norbert Malanowski, Oliver Pfirrmann, EvaSchindler, Silke Stahl-Rolf, Axel Zweck

Hintergrund und Ziele der Studie

Die Nanotechnologie1 gilt in Deutschland, aber auch in vielen anderen hoch ent-wickelten Industrieländern, als eine der Zukunftstechnologien und als Innovati-onsmotor. Ihr wird für eine Vielzahl von Industriesektoren technologische undwirtschaftliche Relevanz beigemessen. Begründet wird das erstens durch das Spek-trum des Entwicklungsstandes, das von bereits etablierten Nanotechnologie-ba-sierten Produkten bis hin zu Lösungen kurz vor der Marktumsetzung reicht.2 Vondiesen Entwicklungen wird erwartet, dass sie durch verbesserte Eigenschaften bzw.neue Funktionalitäten bei Produkten zu Effizienzsteigerungen führen, wie zumBeispiel bei der Beschichtung von Oberflächen mit einer längeren Lebensdaueroder zu Ressourceneinsparungen wie beim reduzierten Energieverbrauch durchneue Batterietypen. Darüber hinaus adressieren bereits mehrere spezielle Bereicheder Nanotechnologie wie die Nanomedizin, die Nanochemie oder Nanomaterialiengesundheitliche und ökologische Aspekte. Weiterhin werden durch die Anwen-dung der Nanotechnologie in der Produktion wichtige Beiträge zur Steigerung derWettbewerbsfähigkeit Deutschlands auf internationalen Märkten und positive Im-pulse auf den Arbeitsmarkt bzw. die Beschäftigung hoch qualifizierten Personalserwartet. Angesprochen sind dabei nicht nur Wirtschaftszweige wie die chemischeund pharmazeutische Industrie, die einen engen Bezug zur Nanotechnologie auf-weisen, sondern auch exportstarke Industriesektoren in Deutschland wie der Au-tomobilbau, die Elektrotechnik und die optische Industrie (Malanowski et al. 2006).

Parallel zu diesen wirtschaftlichen Aussichten bestehen Unsicherheiten übermögliche Risiken der Nanotechnologie. Gegenwärtig wird in vielen Ländern dis-kutiert, ob Nanomaterialien toxikologische Effekte auf Mensch und Umwelt haben.

1

1.1

1 Der Begriff Nanotechnologie wird in der für diese Studie relevanten wirtschafts- und sozial-wissenschaftlichen Literatur nicht einheitlich verwendet. Die dem Forschungsprojekt zugrun-de liegende Definition von Nanotechnologie lautet:„[… Als] Nanotechnologie [werden, Anm. d. V.] sämtliche Verfahren und Prozesse bezeich-net, die sich mit der kontrollierten Herstellung, Untersuchung und Anwendung von Strukturenund Materialien in einer Größenordnung zwischen 1 und 100 Nanometern befassen. In diesemGrößenbereich sind z. T. drastische Eigenschaftsveränderungen von Werkstoffen und Kom-ponenten zu verzeichnen, die bei der Nanotechnologie für eine gezielte Funktionsoptimierungtechnologischer Komponenten eingesetzt wird“ (BMBF 2009a, S. 4). Diese Definition ent-spricht dem gegenwärtigen Stand der internationalen Diskussion z. B. bei der OECD.

2 Vgl. dazu BMBF 2009a sowie die dort zitierte Literatur.

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Benannt wird dabei die inhalative Aufnahme von freien synthetischen Nanoparti-keln über die Atemwege, dermal über die Haut beim Einsatz von Nanopartikeln inKosmetika oder auch oral über Lebensmittel. Inzwischen ist in Deutschland eineReihe von Projekten zum sicheren und verantwortungsvollen Umgang mit Nano-technologie ins Leben gerufen worden, wie zum Beispiel NanoCare1, INOS, TRA-CER (alle abgeschlossen 2009)3 und seit 2009 weitere Forschungsprojekte imRahmen der Förderaktivitäten NanoCare2 und NanoNature. Die Sicherheits- undRisikoforschung in der Nanotechnologie ist insgesamt und mit Bezug auf die Fall-studien zwar weit entwickelt, es bestehen aber noch Leerstellen. Neben dem Wis-sensstand über gesundheitsgefährdende Expositionsmengen gilt das auch für denWissensstand zur Nanotechnologie in der deutschen Bevölkerung.

Aus der ökonomischen Perspektive einerseits und der Risikosicht andererseitserwächst ein Spannungsverhältnis. Mit Blick auf den Industriestandort Deutsch-land stellt eine fachlich nicht oder nur unzureichend legitimierte Diskussion zu denmöglichen Risiken der Nanotechnologie eine Herausforderung für den Einsatzdieser Technologie dar. Es ist unbestritten, dass neben den Chancen einer neuenTechnologie immer auch deren Risiken zu diskutieren sind. Angesprochen sinddamit zum einen technologische und vor allem wirtschaftliche Entwicklungsper-spektiven (zum Beispiel technologische Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigungs-entwicklung), zum anderen gesellschaftsrelevante Fragen zu möglichen sozialenKonsequenzen (zum Beispiel Dequalifizierung, Gesundheitsrisiken). Diese Chan-cen und Risiken sind jedoch inhaltlich verzahnt auf einem wissenschaftlich fun-dierten Fundament zu erörtern. Die vorliegende Studie will dazu einen Beitragleisten.

Die Prognos AG und die VDI Technologiezentrum GmbH haben im Zeitraum2009 bis 2010 ein Forschungsprojekt mit dem Titel „Innovationssystem Nano-technologie in Deutschland“ durchgeführt.4 Es sind dabei drei Ziele verfolgt wor-den:

• den Stand der Nanotechnologie-Produktion international zu erfassen und fürDeutschland vertiefend im Hinblick auf ausgewählte Produkte zu analysieren;

3 NanoCare – Gesundheitsrelevante Aspekte synthetischer Nanopartikel: Schaffung einer all-gemeinen Informations- und Wissensbasis als Grundlage für eine innovative Materialfor-schung. INOS – Identifizierung und Bewertung von Gesundheits- und Umweltauswirkungenvon technischen nanoskaligen Partikeln. TRACER – Toxikologische Bewertung und Funk-tionalisierung von Kohlenstoff-Nanomaterialien.

4 Das durch die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) initiierte Projektwurde unter dem Titel „Innovationssystem Nanotechnologie in Deutschland. Potenziale –Herausforderungen – Perspektiven“ vom 1.9.2009 bis 31.8.2010 durch die Hans-Böckler-Stiftung unter der Projektnummer S-2009-273-1 gefördert.

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• die mit der Nanotechnologie-Produktion verknüpften Änderungen im Bereichder Qualifizierung und Beschäftigung zu untersuchen, um daraus Rückschlüs-se für das spezifische Bildungssystem und die Gestaltung des relevanten Ar-beitsumfeldes ableiten zu können;

• die Risikowahrnehmung der Nanotechnologie in Deutschland im Kontext lau-fender Projekte zur experimentellen Sicherheitsforschung zu untersuchen.

Mit dieser Ausarbeitung wird der Abschlussbericht zum Forschungsprojekt vor-gelegt. Der Bericht ist in insgesamt fünf Kapitel gegliedert.

Nach diesem einleitenden Kapitel, das die im Antrag formulierten zentralenFragen und Forschungshypothesen präsentiert sowie die innerhalb der Studie an-gewandte Methodik erläutert, folgt die Darstellung zum Stand der Forschung (Ka-pitel 2). Dabei ist bei der Literaturauswahl darauf geachtet worden, vornehmlichQuellen zu den für die Studie relevanten Themenschwerpunkten zu erschließen.Das sind, jeweils mit Bezug zur Nanotechnologie, erstens Arbeiten zu technolo-gisch basierter Wettbewerbsfähigkeit und Produktion, zweitens zu Beschäftigungund Qualifikation sowie drittens zu Sicherheitsforschung und Risikowahrneh-mung. Darüber hinaus sind weitere Quellen einbezogen worden, wenn diese fürdie Fundierung der wissenschaftlichen Basis der Studie oder für die Einordnungder wissenschaftlichen Befunde hilfreich waren.

Das dritte Kapitel dient dazu, die im Mittelpunkt der empirischen Analyse ste-henden Industriesektoren Chemie, Energie und Pharmazie aus gesamtwirtschaft-licher Sicht zu beleuchten. Während der Kern der Empirie auf sechs Produktfall-studien beruht, die quasi stellvertretend für den jeweiligen Wirtschaftszweig dieRolle der Nanotechnologie beispielhaft illustrieren (Kapitel 4), soll das dritte Ka-pitel volkswirtschaftliche Sektorinformationen vermitteln. Es wird aufzeigt, wiewichtig diese Wirtschaftszweige und damit auch die jeweiligen Hebelwirkungender Nanotechnologie für die deutsche Wirtschaft schon sind bzw. künftig sein wer-den.

Das vierte Kapitel präsentiert die bereits erwähnten sechs Beispiele von Nano-technologie-basierten Produkten. Die Produktfallstudien sind nach folgendem The-menraster strukturiert:

• Technologischer Stand und Perspektiven,• Akteure und ihre Beziehungen im Innovationssystem (darunter: Unternehmen,

Forschungseinrichtungen, Netzwerke und Kooperation sowie Förderung),• Beschäftigung und Qualifizierung,• Normen und Standards,• Sicherheitsforschung und Risikowahrnehmung sowie• Internationaler Kontext.

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Die Analyse basiert neben Sekundärrecherchen auf Interviews mit Vertretern ausWissenschaft, Industrie, Umfeldakteuren aus Finanzierung und Politik, Behördensowie Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Zur Ergebniseinordnung in eineninternationalen Kontext wurden neben Deutschland auch Großbritannien, Taiwanund die USA mit einbezogen. Das abschließende fünfte Kapitel fasst die Ergebnissestrukturiert nach den Themenschwerpunkten (Zielen) der Studie zusammen (Syn-these) und endet mit einem Blick auf sich abzeichnende Handlungsfelder und -op-tionen für den Innovationsstandort Deutschland im Kontext der Nanotechnologie.

Das Projektteam von Prognos und VDI Technologiezentrum dankt allen Betei-ligten und Interviewpartnern, der Hans-Böckler-Stiftung sowie der Industriege-werkschaft Bergbau, Chemie und Energie für ihre Unterstützung.

Fragestellungen und Hypothesen

Konzeptionell und als theoretisches Fundament für dieses Forschungsprojekt istanfänglich der Ansatz des „nationalen Innovationssystems“ (NIS-Konzept) genutztworden. Dieser Ansatz, so wurde unterstellt, wird am ehesten den komplexen Ak-teursstrukturen und -beziehungen im Feld der Nanotechnologie gerecht und bieteteine Systematik für die international angelegte Analyse der spezifischen Innova-tionssysteme mit Bezug zur Nanotechnologie.5 Es hat sich indes gezeigt, dass dasNIS-Konzept prinzipiell hilfreich ist, technologische Entwicklungen länderüber-greifend zu untersuchen. Tiefgehende Analysen sind jedoch nur bedingt möglich,vor allem wenn auf der Ebene einzelner Produkte analysiert wird. Besser, weilspezifischer, ist der aus dem NIS-Konzept entwickelte Ansatz der sektoralen In-novationssysteme. Dieser Ansatz bildet die Idiosynkrasien bzw. Spezifika einzel-ner Wirtschaftszweige ab, wie zum Beispiel Technologie- und Innovationsstrate-

1.2

5 Im NIS-Konzept wird die Entstehung von Innovationen als umfassender, durch Institutionengestalteter Prozess verstanden. Von Relevanz sind hierbei alle institutionellen Elemente undCharakteristika eines Landes, die den Innovationsprozess beeinflussen. Dazu zählen zum ei-nen Organisationen bzw. Akteure, die an der Generierung und Diffusion von neuem Wissenund Innovationen beteiligt sind (wie zum Beispiel Forschungseinrichtungen oder FuE-Abtei-lungen von Unternehmen) oder auch alle Organisationen aus dem Bereich der Produktion,Finanzierung, Politik und Verbände. Einbezogen wird auch die gesellschaftliche Ebene, wennsie zum Beispiel in Form organisierter Gruppen als Nichtregierungsorganisationen (so ge-nannte NGO) beteiligt ist. Zum anderen sind hierbei alle für den Innovationsprozess relevanten„Regeln“ von Bedeutung, wie zum Beispiel formale Normen und Gesetze bzw. Regulierungenvon Technologien sowie informelle Verhaltensweisen. Innovations- bzw. Technologieent-wicklung ist somit ein evolutionärer, kumulativer und interaktiver Prozess, an dem unter-schiedliche Akteure und Organisationen beteiligt sind. Länder zeichnen sich dabei durch je-weils spezifische Interaktionsformen aus, die an gewachsene Strukturen und eingespielteRoutinen anknüpfen, was wiederum länderspezifische Unterschiede begründen kann; vgl.ausführlich Nelson (1993); Freeman (1987, 1995); Lundvall (1985, 1992 und 2002).

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gien, Fachkräfterekrutierungsmuster oder Kooperations- und Interaktionsverhal-ten. Darüber hinaus hat es sich als sinnvoll erwiesen, auf Konzepte zur Analysevon Wertschöpfungsprozessen zurückzugreifen.6

Die folgenden zwölf Forschungsfragen und elf Hypothesen sind auf der Grund-lage des NIS-Ansatzes im Antrag zu diesem Forschungsprojekt formuliert worden.Sie sind jedoch auch eine Basis für die Einordnung der Befunde im Rahmen desKonzeptes sektoraler Innovationssysteme und der Analyse von Wertschöpfungs-ketten.

1. Wie ist der gegenwärtige Stand der Produktentwicklung in der Nanotechno-logie zu beurteilen? Was sind existierende Nanotechnologie-basierte Produkte,welche Erfahrungen liegen dazu bei Produktentwicklern vor?

2. Welche Produkte stehen vor dem Markteintritt (bis zu drei Jahre), welchekommen in den nächsten drei bis zehn Jahren auf den Markt und in welchenLändern sind Markteinführungen geplant?

3. Wie stark engagiert sind „nationale“ Unternehmen in der Nanotechnologie amStandort Deutschland? Aspekte hierbei sind zum Beispiel die Verflechtungmit/Nähe zu Forschungseinrichtungen (Existenz von Innovationsclustern), diegrundsätzliche Anschluss- bzw. Absorptionsfähigkeit der Unternehmen hin-sichtlich der Nanotechnologie sowie das antizipierte Ausmaß der Änderungder Produktionsprozesse oder erwartete Vorteile auf Leitmärkten. Darüber hi-naus ist danach zu fragen, ob es hierbei Unterschiede zwischen kleinen, mitt-leren und großen Unternehmen gibt?

4. Welche Bedeutung kommt dabei den Industriesektoren Chemie, Energie undPharmazie zu, sowohl aus technologischer Sicht als auch mit Blick auf den(Nanotechnologie-) Standort Deutschland?

5. Gibt es bereits etablierte Muster internationaler Arbeitsteilung in der Nano-technologieforschung und -produktion oder sind diese noch in der Entwicklungbegriffen? Gibt es in Deutschland spezifische Hemmnisse bei der Einbindungin die internationale Arbeitsteilung? Wenn ja, welche?

6. Welche laufenden Qualifizierungsprozesse in FuE und in der Produktion mitBezug auf die zu analysierenden Produktbeispiele aus der Nanotechnologie inDeutschland sind zu beobachten? Sind diese dazu geeignet, einem potenziellenFachkräftemangel in Deutschland in der Nanotechnologie entgegenzuwirken,und welche laufenden Qualifizierungsprozesse in der Nanotechnologie sind inausgewählten Industrieländern (Großbritannien, USA, Taiwan) zu beobach-ten?

6 Vgl. zum Konzept sektorale Innovationssysteme: Breschi/Malerba (1997); Malerba (2002);zur Analyse von Wertschöpfungsprozessen: Porter (1985, 1996), Schmitz (2005), Nusser(2007), Töpfer (2007).

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7. Wie haben sich die Qualifikationsanforderungen an die Arbeitnehmer durchdie Arbeit im Bereich Nanotechnologie verändert? Ersetzen oder ergänzenhoch qualifizierte Arbeitskräfte das bestehende Arbeitskräftepotenzial? Bietetder heimische Arbeitsmarkt hinreichend viele hochqualifizierte Arbeitskräftefür den Bereich Nanotechnologie? Gibt es Unterschiede zwischen männlichenund weiblichen Beschäftigten in Bezug auf Qualifizierung für den BereichNanotechnologie? Wenn ja, welche?

8. Wie ist das Zusammenspiel der nationalen Akteure aus Wissenschaft, Wirt-schaft, Gewerkschaften und Politik im Innovationsfeld Nanotechnologie inDeutschland zu beurteilen? Welche institutionellen und ggf. informellen Ar-rangements sind zu beobachten und welcher Beitrag wurde dadurch zur Ent-wicklung der Nanotechnologie in Deutschland geleistet?

9. Wie ist der derzeitige Wissensstand in der deutschen Bevölkerung zum ThemaNanotechnologie? Wird Nanotechnologie in der deutschen Bevölkerung eherunter Risiko- oder unter Nutzenaspekten wahrgenommen? Wie beeinflusst dasWissen über Nanotechnologie die Bewertung dieser Technologie?

10. Stellt die Risikowahrnehmung der Nanotechnologie in Deutschland gegen-wärtig ein Produktions- bzw. Diffusionshemmnis für die Einführung von Pro-dukten dar und wie schneidet Deutschland im Vergleich ausgewählter Indus-trieländer ab?

11. Wo liegen die künftigen Chancen und wo liegen die zukünftigen Herausfor-derungen des Innovationssystems Nanotechnologie in Deutschland mit Blickauf die nächsten fünf Jahre?

12. Welche Handlungsempfehlungen/-optionen lassen sich formulieren, um denNanotechnologiestandort Deutschland zu stärken? An welche Akteure des In-novationssystems Nanotechnologie in Deutschland sind die Handlungsemp-fehlungen zuvörderst zu adressieren?

Aus diesen Fragestellungen lassen sich unter Berücksichtigung der bisherigen Er-kenntnisse über den technologischen Wandel, Internationalisierung von FuE undProduktion, multinationale Unternehmen und nationale Innovationssysteme fol-gende elf Forschungshypothesen ableiten:

1. Wissen für neue Technologien wie der Nanotechnologie wird heute in der Re-gel nicht mehr national, sondern länderübergreifend/global entwickelt. Der re-gionalen Nähe kommt bei der Wissensproduktion mitunter nur eine unterge-ordnete Rolle zu.

2. Der Internationalisierung von Absatz und Produktion in multinationalen Un-ternehmen folgt die internationale Verteilung von FuE-Aktivitäten derselben

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im Feld der Nanotechnologie, d. h. Standorte, die aktuell führend in der For-schung sind, laufen Gefahr, Forschungspotenziale an Standorte zu verlieren,die stark in der Produktion in diesem Feld der Nanotechnologie sind.

3. Länderspezifische Unterschiede in der Entwicklung und Verbreitung der Na-notechnologie sind abhängig von den spezifischen institutionellen, ökonomi-schen und kulturellen Gegebenheiten eines Innovationssystems.7 Zudem wer-den sich Policy-Maßnahmen zur weiteren Förderung der mit den neuen Tech-nologien verbundenen Chancen nach den spezifischen Besonderheiten der In-novationssysteme unterscheiden.

4. Wertschöpfung und wirtschaftlicher Erfolg bei der Kommerzialisierung na-notechnologischer Produkte fallen eher nicht den kleinen Unternehmen zu, diedie Nanotechnologieentwicklungen vorantreiben, sondern denjenigen, die Na-notechnologie-basierte Vorprodukte bzw. Lösungen in Endprodukte einsetzen.

5. Kleine und mittlere Unternehmen, die in der Nanotechnologie spezialisiert sindbzw. lokale Nanotechnologiecluster mit fachlich kompetenten Forschungsein-richtungen, sind ein wichtiger Standortfaktor in der Ansiedlung bzw. demweiteren Verbleib von großen bzw. multinationalen Unternehmen mit Bezugzur Nanotechnologie.

6. Durch den hohen Querschnittscharakter der Nanotechnologie werden im FuE-Bereich und der Fertigung von nanotechnologischen Produkten Beschäftigteüberwiegend höher qualifiziert. Eine geschlechtsspezifische Segregation ist indiesem Kontext nicht zu beobachten.

7. Das Angebot an hochqualifizierten Personen (Akademiker und Nicht-Akade-miker) für FuE und Produktion ist ein wichtiger unterstützender Standortfaktorfür Nanotechnologieunternehmen.

8. Die Relevanz politischer Rahmenbedingungen liegt gegenwärtig vor allem inder finanziellen, vorwettbewerblichen Forschungsförderung, die Nanotechno-logie- basierte Produkte hervorbringen soll und derzeit in Deutschland – andersals in den USA – kaum in der Regulierung durch technische Normen.

9. Die öffentliche Wahrnehmung von Nanotechnologie ist gegenwärtig inDeutschland positiv. Die Wahrnehmung ist aufgrund der Neuigkeit und Dy-namik dieser Technologie indes noch nicht stabil, so dass sich kurzfristig einin der Bevölkerung wahrgenommenes Risikopotenzial durch Nanotechnologiehemmend auf die weitere Entwicklung von Nanotechnologie-basierten Pro-dukten auswirken kann.

10. Die bestehenden institutionellen Arrangements zwischen den zentralen Ak-teuren vor allem aus Wirtschaft, Politik und Verbänden haben in der Vergan-

7 Vgl. hierzu zum Beispiel Hilpert (2009); Mulas-Granado/Sanz (2008); Lehrer/Nell/Gärber(2009); Stahl-Rolf (2002).

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genheit einen relevanten Beitrag dazu geleistet, Deutschland als wissenschaft-lich und industriell wichtigen Standort in der Nanotechnologie zu entwickelnund auszubauen.

11. Mit Blick auf die Internationalisierung von Forschung und Entwicklung unddabei spezifisch dem internationalen Wissens- und Technologietransfer in derNanotechnologie sowie der gewachsenen gesellschaftlichen Diskussion überinhärente Risikopotenziale neuer Technologien, reichen die bestehenden Ar-rangements zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Gewerkschaften und Politiknicht aus, um Deutschlands Rolle im globalen Hightech-Wettbewerb zu un-terstützen.

Die Beantwortung der Fragen bzw. Bewertung der Forschungshypothesen wirddabei sowohl in den Fallstudien (Kapitel 4) als auch bei der Ergebnissynthese (Ka-pitel 5) vorgenommen.

Gang der Studie und Methodik

Der aus dem NIS-Konzept heraus entwickelte Ansatz des sektoralen Innovations-systems bietet zum einen ein wissenschaftlich begründetes Fundament für eineländerübergreifende Analyse von Innovationsprozessen. Zum anderen ist es durchihn möglich, industriespezifische Besonderheiten des Einsatzes der Nanotechno-logie, hier im Chemie-, Energie- und Pharmaziesektor, einzubeziehen.

Aus dem Blickwinkel Nanotechnologie ist nun eine Reihe von charakteristi-schen Merkmalen ersichtlich, die eine überwiegend wirtschaftswissenschaftlichangelegte Studie vor besondere Herausforderungen stellen:

1. Nanotechnologie stellt keine einheitliche Technologieplattform dar, sondernbeinhaltet ein breites Spektrum unterschiedlicher Technologien und For-schungsfelder (u. a. Werkstofftechnik, Schichttechnologie, Nanostrukturie-rung, Analytik, Oberflächenbearbeitung);

2. Nanotechnologie lässt sich nicht klassischen Industriesektoren zuordnen, de-ren Umsätze in Wirtschaftszweigstatistiken (zum Beispiel des StatistischenBundesamtes) erfasst werden;

3. nanotechnologische Verfahren und Produkte (Vorprodukte) setzen zumeist amBeginn der Wertschöpfungskette an und berücksichtigen überwiegend einzel-ne Komponenten, deren Funktionalität durch Nanotechnologie verbessertwird. Der Anteil der Nanotechnologie an der Wertschöpfung marktgängigerProdukte lässt sich damit nur abschätzen oder über Primärerhebungen bei Her-stellern genau erfassen;

1.3

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4. betrachtet man Nanotechnologie in Gänze, befindet sie sich noch in vielenBereichen im Forschungs- und Entwicklungsstadium. Dennoch: Es gibt bereitseine Reihe von Nanotechnologie-basierten Produkten, eine durchgängigeÜberführung in die industrielle (Massen-)Produktion besteht aber noch nicht.

5. Nanotechnologische Forschung bzw. auf solchen Verfahren basierende Pro-duktion wird vor allem von einer Vielzahl etablierter Großunternehmen ge-tragen. Junge, kleine Unternehmen spielen, obwohl es sich bei Nanotechno-logie um eine relativ junge Technologie handelt, eine etwas schwächere Rolle.

Ein erster analytischer Schritt im Rahmen der Studie bestand deshalb darin, dasNIS-Konzept für das Technologiefeld Nanotechnologie zu operationalisieren.

In Anlehnung an die Ziele der Studie sowie die formulierten Forschungsfragenund Hypothesen wurden nun drei Schwerpunktthemen definiert, aus deren Per-spektive Nanotechnologie in Deutschland und soweit wie möglich in den zumVergleich herangezogenen Ländern Großbritannien, USA und Taiwan zu analy-sieren war.8 Diese Schwerpunktthemen sind:

• Produktion und internationale Wettbewerbsfähigkeit in der Nanotechnologie,• Beschäftigung und Qualifikation in der Nanotechnologie,• Sicherheitsforschung für die Nanotechnologie und Risikowahrnehmung der

Nanotechnologie.

Die Schwerpunktthemen werden jeweils kontextbezogen bearbeitet. Den Kontextbilden sechs Fallbeispiele von Nanotechnologie-basierten Produkten, die vor allemin Deutschland, aber auch in den drei Vergleichsländern analysiert werden. DieProduktbeispiele sind auf Basis eines sogenannten Trichtermodells aus zwei Da-tenbanken zu Nanotechnologie- basierten Produkten ausgewählt worden. DasTrichtermodell sowie die empirische Fundierung der Studie werden in den nach-folgenden zwei Abschnitten kurz erläutert. Die Anwendung des Trichtermodellszur Auswahl der sechs Produktfallstudien wird ausführlich in Kapitel 3.1 darge-stellt.

Eingrenzung des Themenfeldes und Auswahl der Produktbeispiele

Die erste und zweite Generation von Nanotechnologie-basierten Produkten ist amMarkt angekommen. In der Online-Datenbank des amerikanischen Woodrow Wil-son Center finden sich bereits ca. 1000 Verbraucherprodukte, die gemäß den An-

1.3.1

8 Die Auswahl der Länder basiert auf Vorrecherchen des Studienteams. Sie bilden für die aus-gewählten Produktbeispiele relevante Vergleichsländer ab.

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gaben der Hersteller Nanotechnologie-basiert sein sollen.9 Diverse Experten gehendavon aus, dass die Zahl der Produkte, die auf Nanotechnologie basieren, zukünftignoch erheblich steigen wird (NanoKommission 2008). Für die hier vorliegendeForschungsarbeit bedeutet dies methodisch: Im Rahmen des Prozesses der Pro-duktidentifikation ist eine große Informations- und Datenmenge zu Produkten aufinternationaler Ebene zu bewältigen (Malanowski / Zweck 2008, Zweck 2004). Mitdem „Trichtermodell“, das sich bisher in den Bereichen Technologiefrüherken-nung und Themenidentifikation überaus bewährt hat, lässt sich diese Problematikangehen (Malanowski/Zweck 2008).

Am operativen Beginn des Prozesses der Identifikation von Nanotechnologie-basierten Produkten stehen zahlreiche Informationsquellen zur Verfügung und dieTendenz ist durch immer neue Produkte steigend. In diesem Zusammenhang istauf den Gesichtspunkt der Organisation des Identifikationsprozesses in Form einesTrichters hinzuweisen, der am unteren Ende konkrete, für Deutschland relevanteProduktbeispiele mit Nanotechnologie-Bezug hervorbringt, die dann im Weiterenin dieser Forschungsstudie thematisch vertieft werden.

Die nachfolgende Abbildung zeigt dazu den Ablauf.

Abbildung 1: Trichtermodell zur Eingrenzung von Informationen

Quelle: Malanowski/Zweck 2008

9 Die meisten der im Rahmen dieser Studie befragten Experten gehen davon aus, dass das Pro-duktverzeichnis des Woodrow Wilson Center unvollständig ist, weil es ausschließlich aufHerstellerangaben beruht. Es lässt sich ferner nicht ausschließen, dass manche Produkte dasLabel Nanotechnologie haben, sich aber keine Nanotechnologie im Produkt befindet.

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Trotz professionellen und systematischen Umgangs mit den Informationsquellenist ein Eingrenzen der Informationsmenge durch eine möglichst präzise Beschrei-bung des Suchraumes zum Prozessbeginn unerlässlich. Dieses Festlegen der Be-obachtungsbereiche stellt eine erste Reduktion der Informationsmenge dar, oderanders formuliert, den ersten Schritt zur Fokussierung auf die zu identifizierendenrelevanten Produkte.

Das Suchfeldraster dient neben der Beschreibung des Suchraumes auch einerersten groben Themenauswahl. Potenziell interessante Produkte werden mittelsdieses Rasters auf ihre Relevanz für die Suchfelder geprüft. Ergebnis dieser nochrelativ groben Prüfung ist eine erste Auswahl von Themen, die im nächsten Schritteinen Selektionsfilter durchlaufen. Der Filter enthält Kriterien, die für den jewei-ligen Identifikationsprozess spezifisch entwickelt und formuliert werden.

Die geschilderte Vorgehensweise macht deutlich, wie sukzessiv über die Defi-nition des Suchraumes, die Produktsuche mittels Suchfeldraster und den finalenSelektionsfilter Produktbeispiele identifiziert werden. Die weiteren Ausführungenzur Anwendung des „Trichtermodells” und zur Auswahl der Nanotechnologie-ba-sierten Produktbeispiele finden sich im empirischen Teil dieser Studie in Kapitel3.3 „Technologische und wirtschaftliche Relevanz sowie Risikopotenzial der aus-gewählten Produktbeispiele”.

Erhebung von Sekundär- und Primärinformationen

Über die thematisch erfolgte Eingrenzung des Untersuchungsraumes war zum ei-nen eine möglichst breite Bestandsaufnahme der ausgewählten Produkte inDeutschland und den Staaten Großbritannien, Taiwan und USA durchzuführen.Zum anderen war herauszuarbeiten, wie die jeweiligen Produkte in ihre (sektora-len) Innovationssysteme eingebettet sind. Damit sollten belastbare Aussagen zuden Themenschwerpunkten Produktion und internationale Wettbewerbsfähigkeitin der Nanotechnologie, Beschäftigung und Qualifikation in der Nanotechnologie,Sicherheitsforschung für die Nanotechnologie und Risikowahrnehmung erarbeitetwerden.

Es kamen im Projekt zwei Datenerhebungsmethoden zum Einsatz: Erstens dieAnalyse von Sekundärquellen durch Auswertung von Monographien/Sammel-bzw. Konferenzbänden, Aufsätzen sowie sogenannter grauer Literatur durch Re-cherchen in Bibliotheken und im Internet (Desk Research).

Damit lagen grundlegende und spezifische Informationen zu den Schwerpunkt-themen der Studie vor.

Zweitens wurden diese erarbeiteten Ergebnisse durch leitfadengestützte Exper-teninterviews mit nationalen und internationalen Akteuren aus den (sektoralen)

1.3.2

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Innovationssystemen der Nanotechnologie vertieft. Als Interviewpartner wurdenExperten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Behörden, Verbänden/Ge-werkschaften sowie von NGOs einbezogen. Die nachfolgende Tabelle zeigt dieAnzahl der durchgeführten Interviews nach Akteursgruppen und Ländern.

Tabelle 1: Durchgeführte Interviews

Deutschland Groß-britannien Taiwan USA

Wirtschaft 20 1 2 4Wissenschaft 9 1 1 -Umfeldakteure 4 - - 1Politik/Verbände/Gewerkschaften 4 2 1 -NGOs (im Ausland zusammen mit Po-litik/Verbände/Gewerkschaften) 2 - - -

Gesamt 39 4 4 4

Quelle: Prognos/VDI TZ, eigene Darstellung

Zusätzlich wurden ein Interview in China (Wirtschaft) und drei Interviews in derSchweiz (ein Umfeldakteur, zwei Wissenschaftsakteure) geführt.

Die Interviews wurden im Inland überwiegend „face-to-face“ oder telefonisch,für das Ausland überwiegend telefonisch geführt.

Entsprechend der thematischen Strukturierung der Studie gab es mehrere spe-zifische Fragen zum Stand der technologischen Entwicklung der ausgewähltenProdukte, zu Produktion, Qualifizierung und Beschäftigung sowie zur Sicherheits-forschung und Risikowahrnehmung. Darüber hinaus enthielt der Interviewleitfa-den einen übergreifenden Teil zum Innovationssystem sowie zu künftigen Her-ausforderungen und Empfehlungen.

Der Leitfaden beruht ausschließlich auf offenen Fragen, so dass mit Hilfe dieses„Mehr-Themen-Leitfadens“ Fragen und Themen aus unterschiedlichen Perspekti-ven beantwortet und damit Quervergleiche ermöglicht werden konnten.

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