Int. Konfliktforschung II - Woche 06 - Konfliktlösung, Peace-Building & Nation-Building

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Lutz F. Krebs Eidgenössische Technische Hochschule Zürich Center for Comparative and International Studies (CIS) Seilergraben 49, Raum E.3 [email protected] www.icr.ethz.ch Assistenz: Lena Kiesewetter [email protected] Konfliktforschung II Gegenwärtige Konflikte im Verlauf Woche 6: Konfliktlösung, Peace-Building & Nation-Building

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Lutz F. KrebsEidgenössische Technische Hochschule Zürich

Center for Comparative and International Studies (CIS)Seilergraben 49, Raum [email protected]

www.icr.ethz.ch

Assistenz: Lena [email protected]

Konfliktforschung IIGegenwärtige Konflikte im Verlauf

Woche 6: Konfliktlösung, Peace-Building & Nation-Building

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Prozesse um das Kriegsende

Bewaffnete Gewalt

Verhandlungen

Peacekeeping

WaffenstillstandFriedensabkommen

UmsetzungWiederaufbau

EntwicklungReintegration

Konfliktlösung Peace-Building Nation-Building

Nat

iona

lIn

tern

atio

nal

Zeit

EntwicklungshilfeHumanitäre Hilfe

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Agenda

• Theorien zum Konfliktende• Peace-Building

– Verhandlungen– Abkommen– Durchsetzung

• Nation-Building– Definitionen & Dimensionen– Historische Beispiele– Lehren und Konsequenzen für die Zukunft

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Wallensteens ausführliche Konfliktlösungsdefinition

Wallensteen definiert Konfliktlösung als eine Situation…•„where the armed conflicting parties•in a (voluntary) agreement•resolve to peacefully live with – and/or –•dissolve their basic incompatibilities and henceforth cease to use arms against one another“

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Kriegsende: Drei Denkschulen

Um eine Konfliktlösung zu erarbeiten benötigt es ein Verständnis des Kriegsendes:

1.Theorien der Konfliktdynamik•Frustrationstheorien•Rational-Choice-Theorien

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Der Rüstungswettlauf des Kalten Krieges

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Richardsons Modell des Rüstungswettlaufes

• Staaten rüsten wegen Ärger über und Angst vor anderen Staaten auf, aber die Rüstungen werden von der Erschöpfung gebremst:

• Rüstung = Ärger + Angst - Erschöpfungdx / dt = g + by - cxdy / dt = h + fx - ey

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Gleichgewicht in Richardsons Modell

E*

dx/dt = g + by - cx

dy/dt = h + bx - cy

Rüst

ung

von

Y

Rüstung von X

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Charles Osgoods GRIT-Ansatz

• Das Gefangenendilemma führe früher oder später zum Nuklearkrieg

• Lösung: „Graduated Reciprocation in Tension Reduction“ (GRIT)

• Rüstungskontrolle statt Abrüstung• Vertrauensbildende Massnahmen

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Frustrationstheorien

• Fokus auf grundlegende Bedürfnisse

• Stammt aus der Sozialpsychologie

• Frustrations-Aggregssions-These (Davies 1962)

Bedü

rfni

sse

Zeit

Erwartete Bedürfnisbefriedigung

TatsächlicheBedürfnisbefriedigung

Kluft

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Ted Gurrs Theorie der relativen Deprivation

• Relative Deprivation: „a perceived discrepancy between men‘s value expectations and their value capacities“

• Value expectations = Nutzen und Lebensbedingungen zu denen man sich berechtigt fühlt

• Value capacities = Nutzen und Lebensbedingungen die man glaubt erreichen oder aufrecht erhalten zu können

Ted GurrUniv. of Maryland

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Rational-choice-Theorien

• Fokus auf strategische Wahlsituationen• Standardannahme: unitary rational actor• Explizite Erklärungen der Kriegsende

– Zwischenstaatliche Kriege– Bürgerkriege

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Erklärungen der zwischenstaatlichen Kriegsenden

• Der Krieg hört auf, wenn der Erwartungswert des Friedens den des Krieges übertrifft

• Zwei Möglichkeiten:– Der Verlierer entscheidet– Beide Parteien

entscheiden

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Wittmann‘s Lösungsansatz

Nutzen von YNutzen von x

Nut

zen

Kapitulation X Kapitulation Y

Einigungslösung

Witt

man

n 19

79

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Möglichkeit eines Abkommens

Nutzen von YNutzen von x

Nut

zen

Kapitulation X Kapitulation Y Verhandlungsraum

Witt

man

n 19

79

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Möglichkeit eines Abkommens

Nutzen von YNutzen von x

Nut

zen

Kapitulation X Kapitulation Y

Witt

man

n 19

79

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Die Probleme der internationalen Abkommen laut Fearon (1995)

• Annahme: Kriege sind suboptimal• Puzzle: Warum finden sie trotzdem statt?

– die Konfliktparteien sind irrational– die Konfliktparteien sind nicht einheitlich– die Konfliktparteien sind rational und

einheitlich aber entscheiden trotzdem, sich zu bekämpfen

• wegen privater Information• wegen mangelnder Glaubwürdigkeit des

Abkommens

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Ende der Bürgerkriege

• Bürgerkriege sind noch schwieriger per Abkommen zu lösen: die Regierungsseite kann ihre Armee behalten!

• Barbara Walter:– 55% der zwischenstaatlichen Kriege zwischen

1940 und 1990 fanden eine Verhandlungslösung,

– für Bürgerkriegen waren es nur 20%

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Was steckt hinter einem Konfliktende?

• Erschöpfung?• Ein Prozess der kleinen Schritte?• Eine Aussicht auf

– die Behebung der ursprünglichen Inkompatibilität?

– Teilung des politischen Systems?• Ein Friedensabkommen mit höherem

Nutzen als der fortgesetzte Krieg?

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Peace-Building

• Peacekeeping: unterbrechen oder reduzieren offener Gewalt

• Peacemaking: Mediation, Vermittlung, Verhandlung, Schlichtung

• Peacebuilding: Praktische Umsetzung friedlichen sozialen Wandels– Auch: Überwindung negativer Haltungen– Umwandlung von Konflikt in tragfähige,

friedliche Beziehungen

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Walters (2002) drei Stufen

Stufe I:Verhandlungen

Stufe II:Abkommen

Stufe III:Durchsetzung

Kriegskosten

Pattsituationen

InnenpolitischeInstitutionen

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Wallensteens Verhandlungstaktiken

1. Prioritätenverschiebung2. Ressourcenbeteiligung3. Kuhhandel4. Machtaufteilung5. Dritte Partei6. Schlichtungsverfahren7. Verschiebung

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Walters (2002) drei Stufen

Stufe I:Verhandlungen

Stufe II:Abkommen

Stufe III:Durchsetzung

Ethnische Identität

Teilbarkeit des Konfliktgegenstandes

Vermittlung1. Verschiebung der Prioritäten2. Ressourcenbeteiligung3. Kuhhandel4. Machtaufteilung5. Externe Verwaltung6. Schlichtungsverfahren7. Zeitliche Verschiebung

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Walters (2002) drei Stufen

Stufe I:Verhandlungen

Stufe II:Abkommen

Stufe III:Durchsetzung

Glaubwürdigkeit

Garantiemächte

1. Wer entscheidet?(a) Kohärenz der Präferenzen(b) Regeln für Kollektiventscheidungen(c) Eine Stimme

2. Wer soll eingeladen werden?

Kohärenz der Akteure

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Zweigeteilte Aufgabe

• Kurzfristige Sicherung des (negativen) Friedens• Langfristige Förderung des (positiven) Friedens:

– Entwaffung der Konfliktparteien– Wiederherstellung der Ordnung– Repatriierung von Flüchtlingen und IDPs– Ausbildung für Ordnungskräfte & Justiz– Durchführung oder Beobachtung von Wahlen– Menschenrechtsschutz– Aufbau von Regierungsinstitutionen– Reintegration & Rehabilitation– Mitwirkung möglichst vieler an der Gesellschaft

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Der Begriff des Nation-Building

• Klassischer Gebrauch in der Modernisierungstheorie

• Definition nach Jochen Hippler:„Nation building ist einerseits ein Prozess sozio-politischer Entwicklung – meist über eine längere Zeitspanne – aus zuerst locker verbundenen Gemeinschaften eine gemeinsame Gesellschaft mit einem ihr entsprechenden Staat werden lässt, d. h. die Herausbildung eines National-Staates.“

Jochen Hippler

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Nation-Building heute

• Heutiger Gebrauch im Zusammenhang des Staatenzerfalls

• James Dobbin et al. 2003. America‘s Role in Nation-Building (RAND) schlägt diese Definition vor: „the use of armed force in the aftermath of a conflict to underpin an enduring transition to democracy.”

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Dimensionen des Nation-Building

• Gemeinschaftsbildende IdeologieAufbau einer nationalen Identität

• Integrierte GesellschaftNationale Infrastruktur

• Funktionierender StaatsapparatFunktionierendes Polizei- & Justizsystem, Verwaltung, Steuerwesen

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Beispiel: Deutschland

Die Besatzung Deutschlands

Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse1945

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Beispiel: Japan

General McArthur

Der japanische Kaiser unterzeichnet die Kapitulation Japans am 2. September 1945

auf USS Missouri

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Lehren aus Deutschland & Japan

• Demokratie kann „exportiert“ werden• Besiegte Völker können überraschend

kooperativ sein• Wiederherstellung der Gerechtigkeit ist

wichtig• Wiederherstellung der internen Sicherheit

verlangt eher Polizeieinsätze als Militäraktionen

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Somalia & Haiti

• Zwei bescheidenere aber misslungene Versuche

• Lehren:– Militärische Massnahmen nicht genug…– … aber Sicherheit ist eine Voraussetzung

anderer Reformen– klare Prioritäten und ausreichende Ressourcen

notwendig

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Bosnien und Kosovo

• Lehren:– verfrühte Wahlen können kontraproduktiv sein– zivile Ordnung grosse Herausforderung– das internationale Umfeld kann entscheidend

sein

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Afghanistan

• Lehren:– die Ergebnisse sind

proportional zum Einsatz

– ohne Sicherheit wird Entwicklung schwierig

– das internationale Umfeld ist wichtig und hat hier geholfen; wie wird dies zukünftig sein?

Bonner Konferenz im Dez. 2001

Präsident Karzai

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Allgemeine Lehren

• Warum war nation building in Deutschland und Japan so erfolgreich?– Nationale Identität– Integrierte Gesellschaft– Starker Staat– (Teilweise) demokratische Tradition– Ausreichender Einsatz

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Schlussfolgerungen

• Nation building verlangt Ressourcen und Geduld

• Der Preis des Einsatzes hängt von Homogenität, Entwicklung, Staat und Demokratie ab

• Multilaterale Einsätze sind komplizierter, können aber effektiver sein