Intelligente Oberflächen

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Dokumentation Forschungspolitischer Dialog Donnerstag, 5. Juli 2012 Heizkraftwerk Moabit Forschungspolitischer Dialog Eine Veranstaltungsreihe der TSB Technologiestiftung Berlin und der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung

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In der Hauptstadtregion beschäftigen sich rund 2.500 Menschen in der Industrie und mehr als 1.000 Menschen in der Wissenschaft direkt mit Oberflächentechnologien. In einigen Anwendungsfeldern nimmt diese sogar eine Spitzenposition in Deutschland ein. Dennoch fehlt es den Akteuren oft an Übersicht und Kontakten innerhalb und außerhalb ihrer Branche. Der Forschungspolitische Dialog “Intelligente Oberflächen” am 5. Juli 2012 zeigte exemplarisch, wie die Potentiale dieser Querschnittstechnologie über Branchen- und Clustergrenzen hinweg verwirklicht werden können und wo Anknüpfungspunkte für Kooperationen entstehen können.

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Dokumentation Forschungspolitischer Dialog Donnerstag, 5. Juli 2012Heizkraftwerk Moabit

Forschungspolitischer Dialog Eine Veranstaltungsreihe der TSB Technologiestiftung Berlin und der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung

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Norbert Quinkert · TSB Technologiestiftung Berlin

Begrüßung

Die Forschungspolitischen Dialoge sind eine gemeinsame Ver-

anstaltungsreihe von TSB Technologiestiftung Berlin und der Se-

natsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung. Sie

sind ein wichtiges Instrument zur Identifizierung und Diskussion

neuer Innovationsschwerpunkte und Handlungsfelder für die

Region.

Die heutige Veranstaltung beschäftigt sich mit dem Thema „In-

telligente Oberflächen“. Oberflächen entscheiden heute mit über

den Erfolg von Produkten. Was für alle Produkte gilt, gilt für die

High Tech-Produkte aus den regionalen Clustern in besonderer

Art und Weise. Oberflächen mit besonderen Funktionalitäten, in-

telligente Oberflächen, sind deshalb clusterübergreifend wichtig.

Die große Relevanz in allen Bereichen führt dazu, dass Oberflä-

chen zwar überall entwickelt, optimiert oder neu konzipiert und

in der Region sehr erfolgreich bearbeitet werden, aber nicht als

eigenes Thema diskutiert werden. Die TSB Technologiestiftung

Berlin, zu deren Aufgaben es gehört, Stärken des Wissenschafts-

und Technologiestandortes sichtbar zu machen, Vernetzung zu

fördern, Impulse zu geben und Synergien zu erzeugen, wo dies

möglich ist, hat sich deshalb des omnipräsenten und dennoch

fast unsichtbaren Themas „Intelligente Oberflächen“ angenom-

men und ist folgenden Fragen nachgegangen:

k Wo in Berlin wird an intelligenten Oberflächen gearbeitet?

k Kennen sich die Akteure untereinander?

k Wo könnte eine stärkere Vernetzung untereinander Effekte

bringen?

k Wie könnte man eine stärkere Vernetzung der Oberflächen-

technologen erreichen?

Antworten auf diese Fragen hat die TSB jetzt in einer Studie zu-

sammengetragen*. Die Autorin Ines Junge hat zusammengestellt,

wo überall in Berlin und Brandenburg zum Thema geforscht und

entwickelt wird und sie hat aufgezeigt, wie beispielsweise durch

eine stärkere Vernetzung von Werkstofftechnik und Medizintech-

nik oder eine engere Zusammenarbeit von Technologen und De-

signern weitere Entwicklungen angestoßen werden können.

Schon heute beschäftigen sich rund 2.500 Menschen in der In-

dustrie und mehr als 1.000 Menschen in der Wissenschaft der

Hauptstadtregion direkt mit Oberflächentechnologien, rund

25.000 Arbeitsplätze gibt es in Firmen, für deren Produkte Ober-

flächentechnologien relevant sind.

Nun gilt es, die beeindruckende Übersicht über die Stärke und

Vielfalt der hiesigen Oberflächentechnologien ins allgemeine Be-

wusstsein zu bringen, diese Handlungsempfehlungen zu disku-

tieren und – wo sinnvoll – anzugehen.

*Junge, Ines: Intelligente Oberflächen – Innovationen aus Wissenschaft und Wirtschaft in Berlin-Brandenburg, TSB-Studien zu Techno-

logie und Innovation (Hg. Christian Hammel), Berlin 2012. Die Studie ist im Regioverlag erschienen und kann direkt beim Verlag per

Mail unter [email protected], per Telefax +49 30 443770222 oder über den Buchhandel bezogen werden.

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Begrüßung

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Norbert Quinkert · TSB Technologiestiftung Berlin · Vorsitzender des Vorstands

Begrüßung 3

Staatssekretär Nicolas Zimmer · Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung

Grußwort 6

Basispapier · Ines Junge · TSB Technologiestiftung Berlin

Perspektiven der Querschnitttechnologie – „Intelligente Oberflächen“ in der Hauptstadtregion 8

Vorstellung der TSB Studie · Ines Junge · TSB Technologiestiftung Berlin

Intelligente Oberflächen – Innovationen aus Wissenschaft und Wirtschaft

in Berlin-Brandenburg 16

Podiumsdiskussion

Einbindung von Querschnittstechnologien in die gemeinsame Innovationsstrategie

Berlin und Brandenburg 19

Themenblock 1

Dünnschichttechnologie

Dr. Friedhelm Heinrich · Technische Hochschule Wildau · AG für Photonik, Laser- und Plasmatechnologien

Kurze Darstellung der Arbeitsrichtung der Gruppe Photonik, Laser & Plasmatechnologien

an der TH-Wildau 25

Prof. Dr. Jürgen P. Rabe · Humboldt-Universität zu Berlin · Institut für Physik & IRIS Adlershof

Organisch-Anorganische Hybridsysteme – Funktionale Oberflächen für die Opto-Elektronik 26

Peter Krause · First Sensor AG

Individuelle Sensorlösungen für höchste Ansprüche 28

Olga Kulikovska · Manfred Paeschke · Bundesdruckerei GmbH

Oberflächen in Diensten der Sicherheit 30

Inhalt

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Themenblock 2

Biologisierung und Biofunktionalisierung

Dr. Joachim Storsberg · Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP

Intelligente Oberflächenmodifikation in der Biomaterialentwicklung 33

Susanne Kahl · Merete Medical GmbH

Biokompatible Oberflächen für Implantate und Endoprothesen 35

Prof. Dr. Marga C. Lensen · Technische Universität Berlin · Institut für Chemie

Oberflächenstrukturierung für die Interaktion mit Biomaterialien und lebenden Zellen 36

Dr. Wilfried Weigel · Scienion AG

Anforderungen an das Oberflächendesign bei Microarrayanwendungen 37

Dr. Karl Kratz · Helmholtz-Zentrum Geesthacht · Zentrum für Biomaterialentwicklung Teltow

Gewebespezifische Biomaterialien auf Polymerbasis für zellbasierte Therapieansätze 38

Themenblock 3

Bauteile und Beschichtung

Dr. Driss Bartout · Technische Universität Berlin, Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb –

Füge- und Beschichtungstechnik

Neues Forschungszentrum für Füge- und Beschichtungstechnik 41

Dr. Wagdi Garkas · Brandenburgische Technische Universität Cottbus · Lehrstuhl Metallkunde und Werkstofftechnik

Erosions- und Korrosionsforschung mithilfe der PVD-Technologie 42

Dr. Peter Siemroth · Arc Precision GmbH · Wildau

Anlagen-, Technologie- und Schichtentwicklung für Industrie und Forschung 44

Dr. Christian Hammel · TSB Technologiestiftung Berlin

Abschluss 45

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Staatssekretär Nicolas Zimmer · Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung

Grußwort

Sehr geehrter Herr Staatssekretär Heidemanns, sehr geehrter Herr Quinkert, sehr geehrter Herr Dr. Kopp, meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich freue mich sehr, Sie zum Forschungspolitischen Dialog „In-

telligente Oberflächen“ begrüßen zu können: Er ist zwar schon

der Dialog Nr. 19, stellt aber dann doch ein gewisses Novum

dar: Seit der neuen Legislaturperiode sind Wirtschaft, Technolo-

gie und Forschung in einem Ressorts vereint und – wie das bei

M&A gemeinhin so ist – haben wir einen echten Synergieeffekt

zu verzeichnen: Der Senat spricht auf dem Forschungspolitischen

Dialog jetzt nur noch mit einer Stimme.

Aber Ironie beiseite: Der neue Ressortzuschnitt bietet uns die

große Chance, die Kooperation von Forschungseinrichtungen

und Unternehmen aus einem Haus heraus zu koordinieren und

zu gestalten. Ohne Reibungsverluste kann so der Technologie-

transfer gefördert, können Ausgründungen vorangetrieben und

Forschungsallianzen in zukunftsträchtigen Themen geknüpft

werden.

Ausdrücklich begrüßen möchte ich gerade deshalb auch die

hier anwesenden Vertreter der Hochschulen, die aus ihrer For-

schungsarbeit zum Thema Oberflächen berichten werden. Ich

kann Ihnen versichern, dass der Berliner Senat in der engen

Zusammenarbeit von Lehre, Hochschulforschung, außeruniver-

sitärer Forschung und Wirtschaft den wichtigsten Garanten für

die Zukunftsfähigkeit der Hauptstadtregion sieht. Wir freuen uns

deshalb sehr über die jüngsten Erfolge in der Exzellenzinitiative

des Bundes.

Als das Veranstaltungsformat „Forschungspolitischer Dialog“

Mitte der 90er Jahre unter dem damaligen Wissenschaftssenator

Professor Erhardt ins Leben gerufen wurde, ging es vor allem da-

rum, die gerade erst vereinigte Wissenschafts- und Forschungs-

landschaft Berlins mit einer Wirtschaft ins Gespräch zu bringen,

die sich nach der Wende und dem Ende der Berlin-Förderung in

massiven Turbulenzen und einem dramatischen Strukturwandel

befand.

Die Forschungspolitischen Dialoge setzten dabei bewusst auf die

breite, inhaltlich aber weitgehend unstrukturierte Wissensbasis

des wiedervereinigten Berlins auf und formulierten im Dialog

mit Vertretern der Wirtschaft Handlungsempfehlungen oder –

wie es nun heißt – roadmaps hin zu einer engeren Vernetzung

von Hochschulen, außeruniversitärer Forschung und Wirtschaft

in bestimmten Technologiefeldern, die als zukunftsträchtig an-

gesehen wurden.

Heute lässt sich feststellen, dass viele Forschungsschwerpunkte

und Technologiepotentiale, die im Laufe der Jahre in den For-

schungspolitischen Dialogen identifiziert und diskutiert wurden,

eine beeindruckende Karriere gemacht haben. Ob Biomedizin,

Verkehrssystemtechnik, Mikrosystemtechnik oder Energietech-

nik, die einstigen „Potentiale“ sind zu Clustern der Gemeinsamen

Innovationsstrategie Berlin-Brandenburg avanciert und bestim-

men maßgeblich das forschungspolitische und das wirtschafts-

politische Handeln in der Region.

Wir dürfen uns aber auf dem Konzept der innoBB nicht ausruhen,

sondern müssen uns in der Politik, der Wissenschaft und in den

Unternehmen fragen, wie sich die Region aus ihrem ja sehr um-

fangreichen Fundus neue Innovationsressourcen eröffnen kann.

Deshalb steht im Mittelpunkt des heutigen Dialogs ein Thema,

das sich im ersten Moment etwas sperrig anhören mag, aber au-

ßerordentliche wirtschaftliche Wachstumspotentiale in sich birgt:

Die intelligenten Oberflächen.

DokumentationForschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012

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Wir reden oft von den sogenannten hidden champions in der

Region; offensichtlich haben wir mit den in Berlin und Brandenburg

vorhanden Kompetenzen im Bereich der Oberflächentechnolo-

gien ein hidden potential, dessen industrielle Möglichkeiten noch

weitgehend unerschlossen sind.

Jetzt ist es ja heute gerade in den Spitzentechnologien so, dass

wir in der Regel keine linearen Innovationsprozesse von der For-

schung hin zum Produkt mehr haben. Aufgrund der Komplexität

technologischer (System-)Lösungen müssen potentielle Anwen-

der häufig von Anfang an in die FuE-Arbeit miteinbezogen wer-

den und es gibt hin zur Marktreife eines Produktes immer wieder

Rückkoppelungsprozesse in die FuE-Arbeit hinein.

Insofern bin ich dankbar, dass die von der TSB Stiftung vorgelegte,

sehr gründliche und umfangreiche Studie zu den Intelligenten

Oberflächen die teilweise versteckten Kompetenzen zu diesem

Thema ans Licht holt, auf ihren strategischen Wert hin taxiert und

das doch sehr breite Spektrum von Anwendungsmöglichkeiten

sehr detailliert auffächert.

Ziel des heutigen Dialogs ist es also, erstens das in der Region

vorhandene Know-how im Bereich der Materialforschung als ei-

nes der sogenannten Querschnittsthemen der InnoBB sichtbar

und transparent zu machen.

Zweitens geht es darum, die innovierende Kraft der Oberflächen-

technologien für die Cluster der Region herauszuarbeiten und

entsprechende Handlungsempfehlungen zu entwickeln.

Die Bandbreite der potentiellen Anwendungen der Oberflächen-

technologien zeigt ja eindrucksvoll, welches wissenschaftliche

und wirtschaftliche Potential sich eröffnet, wenn an den Schnitt-

stellen von Technologien und Clustern geforscht und gearbeitet,

quer gedacht wird. Insofern sollten wir die Gemeinsame Inno-

vationsstrategie mit ihren Festlegungen zu Clustern und Quer-

schnittsthemen nicht als ein einengendes Korsett betrachten,

sondern müssen sie als gleichsam „atmendes“ System begreifen.

Ob in der Medizin, in der Kreativwirtschaft, in der Nachrichten-

technik, in der Produktionstechnik – die Bearbeitung und neuar-

tige Beschichtung von Oberflächen verändert Prozesse und Pro-

dukte und auch Dienstleistungen. Sie kann neue Arbeitsplätze

in Spitzentechnologien schaffen, aber auch im Gewerbe und im

Dienstleistungssektor erhebliche Beschäftigteneffekte eröffnen.

Sehr geehrte Damen und Herren, auch aufgrund der exzellenten

Vorarbeit in der von der Technologiestiftung vorgelegten Studie

bin ich überzeugt, dass wir heute einen sehr fundierten Einblick

in die wissenschaftlichen und vor allem auch wirtschaftlichen Po-

tentiale der Oberflächentechnologien erhalten werden. Ich wün-

sche Ihnen spannende Einsichten, eine angeregte Diskussion und

neue Ideen für gemeinsame Kooperationen.

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Grußwort

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Basispapier · Ines Junge · TSB Technologiestiftung Berlin

Perspektiven der Querschnitttechnologie – „Intelligente Oberflächen“ in der Hauptstadtregion

Die Forschungspolitischen Dialoge sind eine Veranstaltungsreihe der TSB Technologiestiftung Berlin mit der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung. Sie sind ein Instrument zur Identifizierung und Diskussion neuer Innovationsschwerpunkte und Handlungsfelder für die Region. Das Basispapier liefert Hin-tergrundinformationen zu oberflächentechnologischer Forschung und Entwicklung in der Region Berlin-Bran-denburg. Diese Informationen beruhen auf der Studie „Intelligente Oberflächen“, die die TSB Technologiestif-tung Berlin Anfang 2012 veröffentlichte (siehe Seite 16). Außerdem werden einige Thesen formuliert, die beim Forschungspolitischen Dialog am 5. Juli zur Diskussion standen.

Ausgangssituation und Rahmenbedingungen/Einführung

Das Thema Oberfläche als ein Ausschnitt der Materialforschung

und Werkstofftechnik wird als Zukunftstechnologie hervorgeho-

ben. Oberflächentechnische Innovationen sind oft nicht auf den

ersten Blick sichtbar, da sie selten eigenständige Produkte sind,

sondern als Verfahrensinnovationen schnell in den Stand der

Technik diffundieren. Sie tragen allerdings in vielen verschiede-

nen Branchen und Anwendungsfeldern deutlich zur Innovation

bei. Die Hauptstadtregion steuert zum Thema viele F&E-Impulse

beziehungsweise -Ergebnisse bei. Ob bei photovoltaischen Dünn-

schichtsystemen, bei Nanometallfluoriden zur Entspiegelung von

Glas, bei neuen Farbstoffen für elektrochrome Scheiben, bei

Lacken mit Selbstheilungseffekt oder Beschichtungen, die re-

sistent gegen Biofilmbildung sind: Überall zeigt sich Berlins und

Brandenburgs breitgefächerte F&E-Kompetenz in den Oberflä-

chentechnologien. Ebenso mannigfaltig sind die möglichen Funk-

tionalisierungen von Oberflächen oder Schichten, die die Eigen-

schaften des reinen Strukturmaterials verbessern, erweitern oder

spezifische Wechselwirkungen mit der Umwelt erst ermöglichen.

Diese Funktionen der Oberfläche sind in erster Näherung biologi-

scher, chemischer, elektrischer, thermischer, optischer, mechani-

scher, akustischer, sensorischer und/oder schaltbarer Natur.

Die Überschneidungen von intelligenten bzw. funktionalen Ober-

flächen mit angrenzenden Technologiefeldern sind überdeut-

lich. In nationalen wie internationalen Strategien werden sie je

nach Gewichtung unter Neue Materialien, Werkstofftechnik oder

Smart Materials, in die Nanotechnologie oder Produktionstech-

nologie eingeordnet, verschiedentlich auch als F&E-Schwerpunkt

in den einzelnen Naturwissenschaften betrachtet (z.B. Supra-

molekulare Chemie mit Selbstorganisationsprinzipien). Leicht

lassen sich auch Bezüge zu Clean Technologies (Energie- und

Ressourceneffizienz), Bionik und zu nachhaltigen Werkstoffent-

wicklungen (Recycling, Nachwachsende Rohstoffe) herstellen. In

der regionalen Innovationsstrategie wird das Thema Oberfläche

gemeinhin in das Querschnittthema „Werkstoffe/Materialien“1

eingeordnet.

Perspektiven der Querschnitttechnologie „Intelligente Oberflächen“ in der Hauptstadtregion

Kategorisierung der QuerschnitttechnologieDa sowohl anhand einzelner Oberflächenfunktionalitäten als

auch anhand der Verfahren ihrer Herstellung oder Erzeugung –

1 Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen und Ministerium für Wirtschaft und Europaangelegenheiten des Landes Brandenburg (Hrsg.): Gemeinsame Innovationsstrategie der Länder Berlin und Branden-burg (innoBB), 2011, S. 14

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Basispapier

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seien es Oberflächen- bzw. Randzonenmodifikationen oder Be-

schichtungsarten – eine sehr kleinteilige Kategorisierung der

Oberflächentechnologien erfolgen würde (in der zu Grunde lie-

genden Studie wurden an die 100 Technologien identifiziert, die

in der Region vorhanden sind), lohnt eher die systematische Dar-

stellung unter Zuordnung zu den innovationspolitischen Clustern

der Region bzw. zu den vielfältigen Oberflächentechnologien an-

wendenden Branchen.

Mit dem Ziel, die Innovationsfähigkeit der Hauptstadtregion bes-

ser in wirtschaftliche Leistungsfähigkeit umzusetzen, wurden die

innovationspolitischen Aktivitäten und die Wirtschaftsförderung

Berlin-Brandenburgs auf ausgewählte Felder konzentriert. Bis-

lang sind fünf branchenorientierte Cluster der Länder aufgestellt

worden: Gesundheitswirtschaft; Energietechnik; Verkehr, Mobili-

tät und Logistik; IKT/Medien/Kreativwirtschaft sowie Optik.2

Innerhalb der für Berlin-Brandenburg relevanten Cluster und

Branchen lassen sich über 20 verschiedene oberflächentechno-

logische Themenfelder identifizieren (siehe Seite 11 Besondere

Stärken und Potenziale).

2 Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen und Ministerium für Wirtschaft und Europaangelegenheiten des Landes Brandenburg (Hrsg.): Gemeinsame Innovationsstrategie der Länder Berlin und Branden-burg (innoBB), 2011, S. 8–12.

Status der Oberflächentechnologien in Berlin-Brandenburg

Institutionen und ArbeitsplätzeIn den über 20 identifizierten Anwendungsfeldern der Oberflä-

chentechnologien leisten rund 350 Akteure – wissenschaftliche

Arbeitsgruppen, Unternehmen und Netzwerke – einen wesentli-

chen Beitrag zur Schaffung von Arbeitsplätzen in den regionalen

Innovationsclustern und weiteren Industrien sowie industriena-

hen Dienstleistungen.

Im Bereich der öffentlichen Forschung befassen sich 24 im Land

Berlin ansässige wissenschaftliche Einrichtungen mit jeweils

mehreren Abteilungen sowie 14 solcher Art in Brandenburg mit

oberflächenrelevanten Themen und beschäftigen ca. 1.000 Mit-

arbeiter.

Mindestens 2.500 industrielle Arbeitsplätze sind unmittelbar mit

Oberflächentechnik verbunden, darüber hinaus sind Oberflächen-

technologien für eine Vielzahl von Unternehmen mit weiteren

25.000 Arbeitsplätzen außerhalb ihres Kerngeschäfts relevant.

Forschung und Entwicklung zu Oberflächentechnologien betrei-

ben 93 kleine und mittelständische Unternehmen (79 in Berlin,

14 in Brandenburg) sowie 19 Großunternehmen (16 in Berlin, 3

in Brandenburg). Dazu kommen 66 Unternehmen, die oberflä-

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Basispapier

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chentechnologische Dienstleistungen anbieten, ohne signifikant

eigene Forschung zu betreiben (35 in Berlin, 31 in Brandenburg).

Forschungseinrichtungen in Berlin k Beuth Hochschule für Technik Berlin

k Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung BAM

k Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR

k Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenz-

technik FBH

k Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktions-

technik IPK

k Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration

IZM

k Freie Universität Berlin FU

k Fritz-Haber-Institut FHI

k Heinrich-Hertz-Institut für Nachrichtentechnik HHI

k Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH

HZB (ehemals Hahn-Meitner-Institut)

k Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin HTW

k Humboldt-Universität zu Berlin HU

k Institut für angewandte Photonik e.V. (IAP e.V.)

k ISAS – e.V. (Institute for Analytical Sciences) – Leibniz-Institut

für Analytische Wissenschaften

k Kunsthochschule Berlin (Weißensee)

k Leibniz-Institut für Kristallzüchtung IKZ

k Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektros-

kopie (Leibniz-Gemeinschaft) MBI

k OUT e.V. – Optotransmitter-Umweltschutz-Technologie e.V.

k Paul Drude Institut für Festkörperelektronik PDI

k Technische Universität Berlin TUB

k Universität der Künste Berlin UdK

k PVComB, Photovoltaik – Kompetenzzentrum für Dünnschicht-

und Nanotechnologien Berlin

k Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik

WIAS

k Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin

Forschungseinrichtungen in Brandenburg k Brandenburgische Technische Universität Cottbus BTU

k Fachhochschule Brandenburg

k Fachhochschule Potsdam

k Fraunhofer-Einrichtung für Polymermaterialien und Composite

PYCO (zu Fraunhofer IZM)

k Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP

k Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT

k Helmholtz-Zentrum Geesthacht HZG, Institut für Polymerfor-

schung, Zentrum für Biomaterialentwicklung (Teltow)

k Hochschule Lausitz (Senftenberg und Cottbus)

k Institut für Dünnschichttechnologie und Mikrosensorik e.V.

IDM

k Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik (Innovations for

high performance microelectronics ihp)

k Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung

MPI-KG

k Panta Rhei gGmbH – Forschungszentrum für Leichtbauwerk-

stoffe

k Technische Hochschule Wildau

k Universität Potsdam

PatentsituationIm deutschlandweiten Vergleich gehören Berlin und Branden-

burg nicht zu den Bundesländern mit großer Patentaktivität: Im

Jahr 2009 belegte Berlin Rang 9, Brandenburg Rang 12. Das

Patentierverhalten der Region zum Thema Oberflächen kann

ohne eine Sonderauswertung kaum zufriedenstellend ermittelt

werden. Eine vorsichtige Abschätzung über das Patentrecherche-

Tool des DPMA erbrachte für Berlin-Brandenburg und den Zeit-

raum 2000 bis 2011 etwa 1.600 veröffentlichte Patentschriften

mit Oberflächen- bzw. Beschichtungsbezug in der Region, im

Mittel also rund 150 erteilte Patente jährlich. Gemessen an der

Gesamtmenge von Patenten aus der Region sind ca. 11% oberflä-

chenrelevante Patente ein Indiz für einen erheblichen „Anteil der

Oberfläche“ an der Wertschöpfung eines Produkts.

Aus- und WeiterbildungDie akademische Aus- und Weiterbildung ist dadurch gekenn-

zeichnet, dass oberflächentechnologische Inhalte über die

verschiedenen natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächer

sowie Universitäten und Hochschulen breit gestreut sind. So

bestehen keine einschlägigen Studiengänge, am ehesten lässt

sich das Thema Oberflächen im Rahmen von Verfahrenstechnik,

Werkstofftechnik, Physik oder Chemie vertiefen. Eventuellen

Nachwuchssorgen bzw. dem Fachkräftemangel insbesondere bei

hochspezialisierten Anforderungen wird von Unternehmen und

Forschungseinrichtungen durch Heranziehen des eigenen Nach-

wuchses begegnet.

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Basispapier

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Besondere Stärken und PotenzialeBei einigen Themen besitzen Wissenschaftler und Unternehmen

der Region bereits heute eine herausragende Stellung im Wettbe-

werb oder verfügen über besondere Potenziale.

Eine Spitzenstellung in Deutschland nimmt Berlin-Brandenburg

beim Thema „Dünnschichttechnologie“ ein. Dazu gehören:

k Dünnschicht-Elektronik und Dünnschicht-Messtechnik

(Sensorik),

k Photonik,

k Dünnschicht-Photovoltaik.

Gut aufgestellt ist die Hauptstadtregion zu „biologischen, biolo-

gisierten oder biofunktionalisierten Oberflächen“, speziell in den

Kategorien:

k Biokompatible Oberflächen,

k Bio-Analytik/Diagnostik und Nano-Biotechnologie

sowie im Bereich „Bauteile & Beschichtung“, mit den konkreten

Kategorien:

k Bauteilbeschichtung/Verfahrenstechnik und

k Oberflächen- und Schichtanalytik/Anlagentechnik.

Wegen ihres hohen Wachstumspotenzials stellten sich für die

Region zudem die Bereiche Energiewandlung und -speicherung

sowie Umwelttechnik als besonders entwicklungsfähig heraus.

Die größten thematischen Schnittmengen der beiden Länder

Berlin und Brandenburg zeigen sich in den Bereichen „Bio-Ana-

lytik und Diagnostik“, „Dünnschicht-Messtechnik (Sensorik)“ und

„Bauteilbeschichtung/Verfahrenstechnik“.

Themenblock I: Dünnschichttechnologie

PhotovoltaikIn der Photovoltaik werden Dünnschichttechnologien aufgrund

des wesentlich verringerten Material- und Energieverbrauchs

(um 99 % bzw. 50 % gegenüber konventioneller Solarzellentech-

nik) vorangetrieben, wenngleich die klassische, auf Silizium-Wa-

fern basierende Technik noch einen Wirkungsgradvorsprung vor-

weisen kann. Merkmal und Vorteil der Dünnschicht-Photovoltaik

ist außerdem deren integrierte Fertigung mittels großflächiger

Beschichtungs- und Strukturierungsverfahren für Absorber, Elek-

troden, Antireflexeigenschaft und Verkapselung. Die untersuch-

ten Materialklassen für Dünnschichtsolarzellenabsorber sind

amorphe (a-Si), hybride (mikromorphes µ-Si/a-Si) und Verbin-

dungshalbleiter (Cadmiumtellurid/CdTe, Chalkopyrite/CIS) bis

hin zu organischen Werkstoffen (Kunststoffe, Farbstoffe), hybri-

den Materialien (Tandem- oder Multispektralzellen) oder Nano-

kompositen.

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Basispapier

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Forschung und Entwicklung für Photovoltaik, d.  h. zugehörige

Materialforschung, Oberflächen- und Schichttechnologien, sind

in der Hauptstadtregion ein Schwerpunkt von überregionaler/

internationaler Bedeutung und Vernetzung. Hinzu kommen viel-

fache Kooperationen von Unternehmen und Wissenschaftsein-

richtungen im gesamten Umfeld „dünne Schichten“, sodass in

Berlin-Brandenburg eine „in Deutschland einmalige Dichte von

Kompetenzen in der Dünnschichttechnologie“3 besteht. Ange-

sichts der strauchelnden Solarwirtschaft gilt es umso mehr, den

Bereich Forschung und Entwicklung zu fördern und somit hoch-

innovative Technologiekapazitäten zu errichten.

PhotonikIn der Hauptstadtregion ist Material- und Systemforschung für

photonische Anwendungen schwerpunktmäßig verankert. Eine

Reihe miteinander vernetzter Akteure widmet sich in vielfacher

Hinsicht der Thematik „dünne Schichten“, verschiedenen Mate-

rialsystemen und Herstellungsverfahren, wobei diese mit einer

deutlichen Selbstverständlichkeit als wesentliche Bausteine für

die Photonik angesehen werden. Bezüglich der Materialbasis wird

beispielsweise an für die Lichtemission geeigneten organischen

Stoffen (sogenannte Green Photonics) geforscht. Im Kontext von

Lichtquellen, Lichtwellenleitern, photonischen Speichern und

Schaltkreisen, aber auch Lichtsensoren, optischen (holographi-

schen) Sicherheitsmerkmalen oder diffraktiv-mikrooptischen

Bauteilen finden die Erkenntnisse ihre Anwendung. Die Berlin-

Brandenburger Akteure mehrerer einschlägiger Forschungsin-

stitute verfolgen gemeinsame Ziele, etwa zur Halbleiter-Nano-

photonik und zu polymerbasierten photonischen Komponenten.

Häufig führen die sehr spezifischen Forschungsergebnisse zu

Firmenausgründungen.

Dünnschicht-Elektronik“ und „Dünnschicht-Messtechnik, Sensorik/AktuatorikDie Hauptstadtregion beherbergt in sehr hoher Zahl Kompeten-

zen in der Dünnschichttechnologie für elektronische Anwendun-

gen. Im Mittelpunkt stehen dünne Schichten mit entsprechen-

den Materialeigenschaften bzw. daraus aufgebaute, strukturierte

Bauelemente, die elektrische Leitfähigkeit oder Isolierung/elek-

3 PVcomB: PVcomB – Projekte, <http://www.helmholtz-berlin.de/pro-jects/pvcomb/projekte_de.html>, zugegriffen am 10.10.2011.

tromagnetische Abschirmung, Leitfähigkeit in Kombination mit

Transparenz und Speicherbarkeit von Daten ermöglichen.

k Silizium,

k Verbindungshalbleiter und

k organische Materialien (Polymere, Graphen),

k Quantenpunkte oder

k auf molekularer Ebene angesiedelte Elektronik (mit entspre-

chend hoher Ortsauflösung der Schalt- und Speicherprozesse)

sowie Herstellungsmethoden wie

k Waferproduktion,

k Epitaxie,

k Aufbau- und Verbindungstechnik,

k Lithographie und

k Miniaturisierung/Nanotexturierung sowie

k das Drucken von elektronischen Schaltungen

sind die in diesem Feld bearbeiteten technologischen Schwer-

punkte. Von diesen neuen Hochleistungsmaterialien sowie den

zugehörigen Herstellungsprozessen und Bauelementen (von

Leistungselektronik wie Transistoren: OFET, HBT und Schaltkrei-

sen: MMICs bis Spin-/Magnetoelektronik für logische Operatio-

nen/Datenspeicherung) profitiert nicht zuletzt die Informations-

und Kommunikationstechnologie.

Die nah verwandte Dünnschicht-Sensorik, bei der nichtelek-

trische Größen in elektrische Signale umgewandelt werden

(chemische Parameter, zum Beispiel Gase/Luftfeuchtigkeit, me-

chanische, zum Beispiel Druck/strömendes Medium, thermi-

sche, optische oder ähnliche), ist in der Region überwiegend

forschungsseitig, aber auch in einigen Unternehmen präsent.

Aus dem Bereich Biosensorik und Photonik kommen außerdem

Forschungsbemühungen zur Signaltransduktion und optischen

Detektionsverfahren hinzu. Lohnenswert wäre die stärkere Ein-

beziehung der Aktuatorik (Umwandlung elektronischer Signale

in mechanische Bewegung oder andere physikalische Größen)

mittels Dünnschicht- oder weitergehender Oberflächentechnolo-

gien. Die aktive Beeinflussung von Umgebungsparametern (z. B.

Strömungsbeeinflussung in der Aerodynamik) birgt Innovations-

potenzial mit engem Bezug zu Energietechnik, Verkehrstechnik

oder allgemein Verfahrens- und Produktionstechnik.

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Basispapier

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Themenblock II: biologische, biologisierte, biofunktionalisierte Oberflächen

Biokompatible und bioaktive OberflächenDie Oberflächeneigenschaften Histokompatibilität (Gewebever-

träglichkeit) und Hämokompatibilität (Blutverträglichkeit) von

in biologischem Kontakt befindlichen Bauteilen wie Implantaten

oder medizinischen Hilfsmitteln spielen in dieser Kategorie die

Hauptrolle. Forschungs- und Entwicklungsinhalte des in Berlin-

Brandenburg in Grundlagenforschung wie wirtschaftlicher An-

wendung kompetent besetzten Bereichs „Biokompatible und

bioaktive Oberflächen“ bilden beispielhaft:

k die Initiierung von Einwachsen und Gewebeneubildung an

degradierbaren Implantatwerkstoffen,

k Implantatoberflächen als Wirkstoffträger, die gewebeheilende

Hilfsstoffe langsam und kontinuierlich freisetzen (Drug

Eluting)

k Oberflächenmodifizierungen an Diagnostik-Komponenten

(zum Beispiel Katheter).

Materialoberflächen, die definierte Zelltypen spezifisch binden

oder deren Bindung spezifisch verhindern, sind Gegenstand der

Forschung sowohl im Tissue-Engineering, wo man meist das

Wachstum eines bestimmten Zelltyps erleichtern will, als auch

bei neuartigen Antifouling-Oberflächen, mit denen man das

Wachstum von Biofilmen zu verhindern versucht. Im Sinne einer

stärkeren (regionalen) Vernetzung könnten diese Forschungs-

bemühungen auf das Gesamtthema „Werkstoffe im Zellkontakt“

ausgeweitet einen wichtigen Beitrag leisten, Pilotanwendungen

und die Anwendungsvielfalt auszubauen.

Oberflächen in der Nano-Biotechnologie und Oberflächentechnik in Bio-Analytik und DiagnostikIm Bereich Oberflächen in der Nano-Biotechnologie sind relativ

viele Akteure in der Hauptstadtregion tätig, eine Tatsache, die

nicht zuletzt auf die Vielfalt an molekularen Erkennungsmecha-

nismen, Wirkstoffen und Verkapselungsmaterialien (Polymere,

Biopolymere) zurückzuführen ist. Nach dem Prinzip der moleku-

laren Erkennung lassen sich Wirkstoffe durch natürliche Memb-

ranen schleusen oder künstliche Immunreaktionen hervorrufen.

Die betrachteten Strukturen sind meist selbstorganisierend (Dop-

pelschichtmembranen, Mizellen u. Ä.) und dienen der Mikrover-

kapselung von Wirkstoffen, dem Wirkstofftransport (Drug Delive-

ry) und der kontrollierten Wirkstofffreigabe (Controlled Release).

Einige technische Einsatzmöglichkeiten sind kurz- und mittelfris-

tig vielversprechend; Forschung, Projekte und Vernetzungsaktivi-

täten sind zudem stark international ausgerichtet.

Forschung und Entwicklung im Bereich Bioanalytik und -sensorik

sind in der Hauptstadtregion mit vielen Akteuren vornehmlich

aus Berlin und Potsdam besetzt, überregional bedeutsam und mit

anderen schwerpunktsetzenden Regionen vernetzt. Vor allem der

indikationsbezogen vorangetriebenen Entwicklung von Diagnos-

tika (speziell auch sogenannter Point-of-Care-Diagnostik) dienen

Methoden zur Immobilisierung bzw. Kopplung von bio(techno)lo-

gischen Substanzen (Biomolekülen) an Substrate. Für sogenann-

te Immunoassays, bei denen der Nachweis eines Analyten über

die Bindung an einen immobilisierten Antikörper und das Aus-

lesen der Information mit Hilfe von Fluoreszenzmarkern auf op-

tischem Wege erfolgt, oder bei der Entwicklung neuer Biochips/

Microarrays und Biosensoren gilt es, die Kopplungstechniken an

die spezifischen Anforderungen (Art von Substrat, Biomolekül

und Analyt/Zielmoleküle) anzupassen. Die an der Oberfläche

stattfindende Analytik direkt in einen darunter liegenden Mik-

roelektronikchip einzukoppeln (Schichtarchitekturen in der Form

Halbleiter – immobilisiertes Biomolekül) oder die Verhinderung

unspezifischer Bindungen in der Bio-Analytik sind weitere bear-

beitete Forschungsfragen in dieser Thematik.

Themenblock III: Bauteile & Beschichtung (Industrielle Oberflächentechnik im Maschinen-, Geräte- und Anlagenbau)

Bauteilbeschichtung, Verfahren, Simulation und Oberflächen- und Schichtanalytik, AnlagentechnikDie industrielle Oberflächentechnik vereint Oberflächenbehand-

lungsverfahren für unterschiedliche Werkstücke/Substrate wie

Werkzeuge, Bleche, Maschinenbauteile, die Gebiete Präzisions-

oberflächenbearbeitung/Laserstrahltexturierung sowie Ober-

flächenvorbehandlungen, z.B. für Fügetechniken von Bauteilen.

Daneben sind die Querschnittsthemen Energieeffizienz oder

Simulation/Modellbildung für die Oberflächentechnik von Be-

deutung. Zum Thema Simulation – als informationstechnische

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Basispapier

Page 13: Intelligente Oberflächen

14

Hilfe zugunsten der Optimierung, des Erkenntnisgewinns oder

des beschleunigten Entwurfs von maßgeschneiderten Werkstof-

fen, Verarbeitungstechnologien und Bauteileigenschaften – ver-

sammelte im Mai 2012 bereits ein Kooperationsforum (Veran-

staltungsreihe zur Oberflächentechnik von TSB und TH Wildau)

Experten und potenzielle Anwender aus den unterschiedlichsten

Technologiegebieten, von Galvanik bis Dünnschichttechnik für

die Optik oder Photovoltaik.

In der verfahrensseitigen Forschung und Entwicklung sowie

bei Anbietern universell einsetzbarer Oberflächenbehandlungs-

verfahren (z. B. Ultrapräzisions- und Lasermaterialbearbeitung)

weist Berlin-Brandenburg eine breit gefächerte und wettbe-

werbsfähige Kompetenz auf. Außerdem verfügt die Region über

eine große Zahl von Dienstleistern und Zulieferern vom Lohn-

beschichter bis zum Lackhersteller. Der Industriezweig ist in

Deutschland durch ein deutliches Branchenwachstum in den letz-

ten Jahren gekennzeichnet. Die aus der KMU-Struktur resultie-

rende Vielfältigkeit und Diversifizierung ist dabei charakteristisch.

Umweltfreundliche, energiesparende Verfahren, Beschichtungen

auf zunehmend verwendeten Leichtbausubstraten und wachsen-

de Anwendungsfelder mit Massenproduktionscharakter (Gläser,

Folien, Komponenten alternativer Antriebs- und Energietechnik,

nanotechnologische Erkenntnisse für Lacke) stehen vornehmlich

auf der Agenda. Trotz dieser günstigen Perspektiven wird die

industrielle Oberflächentechnik offensichtlich nicht ausreichend

wahrgenommen, obwohl sich ein erhebliches Innovationspoten-

zial bezüglich Reproduzierbarkeit, Prozessstabilität, Eigenschaf-

ten und Anforderungen zu Verfahren und Oberflächenphänome-

nen aufzeigt.

In der Oberflächen- und Schichtanalytik, aber auch bei Herstel-

lern von Anlagentechnik für Analytik und Präparation versammelt

die Hauptstadtregion schwerpunktartig Kompetenz, wobei sich

diese – überwiegend mittelständisch strukturiert – auf die hoch-

spezifischen Anforderungen aus der Dünnschichttechnik (Optik/

Photonik, Elektronik, Photovoltaik) und aus der Oberflächenana-

lytik vor allem wissenschaftlicher Einrichtungen konzentriert.

Forschung und Entwicklung oder auch Dienstleistungen umfas-

sen hier sowohl Struktur und Wachstum als auch Eigenschaften

und Funktionalitäten dünner Schichten inklusive der Weiterent-

wicklung von Oberflächen- und Schichtanalysemethoden (Quali-

tätsmanagement der Analytik) bzw. von Anlagentechnik für die

Oberflächen- und Schichtpräparation.

Weitere Bereiche

Auf den Plätzen folgen weitere Anwendungen aus der Energie-

technik wie die „Energiewandlung und speicherung“ sowie For-

schung und Entwicklung zu „Umwelttechnik“. Berlin hat hier vor

allem auf wissenschaftlicher Seite exzellente Kompetenzen in

punkto Katalyseforschung (Heterogene Katalyse, katalytische

Beschichtungen, z. B. für die Brennstoffzellentechnik) und viel-

versprechende Entwicklungen bezüglich nanoskaliger Katalysa-

tormaterialien und zum Antifouling bzw. Biokorrosionsschutz

zu bieten. Aufgrund dieser wissenschaftlichen Kompetenz und

dem hohen zu verzeichnenden Wachstum der Märkte sind diese

Themen als besonders entwicklungsfähig anzusehen, wenngleich

bisher nur relativ wenige Unternehmen darin aktiv sind.

Eher kleine, aber oftmals hochinnovative Themenkomplexe, in

denen einige Wissenschaftler, Institute und Unternehmen Kom-

petenzen besitzen, finden sich weiterhin in den Clustern bzw.

Branchen LifeScience (Oberflächentechnik in der Bioverfahrens-

technik), Energietechnik (Solarthermie), Optik und IKT/Medien/

Kreativwirtschaft (Optische Vergütung, Chromogene Dünn-

schichten, Funktionstextilien), Verkehr, Mobilität und Logistik

(Luft- und Raumfahrttechnik, Fahrzeugbau, Marine Technik) so-

wie Werkstofftechnik/Chemie/Analytik (Verpackungstechnologie

für die Lebensmittelindustrie, Printprodukte).

Nicht unbeachtlich sind auch die Kapazitäten der Region in der

Kreativbranche, der Begleitforschung oder sonstigen F&E, die

punktuell Bezug zu intelligenten Oberflächen nehmen. Hierbei

stellen sich Anwender, Produktentwickler, Kreative, Geistes- und

Sozialwissenschaftler oftmals die Frage, wie sie neue Materialien,

intelligente Oberflächen und Basisentwicklungen daraus nutzen,

ihr Anwendungspotenzial ausbauen oder deren zukünftige An-

wendung strategisch ausrichten können. Berlin und Brandenburg

könnten Material- und Oberflächeninnovationen aus der Region

stärker zum Anlass nehmen,

k sie mit Designinnovationen zu verknüpfen,

k zwischen Kreativen und (Material )Wissenschaftlern/Unterneh-

men eine gegenseitige Professionalisierung bei der Entwick-

lung von Anwendungsszenarien zu erreichen und

k durch aufkommende Anforderungen (Designkriterien,

Nutzerbedarfe) neue F&E an Oberflächen zu initiieren

(Forschung durch Design).

DokumentationForschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012

Page 14: Intelligente Oberflächen

15

Fazit

1. In der oberflächentechnologischen F&E von Wissenschaft und

Wirtschaft versammelt die Hauptstadtregion eine erhebliche,

jedoch bisher wenig beachtete Kompetenz, wovon die The-

menkomplexe

k Dünnschichttechnik in Elektronik, Photonik und Photo-

voltaik, Bauteilbeschichtung/Verfahrenstechnik und

Oberflächen- und Schichtanalytik

k biologische, biologisierte und biofunktionalisierte Ober-

flächen

jeweils eines der drei stärksten Felder darstellen. Es gilt, die

Kompetenzen der Region als Entwicklungs- und Produktions-

standort innovativer Oberflächentechnologien den Akteuren

und Beobachtern bekannter zu machen.

2. Die Anwender von Oberflächentechnologien sind – wie zu

erwarten war – größtenteils innerhalb der innovationspoliti-

schen Cluster anzutreffen. Als Teilgebiet der Materialwissen-

schaften bzw. Werkstofftechnik adressiert die gemeinsame

Innovationsstrategie der Länder Berlin-Brandenburg (innoBB)

die Oberflächentechnologien daher als ausgesprochene Quer-

schnittstechnologie. Zur Umsetzung der Innovationsstrategie

und damit zum Ausbau der regionalen Stärken sind die Clus-

ter-Strukturen geschaffen worden. In deren Rahmen empfiehlt

es sich auch, die Oberflächentechnologien aufzugreifen. Als

Innovationstreiber können sie Beiträge zu mehr Innovation

und damit zu mehr Arbeitsplätzen für die Region leisten.

3. Eine stärkere Vernetzung der oberflächentechnologischen

Kompetenzen über Disziplingrenzen hinweg erscheint nötig,

um insbesondere Kooperationspotenziale an den Schnittstel-

len der Disziplinen besser zu nutzen. So können Synergien

und Innovationen in Form neuer Kombinationen entstehen,

zumal die Querbezüge zwischen den Clustern in punkto Ober-

fläche technologisch bemerkenswert hoch sind. Dennoch

sind potenziellen Anwendern die Kompetenzen aus fremden

Fachgebieten nicht „selbstverständlich“ bekannt, d. h. es ist

ihnen auch nicht bewusst, welche verfügbaren Technologien

sich für das eigene Innoviergeschehen nutzen ließen. Dadurch

besteht die Gefahr, dass regionale Wertschöpfungspotenziale

und Fühlungsvorteile ungenutzt bleiben.

4. Insbesondere könnten Material- und Oberflächeninnovatio-

nen gemeinsam mit der in der Region stark vertretenen Krea-

tivbranche stärker zum Anlass genommen werden, neue oder

erweiterte Anwendungsszenarien aufzustellen, eine gegen-

seitige Professionalisierung zu erreichen und eventuell von

Seiten aufkommender Nutzerbedarfe neue oberflächentech-

nische F&E zu initiieren.

5. Eine die Kompetenzträger visualisierende Wissenslandkar-

te kann helfen, relevante Kooperationspartner aufzuspüren

sowie der (Fach-)Öffentlichkeit bestehende, bestimmte For-

schungsfragen thematisierende Zusammenarbeiten aufzuzei-

gen. Die Empfehlung, durch Wissenslandkarten mehr Transpa-

renz bezüglich der Kompetenzträger zu schaffen, zielt auf das

bereits erwähnte, vorhandene Potenzial an Wertschöpfung

und Fühlungsvorteilen. Sowohl für die verschiedenen techno-

logieorientierten Kompetenzträger als auch für Kreativbran-

che und Fachöffentlichkeit ließe sich insgesamt ein leichterer

Zugang zu oberflächentechnologischen Innovationen der Re-

gion schaffen.

6. Die eher kleinen, aber oftmals hochinnovativen Themenkom-

plexe, in denen bisher nur wenige Kompetenzen in der Re-

gion vorhanden sind, benötigen zunächst einen Ausbau der

Forschungskapazitäten. Vor dem Hintergrund, dass manche

Felder sich auch national oder international erst im Aufbau

befinden, aber enormes Wachstumspotenzial versprechen,

sollte daran das Vervollständigen einer wettbewerbsfähigen

Verwertungskette anschließen und damit die regionale Wirt-

schaft unmittelbar involviert werden.

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Basispapier

Page 15: Intelligente Oberflächen

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Vorstellung der TSB Studie · Ines Junge · TSB Technologiestiftung Berlin

Intelligente Oberflächen – Innovationen aus Wissenschaft und Wirtschaft in Berlin-Brandenburg

Die Studie ist seit Anfang des Jahres im Handel erhältlich. Sie charakterisiert den Wissenschafts- und Wirt-schaftsstandort Berlin-Brandenburg in Bezug auf Oberflächentechnologien und bereitet das Wissen darüber auf. Es wird eine Querschnittstechnologie betrachtet, um die bereits in der regionalen Innovationspolitik eta-blierten Cluster insgesamt zu stärken und nicht etwa, um ein neues Cluster aufzubauen. Oberflächentechno-logien sind ein Thema aus der Materialforschung bzw. dem Komplex „Neue Materialien“, die gemeinhin als wichtige Basis von Technologie und Innovation angesehen werden.

Die Oberflächen stellen darin einen Aspekt von Materialien dar,

der vor allem die Funktion betont. An solchen Funktionen oder

auch Funktionalisierungen kann man das Thema in erster Hin-

sicht strukturieren, denn jede Wechselwirkung, die eine Oberflä-

che mit ihrer Umgebung eingeht, ist in erster Näherung biologi-

scher, chemischer, elektrischer Art, bis hin zu den Eigenschaften

„sensorisch“ oder „schaltbar“. In einer zweiten Dimension könnte

man das Thema nach den Verfahren der Oberflächenbehandlung

strukturieren. Dieser Oberbegriff umfasst sämtliche Oberflä-

chenmodifikationen, Randzonenmodifikationen und Beschich-

tungsarten, die es gibt. Wichtig für die ausgesprochen regionale

Betrachtung war, das Technologiefeld auch anhand der Cluster

der gemeinsamen Innovationsstrategie Berlin-Brandenburg und

weiteren relevanten Branchen zu sortieren.

Aus diesen Strukturierungsdimensionen ist ein ziemlich umfang-

reiches Abbild der Technologien auf die Anwendungsgebiete ent-

standen, das von Materialien über Komponenten bis hin zu Bau-

teilen oder ganzen Endprodukten den in der Region vorhandenen

Anwendungsgebieten zuordnet. Diese Übersicht findet sich auch

auf den Ausklapptafeln am Ende der Studie.

Welche Kompetenzen gibt es nun in der Region? Welche Akteure

beschäftigen sich ausschließlich oder teilweise in der Forschung

und Entwicklung mit Oberflächentechnologien? Da haben wir

eine Reihe von Einrichtungen aufspüren können: 24 wissen-

schaftliche Einrichtungen in Berlin und 14 in Brandenburg, wobei

die Zahl größer wird, wenn man auf die Ebene der Abteilungen

und Arbeitsgruppen geht, forschen in diesem Gebiet. Hinzu kom-

men 93 kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sowie

19 Großunternehmen in der Region.

Damit sind einige Arbeitsplätze verbunden: Mindestens 1.000

oberflächenrelevante Arbeitsplätze in der Wissenschaft, 2.500

Industriearbeitsplätze in Unternehmen, deren Kerngeschäft die

Oberflächentechnik ist (hier sind auch die Dienstleister ohne ei-

gene Forschung und Entwicklung mitgezählt, soweit Zahlen vor-

handen waren). In vielen weiteren Unternehmen sind die Ober-

flächentechnologien außerhalb des Kerngeschäfts relevant. Sie

stellen etwa 25.000 Arbeitsplätze.

In Berlin sind die drei großen Universitäten involviert, gefolgt von

einer Vielzahl von außeruniversitären Forschungseinrichtungen

sowie Hochschulen und eine große Zahl an Großunternehmen

und KMU. In Brandenburg sind zwei große Universitäten in die

Oberflächenforschung involviert, die Universität Potsdam und

die Brandenburgische Technische Universität Cottbus. Es kom-

men ein paar Hochschulen dazu und einige einschlägige außer-

universitäre Forschungseinrichtungen sowie eine Anzahl an KMU

sind über das Land verteilt.

Aus der Betrachtung dieser Kompetenzen ließen sich dann die

Stärken der Region ermitteln. So können wir sagen, dass die

Hauptstadtregion eine Spitzenregion bei der Dünnschichttechno-

logie darstellt, wozu die Dünnschichtelektronik und -messtechnik,

wie auch die Photonik und die Dünnschicht-Photovoltaik zu zäh-

„Intelligente Oberflächen – Innovationen aus Wissenschaft und Wirtschaft in Berlin-

Brandenburg“, Junge, I.; Hammel, C. (Hrsg.), erschienen 2012 im Regioverlag Berlin

ISBN 978-3-929273-83-0.

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Vorstellung der TSB Studie

Page 16: Intelligente Oberflächen

17

len sind. Des Weiteren ist die Region in zwei Themenkomplexen

sehr gut aufgestellt: Das eine ist die Bauteilbeschichtungsverfah-

renstechnik mit der zugehörigen Oberflächen- und Schichtanaly-

tik bzw. Anlagentechnik.

Der andere Komplex sind die biokompatiblen Oberflächen oder

Oberflächen in der Bioanalytik und Diagnostik sowie der Nano-

biotechnologie. Als besonders entwicklungsfähig haben sich

auch die folgenden Themen herausgestellt, die Wachstumsthe-

men darstellen: Energiewandlung und -speicherung, worin es um

Batterietechnik, Wasserstofftechnik oder Brennstoffzellentechnik

geht, insbesondere die zugehörigen Katalysatormaterialien, und

der Bereich Umwelttechnik.

Als kleines Zwischenfazit lässt sich daraus ziehen, dass wir hier in

der Region herausragende Kompetenzen und Forschungsschwer-

punkte vereinen, diese aber wenig beachtet werden. Es handelt

sich um unsichtbare Prozesse, aber sie sind in allen Clustern rele-

vant. Sie besitzen einen ausgesprochenen Querschnittscharakter,

der ein großes Potenzial hätte, gerade an den Schnittstellen der

Disziplinen Innovationen hervorzubringen, etwa in Form neuer

Kombinationen.

Daraus leiten sich die entsprechenden Erfordernisse und Emp-

fehlungen ab: Es gilt, Berlin-Brandenburg als Entwicklungs- und

Produktionsstandort innovativer Oberflächentechnologien

sowohl ins Bewusstsein der Akteure selbst als auch in das der

Beobachter von außen zu bringen. Dafür würde es sich lohnen,

das Wissen um die Kompetenzträger, die zugleich geeignete Ko-

operationspartner für Projekte sein könnten, besser aufzuberei-

ten, beispielsweise durch eine Wissenslandkarte zu visualisieren.

Das kann in Form einer „Google Map“ geschehen, die gefiltert

durchsuchbar ist und durch die Akteure selbst editierbar bleibt.

Das kann auch bis dahin gehen, diese Wissenslandkarte in einen

größeren Zusammenhang einzubringen. So ist zum Beispiel eine

Matrixdarstellung zu den Kompetenzen im Querschnittsthema

Werkstoffe und Materialien für Berlin und Brandenburg geplant.

Diese Empfehlungen sollen natürlich im Rahmen der vorhande-

nen Clusterstrukturen umgesetzt werden, weil die Querschnitts-

technologie darin große Beiträge zu mehr Innovation und Be-

schäftigung leisten kann. Dazu wäre eine stärkere Vernetzung

über die jeweiligen Disziplingrenzen oder auch Anwendungsge-

biete hinweg nötig, um gerade an den Schnittstellen Kooperati-

onspotenziale zu nutzen und möglichst neue Verbundprojekte zu

initiieren. Eine besondere Schnittstelle zwischen den Disziplinen

gibt es in der Region auch zu der hier stark vertretenen Kreativ-

branche, die nämlich in der Lage sein sollte, aus den entwickelten

Basistechnologien neue und erweiterte Anwendungsszenarien

zu ersinnen. Dazu gab es zuletzt eine TSB-Veranstaltung mit dem

Titel „Materialeffizienz und Design“, bei der Beispiele aus der Pra-

xis vorgestellt wurden: Tandems aus Kreativen und Materialwis-

senschaftlern und ihre gemeinsamen Forschungsthemen.

Die Kreativbranche ist dabei oftmals sehr affin für kleine, aber

hochinnovative Themenkomplexe. Im Umfeld von Oberflächen-

technologien möchte ich hier ein paar Beispiele nennen: Das

sind etwa die Integration von Mikrosystemtechnik in Textilien,

also „intelligente Textilien“. Es sind des Weiteren chromogene

Dünnschichten, also hauptsächlich Glasanwendungen, die die

Sonneneinstrahlung dimmen oder einen Wärmedurchgang ver-

hindern, und das eben mit dünnen Schichten. Auch der Bereich

Energiewandlung und -speicherung ist ein solches kleines, aber

hoch innovatives Thema.

Für diese Themen gilt es zunächst einmal, die Forschungskapazi-

täten auszubauen und sie dadurch zu stärken, dann entsprechend

eine Verwertungskette daran anzuschließen, um die wirtschaft-

liche Verwertung voranzutreiben. So könnte man insgesamt den

Zugang zu oberflächentechnologischen Erkenntnissen aus der

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Vorstellung der TSB Studie

Page 17: Intelligente Oberflächen

18

Region erleichtern. Hierbei ist zu bedenken, dass sicherlich der

Zugang je nach Zielgruppe ein anderer ist, also ob zum Beispiel

ein Wissenschaftler oder ein Kreativer gerade damit umzugehen

lernt.

Die Empfehlungen benennen einschlägige Themenschwerpunk-

te, die zu setzen wären. Hier finden sich im Prinzip die Stärken

der Region wieder und gleichzeitig bilden die ersten drei Punkte

beim Forschungspolitischen Dialog die Themen der vorgesehenen

Panels, in denen Fachdiskussionen stattfinden werden. So gilt es

also, die Region zunächst als Dünnschichtkompetenzzentrum zu

etablieren, und das gemeinsam für die Bereiche Elektronik, Pho-

tonik, Photovoltaik und die zugehörige Messtechnik und Analytik,

so dass man in einer Art virtuellem Zusammenschluss die Außen-

wirkung stärkt.

Die zweite Thematik sind die Werkstoffe im Zellkontakt, in der es

also um biologische, biologisierte, biofunktionalisierte Oberflä-

chen geht. Hier ist Oberflächentechnik auch als ausgesprochene

Enabling Technology für die Biosensorik und die Diagnostik zu

nennen. Sie macht vieles möglich, was in der Diagnostik, speziell

in der Point-of-Care-Diagnostik, also direkt am Patienten, nötig

und möglich ist.

Den dritten Schwerpunkt bilden die verfahrenstechnischen In-

novationen in der Oberflächenbehandlung bzw. speziell zum Be-

schichten. Als weitere Themen könnten folgen: die Oberflächen-,

Dünnschicht- und Membrantechnik für die Energietechnik – hier

haben wir exzellente Forschung vor Ort, aber erst wenige Unter-

nehmen, die sich damit beschäftigen –, und genauso sind Bau-

wesen und Umwelttechnik ein vielfältiges Einsatzfeld, das in der

Region längst nicht ausgeschöpft wird.

Wir als TSB hoffen natürlich, dass wir durch die vorliegende Stu-

die Transparenz in die Oberflächentechnologie-Szene gebracht

haben. Es werden auch noch weitere Informationsangebote

folgen, wie zum Beispiel ein White Paper über die Oberflächen-

technik. Das ist ein Report, der über die Technologien und Pro-

dukte informiert sowie mögliche Entscheidungshilfen für Wissen-

schaftler und Unternehmer bereitstellt, die auf der Suche nach

Problemlösungen sind. Die bereits erwähnte Wissenslandkarte

zur Visualisierung und Verortung der Kompetenzen ist ein ganz

wichtiges Instrument zur Schaffung von Transparenz. Und wenn

Sie auf uns zukommen, dann unterstützen wir Sie sehr gerne bei

der Recherche oder einer speziellen Suche nach einzelnen Tech-

nologiebereichen oder Anwendungsfeldern.

Der zweite große Punkt, die Vernetzung, soll durch das Aufgrei-

fen der Oberfächentechnologien in den Clustermanagements

bewerkstelligt werden. Hierzu ist bereits eine Reihe von Foren

zu Oberflächentechnologien entstanden, gemeinsam durch TSB

und TH Wildau initiiert. Mitte Mai haben wir die erste Veranstal-

tung zu Simulationsverfahren in der Oberflächentechnologie mit

Erfolg durchgeführt. Weitere Themen, mit denen wir uns befas-

sen werden, sind strömungstechnisch optimierte Oberflächen

oder auch funktionale Oberflächen im Geräte-, Maschinen- und

Anlagenbau sowie ein spezielles Thema, nämlich den Schutz vor

Produktpiraterie und vor Diebstahl mit Hilfe intelligenter Ober-

flächen.

Wir möchten damit gemeinsame Themen und Projekte für die

Region anregen, um auch den Bekanntheitsgrad dieser Tech-

nologien zu erhöhen. Weitere Workshops sollen mit Fokus auf

Anwendungsfelder von gemeinsamem Interesse folgen, um

möglichst neue Vorhaben zu generieren. Neben den clusterspe-

zifischen Oberflächentechnik-Schwerpunkten bieten sich auch

Querschnittsaspekte innerhalb der Oberflächentechnik an. Das

ist zum einen die bereits genannte Simulation, also Werkstoff-

und Prozesssimulation bzw. Modellierung von Werkstoffen. Des

Weiteren sind das auch Entsorgung und Recycling bzw. Nach-

wachsende Rohstoffe.

Wie reagiert die Oberflächentechnik zum Beispiel auf diese

Tendenz zu nachwachsenden Rohstoffen oder wie kann die Ober-

flächentechnologie wiederum diesen Trend befördern? Energie-

effizienz ist außerdem in vielen Oberflächenbehandlungsverfah-

ren von immenser Bedeutung! Auch andere Einflüsse lassen sich

heranziehen, wie zum Beispiel die Bionik, oder was die Kreuzung

daraus wäre: Bionische Oberflächen – ein spannendes Thema,

für das es in der Region bisher wenig Expertise gibt.

Ich hoffe, ich konnte Sie auf dieses omnipräsente, aber recht

versteckte Thema „Intelligente Oberflächen“ einstimmen und

wünsche uns maximale Erfolge.

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Vorstellung der TSB Studie

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Podiumsdiskussion

Einbindung von Querschnittstechnologien in die gemeinsame Innovationsstrategie Berlin und Brandenburg

Staatssekretär Nicolas Zimmer Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung

Staatssekretär Henning Heidemanns Ministerium für Wirtschaft und Europaangelegenheiten des Landes Brandenburg

Prof. Dr. Dieter Hofmann Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP

Prof. Dr. Günther Tränkle Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH)

Moderation: Dr. Adolf M. Kopp TSB Innovationsagentur Berlin GmbH

In seiner Einleitung stellte Dr. Adolf Kopp fest, dass die Cluster im

Rahmen der gemeinsamen Innovationsstrategie Berlin-Branden-

burg (innoBB) gesetzt seien und man sich nun auf forschungs-

starke Themen innerhalb der Cluster konzentriere.

Staatssekretär Nicolas Zimmer betonte, dass die Fokussierung auf

die fünf Cluster nicht nur ein Alleinstellungsmerkmal für die Re-

gion darstelle, sondern auch große Erfolge zeitige: „Je länger ein

Cluster arbeitet, desto erfolgreicher sind diese Cluster auch im

Hinblick auf die Wertschöpfung in der Region.“ Angesichts knap-

per finanzieller Ressourcen in Berlin und Brandenburg bei einem

reichhaltigen Angebot an Akteuren müsse man die Schwerpunk-

te finden, sie zusammenführen und fördern. Auf europäischer

Ebene gelte innoBB als Best-Practice-Beispiel im europaweiten

Vergleich. Die Vernetzung von Forschungseinrichtungen, Hoch-

schulen und Unternehmen sei ein erklärtes Ziel der Kommission

in der nächsten Forschungsförderperiode 2014 – 2020, hob

Zimmer hervor.

Staatssekretär Henning Heidemanns konstatierte, dass die

Brandenburger Projekte vor innoBB kleinteiliger zugeschnitten

waren. Mit innoBB sei die Grenze zwischen Berlin und Branden-

burg durch eine intelligente Lösung überwunden worden. „Ich

glaube, es hat beiden Regionen gut getan, zusammen sind wir

stärker.“ Kompetente Ansprechpartner für Forschungs- und Ent-

wicklungsarbeit seien nun leichter zu finden, wofür die Studie

von Ines Junge ein gutes Beispiel sei. Das Buch werde von vielen

intensiv studiert, weil es Vernetzung schaffe: Die Akteure lernen

neue Ansatzpunkte kennen, sehen, wo ähnliche Fragestellungen

mit einem neuen Lösungsansatz verfolgt werden oder wie eine

bestimmte Technologie für ein anderes Problem angewendet

wird: „Plötzlich gehen die Dinge besser zusammen, man lernt

effizienter, schneller, günstiger, umweltschonender zu werden.“

Brandenburg habe von innoBB auf europäischer Ebene beson-

ders profitiert: als erste europäische Länderregion 2011 und

als „europäische Exzellenzregion“: „Wir haben die Jury nicht nur

nach Golm und Wildau gebracht und gezeigt, wie der Technolo-

gietransfer in die Wirtschaft funktioniert, sondern auch immer

wieder über die Zusammenarbeit mit Berlin gesprochen. Das hat

uns diesen Titel eingebracht.“

Prof. Dr. Dieter Hofmann nannte als erstes konkretes Beispiel

aus seinem Institut „chromogene Dünnschichten“, die als Inno-

vationstreiber für das Cluster Optik wirkten: Für das Solardim®-

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Podiumsdiskussion

Page 19: Intelligente Oberflächen

20

Eco-Glas, das von der Firma Tilse für Schiffe, Gewächshäuser,

Lichtschächte und ähnliches angeboten wird, wurden am IAP

thermotrope Kern-Schale-Partikel mit einem temperaturabhän-

gigen Brechungsindex entwickelt. Bei niedrigen Temperaturen,

zum Beispiel unter 30°C, ist der Brechungsindex gleich und das

Glas durchsichtig. Bei höheren Temperaturen beginnt sich nun

der Brechungsindex im Kern zu verringern. An den Grenzflächen

wird Licht gestreut, so dass nicht alles durchdringt. „Die Anfor-

derungen waren, dass die grundsätzliche Lichttransmission nicht

um mehr als 15 Prozent zurückgeht und dass die Transmission

bei höheren Temperaturen um mindestens 25 Prozent geringer

ist. Beides haben wir erreicht und nun haben wir das fertige Pro-

dukt.“

Prof. Dr. Günther Tränkle verwies darauf, dass Dünnschichttech-

nologien schon gut vom Cluster Optik abgedeckt seien. Allerdings

gebe es beispielsweise bei Titanoberflächen im Maschinenbau

ähnliche technologische Herausforderungen: „Wie produziere

und charakterisiere ich die dünnen Filme?“ Im Energiebereich,

speziell in der Photovoltaik, sei man mit der Dünnschichttechnik

schon weit gekommen und er sehe auch für mechanische An-

wendungen ein großes Potenzial.

Im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit der Industrie kam Prof.

Hofmann auf das „Taschentuchlabor“, zu sprechen, eine der

Leuchtturminitiativen des Bundesministeriums für Bildung und

Forschung (BMBF) in den neuen Bundesländern. Dort entwickelt

das IAP preiswerte Sensor-Aktor-Systeme zur Erkennung von Bio-

markern bestimmter Krankheiten. Das IAP leiste die Grundlagen-

entwicklung mit Polymeren und Sensormolekülen, damit Unter-

nehmen später daraus Geräte machen könnten. Einen ständigen

Fluss von Informationen zwischen Unternehmen und Forschern

sieht Prof. Tränkle in seinem Institut. Allerdings werde es schwie-

rig bei Themenfeldern, die noch keiner „auf dem Radarschirm“

habe. Dafür seien die geschaffenen Netzwerke und Veranstaltun-

gen wie der Forschungspolitische Dialog notwendig, bei denen

die verschiedenen Akteure zusammengebracht würden.

Auf die Frage nach der Art der Unternehmenskunden berichtete

Prof. Hofmann, dass das IAP jährlich mit über 300 Projekten 4 bis

5 Millionen Euro an Industriemittel einwirbt. Das typische Projekt

habe also eine Größe von 10.000 bis 15.000 Euro, einige wenige

seien Millionenprojekte. Bei den kleinen Projekten seien „zu un-

serer Freude“ auch zunehmend Firmen aus Berlin und Branden-

burg, zum Beispiel Kunststoffverarbeiter, involviert.

Auch Prof. Tränkle sah die Tendenz auf Seiten der Wissenschaft,

zunehmend mit Unternehmen aus der Region zu kooperieren.

Das habe auch strategische Gründe: „Wenn die Steuern nicht hier

bezahlt werden, ist es langfristig schwierig, die Wissenschaft in

der Region auf dem heutigen Niveau zu halten.“ Die Deindus-

trialisierung Berlins nach der Wende, gerade im Osten der Stadt

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Podiumsdiskussion

Page 20: Intelligente Oberflächen

21

habe man noch nicht kompensieren können, aber aus den un-

tergegangenen Firmen seien einige Neue entstanden, zudem

habe man eine Reihe von Unternehmen neu ansiedeln können,

beispielsweise die Jenoptik, deren Halbleitersparte komplett in

Berlin untergebracht sei. Obwohl die Jenoptik auf dem Welt-

markt  vorn dabei sei, wurden nur 70 Arbeitsplätze geschaffen,

weil in der modernen Technik die Produktivität so hoch sei. „Wir

müssen Geduld haben, das geht nur in langen Prozessen.“ Bei

der Vermittlung von Akteuren aus Wissenschaft und Wirtschaft

hielt Prof. Hofmann Technologietransfermaßnahmen, unter-

stützt durch Datenbanken, für aussichtsreich. Neben Maßnah-

men innerhalb der Cluster sollte bei einigen Technologien wie

der Plasmabeschichtung, die in sehr vielen Bereichen anwendbar

ist, über die Clustergrenzen hinausgegangen werden. Für wich-

tig hält er die Präsenz in der Öffentlichkeit, auch im Hinblick auf

politische Entscheidungen. Für Ausstellungen und Demonstra-

toren eignet sich aus seiner Sicht der Automobilbereich beson-

ders gut: „Allein beim Autoglas haben wir multifunktionale Gläser,

die die Sonneneinstrahlung reduzieren, die nicht mehr vereisen,

die Kratzer selbst verschwinden lassen und ähnliche Dinge.“ Es

gebe die LED-Techniken im Displaybereich des Cockpits und bei

den Scheinwerfern, erosionsschützende Schichten auf Kurbel-

wellen, neuartige Lacke und vieles mehr.

Prof. Tränkle war skeptisch gegenüber Datenbanken und ähn-

lichen Lösungen, da sie aufwändig in der Pflege seien. Bei der

Suche nach Informationen könne man sich mittlerweile gut auf

Google verlassen. Er plädierte für zwei wesentliche Prozesse:

einen strukturierten Prozess, wie er bereits in den Clustern zu

finden sei, aber auch „eine Art anarchischer Prozess von unten“.

Das sei viel schwieriger zu organisieren. Als Beispiel aus seinem

Hause nannte er das Projekt „HautScan“, bei dem durch die op-

tische Analyse von Hautschweiß Rückschlüsse auf den Zustand

innerer Organe gezogen werden können und das aus einem

„Gammelfleischdetektor“ entstanden sei. Um solche Anwendun-

gen zu entdecken, „braucht man Leute, die über den Tellerrand

blicken, die gewissermaßen Schnapsideen entwickeln.“ Nicht alle

Wissenschaftler seien gute Verkäufer ihrer Ideen, deshalb müss-

ten Broker wie die ZAB, die TSB und die Transfereinrichtungen in

den Hochschulen oft miteinander reden und Ideen generieren. Es

seien also zwei Prozesse: Top-down und Bottom-up.

Staatssekretär Zimmer äußerte sich skeptisch gegenüber der von

Prof. Tränkle angesprochenen Google-Suche, hält aber auch eine

reine Datenbank nicht für zielführend. Visualisierungen wie die

von Ines Junge angesprochene Wissenslandkarte könnten Anre-

gungen und Querbezüge erbringen. Entscheidend sei die Erleich-

terung der Kontakte zwischen den kleinen und mittelständischen

Unternehmen (KMU) und den Forschungseinrichtungen. Das

müsse auch finanziert werden, beispielsweise durch Programme

wie den Transferbonus, der speziell bei KMU greife. Als „span-

nend“ bezeichnete er den „anarchischen Prozess“. Als Beispiel

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Podiumsdiskussion

Page 21: Intelligente Oberflächen

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nannte er Hacker-Foren: „Da sitzen 50 Leute mit Pizza und Cola

zusammen und setzen sich 12 Stunden mit einem Thema aus-

einander.“ Das sei keine detaillierte Forschungsarbeit, aber ein

Brainstormingprozess, der erstaunliche Ergebnisse erzielen kön-

ne. Solche Formate zu entwickeln, sei auch eine Aufgabe für die

TSB. Ein dritter wichtiger Aspekt sei die „Verortung“: Ob Adlershof,

Golm, „Urban Technologies“ in Tegel: Es müssten Campussituati-

onen geschaffen werden, in denen man sich über den Weg laufen

und dann an konkreten Projekten arbeiten könne. Das sei zwar

die kostenintensivste aller Maßnahmen, dürfe aber nicht aus

dem Auge verloren werden. Dies gelte auch für Querschnittsthe-

men. „Das ist allerdings eine mittelfristige Aufgabe“, so Zimmer.

Staatssekretär Heidemanns bekannte sich ebenfalls zu analogen

Prozessen: „Wenn man sich von Mensch zu Mensch trifft, dann

passiert oft etwas Intuitives. Man erkennt assoziativ Dinge, die

man über eine Datenbank nie gesehen hätte.“ Das Ziel von Ein-

richtungen wie dem „Berliner Wohnzimmerplausch“ oder dem

Messegeschäft sei jedoch der Transfer von anwendungsreifer

Forschung in die regionale Wirtschaft. Neben der Finanzierung

einer wissenschaftlichen Erstberatung mit Hilfe des Innovati-

onsgutscheins (Brandenburg) oder Transferbonus (Berlin) gebe

es verschiedene Fördermaßnahmen bis hin zur Förderung von

Verbundprojekten, bei denen Wissenschaftseinrichtung, Hoch-

schule und Wirtschaft gemeinsam etwas bis zur Anwendungs-

reife erforschen und entwickeln. Danach gebe es ein weiteres

Finanzierungsproblem, das Berlin und Brandenburg mittlerweile

durch Fonds und Fördermittel für die Gründungs- und Wachs-

tumsfinanzierung sowie für die mittelständische Finanzierung

gut gelöst hätten.

Dr. Armin Wedel vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Poly-

merforschung IAP brachte aus dem Publikum als Ergänzung zur

regionalen Vernetzung einen verbesserten Außenauftritt ins Ge-

spräch und verwies dabei auf Sachsen, wo auf dem Gebiet der

Dünnschichttechnologie mit einem geschlossenen Auftritt die

Außenwirksamkeit deutlich erhöht wurde. Ein weiteres Anliegen

war ihm die stärkere Integration der Kreativbranche. Beim IAP

habe man schon viel mit Designern diskutiert, aber wie könne der

Dialog verbessert werden und welchen Beitrag könne die Politik

leisten?

Als Beispiel für die Außenwirkung führte Staatssekretär Heide-

manns ein fahrbares Labor mit einer im Taschentuchlabor ent-

wickelten Analytik mit Biosensoren an: Mit Mitteln der Entwick-

lungshilfe sei der Bus mittlerweile in Südafrika unterwegs. Ein

weiteres Beispiel sei die IVD-Plattform, eine Platine, die sich

neuronal vernetzen, Daten senden und die 500 Blutparameter

aus ein paar Tropfen Blut herausholen könne. Zusammen mit den

vorhandenen Telemedizinnetzwerken könne man dieses System

in der Region zum Laufen bringen und es dann beispielsweise in

den USA anbieten. Durch die im Juni 2012 neu geregelte medi-

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Podiumsdiskussion

Page 22: Intelligente Oberflächen

23

zinische Grundversorgung müsse in großer Zahl eine Datenerst-

aufnahme der neu versicherten Menschen erfolgen. Es gebe aber

auch einen weltweiten Markt für diese Möglichkeit einer schnel-

len und präzisen Diagnose. Ein weiteres Beispiel sei der Büromö-

belhersteller Reiss in Bad Liebenwerda, der hauptsächlich mit der

TU Dresden zusammenarbeite. Hier könne versucht werden, die

Kooperation in der Region auszubauen.

Staatssekretär Zimmer hob die Bedeutung des Marketings hervor.

Sowohl die Auftritte der Cluster als auch die Außenwirtschafts-

kampagne könnten noch stärker akzentuiert werden. Als eine

Möglichkeit der Integration der Kreativbranche nannte er Wett-

bewerbe zu Schnittstellenthemen, die so ausgeschrieben würden,

dass sich zwei Partner aus den unterschiedlichen Bereichen ge-

meinsam bewerben müssten. Man müsse auch ungewöhnliche

Dinge ins Auge fassen: „Warum nicht mal bei der ’Fashion Week‘

einen Stand mit ’intelligenten Kleidungsstücken‘ aufstellen?“

Prof. Tränkle warf ein, dass die Bemühungen des Clusters Optik

um eine enge Zusammenarbeit mit der Region Jena bereits dazu

geführt habe, dass man seitens der EU als ein Cluster wahrge-

nommen werde. Es gelte nun den Austausch mit vergleichbaren

Clustern in Schottland, Paris und anderswo zu intensivieren. Im

Cluster Optik sei die Internationalisierung, beispielsweise durch

Reisen nach Asien, bereits im Gange, darauf könne man aufbauen.

In einer Wortmeldung zeigte sich Prof. Dr. Norbert Langhoff vom

IFG Institute für Scientitic Instruments in Berlin-Adlershof erfreut,

dass „Oberflächencharakterisierung“ in der Studie von Ines Jun-

ge explizit eine große Rolle spielt und bestätigt dies: Ohne gute

Messtechnik sei Qualität und Produktivität bei Oberflächen und

den zugehörigen Produkten nicht zu erreichen.

Er zeigte dies am Beispiel der Berliner Stärke „Röntgen-Mess-

technik“. Solche Technologien bedürften deshalb der Förderung

und zwar gerade weil sie wirtschaftlich hoch riskant ist, da auch

die Messtechnikhersteller selbst nur schwer prognostizieren kön-

nen, wie schnell sich die Marktgröße für solche Anwendungen

entwickelt. Die Marktgröße dürfe sich nicht zum einzigen Argu-

ment entwickeln, um Gutachter von der Förderwürdigkeit eines

Projekts zu überzeugen. Die Röntgentechnologie, die das IFG ver-

folge, sei bei vielen Anwendungen die einzige Methode, mit der

Strukturen im Nanobereich messtechnisch nachgespürt werden

könnten, um sie zu optimieren. Des Weiteren sei ihm bei seiner

Arbeit im Rahmen von OpTecBB aufgefallen, dass es immer ein-

zelne Menschen gewesen seien, die eine große Rolle gespielt

hätten: „Es ist wichtig, Personen auf beiden Seiten zu identifizie-

ren, die sich verstehen, die die unterschiedlichen Sprachen auch

aufnehmen können, die als Katalysatoren für die neuen Ideen

in ihre Institutionen hinein wirken.“ Prof. Langhoff plädierte für

die Bildung von Querschnittsnetzwerken zwischen den Schwer-

punktthemen.

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Podiumsdiskussion

Page 23: Intelligente Oberflächen

Dünnschichttechnologie

Moderation: Prof. Dr. Günther Tränkle Ferdinand-Braun-Institut Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH)

Themenblock 1

Page 24: Intelligente Oberflächen

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Dr. Friedhelm Heinrich · Technische Hochschule Wildau · AG für Photonik, Laser- und Plasmatechnologien

Kurze Darstellung der Arbeitsrichtung der Gruppe Photonik, Laser & Plasmatechnologien an der TH-Wildau

Zu den Forschungsschwerpunkten der im Fachbereich Ingenieurwesen/Wirtschaftsingenieurwesen/Physikali-sche Technik angesiedelten Arbeitsgruppe für Photonik, Laser- & Plasmatechnologien unter der Leitung von Prof. Dr. rer. nat. habil. Sigurd Schrader gehören die Entwicklung und Charakterisierung organischer, anorgan-ischer und organisch-anorganischer Hybridmaterialien für opto-elektronische sowie lineare und nicht-lineare optische Anwendungen, die Entwicklung von Abscheideverfahren für Funktionsschichten sowie von Bauele-mentkonzepten. Die Forschung findet sowohl in enger Kooperation mit industriellen Partnern statt, vorwie-gend mit klein- und mittelständischen Unternehmen aus der Region, als auch mit Forschungseinrichtungen und Universitäten im nationalen und internationalen Rahmen. Die Arbeitsgruppe hat zahlreiche EU-und nati-onale Projekte in diesem Bereich bearbeitet und ist in entsprechenden Projekten aktiv.

Die Gruppe verfügt über eine umfangreiche Anlagentechnik zur

Beschichtung unterschiedlicher Substrate mit organischen und

anorganischen Substanzen wie Sputtern, PECVD, thermisches

Aufdampfen im Hochvakuum, Vakuumpolymerisationsdepositi-

on, Spincoating. Ebenso sind die notwendigen analytischen Ge-

räte zur Prozesskontrolle und Schichtdiagnostik vorhanden. Dazu

gehören Lichtmikroskopie, digitale Mikroskopie, Atomkraftmik-

roskopie, Elektronenrastermikroskopie, Elektronenfeinstrahlanla-

ge, UV/VIS-Spektroskopie, Fluoreszenzspektroskopie, Ellipsomet-

rie, M-line-Spektroskopie, FTIR- und Raman-Spektroskopie.

Mit dem Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik (IHP)

in Frankfurt (Oder) wurde im Jahr 2006 das gemeinsame For-

schungs- und Ausbildungszentrum „JointLab“ gegründet. Ziel

des „JointLab“ ist es, durch Nutzung der F&E-Kapazitäten beider

Einrichtungen erweiterte Möglichkeiten in Forschung und Lehre

zu realisieren.

Die Forschungsschwerpunkte des JointLabs sind die Entwicklung

neuartiger siliziumbasierter Bauelementekonzepte und Techno-

logien für die Hochgeschwindigkeits-Elektronik und Photonik.

Von besonderem Interesse ist derzeit die Graphenabscheidung

für die Entwicklung von Höchstfrequenzbauelementen bis in den

Teraherzbereich und entsprechende Anwendungen bspw. in der

Sensorik und Medizintechnik zu erschließen.

Die Arbeitsgruppe koordiniert derzeit ein NEMO-Netzwerk mit

dem Thema „Schützen und Veredeln von Oberflächen“, das am 1.

Juli 2012 seine Arbeit aufgenommen hat. Mit der Netzwerkbil-

dung wird die Zielstellung verfolgt, die unterschiedlichen tech-

nologischen Potentiale und Kapazitäten der beteiligten Unter-

nehmen im Bereich der Oberflächen- und Beschichtungstechnik

zusammenzuführen, um damit neue Geschäftsfelder und Absatz-

märkte für vorhandene, neue und weiter zu entwickelnde Produk-

te und Leistungen gemeinsam zu erschließen. Zu den Aufgaben

des Netzwerkes gehört die Akquirierung von Fördergeldern, die

Planung, Realisierung und Betreuung von Verbundprojekten, die

Erarbeitung von Studien und Trendanalysen sowie die Stärkung

des Verbundes durch gemeinsame Nutzung der F&E-Kapazitäten

aller Netzwerkpartner. Weitere interessierte Unternehmen und

Forschungseinrichtungen sind herzlich eingeladen im Netzwerk

mitzuwirken.

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Dünnschichttechnologie

Page 25: Intelligente Oberflächen

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Prof. Dr. Jürgen P. Rabe · Humboldt-Universität zu Berlin · Institut für Physik & IRIS Adlershof

Organisch-Anorganische Hybridsysteme – Funktionale Oberflächen für die Opto-Elektronik

Das Institut für Physik der Humboldt-Universität und das Integrative Research Institute for the Sciences IRIS Adlershof sind zwei Einrichtungen, die erst in den letzten 10 Jahren nach Adlershof gekommen sind. Sie ha-ben dort eine spannende Forschungs- und Unternehmenslandschaft vorgefunden, auf die sie sich zubewegt haben. Um die Kooperation zu befördern, hat die Humboldt-Universität mit IRIS Adlershof eine Einrichtung gegründet, die sich Themenfeldern widmet, die eine starke Kooperation erfordern, auch Fächer übergreifend über Physik, Chemie oder auch Informatik und Mathematik hinweg. Dazu wurde die personelle Verknüpfung zwischen der Universität und den außeruniversitären Partnern gestärkt. Insbesondere wurden Sonderprofes-suren eingerichtet, die ein gut etabliertes Berliner Instrument zur Einbindung von leitenden Wissenschaftlern außeruniversitärer Einrichtungen in die Universität darstellen.

Dies wurde durch eine Kooperationsform ergänzt, die es auch re-

gulären Professoren der Universität erlaubt, neben ihrer univer-

sitären Arbeitsgruppe eine Arbeitsgruppe an einer außeruniversi-

tären Einrichtung zu leiten – eine personelle Verknüpfung wurde

also in beide Richtungen geschaffen. Im IRIS Adlershof wurde

darüber hinaus das Instrument des OPen Access Lab (OPAL) ge-

schaffen, in dem Partnern der Humboldt-Universität auf geeig-

neten Forschungsfeldern die apparativen Einrichtungen inklusi-

ve technischer und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Verfügung

gestellt werden – natürlich nach Vereinbarung von Rechten und

Pflichten inklusive zur IP-Nutzung.

Ein zentrales Forschungsfeld sind organisch-anorganische Hy-

bridsysteme für Optik und Elektronik. Dazu wird IRIS auch im

Rahmen des Zukunftskonzepts Exzellenzinitiative stark gefördert,

insbesondere durch eine neue Professur für Hybride Bauelemen-

te. Entscheidend für die Entwicklung nutzbarer Hybridsysteme

ist die Kombination von elektronischen, optischen und mechani-

schen Eigenschaften – insofern ist Opto-Elektronik hier sehr all-

gemein zu verstehen. Eine hier entwickelte Plattform besteht aus

verschiedenen Materialkomponenten, wovon eine das Graphen

darstellt, eine monoatomare Kohlenstoffschicht. Dieses zweidi-

mensional konjugierte Kohlenstoffsystem hat eine Reihe von Ei-

genschaften, die in ihrer Kombination besonders interessant sind:

Hochleitfähig, gleichzeitig transparent, sehr stabil gegen Zug und

gleichzeitig leicht biegbar. Das Graphen kann jedoch nicht nur

als transparente Elektrode, sondern gleichzeitig auch als Barriere

genutzt werden. Wenn man etwa Polythiophen (ein konjugiertes

Polymer, das sehr schnell photooxidiert) verwenden will, muss

man es verkapseln. Dafür eignet sich Graphen perfekt, weil es

praktisch defektfrei ist. Es ist undurchlässig für jegliche Gase (je-

denfalls konnte noch keine Undichtigkeit gemessen werden). Die

transparente Elektrode ist gleichzeitig eine perfekte Verpackung.

Das wurde nicht ausdrücklich angestrebt, es hat sich aber aus der

Grundlagenforschung mit Graphen ergeben.

Ein interessanter Effekt ergibt sich, wenn man diese ultradünne

Folie auf eine Unterlage legt: Weil sie so flexibel ist und gleichzei-

tig ein Stück dehnbar, folgt sie kleinen Rauigkeiten der Unterlage

Verpackung einzelner Polymer-Moleküle mit Graphen (N. Severin, M. Dorn, A. Kalachev,

J.P. Rabe, Nano Lett. 11 (2011) 2436)

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Dünnschichttechnologie

Page 26: Intelligente Oberflächen

27

auf 10 Nanometer genau nach. Wenn die Rauigkeit aus einzelnen

Biomolekülen besteht, zeigen sich zwei Effekte: Einerseits kann

nun das Molekül hermetisch abgeschlossen werden, etwa für die

Analytik. Auch die Photooxidation ist wieder kein Problem. An-

dererseits ist diese atomar glatte Schicht ein Schmierfilm. Wenn

man die Schicht mit einer Sonde abtastet, dann schützt das Gra-

phen gegen den Verschleiß.

Die Deformation des Graphens kann man andererseits auch zur

Strukturierung elektronischer Eigenschaften nutzen, denn die

Erhebungen bilden Strukturen mit Kanten. Das ist anwendbare

Grundlagenforschung – gesucht sind Partner, die dies nutzen

wollen. Wenn kleine Moleküle auf das Graphen aufgesetzt wer-

den, können sie möglicherweise Kanäle wie in einem Transistor

bilden, der dann auf Nanometerskala funktioniert. Dieser Tran-

sistor kann wiederum mit Molekülen optisch geschaltet werden.

Als organisch-anorganisches Hybridsystem wird eine Plattform

mit „intelligenten“ optoelektronisch aktiven Oberflächen vorge-

stellt. Das Schichtsystem besteht aus einer Festkörperunterlage,

die auch transparent und leitfähig sein kann. Darauf wird eine

Schicht von einzelnen Biomolekülen oder lichtemittierenden

Polymeren aufgebracht. Darüber kommt das Graphen – transpa-

rent, gut leitfähig, also als durchsichtige Elektrode zu verwenden.

Potenziell können darauf wieder Moleküle platziert werden, die

Hybridzustände durch Kopplung von Molekülen ermöglichen. Die

Anwendungspalette ist breit, steht jedoch erst noch zur Explora-

tion an.

Für die Nutzung von Graphen als Transportbehältnis wurden

auch Patente angemeldet. Die Dichtheit erzeugt quasi einen Fla-

kon für wertvolles Parfum. Durch die Regelung des Dampfdrucks

in der Umgebung können Flüssigkeiten hinein und wieder heraus

transportiert werden. Die Geschwindigkeit ist dabei die durch die

Diffusionsgeschwindigkeit einer zweidimensionalen Flüssigkeit

bestimmt. Der Deckel sitzt immer darauf, wobei man ihn beim

Füllen leicht anhebt: Wenn man Moleküle hineinbringt, geht der

Deckel hoch und wenn der Außendruck verringert wird, geht er

wieder herunter. Das Füllen kann spontan ablaufen, weil der De-

ckel so flexibel ist, es sind aber auch molekulare Schalter denkbar.

Großflächige Graphene herzustellen ist mittlerweile ein eta-

blierter Prozess. Dazu verwendet man ein fast beliebig großes

Kupferblech, das als Katalysator wirkt, und auf das man Graphen

mit CVD-Methoden abscheidet. Das Graphen kann man dann auf

eine andere Unterlage transferieren, beispielsweise im Rolle-zu-

Rolle-Verfahren. Dazu gibt es auch Kooperationen, u.a. mit dem

Helmholtz-Zentrum für Materialien und Energie in Adlershof, wo

eine Anlage zur CVD-Abscheidung zur Verfügung steht.

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Dünnschichttechnologie

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Peter Krause · First Sensor AG

Individuelle Sensorlösungen für höchste Ansprüche

First Sensor entwickelt und fertigt seit über 20 Jahren individuelle Sensorlösungen für höchste Ansprüche an Präzision und Beständigkeit. Wir verfügen über innovatives, integriertes Know-how in den Technologie-feldern Optoelektronik und MEMS-Sensorik, Mikrosystemtechnik und Hybridelektronik. Die First Sensor AG hat ihren Hauptsitz traditionell in Berlin und führt neben sieben Entwicklungs- und Produktionsstandorten in Deutschland sieben internationale Tochtergesellschaften. Weltweit arbeiten über 700 Mitarbeiter für das

Unternehmen.

In der Optoelektronik stehen PIN- und Avalanche-Fotodioden im

Mittelpunkt unserer Arbeit. In der Regel geht es hier um das Mes-

sen von Abständen in Einheiten von Millimetern bis mehreren

100 Metern; in der Satellitentechnik sind es noch größere Dis-

tanzen. Aber auch für das Messen ionisierender Strahlung kön-

nen solche Sensoren eingesetzt werden. Diese haben nach dem

Atomunfall in Fukushima im März 2011 an Bedeutung gewon-

nen. In der MEMS (Micro-Electro-Mechanical Systems) -Sensorik

gewinnen neben den Drucksensoren neue Sensorprinzipien an

Bedeutung, z.B. für die hochpräzise Lage-, Durchfluss, Gas- und

Beschleuni gungsmessung.

Unsere Sensorlösungen finden sich in unzähligen Anwendungen

wieder. Über besondere Branchen kompetenz verfügen wir bei

medizinischen und industriellen Applikationen, in der Luft- und

Raumfahrt, dem Bereich Mobilität sowie bei sicherheitstechni-

schen Anwendungen. Dabei bedienen wir sowohl Hochvolumen-

märkte als auch Hochpräzisions-Applikationen.

Im Bereich Mobilität z. B. werden für Abstandsmessungen zwi-

schen Fahrzeugen sogenannte LIDAR Technologien eingesetzt,

die im unsichtbaren Infrarotbereich einen Messstrahl aussen-

den. Unsere Avalanche-Fotodiodenarrays vermessen die reflek-

tierenden Strahlen. Mittels Laufzeitberechnungen wird dann der

Abstand berechnet, Fahrer und/oder Auto können rechtzeitig

reagieren. Ein Beispiel für sicherheitstechnische Anwendungen

sind unsere Fotodiodenzeilen, die die Grundlage für die Röntgen-

strahldetektion im Security Bereich an Flughäfen bilden. Wenn

irgendwo auf der Welt am Flughafen das Gepäck „durchleuchtet“

wird, sind in der Regel unsere Fotodiodenzeilen Teil des Systems.

Ein Beispiel aus der Medizintechnik sind unsere Gamma- und

PET-Sondensysteme, die kleinste, radioaktiv markierte Tumore

oder Metastasen millimetergenau detektieren können. Die Da-

ten werden bei unseren Systemen über Bluetooth TM auf einen

Bildschirm übertragen, so dass der Arzt das Ergebnis sofort sehen

kann. Das von uns entwickelte neue Zweikanal-Messprinzip der

PET-Sonde führt darüber hinaus zu einem sehr schmalen Gerä-

teaufbau (Ø nur 18 mm) und damit zu geringerer Gewebebean-

spruchung als üblich.

Selbst große Unternehmen haben heute nicht mehr das Know-

how, um Halbleitersensoren im eigenen Haus herstellen zu kön-

nen und sind damit auf Kooperationen mit kompetenten Zuliefe-

rern angewiesen. Das schafft für uns exzellente Voraussetzungen,

um unser Halbleiter-Know-how in Verbindung mit applikations-

angepasstem, also individuellem Packaging anbieten zu können.

Hierfür müssen jedoch die Grundlagen vernünftig entwickelt sein,

weil sie schlicht die Basis intelligenter Sensorsysteme bilden. Ein

neues Thema für uns sind chemische Sensoren und Gassensoren.

Wir wollen schnelle Sauerstoff- und CO2-Sensoren bauen, die in-

tegrierbar sind, also relativ klein sein müssen. Zudem muss der

Herstellungspreis für die jeweilige Applikation plausibel sein. Un-

sere MEMS-Technologien bilden dafür eine gute Basis.

Themen und Anwendungen für Sensoren gibt es überall, denn sie

sind die Grundlage für jede Regelung, sei es im Auto, im Haushalt

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Dünnschichttechnologie

Page 28: Intelligente Oberflächen

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oder der Medizintechnik. Unser Sensor-Know-how gibt uns die

Möglichkeit, auch in der Zukunft durch den Einsatz innovativer

Technologien wettbewerbsfähige Produkte anbieten zu können.

Ziel unserer Neuentwicklungen ist es, durch kundenspezifische

Produkte einen möglichst hohen Mehrwert für unsere Kunden zu

erreichen. Dabei sind für uns auch Kooperationen mit Entwick-

lungspartnern (zum Beispiel dem IZM) sehr wertvoll.

Dünnschicht-Technologien bei First Sensor

First Sensor zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass wir von

den Halbleiterprozessen über das Packaging bis hin zur Kalibrie-

rung unserer Sensoren die komplette Wertschöpfungskette für

optoelektronische und Drucksensorlösungen anbieten. Innerhalb

dieser Wertschöpfungs kette beschäftigen wir uns natürlich auch

mit Dünnschichten – immer mit dem Ziel, unseren Kunden neue,

noch innovativere Sensoren anbieten zu können.

Wir setzen Dünnschicht-Techniken vor allem im Halbleiterbereich

und beim Packaging ein. Bei unseren Halbleiterprozessen bilden

Dünnschichten u. a. die Grundlage für sensorische Eigenschaften

oder Schutzschichten. Wird z. B. ein Filter mit einer sehr hohen

Sensitivität für bestimmte Wellenlängen benötigt, kann dieser

auf einen Sockel aufgebracht oder auf einem Chip integriert wer-

den. Für beide Varianten sind Dünnschichtsysteme notwendig.

Ein weiterer Ansatzpunkt für die Dünnschicht-Technologie sind

Passivierungen. Das beginnt bereits auf der Sensorchipebene. Da

wir fast immer einen direkten Kontakt zum Messmedium haben,

werden Passivierungsschichten zur Reduzierung der Feuchteab-

hängigkeit oder der chemischen Reaktion eingesetzt. Deshalb

brauchen wir optimierte Schichtsysteme. Das betrifft nicht nur

den Chip sondern auch die Modulebene: Wenn Sie Kunststoff

spritzen, haben Sie immer das Problem, dass die Kunststoffe

Feuchtigkeit aufnehmen. Das ist ein unerwünschter Nebeneffekt,

der den Einsatz von Sensoren stark begrenzen kann.

Die Zukunft wird mehr Kombinationen von verschiedenen Sen-

sortypen mit sich bringen. Deshalb haben – auch für uns – senso-

rische Layer an Bedeutung gewonnen. Hier und für die Forschung

gehen wir Kooperationen ein und testen permanent neue Ideen.

Damit sind wir für die Zukunft gerüstet.

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Dünnschichttechnologie

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Olga Kulikovska · Manfred Paeschke · Bundesdruckerei GmbH

Oberflächen in Diensten der Sicherheit

Vom traditionellen Wertdruckunternehmen hat sich die Bundesdruckerei zu einem national wie internatio-nal gefragten Impulsgeber und Vorreiter in Sachen Sichere Identitäten entwickelt und zählt heute zu den weltweit führenden Anbietern von Lösungen und Produkten im Bereich der Hochsicherheitstechnologien. Zu den Kernkompetenzen der Bundesdruckerei gehören neben dem Wertdruck und den Sicherheitsdokumenten auch integrierte Systemlösungen für die gesamte ID-Prozesskette sowie das Datenmanagement sensibler und hochkomplexer Informationen im Bereich elektronischer Publikationen. Zu den jüngsten Innovationen des Unternehmens zählt der seit November 2010 in Deutschland ausgegebene neue Personalausweis im Scheck-kartenformat. Er gilt als eines der sichersten Personaldokumente weltweit und ist zukunftsweisend für die Umwandlung klassischer Dokumente in elektronische eID-Dokumente.

In einem modernen eID-Dokument werden die klassischen

drucktechnischen Sicherheitsmerkmale mit optischen, mechani-

schen und elektronischen Komponenten ergänzt. Die individuel-

len persönlichen Daten werden in verschiedenen Materialebenen

mittels unterschiedlicher Personalisierungsmethoden eingebet-

tet und in einem Kartenkörper integriert. Die erforderte hohe In-

tegrationsdichte ist nur durch Verbindung und Zusammenwirken

unterschiedlichster physikalischer Prozesse und Herstellungs-

technologien erreichbar. Wie solch eine Verbindung funktionie-

ren kann, zeigen einige bei der Bundesdruckerei entwickelte

Lösungen.

Ein klassisches Druckverfahren wird zu einer besonderen Farb-

Personalisierungstechnologie wie Innosec® Fusion, wenn haus-

eigene Spezialfarben derart in das Kartenmaterial eingebracht

werden, dass Bilddaten und Kartenkörper nach dem Laminieren

einen unlösbaren Verbund bilden und hochgradig manipulations-

sicher sind.

Das Herzelement jeder eID-Karte ist ein elektronisches Inlay. Bei

der Bundesdruckerei wird an einem neuen Konzept gearbeitet,

das druckbare Elektronik mit Siliziumelektronik kombiniert. Ein

ultradünner Sicherheitschip wird auf einer dünnen gedruckten

Antenne aufgebaut und anschließend in den Kartenkörper inte-

griert. Die Vorteile des Konzepts liegen auf der Hand: Der haar-

dünne und millimetergroße Sicherheitschip ist extrem flexibel

und mechanisch belastbar; darüber hinaus ermöglicht er, dank

seiner kleinen Größe, eine hohe Integrationsdichte.

Eine zukunftweisende Entwicklung ist die Integration eines Dis-

plays in die eID-Karte. Basierend auf ePaper oder OLED, visuali-

siert ein integriertes Display die auf dem Sicherheitschip gespei-

cherten Informationen, wie z. B. eine Adresse oder Videosequenz,

und stellt damit ein bisher noch fehlendes Bindeglied zwischen

klassischen gedruckten und modernen elektronischen Elemen-

ten dar. Darüber hinaus reichen die neuen Möglichkeiten der

Display-on-Card Technologie bis in die Bereiche optischer Kom-

munikation und der Integration spezieller Sicherheitsmaterialien

und bewirken damit alle drei Sicherheitsstufen.

Ob sichere Farbpersonalisierung, druckbare Elektronik oder ul-

tradünne Displays – die Anforderungen bleiben bestehen: Alle

Sicherheitsmaterialien und -elemente werden auf einzelne Folien

gebracht und unter hoher Temperatur und Druck zu einem Kar-

tenkörper laminiert, der durch die Jahre hindurch seine tragende

und schützende Funktion zuverlässig erfüllt. An dieser Stelle wird

die außerordentliche Bedeutung, die den Oberflächen in einem

modernen eID-Dokument beigemessen wird, deutlich sichtbar.

Die Tatsache, dass die Oberflächen zunehmend viele Sicherheits-

elemente beherbergen werden, stellt die Frage des Zusammen-

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Dünnschichttechnologie

Page 30: Intelligente Oberflächen

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wirkens von Kartenmaterialien und -komponenten in den Mittel-

punkt. Oft bestimmt allein die Haftung an der Oberfläche, ob ein

Sicherheitselement in die Karte sicher und belastbar integriert

werden kann. Bei der Vielfalt der verwendeten Sicherheitsma-

terialien wird eine ortsaufgelöste Oberflächenmodifizierung un-

abdingbar. Gleichzeitig sorgen die Oberflächenprozesse für das

Verschmelzen von Lagengrenzen beim Zusammentragen von

Karten und tragen damit maßgeblich zu der Kartensicherheit bei.

Ganz andere Funktionen werden den äußeren Kartenoberflä-

chen beigemessen. Wie eine Haut sollen sie die Karte vor den

mechanischen, chemischen oder optischen Umwelteinflüssen

sowie vor den absichtlichen Fälschungsversuchen schützen. Hier

wird eine kratz- und abriebfeste, nicht-haftende, chemisch- und

lichtbeständige, schmutz- und bakterienabweisende Oberfläche

gewünscht. Ein übergreifendes Kriterium ist die Umweltfreund-

lichkeit – keine der verwendeten Materialien bzw. Herstellungs-

prozesse darf die Gesundheit gefährden. Nicht selten erscheinen

diese Anforderungen unvereinbar.

Unbestritten ist es eine wissenschaftliche und technologische

Herausforderung, den Oberflächen eines Kartenmaterials eine

solche Fülle an Eigenschaften zu verleihen. Dennoch ist das Wir-

kungspotenzial von Oberflächen und dünnen Schichten damit

noch nicht ausgeschöpft. Vielmehr sind die Oberflächen inte-

ressant, die, dank ihren besonderen, nicht nachahmbaren Eigen-

schaften, selbst ein fälschungssicheres Merkmal darstellen oder

sogar eine neue Funktion bilden. Ob eine Mikrostrukturierung

für optische Effekte oder eine Modifizierung elektronischer Ei-

genschaften für Sensorik – hier finden viele Vorreitertechnologi-

en ihre Anwendung.

Zusammenfassend erfordert ein modernes eID-Dokument er-

staunlich viel Verständnis und technologisches Können rund um

die Oberfläche. Keine der hier diskutierten Aufgaben kann mit

einer Technologie gelöst werden und die verschiedenen Wirkun-

gen sind nicht immer klar voneinander zu trennen. Es bleibt eine

Forschungsaufgabe und Herausforderung die Oberflächenwir-

kungen und -technologien auf einen gemeinsamen Nenner zu

bringen ohne dabei deren Prozesskompatibilität, Kostenfaktor,

Umweltfreundlichkeit, Zuverlässigkeit und Einzigartigkeit aus

dem Auge zu verlieren.Alle Sicherheitsmaterialien und -Elemente werden auf die einzelnen Folien gebracht und

unter hoher Temperatur und Druck zu einem Kartenkörper laminiert.

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Dünnschichttechnologie

Page 31: Intelligente Oberflächen

Biologisierung und BiofunktionalisierungModeration: Dr. Helmut Kunze TSB Innovationsagentur Berlin GmbH

Themenblock 2

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Dr. Joachim Storsberg · Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP

Intelligente Oberflächenmodifikation in der Biomaterialentwicklung für die Medizintechnik

Am IAP bin ich Leiter der Arbeitsgruppe „Funktionspolymere für die Medizintechnik“. Wir befassen uns viel mit Biomaterialien für die Augenheilkunde, aber auch mit anderen Implantaten. Ich möchte Ihnen im nachfolgen-den drei Beispiele zeigen, die bereits in der Anwendung erprobt wurden. Das erste Beispiel entstand bei einem Campus-Projekt in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut. Es geht darum, Zellen einfach von Oberflä-chen ohne Zugabe von Proteasen, wie z.B. Trypsin abzulösen. Dazu braucht man Oberflächen, die besonders behandelt wurden. Beim Ablösen dürfen die Zellen nicht beschädigt werden. Trypsinierung setzt die Zellen unter Stress, da Oberflächenrezeptoren proteolytisch zumindest teilweise degradiert werden.

Die Lösung: Man kann die Oberflächen mit „cleveren“ Polyme-

ren versehen, die je nach Temperatur die Eigenschaften verän-

dern. Bei Körpertemperatur sind diese Polymere hydrophob und

bieten den Zellen Verankerungspunkte an. Somit können Zellen

auf diesen Oberflächen adhärieren und proliferieren. Wenn Sie

das Medium abkühlen, werden die Polymere hydrophil und die

Wassermatrix stößt die Zellen einfach wieder ab. So haben Sie

die Möglichkeit, Zellverbände in einer geschlossenen Formation

von der Unterlage durch Abspülen mit Medium zu entfernen.

Dadurch kann man auch intakte Zellsheets unter milden und kon-

trollierten Bedingungen herstellen.

Die Methode ist auch interessant für die Chromatographie. Man

verändert ein bekanntes Material durch Oberflächenmodifika-

tionen so, dass es bestimmte Eigenschaften bekommt. Die Eigen-

schaften lassen sich dann „schalten“. Ein Molekül würde z.B. an

einem Silicagel an der Oberfläche abgelagert. Mittels Tempera-

turkontrolle kann man entscheiden, was von wem und wie abge-

trennt werden soll. Bei veränderter Temperatur ergibt sich somit

ein geändertes Trennverhalten dieser „cleveren“ Matrix.

Das dritte Beispiel ist aus der Augenheilkunde. Es handelt sich

dabei um eine Eigenentwicklung, an der wir mit verschiedenen

Projekten weiterarbeiten. In einem Projekt geht es um eine be-

sonders ausgeklügelte Oberflächenfunktionalisierung: Wir haben

aus einem bekannten Polymer etwas gemacht, was eigentlich un-

möglich ist: Es ist hydrophob und hydrophil zugleich. Die künst-

liche Hornhaut muss am Rand perfekt in das noch vorhandene

Gewebe einwachsen, aber in der Mitte, in der sich die Optik be-

findet, darf nichts einwachsen. Erreicht haben wir das mit einer

intelligenten Oberflächenmodifikation. Zuerst haben wir das Po-

lymer mit Plasma behandelt, damit wässrige Lösungen mit Poly-

elektrolyten darauf anhaften können. Sobald diese erste Schicht

gebildet ist, kommen die nächsten wässrigen Lösungen darauf.

Der Rand wird in einem sogenannten Layer-by-Layer-Verfahren

beschichtet und in der Mitte, dem optischen Bereich, verwenden

wir ein photochemisches Verfahren. Wir erzeugen dort ein inter-

penetrierendes hydrophiles Polymernetzwerk. Wir haben auf die

Hornhaut Primärzellen gegeben und deren Verhalten untersucht.

Künstliche biomimetische Augenhornhaut (Keratoprothese) die zum ersten Mal 2009

einem ultima ratio Patienten implantiert wurde (©Fraunhofer IAP/Armin Okulla)

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Biologisierung und Biofunktionalisierung

Page 33: Intelligente Oberflächen

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Die Zellen tolerierten die künstlichen Hornhäute und lagerten

sich nur an den Stellen an, die für das Gewebewachstum vorge-

sehen waren. Als wir mit den positiven in vitro Laborergebnissen

zufrieden waren, haben wir die synthetischen Hornhäute an Ka-

ninchen getestet. Das war auch erfolgreich, und so haben wir ei-

nem Menschen einen synthetischen Hornhautersatz eingepflanzt,

nachdem alle zuständigen Ethikkommissionen zustimmten und

auch der Patient seine Einwilligung gab. Diejenigen, bei denen

die künstliche Hornhaut implantiert wurde, können bis heute da-

mit sehen und es hat bis heute keine Komplikationen gegeben.

Es ist bemerkenswert, dass man aus einem einfachen Kunststoff

hochwertige Implantate herstellen kann. Nur die Grenzfläche, die

mit dem Gewebe Kontakt hat, entscheidet darüber, ob der Einsatz

des Biomaterials erfolgreich ist.

Dann möchte ich noch auf die Arbeitsgruppe „Materialien für die

medizinische Anwendung“ bei der RMIB, also der Regenerative-

Medizin-Initiative Berlin-Brandenburg, hinweisen. Diese Gruppe

wurde am 26. April gegründet und wird von BioTOP koordiniert.

Wir suchen noch Gruppen und insbesondere Unternehmen, die

hinzukommen. Die Arbeitsgruppe wird von Dr. Karl Kratz und mir

geleitet.

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Biologisierung und Biofunktionalisierung

Page 34: Intelligente Oberflächen

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Susanne Kahl · Merete Medical GmbH

Biokompatible Oberflächen für Implantate und Endoprothesen

Die Firma Merete wurde 1996 von Herrn Anapliotis in Berlin gegründet und hat aktuell etwa 120 Mitarbeiter. Schwerpunktbereiche sind die Forschung, Entwicklung und Herstellung von Implantaten, Instrumenten für die Endoprothetik oder die Osteosynthese. Herstellungsprozesse sind vom Rohmaterial bis zum fertig verpackten Medizinprodukt fast alle im Hause. Mittelpunkt sind innovative Hüft- und Fußimplantatsysteme sowie Systeme zur Versorgung von Knochendefekten und Knochentumoren. Produziert wird in modernsten Fertigungs- und Technologiestandorten in Berlin und Luckenwalde in Brandenburg.

Die Perle des Unternehmens ist der Merete® BioBall®. Ein innova-

tives Hüftendoprothesen Adapter-Steckkopf-System. Das einzig-

artige Konzept bietet dem Operateur ein hohes Maß an Flexibili-

tät und intraoperativer Entscheidungsfreiheit. Fehlstellungen von

Prothesenschaft und Hüftpfanne können durch geeignete Wahl

und Positionierung des Adapters ausgeglichen werden.

Im Bereich der Fußplatten- und Schraubenchirurgie ist eine

umfangreiche Produktpalette auch mit resorbierbaren Implan-

taten entwickelt worden. Das OsteoBridge® Diaphyse und Knie-

arthrodesesystem ist ein modulares Endoprothesensystem zur

Langzeitstabilisierung von segmentären Knochendefekten und

Knochenresektionen in Oberarm, Oberschenkel oder auch Un-

terschenkel, sowie auch zur Versteifung von Kniegelenken. Zum

Projekt der Oberflächenmodifikation: EPICAL® ist eine bioaktive

Calcium-Titanat-Oberfläche, deren wesentlicher Vorteil darin

besteht, dass es sich nicht um eine Beschichtung, sondern eine

Oberflächenumwandlung von Titanlegierungswerkstoffen han-

delt. Dadurch kommt es nicht zu Abrieb oder Absplitterung der

bioaktiven Schicht. Titan bildet an der Luft eine Titanoxidschicht.

Eingebracht in einen calciumreichen Reaktionspartner bei defi-

nierter Temperatur und Zeit, entsteht eine Calcium-Titanat-Ober-

fläche. Calcium ist im Körper ein wichtiges Element für Knochen,

Zähne, Nervenimpulse und Muskelkontraktionen.

Im Rahmen einer Tierstudie an Kaninchen wurden Probekörper

mit einer mit EPICAL® behandelten Schicht und Vergleichskörper

mit einer herkömmlichen Titanschicht implantiert. Nach Explan-

tation der Proben wurden Zugversuche zur Haftfestigkeit des

angewachsenen Knochens, sowie histologische Untersuchungen

durchgeführt. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Haftfestigkeit der

EPICAL® Oberfläche drei Monate schneller als bei herkömmlichen

Oberflächen erreicht wird. Damit werden wichtige drei Monate

gewonnen. Dies entspricht genau dem Zeitraum, der wesentlich

für die Knochenumbauvorgänge ist, nämlich von der Primärsta-

bilität, also direkt nach der Implantierung, hin zur Sekundärsta-

bilität. Diese Prozesse sind sehr vielfältig, womit ein drei Monate

schnelleres Einwachsverhalten von großer Bedeutung ist.

Es ist in der Medizintechnik ein langer Prozess, bis ein Verfahren

am Menschen angewendet werden oder ein neues Medizinpro-

dukt implantiert werden kann. Es wurden viele Festigkeitsun-

tersuchungen durchgeführt und es wurde sichergestellt, dass

es zu keinen toxikologischen Reaktionen kommt. Das Calcium

stimuliert den Knochen, schneller und in höherer Festigkeit an

das Implantat anzuwachsen. Das Anwachsverhalten konnte im

Tierversuch nachgewiesen werden und bevor es beim Menschen

zur Anwendung kommt, muss das Verfahren für die Serienferti-

gung validiert werden.

Interessante Kooperationsprojekte können sich beispielsweise

im Bereich Sensorik ergeben. Das Verfahren ist zur Anwendung

an medizinischen Implantaten zertifiziert. Die Produktionsanlage

steht. Es wird zurzeit die Anlage qualifiziert und der Prozess va-

lidiert. Für dieses Projekt werden Kooperationspartner aus dem

Bereich der biochemischen Messtechnik gesucht.

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Biologisierung und Biofunktionalisierung

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Prof. Dr. Marga C. Lensen · Technische Universität Berlin · Institut für Chemie

Oberflächenstrukturierung für die Interaktion mit Biomaterialien und lebenden Zellen

Das Lensen-Lab an der TU Berlin beschäftigt sich mit drei Hauptforschungsfeldern: Erstens mit der Entwicklung von neuen Biomaterialien, zweitens mit Patterning-Methoden, also Verfahren zur Oberflächenstrukturierung – die stehen bei uns im Vordergrund. Drittens untersuchen wir, wie die strukturierten Biomaterialien mit Zellen interagieren. Ein mögliches Anwendungsbeispiel ist die Gewebezüchtung.

Viele Studien zeigen, dass Zellen sehr empfindlich für Oberflä-

chencharakteristika sind. Einerseits ist die chemische Zusam-

mensetzung des Materials sehr wichtig, andererseits auch die

physikalischen Oberflächenstrukturen, etwa die Rauigkeit oder

gezielt erzeugte mikroskopische Strukturen. Der dritte Aspekt ist

die Steifigkeit des Materials und der Oberfläche. Wir untersuchen

diese drei Hauptaspekte, indem wir eine strukturierte Form auf

Oberflächen bringen und dann überprüfen, welche die wichtigs-

ten Parameter sind, um die Zellantworten zu steuern.

Wir arbeiten mit zwei Klassen von Materialien, die beide auf-

grund ihrer chemischen Eigenschaften zellabweisend oder

bioinert sein sollten. Aber wenn wir die Oberflächen auf eine

bestimmte Weise strukturieren, dann haften die Zellen doch auf

der Oberfläche. Unsere Ausgangsstoffe sind zum einen Perfluor-

polyether, das Eigenschaften wie Teflon hat. Das Interessante ist,

dass diese Präpolymere flüssig sind, bevor man sie verarbeitet

und vernetzt, deshalb kann man sie als „flüssiges Teflon“ bezeich-

nen. Die zweite Kategorie von Materialien sind Polyethylengly-

cole, die Eigenschaften wie Hydrogele haben. Sie können Wasser

aufnehmen und ähneln stark biologischem Gewebe. Weil sie flüs-

sig sind, bevor man sie aushärten lässt, kann man die Materialien

in jede beliebige Form gießen und abbilden. Dieses Verfahren

heißt „Replica Molding“ oder Nanolithografie. Man nimmt zuerst

das flüssige Teflon, macht davon ein Abbild, das man wiederum

als Template benutzt, um Hydrogele abzubilden. Das funktioniert

auf Mikroskalen und auf Nanoskalen; wir können 10 Nanometer

kleine Strukturen abbilden.

Wenn es topografische Strukturen gibt, haften die Zellen auf die-

sen Hydrogel-Materialien, obwohl es reines Polyethylenglycol ist,

was zellabweisend sein sollte. Beim gleichen Muster, aber ver-

schiedener Steifigkeit, ändern die Zellen ihr Verhalten: Entweder

sie besiedeln die Erhebungen oder die Rillen. Den Aspekt der

Steifigkeit nutzen wir auch für unsere Strukturierungsverfahren.

Wir haben ein Verfahren namens „Fill-Molding In Capillaries“ ent-

wickelt. Dabei stellen wir sicher, dass die Oberfläche nicht topo-

grafisch strukturiert, sondern glatt ist, aber ein Steifigkeitsmuster

hat. Die Zellen reagieren ganz spezifisch auf diese steiferen Strei-

fen von Hydrogelen. Wir haben chemisch nichts verändert, aber

die Zellen antworten auf dieses Muster.

Wir haben ein zweites Verfahren entwickelt, das wir „Micro-

Contact Deprinting“ nennen. Dabei bringt man einen „Stempel“

in Kontakt bringt mit Blöcken von polymeren Mizellen, die von

den Goldnanopartikeln geformt werden, quasi als Nanoreakto-

ren. Anschließend kann man die Mizellen von den Kontaktflächen

selektiv abziehen. Man kann auch Kombinationen von Topografie

und Goldnanopartikelmustern herstellen und so orthogonal-hi-

erarchische Strukturen erzeugen. Wir strukturieren mittlerweile

auch dreidimensional. Eine spannende Frage für die Zukunft ist,

ob es biologische Änderungen in den Zellen gibt, zum Beispiel im

Stoffwechsel, oder ob sie besser proliferieren.

Mein heutiges Anliegen ist dieses: Wir haben viele Kooperati-

onsansätze mit universitären und außeruniversitären Forscher-

gruppen, aber es gibt bisher keine Anknüpfung an die Industrie.

Vielleicht ändert sich das nach dieser Veranstaltung. Eine weitere

Frage möchte ich gerne diskutieren: die Patentierung. Als Wis-

senschaftlerin habe ich einen großen Druck zu publizieren, aber

wenn man über die Verfahren, die eigentlich patentierbar sind,

schon etwas publiziert hat, dann hat man ein Problem.

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Biologisierung und Biofunktionalisierung

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Dr. Wilfried Weigel · Scienion AG

Anforderungen an das Oberflächendesign bei Microarrayanwendungen

Die Scienion AG ist eine Ausgründung aus dem Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin-Dahlem. Die Firma existiert seit zehn Jahren und beschäftigt derzeit 35 Mitarbeiter. Der Vortrag handelt von den An-forderungen an das Oberflächendesign bei Microarrayanwendungen. Microarrays sind molekularbiologische Untersuchungssysteme für die miniaturisierte Hochdurchsatzanalyse von biologischen Proben. Zu den wich-tigsten Typen gehören DNA-, Protein-, Glycan- und Zellarrays. In den einzelnen Spots der Arrays werden Son-denmoleküle bekannter Struktur immobilisiert. Im Inkubationsschritt mit den biologischen Proben erfolgt das Screening der Sonden-Target-Wechselwirkungen. Bekannte Anwendungen sind z.B. Genexpressionsanalysen oder das Multiplexing von Protein-Assays.

Microarrays werden durch Spotten und anschließende Immobi-

lisierung der Sonden auf geeigneten Substraten hergestellt. Als

Substrate werden oberflächenfunktionalisierte Materialien wie

z.B. Glas, Siliziumdioxid, Polymere als planare Träger, Gold bei

Biosensoren oder poröse Materialien wie z.B. Membranen ver-

wendet. Die Methoden der Wahl zur Herstellung von hochqua-

litativen Arrays sind kontaktfreie Spottingverfahren, bei denen

sub-Nanoliter große Tropfen generiert werden. Dabei ist eine sta-

bile Tropfenbildung zur Herstellung von hochqualitativen Arrays

essentiell. Hierzu ist es wichtig in Abhängigkeit vom Charakter

der Proben die Grenzflächeneffekte bei der Tropfenbildung durch

die Einstellung der Benetzungseigenschaften und die Realisie-

rung von inerten Oberflächen in den Druckdüsen gezielt beein-

flussen zu können.

Beim Design der oberflächenfunktionalisierten Substrate und der

Entwicklung der entsprechenden Immobilisierungsprotokolle

steht eine hohe Immobilisierungseffizienz der Sonden im Mittel-

punkt. Hierbei muss beachtet werden, dass neben der Bereitstel-

lung der chemischen Funktionalitäten zur gerichteten Anbindung

der Sonden die Struktur der Oberflächencoatings eine wichtige

Eigenschaft ist. Dadurch kann die Dichte und Orientierung der

immobilisierten Sondenmoleküle beeinflusst werden. So spielt

z.B. bei DNA-basierten Anwendungen die Frage der Zugänglich-

keit der Sonden im Hybridisierungsschritt eine wichtige Rolle

während bei Proteinarrays der Erhalt der Bioaktivität der Proteine

eine entscheidende Anforderung ist. In diesem Sinne geht es bei

der Entwicklung von Substraten für Microarrayanwendungen um

die Kontrolle des Verhaltens von Biomolekülen auf Oberflächen

auf der Nano- und Mikrometerskala.

Bei den funktionalisierten Substratoberflächen wird im Wesent-

lichen zwischen 2D Self Assembling Monolayers und 3D Poly-

merschichten unterschieden. 2D-Silanfunktionalisierungen sind

bei der Verwendung von Glasslides als Substrate am weitesten

verbreitet. 3D-Polymeroberflächen, zu denen auch Hydrogele

gehören, bieten verschiedene Vorteile wie z.B. die gezielte Ein-

stellung der Funktionalgruppendichte und der Hydrophilie. Die

Homogenität und Reproduzierbarkeit bei der Herstellung von de-

fektfreien oberflächenfunktionalisierten Materialien für Microar-

rayanwendungen sind zwei entscheidende Qualitätsparameter

und Anforderung bzw. Herausforderung zugleich.

Neben den klassischen Substraten für Microarrays wie Glasslides

spielen für Anwendungen in der klinischen Diagnostik vor allem

speziell entwickelte Mikrotiterplatten, bei denen die Arrays in die

einzelnen Wells gedruckt werden, zunehmend eine zentrale Rolle.

Die Thematik ist ein exzellentes Beispiel für eine erfolgreiche

interdisziplinäre Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Part-

nern aus der Region Berlin-Brandenburg. wie z.B. verschiedenen

Fraunhofer und Max-Planck Instituten, den Universitäten, dem

Robert-Koch-Institut und klinischen Einrichtungen wie der Cha-

rité.

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Biologisierung und Biofunktionalisierung

Page 37: Intelligente Oberflächen

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Dr. Karl Kratz · Helmholtz-Zentrum Geesthacht · Zentrum für Biomaterialentwicklung Teltow

Gewebespezifische Biomaterialien auf Polymerbasis für zellbasierte Therapieansätze

Am Zentrum für Biomaterialentwicklung in Teltow und am gemeinsam von HZG und Charité betriebenen Ber-lin-Brandenburg Centrum für Regenerative Therapien (BCRT) arbeiten insgesamt über 400 Mitarbeiter daran, neue regenerative Therapien zu entwickeln. Dabei werden sowohl biomaterial-gestützte als auch zellbasierte Therapieansätze verfolgt, die insbesondere die endogene Regeneration, d.h. die körpereigene Heilungsprozes-se nutzen. Heutzutage ist es nicht möglich, das Verhalten von Biomaterialien in vivo zuverlässig vorherzusagen. Ein Beispiel dafür ist, dass ein und dasselbe polymere Biomaterial, implantiert bei einer Maus eine exzellente Integration ins Gewebe ergibt, wohingegen eingesetzt bei einer Ratte, eine fibröse Kapsel um das Material gebildet wird, aus der man das Implantat später unbeschädigt wieder entnehmen kann.

Entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg einer biomaterial-

gestützten Therapie sind die Wechselwirkungen der Material-

oberfläche mit dem umgebenden Gewebe und Zellen nach der

Implantation. Wünschenswert wären daher multifunktionale

Biomaterialien, welche einerseits temporär eine Stützfunktion

übernehmen, zudem über spezifische Oberflächen-Wechselwir-

kungen die für die endogene Regeneration relevanten Zellen ad-

härieren und stimulieren, um auf diese Weise die erforderlichen

Heilungsprozesse in Gang setzen zu können und sich zudem im

Zuge des Aufbaus von neuem funktionalen Gewebe kontrolliert

auflösen.

Vor diesem Hintergrund wurde am Zentrum für Biomaterialent-

wicklung ein neuer Forschungsansatz entwickelt, die polymeren

zell- und gewebespezifischen Biomaterialien. Hierbei handelt es

sich um Polymerfamilien, bei denen durch kleine Änderungen in

der chemischen Zusammensetzung gezielt andere Eigenschaften

wie beispielsweise mechanischen Eigenschaften oder auch die

Hydrophilie eingestellt werden können ohne dass eine zusätzli-

che Oberflächenbehandlung erfolgen muss.

Ein Beispiel für zell-spezifische Polymere sind Copolymere aus

Acrylnitril (AN) und N-Vinyl-2-Pyrrolidon (NVP). Durch den Ein-

bau von NVP kann die Hydrophilie des Materials deutlich erhöht

werden, wodurch es besser mit Wasser benetzbar wird. Zellex-

perimente mit Fibroblasten und Keratinozyten in Co-Kultur zeig-

ten, dass bei einem bestimmten NVP-Anteil im Copolymer die

Anlagerung der Fibroblasten, welche den Aufbau von Binde- oder

Narbengewebe steuern, unterdrückt wird, wohingegen die Kera-

tinozyten, die wichtig für die Regeneration der Haut sind, beson-

ders gut anhaften. Auf diese Weise könnte man zukünftig allein

durch die Auswahl der Polymerkomposition steuern ob in vivo

neues funktionales Gewebe aufgebaut wird (Regeneration) oder

Narbengewebe entsteht.

Ein zweites Beispiel sind abbaubare Copolyesterurethane, auf-

gebaut aus Oligo(e-caprolacton)- und Oligo(p-dioxanon)-Bau-

steinen, welche über Urethaneinheiten miteinander verknüpft

sind. Diese Polymere zeigen ein zell-spezifisches Verhalten, wel-

ches insbesondere für kardiovaskulare Anwendung von großem

Interesse ist. Bei gleichzeitiger Kultivierung von Endothelzellen,

welche die Innenwand von Gefäßen auskleiden, und glatten Ge-

fäßmuskelzellen auf diesem Material, wird die Adhäsion der En-

dothelzellen unterstützt, wohingegen die Anhaftung der glatten

Gefäßmuskelzellen nahezu gänzlich unterdrückt wird. Hier ist zu

erwarten, dass mit kardiovaskularen Implantate, die entweder

aus Copolyesterurethan aufgebaut sind oder mit einer Copoly-

esterurethan-Beschichtung ausgerüstet wurden einerseits eine

schnelle und vollständige Endothelialisierung erreicht werden

kann und zugleich eine überschießende Proliferation der Ge-

fäßmuskelzellen verhindert wird, welche z.B. eine der Hauptur-

sachen für den Wiederverschluss (Restenose) von metallischen

Gefäßstützen (Stents) ist.

Diese Beispiele zeigen eindrucksvoll das große Potential von zell-

spezifischen Polymeren. Daher sollte bereits zu einem frühen

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Biologisierung und Biofunktionalisierung

Page 38: Intelligente Oberflächen

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Zeitpunkt der Biomaterialentwicklung das biologische Screening

im Hinblick auf zell-spezifisches Verhalten untersucht werden.

Da Proteinen eine wichtige Rolle als Vermittler bei der Adhäsion

von Zellen auf Oberflächen zukommt, kann man die Mechanis-

men des zell-spezifischen Verhaltens nur entschlüsseln, wenn

man die Protein-Biomaterial-Interaktion versteht. Diese Wech-

selwirkungen werden aktuell im Rahmen des Helmholtz Virtuel-

len Instituts „Multifunctional Materials for Medicine“ beforscht,

welches von HZG gemeinsam mit dem Helmholtz-Zentrum Berlin

und der FU Berlin eingeworben wurde.

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Biologisierung und Biofunktionalisierung

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Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Bauteile und Beschichtung

Bauteile und Beschichtung

Moderation: Dr. Sascha Peters HAUTE INNOVATION – Agentur für Material und Technologie

Themenblock 3

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Dr. Driss Bartout · Technische Universität Berlin, Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb – Füge- und Beschichtungstechnik

Neues Forschungszentrum für Füge- und Beschichtungstechnik

Unser Team besteht aus sechs Mitarbeitern, fünf Technikern, fünf Studenten und einer Sekretärin. Nach dem Weggang von Prof. Wilden wird das Institut kommissarisch geleitet von Prof. Stark. Dipl.-Ing. Georg Thomas, der mit mir heute hier ist, wird mich nachher bei der Beantwortung von Fragen unterstützen. Neben der Beschich-tungstechnik beschäftigen wir uns mit der Lichtbogentechnik, der Laser- und der Elektronenstrahltechnik so-wie mit Hartlöten und Nanofügen. Wir sind dabei, unser Forschungszentrum für Füge- und Beschichtungstech-nik, kurz FORUM genannt, in der Wasserbauhalle an der Straße des 17. Juni aufzubauen. Dort werden wir ab Oktober die Möglichkeit haben, in der Beschichtungstechnik unsere Forschungen voranzutreiben.

Folgende Anlagetechniken werden uns dabei zur Verfügung

stehen: zum einen eine Vakuum-Plasma-Spritzanlage und eine

Hochgeschwindigkeits-Flamm-Spritzanlage, beide für das ther-

mische Spritzen. Für das Auftragsschweißen haben wir eine

Elektronenstrahlanlage sowie einen Diodenlaser. Unsere Elektro-

nenstrahlanlage hat einen nutzbaren Raum von drei Kubikmetern

und einen CNC-gesteuerten Tisch sowie eine Einrichtung zum

Werkstück- und Vorrichtungswechsel. Außerdem haben wir die

Möglichkeit, auch mobile Verfahren durchzuführen. Wir haben

eine Drahtlos-Einheit, so dass wir zum Beispiel Laser- und Elekt-

ronenstrahl kombinieren können.

Beim thermischen Spritzen haben wir eine Vakuum-Plasma-

Spritzanlage mit einer fünf Meter langen Kammer. Man kann

auch bei niedrigem Druck bis zu 0,5 Millibar spritzen. Bei hoher

Leistung und niedrigem Druck erzeugen wir einen Plasmafrei-

strahl von bis zu 2 Metern Länge. Wir können auch Werkstoffe

wie Keramika verdampfen. Im atmosphärischen Bereich haben

wir die Hochgeschwindigkeits-Flamm-Spritzanlage, die wegen

der hohen Anzahl an einstellbaren Betriebsparametern sehr fle-

xibel ist. Wir können den Brennstoff variieren oder beispielsweise

Düsenkonfigurationen verändern.

Es bestehe die Möglichkeit, Permanentmagnete zu spritzen. Die-

ses Verfahren eröffnet z.B. der Automobilbranche die Möglichkeit,

Elektromotoren auf innovative Art zu produzieren. Aktuell wer-

den häufig Kohlefasern eingesetzt, die vorteilhafte Materialei-

genschaften aufweisen, aber in der Funktion eingeschränkt sind.

Durch thermisches Beschichten könnte man die Möglichkeiten

dieses Materials enorm erweitern, indem man es mit Keramiken

oder mit Metall beschichtet.

Mit unserem FORUM verfolgen wir das Ziel, praxisrelevante Pro-

blemstellungen aus der Industrie in der Region einer schnellen

Lösung zuzuführen. Hier möchte ich hervorheben, dass bei uns

KMU einen Zugriff auf sehr kostenintensive Anlagen erhalten. Sie

können ohne Risiken ihre neuen Prototypen fertigen und bis hin

zur Serienreife entwickeln. Wir hätten gerne, dass dieses Zentrum

dauerhaft an der TU Berlin bleibt und wir stellen gerne Anträge

im Rahmen von EU-Förderprojekten. Genauso akquirieren wir

gerne Drittmittelprojekte aus dem öffentlichen und nichtöffent-

lichen Bereich. Wir wollen die Differenz zwischen dem, was die

Forschung macht, und dem was in den Unternehmen gebraucht

wird, ein Stück weit abbauen.

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Bauteile und Beschichtung

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Dr. Wagdi Garkas · Brandenburgische Technische Universität Cottbus · Lehrstuhl Metallkunde und Werkstofftechnik

Erosions- und Korrosionsforschung mithilfe der PVD-Technologie

Zwei Forschungsschwerpunkte haben wir an unserem Lehrstuhl: zum einen Leichtbauwerkstoffe, vor allem Titan und Titan-Legierungen, zum anderen die Oberflächentechnik. Hier beschäftigen wir uns hauptsächlich mit der PVD-Technologie. Eine industrielle Sputteranlage von der Firma CemeCon AG steht am Lehrstuhl zur Verfügung. Die PVD-Technik ist ideal für die Werkzeugbeschichtung. Für weitere Anwendungen wie Erosion und Korrosion ist die Technik aber anwendbar.

Wir arbeiten intensiv auf zwei anspruchsvollen Gebieten: Erosion

und Korrosion. Wenn man mit dem Flugzeug durch wüstennahe

Gebiete fliegt, sind die Triebwerke durch Sandströmung stark be-

lastet. Deshalb ist der Anspruch an dem Erosionsschutz in den

letzten Jahren stark gestiegen, weil Triebwerkhersteller viele Auf-

träge von Fluggesellschaften aus dem Nahen Osten und Nordafri-

ka erhalten. Das andere Gebiet ist die Hochtemperaturkorrosion,

diese tritt besonders bei stationären Gasturbinen auf. Der Auslö-

ser für die Korrosionsschäden in der Turbine sind die in der Atom-

sphäre und in den Rauchgasen enthaltenen korrosiven Medien.

Unsere PVD-Anlage hat eine große Beschichtungskammer, was

die Beschichtung große Bauteile erlaubt. Dementsprechend be-

kommen wir zahlreiche Aufträge aus der Industrie, zum Beispiel

Glasscheiben aus der Mikroelektronik. Die konventionelle Sput-

teranlage kann im DC- (Gleichstrom-) Modus, im ARC- (Lichtbo-

gen-)Modus und im HPPMS- (Puls-)Modus betrieben werden. Im

Puls-Modus kann man besonders dichte Schichten erzeugen, die

eine hohe Haftfestigkeit besitzen.

Im Rahmen mehrerer Projekte haben wir zahlreiche Schichtsys-

teme entwickelt. Vor allem haben wir Erfahrung mit Schichten

für Hochtemperaturkorrosion auf Chrom- und Aluminiumbasis.

Des Weiteren haben wir die sogenannten „MAX-Phasen“, Schicht-

systeme aus drei Elementen mit keramischen und metallischen

Eigenschaften, hergestellt und charakterisiert. MAX-Phasen sind

zum Beispiel elektrisch leitend, aber steif und haben einen sehr

hohen Schmelzpunkt wie Keramik. Weiterhin haben wir uns mit

Multilagenschichten auseinandergesetzt, Schichten wie CrN/Cr

oder TiN/Ti wurden abgeschieden und untersucht. Der Vorteil

von solchen Schichten liegt an der Rissablenkung. Wir verwen-

den aber auch konventionelle Hartstoffschichten wie TiN, TiC und

TiAlN.

Wir haben mit der Unterstützung von Rolls Royce Deutschland im

Jahr 2008 einen Erosionsprüfstand am Lehrstuhl aufgebaut. Die-

ser ist der einzige professionelle Prüfstand an einer deutschen

Hochschule. Wir können kalt und warm von 20°C bis 420°C ero-

dieren. Eine Partikelgeschwindigkeit bis zu 320 m/s kann erreicht

werden. Für unsere Tests nutzen wir unterschiedliche Erosions-

medien mit unterschiedlichen Partikelgrößen, z.B. zertifizierten

Sand, der Wüstensand ähnlich ist.

Unsere Erosionsschutzschichten haben eine Stärke von 20 bis 25

Mikrometer, weil sie keinen Einfluss auf die Aerodynamik haben

dürfen. Der Erosionstest wird in zwei Winkeln durchgeführt, bei

90° – da sind Keramiken besonders empfindlich und bei 30°, wo

Metalle besonders anfällig zu Erosion sind. Beim Erosionsschutz

braucht man sowohl eine harte Oberfläche als auch eine gewisse

Duktilität, um die Energie des Sandes zu absorbieren. Wie soll

das gehen? Bei einer Erosionsbelastung entstehen tiefe Risse,

manchmal auch Rissnetzwerke. Die MAX-Phasen, die metallische

und keramische Eigenschaften vereinigen, sind nicht so hart wie

Keramiken, dafür aber duktiler. Dadurch entstehen nur oberfläch-

liche Risse und keine Rissnetzwerke. Hierbei ist es zu erwähnen,

dass wir nicht nur eigene Schichten untersuchen, sondern auch

Schichten für Auftraggeber aus der Industrie. Bislang existieren

keine Normen für Erosionstest und daher führen wir die Tests

nach den gewünschten Testbedingungen vom Auftraggeber

durch.

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Bauteile und Beschichtung

Page 42: Intelligente Oberflächen

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Ein weiteres Thema sind Hochtemperaturanwendungen, beson-

ders in der Korrosionsforschung. Ich selbst arbeite an der Ent-

wicklung einer Korrosionsschutzschicht für Bauteile aus der Nie-

derdruckturbine mit einer Nickel-Superlegierung. Wir haben am

Lehrstuhl auch einen automatisierten Oxidationsprüfstand, mit

dem wir thermozyklische Oxidationsversuche als Ermüdungs-

tests bis 1.100°C durchführen können. Im Korrosionsprüfstand

besprühen wir die Proben mit korrosiven Medien und können

Tests bei Temperaturen bis 950°C durchführen.

Eine Herausforderung bei der Arbeit mit solchen dünnen Schich-

ten ist die Charakterisierung der Schichten. Dazu haben wir ein

Röntgendiffraktometer der Firma Bruker mit einem Punkt- und

einem Flächendetektor, zusätzlich können wir Texturen und die

Eigenspannung messen. Auch EDX und WDX- Messungen mit

dem Rasterelektronenmikroskop sind am Institut verfügbar. In

unserem Dünnschichtlabor haben wir außerdem einen Scratch-

tester für die Ermittlung der Haftfestigkeit, ein Hochtemperatur-

Tribometer zur Messung des Reibkoeffizienten – wichtig für das

Verschleißverhalten – und einen Nanoindenter zur Ermittlung

von Härte und E-Modul von Schichten, was in vielen Simulatio-

nen eine Verwendung findet.

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Bauteile und Beschichtung

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Dr. Peter Siemroth · Arc Precision GmbH · Wildau

Anlagen-, Technologie- und Schichtentwicklung für Industrie und Forschung

Die Firma Arc Precision, Sources, Coatings and Analysis GmbH ist eine Ausgründung aus dem Fraunhofer IWS in Dresden und besitzt langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Abscheidung, Optimierung und Cha-rakterisierung von dünnen Schichten und Schichtsystemen. Das Alleinstellungsmerkmal bildet der gefilterte, gepulste Hochstrombogen (Φ-HCA = Filtered High Current Arc). Mit dieser Technologie können Schichten un-terschiedlichster Materialien besonders dicht, hart und haftfest abgeschieden werden. Kernkompetenz bildet die Abscheidung von amorphem Kohlenstoff (ta-C) mit hohem sp3-Anteil. In reiner oder dotierter Form kom-men ta-C-Schichten in unterschiedlichsten Bereichen zur Anwendung. Unter diesen Schichten zeichnen sich teilfluorierte ta-C-Schichten dadurch aus, dass man deren Eigenschaften, einschließlich ihres Brechungsindex, in weiten Grenzen variieren kann.

Die Firma ArcPrecision hat hierzu weitreichende Erfahrungen im

Bereich Diffusionsbarrieren, Korrosionsschutz, Kratzschutz, so-

wie hydrophober Schutzschichten. In der Vergangenheit wurde

auch der Einsatz von amorphem Kohlenstoff als Kapselung für

mögliche OLED-Anwendungen untersucht. Das mit vielverspre-

chenden Ergebnissen begonnene Projekt konnte jedoch aufgrund

des hohen wirtschaftlichen Risikos nicht mit eigenen Mitteln zu

Ende geführt werden.

Für die Entwicklung des Prototyps einer Beschichtungsquelle für

Festplatten, die an eine branchenübliche Produktionsanlage an-

gepasst war, wurde Arc Precision 2007 mit dem Innovationspreis

Berlin/Brandenburg ausgezeichnet. Diese Quelle ist dafür ausge-

legt 1000 Festplatten in der Stunde beidseitig zu beschichten.

Weitere Entwicklungen betreffen die allseitige Beschichtung von

3-D-Nano-Sensoren und die Entwicklung spezieller Schichten,

um das Ausströmen von Flüssigkeiten aus Mikrodüsen zu opti-

mieren. Auch dickere Schichten sind ein Thema für Arc Precision.

An superglatten, harten und extrem reibarmen Schichten für die

Automobilindustrie wird gegenwärtig gearbeitet. Ein ganz neues

Thema betrifft die Abscheidung von Graphen auf Isolatormateri-

alien, wir z. B. Quarz. Bei Graphen handelt es sich um einlagige

Kohlenstoffschichten, von denen man sich dank Ihrer extremen

Eigenschaften in vielen Bereichen der Mikroelektronik einen

Sprung nach vorn erwartet. Bisher konnte Graphen nur auf be-

stimmten Metallen abgeschieden werden. Durch die weltweit

erstmalige Abscheidung auf Isolatormaterialien ist man dem Ein-

satz in der Mikroelektronik einen Schritt näher gekommen.

CAD-Modell der F-HCA-Quelle und Ansicht der an einer industriellen Festplattenanlage montierten Quelle

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Bauteile und Beschichtung

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Dr. Christian Hammel · TSB Technologiestiftung Berlin

Zusammenfassung: Thesen und Wirklichkeit

Wenn wir die Diskussionen Revue passieren lassen, dann war relativ schnell klar: So exotisch „intelligente Oberflächen“ klang, ist das Thema dann doch nicht: Im Basispapier haben wir ein paar Thesen genannt, viel-leicht verfolgen wir sie noch einmal nach. In den Thesen 1 und 5 fand sich die Aussage, dass es in Berlin und Brandenburg erhebliche Kompetenzen gibt und dass es gut wäre, Transparenz zu schaffen, etwa mit einer Wis-senslandkarte. Bei der Kompetenz brauchen wir nicht lange zu diskutieren, da herrscht Einverständnis. Gegen eine Wissenslandkarte hat niemand etwas, die Visualisierung trägt sicher zur Transparenz bei. Wir nehmen aber zur Kenntnis, dass die Anlage und Pflege von Technologiedatenbanken eher kritisch gesehen wurden, da sie viel Arbeit machen und ohne Pflege schnell veralten. Das aktive Zusammenbringen der Akteure wurde hier dagegen mehrfach als nötige Schlüsselaktivität genannt. Um die Akteure zusammenzubringen, sollte man demnach die Ressourcen und die menschliche Arbeit vorrangig ins Netzwerken investieren.

Ein weitere These, These 2, war, dass die Anwender der Ober-

flächentechnologien überwiegend bereits in den Berlin-Branden-

burger Clustern sitzen und dass wir deshalb gut beraten sind, das

Thema innerhalb der Cluster weiterzuverfolgen, statt neue Or-

ganisationsstrukturen aufzubauen. Die politische Diskussion im

ersten Block hat dies größtenteils bestätigt. Wir sind demnach

gut beraten, unsere Innovationsstrategie beizubehalten – zu-

mal Materialen und Werkstoffe darin ohnehin bereits als Quer-

schnittsthema erwähnt sind, und diese Veranstaltung als Auftakt

zu nehmen, die Bearbeitung des Querschnittsthemas nun mit

Aktivitäten zu untersetzen. Dass, wie wir heute erfahren haben,

Beschichtungstechnologien in ganz unterschiedlichen Bereichen

Anwendung finden können, widerspricht dem nicht. Es belegt

vielmehr die in These 3 aufgestellte und in der politischen Dis-

kussion mehrfach angesprochene Notwendigkeit, Innovationen

an den Schnittstellen der Cluster aufzuspüren. Hier kann die

Technologiestiftung die Schnittstelle sein. Fordern Sie uns, damit

wir Sie mit den Experten aus anderen Branchen bekannt machen,

die Sie in Ihrer täglichen Arbeit vermutlich nicht kennenlernen

würden.

Zur ausführlichen Diskussion von These 4, Forscher und Entwick-

ler mit der Kreativwirtschaft, insbesondere der Designbranche

zusammenzubringen, hat uns heute leider die Zeit gefehlt. Das

Potenzial der Designbranche zu nutzen, um Anwendungsszenari-

en zu entwickeln, gerade wenn man noch nicht weiß, wofür eine

wissenschaftliche Erkenntnis zu gebrauchen ist, sehen wir nach

wie vor und werden versuchen, Formate dafür zu entwickeln und

zu testen.

Am Anfang haben wir den Aufruf von Herrn Tränkle gehört,

auch einmal herumzuspinnen, sich jenseits des Tagesgeschäfts

die Freiheit zu nehmen, wirklich neue Ideen zu entwickeln und

durchzudiskutieren. Das Beispiel, auszuprobieren, ob man mit

optischer Spektroskopie von Schweiß Krankheiten erkennen

kann, hat er genannt. Eine konkrete Anregung kam auch von

Rolls Royce: Wenn man dort Triebwerke am liebsten in eingebau-

ten Zustand wartet, sollte man in Spinner- oder Kreativrunden

herausfinden, wie die Analytiker von Schichten ihre Messtechnik

als Endoskop im eingebauten Triebwerk gestalten können oder

wie man gleich die Nachbeschichtung vor Ort erledigt. Das steht

vielleicht nicht in den nächsten zwei Jahren an, aber greifen Sie

solche Ideen auf, wenn Anwender sie Ihnen zurufen.

Ich bedanke mich im Namen der Technologiestiftung und dem

Mitveranstalter, der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technolo-

gie und Forschung für Ihr Interesse. Ich danke aus unserem Hau-

se besonders Ines Junge, die das Thema in den Fokus gebracht

hat, sowie Annette Kleffel und Michael Scherer, die dafür gesorgt

haben, dass das Veranstaltungsformat seit Jahren eingeführt ist

und gut funktioniert.

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012Zusammenfassung: Thesen und Wirklichkeit

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Dieses Vorhaben wird aus Mitteln des Landes Berlin und der Investitionsbank Berlin gefördert, kofinanziert von der Europäischen Union. Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung. Investition in Ihre Zukunft

Impressum

Herausgeber

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Fasanenstraße 85 · 10623 Berlin

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In Zusammenarbeit mit

Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung Berlin

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Redaktion

Stefan Parsch · Wissenschaftsjournalist · www.stefan-parsch.de

Annette Kleffel (TSB) · Michael Scherer (TSB)

Entwurf, Layout und Satz

webersupiran.de

Fotos

Peter-Paul Weiler · www.berlin-event-foto.de

Dokumentation Forschungspolitischer Dialog · Intelligente Oberflächen · 5. Juli 2012

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Die TSB Technologiestiftung Berlin steht für Innovation und Technologie entwicklung in der Hauptstadtregion. Sie fördert die

Wissenschaft und unter stützt die Wirtschaft. Schwerpunkte der Arbeit der Stiftung sind Strategieentwicklung, Bildung und

Wissen schafts kommunikation. Kernaufgaben der TSB Innovationsagentur Berlin GmbH sind Cluster management, Vernetzung

und Technologietransfer auf den Feldern Life Science & Gesundheit, Verkehr & Mobilität, Energietechnik, Optik & Mikrosystem-

technik, IKT sowie in weiteren technologieorientierten Industriesegmenten.