Interaktion von Sedimentdynamik und Gewässerökologie am ... · - Winter: 1.44m³/s, Sommer:...

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Universität Stuttgart Institut für Wasser- und Umweltsystemmodellierung Lehrstuhl für Wasserbau und Wassermengenwirtschaft Prof. Dr.-Ing. Silke Wieprecht Interaktion von Sedimentdynamik und Gewässerökologie am Beispiel der Kolmation Fachtagung: Lebendige Gewässer – Sohle, Ufer, Aue Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen in der Hydromorphologie 29.09.2016 Markus Noack und Silke Wieprecht

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Universität StuttgartInstitut für Wasser- und Umweltsystemmodellierung

Lehrstuhl für Wasserbau und WassermengenwirtschaftProf. Dr.-Ing. Silke Wieprecht

Interaktion von Sedimentdynamik und Gewässerökologie amBeispiel der Kolmation

Fachtagung: Lebendige Gewässer – Sohle, Ufer, AueAktuelle Entwicklungen und Herausforderungen in der Hydromorphologie

29.09.2016

Markus Noack und Silke Wieprecht

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term description/definition referenceembeddedness “The degree to which coarser particles are surrounded or covered by fine

material.”Platt et al. 1983

Fitzpatrick et al. 1998

outerembeddedness

“The fine material is larger than the pore space of the gravel-matrix of the river bed and is deposited on the surface layer.”

Gutknecht et al. 1998

innerembeddedness

“Deposition of suspended load in the pore spaces of the gravel-matrix of the river bed with reduction of pore space in the subsurface layer”

Schälchli, 2002

colmation/clogging “All processes that lead to a reduction of pore volume, consolidation of the sediment matrix, and a decrease in permeability of the stream bed”

Brunke & Gonser, 1997

physical colmation/clogging

“Fine sediment deposition, accumulation and infiltration into streambed sediments”

Descloux et al. 2010

biological colmation/clogging

“Microbial activity lead to interstitial biofilms with adhesive capacities that reduces the transects of pores”

Beyer & Banscher 1975

chemical colmation/clogging

“Iron clogging, redox potentials, ion exchange, flocculation change the geometry of the pore canals by disaggregation, dispersion or swelling”

Schwarz, 2003

Ergebnisse einer Literaturstudie:

physikalische und biogeochemikalische Prozesse

Keine Kolmation Starke Kolmation (Eastman, 2004)

Einleitung und MotivationWas ist Kolmation?

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Physikalische ProzesseInfiltration und Akkumulation von

Feinsedimenten

KolmationBiogeochemikalische Prozesse

Biofilme, Redoxreaktionen, Respiration

Infiltration und Akkumulation; Schälchli (1993) Biofilme, Stoffumsetzung, Sauerstoffzehrung; Gerbersdorf et al. 2006

Größe, Form, Menge von Sedimenten, die zur Flusssohle transportiert werden

Transportart (Schwerkraft, Turbulenz) Porengröße, Porenform des

Kiesgerüstes der Gewässersohle Sohlnahes Strömungsfeld, interstitiales

Strömungsfeld

Typ und Menge an organischem Material Respirationsprozesse, Sauerstoffzehrung Mineralisierung von Nährstoffen Aufenthaltszeit im Interstitial Hyporheischer Austausch

Was ist Kolmation?

Einleitung und Motivation

Kolmation ist ein hochkomplexer und hochdynamischer Prozess

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Einleitung und MotivationWie entsteht Kolmation?

Hydrologische/Hydraulische Variabilität

AbflussregimeMorphologische/Sedimentologische

Variabilität

Sedimentregime

Anthropogene AktivitätenLandwirtschaft

AbholzungEingriffe in Abfluss- und Sedimenthaushalt

AuswirkungenKeine regelmäßigen Sohlumlagerungen (fehlende HW-Ereignisse)

Keine Neusortierung von KorngrößenverteilungenFeinsedimenteintrag höher als Transportkapazität

Akkumulation von anorganischem und organischem Material

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Kolmation und Reproduktion kieslaichender FischartenNov

Jan

März

Mai

Emergenz

Laichgrube Augenpunktstadium

Larve

Laichphase

Emergenzphase

InkubationsphaseAugenpunktstadium

SchlupfLarvenstadium

Laichphase Erschwertes Schlagen von Laichgruben durch kolmatierte/verfestigte Sohlen

Inkubationsphase Mortalität/eingeschränkte Entwicklung aufgrund von reduzierten Porenvolumen und folgender mangelnder Sauerstoffversorgung

Emergenzphase Einschluss der Larven im Interstitial, unzureichende Porengröße

Auswirkungen der Kolmation während der Reproduktion:

Noack, 2012

Einleitung und Motivation

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Hydromorphologische Variabilität

Habitateignung fürdie

Reproduktion

Hyporheische Variabilität

Abiotik: dynamische Habitatvariablen

Biotik: kieslaichende Fischarten

Laichphase Eier Schlupf Larve Emergenz

Morphodynamische Modellierung der Habitatvariablen

Fuzzy-Sets, Fuzzy-RulesHabitatansprüche während der Reproduktion

Mehrstufiges HabitatmodellHSILaich HSIEmergenz

Fuzzy-Modellierung der Interstitialqualität

HSIEi HSISchlupf HSILarve

Modellkonzept

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Kolmation – Physikalische Prozesse3D-numerische Feststofftransportmodellierung (SSIIM)

Kalibrierung des numerischen Modells anhand unterschiedlicher Exponenten der Hiding/Exposure-Funktion

Unterschiedliche Konzentrationen, Kornverteilungen, Abflüsse etc. Auswirkungen auf Porosität und Infiltrationswiderstand

Numerische Simulation von Rinnenversuchen (Schächli 1993)

Infiltration von Feinsedimenten und deren Auswirkung auf die Porosität

Horizontale Fließgeschwindigkeit [m/s]:

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Kolmation – Ökologische AuswirkungenFuzzy-Ansatz Habitateignungsmodell (CASiMiR)

LaichhabitatKorngrößenverteilungFließgeschwindigkeitWassertiefe

Inkubationshabitat SohlhöhenänderungenHydraulischer Gradient

Emergenzhabitat

HSILaich

HSIEiHSISchlupfHSILarve

Geom. KorndurchmesserFraktionsanteil <8mmSohlhöhenänderung

HSIEmergenz

Interstitialhabitatqualität

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Fallstudie – Fließgewässer Spöl

- Schweizer Nationalpark, Engadin- Öko-Region: Alpen (>800m Höhe)- regulierter Abfluss- Winter: 1.44m³/s, Sommer: 0.68m³/s- jährliche künstliche ökologische HW-Ereignisse

- reproduzierende Bachforellenpopulation

Monitoring während der ökologischen HW-Ereignisse und über die gesamte Reproduktionsphase der Bachforelle (Oktober – Mai)3D-Feststofftransportmodell zur Simulation der Sedimentinfiltration (SSIIM)Fuzzy-Modell zur Simulation der Habitateignungen während der Reproduktion (CASiMIiR)

Untersuchungsgebiet

Ziel: Können die Auswirkungen des dynamischen Restwasserregimes auf die Reproduktionsbedingungen der Bachforelle modelltechnisch erfasst werden?

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Fallstudie – Fließgewässer SpölUntersuchungsgebiet

Robinson et al. 2003

Seit 2000:Dynamisches Restwasserregime

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Kolmation – Ökologische AuswirkungenFuzzy-Ansatz: Habitateignung in der Laichphase

Sand Feinkies Grobkies Steine

<2mm 2-31mm 31-64mm >64mm

Sedimentcharakteristik

7

3

3

19

2

9

1. Fuzzy Schritt

2. Fuzzy Schritt

Laichsubstratindex Laichhabitateignung

low

medium

high

HSI [-]:

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Kolmation – Ökologische AuswirkungenFuzzy-Ansatz: Interstitialhabitatqualität

SedimentcharakteristikHyporheische Austauschprozesse

Hyporheischen Respiration

Gelöster SauerstoffgehaltOberflächenwassertemperatur

GrundwassertemperaturHyporheische Austauschprozesse

Interstitiale Temperatur

incubation period

criti

cald

issol

ved

oxyg

en

embryonic stage larval stage

eyed-egg stage hatching

Inkubationsperiode

Rela

tiver

Sau

erst

offb

edar

f

SchlupfAugenpunktstadium

Embryonale Phase Larvale Phase

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Kolmation – Ökologische AuswirkungenFuzzy-Ansatz: Interstitialhabitatqualität

SedimentcharakteristikHyporheische Austauschprozesse

Hyporheischen Respiration

Gelöster SauerstoffgehaltOberflächenwassertemperatur

GrundwassertemperaturHyporheische Austauschprozesse

Interstitiale Temperatur

Hydr. LeitfähigkeitMetabolische Aktivität und

Stoffwechselprozesse

Temperatur

Sauerstoffverbrauch

RespirationTransport von Sauerstoff und

Stoffwechselprodukten

Augenpunktstadium (IHSEi)Schlupf (IHSSchlupf)

Larve (IHSLarve)

Interstitialhabitatqualität

fuzzy-logisches Habitatmodell

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R1R2

R3

R4R5

R6

R7R8R9

Okt 2009 Mai 2010

Leitfähigkeit [cm/h]:

R1-R9: Laichgruben

Zunehmende Infiltration/Akkumulation von Feinsedimenten Rückgang der hydraulischen Leitfähigkeit Physikalischer Prozess der Kolmation

Hydr

aulis

che

Leitf

ähig

keit

[cm

/h]

Fallstudie – Fließgewässer Spöl

Räumliche Verteilung der Leitfähigkeit Zeitlicher Verlauf der Leitfähigkeit

Feststofftransportmodellierung: Hydr. Leitfähigkeit

unkritisch

limitierend

kritisch

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HSIEi HSILarveHSISchlupf

Räumliche Verteilung Zeitlicher Verlauf

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

N 09 D 09 J 10 F 10 M 10 A 10

Hab

itate

ignu

ng H

SI [ -

]

HSI R2 Ei

HSI R2 Schlupf

HSI R2 Larve

HSI R5 Ei

HSI R5 Schlupf

HSI R5 Larve

HSI R9 Ei

HSI R9 Schlupf

HSI R9 Larve

Augenpunktstadium Schlupf Larvenstadium

HSI [-]:

R2

R5

R9

Kolmation – Ökologische AuswirkungenFuzzy-Ansatz: Habitateignung in der Inkubationsphase

Augenpunktstadium: kaum Einschränkungen

Schlupf: limitierende Temperaturen und Leitfähigkeiten im Interstitial reduzierter Porenraum durch Infiltration von Feinsedimenten

Larvenstadium: limitierende Leitfähigkeiten durch Infiltration von Feinsedimenten

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Kolmation – Ökologische AuswirkungenFuzzy-Ansatz: Gesamte Reproduktionsphase

Räumliche und zeitliche Auswirkung der Kolmation auf die Habitateignungen während der Reproduktion Habitatdynamik

Identifizierung von Bottlenecks (räumlich und zeitlich), keine Black-Box

Darstellung in Form von Karten, Ganglinien oder als Habitatangebot

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Zusammenfassung und Fazit Kolmation beinhaltet physikalische und biogeochemikalische Prozesse die zu einer

Verringerung des gelösten Sauerstoffgehalts im Interstitial führen

Kombination von Feststofftransportmodellen und Habitateignungsmodellenermöglicht die Simulation der räumlichen und zeitlichen Kolmationsentwicklung

Modellansatz berücksichtigt „nur“ abiotische Variablen und erlaubt keine Aussagen zu Überlebensraten

Simulation von unterschiedlichen Szenarien für dynamische Restwasserregime unter Berücksichtigung ökonomischer und ökologischer Aspekte

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Universität StuttgartInstitut für Wasser- und Umweltsystemmodellierung

Universität StuttgartInstitut für Wasser- um Umweltsystemmodellierung

Prof. Dr.-Ing. Silke WieprechtDr.-Ing. Markus Noack

[email protected]@iws.uni-stuttgart.dewww.iws.uni-stuttgart.de