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Interdisziplinäre Behandlung des Vestibularisschwannoms (VS) Strahlentherapeutische Optionen Autor: Priv.-Doz. Dr. med. habil. Klaus Hamm, CyberKnife Zentrum Mitteldeutschland, im Hauptgebäude des HELIOS Klinikums Erfurt, Nordhäuser Str. 74, 99089 Erfurt E-Mail: [email protected] Einführung Was ist Radiochirurgie (Radiosurgery = RS)? Die Hochpräzisionsbestrahlung im Submillimeter-Bereich (gewöhnlich einmalig mit hoher, ablativer Dosis) – sehr steiler Dosisabfall am Tumorrand, ein Sicherheitssaum muss nur in Ausnahmen mit bestrahlt werden. Historisches Die Methode wurde bereits in den 1950er Jahren vom schwedischen Neurochirurgen Lars Leksell (für die funktionelle Neurochirurgie) entwickelt und als Radiochirurgie (RS) benannt. Analog einer stereotaktischen Hirnoperation wird der Kopf in einem stereotaktischen Rah- men fixiert (0,3 mm Präzision) und deshalb muss einmalig mit hoher Dosis bestrahlt werden. GammaKnife ist das dazu entwickelte System mit 201 Kobaltstrahlern, das bereits seit 1968 klinisch eingesetzt wird – Gammaknife wird häufig noch als Synonym für die RS verwendet. Ab den 1980er Jahren erfolgte die Adaptation der Linearbeschleuniger (LINAC) für die RS und ab 1987 entwickelte John Adler in San Francisco das robotergeführte RS-System Cy- berKnife (seit 2002 in Europa zugelassen) – die notwendige Submillimeter-Präzision wird rahmenlos durch eine kontinuierliche Bildführung mit permanenter Überwachung und Korrek- tur garantiert – damit ist die RS auch hypofraktioniert als multisession radiosurgery (msRS) möglich. Methodik Optionen der Präzisionsbestrahlung im Submillimeter-Bereich: 1 x als Radiochirurgie (RS= RadioSurgery; SRS = Stereotactic RadioSurgery) 3-5 x als hypofraktionierte Radiochirurgie (multisession RadioSurgery = msRS) mit 1 – 2 mm Unsicherheit 4-15 x als hypofraktionierte Stereotaktische RadioTherapie (hfSRT), 27-30 x als Stereotaktische RadioTherapie (SRT) Gerätesysteme GammaKnife - nur Kopf nur RS adaptierte LINAC (Novalis) - Kopf und Körper RS / hfSRT / SRT Roboter mit LINAC (CyberKnife) - Kopf und Körper RS / msRS Diese Systeme gewährleisten die Charakteristika der Präzisionsbestrahlungen gerätetech- nisch bedingt auf unterschiedliche Weise: Konvergenzprinzip – Die Bestrahlung aus vielen verschiedenen Einstrahlrichtungen in das Zielvolumen garantiert dort die Konzentration der Strahlendosis mit steilem Dosisabfall am Tumorrand.

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Interdisziplinäre Behandlung des Vestibularisschwannoms (VS) Strahlentherapeutische Optionen

Autor: Priv.-Doz. Dr. med. habil. Klaus Hamm, CyberKnife Zentrum Mitteldeutschland, im Hauptgebäude des HELIOS Klinikums Erfurt, Nordhäuser Str. 74, 99089 Erfurt E-Mail: [email protected]

Einführung Was ist Radiochirurgie (Radiosurgery = RS)?

Die Hochpräzisionsbestrahlung im Submillimeter-Bereich (gewöhnlich einmalig mit hoher, ablativer Dosis) – sehr steiler Dosisabfall am Tumorrand, ein Sicherheitssaum muss nur in Ausnahmen mit bestrahlt werden.

Historisches Die Methode wurde bereits in den 1950er Jahren vom schwedischen Neurochirurgen Lars Leksell (für die funktionelle Neurochirurgie) entwickelt und als Radiochirurgie (RS) benannt. Analog einer stereotaktischen Hirnoperation wird der Kopf in einem stereotaktischen Rah-men fixiert (0,3 mm Präzision) und deshalb muss einmalig mit hoher Dosis bestrahlt werden.

GammaKnife ist das dazu entwickelte System mit 201 Kobaltstrahlern, das bereits seit 1968 klinisch eingesetzt wird – Gammaknife wird häufig noch als Synonym für die RS verwendet.

Ab den 1980er Jahren erfolgte die Adaptation der Linearbeschleuniger (LINAC) für die RS und ab 1987 entwickelte John Adler in San Francisco das robotergeführte RS-System Cy-berKnife (seit 2002 in Europa zugelassen) – die notwendige Submillimeter-Präzision wird rahmenlos durch eine kontinuierliche Bildführung mit permanenter Überwachung und Korrek-tur garantiert – damit ist die RS auch hypofraktioniert als multisession radiosurgery (msRS) möglich.

Methodik Optionen der Präzisionsbestrahlung

im Submillimeter-Bereich: 1 x als Radiochirurgie (RS= RadioSurgery; SRS = Stereotactic RadioSurgery) 3-5 x als hypofraktionierte Radiochirurgie (multisession RadioSurgery = msRS) mit 1 – 2 mm Unsicherheit 4-15 x als hypofraktionierte Stereotaktische RadioTherapie (hfSRT), 27-30 x als Stereotaktische RadioTherapie (SRT)

Gerätesysteme

GammaKnife - nur Kopf nur RS adaptierte LINAC (Novalis) - Kopf und Körper RS / hfSRT / SRT Roboter mit LINAC (CyberKnife) - Kopf und Körper RS / msRS

Diese Systeme gewährleisten die Charakteristika der Präzisionsbestrahlungen gerätetech-nisch bedingt auf unterschiedliche Weise:

Konvergenzprinzip – Die Bestrahlung aus vielen verschiedenen Einstrahlrichtungen in das Zielvolumen garantiert dort die Konzentration der Strahlendosis mit steilem Dosisabfall am Tumorrand.

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Konformität – die Eingrenzung der Strahlen (Kollimation) erlaubt eine optimale Anpassung der Dosis auch an unregelmäßige Konturen des Zielvolumens.

Rationale für Präzisionsbestrahlungen beim Vestibularisschwannom (VS) - Akustikusneurinom (AN):

RS (z. B. 1x12 Gy) – eine hohe, damit ablative Dosis zur Vernichtung klonogener Tumorzel-len verlangt eine Submillimeter-Präzision und ein möglichst kleines Zielvolumen.

SRT (z. B. 27 x 2Gy = 54 Gy) – viele kleine Einzeldosen benötigen wegen des täglichen strahlenbiologischen Erholungseffektes eine deutlich höhere Gesamtdosis und erlauben eine geringere Präzision (im Millimeter-Bereich). Damit ist diese Option auch bei größerem Tu-morvolumen möglich.

Ergebnisse Wir haben 12 Jahre (2000-2012) mit dem Novalis die „klassische“, rahmenbasierte RS mit konsequent 12 Gy Randdosis und die SRT mit 27 x 2 Gy oder 30 x 1,8 Gy durchgeführt, in der Hoffnung auf einen besseren Hörerhalt die SRT bei Pat.-Wunsch nach entsprechender Aufklärung auch bei kleinen VS. Dabei konnten wir bei den kleinen VS keinen besseren funk-tionellen Hörerhalt durch die SRT finden. Entscheidend war immer der noch vor der Behandlung vorhandene Hör-Level. Das Tumorvo-lumen war für den Hörerhalt nicht so entscheidend wie für die Fazialis- und Trigeminus-Funktion. Mit dem CyberKnife (seit 10/2012) garantiert die permanente Bildführung die Submillimeter-Präzision auch rahmenlos. Die größeren VS (ab 4 cm³) werden deshalb ebenfalls ohne zu-sätzlichen Sicherheitssaum mit msRS 3 x 6 Gy behandelt.

Bereits 2001 haben Foote et al. wesentliche Faktoren für die RS von VS zusammengefasst: eine Tumorranddosis von 12 – 12,5 Gy ist optimal für eine hohe Tumorkontrolle bei niedriger Komplikationsrate, die Dosisreduktion auf dieses Level war wichtigster Faktor für die Sen-kung von Komplikationen, die Dosis am Hirnstamm ist weniger entscheidend für Neuropa-thien nach einer RS als die mit bestrahlte Nerven-Länge, vorausgegangene Operationen erhöhen das Komplikationsrisiko, RS ist eine sichere und effektive Behandlung für kleine VS.

Rowe et al. (2003) beschrieben die Abhängigkeit der Tumorkontrolle von der Größe des VS bei der RS – bis 35 mm Durchmesser 92 % Tumorkontrolle, darüber nur 75 %. Für Tumorvo-lumina >4 cm3 sollten deshalb die msRS oder SRT zum Einsatz kommen, damit kann auch bei den größeren VS eine Tumorkontrollrate >90 % nebenwirkungsarm erreicht werden – in unserer Langzeitserie von 130 Pat. (2000 – 2006) 92 %.

Auch der Fazialiserhalt ist wie bei der OP von der Größe des VS abhängig. So ermittelten Yang et al. (2009) bei einer Metaanalyse 96,2 % über alle Tumoren, jedoch ungünstiger bei Pat. >60 Jahre und VS >1,5 cm³ Volumen.

Der Hörerhalt ist dagegen dosisabhängig – in einer Metaanalyse (Rykaczewski et al. 2014) wurden Publikationen der Jahre 2007-2011 mit einer Auswertung der Jahre 1998-2007 ver-glichen. 2007-2011 vs. 1998-2007 fand sich eine niedrigere Randdosis (12,4 Gy vs. 14,2 Gy) und dadurch ein besserer Hörerhalt (66,45 % vs. 51 %).

Eine Trigeminusstörung wird abhängig von der Nähe des VS zum N. Trigeminus in 3-5 % beschrieben. Tinnitus und Schwindel sind nicht sicher zu beeinflussende Variablen, weder durch OP noch durch RS/SRT. Diese Symptome beeinflussen aber wesentlich die Lebensqualität der Pati-enten.

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In mehreren Publikationen wurde ein Vergleich der Therapieoptionen angestrebt. Eine Me-taanalyse „Mikrochirurgie vs. Präzisionsbestrahlungen bei kleinen VS“ (Maniakas et al. 2012) kommt zu dem Schluss, dass bei vergleichbarer Tumorkontrolle nach RS/SRT das Hörver-mögen signifikant besser war.

Combs u. Mitarb. haben die Erfahrungen mit der RS und SRT bei VS kontinuierlich aufgear-beitet und publiziert – hier erkennt man eine Veränderung über die Jahre, 2005 noch eindeu-tiges Votum für die SRT der VS, seit 2010 dann differenziert entsprechend unserer Erfahrun-gen - RS für die kleinen VS gleichwertig und ausreichend, eine langdauernde SRT ist da nicht erforderlich.

Generell problematischer sind Rezidiv-Behandlungen bei VS – eine notwendige mikrochirur-gische Intervention nach vorangegangener OP oder Bestrahlung, aber auch eine RS/SRT nach OP oder eine zweite RS/SRT nach erneutem Tumorwachstum.

Anhand von Fallbeispielen werden typische und atypische Verlaufsbeobachtungen nach RS und SRT demonstriert. Ziel ist die Tumorkontrolle (Wachstumsstillstand), in > 50 % der Fälle kommt es nach 1-2 Jahren zu einer messbaren Tumorverkleinerung, die häufig im weiteren Verlauf persistiert. Manchmal zeigen sich zunächst passagere reaktive Veränderungen, die selten auch kurzzei-tige Schwindelzustände auslösen können und sich in MRT-Kontrollen als temporäre Größen-zunahme zeigen.

Fazit Grundsätzlich sollte die Behandlung eines VS für die Patienten ein besseres Ergebnis brin-gen als der natürliche Verlauf, denn für manche Patienten können die Nebenwirkungen der Behandlung gravierender sein als die Symptome durch den Tumor. Entscheidend ist also der richtige Zeitpunkt, wann man welches VS wie behandelt. Es bedarf eines individuellen Stra-tegie-Konzeptes, das Beratung und Koordination an Zentren voraussetzt, die neben den technischen Bedingungen auch das jeweilige interdisziplinäre Team mit entsprechender Er-fahrung haben.

Die Indikation zum aktiven Handeln und der Zeitpunkt hängen entscheidend vom Verlauf der Beschwerden, dem Tumorwachstum, dem prätherapeutischen Hörvermögen und den Patien-tenwünschen ab. Der Anspruch von Arzt und Patient an das Management von VS hat sich über die Jahre gewandelt. Die Identifizierung und positive Beeinflussung der für die Lebens-qualität bestimmenden Faktoren steht zunehmend im Mittelpunkt.

RS und SRT haben sich als für die Tumorkontrolle effektive und nebenwirkungsarme Alter-nativen zur Mikrochirurgie etabliert. Sie können auch eine OP sinnvoll ergänzen (kombinierte Strategie) und insbesondere bei Tumorrezidiven zum Einsatz kommen.

Nur qualitativ hochwertige, dünnschichtige MRT-Sequenzen und CT-Datensätze (jeweils ca. 1 mm lückenlose Schichten) ermöglichen nach entsprechender Bildfusion eine exakte Tumoreingrenzung und radiochirurgische 3D-Bestrahlungsplanung, die auch die geforderte Submillimeter-Präzision für die RS gewährleistet. Denn gerade bei den benignen Tumoren mit scharfem Tumorrand kommt es besonders auf eine geringe Strahlenbelastung des um-gebenden Hirngewebes zur Vermeidung von Spätschäden an. Diese Bedingungen werden durch die „rahmengestützte“ Radiochirurgie oder „rahmenlos“ mit der permanenten Bildfüh-rung am CyberKnife am besten erfüllt. Eine geringere Präzision im Millimeterbereich kann nur bei der SRT akzeptiert werden.

Die Erhaltung und ggf. auch Verbesserung der Lebensqualität sind das ehrgeizige Ziel, das nur durch täglich gepflegte, interdisziplinäre Zusammenarbeit erreicht werden kann.

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Literatur

1. Foote KD et al.: J Neurosurg Sep; 95(3): 440-9, 2001 Analysis of the risk factors associated with radiosurgery for vestibular schwannoma.

2. Rowe JG et al.: J Neurol Neurosurg Psychiatry 74:1536-1542, 2003 Gamma knife stereotactic radiosurgery for unilateral acoustic neuromas

3. Yang I et al.: J Neurooncol 93:41-48, 2009 Facial nerve preservation after vestibular schwannoma Gamma Knife radiosurgery

4. Rykaczewski B, Zabek M. Contemp Oncol (Pozn)18(1):60-6, 2014 A meta-analysis of treatment of vestibular schwannoma using Gamma Knife radiosurgery.

5. Maniakas A, Saliba I, Otol Neurotol.Dec;33(9):1611-20, 2012 Microsurgery versus stereotactic radiation for small vestibular schwannomas: a meta-analysis of patients with more than 5 years' follow-up.

6. Arthurs BJ et al Neurosurg Rev. Jul;34(3):265-77; discussion 277-9, 2011 A review of treatment modali-ties for vestibular schwannoma.

7. Persson O, et al Acta Neurochir (Wien).Jun;159(6):1013-1021, 2017 Stereotactic radiosurgery vs. fractionated radiotherapy for tumor control in vestibular schwannoma patients: a systematic review.

8. Kessel KA, Fischer H, Vogel MM, Oechsner M, Bier H, Meyer B, Combs SE. Strahlenther Onkol. Mar;193(3):192-199, 2017

9. Fractionated vs. single-fraction stereotactic radiotherapy in patients with vestibular schwannoma : Hearing preservation and patients' self-reported outcome based on an established questionnaire.

10. Gauden A, Weir P, Hawthorne G, Kaye A, J Clin Neurosci. Dec;18(12):1573-84 , 2011 Systematic review of quality of life in the management of vestibular schwannoma

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51. Fortbildungsveranstaltung für HNO-Ärztinnen und -Ärzte 2017„Onkologie in der HNO“

RT 2 – Interdisziplinäre Behandlung des Vestibularisschwannoms (VS) -

Strahlentherapeutische Optionen

Klaus Hamm CyberKnife Zentrum Mitteldeutschland

im Hauptgebäude des HELIOS Klinikum Erfurt

www.ckcm.de

Novalis 05/00 – 03/12

CyberKnife seit 10/12

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Gliederung

RT2 – Strahlentherapeutische Optionen beim VS

Methodik 1 Optionen der Präzisionsbestrahlung & Gerätesysteme 2 Präzision & Rationale

Einführung Was ist Radiochirurgie (RS)? Historisches

Ergebnisse (Metaanalysen/Reviews) 1 Risikofaktoren/Tumorkontrolle/Fazialiserhalt 2 Metaanalysen Hörerhalt/ Review Beh.-optionen 3 Reviews RS vs. SRT/ Lebensqualität „messen“

Fazit

Fallbeispiele typische/ atypische/ Rez.

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Einführung

RT2 – Strahlentherapeutische Optionen beim VS

Was ist Radiochirurgie (radiosurgery=RS) ? Eine Hochpräzisions-Bestrahlung im Submillimeter-Bereich !

www.ckcm.de

• Historisches :

- wurde in 1950er Jahren vom Neurochirurgen Lars Leksell entwickelt

und als Radiochirurgie (RS) benannt – analog einer stereotaktischen Hirnoperation wird mit stereotaktischer Ringfixierung (Präzision 0.3mm) nur 1 hohe Dosis auf den Zielpunkt gestrahlt. GammaKnife ist das dazu entwickelte System, ab 1968 im klin. Einsatz…

(oft noch als „Synonym“ verwendet)

- ab den 1980er Jahren Adaptation der entwickelten

Linearbeschleuniger (LINAC) = für die RS adaptierte oder dedizierte LINAC…

- ab 1987 entwickelt John Adler das robotergeführte RS- System (CyberKnife)…

1999 FDA-Zulassung 2002 auch in Europa zugelassen

[rahmenlos wird die notwendige Submillimeter-Präzision kontinuierlich bildgeführt überwacht und korrigiert ]

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Methodik - 1

RT2 – Strahlentherapeutische Optionen beim VS

Optionen der Präzisionsbestrahlung

mit Submillimeter-Präzision 1 x Radiochirurgie (RS= RadioSurgery ; SRS= Stereotactic RadioSurgery) 3-5 x Hypofrakt. Radiochirurgie (multisession RadioSurgery =msRS) im Millimeter-Bereich ( mit 1-2mm Unsicherheit )

4-11x hypofrakt. Stereotaktische RadioTherapie (hfSRT) 27-30x Fraktionierte Stereotaktische RadioTherapie (fSRT / SRT)

dedizierter LINAC z.B. Novalis

Kopf und Körper - RS / hfSRT / SRT

GammaKnife

(201 Kobaltquellen)

nur Kopf - nur RS

CyberKnife

(LINAC auf Roboterarm)

Kopf und Körper - RS / msRS

Konverg

enz-

Pri

nzip

K

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Str

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n-

kolli

mation

Gerätesysteme:

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Methodik - 2

RT2 – Strahlentherapeutische Optionen beim VS

Präzision & Rationale

• Wie ist die Präzision garantiert erreichbar ?

• Rationale für Präzisionsbestrahlungen beim Vestibularisschwannom (VS) = Akustikusneurinom (AN):

RS 1x12 Gy – hohe, damit ablative Dosis zur Vernichtung klonogener Tu.-zellen Voraussetzungen: Submillimeter- Präzision (0,2-0,3mm) kleines Volumen SRT 27x2Gy=54 Gy – viele kleine Einzeldosen mit strahlenbiologischem Erholungseffekt, damit höhere Gesamtdosis notwendig …für größeres Tumorvolumen mit geringerer Präzision (1-2mm)

permanente Bildführung (IGRT = Image Guided RadioTherapy)

Stereotaxie (Fixierung im stereotaktischen Rahmen/Ring)

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Ergebnisse - 1

Foote KD et al. (Dpt. of Neurosurg.,Univ. of Florida): J Neurosurg Sep; 95(3): 440-9, 2001

Analysis of the risk factors associated with radiosurgery for vestibular schwannoma.

1. Dosisreduktion war wichtigster Faktor für Senkung von Komplikationen

2. Tumorranddosis von 12-12,5 Gy optimal für hohe Tumorkontrolle (>90%) und niedrige Komplikationsrate

3. Dosis am Hirnstamm ist weniger entscheidend für Neuropathien nach RS als die Länge der mit bestrahlten Nerven.

4. Vorangegangene OP erhöhen das Komplikationsrisiko

5. RS ist eine sichere und effektive Behandlung für kleine AN

RT2 – Strahlentherapeutische Optionen beim VS

Rowe JG et al. (Dpt.of stereotactic radiosurgery, Sheffield, UK): J Neurol Neurosurg Psychiatry 74:1536-1542, 2003

Gamma knife stereotactic radiosurgery for unilateral acoustic neuromas Tumorkontrolle 92% bei AN < 35 mm Durchmesser 75% bei AN > 35 mm Durchmesser

Yang I et al. (Dpt. Of Neurological Surgery, Univ. of San Francisco, California): J Neurooncol 93:41-48, 2009

Facial nerve preservation after vestibular schwannoma Gamma Knife radiosurgery abhängig von der AN-Größe (wie auch bei OP) ( Metaanalyse von 2204 Patienten - Fazialiserhalt 96,2% über alle Tumoren ungünstiger bei Patienten > 60 Jahre und Tumoren > 1,5 cm3 Volumen

Risiko- faktoren

Tumor- kontrolle

Fazialis- erhalt

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Ergebnisse - 2

Rykaczewski B, Zabek M. Contemp Oncol (Pozn)18(1):60-6, 2014

A meta-analysis of treatment of vestibular schwannoma using Gamma Knife radiosurgery.

- 46 Artikel von 2007-2011 ausgewertet + Vergleich mit Auswertung der Jahre 1998-2007

1. Randdosis niedriger (von durchschnittl. - 12,4 Gy vs. 14,2 Gy )

2. Hörerhalt besser ( von durchschnittl. - 66,45% vs. 51% )

RT2 – Strahlentherapeutische Optionen beim VS

Maniakas A, Saliba I, Otol Neurotol.Dec;33(9):1611-20, 2012 /HNO Univ. Montreal, Quebec

Microsurgery versus stereotactic radiation for small vestibular schwannomas:

a meta-analysis of patients with more than 5 years' follow-up.

- 16 Artikel mit FU > 5 Jahre und brauchbarem Hörvermögen vor Therapie ausgewertet im Vergleich OP und SRS/SRT

1. SRS/SRT mit signifikant besserem Hörvermögen (p<0,001)

2. Langzeit- Tumorkontrolle vergleichbar (p=0,122)

Arthurs BJ et al Neurosurg Rev. Jul;34(3):265-77; discussion 277-9, 2011 / Gamma Knife Spokane, USA

A review of treatment modalities for vestibular schwannoma. - Lit. 2004-2009 ausgewertet – Beobachten / OP / SRS / SRT 1. Beobachten – 29-54% Tumorwachstum ; 54-63% Hörerhalt 2. SRS - 2-4% weitere Therapie notwendig ; 44-66% Hörerhalt, aber Verbesserung durch Dosisreduktion 3. SRT - 3-7% weitere Therapie notwendig ; 59-94% Hörerhalt, aber keine Langzeitverläufe 4. OP - ca.2% weitere Therapie notwendig ; häufiger Hörverlust und Fazialisparese

Dosis und Hörerhalt

Vergleich Behandl.- optionen

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Ergebnisse - 3

Persson O, Bartek J Jr, Shalom NB, Wangerid T, Jakola AS, Förander P. Acta Neurochir (Wien).Jun;159(6):1013-1021, 2017 (Karolinska, Stockholm)

Stereotactic radiosurgery vs. fractionated radiotherapy for tumor control in vestibular schwannoma patients:

a systematic review - Lit. 1995 – 2014 : mindestens 50 Pat. mit FU > 5 Jahre: keine Studie randomisiert; Fallserien, deshalb keine Metaanalyse

17 Serien RS : Rez. 5,0% ; Hörverschlechterung 49% ; Fazialisverschlechterung 3,6% ; Trigeminusstörung 6,0% 2 Serien SRT : Rez. 4,8% ; Hörverschlechterung 45% ; Fazialisverschlechterung 11,2% ; Trigeminusstörung 8,4%

RT2 – Strahlentherapeutische Optionen beim VS

Kessel KA, Fischer H, Vogel MM, Oechsner M, Bier H, Meyer B, Combs SE. Strahlenther Onkol. Mar;193(3):192-199, 2017

Fractionated vs. single-fraction stereotactic radiotherapy in patients with vestibular schwannoma : Hearing preservation and patients' self-reported outcome based on an established questionnaire. RS und SRT sind vergleichbar in Tumorkontrolle und Hörerhalt, damit SRT nicht bei kleinen Tu. notwendig ! Patientenbefragung korreliert bei Tinnitus, Fazialis- und Trigeminusfunktion mit dokumentierten Befunden, aber nicht bei Schwindel, Gleichgewicht und subjektiv empfundener Hörbehinderung

Gauden A, Weir P, Hawthorne G, Kaye A, J Clin Neurosci. Dec;18(12):1573-84 , 2011/ Neurosurgery, Melbourne

Systematic review of quality of life in the management of vestibular schwannoma

- 47 Artikel 1973-2010 ausgewertet, 8 waren prospektiv, keine randomisiert, meist SF-36 verwendet

1. heterogen mit methodischen Defiziten - Metaanalyse war nicht möglich

2. gute randomisierte Studien sind erforderlich

RS vs. SRT

Lebens- qualität „messen“

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Fallbeispiel RS – VS Stadium 1

RT2 – Strahlentherapeutische Optionen beim VS

Hörerhalt

und

partielle

Tumorregredienz

…zunächst „wait and watch“ mit Hörverschlechterung und Tumorwachstum

Verlauf nach RS

Verlauf vor der RS

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Weitere typische Fallbeispiele

RT2 – Strahlentherapeutische Optionen beim VS

typischer Verlauf nach RS (1 x 12 Gy) – VS 0,5 cm³

typischer Verlauf nach msRS (3 x 6 Gy) – VS 4,5 cm³

typischer Verlauf nach SRT (27 x 2 Gy) – VS 3,5 cm³

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Atypische Fallbeispiele

RT2 – Strahlentherapeutische Optionen beim VS

Verlauf cystisches VS nach RS

ungewöhnlicher Verlauf VS nach RS

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Rezidiv nach RS

RT2 – Strahlentherapeutische Optionen beim VS

Verlauf VS nach RS 07/2004 Rez. 01/2008

Verlauf Rez.-VS nach 2. RS 01/2008

und 06/2017

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Fazit für die Praxis

RT2 – Strahlentherapeutische Optionen beim VS

RS, msRS und SRT sind effektiv + nebenwirkungsarm:

•bei Rest- oder Rezidivtumoren nach OP,

•bei hohem OP- Risiko

•als Alternative zur OP

•Schwindel kann nach RS auch temporär stärker sein

•Größenzunahme nach RS ist überwiegend temporär

•multisession radiosurgery (msRS) oder SRT sind bei größeren Tumoren (ab 4 cm³ Volumen) + inkompletter Faz.-parese zu empfehlen

•individuelle, interdisziplinäre Therapieentscheidung ist unabdingbar und muss auch den Pat.-wunsch nach entsprechender Aufklärung akzeptieren

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Fragen

• Was sind die Besonderheiten der Radiochirurgie ?

• Wann wird ein VS wie „bestrahlt“ ?

RT2 – Strahlentherapeutische Optionen beim VS

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit …