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INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR TIBETJahresbericht 2015

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Liebe Unterstützerin, lieber Unterstützer Tibets,

Kai Müller,Geschäftsführer

Mit herzlichem Gruß

liner Büro angefertigt wurden. Stolz kön-nen wir darauf sein, dass ICT Deutschland seit 2015 unsere internationale Arbeit zu den Vereinten Nationen koordinieren darf.

Zurück zum Dalai Lama und den Tibe-tern im Exil: 2015 haben wir uns ent-schieden, ein neues langfristiges Projekt in den Tibetischen Kinderdörfern in Indi-en zu fördern. Hatten wir bis 2014 unser Hauptaugenmerk auf die Verbesserung der Infrastruktur gelegt, ist 2015 ein ers-tes Projekt zur Verbesserung der Ernäh-rungssituation im Kinderdorf von Dha-ramsala angelaufen. Wir freuen uns sehr, dass wir diese wichtige Arbeit, die die vom Dalai Lama gegründeten Schulen unter-stützt, auf diese Weise fortführen können.

Die Arbeit, die wir in diesem Jahresbericht dokumentieren, wäre ohne die großzügige Unterstützung vieler Menschen in Deutsch-land nicht möglich gewesen. Hierfür dan-ke ich allen, die uns gefördert und unter-stützt haben - sei es mittels Spende, Lob, Kritik oder mit Rat und Tat - sehr herzlich.

am 6. Juli 2015 feierte der Dalai Lama sei-nen 80. Geburtstag. Ein Grund zur Freude für alle Tibeter, tibetische Buddhisten und Freunde der Ethik des Friedensnobelpreis-trägers. Aber auch ein Anlass zum Nach-denken, besonders in dem Wissen, dass viele Tibeter und auch der Dalai Lama diesen Tag fern ihrer Heimat als Flüchtlin-ge begehen müssen. „Wir Tibeter sind als Flüchtlinge nur halbe Menschen“, höre ich oft von Tibetern, die mir in Europa oder in Indien begegnen. Dennoch haben die Tibeter im Exil Erstaunliches geleistet: Sie bemühen sich um das Bewahren ihres kul-turellen Erbes, haben demokratische Stru-kuren aufgebaut und sich überdies in die Gesellschaften ihrer Gastländer integriert.

Aus Tibet haben uns indes auch 2015 traurige Nachrichten erreicht. Am 12. Juli verstarb der bekannte und von vielen Tibe-tern hochgeachtete buddhistische Mönch Tenzin Delek Rinpoche in einem chinesi-schen Gefängnis nach beinahe 13-jähriger Haft, unter bis heute ungeklärten Umstän-den. Diesen und eine Reihe von anderen Fällen hat die International Campaign for Tibet zum Thema gemacht, gegenüber der Bundesregierung, dem Bundestag und der deutschen Öffentlichkeit, aber auch inter-national vor den Gremien der Vereinten Nationen. Daneben haben wir auch 2015 zahlreiche Berichte, Kommentare und Mit-teilungen veröffentlicht, die in unserem Ber-

ICT-Geschäftsführer Kai Müller, Foto: Michael Rahn.

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Rückblick

MÄRZ „Europa unterstützt Tibet!“ Unter diesem Motto kamen Tausende Tibet-Unterstützer im März in Paris zusammen. Auch ICT be-teiligte sich an der Solidaritätsaktion.

APRIL Schwere Erdbeben erschütterten im April und Mai die Himalajaregion. Betroffen war auch Tibet. Unsere „Läufer für Tibet“ Stefan Mandel, Florian Hahn und Matthias Brand nahmen im April am Burgensteiglauf Non-Stop teil.

MAI Innerhalb einer Woche kam es in Tibet zu zwei Selbstverbrennungen. Zunächst setz-te sich am 20. Mai im osttibetischen Tawu Tenzin Gyatso selbst in Brand. Nur eine Woche später, am 27. Mai, zündete sich dann die 36-jährige Sangye Tso im nord-osttibetischen Kreis Chone selbst an.

JUNI Nach dem tibetischen Kalender fand der 80. Geburtstag des Dalai Lama bereits im Juni statt. Groß gefeiert wurde in Dharam-sala, Indien. Und trotz aller Verbote feier-ten zahlreiche Menschen auch in Tibet den 80. Geburtstag des Dalai Lama. Wie ein Rockstar wurde der Dalai Lama Ende Juni von zehntausenden Fans beim Rockfesti-val im britischen Glastonbury gefeiert.

JULI Den 6. Juli verbrachte der Dalai Lama in Kalifornien. Dort wurde sein Geburtstag

Ein Rückblick auf das Jahr 2015Es ist viel passiert im Jahr 2015. Eines aber ist klar: 2015 stand ganz im Zeichen eines Geburtstags. Der Dalai Lama wurde 80. Schon zum tibetischen Neujahrsfest Losar begannen die Menschen in Tibet damit, seinen Geburtstag zu feiern. Gefühlt fast das ganze Jahr über musste der JubilarKerzen auspusten und Kuchen anschnei-den. Ob in Dharamsala oder Kalifornien,ob beim Rockfestival in Glastonbury oder bei seinem Besuch in Wiesbaden, überallhieß es „Happy Birthday, Dalai Lama!“

JANUAR Offenbar ist es der Kommunistischen Par-tei in Tibet selbst unter ihren Mitgliedern nicht gelungen, die Loyalität zum Dalai Lama völlig auszulöschen. Meldungen der chinesischen Staatsmedien zufolge wur-den KP-Funktionäre wegen angeblicher „separatistischer“ Aktivitäten in Verbindung zum Dalai Lama bestraft.

FEBRUAR Schon zum tibetischen Neujahrsfest Losar begannen die Menschen in Tibet damit, den 80. Geburtstag des Dalai Lama zu feiern. Leider jedoch sind religiöse Feierlichkeiten in Tibet häufig von massiver Militärpräsenz begleitet, wie Fotos aus dem Kloster Kum-bum eindrucksvoll belegen. Folter und Straflosigkeit: ICT veröffentlichteinen Bericht, der 29 Fälle tibetischer po-litischer Gefangener in chinesischer Haft zwischen 2008 und 2014 auswertet.

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Rückblick

ebenso festlich begangen, wie kurz darauf in Wiesbaden und Frankfurt, wo auch ICT mit einem Stand vertreten war. Ein Höhe-punkt des Jahres aus ICT-Sicht war eine persönliche Audienz. Bei dieser Gelegen-heit konnten wir dem Dalai Lama unsere Sonderbriefmarke zu seinem 80. Geburts-tag präsentieren.

AUGUST Für die einen ist es die vermutlich größte tibetische Flagge der Welt. Für die anderen ein offenkundiges Ärgernis. So berichtete der britische „Guardian“ über wiederholte Versuche angeblicher chinesischer Diplo-maten, den Heißluftballon „Tashi“ daran zu hindern, an internationalen Ballonfestivals teilzunehmen.

SEPTEMBER In der zweiten Jahreshälfte begann eine Welle mutiger Einzelproteste in Tibet. Der junge Tibeter Jampal Gyatso lief im Sep-tember mit einem Porträt des Dalai Lama durchs osttibetische Ngaba, bevor er ver-haftet wurde.

OKTOBER Erneut vergab die ICT ihren Journalisten-preis „Schneelöwe“ in Berlin.

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Tibet-Ballon „Tashi“ beim Start in Bristol. Foto: www.tibetballoon.org.uk.Petitionspostkarte „Freiheit für den Panchen Lama!“Bild: Dirk Scheerle/ICT

NOVEMBER Sieht der Panchen Lama heute so aus wie auf unserem Phantombild? Im November startete unsere Postkartenaktion „Frei-heit für den Panchen Lama!“ ICT hat Dirk Scheerle, einen anerkannten Spezialisten für Gesichtsalterung, gebeten, ein Bildvon Gendun Choekyi Nyima anzufertigen, das zeigt, wie der 11. Panchen Lama heute aussehen könnte.

DEZEMBER Ganz im Zeichen des Apfels als Symbol für eine vitaminreiche Ernährung stand unse-re Weihnachtsspendenaktion für tibetische Flüchtlingskinder in Indien. Allen Spender-innen und Spendern herzlichen Dank! ICT veröffentlicht den Bericht „Blue Gold from the Highest Plateau“ über die be-drohten Wasserressourcen des tibetischen Hochlands.

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„Advocacy“ - mit die-sem nur etwas unge-lenk aus dem Engli-schen übersetzbaren Begriff („anwaltliche Vertretung“) bezeich-nen wir unser Eintre-ten für die Rechte der Tibeter gegenüber Politik und Öffentlich-keit. Unser Ziel ist, Entscheidungst rä-ger in Politik und Öf-fentlichkeit über die Situation in Tibet zu unterrichten und sie zu konkreten Hand-lungen im Sinne ei-ner Verbesserung der Menschenrechtslage in Tibet zu bewegen.

Das bedeutet, dass wir Überzeugungs-arbeit leisten müs-

sen. Mit Fakten und Argumenten, auf der Grundlage einer zuverlässigen Recher-che und mit konstruktiven Vorschlägen. Dabei wollen wir unparteiisch bleiben und alle politischen Akteure gleichermaßen an ihre Verantwortung im Sinne einer aktiven Menschenrechtspolitik erinnern. Parteiisch sind wir im besten Sinne: für die verbrieften Menschen- und Selbstbe-stimmungsrechte der Tibeter.

Überzeugen wollen bedeutet sich einzumischen, unbe-quem zu sein und Kritik zu üben, dort wo es nötig ist. Die Unterstüt-zung der vielen Menschen, die sich für Tibet einsetzen, ist dabei unverzichtbar. Unsere Stimme wird erst dann hörbar, wenn viele Unterstützer sie verstärken.

Augenfällig ist dies auch im Jahr 2015 gewesen, als wir unsere Unterstützer ba-ten, für die Aufklärung der Todesumstän-

de des 2014 verstorbenen Tibeters Gos-hul Lobsang einzutreten. Goshul Lobsang war im März 2014 an den Folgen seiner offensichtlich in Haft erlittenen Folter ver-storben. Aus der Haft entlassen verbrach-te er seine letzten Tage - gezeichnet von Krankheit und Leiden - zu Hause und bat explizit darum, sich für seinen Fall und andere Tibeter einzusetzen, die noch in Haft sind. Auch deshalb haben wir unse-re Unterstützer gebeten, einen persönli-chen Brief an Außenminister Frank-Walter Steinmeier zu richten, mit der dringenden Bitte, den Fall von Goshul Lobsang ge-genüber der chinesischen Regierung zu thematisieren. An unserem Informations-stand beim Besuch des Dalai Lama in Wiesbaden im Sommer 2015 haben wir die Besucher unseres Standes über den Fall von Goshul Lobsang und vieler anderer Tibeter informiert. Für die Unterstützung und die zahlreichen Briefe danken wir al-len, die mitgemacht haben, sehr herzlich.

2015 wurde unsere Advocacy-Arbeit um eine neue, nicht unwesentliche Facette er-weitert: Seit Februar 2015 koordiniert das Berliner Büro der ICT die weltweite Arbeit aller Büros der International Campaign for Tibet gegenüber Gremien der Vereinten Nationen (UN). Dazu gehört der Menschen-rechtsrat der Vereinten Nationen mit Sitz in Genf, der Ausschuss gegen Folter oder

etwa der Kinderrechtsaus-schuss der Vereinten Nationen.

Auch 2015 war unsere Ad-vocacy-Arbeit wieder viel-fältig. Bitte lesen Sie über

einige wichtige Beispiele unserer Ar-beit auf den nachfolgenden Seiten.

Advocacy – unser Eintreten für Menschen- und Selbstbestimmungsrechte

„Überzeugen, einmischen,

unbequem sein.“

Advocacy

Der Fall Goshul Lobsang. Tibet-Einzelfall 2015 / Bild: ICT.

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Der UN-Menschenrechtsrat in Genf ist eine wichtige Bühne für die International Cam-paign for Tibet. Regelmäßig reisen deshalb ICT-Vertreter aus Brüssel, Amsterdam und Berlin, aber auch aus Washington in die Schweiz, um dort Gespräche über die Menschenrechtsla-ge in Tibet zu führen. Wich-tige Ansprechpartner sind dabei die von den UN-Mit-gliedsstaaten entsandten Di-plomaten sowie die Vertrete-rinnen und Vertreter anderer, in Genf aktiver Menschen-rechtsorganisationen. Mit diesen gemein-sam versucht ICT im Rahmen sogenann-ter “Side-Events”, einem vorwiegend aus Diplomaten und Journalisten bestehenden Fachpublikum die für uns wichtigen Anlie-gen näherzubringen. Zumeist handelt es sich bei diesen Veranstaltungen um Po-diumsdiskussionen. Die Organisationen wechseln sich dabei als Ausrichter ab. Daneben übermittelt ICT Themenberichte an Fachgremien, wie 2015 an den Anti-Fol-ter-Ausschuss der Vereinten Nationen.

„Side-Event“ in Genf

Anlässlich der Eröffnung der 30. Sitzungs-reihe des UN-Menschenrechtsrats nahm ICT-Geschäftsführer Kai Müller im Sep-tember an einer von der Gesellschaft für bedrohte Völker und der Helsinki Foun-dation for Human Rights gemeinsam or-ganisierten Podiumsdiskussion teil. Das Thema der Veranstaltung lautete “Tibeti-sche politische Gefangene und Todesfäl-le in Haft”. Kai Müller konzentrierte seine Ausführungen auf den Fall Tenzin Delek Rinpoche. Der einflussreiche und ange-sehene tibetische Lama war am 12. Juli 2015 unter ungeklärten Umständen in ei-nem chinesischen Gefängnis gestorben.

Weitere Podiumsteilnehmer in Genf waren der Sondergesandte des Dalai Lama Kel-sang Gyaltsen und die tibetische Nonne Phuntsog Nyidron. Diese gehört zu den sogenannten „Singenden Nonnen“, die im Drapchi-Gefängnis in Tibet inhaftiert waren und dort Protestlieder aufgenommen hat-

ten, die aus der Haftanstalt herausgeschmuggelt werden konnten. Dies brachte Phunt-sog Nyidron eine Verlänge-rung ihrer Haftstrafe ein. Erst viele Jahre später durfte sie das Gefängnis verlassen und schließlich ins Ausland rei-sen. Heute genießt Phuntsog

Nyidron in der Schweiz politisches Asyl.

Anti-Folter-Ausschuss bewertet Lage in China und Tibet

Mitte November 2015 musste sich die Volksrepublik China in Genf vor dem UN-Ausschuss gegen Folter verantwor-ten. Wie alle Unterzeichnerstaaten der Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nati-onen ist auch China verpflichtet, in regel-mäßigen Abständen darzulegen, wie es seinen daraus resultierenden Verpflich-tungen nachkommt, und sich den Fragen

Die International Campaign for Tibet bei den Vereinten Nationen

Advocacy

Die tibetische Nonne Phuntsog Nyidron mit ICT-Geschäftsführer Kai Müller bei einer Podiumsdiskussi-on zum Thema „Tibetan Political Prisoners and Deaths in Custody“ in Genf. Foto: ICT.

„Folter wird in Tibet gezielt als

Mittel der Be-strafung einge-

setzt.“

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der Ausschussmitglieder zu stellen. Die International Campaign for Tibet hatte, wie andere Menschenrechtsorganisationen auch, eigens zu diesem Anlass einen Be-richt angefertigt und dem Ausschuss zur Verfügung gestellt. Darin kritisierte ICT die weitverbreitete Folter in Tibet scharf.

Eine zentrale Erkenntnis des ICT-Berichts: Folter wird in Tibet gezielt als Mittel der Be-strafung und Abschreckung Andersdenken-der eingesetzt. Trotz zahlreicher Berichte über Folter und Misshandlungen in Haft, wie etwa in den Fällen der verstorbenen Tibeter Tenzin Delek Rinpoche und Goshul Lobsang, haben die Behörden bis dato kei-ne wirksamen Maßnahmen gegen Folter in Tibet ergriffen. International gültige Men-schenrechtsstandards werden von den chi-nesischen Behörden bewusst missachtet. Bereits im Februar 2015 hatte ICT 29 Fälle von Tibetern bekannt gemacht, von denen 14 mutmaßlich nach Folter verstorben sind.

ICT-Geschäftsführer Kai Müller nutzte die Gelegenheit zu intensiven Kontakten mit Vertretern von anderen Nichtregierungs-organisationen und Diplomaten. Er traf in Genf auch mit Golog Jigme Gyatso zu-sammen, dem tibetischen Mönch und ehemaligen politischen Gefangenen, der

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zusammen mit dem ebenfalls verfolgten Dokumentarfilmer Dhondup Wangchen den Film „Leaving Fear Behind“ gedreht hatte.

Der Auftritt der chinesischen Regierungs-vertreter vor dem UN-Ausschuss gestaltete sich nach Einschätzung der ICT inakzep-tabel und enttäuschend. So weigerte sich die chinesische Delegation, die teilweise äußert kritischen Fragen der unabhängi-gen Ausschussmitglieder zu beantworten. Dies wurde insbesondere deutlich bei Fäl-len von Tibetern, über die zahlreiche und glaubwürdige Berichte über Folter und Misshandlung vorliegen. Auch über den von vielen Menschenrechtsorganisatio-nen und dem Ausschuss thematisierten Fall des im Juli 2015 unter ungeklärten Umständen zu Tode gekommenen Tenzin Delek Rinpoche gab die chinesische De-legation offensichtlich unwahre Auskünfte und stritt überdies jede Diskriminierung ab.

Im Vorfeld der Anhörung Chinas vor dem UN-Ausschuss gegen Folter traf ICT-Geschäftsführer Kai Müller den tibetischen Mönch Golog Jigme. Foto: ICT.

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Die Nachricht kam überraschend und versteckte sich am Ende eines Berichts der chinesischen Staatsmedien über den deutsch-chinesischen Menschenrechtsdi-alog in Peking: Die deutsche Delegation werde die sogenannte Autonome Region Tibet (TAR) besuchen. Der Bericht schloss mit dem Zitat eines Vertreters des chine-sischen Außenministeriums. Er hoffe, die Reise werde den Deutschen helfen, ein „korrektes und objektives Verständnis“ für die Region zu entwickeln.

Angeführt wurde die deutsche Delegation vom Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik, Christoph Strässer. Noch steht ein ausführlicher Bericht über die Erkenntnisse aus, die er in Lhasa ge-winnen konnte. Dennoch ist Strässers Rei-se aus Sicht der ICT unbedingt zu begrü-ßen. In einer Pressemitteilung sagte ICT-Geschäftsführer Kai Müller vor Strässers Flug nach Lhasa, der Menschen-rechtsbeauftragte und die Bundesregierung müssten die Politik Pekings kritisch hinter-fragen und die chinesischen Behörden mit der Realität in Tibet konfrontieren. Dass der Menschen-rechtsbeauftragte die Reise nach Tibet un-ternehme, sei ermutigend.

Ebenfalls überraschend hatten bereits zwei Wochen zuvor US-Parlamentarier nach Tibet reisen können. Die Fraktions-vorsitzende der Demokratischen Partei im Repräsentantenhaus Nancy Pelosi stand an der Spitze einer hochrangigen Abge-ordnetendelegation, die neben Peking und Hongkong auch Tibet besuchte. Wie die Politikerin anschließend sagte, übermittel-ten die Parlamentarier der chinesischen Regierung die „starke und überparteiliche Unterstützung, deren sich der Dalai Lama im US-Kongress und im amerikanischen Volk“ erfreue. Sie äußerten zudem ihre Sorge hinsichtlich des Stands der Reli-gions- und Meinungsfreiheit sowie um den Erhalt von Tibets einzigartiger Kultur bzw. seines religiösen und kulturellen Erbes. Wie „Radio Free Asia“ (RFA) unter Beru-fung auf eine tibetische Quelle meldete, sei den Abgeordneten bei ihrem Besuch ein „potemkinsches Lhasa“ präsentiert wor-den. Die chinesischen Behörden hätten al-les unternommen, um den Besuchern ein friedliches und ruhiges Bild der Stadt vor-zugaukeln. So seien die allgegenwärtigen Metalldetektoren weggeräumt und falsche tibetische „Pilger“ für das Umrunden des Barkhor bezahlt worden, heißt es in dem Bericht.

Aufruf an Kanzlerin Merkel

Anlässlich der China-Reise von Bundes-kanzlerin Merkel am 29. und 30. Oktober

2015 forderte die International Campaign for Tibet ein klares Eintreten für Menschenrech-te und für eine Lösung der Tibetfrage. In einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin hat ICT überdies zusammen mit Amnesty International und dem Weltkongress der Uiguren

auf die massiven Verschlechterungen im Bereich von Rechtsstaatlichkeit und Men-schenrechten hingewiesen.

Umfangreiche Verhaftungen und neue Si-

Reise in ein „potemkinsches Tibet“ – Aufruf an Kanzlerin Merkel

„Chinesische Regierung mit

der Lage in Tibet konfron-

tieren“

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Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung Christoph Strässer konnte nach Lhasa reisen. Foto: Christoph Strässer/Facebook.

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cherheitsgesetze stehen für einen drama-tischen Abwärtstrend in diesen Bereichen. So soll ein zu verabschiedendes „Anti-Ter-ror-Gesetz“ den Behörden die Verfolgung von Personen ermöglichen, die die Re-gierungspolitik in Bezug auf Religion und Glaubensgemeinschaften „falsch darstell-ten“. Zudem sind in Tibet willkürliche Ver-haftungen, Folter und Misshandlungen weit verbreitet. Der Staat greift systematisch und massiv in die Religions- und Glau-bensfreiheit ein, indem Klöster, Geistliche und Gläubige einer strengen Überwachung und einer sogenannten „patriotischer Er-

Advocacy

Öffentlichkeit schaffen für die Situation in Tibet, fundiert informieren, Bewertungen und Handlungsempfehlungen anbieten: Das ist Ziel unserer Öffentlichkeitsarbeit. Grundlage dieser Arbeit ist eine glaub-würdige und verlässliche Recherche über Entwicklungen in Tibet. Zuständig für diese Recherche ist unser Team von Mitarbei-tern in London und Dharamsala, dem Sitz der tibetischen Exilregierung. Die Kollegen verfügen über ein Netzwerk von Kontakten und beherrschen Tibetisch, Chinesisch und Englisch gleichermaßen.

Viele Informationen lassen sich bereits den offiziellen staatlichen Medien in Tibet entnehmen. Dort finden sich neben den typischen ideologisch verbrämten „Leis-tungsberichten“ der Behörden - etwa wie-viele Kader der Kommunistischen Partei in tibetische Dörfer und Kommunen entsandt wurden - Fotos von Militär und Sicherheits-kräften, die dort offenbar mit Kalkül veröf-fentlicht werden und der Einschüchterung der tibetischen Bevölkerung dienen sollen.

Menschenrechtsverletzungen sind jedoch nicht allein als Ergebnis einer bestimmten Politik oder abstrakt zu verstehen. Hinter jedem Namen eines verfolgten Tibeters verbergen sich Schicksal und Leidensge-schichte eines Menschen, von dem wahr-scheinlich außerhalb seiner Familie und seines Freundeskreises kaum etwas be-kannt wird. Aus diesem Grund setzen wir uns ganz konkret für einzelne Menschen ein und wollen sie dem Vergessen entrei-ßen. Auch aus diesem Grund finden Sie in unseren Berichten Portraits von einzelnen Tibetern, deren Schicksale wir trotz aller Schwierigkeiten - Tibet ist für unabhängi-ge Beobachter weitgehend unzugänglich - nachzeichnen wollen.

Was bedeuten diese Fälle für uns und was ist die Relevanz der Situation in Tibet für uns, die wir weit entfernt im Westen leben? Es mag erstaunen: Tibet ist für uns weit re-levanter als wir uns vorstellen mögen. Dies herauszuarbeiten ist eine weitere Aufgabe unserer Öffentlichkeitsarbeit. Ergebnisse

Unsere Öffentlichkeitsarbeit – informieren, bewerten, überzeugen

Öffentlichkeitsarbeit

ziehung“ unterzogen werden. Folge der Repression und der Eingriffe in Kultur und Religion sind dramatische Protestaktionen wie die mehr als 140 Selbstanzündungen, die sich seit 2009 in Tibet ereignet haben.

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finden Sie etwa in unserem „Tibet-China-Blog“ oder auf unseren Seiten in den sozia-len Medien, auf Facebook, Twitter oder In-stagram. Bitte schauen Sie auch auf diese Seiten, um sich ein komplettes Bild unserer Arbeit zu machen!

2015 konnte die International Campaign for Tibet eine Reihe von wichtigen Berichten vorlegen. Wir sind froh, dass ICT Deutsch-land eine wichtige Rolle bei der Erstellung dieser Berichte übernehmen konnte, indem

Ein im Dezember 2015 veröffentlichter Be-richt der ICT unterstreicht Tibets enorme Bedeutung als Wasserspeicher für große Teile Ost-, Südost- und Südasiens. Zu-gleich wird darin deutlich, dass das Hoch-land von Tibet Gefahr läuft, diese Funkti-on zu verlieren, da dort die Erderwärmung überdurchschnittlich stark erfolgt. Es ist nicht zuletzt die Politik der chinesischen Führung in Peking, die der Umwelt mit riesigen Staudämmen und Wasserumlei-

tungsprojekten großen Schaden zufügt.

Der Bericht „Blue gold from the highest pla-teau: Tibet’s water and global climate chan-ge“ wurde am 8. Dezember 2015 in Paris veröffentlicht, wo die Regierungen der Welt zum Klimagipfel der Vereinten Nationen zusammengekommen waren. Zu Beginn des Gipfels von Paris wiesen sowohl der Dalai Lama als auch die chinesische Füh-rung auf die alarmierende Lage auf dem ‚Dach der Welt‘ hin.

Wegen Tibets enormer Kapazität als Was-serspeicher wird die Region auch als ‚Dritter Pol‘ bezeichnet. Veränderungen des Klimas dort wirken sich auf den le-benswichtigen Monsun und selbst auf das Wetter in Europa aus. Da die meisten der großen Flüsse Asiens, wie der Jangtse, der Mekong und der Brahmaputra, in Tibet entspringen, sind Hunderte Millionen Men-schen an deren Unterläufen auf eine intak-te Umwelt in Tibet angewiesen.

Der Bericht dokumentiert Folgendes:

• Im auch als „größter Wasserraub der Ge-schichte“ bezeichneten Vorgehen Chinas

Tibets Ökologie in Gefahr – Pekings Politik in Tibet und der Klimawandel

Öffentlichkeitsarbeit

ICT-Bericht „Blue Gold from the Highest Plateau. Tibet‘s water and global climate change“. Bild: ICT

wir inhaltliche Expertise zur Verfügung stellten.

Auf den folgenden Seiten finden Sie In-formationen über die Berichte der Inter-national Campaign for Tibet aus dem Jahr 2015.

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werden in Tibet - weitgehend unbemerkt vom Rest der Welt - von mächtigen, in Staatsbesitz befindlichen chinesischen Konsortien zahlreiche Dämme errichtet. Es existieren Pläne für eine gigantische Was-serumleitung in den unter Wassermangel leidenden Norden Chinas, ungeachtet der damit einhergehenden enormen Risiken in einer der seismisch aktivsten Regionen der Erde sowie der Sorgen der Anrainerstaa-ten am Unterlauf der Flüsse.

• Der forcierte Abbau von Kupfer, Gold, Silber, Chrom und Lithium im industriellen Maßstab hat in Tibet verheerende Auswir-kungen. Tibeter, die dagegen protestieren, laufen Gefahr, verhaftet, gefoltert oder ge-tötet zu werden, auch wenn sie ihren Pro-test völlig gewaltfrei artikulieren.

• Mit ihrer Politik der zwangsweisen An-siedlung tibetischer Nomaden droht die chinesische Regierung eine nachhaltige Wirtschaftsweise auszulöschen, die in ein-zigartiger Weise an die rauen Lebensum-

stände des tibetischen Hochlands ange-passt ist. Dabei sind sich Wissenschaftler in aller Welt inklusive der Volksrepublik China darin einig, dass die traditionelle no-madische Landwirtschaft maßgeblich zum Erhalt der Landschaft beiträgt und hilft, die Folgen des Klimawandels abzumildern.

• Erst im November 2015 hat die chinesi-sche Regierung einen drastischen Ausbau der Kapazitäten für in Flaschen abgefülltes Trinkwasser aus Tibet angekündigt, obwohl die Folgen schmelzender Gletscher und der verstärkten Nutzung der Flüsse Tibets bereits jetzt spürbar sind.

• Die chinesische Regierung präsentiert ihre für Tibets Umwelt desaströse Politik als Versuch, die Folgen des Klimawandels in Tibet „abzumildern“. Auf diese Weise soll Unterstützung internationaler Institutionen und Regierungen für eine Politik generiert werden, die etwa die Ansiedlung von No-maden als Klimaschutzmaßnahme recht-fertigt.

Öffentlichkeitsarbeit

Keine Pässe für Tibeterguren und chinesischen Dissidenten, wird systematisch die Ausstellung der Reisedo-kumente verweigert, während gleichzeitig Pässe in Rekordzahl ausgegeben werden, um die Tourismusindustrie zu fördern. Unter dem Vorwand der landesweiten Umstellung auf elektronische Reisepässe im Jahr 2012 wurden zahlreichen Tibetern ihre noch gül-tigen Reisedokumente abgenommen, ohne diese durch neue Pässe zu ersetzen. Mit ihrer Politik verletzen die Behörden gelten-des chinesisches Recht und verstärken das ohnehin starke Gefühl der Entfremdung in der tibetischen Bevölkerung. Der Bericht „A Policy Alienating Tibetans“ dokumentiert:

• Nur sehr wenige Tibeter in der Autonomen Region Tibet (TAR) und den anderen, den

ICT-Bericht „A policy alienating Tibetans“. Bild: ICT

Ein Bericht der International Campaign for Tibet belegt doppelte Standards der chinesischen Behörden bei der Vergabe von Reisepässen. Tibetern, aber auch Ui-

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Provinzen Qinghai, Gansu, Sichuan und Yunnan zugeordneten Regionen Tibets ha-ben in den vergangenen drei Jahren Rei-sepässe erhalten. Ausnahmen betrafen offenbar vor allem Kader, Geschäftsleute und Menschen mit guten Verbindungen zur Kommunistischen Partei. Im Gegen-satz dazu erfreuen sich mehr und mehr Chinesen der Freiheit, sowohl ins Ausland, als auch ungehindert durch Tibet reisen zu können.

• Die verweigerte Ausstellung von Reise-pässen fällt zusammen mit der Beschrän-kung der Reisefreiheit innerhalb Tibets im Zusammenhang mit der zunehmenden Mi-litarisierung der Region. Dies gilt insbeson-dere für jene Gegenden, in denen Proteste oder Selbstverbrennungen stattgefunden haben.

• Die chinesischen Behörden haben weit-reichende Maßnahmen ergriffen, um Tibe-ter davon abzuhalten, zu Unterweisungen des Dalai Lama ins Ausland zu reisen. Wem dies dennoch gelingt, wird deswe-gen bestraft. Deshalb besuchten im ver-gangenen Jahr erstmals mehr chinesische Buddhisten als Tibeter aus Tibet das große

Kalachakra-Ritual mit dem Dalai Lama im nordindischen Ladakh.

• Die Reisebeschränkungen stellen das Überleben des tibetischen Buddhismus infrage, da sie es Mönchen und Nonnen nahezu unmöglich machen, zu ihren im Exil lebenden religiösen Lehrern zu reisen. Selbst für die in Tibet lebenden Lehrer ist es ausgesprochen schwierig, die Erlaubnis zu erhalten, innerhalb Tibets zu reisen.

Die diskriminierende Praxis der Ausstel-lung von Reisepässen verletzt nach Ein-schätzung der ICT das Recht der Tibeter auf Reisefreiheit. Es stellt zudem eine Form verbotener Kollektivbestrafung dar, wenn Menschen die Reisedokumente ver-weigert werden, weil es sich bei ihnen um Freunde oder Angehörige politischer Ge-fangener handelt oder wenn sie wegen ihres Protests anderweitig ins Visier der Behörden geraten sind. Offiziell bezeich-net Peking die Tibeter als normale Bürger der Volksrepublik China. Tatsächlich aber werden sie deutlich anders behandelt als Han-Chinesen. Offensichtlich gelten hier doppelte Standards.

Selbstanzündungen: Verfolgung und Repression von Überlebenden

Die Selbstverbrennungen in Tibet und Chi-na hatten bis Ende 2015 bereits 138 Op-fer gefordert. In den meisten Fällen fanden die Menschen dabei den Tod, weniger als zwanzig Prozent überlebten ihre Selbstan-zündung. Über ihr weiteres Schicksal ist oft nur wenig bekannt, da die Selbstverbren-nungen von Tibetern für die chinesischen Behörden ein ausgesprochen sensibles Thema sind. Ihr Umgang mit den Überle-benden ist von äußerster Geheimhaltung

Öffentlichkeitsarbeit

ICT-Bericht „Tibetan survivors of self-immolation: repression and disappearance“. Bild: ICT

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geprägt, diese werden komplett abge-schottet.

Erstmalig dokumentierte ein Bericht der International Campaign for Tibet systema-tisch den Umgang der chinesischen Behör-den mit den Überlebenden von Selbstver-brennungen. Viele von ihnen werden Opfer von „Verschwindenlassen“; ihre Angehö-rigen bleiben oft monatelang im Unklaren darüber, ob sie überhaupt noch am Leben sind. Häufig sind die Überlebenden in be-hördlichem Gewahrsam gewaltsamer Be-handlung ausgesetzt oder werden medizi-nisch nicht angemessen betreut. In einigen Fällen scheint das Interesse der Behörden an Geheimhaltung deutlich größer zu sein als die Sorge um das körperliche Wohler-gehen der schwerverletzten Überlebenden von Selbstverbrennungen. In weiteren Fäl-len schlugen Polizisten nach dem Löschen der Flammen gar auf die Menschen ein. Der Bericht „Tibetan survivors of self-im-molation: repression and disappearance“ wertet zwanzig Fälle aus Tibet aus, in de-

nen die Menschen ihre Selbstverbrennung überlebt haben; hinzu kommen drei weitere Fälle aus dem Exil. ICT belegt, wie diese Menschen teilweise extremer physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt sind. Nicht selten kommt es vor, dass den Über-lebenden eine angemessene medizinische Versorgung ganz oder teilweise verweigert wird. In vier Fällen kam es zur Amputati-on von Gliedmaßen. Ob dies medizinisch unausweichlich war, ist nicht geklärt. ICT fordert die internationale Gemeinschaft auf, sich dafür einzusetzen, dass die Auf-enthaltsorte der überlebenden Opfer von Selbstverbrennungen bekannt gemacht und die Einzelheiten ihrer medizinischen Versorgung offen gelegt werden. Die schlechte Behandlung der Überleben-den von Selbstverbrennungen in Tibet geht einher mit einer Repressionswelle gegen all diejenigen, die aus Behördensicht mit den Selbstanzündungen in Verbindung gebracht werden können. Betroffen von Strafaktionen der Behörden sind sowohl Freunde und Angehörige, als auch ganze Gemeinschaften.

Folter und Straflosigkeit in Tibet

“Er faltete einfach seine Hände und starb.” So beschreiben tibetische Quellen die letz-ten Augenblicke im Leben von Goshul Lob-

sang. Der 43-jährige Tibeter war vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen worden. Nach drei Jahren Haft war er infolge von Folter und Unterernährung so geschwächt, dass die Behörden ihn zum Sterben nach Hause schickten. Offenbar sollte so sein Tod im Gefängnis verhindert werden.

Im März 2014 verschied Goshul Lobsang im Kreis seiner Familie. Kurz vor seinem Tod sagte er, er wünsche sich den Segen des Dalai Lama. Und es sei ihm wichtig, dass die Welt vom Leben der tibetischen politischen Gefangenen unter chinesischer Herrschaft erfahre.

Diesem Vermächtnis von Goshul Lobsang versuchte die International Campaign for

Öffentlichkeitsarbeit

ICT-Bericht „Torture and impunity: 29 cases of Tibetan political prisoners“. Bild: ICT

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INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR TIBET | Jahresbericht 201514

Tibet mit einem Bericht nachzukommen. Unter dem Titel „Folter und Straflosigkeit in Tibet“ wurde er am 26. Februar 2015 in Washington veröffentlicht. Er belegt, dass Folter in Tibets Justiz- und Strafverfol-gungssystem weit verbreitet ist. Detailliert wertet der Bericht der ICT dafür insgesamt 29 Fälle aus, darunter 14 von Tibetern, die wie Goshul Lobsang aufgrund von in Haft erlittener Folter gestorben sind. Obwohl auch in der Volksrepublik China offiziell verboten, lässt sich ein klares Muster von Folter und Misshandlung tibetischer Häft-linge erkennen. Verantwortlich dafür ist eine staatliche Politik, die versucht „Sta-bilität“ um jeden Preis herzustellen, sowie eine von höchsten Stellen gedeckte Kultur

der Straflosigkeit. Eine weitere Erkenntnis des Berichts: Seit der gewaltsamen Unterdrückung der Unru-hen in Tibet im Jahr 2008 ist es zu einer deutlichen Zunahme von Inhaftierungen aus politischen Gründen und damit verbun-den zur Anwendung von Folter gekommen. Auch hat diese ein breiteres Spektrum der Bevölkerung erfasst. Insbesondere die jun-ge Generation bezahlt einen hohen Preis, wenn sie friedlich ihre Meinung äußert, teil-weise sogar mit ihrem Leben. Trotz aller damit verbundenen Gefahren jedoch hören die Tibeter nicht auf, ihre nationale Identität zu behaupten und ihre Kultur zu verteidi-gen.

2015 ging er online: der neue Tibet-Chi-na-Blog der ICT. Seither können Sie regel-mäßig Beiträge, Hintergrundberichte und Analysen zur Lage in Tibet, aber auch zu für Tibet wichtigen Entwicklungen in China und anderswo lesen. Unser erster Beitrag umreißt zunächst einmal, was wir mit dem Tibet-China-Blog vorhaben. Zum 10. März, dem Jahrestag des tibetischen Volksauf-stands von 1959 folgte dann der erste

Themenbeitrag. Der Blog soll regelmäßig über wichtige Entwicklungen in Tibet infor-mieren, dabei aber auch das Geschehen in Peking und anderen Regionen Chinas im Blick behalten. Wir sind davon überzeugt, dass es für ein besseres Verständnis der Situation der Tibeter in ihrer Heimat not-wendig ist, das große Bild ins Auge zu fas-sen: Tibet kann man nicht isoliert verste-hen.

Aus unserer Medienarbeit: Mel-dungen und Pressemitteilungen aus dem Jahr 2015

9. Dezember | Aktueller Bericht der ICT: Tibets „Blaues Gold“ und der globale Klimawandel

26. November | Menschenrechtsbeauftragter reist in Autonome Region Tibet

19. November | UN-Ausschuss gegen Folter unterstreicht Dringlichkeit der Situation in Tibet

16. November | China muss sich UN-Ausschuss gegen Folter stellen

17. Oktober | Journalistenpreis „Schneelöwe

Tibet-China-Blog – Unsere MedienarbeitÖffentlichkeitsarbeit

Der Tibet-China-Blog der ICT. Screenshot: ICT

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INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR TIBET | Jahresbericht 201515

2015“ für Pauline Tillmann und Fabian Weiss

14. Oktober | Tibetischer Schriftsteller Dolma Kyab nach zehn Jahren Haft aus Gefängnis entlassen

17. September | „China muss Lebenszeichen des Panchen Lama geben!“

14. Juli | Tibet: Angesehener tibetischer Lama Tenzin Delek Rinpoche stirbt unter ungeklärten Umständen in chinesischer Haft

13. Juli | Tibet: Behörden verweigern Tibetern systematisch Reisepässe

02. Juli | Briefmarke zum 80. Geburtstag: Inter-national Campaign for Tibet würdigt den Dalai Lama

26. Juni | Tibet: Trotz Drohungen und Gefahren feiern zahlreiche Tibeter den 80. Geburtstag des Dalai Lama

18. Juni | Tibet: Aktueller Bericht belegt wach-sende Gefahr für freie Meinungsäußerung

4. Juni | China: Gesetzesentwürfe Bedrohung

für Tibet

28. Mai | Zwei Selbstanzündungen in Tibet in-nerhalb einer Woche

8. Mai | Tibet: Lage nach Erdbeben unüber-sichtlich

16. April | Tibet: Gebete für Dalai Lama poten-ziell strafbar

19. März | Tibet: Überlebende von Selbstver-brennungen werden Opfer von Gewalt und „Ver-schwindenlassen“

10. März | Tibet: Frau stirbt nach Selbstverbren-nung

27. Februar | Neuer ICT-Bericht: „Folter und Straflosigkeit in Tibet“

30. Januar | Tibetische KP-Funktionäre für „se-paratistische“ Aktivitäten in Verbindung zu Dalai Lama bestraft

15. Januar | Tibet: Hunderte Schüler und Eltern protestieren gegen Korruption

Folter in Tibet stoppen – Tod in HaftStopp Folter in Tibet!

Mehr als 5.700 Menschen haben bei un-serer Petition gegen Folter in Tibet mitge-macht. Ihnen allen unser ganz herzlicher Dank! Für die symbolische Übergabe der Unterschriften an die chinesische Bot-schaft in Berlin wählten wir ein besonderes Datum, den 26. Juni 2015, zugleich auch Internationaler Tag zur Unterstützung der Folteropfer. Mehr als die Hälfte der Un-terschriften waren übrigens „analog“, das heißt auf Postkarten, zusammengekom-men. Die übrigen Teilnehmer taten ihre Un-terstützung online kund.

Die Petition an die Adresse von Chinas Präsidenten Xi Jinping stand unter dem Motto „Folter in Tibet stoppen!“ Und das ist bitter nötig. Denn Folter ist in Tibet weit verbreitet, wie wir zuletzt mit unserem Be-richt über „Folter und Straflosigkeit in Tibet“

ICT-Geschäftsführer Kai Müller mit der Petition „Folter in Tibet stoppen!“ an der chinesischen Botschaft in Berlin. Die Aufnahme entstand am Internationalen Tag gegen Folter. Foto: ICT

Aktionen

Page 16: INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR TIBET Jahresbericht 2015€¦ · Tenzin Gyatso selbst in Brand. Nur eine Woche später, am 27. Mai, zündete sich dann die 36-jährige Sangye Tso im nord-osttibetischen

INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR TIBET | Jahresbericht 201516

belegen konnten. Zahlreiche Tibeter wer-den in Gefängnissen von chinesischen Si-cherheitskräften gefoltert und misshandelt. In manchen Fällen so schwer, dass sie daran sterben. So erlag der Tibeter Gos-hul Lobsang am 19. März 2014 nach einer 3-jährigen Haft seinen Verletzungen, die ihm im Gefängnis zugefügt worden waren. In keinem der Fälle gab es eine öffentliche Untersuchung und keiner der verantwortli-chen Täter wurde zur Rechenschaft gezo-gen, obwohl auch das chinesische Recht die Anwendung von Folter unter Strafe stellt.

Die International Campaign for Tibet for-dert daher die chinesische Regierung auf, Folter und jeder Form grausamer oder er-niedrigender Behandlung in Tibet ein Ende zu bereiten. Vielen Dank noch einmal all denjenigen von Ihnen, die unsere Petition unterstützt haben! Wir werden Sie weiter-hin zum Thema auf dem Laufenden halten.

Tod in Haft

Der einflussreiche und angesehene tibeti-sche Lama Tenzin Delek Rinpoche ist am 12. Juli 2015 unter ungeklärten Umstän-den in einem chinesischen Gefängnis ge-storben, wo er seit mehr als zwölf Jahren eine lebenslange Haftstrafe verbüßte. Ten-zin Delek Rinpoche galt als einer der be-kanntesten Fälle politischer Gefangener in Tibet. Menschenrechtsgruppen, aber auch eine Reihe westlicher Regierungen hatten wiederholt seine Freilassung gefordert. Die Umstände von Tenzin Delek Rinpoches Verurteilung waren äußerst zweifelhaft ge-wesen, auch hatte es seit langem Befürch-tungen hinsichtlich seines Gesundheits-zustandes gegeben. Ob der bei seinem Tod 64-Jährige im Gefängnis medizinisch versorgt wurde, ist unbekannt. Als sich die Nachricht von Tenzin Delek Rinpoches Tod verbreitete, versammelten sich in seiner südosttibetischen Heimatregion spontan Hunderte Tibeter und verlangten nach der Herausgabe des Leichnams, um diesen in seinem Kloster gemäß den buddhistischen Riten bestatten zu können. Die Menschen-menge im Landkreis Nyagchuka (chin.: Ya-jiang) forderte außerdem Aufklärung über

die Umstände von Tenzin Delek Rinpoches Tod. Entgegen dem ausdrücklichen Wunsch der Angehörigen, die Todesursache unab-hängig untersuchen zu lassen, wurde der Leichnam des Verstorbenen von den Be-hörden eingeäschert. Für weitere Empö-rung sorgten im Anschluss die zwischen-zeitliche Verhaftung einer Schwester von Tenzin Delek Rinpoche, die zusammen mit ihrer Tochter zwei Wochen lang von den Behörden festgehalten wurde, sowie die Beschlagnahme der Asche des Ver-storbenen. Auch international sorgte der ungeklärte Tod von Tenzin Delek Rinpoche für viel Aufsehen. So zeigte sich Christoph Strässer, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, davon „tief getrof-fen“. Er betonte in einer Erklärung, dass die Bundesregierung und die EU sich „in der Vergangenheit wiederholt für eine medizi-nische Behandlung und eine Entlassung aus der Haft aus humanitären Gründen en-gagiert“ hätten.

Tenzin Delek Rinpoche. Quelle: Woeser.

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INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR TIBET | Jahresbericht 201517

Tibet unter dem Eiffelturm – Dalai Lama Briefmarke verboten

Europe stands with Tibet!

„Europe stands with Tibet“, „L‘Europe sou-tient le Tibet“ oder schlicht „Europa hält zu Tibet“ lautete der Slogan einer Großde-monstration in Paris am 14. März 2015. Tausende waren zur Unterstützung der Sache Tibets in der französischen Haupt-stadt zusammengekommen, unter ihnen auch ICT-Präsident Matteo Mecacci, der deutsche ICT-Geschäftsführer Kai Müller und der Leiter unseres Büros in Brüssel, Vincent Metten. Die Veranstaltung war mit maßgeblicher Unterstützung von ICT organisiert worden. ICT-Präsident Matteo Mecacci, der bei der Abschlusskundge-bung eine Rede hielt, erinnerte an den An-lass der Demonstration, den gescheiterten Volksaufstand in Tibet im Jahr 1959. Der Versuch der chinesischen Behörden, den Tibetern den Wunsch nach Ausdruck ihrer Identität und ihrer Verehrung für den Dalai Lama auszutreiben, sei ohne Erfolg geblie-ben, so Mecacci.

Eigens für die Tibet-Demonstration hat ICT übrigens eine Reihe von Karikaturisten und Künstlern darum gebeten, Cartoons zu zeichnen, die ihre Wahrnehmung der Situ-ation in Tibet wiedergeben. Die daraufhin entstandenen Werke zeigen sehr deutlich die übermäßige Militarisierung Tibets, die Einschränkung der freien Meinungsäuße-rung und der Religionsfreiheit. Zur gleichen

Zeit aber betonen sie auch den Widerstand des tibetischen Volkes und die gewaltlose Art seines Kampfes.

Dalai Lama-Briefmarke verboten

Als ICT im Juli 2015 eine Sonderbriefmar-ke zum 80. Geburtstag das Dalai Lama he-rausbrachte, war das Interesse daran sehr groß. ICT erhielt so viele Bestellungen, dass wir mehrfach bei einem Tochterunter-nehmen der Deutschen Post AG nachpro-duzieren lassen mussten.

Mehr als 6.000 Exemplare der Briefmarke lieferte „Postindividuell“ in fünf Auflagen an ICT. Umso überraschender kam daher Ende November 2015 die Nachricht, eine sechste Bestellung werde von dem Toch-terunternehmen der Deutschen Post unter Verweis auf geänderte Allgemeine Ge-schäftsbedingungen verweigert. Die neu formulierten Passagen deuten darauf hin, dass die Deutsche Post AG mit einer „Lex Dalai Lama“ gezielt die weitere Verbreitung der ICT-Sonderbriefmarke verhindern woll-te. Nach den neuen Geschäftsbedingun-gen will das Unternehmen nunmehr den Abdruck von „Personen des öffentlichen Lebens, politischen Parteien oder Orga-nisationen“ nicht mehr zulassen, dies al-lerdings gilt nur für solche von „außerhalb des Staatsgebiets der Bundesrepublik Deutschland“.

N a c h Einschät-zung der ICT ver-s t e c k t sich das U n t e r -nehmen ganz of-fensicht-lich hinter skurrilen juristischen Winkel-zügen, um seine Geschäftsinteressen in China nicht zu gefährden. „Das ist gegen-

Aktionen

Briefmarke zum 80. Geburtstag des Dalai Lama. Bild: ICT

Tibet-Großdemonstration in Paris. Foto: Olivier Adam.

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INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR TIBET | Jahresbericht 201518

über einem Friedensnobelpreisträger wie dem Dalai Lama unwürdig“, sagte ICT-Ge-schäftsführer Kai Müller. Eine Postspreche-rin hatte in einem Schreiben an ICT zudem ausgeführt, „als international tätiges Unter-nehmen“ fühle sich die Deutsche Post AG „zu politischer Neutralität verpflichtet“. Dies legt den Verdacht nahe, dass Druck auf das Unternehmen ausgeübt worden sein könnte.

Gegenüber der Tageszeitung „Die Welt“ stellte ein Postsprecher zudem die Abbil-

Ausgezeichnete Berichterstattung: Journalistenpreis „Schneelöwe 2015“

Am 17. Oktober 2015 war es wieder so weit. Zum bereits fünften Mal verlieh die In-ternational Campaign for Tibet ihren Jour-nalistenpreis „Schneelöwe 2015“. Dieser ging an die Reportage „Zwischen Hoffnung und Verzweiflung“ der beiden Autoren Pau-line Tillmann und Fabian Weiss über die

Selbstverbrennungen in Tibet. Das Stück war mittels Crowdfunding finanziert und von den Autoren im Online-Magazin „Kraut-reporter“ veröffentlicht. worden. Tillmann und Weiss erhielten ein Preisgeld in Höhe von 2.000 Euro. Mit dem Zweiten Preis ge-ehrt wurde der Journalist Peter Meier-Hü-sing („Abschied vom Dalai Lama“, SWR 2). Die Jury sprach ihm ein Preisgeld in Höhe von 1.000 Euro zu. Zudem prüfte die Jury noch Einreichungen für das Recherchesti-pendium in Höhe von 2.000 Euro.

In einem Gastvortrag sprach der spani-sche Journalist Juan Pablo Cardenal, Au-tor des 2014 erschienen Sachbuchs „Der große Beutezug“, über den Einfluss der chinesischen Politik auf die freie Berichter-stattung in den Medien. Jurymitglieder des „Schneelöwen“ sind Eva Corell, Journalis-tin und langjährige China-Korrespondentin der ARD, Andreas Lorenz, Autor, Journalist und langjähriger China-Korrespondent des SPIEGEL, sowie der Schauspieler und Do-kumentarfilmer Hannes Jaenicke. Mit dem „Schneelöwen“ will die International Cam-paign for Tibet herausragende Berichter-stattung über Tibet und China fördern.

Aktionen

Kai Müller (Geschäftsführer ICT Deutschland e. V.), Guo Yeemei (in Vertretung von Peter Meier-Hü-sing), Prof. Dr. Jan Andersson (Vorsitzender ICT Deutschland e. V.), Sebastian Esser (Gründer Kraut-reporter, in Vertretung von Pauline Tillmann und Fabian Weiss), Andreas Lorenz (Jury), Juan Pablo Cardenal (Hauptredner). Foto: Stepniak

dung des Dalai Lama auf eine Stufe mit rechtsextremen, terroristischen oder por-nografischen Motiven. Damit nimmt die Deutsche Post eine politische Bewertung vor, in deren Ergebnis sie einen Friedens-nobelpreisträger mit Rechtsextremismus Terrorismus und Pornografie gleichstellt. Aus ICT-Sicht ist eine solche Bewertung inakzeptabel und beschämend.

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INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR TIBET | Jahresbericht 201519

Juan Pablo Cardenal: „Licht in die dunkelsten Ecken Chinas wer-fen“

Aus dem Gastbe i t rag Juan Pablo Cardenals:

„Ein weiterer s p a n i s c h e r Kollege, mit Erfahrungen als Kamera-

mann in Kriegsgebieten, berichtete über Tibet zum letzten Mal im Jahre 2013, als die Serie von Selbstverbrennungen ihren Höhepunkt erreicht hatte. Vor kurzem teilte er mit mir seine Erfahrungen und schrieb mir das folgende: „Wir schafften es, heim-lich in die tibetischen Gebiete zu gelangen, in der Provinz Sichuan. Wir gingen in einige Tempel und konnten mit einigen Mönchen reden. Diese waren sehr verängstigt und sagten daher sehr wenig. Aber zwischen den Zeilen sagten sie sehr viel. Ihre Angst, ihre Gesten, und ihre Paranoia machten Worte unnötig.

Wir mussten das tun, was man in Kriegs-gebieten macht: schnell reingehen, schnellrausgehen. Deswegen, weil die Tempel

Juan Pablo Cardenal. Foto: privat

voll mit Informanten sind. Aber dann gibt es natürlich auch die Augenblicke, in denen man sich in einem Hotel registrieren muss, dagegen kann man nichts machen. Am nächsten Morgen warteten zwei Zivilpoli-zisten in der Lobby. Am selben Abend noch verhörten sie unseren Fahrer, und von da an konnten wir nichts mehr unternehmen. Sie waren die ganze Zeit hinter uns her bis wir Chengdu erreicht hatten.“

Pekings wiederkehrende Klage ist, dass die westlichen Medien einseitig über Tibet berichten. Wenn das der Fall ist, dann fra-ge ich: warum lassen sie uns dann nicht rein? Die Blockade ist von solchem Aus-maß, dass mehr ausländische Journalisten und Touristen nach Nordkorea einreisen können als nach Tibet, so ein US-Wissen-schaftler. In dieser Hinsicht ist Peking si-cherlich erfolgreich darin, sicherzustellen, dass es überhaupt keine Zeugen für sein hartes Regime und seine Herrschaft in Tibet gibt. Es gelingt ihnen, Tibet im Dun-keln zu halten, ohne dass Journalisten eine ernsthafte Möglichkeit hätten, Licht in eine der dunkelsten Ecken Chinas zu werfen. Das tibetische Volk und die Sache Tibets zahlen einen hohen Preis für diese Schan-de.“

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INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR TIBET | Jahresbericht 201520

Hilfe für Tibeter im Exil – Darum unterstüt-zen wir die „Tibetan Children‘s Villages“

“Die meiste Zeit wanderten wir in einer Gruppe von Flüchtlingen über die Berge. Als wir die Grenze zwischen Tibet und Ne-pal erreichten, rutschte meine Schwester aus und fiel ins Wasser. Ich bettelte un-seren Führer an, sie zu retten. Als wir die Hälfte des Berges überquert hatten, konnte meine Schwester vor Kälte nicht mehr lau-fen. Außerdem verfolgten uns einige chi-nesische Polizisten. So ließ der Wegführer meine Schwester und drei andere aus der Gruppe auf dem Berg zurück. Der kalte Schnee führte zu Erfrierungen an Händen und Füßen bei fünf Flüchtlingen aus un-serer Gruppe. Auf dem weiteren Weg ließ der Führer noch weitere fünf Flüchtlinge zurück. Auf der halben Wegstrecke hatte ich nichts mehr zu essen. Ich war hungrig und müde, glücklicherweise gaben mir die anderen etwas von ihrem Essen ab. Als wir Nepal erreichten, sagte der Führer zu mir, dass er auf mein Geld aufpassen würde. Aber er gab es mir nicht zurück. Sein Name ist Lobsang. Schließlich nahm Lobsang nur vier Flüchtlinge der Gruppe mit, ich war mit dabei. Meine Schwester ließ er mit neun weiteren Flüchtlingen zurück in den Ber-gen. Ich habe bis heute keine Nachricht von ihr.” Dawa Woeser, Klasse 5, Tibetan Children Village in Suja in: “Seed” Issue 1, April 2006, Journal des Tibetischen Kinderdorfes in Suja, Nordindien.

Die Geschichte des jungen Tibeters Dawa Woeser ist kein Einzelfall. Tausende von tibetischen Kindern können von Flucht, Verlust, Ängsten und Heimweh berichten. Unter den tibetischen Flüchtlingen, die Jahr für Jahr aus Tibet über den Himalaja ins indische und nepalesische Exil fliehen, befinden sich immer wieder Kinder und Ju-gendliche. Besonders vor 2008, dem Jahr landesweiter Proteste in Tibet, kamen jähr-lich bis zu 3.000 tibetische Flüchtlinge ins indische Exil. Untergebracht wurden viele dieser Kinder in den von den Tibetern im Exil und dem Dalai Lama gegründeten

„Tibetan Children‘s Villages“ (TCV), die über ganz Indien verteilt sind und sich aus-schließlich über Spenden und Zuwendun-gen finanzieren.

Im Jahr 2007 nahm die ICT mit einem Hilfsprojekt für das Kinderdorf in Suja, Nordindien, erfolgreich am RTL-Spenden-marathon teil. 2008 begannen die ersten Baumaßnahmen. Unser Projektpate ist der bekannte deutsche Schauspieler Hannes Jaenicke, der das Projekt mitinitiiert hat.

Von 2008 bis 2014 konnten wir folgende Projekte umsetzen:

Im TCV Suja: • Bau einer Unterkunft für Jugendliche• Bau eines Gesundheitszentrums• Bau einer Angestelltenunterkunft• Bau einer überdachten Mehrzweckflä-

che• Errichtung eines Wassertanks• Installation von Solaranlagen zur

Warmwasserversorgung • Errichtung eines Kinderspielplatzes

und einer Öko-Toilette • Ankauf von Decken und Bettzeug für

Kinder• Durchführung eines Hepatitis B-Projek-

tes

Kinderdorfprojekt

Einweihung neuer Unterkünfte im Kinderdorf Suja durch den Projektpa-ten Hannes Jaenicke. Foto: Stepniak

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INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR TIBET | Jahresbericht 201521

„Äpfel für Flüchtlingskinder“ – Pilotprojekt erfolgreich angelaufen

Voller Freude strecken die tibetischen Flüchtlingskinder auf unserem Foto ihre Arme in die Höhe: Die Äpfel sind angekom-men! Frisches Obst essen zu können, ist für die meisten von uns nichts Besonderes, doch für die tibetischen Flüchtlingskinder, die in den Kinderdörfern in Nordindien le-ben, ist die Versorgung mit vitaminreicher Kost leider keine Selbstverständlichkeit. Obwohl die Kinderdorfleitung sehr um eine gute Ernährung der Kinder bemüht ist, können die Kinder häufig nur unzurei-

chend mit vitaminreicher Nahrung versorgt werden. Obst steht viel zu selten auf dem Speiseplan. Daher haben wir damit begon-nen, den tibetischen Kinderdörfern (TCV) Äpfel zu liefern. Dank der Spenden unse-rer Unterstützer konnten die ersten Kinder bereits mit Äpfeln versorgt werden. Doch der Bedarf ist groß. Weitere Äpfel werden dringend benötigt, denn sie helfen, die Kin-der mit lebenswichtigen Vitaminen zu ver-sorgen.

Nach Abschluss einer Reihe von Infra-strukturprojekten und Projekten im Bereich Gesundheitsförderung haben wir nach Dis-kussion mit den tibetischen Kinderdörfern im Jahre 2015 beschlossen, dieses Pilot-projekt in Bezug auf das Recht auf Ernäh-rung tibetischer Flüchtlingskinder durchzu-führen. Geplant ist, die Unterstützung bei positivem Projektverlauf weiter auszubau-en.

• Renovierung einer Angestelltenunter-kunft

Im TCV Dharamsala:• Bau von fünf Unterkünften für Kinder

In den TCVs Suja und Dharamsala:• Durchführung eines Trainingspro-

gramms für Hausmütter

Kinderdorfprojekt

Die Kinder im Kinderdorf freuen sich über frische Äpfel. Foto: TCV

Die International Campaign for Tibet möch-te das Recht der tibetischen Flüchtlingskin-der auf ein Heranwachsen in Sicherheit, Gesundheit und Bildung fördern. Gleichzei-tig betrachten wir unsere Unterstützung als Förderung der Bemühungen der Tibeter, ihre Kultur und Eigenständigkeit zu bewah-ren. Vielen Dank für Ihre Unterstützung.

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INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR TIBET | Jahresbericht 201522

Diesem Jahresbericht können Sie ei-nige Beispiele unserer Arbeit aus dem Jahr 2015 entnehmen. Die International Campaign for Tibet ist eine internationale Menschenrechtsorganisation, die die Mei-nungsbildung in unserer demokratisch ver-fassten Gesellschaft mit Informationen und Argumenten zu beeinflussen sucht. Leitli-nie ist dabei die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 und die Vielzahl seither verfasster Menschenrechtsstan-dards. Ziel ist die Verwirklichung der Men-schen- und Selbstbestimmungsrechte aller Tibeterinnen und Tibeter.

Kernaufgabe unserer Büros ist die Auswer-tung von Informationen über die Situation in Tibet sowie die Formulierung von Posi-tionen und Analysen. Betroffen sind dabei ganz unterschiedliche Bereiche: von den bürgerlich-politischen Menschenrechten, über wirtschaftliche, soziale und kulturel-le Menschenrechte bis hin zu kollektiven Selbstbestimmungsrechten decken wir ein breites Spektrum an Themen ab. Fol-ter, Religionsfreiheit, Klimapolitik, Land-nutzungsfragen - dies sind nur einige der Schlagworte, hinter denen sich komple-xe Sachverhalte verbergen. Recherchiert werden müssen Fälle von Tibeterinnen und Tibetern, von Festnahmen, Protestvor-fällen, Gerichtsurteilen oder wann ein Ver-schwundener zuletzt gesehen wurde.

Unsere Informationen und Analysen müs-sen entsprechend aufgearbeitet werden, damit sie für unsere unterschiedlichen Zielgruppen verständlich sind. Gerade die sozialen Medien spielen auch für uns eine herausragende Rolle, um die breite Öffent-lichkeit auf Entwicklungen in Tibet hinwei-sen zu können. Neben sogenannten Brie-fings für Entscheider in Politik und Medien rücken die „Postings“ auf Facebook immer mehr in den Vordergrund unserer Arbeit. Schnell und zugleich glaubwürdig kommu-nizieren, das gilt für alle unsere Publikatio-nen und Kommunikationswege.

ICT Deutschland ist jedoch nicht nur auf

der politischen Bühne in Berlin aktiv. Seit 2008 setzen wir humanitäre Projekte in In-dien um, die den Tibetern im Exil zugute kommen. Unsere Partner sind die Tibeti-schen Kinderdörfer, die „Tibetan Children‘s Villages“, die vom Dalai Lama im indischen Dharamsala vor mehr als 50 Jahren ge-gründet wurden. Diese Arbeit unterschei-det sich ganz wesentlich von unserer po-litischen Öffentlichkeitsarbeit: Projekte müssen identifiziert, herausgearbeitet, um-gesetzt und überwacht werden, wobei wir Grundsätze der Entwicklungszusammen-arbeit beachten wollen. Hierzu gehört vor allem, dass unsere Projektpartner in Indi-en den Takt vorgeben. Wir setzen nur das um, was uns die „Tibetan Children‘s Villa-ges“ als Projekt vorschlagen. Interkulturelle Kompetenz ist dabei unverzichtbar.

Unsere Arbeit wäre nicht denkbar ohne die finanzielle Unterstützung vieler Men-schen in Deutschland. Und gerade für unsere Unterstützer wollen wir da sein. Ganz praktisch etwa, indem wir zuverläs-sig Spendenquittungen ausstellen oder jederzeit ansprechbar sind für Fragen und Anregungen, für Lob und Kritik. Und natür-lich wollen wir Unterstützer für unsere Ar-beit gewinnen. Wert legen wir darauf, dass wir authentisch mit unseren Unterstützern kommunizieren.

Geleistet wird diese vielfältige Arbeit im Wesentlichen von einem kleinen Team von vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Unterstützt werden wir von freien Mitarbei-tern und Dienstleistern. Das setzt moderne Kommunikation, die Bereitschaft zu Team-arbeit, vielfältige Kompetenzen und letzt-lich eine hohe Motivitation voraus. Fort-bildung und Trainings spielen dabei eine große Rolle.

Die Gesamtleitung des Vereins obliegt der Mitgliederversammlung und dem von ihr gewählten Vorstand. Dieser bestand Ende 2015 aus vier Personen, die allesamt auf lange Erfahrungen mit der Tibet-Problema-tik zurückblicken können.

So arbeiten wirDaten, Fakten, Zahlen

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INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR TIBET | Jahresbericht 201523

Zahlen und Daten – die ICT 20152015 ist die International Campaign for Tibet Deutschland in das dreizehnte Jahr ihres Bestehens gegangen. Als relativ jun-ge Organisation hat ICT aber schon viel erreicht: Unsere politische und humanitäre Arbeit zugunsten Tibets wird mittlerweile von vielen in Deutschland unterstützt. Für das Vertrauen unserer Spender und Förde-rer sind wir sehr dankbar, denn sie machen unsere Arbeit erst möglich.

Die International Campaign for Tibet Deutschland arbeitet eng zusammen mit ihren Schwesterbüros in Washington, Amsterdam und Brüssel. Das ICT-Field-team in Indien recherchiert wichtige Infor-mationen über die Lage in Tibet, die die Grundlage für die fundierten Berichte der Organisation über die Menschenrechts-lage in Tibet sind. Hinzu kommt unsere Partnerschaft mit dem „Australia Tibet Council“. ICT wächst, dank der Hilfe un-serer Unterstützer. Gemeinsam mit den anderen ICT-Büros erarbeitet das Berliner Büro Strategien und Aktionen, die von der Organisation weltweit umgesetzt werden. ICT ist darüber hinaus Mitglied der Fèdéra-tion Internationale des ligues des droits de l’Homme (FIDH) – der Internationalen Liga für Menschenrechte sowie des Internati-

onal Tibet Network, einem Netzwerk von Tibetorganisationen weltweit. ICT ist ferner Unterzeichner der „Initiative Transparente Zivilgesellschaft“.

Die International Campaign for Tibet Deutschland wird von einem ehrenamtli-chen Vorstand geleitet, der die Arbeit der Geschäftsstelle des Vereins in Berlin ver-antwortet. In der Geschäftsstelle sind 2015 vier hauptamtliche Mitarbeiter tätig gewe-sen. Die International Campaign for Tibet Deutschland e.V. ist mit Bescheid des Fi-nanzamtes für Körperschaften Berlin vom 31. März 2014 als gemeinnützig im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteu-ergesetzes anerkannt und im Vereinsregis-ter des Amtsgerichtes Münster unter dem Zeichen VR 4305 eingetragen. Gegrün-det worden ist die International Campaign for Tibet 1988 in den Vereinigten Staa-ten.1998 und 2006 nahmen die ICT-Büros in Amsterdam und Brüssel ihre Arbeit auf. ICT Deutschland wurde im Jahr 2002 ge-gründet.

VISDPKai MüllerREDAKTIONKai MüllerFOTOSICT, www.tibetballoon.org.uk, Woeser, Marco Stepniak, Michael Rahn, Christoph Strässer/Facebook, TCV, VOA, RFA, Xinhua, Jeremy Russell/OHHDL, Olivier Adam, privatTITELBILDICTKONTAKTInternational Campaign forTibet Deutschland e.V.Schönhauser Allee 16310435 BerlinWeb: www.savetibet.de,E-Mail: [email protected]

Vorstand:Prof. Dr. Jan Andersson, 1. VorsitzenderSabine BömmerDr. Namri DagyabJohn Ackerly

Geschäftsstelle:Kai Müller, GeschäftsführerMarkus Feiler, Leitung Fundraising und KommunikationErich Mayer, Finanzen und OrganisationAnne von der Ohe, Fundraising und Kommunikation

SpendenkontoBank für Sozialwirtschaft, BerlinIBAN: DE20100205000003210400BIC: BFSWDE33BEROnlinespenden unter www.savetibet.de/spenden

IMPRESSUM WER IST ICT?

Daten, Fakten, Zahlen

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INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR TIBET | Jahresbericht 201524

Grundsätzlich richtet die International Cam-paign for Tibet Deutschland e. V. (ICT) ihre Arbeit nach den Richtlinien des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) zur effizienten Verwendung von Spendengel-dern aus. Gleichwohl hat sich die ICT nach sorgfältiger Prüfung bislang gegen eine Beantragung des sogenannten „DZI-Spen-densiegels“ entschieden. Bisweilen fragen Unterstützer nach den Gründen dafür. Wir wollen dies beantworten.

Das „DZI-Spendensiegel“ wurde ursprüng-lich speziell für Organisationen aus dem karitativen Bereich konzipiert. Mit der Zeit wurde diese enge Sicht zwar erweitert, aber für hauptsächlich spendenfinanzierte Organisationen ist der Kriterienrahmen des DZI weiterhin unpassend. Beispielsweise erzielen die meisten karitativen Organisa-tionen einen großen Teil ihrer Einnahmen aus staatlichen Zuwendungen, teilweise über 50 Prozent. Die DZI-Berechnung der vom DZI bezeichneten „Werbungskosten“ bemisst sich jedoch an den Gesamtausga-ben. Allein aufgrund dieses Berechnungs-verfahrens fallen die „Werbungskosten“ von staatlich finanzierten Organisationen niedrig aus und beeinflussen das Einnah-men- und Ausgabenverhältnis nachhaltig. Dies ist offenbar ein Grund, warum ande-re spendenbasierte Organisationen, wie z. B. Greenpeace, das „DZI-Spendensiegel“ ebenfalls als inadäquat ansehen.

Als politische Menschenrechtsorganisation ist es wichtig, unabhängig zu sein – auch und insbesondere von staatlichen Zu-schüssen. Daher nimmt ICT keine Gelder von staatlicher Seite an; seien es Projekt-gelder von Land und Bund, der EU oder den Vereinten Nationen. Die ICT sieht einen wichtigen Beitrag als zivilgesellschaftliche Organisation darin, „unbequem“ zu sein, Entscheidungen von Politikern und Regie-rungen auf der Welt kritisch zu hinterfragen und Verstöße gegen Menschenrechte an-zuprangern. Daher ist es nur folgerichtig,

auf staatliche Zuschüsse zu verzichten und somit die eigene Unabhängigkeit zu schützen, selbst wenn dies eine ungünsti-ge Voraussetzung für den Erhalt eines so-genannten „Spendensiegels“ einer Institu-tion wie des DZI darstellt. Hinsichtlich der staatlichen Unabhängigkeit ist ergänzend zu konstatieren, dass sich das DZI fast ausschließlich durch staatliche Zuschüsse und Gebühren der siegeltragenden Orga-nisationen finanziert, und nicht etwa durch Spenden der Bevölkerung.

Des Weiteren entstehen, wie angedeu-tet, zusätzlich zu einem erhöhten Verwal-tungsaufwand mit der Beantragung des „DZI-Spendensiegels“ Gebühren, die die ICT im Augenblick eher in ihre Menschen-rechtsarbeit investieren will. Die Prüfung und die Anerkennung der Gemeinnützig-keit der ICT sind durch das Finanzamt für Körperschaften I in Berlin erfolgt.

Die ICT ist bereits seit mehreren Jahren Unterzeichner der Initiative Transparente Zivilgesellschaft von Transparency Interna-tional. Die Transparenzkriterien der Initia-tive Transparente Zivilgesellschaft wurden durch zahlreiche Experten aus der Zivil-gesellschaft und der Wissenschaft erstellt. Zu den Trägerorganisationen der Initiative Transparente Zivilgesellschaft gehört ne-ben dem Deutschen Spendenrat ebenso das DZI.

Aus diesen Gründen hat sich die ICT bislang gegen die Beantragung des „DZI-Spendensiegels“ entschieden. Es ist anzumerken, dass auch andere große Menschenrechtsorganisationen ebenfalls kein DZI-Spendensiegel besitzen und sich offenbar ebenfalls gegen eine Beantragung entschieden haben.

Darum beantragt die ICT das „DZI-Spen-densiegel“ nicht

Daten, Fakten, Zahlen

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INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR TIBET | Jahresbericht 201525

Öffentlichkeitsarbeit, Advocacy und

Kinderdorfprojekt

Spenden an Tibetorganisationen

Unterstützerwerbung, Geschäftstelle, EDV,

Büromaterial

MieteAusgaben Tibetshop

Ausgaben nach Mittelverwendung

Ausgaben:Öffentlichkeitsarbeit, Advocacy und Kinderdorfprojekt darin enthalten:

• Personalkosten für Öffentlichkeitsarbeit, Advocacy und Kinderdorfprojekt

• Ausgaben KinderdorfprojektSpenden an TibetorganisationenUnterstützerwerbung, Geschäftsstelle, EDV, Büromaterial darin enthalten:

• Personalkosten für Unterstützerwerbung, Geschäftsstelle, EDV, Büromaterial

RaummieteAusgaben Tibetshop Aufwendungen Total

Einnahmen:MitgliedsbeiträgeBußgelderSpenden / private ZuwendungenVerkaufserlöse Tibetshop und Einnahmen SponsoringÜbrige EinnahmenEinnahmen Total

Spenden, Erlöse, MittelverwendungDaten, Fakten, Zahlen

402.030,75 €

123.195,50 €

12.292,62 €6.750,00 €

156.490,18 €

62.676,22 €

16.405,97 €10.934,49 €

592.611,39 €

480,00 €15.000,00 €

585.869,54 €29.151,70 €

207,24 €630.708,48 €

MitgliedsbeiträgeBußgelder

Spenden / Zuwendungen

Verkaufserlöse Tibetshop

Übrige Einnahmen

Einnahmen nach Herkunft

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INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR TIBET | Jahresbericht 201526

VermögensübersichtDaten, Fakten, Zahlen

zum 31. Dezember 2015

AKTIVA PASSIVA

A. ANLAGEVERMÖGEN

I. Immatrielle Vermögensgegenstände

1. Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte, sowie Lizenzen an solchen Rech- ten und Werten 435,00

EuroEuro

II. Sachanlagen1. Andere Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung

Vereinsausstattung 374,00Sonstige Anlagenund Ausstattung 1.861,00 2.235,00

III. Finanzanlagen1. Sonstige Ausleihungen 3.260,00

B. UMLAUFVERMÖGEN

I. Kasse, Bank 226.151,24

232.081,24

A. VEREINSVERMÖGEN

Euro

I. Ergebnisvorträge1. Ergebnisvorträge allgemein 38.097,09

Saldo USt-Konten 528,79Saldo Klasse 9 193.455,36

232.081,24

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INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR TIBET | Jahresbericht 201527

International Campaign for Tibet

SpendenkontoIBAN: DE20100205000003210400BIC: BFSWDE33BERBank für Sozialwirtschaft, BerlinKontonr.: 3210400BLZ: 100 205 00Onlinespenden unter www.savetibet.de/spenden

International Campaign for Tibet Deutschland e.V.Schönhauser Allee 16310435 BerlinDeutschlandTel.: 030 / 27 87 90 86Fax: 030 / 27 87 90 [email protected]

International Campaign for Tibet USA1825 Jefferson Place NWWashington DC 20036United States of AmericaTel.: +1 202 785 1515Fax: +1 202 785 [email protected]

International Campaign for Tibet EuropeFunenpark 1D 1018 AK AmsterdamThe NetherlandsTel.: +31 (0)20 330 82 65Fax: +31 (0)20 330 82 [email protected]

International Campaign for Tibet Brussels11, rue de la linière1060 Brussels BelgiumTel.: +32 (0)2 609 44 10Fax: +32 (0)2 609 44 [email protected]

ICT/Australia Tibet CouncilPO Box 704DarlinghurstNSW 1300AustraliaTel.: +61 (02) 8005 [email protected]

Daten, Fakten, Zahlen