Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

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Regine Schonenberg (Hrsg.) Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

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Regine Schonenberg (Hrsg.) Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

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~ Sozialwissenschaft

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Regine Schonenberg (Hrsg.)

Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Deutscher Universitiits-Verlag

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Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsoufnahme

Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation / Regine Schonenberg (Hrsg.). - Wiesbaden : DUV, Dt. Univ.-Verl., 2000

(DUV : SozialwissenschaFt)

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lektorat: Ute Wrasmann / Sebastian Hammelsbeck

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ISBN 978-3-8244-4406-9 ISBN 978-3-322-90368-6 (eBook) DOl 10.1007/978-3-322-90368-6

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Vorwort

"Kriminalitat ist die Fortsetzung der freien Marktwirtschaft

ohne staatliche ZwangsmaBnahmen,,1

In Begriffen wie "unternehmerische Mafia" (Arlacchi 1989) oder "illegale Unterneh­

men" (Krauthausen/Sarmiento 1991) drOckte sich die wachsende Einsicht sozialwis­

senschaftlicher Forschung in Grundlagen und Motive Organisierter Kriminalitat (O.K.)

aus2. Ihr Tun ist unter okonomischen Gesichtspunkten vor allem eines: die Fortset­

zung profitorientierten Wirtschaftens mit illegalen Mitteln, in illegalen Tatigkeitsfeldern

und haufig unter Ausnutzung von Extraprofiten, die sich quasi als Risikopramie aus

der IIlegalitat ableiten.

Die Herausgabe des Kompendiums ,.Intemationa/er Orogenhande/ und gesel/schaft­

liche Transformation" soli vor allem einen Beitrag leisten

• zur Entmystifizierung von Organisiertem Verbrechen, Drogenhandel und Mafia

durch solide Informationen aus erster Hand, die unter BerOcksichtigung ihres so­

zialen, politischen und institutionellen Kontextes diskutiert werden;

• zur Initiierung eines gesellschaftspolitischen und wissenschaftlichen Dialogs un­

terschiedlicher Akteure, die auf die eine oder andere Art mit dem Thema ,Organ i­

sierte Kriminalitat' beschaftigt sind und unterschiedliche Erfahrungshorizonte ein­

bringen konnen.

Ausgehend von diesem Buchprojekt ist ein internationales Symposium in Frankfurt

fUr Ende 2000 geplant, das zusatzliche Teilnehmer in den Dialog einbinden soli. Die

ROckfUhrung eines globalen Diskussionsprozesses auf nationale (Innere Sicher­

heitlGewaltmonopol des Staates) und regionale (neue transnationale Kooperationen)

Ebenen ist essentiell fUr die komparative Bearbeitung des Themas auf internationaler

Ebene. Das internationale Drogenforschungsnetzwerk MOST3 der UNESCO/Paris

bildete den Rahmen fUr die Erarbeitung der meisten hier vorliegenden Beitrage und

hat ihre Obersetzung ermoglicht. Auch die Idee, die seit zwei Jahren zwischen den

Forschungsgruppen der beteiligten Lander gefOhrten Diskussionen in die jeweiligen

nationalen Debatten zu Organisierter Kriminalitat und Drogenhandel einzufUhren,

entstammt dem MOST-Zusammenhang.

1 Dieter Nuhr, Kabarettist, in Berlin am 28.7.99. 2 Pino Arlacchi: "Mafiose Ethik und der Geist des Kapitalismus - Die unternehmerische Mafia", Ffm., 1989; Ciro Krauthausen/Luis Fernando Sarmiento: "Cocafna & Co. Un mercado ilegal par dentro", Bogota, 1991. 3 MOST-Profil, siehe Anhang.

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Die Form der Herstellung und Gewahrleistung "Innerer Sicherheit" wird hautig un­

sachlich und ideologiebefrachtet verhandelt. Dies gilt ganz besonders fOr die ver­

breiteten Polemiken im Zusammenhang mit der Politik zur Bekampfung des Dro­

genanbaus, Drogenhandels und Drogenkonsums als wichtigem Teilbereich Organi­

sierter Kriminalitat.

Die Autorlnnen hotten, durch diesen Band zu einer diversitizierten Sichtweise der

Problematik anzuregen.

Regine Schonenberg & Robert Lessmann4

4 Politologe u. Joumalist, Studien zur Drogenproblematik in Bolivien, Kolumbien, Peru; Autor des Bu­ches "Drogen6konomie und intemationale Politik", 1996.

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Inhalt

Vorwort

Editorial

Regine SchOnenberg

Zwischen Privatisierung und Internationalisierung - Die Zukunft

des staatlichen Gewaltmonopols

Lothar Brock & Regine SchOnenberg

Das Gewaltmonopol in Brasilien

Guaracy Mingardi

Reflexionen zu neuen grenzOberschreitenden Kooperationen von

Sicherheitsorganen: Die internationale Drogenbekampfung

Leo Schuster

Cultural Impact of Prohibition Policies as Consequence of

International Co-operation

Molly Charles & Gabriel Britto

Die BIOten des Verbrechens: Das Beispiel Thailand

Guilhem Fabre

Drogenhandel im sOdlichen Afrika:

Die Hinterlassenschaft von Krieg und Apartheid

Laurent Laniel

The International Drug Complex

Hans T. van der Veen

Anhang

I Das MOST-Profil

II Websites zu Drogen, Mafia und Organisierter Kriminalitat

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Editorial

Regine Schbnenberg

Der internationale Drogenhandel bewegt nach konservativen Schatzungen (UNDCP

1998) 400 Milliarden US$ im Jahr. Laut Pino Arlacchi, dem Chef der UN­

DrogenkontrolibehOrde UNDCP gehen damit der legalen Weltwirtschaft ein Vielfa­

ches an Ressourcen und Entwicklungspotential verloren 1. Dieser Sichtweise, die auf

einer sauberen Trennung von Legalitat und lIIegalitat in Politik und Wirtschaft basiert,

widersprechen samtliche hier vorliegenden Beitrage in ihren jeweiligen Schlussfolge­

rungen. Beunruhigend ist weniger der weltweite Anstieg organisierter Kriminalitat als

die Verwischung von Grenzen in allen Lebensbereichen. Raymond Kendall, Gene­

ralsekretar von Interpol beantwortet daher die Frage nach der Verflechtung von Dro­

gen- und legaler Okonomie wie folgt:

"Globalization and its many manifestations mean that borders of all sorts are be­

coming increasingly difficult for govemments to define, let alone maintain. ,<2

Dieser neuen ,Grenzenlosigkeit', z.B. im Schengener Binnenraum sowie im Cyber­

space des global en Netzes, soli nun mit konventionellen Mitteln wie der Verscharfung

von EU-Aul!engrenzkontrollen und technischer AufrOstung begegnet werden. Ein­

sichten wie diese: "Standorifragen (von O.K.) sind nur im Zusammenhang mit der

Durchsetzbarkeit okonomischer Interessen und des Schutzes vor Strafverfolgung von

Bedeutung. Kein bestimmtes Land ist im Visier, sondern eine den Kriminellen op­

portune Schwache der Struktur. ,,3 sind selten; der illegal einwandernde Dunkelmann

beherrscht als Protagonist der internationalen organisierten Kriminalitat weiterhin die

Vorstellungswelt der Mehrzahl seiner Jager.

Ersetzt man die oben zitierten ,Kriminellen' jedoch durch "an optimaler Profitmaximie­

rung interessierte Kreise", kommt man den gesellschaftlichen Schnittstellen zwischen

Legalitat und lIIegalitat schon naher. Die im Juni 1998 anlasslich des 10-jahrigen Be­

stehens der (Anti-)Drogenkonvention in New York abgehaltene Sondersitzung der

UN-Generalversammlung konzentrierte sich in ihren Debatten u.a. auf die Geld­

wasche und beschlol! ein globales Programm zu deren Bekampfung4 . Geldwasche,

ein konstitutiver Bestandteil der nationalen wie internationalen Finanzwelt, entspricht

1 Kurt Schelter (1999:17) fOhrt fOr Deutschland 1998 1,8 Mrd. an - auf welcher Grundlage dies errech­net wird, bleibt ungenannt; in: Reinhard C., u.a .. 2 Sources, UNESCO, 4/1999:8, No. 111. 3 Enrico Palumbo (1999:306), in: Reinhard C., Meier-Walser, Gerhard Hirscher, Klaus Lange, Enrico Palumbo (Hrsg.) Organisierte Kriminalitat - Bestandsaufnahme, Transnationale Dimension, Wege der Bekampfung, MOnchen. 4 UN-Resolution S-20/4 D - e-mail: [email protected].

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als Vorgang weitgehend der 1990 von der gemeinsamen ,AG Justiz und Polizei' be­

schlossenen, vagen DefinitionS Organisierter Kriminalitat (OK):

"OK ist die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmaBige Begehung von

Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind,

wenn mehr als zwei Beteiligte auf langere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig

• Unter Verwendung gewerblicher oder geschaftsahnlicher Strukturen,

• Unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur EinschOchterung geeigneter Mit­

teloder

• Unter EinfluBnahme auf Politik, Medien, offentliche Verwaltung, Justiz oder Wirt­

schaft zusammenwirken'<6.

Bereits diese Definition ,Organisierter Kriminalitat' (O.K.) ist problematisch und als

eigener Straftatbestand sogar inexistent. Trotzdem wird deutlich, dar.. bei der Be­

schaftigung mit diesem Phanomen, mehr noch als bei Kriminalitat im landlaufigen

Sinne, eine Einbeziehung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen unerlar..lich ist.

"OK ist nichts auBerhalb der Gesellschaft Stehendes, das isoliert betrachtet und be­

kampft werden konnte7", sondern es handelt sich um allgegenwartige Aktivitaten in

den standiger Veranderung unterliegenden gesellschaftlichen Freiraumen. Ausmar..

und Verlauf der border-line zwischen Legaiitat-informaiitat-lilegalitat werden perma­

nent verhandelt und besonders in Zeiten gesellschaftlichen Umbruchs und damit ein­

hergehender, zunehmender UnObersichtlichkeit staatlicher Zustandigkeiten von sich

verandernden Gesetzmar..igkeiten bestimmt. Um das Verstandnis dieser Gesetzma­

r..igkeiten im Schatten der Globalisierung geht es uns bei der interkulturellen und in­

terinstitutionellen Beleuchtung des Themas "Internationaler Drogenhandel und ge­

sellschaftliche Transformation".

Welche Rolle spielen nicht regulierte, gesellschaftliche Raume bei Transformations­

prozessen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene? Welche Faktoren lassen

diese regulationsfreien Raume wie und warum wachsen oder schrumpfen? Welche

Potentia Ie fOr Innovation bergen sie? Diesen Fragen soli anhand eines Themenfel­

des nachgegangen werden, welches viele Phantasien weckt, in zahlreichen Argu­

mentationsmustern wiederzufinden ist, bislang aber kaum in koharenter Form von

den Sozialwissenschaften aufgegriffen wurde.

5 Diese Definition ersetzte u. detailiierte die Definition von 1981. AG II der Innenministerkonferenz. 6 Zitiert nach: Hans Neusel (1993): Organisierte Kriminalitat - Gefahren fOr Staat und Gesellschaft, in: Politische Studien. Organisierte Kriminalitiit. Sonderheft 3. 4/1993:7f. 7 .. Es durfen sich nicht die Metastasen der OK in unserem Land so ausbreiten. daB ein Gesundungs­prozeB nur noch mij schwerwiegenden Eingriffen und bleibenden Schiiden eingeleijet werden kann .... Neusel (1993:20) reprasentiert die landlaufige Vorstellung von OK.

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Auf dem Hintergrund der Globalisierungsdebatte soli an hand der Analyse des Funk­

tionswandels nationaler und internationaler Sicherheitsorgane der Einflul1 organi­

sierter, transnationaler Kriminalitat, insbesondere des Drogenhandels8 und dessen

Bekampfung, auf die Restrukturierung regionaler, nationaler und internationaler poli­

tischer Beziehungen aufgezeigt werden. Besonders in der Debatte um innere und

aul1ere Sicherheit spielen Drogenkonsum, -handel und -kontrolle eine prominente

Rolle: Der Handel mit Drogen ist von Natur aus grenzubergreifend und den Aktivita­

ten der organisierten Kriminalitat zuzurechnen. Auch wird das Gewaltmonopol des

Staates durch parallele Gewaltapparate, ausgestattet mit illegalen Waffen, Kommu­

nikationsstrukturen, Finanztransaktionen und ,Vollzugsinstanzen' tendentiell in Frage

gestellt.

Drogenkontrollpolitik auf nationaler wie internationaler Ebene wird von Institutionen

durchgefOhrt, die neben der Reprasentation gesellschaftlicher Interessen, institutio­

nelle Eigeninteressen verfolgen. Besonders in Zeiten der Redefinition originarer Auf­

gabenfelder staatlicher Sicherheitsorgane kann es hier leicht zu Verzerrungen bei

der Gewichtung gesellschaftlicher Problemlagen kornrnen.

Ein mehrmaliger Wechsel der thernatischen und geographischen Perspektive soli es

dem Leser ermoglichen, einen Eindruck von der Vielgestaltigkeit der Problematik des

internationalen Drogenhandels zu gewinnen.

Die Staatenwelt befindet sich im Obergang von der Interdependenz zur weltgesell­

schaftlichen Strukturierung sozialer Handlungszusammenhange. 1m Beitrag von Lo­

thar Brock und Regine SchOnenberg geht es urn die zunehmende Verwischung der

Grenzen zwischen zwischenstaatlichen und innerstaatlichen Konflikten sowie privater

und offentlicher Gewalt, die solche Prozesse mit sich bringen. Welche Alternativen

sind bei der Neustrukturierung dieses sensiblen Bereichs gesellschaftlicher Organi­

sation vorstellbar? Wie konnte Rechtstaatlichkeit jenseits nationaler Grenzen garan­

tiert werden?

Bei der Begleitung globaler Transformationsprozesse haben die Staaten unter­

schiedliche Startbedingungen: Was geschieht, wenn das Gewaltmonopol des Staa­

tes aufgrund vielfaltiger Partikularinteressen nie oder nur unzureichend durchgesetzt

wurde, beschreibt Guaracy Mingardi am Beispiel hochst bedenklicher, privater Alter­

nativen zum staatlichen Gewaltmonopol in Sao Paulo und Rio de Janeiro.

8 Lt. Neusels (1993) Interpretation der Kriminalstatistik, die der o.a. Definition von OK, entspricht, entfallen ca. 50% dieser Delikte auf Rauschgiftkriminalitat, und 50% aller OK-Delikte sind internatio­naler Natur.

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Bei der Gewahrleistung offentlicher Sicherheit agiert die Polizei auf staatlicher, trans­

nationaler und internationaler Ebene. Dabei soli die Politik den Rahmen polizeilichen

Handelns abstecken. In Zeiten rascher gesellschaftlicher Transformation bleibt die

Anpassung der Gesetzgebung haufig hinter dem taglichen Handlungsdruck zurOck.

Leo Schuster stellt in seinem Beitrag die vielfaltigen, fOr den Laien kaum mehr nach­

vollziehbaren, neuen grenzOberschreitenden Kooperationen bei der internationalen

Drogenbekampfung im Spannungsfeld zwischen systematischer Reglementierung

und pragmatischer Anpassung an die perzipierten Handlungserfordernisse dar.

Die Schwierigkeiten bei der inhaltlichen und institutionellen Umsetzung internationa­

ler Regime stehen in direktem Zusammenhang mit dem ihnen zugrunde liegenden,

vermeintlichen Wertekonsens. Molly Charles und Gabriel Britto beschaftigen sich in

ihrem Beitrag mit den unvorhergesehenen und zum Teil verheerenden Auswirkungen

bei der Durchsetzung einer weltweit homogenisierten Drogenkontrollpolitik auf die

vielfaltigen Formen sozialer Organisation in einer multikulturellen Gesellschaft wie

Indien.

Laut Pino Arlacchi 9 finden pro Tag weltweit ca. 700.000 virtuelle Geldtransfers mit

einem Gesamtvolumen von $US 2 Mrd. statt; davon entfallen schatzungsweise 1%

auf Geldwascheaktivitaten, sprich ca. $US 300 Mio. pro Tag. Zur Abwicklung dieser

Geschafte existieren weltweit schatzungsweise eine Million Briefkastenfirmen; der

Rest wird im Rahmen legaler Geschafte betrieben. Solche Zahlen sind zwar beein­

druckend, erlauben sie doch eine Vorstellung Ober die Anzahl moglicher BerOh­

rungspunkte und Interaktionen und mithin auch von den Schwierigkeiten einer klaren

Trennung zwischen legalen und illegalen wirtschaftlichen Aktivitaten. Trotzdem blei­

ben sie abstrakt und werden von einer breiteren Offentlichkeit immer nur bei skan­

dalosen ,Fallen' von Korruption und Geldwasche ausschnittsweise wahrgenommen.

Guilhem Fabre liefert anhand seines Beispiels, der Geldwasche in Thailand, detail­

liertes Anschauungsmaterial der lokalen, nationalen und globalen Verflechtungen

von Politik und Wirtschaft mit illegalen Aktivitaten. Besonders der Zusammenhang

zwischen deregulierten Finanzmarkten und der Behinderung von Demokratisierungs­

prozessen eroffnet eine neue Perspektive auf die Globalisierungsdebate.

Mit dem Ende der Apartheid in SOdafrika wurde auch die internationale Isolation des

Landes beendet. Demokratisierung und die Offnung des Marktes geschahen, der

Entwicklung politi scher, legaler und administrativer Strukturen und Institutionen vor­

auseilend, sozusagen in Jahresfrist. Unter ROckgriff auf existierende klandestine,

durch den BOrgerkrieg gepragte Binnenstrukturen und Auf.l.enverbindungen konnte

9 ,The need for a global attack on money-laundering', UN-Panel discussion, 10.06.1998, N.Y.

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sich der internationale Drogenhandel im sOdlichen Afrika rasch ausweiten. Laurent

Laniel berichtet von seinen Forschungen Ober die Verflechtungen von BOrgerkrieg,

Drogen- und Waffenhandel mit Strukturen des traditionellen Tauschhandels.

Die ,Nachhaltigkeit' von durch den Drogenhandel finanzierten KriegStikonomien wird,

laut Hans van der Veen, nur noch von der kontinuierlich anwachsenden Maschinerie

der Bekampfung des Drogenanbaus, -handels und -konsums Obertroffen. Das Leit­

bild eines mtiglichen Sieges im Krieg gegen Orogen, ihrer Ausrottung bis zum Jahr

2010, wie sie die UN im Juni 1998 in New York ,beschlossen' hat, werden als eine

Ursache fOr den ausbleibenden Erfolg der internationalen Anti-Drogenpolitik identifi­

ziert.

Organisierte Kriminalitat und damit auch den internationalen Drogenhandel und Kon­

sum als inharenten Bestandteil gesellschaftlicher Organisation zu begreifen, ist Vor­

aussetzung fOr die wissenschaftliche und politische Debatte Ober regulative Mar..­

nahmen. Die gleichen Voraussetzungen, die fOr die Regierbarkeit und die friedliche

Bewaltigung sozialer Transformationen gelten (wie institutionelle Stabilitat, ,acounta­

bility' und gesellschaftliche Kontrolle), gelten auch fOr die Chancen, durch Entgren­

zung entstehende Freiraume Oberwiegend innovativ statt Oberwiegend kriminell zu

nutzen.

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Zwischen Privatisierung und Internationalisierung:

Die Zukunft des staatlichen Gewaltmonopols

Lothar Brock 1 & Regine Schonenberg2

Abstract: The State Monopoly of Violence:

Between Privatization and Internationalization

The world of nation-states is in transition from interdependence to new global struc­

tures of social acting. The growing internationalization of crime as well as new forms

of warfare are facets of such tendencies. Traditional forms of mainly nation-based

monopolies of violence cannot contain those developments. Which alternatives do

exist besides the privatization of the security sector?

Inhalt

Einfiihrung

I Entgrenzungsprozesse in der Staatenwelt

II SicherheitsbedLirfnisse und ihre 8efriedigung

III Staatsversagen, Kriegsokonomien und internationale Zwangsgewalt

IV Transformation des Gewaltmonopols?

Literaturverzeichnis

1 Professor fOr Intemationale Beziehungen an der Goethe-Universitat FrankfurVa.M., Mitarbeiter der Hessischen Stiftung fOr Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), beschaftigt sich mit Globalisierung aus der Perspektive der "Entgrenzung der Staatenwelt". [email protected]. 2 Politologin, habilitiert sich an der Goethe-Universitat Frankfurt, lehrt am Otto-Suhr-Institut Berlin, forscht im brasilianischen Amazonasgebiet zu Kokainhandel, Mitglied des UNESCO/MOST­Drogenforschungsnetzwerkes. [email protected].

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Einflihrung

Die Idee des Territorialstaates ist mit dem Ende des Kolonialismus und dem Zu­

sammenbruch des Realsozialismus zu einem universalen Prinzip sozialer Organisa­

tion geworden. Zwischen den Einheiten dieses modernen Territorialsystems besteht

Interdependenz. Zugleich aber wird das Territorialitatsprinzip durch transnationale

Verflechtung zunehmend relativiert. Dies geschieht z.B. durch die grenzOberschrei­

tende Kooperation von Stadten, Landern und Regionen, sowie die Herausbildung

transnationaler Wirtschaftsraume und transnationaler sozialer Raume, unter denen

global vernetzte Diasporas von wachsender politischer und gesellschaftlicher Be­

deutung sowohl fOr die Gastlander wie fOr die Mutterlander sind (Territorialities,

Identities and Movement 1999). Mit Blick auf diese Entwicklung kann von einer welt­

gesellschaftlichen Strukturierung sozialer Handlungszusammenhange gesprochen

werden (Brock/Albert 1995; Forschungsgruppe Weltgesellschaft 1996; World So­

ciety Research Group 1999). In deren Verlauf losen sich alte, mit dem Territorial­

staatsprinzip verbundene Bedrohungsvorstellungen (Gefahr "klassischer" internatio­

naler Kriege) auf, wahrend sich neue Bedrohungsvorstellungen ausbreiten.

Bei der Herausbildung dieser neuen Bedrohungsvorstellungen spielt die Zunahme

und Transnationalisierung organisierter Kriminalitat (Palumbo 1999) in symbolischer

und realer Wechselwirkung mit den nach dem Ende des Ost-West-Konflikts sich

ausbreitenden "neuen Kriegen" in der Peripherie der Weltgesellschaft (Kaldor 1999;

Hanf 1999:161-172) eine bedeutsame Rolle. In ihrer symbolischen Funktion signali­

sieren die neuen Kriege der Peripherie die Gefahr eines globalen BOrgerkrieges

(Kaplan 1996; Enzensberger 1993), also einer allgemeinen Erosion jenes staatli­

chen Gewaltmonopols, das einen Eckpfeiler des modernen Staatensystems darstellt

(Senghaas 1995). Entsprechende BefOrchtungen werden durch die reale Ver­

schmelzung von organisierter Kriminalitat und global vernetztem Kriegsgeschehen

genahrt; denn die neuen Kriege zeichnen sich gerade dadurch aus, daf1 in ihnen

kriegerische Gewaltanwendung, organisierte Kriminalitat und massive Menschen­

rechtsverletzungen kaum noch unterscheidbar sind. Ebenso wenig ist hier noch

sichtbar, was innen und auf1en ist. In den Worten von Mary Kaldor: "The new wars,

(. . .) involve a myriad of transnational connections so that the distinction between in­

ternal and external, between aggression (attack from abroad) and repression (at­

tacks from inside the country) , or even between the local and the global, are difficult

to sustain." (Kaldor, 1999:2).

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Ein weiteres Indiz dafUr, daB die Moglichkeit einer allgmeinen Erosion des staatli­

chen Gewaltmonopols besteht, konnte darin gesehen werden, dar.. nicht nur in den

Entwicklungslandern offentliche Ordnungsaufgaben (weiterhin) privatisiert werden,

sondern auch in den westlichen Industrielandern, soweit sie die Gewahrleistung der

Ordnung in offentlichen Raumen an private Sicherheitsdienste delegieren und die

Sicherung der eigenen Lebenssphare mehr und mehr auf den einzelnen oder ein­

zelne Gruppen (z.B. Nachbarschaftsvereinigungen) zurOckfalit.

Aber die "Entgrenzung" der Staatenwelt verweist keinesfalls auf das Ende eines hi­

storischen Zivilisierungsprozesses und auf einen ROckfall in die Barbarei. Sie lar..t

lediglich die Schattenseiten der Modernisierung klarer hervortreten. Diese bestehen

u.a. darin, dar.. jeder Fortschritt auf dem Weg zur zivilisierten Gesellschaft neue An­

reize schafft, deren Spielregeln zu durchbrechen. Die Machtigen selbst sind stets in

der Versuchung, das staatliche Gewaltmonopol fOr partikulare statt fUr allgemeine

Zwecke einzusetzen. Sie schOren damit zugleich immer neue Kampfe um die

Staatsgewalt - im Extremfall bis hin zum BOrgerkrieg. Auf der anderen Seite stehen

diejenigen, die hoffen, die Regelverletzung im Rahmen der bestehenden Ordnung

als Wettbewerbsvorteil im Kampf um knappe Ressourcen nutzen zu konnen. Diese

beiden scheinbar kontraren Seiten des staatlichen Gewaltmonopols sind vielfach

miteinander verquickt - am auffalligsten in Gestalt einer weltweit praktizierten Kor­

ruption.

Den MiBbrauch des Gewaltmonpols soli die Demokratie abwehren. Eine ihrer zen­

tralen Aufgaben ist es, die hoheitliche MachtausObung zu kontrollieren. Diese Auf­

gabe kann aber nie ein fUr aile mal erledigt werden, sie stellt sich immer wieder neu.

Aur..erdem ist mit der Kontrolle staatlicher Macht noch keineswegs das Problem der

MiBachtung des staatlichen Gewaltmonopols bewaltigt. Vielmehr stellt die Verlet­

zung von Rechtsnormen auch in Demokratien weiterhin einen Vorteil im Kampf um

Ressourcen dar, den staatliche Strafandrohung nicht prinzipiell aufheben kann. Bei­

de Probleme, der Mir..brauch und die Mir..achtung des staatlichen Gewaltmonopols,

sind nicht neu. Die Frage ist also nicht, ob der (ohnehin gewaltbeladene) ProzeB der

Zivilisation jetzt zu einem Ende kommt, sondern wie sich die Bedingungen fUr eine

Befriedung der Sozialbeziehungen im Zuge der weltgesellschaftlichen Strukturierung

sozialer Handlungszusammenhange verandern.

Dieser Frage soli hier in der Weise nachgegangen werden, daB zunachst die These

von der weltgesellschaftlichen Strukturierung sozialer Handlungszusammenhange in

ihrer Bedeutung fOr das staatliche Gewaltmonopol erlautert wird. Daran schlier..t sich

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eine Betrachtung zweier Verhaltensmuster an, mit denen die westlichen Industrie­

lander auf die oben angesprochenen Aspekte der Entgrenzung reagieren. Gemeint

sind hier zum einen die schon erwahnte Deregulierung der Sicherung offentlicher

und privater Raume, zum anderen aber auch der sich gleichzeitig vollziehende Aus­

bau der staatlichen Kriminalitatsbekampfung, der auch nach au~en, also auf inter­

nationaler Ebene, in vielgestaltiger Form zum Zuge kommt: als Forcierung einer ver­

antwortlichen Regierungsfiihrung (good governance), als internationaler Drogen­

krieg oder als selektiv praktizierte humanitare Intervention. Die daran anschlie~ende

Frage, inwieweit die Sicherung des Gewaltmonopols heute eine Internationalisierung

der im Gewaltmonopol aufgehobenen Staatsfunktionen verlangt und welche Proble­

me hierbei fOr die demokratische Kontrolle staatlicher MachtausObung auftreten, soli

im dritten Abschnitt erortert werden.

Wir vertreten hierzu die folgenden Thesen: (1) Die Deregulierung staatlicher Sicher­

heitsgewahrleistung bedeutet fOr sich genommen nicht, da~ das staatliche Gewalt­

monopol aufgegeben wOrde. Vielmehr erfolgt die Deregulierung unter dem Ge­

sichtspunkte der Kostenverlagerung und der Wirkungssteigerung staatlicher Sicher­

heitspolitik unter sich verandernden Handlungsbedingungen (Herausbildung weltge­

sellschaftlicher Handlungskontexte). (2) Die Deregulierung offentlicher Ordnungs­

ausgaben und deren teilweise Internationalisierung erschweren die demokratische

Kontrolle des staatlichen Gewaltmonopols. (3) Zwar wird heute in den westlichen

Industrielandern allenthalben ein Diskurs Ober Gewaltpravention gefOhrt, wobei mo­

ralische Argumente durch wirtschaftliche erganzt werden konnen, weil Pravention

auf innerstaatlicher und internationaler Ebene kostengOnstiger ist als die gewaltsa­

me Eindammung von Gewalt. FOr Regierungen zahlt es sich auf kurze Sicht aber

politisch eher aus, in gewaltsame Konfiikte einzugreifen, als zu versuchen, Gewalt­

anwendung zu verhindern. Dies ist gerade deshalb der Fall, wei! sich der Staat auch

Ober das Gewaltmonopol definiert. (4) Der Vorrang der Kriminalitatsbekampfung vor

der Pravention ist insofern hochst problematisch, als die Konfiiktintervention abge­

sehen von ihren unmittelbaren "Kollateralschaden" dahin tendiert, immer neue Unsi­

cherheiten zu schaffen. Dementsprechend hat der Drogenkrieg bisher trotz punktu­

eller Erfolgsmeldungen zu immer neuen Ausweichstrategien der Drogenmafia und

zur AufrOstung der Verfolgungsapparate (gegebenenfalls auf Kosten "weicher"

Haushaltposten wie der Aus-, Fort- und Weiterbildung regularer Polizeikrafte) ge­

fOhrt. Aus dem Kosovo-Krieg ist der Schlu~ gezogen worden, da~ die militarischen

Kapazitaten der EU (ebenso wie die der USA) ausgebaut werden mO~ten, gerade

weil der Krieg nach eigenem Verstandnis gewonnen wurde. In diesem Sinne kann

von einer wechselseitigen prekaren Stabilisierung von Gesetzlosigkeit und staatli-

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Page 17: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

cher Sicherheitspolitik gesprochen werden. Ahnliches gilt fUr die Konfliktparteien in

BOrgerkriegen, sofern deren existentielle Interessen starker von einer Fortsetzung

des Krieges als von seiner Beendigung abhangen (a Is Beispiel sei auf die Kriege in

Angola, der Region der Gror..en Seen in Afrika oder Afghanistan verwiesen).

Entgrenzungsprozesse in der Staatenwelt

Das BedOrfnis nach Sicherheit sowie dessen institutionelle Reprasentation und Um­

setzung strukturieren seit jeher und Ober aile Kulturen hinweg die Organisation

menschlichen Zusammenlebens. Die Gewahrleistung von Sicherheit ist fUr die Legi­

timation von HerrschaftsansprOchen genau so wichtig wie die Gewahrleistung eines

nach den jeweils geltenden Mar..staben als gerecht empfundenen Zugangs zu Res­

sourcen. Reprasentative und transparente Institutionen, die die jeweiligen gesell­

schaftlichen Interessen angemessen abbilden, regulieren im Idealfall diese Grund­

bedOrfnisse. Die Durchsetzung des Gewaltmonopols scheint in diesem Sinne in der

Logik der Geschichte bzw. der Modernisierung zu liegen. Aber die Zivilisierung der

Sozialbeziehungen durch das staatliche Gewaltmonopol vollzieht sich hinter dem

ROcken der sie treibenden Akteure. Das Gewaltmonopol ist nicht das Produkt der

Selbstaufklarung der Machtigen, sondern ihres Interesses an geordneten Verhalt­

nissen, die wiederum dazu dienen, ein Maximum an Steuern mit einem Minimum an

Kosten (Aufwand) zu generieren. Gerade dieses Interesse an effizienter Besteue­

rung bietet auch einen Hebel fUr die Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit und De­

mokratie als Kontrolle des Gewaltmonopols. Das Verhaltnis zwischen Ordnung von

oben und Kontrolle von unten ist jedoch aus der jeweiligen Sicht stets suboptimal.

Es bleibt von daher umkampft. Die Rahmenbedingungen der respektiven Auseinan­

dersetzungen werden durch die zunehmende Wechselwirkung zwischen der inner­

staatlichen, der transnationalen und internationalen Ebene der Politik (als ein zen­

traler Aspekt weltgesellschaftlicher Entwicklungstendenzen) immer komplexer. Hierin

manifestiert sich die einleitend erwahnte weltgesellschaftliche Strukturierung sozia­

ler Handlungszusammenhange, die im folgenden kurz erlautert werden soil.

Das Staatenmodell, das sich in Europa nach dem westfalischen Frieden (1648)

durchgesetzt hat, beruht auf der Vorstellung einer territorialen Kongruenz von Staat,

Nation, Wirtschaft und Gesellschaft. Diese Vorstellung gerat in jOngerer Zeit zuneh­

mend unter Druck (Globalisierungsdebatte). Die Internationalisierung der Politik

bleibt hinter der Transnationalisierung der Gesellschaften und der Globalisierung

der Wirtschaft zurOck. Es entstehen Ober- oder unterregulierte Raume, die von un­

terschiedlichen sozialen Kraften besetzt werden und erhebliche Diskontinuitaten fOr

11

Page 18: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

die Verfahrensweisen der betroffenen Gesellschaften mit sich bringen, gleichzeitig

aber auch neue Entwicklungsperspektiven eroffnen. Spezifische Herausforderungen

des staatlichen Gewaltmonopols im Kontext der Entgrenzung zeigen sich in sub­

staatlichen Regionalismen3, die neue Formen der Subsidaritat ermoglichen, zugleich

aber bestehende nationale Integrationsmuster in Frage stellen; oder in der Heraus­

bildung transnationaler Gemeinschaften, die internationale Kooperation fordern, an­

dererseits aber zu neuen transnationalen und innerstaatlichen Konflikten fOhren kon­

nen. Das kann so weit gehen, dar.. auf den Versuch, das staatlichen Gewaltmonopol

auszuuben, verzichtet wird, weil das zu einer unuberschaubaren Eskalation der Ge­

walt fuhren konnte. So werden z.B. Kommunikation und Kooperation zwischen der

Turkei und Europa durch die tOrkischen Migranten gestarkt; die rot-grOne Bundesre­

gierung sah sich aber auch genotigt, auf die Beantragung der Auslieferung des in

Deutschland mit Haftbefehl gesuchten PKK-Chefs Ocalans zu verzichten, um ge­

waltsame Auseinandersetzungen in Deutschland zu vermeiden. In den Herkunftslan­

dern der Migranten kann es erst recht dazu kommen, dar.. das staatliche Gewaltmo­

nopol durch Diasporas von auP..en in Frage gestellt wird. So sind die UCK im Kosovo

und die Befreiungsbewegung in Osttimor weitgehend durch Gelder aus der jeweili­

gen Diaspora finanziert worden.

1m Entgrenzungsprozer.. verschwimmen vertraute Unterscheidungen zwischen dem

Offentlichen und dem Privaten, zwischen innen und aur..en und dem, was als legitim,

und dem, was als illegitim empfunden wird. Staatliche Aufgaben wie die Gewahrlei­

stung der offentlichen Sicherheit werden privatisiert, ohne dadurch per se ihren of­

fentlichen Charakter zu verlieren. Aur..enpolitik wird mehr und mehr zur Weltinnenpo­

litik. Das RechtsbewuP..tsein wird brOchig, weil national fundierte Umverteilungsre­

geln, die sich mit je spezifischen Vorstellungen von Verantwortlichkeit und Gerechtig­

keit verbinden, durch Inter- und Transnationalisierungsprozesse untergraben werden.

Ein Beispiel hierfOr bietet die Umgehung von Arbeitsgesetzen auf Berliner Baustellen

durch die Einschaltung von zum Teil unsoliden Leiharbeitsfirmen und Subunterneh­

men, deren Praktiken einerseits den Zielen der BescMftigungspolitik in der Bundes­

republik zuwiderlaufen, andererseits aber auch deswegen nicht durchgangig kontrol­

liert werden, weil der Staat von ihnen profitiert, indem er bei offentlichen Bauten Bau­

kosten einspart. Ein anderes Beispiel ist die Unter-Regulierung des Umweltbereichs

als Querschnittsthema bei gleichzeitiger Oberkomplexitat der Regelungen in Einzel­

bereichen, mit dem Ergebnis mangelnder Transparenz und nicht realisierbarer Ver­

antwortlichkeiten, z.B. bei der Umsetzung der Klimakonvention. Andererseits vermit­

teln Beispiele wie der Austritt von DaimlerChrysler aus der Global Climate Coalition,

3 Siehe z.B. Jean Rouaud, Belgien gibt es nicht. Reise durch einen imaginilren Staat, FAZ. 21.6.99, S. 47.

12

Page 19: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

einem Lobbyverband gegen die Effektivierung des Klimaschutzes, Hoffnung auf po­

sitive Nebenwirkungen globaler Neuordnungen, einschlier..lich der Fusion von Fir­

men.

In diesem Zusammenhang sind auch neue Ansatze einer auf spezifische Problembe­

reiche orientierten Rechtsentwicklung zu erwahnen, die aus der Tatigkeit gror..er An­

waltskanzleien hervorgehen. Letztere handeln untereinander fOr ihre Klienten

Streitregelungen aus, die ihrerseits als Prazedenzfalle fOr die Verhandlung weiterer

Streitfalle dienen und schlier..lich in zwischenstaatliche Vertrage Eingang finden bzw.

diese beeinflussen4. Auch hier verschwimmen Abgrenzungen zwischen dem Offentli­

chen und dem Privaten, dem Nationalen und Internationalen, mit dem Ergebnis, dar..

die Orientierung des einzelnen im offentlichen Raum erschwert wird. Wenn man nicht

mehr sagen kann, was das Recht ist oder als Recht gilt und woher es kommt, wenn

nicht aus den Parlamenten und Gerichten, entsteht erhebliche Unsicherheit darOber,

welche Regel die Qualitat eines Rechts hat und nicht die einer blor..en Verhand­

lungsgrundlage. Rechtssicherheit, und zwar im objektiven wie subjektiven Sinne,

stellt aber eine Grundvoraussetzung fOr wirtschaftliches Handeln und die Einhaltung

vertraglicher Abmachungen dar. Dieser Sachverhalt verweist auf die von Durkheim

herausgestellten "nicht vertraglichen Elemente des Vertrages". FOr Durkheim ist der

Vertrag die verrechtlichte Essenz gesellschaftlicher Beziehungen. Ohne die Einbet­

tung in einen breiten gesellschaftlichen Konsens darOber, was als Recht gilt, ist der

Vertragstext nicht mehr Wert als das Papier, auf dem er gedruckt ist.

Konflikte, die auf Regulationsdefizite zurOckzufOhren sind, fallen in verstarktem Mar..e

auf die Gerichte zurOck. Diese sind mit der Bearbeitung und Kompensation der Fol­

gen eines abnehmenden gesellschaftlichen Konsens' Oberfordert und ihrerseits von

Mar..nahmen betroffen, die sich aus Strategien der Verschlankung des Staates erge­

ben, z.B. aus der Delegierung offentlicher Dienstleistungen an private Firmen. Er­

schwerend kommt hinzu, dar.. staatliche Funktionsbereiche auf grenzOberschreitende

Kooperationen verlagert werden. Beide Tendenzen werfen erhebliche Probleme ei­

ner demokratischen Kontrolle staatlicher Regulierungspolitik auf. Einerseits ist regio­

nale und/oder transnationaler Politikkoordination in zunehmendem Mar..e erforderlich,

um die externen Rahmenbedingungen demokratischer Staaten im Zeichen weltge­

sellschaftlicher Entwicklungstendenzen zu erhalten. Andererseits kann sich daraus

eine Verlangerung von Entscheidungsketten und eine Komplexitatsteigerung der

Entscheidungen selbst ergeben, die nur noch eine schwache ROckbindung an eine

demokratische Offentlichkeit erlauben (Scharpf 1993, ZOrn 1996, Kohler-Koch 1996,

4 Wir denken hier auch an die "Arbitrage-Verfahren", d.h. aussergerichtliche intemationale Regelun­gen wie sie z.B. im Rahmen von Investitionsschutzabkommen vorkommen. Vgl. Voigt 1999/2000.

13

Page 20: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Grande 1997, Brock 1998 Schmalz-Bruns 1999, Hoffe 1999). Die Internationalisie­

rung der politischen Offentlichkeit hinkt offensichtlich der Internationalisierung der

Politik hinterher. Gegenlaufige Hoffnungen, die am Ende des vergangenen Jahrhun­

derts in die Herausbildung einer internationalen Zivilgesellschaft als kritisches Ge­

genOber (multi-)staatlicher MachtausObung gesetzt wurden, haben sich bisher nur in

bescheidenem Mar..e erfOllt, wenn auch zuweilen der Eindruck entsteht, die Nichtre­

gierungsorganisationen konnten in die Entwicklung der internationalen politischen

Okonomie eingreifen. In diesem Zusammenhang sei auf die Kampagne global ver­

netzter Nichtregierungsorganisationen gegen den OECD-Entwurf fOr ein Multilatera­

les Abkommen Ober Investitionen (MAl) im Jahre 1998 oder die Protestaktionen bei

der Konferenz der Welthandelsorganisation in Seattle Ende 1999 verwiesen. Diese

Aktionen waren weniger erfolgreich als der Ausgang der jeweiligen Verhandlungen

vermuten lar..t, da das Scheitern dieser Verhandlungen wesentlich durch zwischen­

staatliche Konflikte bedingt war. Abgesehen von den beschrankten Einflur..moglich­

keiten wird auch die Legitimation von NRO immer wieder in Frage gestellt. Dieser

Kritik kann allerdings zumindest teilweise mit dem Argument begegnet werden, dar..

die NRO - auch wenn sie keine politische Reprasentativitat beanspruchen konnen -

doch insofern demokratisierend wirken als sie dazu beitragen, ein globales Systems

der ,checks and balances' zu bilden, das gewisse Chancen fOr die Kontrolle politi­

scher (und okonomischer) Macht bietet.

Blickt man in die Geschichte der westlichen Staatenwelt, so erscheint die Durchset­

zung des staatlichen Gewaltmonopols als die Quintessenz der modernen Staatsbil­

dung Oberhaupt. Es stellt einen Eckpfeiler im System der innergesellschaftlichen

Friedensstiftung dar (Senghaas 1995:196f, Kaldor 1999:13ff). Um so erstaunlicher ist

es, dar.. die Transformation offentlicher Sicherheit in eine auf Sicherheitsmarkten ge­

handelte Ware genau so unter tagespolitischen Opportunitatsgesichtspunkten erfolgt,

wie dies bei Deregulierungsmar..nahmen in Politikbereichen der Fall ist, die weniger

zentral fOr die Selbstbehauptung des Staates sind. Die sich hier auftuenden Wider­

sprOche versucht der Staat durch den Abbau bestehender Restriktionen der Krimina­

litatsbekampfung zu kompensieren. Dadurch werden aber die Probleme, die sich aus

der Entgrenzung der Staatenwelt fOr die Demokratie ergeben, noch verscharft.

14

Page 21: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

II Sicherheitsbedurfnisse und ihre 8efriedigung

Der gesellschaftliche Konsens darOber, inwieweit die institutionellen Reprasentati­

onsformen in den westlichen Demokratien den BedOrfnissen nach innerer und auBe­

rer Sicherheit gerecht werden und insofern legitim und unterstotzenswert sind, wird

sowohl von Erfahrungswerten als auch von Erwartungen gepragt. Ulrich Beck hat

bereits 1986 in seiner Studie zur Risikogesellschaft die Reorientierung der gesell­

schaftlichen SicherheitsbedOrfnisse dargestellt und analysiert. Globale Umweltge­

fahren und neue Technologien, z.Zt. besonders die Gentechnologie, bringen ein

diffuses UnsicherheitsgefOhl hervor, das mit den wachsenden Schwierigkeiten kor­

respondiert, Sachfragen und Entscheidungsprozesse zu durchschauen sowie Risi­

ken abzuschatzen und Moglichkeiten ihrer Kontrolle zu prOfen. UnObersichtlichkeit

und Unsicherheit im GroBen fOhren zu zunehmendem SicherheitsbedOrfnis im Klei­

nen, was sich in der Bundesrepublik in einem AufrOcken des Themas 'innere Sicher­

heit' bei Wahlkampfen5 und der Ausbreitung privater Sicherheitsdienste dokumen­

tiert. Diese Entwicklung spiegelt in sehr allgemeiner Form die Kriminalitatsentwick­

lung. In der Kriminalitatsfurcht werden aber auch Angste umgesetzt, die anderen

Ursprungs sind. Sie konnen sich z.B. aus sozialer Unsicherheit oder der vermeintli­

chen Infragestellung unseres Zivilisationsansatzes ergeben. Wie Franz Streng in

einem Beitrag zu einem vom BKA organisierten Workshop Ober die "Privatisierung

polizeilicher Aufgaben" im Jahre 1995 feststellt, handelt es sich beim "Sicherheits­

gefuhl (. . .) um ein vielgestaltiges Konstrukt, das als eine Art Dach uber sehr unter­

schiedlichen und schwer in ihrer inhaltlichen Aussage definierbaren Dimensionen

verstanden werden kann. Zeigt es sich doch etwa, daB zwischen der Einschatzung

der Kriminalitatssituation allgemein und dem personlichen Bedrohungsgefilhl (. .. ) nur

relativ schwache Zusammenhange messbar sind (. .. )" (WeiB u. Plate 1996:105f).

Von der gesellschaftlichen Konstruktion von Sicherheit, das heiBt, der gesellschaftli­

chen Vorstellung von Sicherheit und deren institutionellen Formen hangen die jewei­

ligen politischen Spielraume fOr die Formulierung und Umsetzbarkeit nationaler Si­

cherheitsstrategien und internationaler Kooperationen abo Wolfgang BonB (1997:21-

38) fOhrt hierzu mit Hinweis auf kulturanthropologisch inspirierte Arbeiten aus, wie

die Strategien der Sicherheitsgewahrleistung variieren und "Ietztendlich jede Gesell­

schaft ihr eigenes (Un-) Sicherheitsprofil zu haben" scheint (idem:21). Ein Hauptau­

genmerk richtet sich hierbei auf die Bekampfung der "Organisierten Kriminalitat"

(OK), fOr die bislang keine griffige Definition existiert6 , die aber weltweit trotz aller

5 Bsp. aus dem Berliner EU-Wahlkampf: "Keine Angst - CDU: Europa mul1 man richtig machen - Ge­gen Verbrechen und Drogenhandel" und "FOr mehr Sicherheit zuhause" - SPD ThOringen. 6 Vgl. Definition von OK im Editorial.

15

Page 22: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Unbestimmtheit als Bezugspunkt fOr eine notwendige Wirkungssteigerung der inne­

ren Sicherheitspolitik zitiert wird. OK ist fOr viele Menschen die Inkarnation dessen,

was einer Gesellschaft fremd ist und deshalb auch wie ein Tumor entfernt werde

kann. De facto existieren jedoch, wie oben bereits angedeutet, mehr Schnittstellen

zwischen Legalitat und Illegalitat als gemeinhin angenommen. Hier ist zweifellos an

erster Stelle die Korruption und die Geldwasche zu nennen, die illegale Gelder in

einen integralen Bestandteil der legalen Wirtschaft verwandelt. Es geht aber auch

um die allen gelaufige Steuerhinterziehung und um regulare wirtschaftliche Aktivita­

ten, bei denen Strafgelder fOr die Verletzung von gesetzlichen Bestimmungen im

Stile von Kosten-Nutzen-Analysen in die Gewinnkalkulation eingehen. Ware der auf

Sicherheit bedachte BOrger mit dem ganzen AusmaB des Ineinandergreifen von Le­

galtitat und IIlegalitat und der sich hierin manifestierenden gesamtgesellschaftliche

"Brauchbarkeit der IIlegalitat,,7 konfrontiert, wOrde sich sein UnsicherheitsgefOhl

zweifellos noch verstarken.

Angesichts der gesellschaftlichen Dimension der Kriminalitat ist die Polizei mit deren

Oberwiegend repressiver Bekampfung Oberfordert. Dennoch besteht die Tendenz,

auf die angesprochenen Entwicklungen mit einer Affirmation der repressiven Krimi­

nalitatsbekampfung zu reagieren. Diskutiert wird in diesem Zusammenhang die Ein­

fOhrung immer weiter gefasster, verdachtsgestOtzter Kontrollen, die Umkehrung von

Beweislasten und die Einschrankung von Kompetenzabgrenzungen zwischen ver­

schiedenartigen Sicherheitsorganen wie z.B. Polizei und Geheimdiensten. Ais Alter­

native zu Ausbau und Qualifizierung der Polizei prasentiert sich zur Zeit lediglich die

Privatisierung der Sicherheitsgewahrleistung in Gestalt einer Unzahl von privaten

Sicherheitsfirmen, deren Angestellte nach kurzen Vorbereitungskursen in Phanta­

sieuniformen und mit kollektiven Firmen-Waffenscheinen ausgestattet offentliche

Raume kontrollieren und auf diesem Wege subjektive Unsicherheit abbauen sollen,

tatsachlich aber das allgemeine GefOhl von Unsicherheit perpetuieren, wenn nicht

sogar steigernB. Sie bevolkern einen rechtsfreien Raum, der existiert, weil hier eine

Diskrepanz zwischen gesellschaftlicher Nachfrage und staatlichem Angebot an Si­

cherheit entstanden ist. Diese Diskrepanz ist jedoch nicht objektiv vorgegeben. Sie

ergibt sich daraus, wieviel Kriminalitat eine Gesellschaft insgesamt als Preis fOr die

Freiheit von Oberwachung zu tragen bereit ist und wo und wie Ober die Festlegung

dieser Grenzen entschieden wird.

7 Siehe hierzu den Beitrag des franz6sischen Okonomen, Guilhem Fabre, in diesem Buch, vgl. auch Arun Kumar, 1999. B Vgl. Hubert Beste: "Wahmehmung von Sicherheits- und Ordnungsfunktionen im 6ffentlichen Raum durch private Sicherheitsdienste", in: Wei~ & Plate, 1996:111-117, und Pressemeldung der Gewerk­schaft der Polizei Berlin (27.12.99): "( ... ) Das staatliche Gewaltmonopol hat Vertassungsrang und dart nicht privatisiert werden. ( ... r. 16

Page 23: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Die weltweite Neigung zur "Verschlankung des Staates" ebnet einer Subsidiarisie­

rung von Staatsfunktionen den Weg. Diese bietet einerseits Moglichkeiten der er­

weiterten Selbstbestimmung, geht aber in der Regel mit einer Zunahme an Vera nt­

wortlichkeiten untergeordneter Verwaltungseinheiten bei nicht adaquater Mittelauf­

stockung einher. Auch dies kann zu neuen Unsicherheiten fOhren. Wird die Ge­

wahrleistung von Sicherheit ohne entsprechende Autoritat, Ausbildung und Bezah­

lung nach unten verlagert, nimrnt die Steuerungskapazitat des Staates offensichtlich

ab und dies ladt zur spontanen Privatisierung der Sicherheitsgewahrleistung ein

(Burgerwehren etc.). Eine Subsidiarisierung von Staatsfunktionen mur.!, daher not­

wendigerweise damit einhergehen, die Befahigung gesellschaftlicher Gruppen zur

Selbststeuerung zu verbessern. Hierauf verweist der Begriff des empowerment, der

freilich zugleich das Problem der ungleichen Verteilung von Selbstbehauptung­

schancen innerhalb und zwischen Gesellschaften anspricht.

Bei der Entwicklung von Sicherheitsbedurfnissen und Strategien ihrer Befriedigung

sind auch die Eigeninteressen der Sicherheitsapparate zu berucksichtigen. Dies

zeigt sich besonders eindringlich bei der Bekampfung des Drogenhandels. Seit Be­

endigung. des Ost-West-Konflikts befinden sich zumindest Teile nationaler wie inter­

nationaler Sicherheitsorgane auf der Suche nach neuen Aufgaben. Sie konkurrieren

hierbei u.a. um Themenfelder wie Umwelt-, Ernahrungs-, soziale oder, ganz umfas­

send, "menschliche" Sicherheit. Diese Themenfelder sind unter anderen politischen

Vorzeichen von anderen gesellschaftlichen Gruppen, namlich der Umwelt- und Frie­

densbewegung sowie den Solidaritats- und Menschenrechtsgruppen besetzt wor­

den. Letztere haben dazu beigetragen, neue "Sicherheitsbereiche" jenseits der Ter­

ritorialitat und der strikten staatlichen Zurechnung von Sicherheitsanforderungen

entlang transnationaler und internationaler Konflikt- und Kooperationslinien zu iden­

tifizieren. Das haben sich Teile der traditionellen Sicherheitsapparate zu Nutze ge­

macht als sie ihr Augenmerk auf die offensichtlichsten Nebenwirkungen aktueller

Entgrenzungsprozesse, wie illegale Migration und den Drogenhandel (Andreas

1995), richteten. Freilich fOhrte die Thematisierung dieser nicht-militarischen Sicher­

heitsgefahrdungen nicht zu einer Entmilitarisierung der Sicherheitspolitik, sondern

lediglich zu deren Neuausrichtung. In diesem Sinne haben die US-amerikanische

Drogenbekampfungsbehorde DEA9 und der CIA einen Krieg gegen den Drogenhan­

del lanciert, flankiert durch das machtige Instrument der jahrlichen Drogenbekamp­

fungs-Zertifizierung 10 des amerikanischen Prasidenten. Dieser Ansatz dominiert in­

zwischen den Stil der weltweiten Drogenpolitik. Die eigentlich hierfur zustandige In-

9 (US) Drug Enforcement Agency. 10 Erfolgreiche, d.h. auf die Repression des Angebots orientierte Drogenbekampfung als Vorausset­zung fOr die Gewahrung der MeistbegOnstigungsklausel beim Handel mit den USA.

17

Page 24: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

stitution, das Drogenkontrollprogramm der Vereinten Nationen UNDCp11 wird zwar

von den USA tatkraftiger als andere UN-Einrichtungen unterstOtzt, nimmt aber gera­

de deshalb eher nachgeordnete administrative als normative Funktionen wahr. Trotz

sehr unterschiedlicher Interessenlagen ihrer Mitgliedslander tragt das UNDCP auf

diesem Wege dazu bei, eine weltweit einheitliche angebotsorientierte Drogenbe­

kampfung durchzusetzen.

Der Handel mit Drogen erfolgt grenzObergreifend und stellt einen wichtigen Zweig

der organisierten Kriminalitat dar. Dabei wird das Gewaltmonopol des Staates in

vielen Landern durch Korruption, undurchsichtige Finanztransaktionen und parallele

Gewaltapparate mit illegal en Waffen, Kommunikationsstrukturen und Strafvollzug

missbraucht und zugleich missachtet. Die hohen Gewinnspannen des internationa­

len Drogenhandels dienen bei solchen Konstellationen dem Ausgleich finanzieller

Risiken und tragen somit auch zur ,Nachhaltigkeit' gewaltsam ausgetragener Kon­

flikte und gesellschaftlicher Zersetzung durch Korruption bei. Goudie und Stasavage

(1998) fOhren an zahlreichen Beispielen aus, welche gesellschaftlichen Formationen

unter welchen Bedingungen besonders korruptionsanfallig sind und welche Rolle

eine hohe Disponibilitat finanzieller Ressourcen bei der Zersetzung staatlicher und

privater Institutionen spielt.

Drogenkontrollpolitik auf nationaler wie internationaler Ebene wird von Institutionen

durchgefOhrt, deren demokratische Kontrolle aufgrund der Charakteristika ihrer Auf­

gaben besonders schwierig ist. Diese Schwierigkeiten werden durch die Eigeninter­

essen der Sicherheitsorgane erhoht, die zwar gesarntgesellschaftliche Aufgaben

erfOlien sollen, aber wie aile anderen gesellschaftlichen Institutionen in ihrem Ver­

halten durch Selbstbehauptungss- und Expansionsstrategien im Kampf um knappe

Ressourcen gepragt sind. Dabei kann es besonders in Zeiten der Redefinition der

Aufgabenfelder staatlicher Sicherheitsorgane leicht zu Verzerrungen kommen: Der

war-an-drugs der USA hat inzwischen mit Hilfe von Lobbygruppen eine erhebliche

Eigendynamik entwickelt. Dies schlagt sich in standig wachsenden Haushaltsmitteln

nieder, die eher den allgemeinen politischen Stellenwert der Drogenproblematik als

die konkreten Erfahrungen spiegeln, die bei der Verfolgung der eigentlichen Ziele

(Reduzierung von Drogenanbau, -handel und -konsum) gemacht werden 12.

11 United Nations Drug Control Programme. 12 Vgl. Artikel von Hans-van-Veen in diesem Such.

18

Page 25: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

III Staatsversagen, Kriegsokonomien und internationale Zwangsgewalt

Auch im Bereich der internationalen Sicherheitspolitik finden Entgrenzungsprozesse

statt. Die internationale Sicherheitspolitik befa~t sich in zunehmendem Ma~e mit

innerstaatlichen Konflikten, die als internationale Friedensgefahrdung definiert (und

damit fOr Sanktionen nach Kapitel VII der UN-Charta zuganglich) werden. Dem liegt

wiederum, wie schon einleitend festgestellt, eine innere Entgrenzung der Konflikte

selbst zugrunde: "The new wars involve a blurring of the distinctions between war

(usually defined as violence between states or organized pOlitical groups for political

motives), organized crime (violence undertaken by privately organized groups for

private purposes, usually financial gain) and large-scale violations of human rights

(violence undertaken by states or politically organized groups against individuals)."

(Kaldor 1999:2) 13

Die "neuen Kriege" sind das Produkt einer unter dem Gesichtspunkt der Modernisie­

rung und Strukturanpassung fehlgeschlagenen Transformation. Sie finden in einem

Teil der ehemals sozialistischen Lander und in Teilen Afrikas (Westafrika, Region

der gro~en Seen, Angola) sowie Asiens (Afghanistan, Indonesien) statt. In ihnen

zeigt sich, da~ die globalen Entwicklungserwartungen der alten Modernisierung­

stheorien insofern naiv waren, als sie die je spezifische Wechselwirkung zwischen

internen und externen Entwicklungsfaktoren nicht wirklich ernst genommen haben.

Auch die Dependencia-Kritik hat dies mit wenigen Ausnahmen nicht getan. Heute

zeigt sich, da~ die Bandbreite moglicher Entwicklungen und Fehlentwicklungen gro­

~er ist als bisher erwartet und da~ es zu BrOchen im Modernisierungsproze~ kom­

men kann, die die Ausbildung dauerhafter Kriegsokonomien begOnstigen. In diesen

Kriegsokonomien bestehen nur schwache Interessen an Vermittlung und Ausgleich,

da der Krieg selbst als Haupterwerbsquelle der Kriegsparteien fungiert. So sehr sol­

che Entwicklungen als Negation von Modernisierung erscheinen, so sind sie doch

ein Phanomen der Moderne, insofern als sie eng mit der globalen Okonomie ver­

flochten sind. Dabei spielen besonders Geldwasche und Waffenhandel eine wichtige

Rolle, da sie die legale Okonomie in schwer kontrollierbarer Form mit der Krieg­

sokonomie verbinden (UNDCP 1998). Hinzu komrnt, da~ die Anwendung militari­

scher Zwangsgewalt auf internationaler Ebene ebenfalls in einer Grauzone operiert.

Hier werden Fragen der rechtlichen Zulassigkeit in einer Weise entschieden, die

sich bisher eher durch einen machtbewu~ten Opportunismus als durch problembe­

zogene Opportunitatserwagungen auszeichnet.

13 Vgl. den Beitrag von Laurent Laniel in diesem Band.

19

Page 26: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Die bisherigen Sicherheitsarrangements auf internationaler Ebene sind durch die

historische Erfahrung der "alten Kriege" gepragt. Das vorrangige politische Projekt'

war dabei die Oberwindung des zwischenstaatlichen Krieges als sozialer Institution,

Dieses Projekt wurzelt in der humanistischen Kritik kollektiver Gewalt und in der Er­

wartung der Aufklarung, daB eine Oberwindung selbstverschuldeter UnmOndigkeit

des Menschen moglich sei. Die Umsetzung dieses Projektes leidet bis heute an den

Paradoxien einer unfriedlichen Friedenspolitik. Die eine Seite dieser Paradoxie stellt

die fortschreitende volkerrechtliche Eindammung des Ermessenspielraumes von

Staaten bei der Anwendung von Gewalt dar. Die andere Seite besteht darin, daB

gerade diese volkerrechtliche Entwicklung immer neue Quellen fOr die Legitimation

staatlicher Gewaltanwendung liefert.

Mit dem Volkerbund wurde zum ersten Mal das Recht der Staaten, Krieg zu fOhren,

eingeschrankt. Durch den Briand-Kellog-Pakt wurde der Angriffskrieg geachtet und

die Charta der Vereinten Nationen sprach schlieBlich ein allgemeines Gewaltverbot

(Art. 2/4 der UN-Charta) aus. Dem Gewaltverbot entsprach die Regelung, nach der

dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen das alleinige Recht zusteht, Gewaltan­

wendung zur Durchsetzung der Ziele der Charta zu legalisieren. Dieses Recht stellt

kein Gewaltmonopol dar, sondern ein Monopol der Legalisierung von Gewalteinsat­

zen (Weiss/Forsythe/Coate 1994). Die Anwendung von Gewalt ist nach der Satzung

der Vereinten Nationen auBer zum Zweck der individuellen und kollektiven Selbst­

verteidigung (Art. 51) nur zulassig, wenn der Sicherheitsrat eine Gefahrdung oder

einen Bruch des internationalen Friedens feststellt und die Anwendung von Gewalt

zur Wiederherstellung des Friedens autorisiert. Nun setzt sich der Sicherheitsrat

aber aus Staaten zusammen, die keineswegs die gesamte Menschheit reprasentie­

ren und stets in einer Doppelfunktion als Instanz und Partei agieren. Das laBt sich

beim gegenwartigen Stand der volkerrechtlichen Entwicklung nicht vermeiden, be­

deutet jedoch, daB die Funktionsfahigkeit des Sicherheitsrates prinzipiell einge­

schrankt ist. Der Sicherheitsrat kann in bestimmten Streitfragen als Instanz fungie­

ren, wenn er die Interessen seiner (standigen) Mitglieder als Partei nicht verletzt. Wo

diese Konstellation nicht zustande kommt, neigen die Staaten, die ihre Parteiinter­

essen nicht gewahrt sehen, dazu, unter Berufung auf die UN-Charta und gewohn­

heitsrechtliche Entwicklungen, die ihrem Geist entsprechen, auBerhalb des Sicher­

heitsrates zu agieren. Dies ist bei der sogenannten humanitaren Intervention der

Fall, die sich dadurch auszeichnet, daB einzelne Staaten oder Staatengruppen ohne

Autorisierung durch den Sicherheitsrat in die innerstaatliche Entwicklung anderer

Lander eingreifen. Hinzu kommt als generelles Problem die fehlende Bereitschaft

gerade auch der Standigen Mitglieder, die eigene Sicherheitspolitik zu internationa-

20

Page 27: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

lisieren. Hier ist nicht nur das Beispiel der USA einschlagig. Auch RuBland zeigt we­

nig Neigung, sich auf kollektive Regelungen einzulassen. So wird ein russischer Di­

plomat im Kontext der Friedensregelung im Kosovo mit den Worten zitiert: "Wir wer­

den nie damit einverstanden sein, daB russische Truppen von irgendwelchen Aus­

landern kommandiert werden, selbst wenn es UNO-Vertreter waren. " 14

Zur Zeit des Ost-West-Konflikts konnte der Sicherheitsrat mit der Foige blockiert

werden, daB nicht gehandelt wurde. Heute wird der Sicherheitsrat in offenbar zu­

nehmendem MaBe mit der Foige blockiert, daB auBerhalb des Sicherheitsrates ge­

handelt wird. Das Monopol des Sicherheitsrates zur Legitimation von Zwangsgewalt

wird auf diesem Wege zugunsten der Handlungsfreiheit des Einzelstaates einge­

schrankt. Zugleich nehmen die Staaten unter Berufung auf ein sich immer weiter

ausdifferenzierendes Volkerrecht in Anspruch, jene Zwangsgewalt auszuOben, zu

deren AusObung der Sicherheitsrat aufgrund eben dieses Volkerrechts verpflichtet

ware. 15

Bei der akademischen Erorterung dieser Problematik wird unter Berufung auf die

normative Integration der Staatengesellschaft auf die Pflicht der Staatenvertreter zur

Wahrnehmung weltbOrgerlicher Verantwortung (good international citizenship) im

Sinne eines entschlossenen Eintretens fOr die Menschenrechte notfalls am Sicher­

heitsrat vorbei verwiesen (Dunne u. Wheeler 1999). Diese Sicht spiegelt einen

anglo-amerikanischen Pragmatismus im Volkerrecht, der sich in erster Linie an der

Frage orientiert, welche Regeln fOr die effektive Bearbeitung eines Problems erfor­

derlich sind, und nicht an der Frage, welche Methoden der Problembearbeitung mit

bestehenden Regeln Obereinstimmen (Farer 1991:185-199). Legitimitat geht hier vor

Legalitat. Mit ahnlichem Ergebnis aber auf anderer Grundlage argumentiert JOrgen

Habermas, wenn er anlM,lich des Kosovo-Krieges die Frage aufwirft, ob angesichts

der Unfertigkeit der weltbOrgerlichen Ordnung "humanitare Interventionen" nicht zu

deren Verwirklichung beitragen konnten. 16 Die Intervention ware in diesem Faile als

Vorgriff auf die zu schaffende Ordnung und nicht als ROckgriff auf einen Zustand zu

interpretieren, in dem den Staaten noch ein weitgehend unbeschranktes Recht zum

Kriege zustand.

Diese Argumentation ist insofern problematisch als damit das historische Projekt

einer Oberwindung des Rechts zum Kriege wieder in Frage gestellt wird. Wenn den

Staaten die Moglichkeit eingeraumt wird, im Wege der Selbstautorisierung Gewalt

14 Berliner Zenung yom 27.5.1999, S. 2. 15 Hierzu und zum folgenden siehe Brock 1999. 16 JOrgen Habermas, Bestialitat und Humanitat, Die zen No. 18,29.4.1999.

21

Page 28: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

unter Berufung auf die Menschenrechte (und die Notwendigkeit der Nothilfe) anzu­

wenden, werden gerade jene Restriktionen umgangen, die die GrOnder der Verein­

ten Nationen als erforderlich erachteten, um "die Menschheit von der Gei/2,el des

Krieges zu befreien" , wie es in der Praambel der UN-Charta hei/2,t. Die Versuchung

ist gro/2" staatliche SouveranitsansprOche im Zeitalter der Globalisierung menschen­

rechtlichen Bestimmungen nachzuordnen. Es geht aber nicht nur darum, ob im

Rahmen der UN-Charta die Menschenrechte mehr wiegen als staatliche Souverani­

tatsansprOche. Die eigentliche RechtsgOterabwagung bezieht sich vielmehr darauf,

ob das historische Projekt einer Oberwindung des Angriffskrieges im Zeichen versa­

gender Staaten und "neuer Kriege" zugunsten des Schutzes bestimmter Werte (hier

der Menschenrechte) zurOckgestelit werden sollte. Mit Blick auf diese Frage lie/2,e

sich argumentieren, da/2, dort, wo das Gewaltmonopol des Staates zusammenbricht,

eine "humanitare Intervention" keine Souveranitatsverletzung darstellen kanne, weil

es gar keinen Ort der Souveranitat in einem solchen Staatsgebilde gebe, ja da/2, es

geradezu darauf ankomme, da/2, Gewaltmonopol des Staates wiederherzustellen und

damit die Voraussetzungen fOr souverane Handlungsfahigkeit zu schaffen. Das ist

zweifellos richtig. Die entscheidende Frage ist aber, wer den Zusammenbruch des

Gewaltmonopols feststellt und wer Ober kollektive Ma/2,nahmen von au/2,en entschei­

det. Hier sollte das Legalitatsprinzip Ober dem Legitimitatsprinzip stehen. Zwar kann

eine Entscheidungsblockade im Sicherheitsrat Menschenleben kosten, das trim aber

genau so fOr die Umgehung der Entscheidungsblockade durch einzelstaatliche Ge­

waltanwendung zu; denn in der Tradition der Aufklarung kann es keinen Krieg zu­

gunsten der Menschenrechte geben, weil der Krieg selbst nicht ohne Verletzung von

Menschenrechte gefOhrt werden kann.

IV Transformation des Gewaltmonopols?

FOr Max Weber ist der moderne Staat "ein anstaltsmassiger Herrschaftsverband (. . .),

der innerhalb eines Gebietes die legitime physische Gewaltsamkeit als Mittel der

Herrschaft zu monopolisieren mit Erfolg getrachtet hat und zu diesem Zweck die

sachlichen Betriebsmittel in der Hand seiner Leiter vereinigt, die samtlichen eigenbe­

rechtigten standischen Funktionare aber, die (rOher zu Eigenrecht darOber verfOgten,

enteignet und sich selbst in seiner hOchsten Spitze an deren Stelle gesetzt hat."

(Weber 1972:824) Aile heutigen Staaten beanspruchen in diesem Sinne, moderne

Staaten zu sein. Viele von ihnen vermagen jedoch in der Praxis diesem Anspruch

nicht zu genOgen. Sie verfOgen keineswegs Ober ein gesichertes Gewaltmonopol

und wo sich dies in lang andauernden Kampfen um die Durchsetzung rivalisierender

MachtansprOche manifestiert, spricht man (im Sinne Webers) folgerichtig von Quasi-

22

Page 29: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Staaten (Jackson 1990). Auf der anderen Seite des historischen Spektrums stehen

jene Staaten, in denen das Gewaltmonopol nicht aufgrund von Fehlentwicklungen,

sondern aufgrund einer prazedenzlosen wirtschaftlichen Entwicklung an Bedeutung

als Verhaltensregulativ zu verlieren scheint und die sich insofern an der Schwelle

zur Postmodernitat befinden. Gemeint sind hier die Staaten, deren Wirtschaftssy­

steme sich schneller denationalisieren (ZOrn 1998) als ihre Rechtssysteme (Voigt

1999/2000). Diese Staaten bilden das Zentrum der von Habermas sogenannten

post-nationalen Konstellation (Habermas 1998). Wahrend in der ersten Staaten­

gruppe die Voraussetzungen fOr eine Durchsetzung des Rechts fehlen, schrumpft in

der zweiten Staatengruppe die Bedeutung, die der Durchsetzung des Rechts fOr die

Gestaltung der allgemeinen Lebensverhaltnisse zukommt, u.a. weil die gror..en wirt­

schaftlichen Akteure in gewissem Umfang in der Lage sind, aus stark in schwach

regulierte Wirtschaftsraume auszuweichen. Beide Problemsituationen werden von

der transnationalen organisierten Kriminalitat zu ihrem eigenen Vorteil genutzt: in

der ersten Gruppe durch teilweise Obernahme von quasi-staatlichen Funktionen, in

der zweiten Landergruppe durch vermehrte Moglichkeiten, staatlicher Strafverfol­

gung zu entgehen und die FrOchte krimineller Aktivitaten durch transnationale Geld­

wasche zu legalisieren.

Die Problematik eines unvollstandigen oder fehlenden Gewaltmonopols auf der ei­

nen Seite und eines nicht mehr voll wirksamen Gewaltmonopols auf der anderen,

hat, wie teilweise schon ausgefOhrt, in den vergangenen Jahrzehnten in Theorie und

Praxis verschiedene Antworten gefunden. Was den ersten Problemaspekt betrifft, so

hat der UN-Sicherheitsrat seine Handlungsmoglichkeiten dadurch erweitert, dar.. er

schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen und den Zusammenbruch der inne­

ren Ordnung eines Landes zu einer Gefahr fOr den internationalen Frieden erklart

hat. Parallel dazu ist die Praxis der humanitaren Intervention erweitert worden, wo­

bei von den BefOrwortern dieser Praxis aus deren Duldung durch die internationale

Staatengemeinschaft auf die Herausbildung eines Volkergewohnheitsrechts zur

VerhOtung von Volkermord und groben Menschenrechtsverletzungen gechlossen

wird. Bezogen auf den zweiten Problemaspekt ist es seit dem Ende des zweiten

Weltkrieges zu einer fortschreitenden Ausdifferenzierung von Regelsystemen (inter­

nationalen Regimen) gekommen, die heute praktisch aile Aspekte der internationa­

len Beziehungen betreffen. In der Theorie haben diese Entwicklungen zu zwei

scheinbar gegenlaufigen EntwOrfen fOr eine Einhegung von Gewalt im Kontext welt­

gesellschaftlicher Strukturierungen des Cffentlichen gefOhrt. Auf der einen Seite ist

die Idee des Weltfriedens durch Weltrecht wieder aufgegriffen worden, die in Kants

Friedensphilosophie angelegt ist und zwischen den Weltkriegen, also zur Zeit des

23

Page 30: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Volkerbundes, eine erste Hochkonjunktur erlebte (Lutz-Bachmann 1996, Hoffe

1998). Zum andern ist eine rege Diskussion uber "governance without government",

also uber die Idee aufgekommen, die Welt zu regieren ohne Weltregierung (Kohler­

Koch 1993, Zurn 1998). Diese beiden Denkschulen befinden sich jedoch nur

scheinbar in einem Gegensatz zueinander. Patentrezepte haben sie beide nicht zu

bieten und in Reinform werden sie sich beide nicht materialisieren. Erwartbar ist

vielmehr eine Entwicklung, in deren Verlauf es fur bestimmte Tatbestande (Men­

schenrechtsverletzungen, Volkermord, Diskriminierung) zu einer weiteren Globalisie­

rung des Rechts und der formlichen Moglichkeiten, ihm Geltung zu verschaffen,

kommen wird, wahrend es auf der anderen Seite einen sich vergror..ernden Bereich

sozialer Beziehungen geben wird, in dem das Prinzip der Selbstregulierung in Ver­

bindung mit dem Prinzip der territorialen und sachbezogenen Subsidiaritat zum Zu­

ge kommt.

Fur Entwicklungen in diese Richtung gibt es eine Reihe von Anzeichen. Zunachst

einmal ist festzuhalten, dar.. der Prozer.. der internationalen Regime-Bildung zwar

bisher durch nationale Vorbehalte in engen Grenzen gehalten wird, aber trotz Zu­

spitzung von Streitfragen insbesondere im okonomischen Bereich weitergeht. Dabei

vollzieht sich die Ausdifferenzierung von Normen (fur je spezifische Sachbereiche)

auch als Angleichung nationaler Regelungen (Standardisierung von Qualitatskriteri­

en fUr Produkte und Produktionsprozesse, soziale und okologische Standards). Die

Regime-Bildung geht mit Politikkoordination und direkter Kooperation (auch der

Strafverfolgungsbehorden) einher. Zwar ist die Geltung des Rechts immer noch

ganz uberwiegend territorial differenziert, d.h. dar.. in jedem Land das entsprechende

Landesrecht gilt. In einem so wichtigen Regelungsbereich wie dem des Welthandels

ist jedoch mit Grundung der WTO ein Streitschlichtungsmechanismus eingefuhrt

worden, der internationale Rechtsprechung mit nationaler Rechtsdurchsetzung kom­

biniert (Legalisierung von einzelstaatlichen Strafmar..nahmen gegen Lander, die sich

einer Verletzung von WTO-Regeln schuldig machen). Daruber hinaus entsteht eine

neues privates Recht der transnationalen Wirtschaftsbeziehungen (lex mercatoria),

das ohne staatliche Mitwirkung z.B. durch die Internationale Handelskammer in An­

lehnung an nationale Vorgaben oder auch an die Vorgaben der gror..en, auf Han­

delsfragen spezialisierten und global agierenden Anwaltsfirmen zustande kommt

und wiederum auf die nationale Gesetzgebung zuruckwirkt (Stein 1995; Voigt

1999/2000; Albert 1999/2000; Cutler/Haufler/Porter 1999).

Ais weiterfuhrende Entwicklungen ist in diesem Zusammenhang auf die Internatio­

nalisierung des Rechts auf regionaler Ebene, insbesondere Europa, zu verweisen,

24

Page 31: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

sowie auf den Aufbau eines internationalen Strafrechts. Wenn es gelingt, den be­

reits beschlossenen Internationalen Strafgerichtshof einzurichten, wird sich im nach­

hinein die Schaffung der Kriegsverbrechertribunale in NOrnberg und Tokio am Ende

des zweiten Weltkrieges als Anfang einer Entwicklung erweisen, an deren Ende

trotz aller Bedenken gegen die Moglichkeit eines globalen Strafrechts (1999a) eine

standige, wenn auch nur auf bestimrnte Tatbestande zugeschnittene globale Straf­

gerichtsbarkeit stehen wOrde. Zwischen dieser Entwicklung und der nationalen

Rechtssprechung besteht die Moglichkeit, vor nationalen Gerichten AnsprOche gel­

tend zu machen, die von dem entsprechenden Land gegenOber dem beklagten Land

vertreten werden. Dies ist der Weg, auf dem ehemalige Zwangsarbeiter im national­

sozialistischen Deutschland heute ihre AnsprOche auf Entschadigung gegenOber der

Bundesregpublik (bei US-amerikanischen Gerichten) geltend machen. Zu erwahnen

ist in diesem Zusammenhang auch der Versuch der Herreros, vor dem Internationa­

len Gerichtshof in Den Haag eine Entschadigung fOr die Niederschlagung des Her­

rero-Aufstandes in Deutsch SOdwest-Afrika (heute Namibia) einzuklagen. Dieses

Anliegen wurde zurOckgewiesen, weil vor dem IGH nur Staaten ein Klagerecht ha­

ben. Zu der hier angesprochenen Entwicklung gehOrt aber in der Tendenz auch die

Ausweitung des Klagerechts auf Einzelpersonen (als Pendant zur strafrechtlichen

Verfolgung von Einzelpersonen auf internationaler Ebene) wie es etwa in einem Fa­

kultativprotokoll zum Pakt iiber wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (von

1966) vorgesehen ist.

Das erwahnte lex mercatoria (Stein 1995)verweist auf den Sachverhalt, dar!. es ei­

nen wachsenden Bereich von inner- und zwischenstaatlichen Angelegenheiten gibt,

der mit Hilfe einer zwischen Privatparteien vereinbarten Schiedsgerichtsbarkeit ge­

regelt wird. Diese Selbstregulierung funktioniert ohne staatliche Gewaltandrohung,

weil die Parteien davon ausgehen, dar!. die Nichtbeachtung eines Schiedsspruches

fOr sie von Nachteil ist (Beeintrachtigung von Geschaftschancen durch Vertrauens­

verlust). Es handelt sich insofern um soft law, dessen Wirkung aber keineswegs

hinter der Wirkung eines durch das Gewaltmonopol gesicherten Rechts zurOckblei­

ben mur!. (Voigt 1999/2000). 1m Gegenteil, Selbstregulierung auf der Grundlage von

Subsidiaritat kann zu einer Effizienzsteigerung der Regelung fOhren, weil sie koope­

rativ erfolgt, also nicht gegen Widerstand durchgesetzt werden mur!..

Zu berOcksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dar!. auch die Wirkung des inner­

staatlichen Rechts zum Oberwiegenden Teil nicht vom staatlichen Gewaltmonopol

abhangt, sondern von der Internalisierung des Rechts durch die Bevolkerung eines

Landes. Zwar unterscheiden sich in dieser Hinsicht autoritare von demokratischen

25

Page 32: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Systemen. Aber auch eine autoritare Herrschaft kann auf die Internalisierung von

Rechtsvorschriften durch die Bevolkerung nicht verzichten. Soweit sie durch Re­

pression selbst einer solchen Internalisierung entgegenwirkt, untergrabt sie die ei­

gene Existenzgrundlage. Autoritare Regime sind von daher stets instabil. Die Inter­

nalisierung von Regeln erfolgt in Wechselwirkung mit der Ausbildung einer jeweils

spezifischen Rechtskultur. Dieser Sachverhalt erklart die Fragilitat, durch die sich

die Internalisierung von Volkerrechtsnormen durch die Einzelstaaten auszeichnet.

Allerdings erscheint es nicht plausibel, die Herausbildung einer globalen Rechts­

kultur als Voraussetzung fOr eine Internalisierung des Volkerrechts zu werten. Viel­

mehr ist hier wie auf nationaler Ebene von einer Wechselwirkung zwischen der pol i­

tisch vorangetriebenen Ausdifferenzierung von Normen und der Herausbildung einer

staatenObergreifenden Rechtskultur auszugehen, die den Selbstbindungseffekt der

Volkerrechtssubjekte starken wOrde.

Damit stellt sich die Frage, welche Faktoren die Ausdifferenzierung von Rechtsnor­

men vorantreiben. Cutler/Haufier und Porter (1999a, 336ff) sind dieser Frage jOngst

mit Blick auf die Herausbildung von "private international authority" nachgegangen.

Sie nennen drei GrOnde dafOr, weshalb sich in den Beziehungen zwischen privaten

Parteien so etwas wie eine parteienObergreifende Autoritat bzw. Ordnung herausbil­

den kann: (1) Effizienzerwagungen, die sich daraus ergeben, dar.. durch Regelbil­

dung Transaktionskosten eingespart werden konnen, (2) machtbezogene Erwagun­

gen, die darauf gerichtet sind, dar.. soziale Institutionen (Regeln) dazu beitragen

konne, die Handlungskapazitaten der sie befOrwortenden Parteien zu starken, (3)

die Vorstellung, dar.. die Regelbildung historischen Notwendigkeiten entspricht Diese

drei FaktorenbOndel werden von den Autoren nicht als sich wechselseitig ausschlie­

r..end, sondern als komplementar betrachtet.

Diese 8eobachtungen lassen sich auf das Zustandekommen von Ordnung generell

Obertragen. Sie zeigen, dar.. es dabei sowohl um Optimierungs- als auch um Vertei­

lungsfragen geht, und WidersprOche zwischen beiden Ober Ideen und Weltbilder

vermittelt wird. Bezogen auf das Gewaltmonopol ware zu folgern, dar.. es bei der An­

passung dieser zentralen Institution der Moderne an eine pra- und zugleich post­

nationale Konstellation nicht nur um die Herstellung oder Festigung von offentlicher

Ordnung an sich geht, sondern immer auch um ganz bestimmte Ordnungen, in de­

nen sich Macht- und Entwicklungsdisparitaten eben so wie je spezifische Wertvor­

stellungen und Kulturtraditionen spiegeln.

Wahrend der moderne Anstaltsstaat in der Lage ist, seine Handlungsfahigkeit nach

innen (gegenOber der eigenen Gesellschaft) und aur..en (gegenOber dem internatio-

26

Page 33: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

nalen Umfeld) durch internationale Politikkoordination und Regimebildung zu star­

ken, fungiert der Quasi-Staat als deren Objekt. 1m modernen Staat vollzieht sich die

Herausbildung weltgesellschaftlicher Strukturierungen Oberwiegend als Differenzie­

rung von Problemfeldern und Handlungsebenen, im Quasi-Staat hingegen geht es

Oberwiegend um soziale Desintegration und politischen Zerfall. Bei nicht­

konsolidierten Staatsgebilden kann internationale Kooperation die Chance bieten,

Demokratisierungsprozesse zu stOtzen. Mary Kaldor sieht in der Identifikation von

,Inseln der Zivilisation' und ihrer gezielten Unterstutzung durch Kooperation eine

Option sozialer Rekonstruktion in zerfallenden Gesellschaften (1999:138ff). Die

Realitat sieht aber haufig anders aus. Staatliche Einrichtungen wie Geheimdienste

oder Teile von Polizei und Militar in nicht-konsolidierten Landern entwickeln sich

allzu oft mit Hilfe von Partnerorganisationen aus den (demokratischen) Industrielan­

dern im Krieg gegen den Drogenanbau und -handel wie frO her im Krieg gegen den

internationalen Kommunismus oder Imperialismus zu strategischen Akteuren mit

eigenen OrdnungsansprOchen und einem nicht-kontrollierten, auf WilikOr und Ge­

walt gestOtzten Handlungsrepertoire. 17

Daraus folgt, dall. jeder Versuch, die Probleme der Rechtsdurchsetzung in einem

Lande durch die Schaffung internationaler Instanzen zu beheben, immer auch auf

seine macht-, interessen- und ideenpolitischen Implikationen hin OberprOft werden

mull., gleichgOltig ob die Probleme aus einer pra- oder einer post-nationalen Kon­

stellation hervorgehen. Das gilt fUr die intra- ebenso wie fOr die internationale Ebe­

ne; denn die Internationalisierung des Rechts wirkt sich auf das Verhaltnis der Lan­

der zueinander und zugleich auf das Verhaltnis von Politik und Okonomie innerhalb

der einzelnen Lander ebenso wie auf das Verhaltnis des Globalen zum Lokalen aus.

Diese Dreifachbewegung verweist auf die prinzipielle Offenheit einer Transformation

des Gewaltmonopols, aber zugleich auch auf neue Risiken und Bedrohungsvorstel­

lungen, die bei dem Versuch entstehen konnen, mit den gegenwartigen fertig zu

werden.

Was speziell die Sicherheitsorgane betrifft, so operieren sie in demokratisch schwer

kontrollierbaren Raumen und Formen. Um so wichtiger ist es, dass bei der (Re-) Or­

ganisation dieser Institutionen sowohl national wie international auf ,Accountability'

geachtet wird. O'Donnell's (1998) Konzept horizontaler ,Accountability' bietet hierfOr

einen Ausgangspunkt; er geht bei der Definition von Kriterien fOr gesellschaftliche

Einbettung und Kontrollmoglichkeiten staatlicher Institutionen davon aus, dall. es fUr

17 Die Schwierigkeiten, die sich aus einem unvollstandigen Gewaltmonopol fOr die Wahmehmung of­fentlicher Ordnungsaufgaben ergeben, behandelt im vorliegenden Band der brasilianische Politologe und Kriminologe Guaracy Mingardi.

27

Page 34: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

samtliche Institutionen und Reprasentationen gesellschaftlicher Interessen, legale,

mit dem notigen Fachwissen ausgestattete und motivierte Kontrollinstanzen geben

muB. Hier wOrde auch die Selbstregulierung machtvoller gesellschaftlicher Akteure

ihre Grenzen finden.

Das Gewaltmonopol des Staates muB hinsichtlich seiner inneren wie auBeren Di­

mension neu verankert werden. Bei der Herstellung eines neuen gesellschaftlichen

Konsens' konnen gesellschaftliche Gruppen Beteiligung einfordern, die bislang mit

diesem Thema nicht befaBt waren. Dadurch konnte die Legitimitat einer Neuordnung

erhoht werden. Erleichtert wird diese Moglichkeit durch die Tatsache, daB die Betei­

ligung von BOrgerintitiativen und NRO's am politischen ProzeB he ute in vielen Lan­

dern verbreitet ist. In der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der Neube­

grOndung einer auf den Alltag bezogenen Sicherheitspolitik stellen sich eine Reihe

von Fragen: Welche Art der Gewahrleistung von Sicherheit brauchen wir, damit

groBtmoglicher Raum fOr Integration, Informalitat und soziale und kulturelle Innovati­

on erhalten bzw. geschaffen werden kann? In welcher institutionellen Form ist Si­

cherheitspolitik umsetzbar, die so etwas gewahrleisten konnte? Welche Allianzen

und Mechanismen sind lokal, national und international vorstellbar, um einer innova­

tiven Sicherheitspolitik naherzukommen? Diese und ahnliche Fragen konnten die

Diskussion um das Thema anstoBen und einen ProzeB der zivilgesellschaftlichen

Qualifizierung in diesem Bereich initiieren; erste Tendenzen in diese Richtung las­

sen sich als Foige des Kosovo-Krieges bereits konstatieren 18. Eine weltweite Homo­

genisierung der Kriminalitatsbekampfung, die zur Zeit besonders durch internatio­

nale Kooperationen im Sicherheitsbereich forciert wird, geht an den jeweils sehr

spezifischen Ursachen fOr die Zunahme krimineller Aktivitaten in den einzelnen Lan­

dern vorbei und kann schnell kontraproduktiv wirken. Lernoffene Strategien der in­

ternationalen wie inner-staatlichen Krisenpravention und Konfliktbearbeitung, die

neue Allianzen und Partnerschaften einzugehen bereit sind, sind die Voraussetzung

fOr die Oberwindung kurzfristiger, auf Oberkommenen Weltbildern fuBender Reaktio­

nen auf die vielfaltigen Formen "neuer Kriege".

18 A1s direkte Reaktion auf den Kosovo-Krieg hat die Stiftung Frieden und Entwicklung bereits im Milrz die Bildung einer ,Plattforrn zivile Konfliktbearbeitung' gebildel. Die NGO ,German Watch' starlet in ih­rem Mitgliederbrief 2199 eine Umfrage, ob ihre Mitglieder sich starker mit AuBen- und Sicherheitspolitik befassen m6chten.

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Page 35: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

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Page 39: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Das Gewaltmonopol in Brasilien 1

Guaracy Mingardi2

Abstract: State Monopoly of Violence in Brazil?

Proceeding from the idea that there is a state with a whole set of characteristics

which reminds of a Western nation-state, just without the possession of the monopoly

of violence, the author asks for the implications for internal conflict regulation? How

can organized crime be fought against, if the state has to share its monopoly of vio­

lence with we" organized, militant criminal groups?

Inhalt

EinfOhrung

I Die "Justiceiros"

" Die Drogenhandler von Rio de Janeiro

"I SchluBbemerkung

Literaturverzeichnis

1 Die Lateinamerikanistin Rita Hoppe aus Berlin Obersetzte den Text aus dem brasilianischen Portu­giesisch. 2 Politologe und Kriminologe, lehrt an der Universitat in Sao Paulo (USP) und ist tatig bei der Staats­anwaltschaft (Abteilung zur Untersuchung Organisierter Kriminalital). Mitglied des UNESCO/MOST­Drogenforschungsnetzwerkes. [email protected].

33

Page 40: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Einfiihrung

Der Ex-Innenminister der brasilianischen Metropole Sao Paulo, Manoel Pedro Pi­

mentel, antwortete 1996 auf die Frage "Kann das liel einer erfolgreichen Repressi­

onspolitik das Ende des Verbrechens sein, oder sollte es in seiner Kontrolle beste­

hen?", folgendermar..en: "(. . .) Es ist weder moglich noch wOnschenswert, das Ver­

brechen vollkommen auszurotlen, allein deswegen, wei! es eine der verschiedenen

Ausdrucksforrnen menschlicher Freiheit ist, einige Regeln der Gesellschaft zu bre­

chen."

Am Ende dieses Jahrhunderts erhebt der vermeintlich freiheitliche Diskurs zur Ab­

schaffung des Strafrechts erneut sein Haupt aus der Asche. Die Verteidiger dieser

These folgen der Grundidee, dar.. das staatliche physische Gewaltmonopol repressiv

und zu ineffizient ist, urn die Gewalt in der Gesellschaft kontrollieren zu konnen. Sie

argumentieren, das staatliche Gewaltmonopol bewirke das Gegenteil und erhOhe die

Last der Gewalt.

In diesem Artikel wollen wir den umgekehrten Weg einschlagen und aufzeigen, dar..

in den beiden gror..ten brasilianischen Stadten die Gewalt mit der zunehmenden Ab­

wesenheit des Staates zunimmt.

In Brasilien betatigt sich die Organisierte Kriminalitat (O.K.) in vier wesentlichen Fel­

dern: Raub von Frachtgut, Autodiebstahl, Drogenhandel und illegale Lotterie3, wobei

letztere die traditionellste und "eingebettetste" ist.

Urn nicht bei allgemeinen Behauptungen zu bleiben, zeigen wir anhand zweier sehr

bekannter, aber wenig untersuchter Beispiele - die "Justiceiros" oder Gerichtsherren

der Peripherie von Sao Paulo und die Drogenhandler der Elendsviertel von Rio de

Janeiro - was passiert, wenn der Staat sich zurOckhalt.

Die "Justiceiros"

Die sogenannten "Justiceiros" sind professionelle Killer, die in den Armenvierteln der

stadtischen Peripherie von Sao Paulo agieren. Sie knOpfen an die Tradition der To­

desschwadron an, die in den SOer und 60er Jahren von livilpolizisten4 gebildet wur-

3 Das "Jogo do Bicho" (Tierlotto) unterho'llt die stabilsten klientilistischen Beziehungen zu Politik, Wirt­schaft und Kultur. Gleichzeitig bietet es die Grundstruktur, aus der die meisten anderen kriminellen Aktivito'lten hervorgehen. 4 Die Zivilpolizei ist die jeweilige Landespolizei.

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Page 41: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

de, um als gefahrlich geltende Kriminelle zu toten. Zu dem reinen Wunsch, "Gerech­

tigkeit" zu Oben, gesellten sich laut Bicudo (1976) bald andere Interessen. Die Mit­

glieder der Schwadron begannen als bezahlte Vollstrecker zu agieren und toteten vor

allem Drogenhandler im Auftrag anderer Krimineller.

Mit der Aufnahme von Prozessen und der Verurteilung einiger AnfOhrer der Schwa­

dron verringerten sich ihre Aktivitaten. In den 70er und 80er Jahren Obernahmen es

Angehorige einiger Einheiten der Militarpolizei (PM)5, mit den Exekutionen fortzufah­

reno Selbst mit der ROckkehr des Rechtsstaates (1985) lier! der "Wachsamkeitswahn"

("vigilantismo") der Militarpolizei von Sao Paulo nicht nacho Taktische Einheiten wie

die ROTA (Streitbare Wachstreifen Tobias de Aguiar) fuhren fort, auf eigene Faust

und in wachsender Zahl Verdachtige zu toten. Sie sind fOr einen Gror!teil der mehr

als 1400 "offiziellen" Morde verantwortlich, die im Jahre 1992 von Militarpolizisten

verObt wurden.

1997 tritt in Sao Paulo ein anderer "Wachter" - Typ in Erscheinung. Er agiert in eini­

gen Regionen der Peripherie von Sao Paulo und steht nicht in standiger Verbindung

mit dem Staatsapparat. Wegen fehlender Kriterien auf Seiten der Presse wurden im

Laufe der Jahre die Mitglieder dieser Vernichtungskommandos als "Justiceiros" be­

kannt. Und zwar allein deshalb, weil sie scheinbar die Rolle der Agenten der Volksju­

stiz ausObten.

Die erste Frage, die hinsichtlich der "Justiceiros" gestellt werden sollte, gilt einer ge­

naueren Definition, wer sie eigentlich sind. Der deutlichste Unterschied zwischen ih­

nen und den Gruppen, die ihnen vorausgingen, ist die fehlende Verbindung zum

Staat. Obwohl vermutet wird, dar! einige Polizeisektoren bei den Machenschaften der

"Justiceiros" ein Auge zudrOcken, gehort die gror!e Mehrheit nicht zum Personal der

offentlichen Sicherheit. Die berOhmte Ausnahme innerhalb unseres Musters stellt der

Cabo (Wachtmeister) Bruno dar, ein Ex-Mitglied der Militarpolizei, der bis heute mit

den Aktivitaten dieser Gruppen in Verbindung gebracht wird.

In der brasilianischen Kriminalgeschichte ist das Phanomen der "Justiceiros" relativ

neu. Der erste nachprOfbare Fall datiert am Ende der 70er Jahre. Geraldo de Oliveira

Pereira, genannt Geraldao, begann 1977 seine Karriere als Morder (Fernandes,

1990). Ihm werden von der Justiz sechs Morde zur Last gelegt, obwohl angenommen

wird, dar! er wenigstens die doppelte Zahl verObte. Nach und nach tauchten ver­

schiedene Nachahmer auf, Personen, die bereit waren, Kriminelle oder vermeintliche

Kriminelle gegen Bezahlung durch an den Morden Interessierte zu toten. Eine wichti-

5 Die Mililarpolizei unlerslehl ebenfalls dem Land.

35

Page 42: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

ge Quelle der Entlohnung entspringt einer freiwilligen oder erzwungenen "Schutz"­

gebOhr, die von Geschaftsleuten und gewohnlichen BOrgern bezahlt wird.

Die Nachfolger des Geraldao wurden von der Presse auf zwei verschiedene Weisen

behandelt. Die einen stellen sie als BeschOtzer der armen Bevolkerung dar, und zwar

in einer weniger elaborierten Form dessen, was Hobsbawn als Sozialbanditentum

bezeichnete. In der anderen Version, die in der Polizei und der grol1en Presse vor­

herrscht, werden sie schlicht und ergreifend fOr professionelle Killer gehalten

(Fernandes 1990).

In der klassischen Version des englischen Historikers ist der Sozialbandit notwendi­

gerweise landlicher Natur. Selbst wenn zuzugeben ist, daB solch eine Definition zu

eingeschrankt ist, weil das Sozialbanditentum auch in einer Metropole gedeihen

kann, gibt es verschiedene andere Merkmale dieser Aktivitat, die wir bei den "Ju­

sticeiros" nicht finden. Entsprechend der Hobsbawnschen Typologie existieren drei

Wesensarten des Sozialbanditen:

Der Edelgauner. Er nimmt von den Reichen und gibt den Armen; er totet nur in Not­

wehr.

Der Heiduck. Ein professioneller StraBenrauber, der Freiheits- oder Widerstandsbe­

wegungen organisiert.

Der Racher. Er wird zum Banditen, um Genugtuung zu fordern. Er ist extrem ge­

walttatig, plOndert gelegentlich und bekampft die lokalen Vertreter der offentlichen

Gewalt.

Hinsichtlich der ersten beiden Typen ist es offenkundig, daB sie mit den "Justiceiros"

nichts gemein haben. Die Haupttatigkeit der Edelgauner und Heiducken besteht in

Eigentumsdelikten, in Raub allgemein, was nicht zum Alltag der Morder von der Pe­

ripherie gehort. Ein anderer Punkt, in dem sich die "Justiceiros" von ihnen -

einschlieBlich vom Racher - unterscheiden, ist der fehlende Kampf gegen den Staat

oder die herrschenden Klassen. Die Gewalt der Vernichtungsgruppen richtet sich nur

gegen wirkliche und vermutete Kriminelle. Selbst wenn es zur Verfolgung einer die­

ser Gruppen durch die Justiz kommt, vermeiden ihre Mitglieder jeglichen Akt gegen

die offentliche Gewalt, besonders gegen die Polizei.

Wenigstens ein Faktor kann als notwendige Bedingung fOr das Auftauchen der "Ju­

sticeiros" verstanden werden: die Mangel der urbanen Polizeiaufsicht in den betrof­

fenen Regionen. Wie Coelho (1987) zeigt, gibt es eine klare Korelation zwischen

fehlender polizeilicher Oberwachung und der Kriminalitat, so daB" ( ... ) wenn die

36

Page 43: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Wahrscheinlichkeit der Strafe erhOht wird, der Nettowert der kriminellen Alternative

geschmalert und damit die Option der nicht-kriminellen Alternative attraktiver wird."e

Die Unfahigkeit des Staates, der Bevolkerung den geeigneten Schutz zu geben,

kann objektiv an der Rolle der Zivilpolizei gemessen werden. Der Prozentsatz an

Untersuchungen, die von der Polizei in Sao Paulo eingeleitet wurden, liegt bei weni­

ger als 10% aller gemeldeten Verbrechen. Mit anderen Worten, nur eins von zehn

Verbrechen wurde Gegenstand von Nachforschungen durch die Polizei. BezOglich

der praventiven Polizeiaufsicht, die von der PM durchgefOhrt wird, befinden sich die

am wenigsten Oberwachten Regionen in der Peripherie der Stadt. Bei der Verteilung

von Fahrzeugen auf die Stadt beispielsweise erhalt eindeutig der Streifendienst in

den privilegierten Stadtvierteln den Vorzug. Bestimmte Regionen der Peripherie in

der SOdzone werden selten von einem Streifenwagen aufgesucht. So gesehen be­

steht kein Zweifel, daB die Bevolkerung sich unsicher fOhlen muB. Das erklart die

Unterstotzung der "Justiceiros" durch die Bewohner der Peripherie, die glauben, daB

weniger Verbrechen verObt werden, wenn sie sie frei schalten und walten lassen.

II Die Drogenhandler von Rio de Janeiro

Eine Besonderheit des Drogenhandels in Rio de Janeiro resultiert aus der Hegemo­

nie, die von den Gefangenenorganisationen, vor allem von dem Comando Vermelho

und dem Terceiro Comando erobert wurde. In praktisch allen Zuchthausern gibt es

Banden, die EinfluB auf die "Masse" der Gefangenen haben. Normalerweise kontrol­

lieren diese Banden im geheimen Einverstandnis mit den Gefangniswartern den Ver­

kauf von Privilegien (Sex, Drogen, Art der Unterbringung, etc.) In ihrer Mehrheit stot­

zen sich diese jedoch auf die Macht der jeweiligen AnfOhrer, agieren nur im lokalen

Bereich und kontrollieren hochstens ein ganzes Zuchthaus. Das Comando Vermelho

konnte diesem Nischendasein entkommen. Es wurde von Bankraubern gegrOndet,

die Ende der 60er Anfang der 70er Jahre die zweite Galerie der Strafvollzugsanstalt

Candido Monford mit jungen Revolutionaren teilten. Der Grund fOr diese Mischung

war das Gesetz der Nationalen Sicherheit, das jeden Bankraub, unabhangig von den

Motiven, als einen Anschlag auf die Nationale Sicherheit wertete. Verschiedene Au­

toren (Lima, 1991; Coelho, 1992 und Amorin, 1993) zeigen auf, dar:? die gewohnli­

chen Gefangenen als Ergebnis dieses Zusammenlebens die Vorteile der Selbstorga­

nisation erlernten und damit begannen, einen eigenen Diskurs zu fOhren, in dem sie

sich als "Opfer einer bankrotten kapitalistischen Gesellschaft" entwarfen (Coelho).

6 Dies mag leicht ersichUich erscheinen, aber die Sozialwissenschaften in Brasilien versuchten noch bis vor kurzem, die Kriminalitat einfach durch den sozialen Hintergrund des Kriminellen zu erklaren, eine These, die die Kriminologie schon seit langer Zeit verworfen hat.

37

Page 44: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Dieses Organisationsmodell Oberwand die Schranken des Gefangnissystems und

bemachtigte sich nach und nach des Drogenhandels in der Stadt Rio de Janeiro. Es

bestehen Zweifel Ober den Grad der Kontrolle, die die Organisation Ober die verbOn­

deten Gruppen hat. Scheinbar ist der Bericht, der das Comando Vermelho als eine

monolithische Organisation darstellt, ebenso Obertrieben wie es einige Reportagen

sind, die die Gruppe als einen Staat im Staate bezeichnen. Trotzdem existieren em­

pirische Belege fOr Querverbindungen zwischen den Banden, die sich zu dieser

Gruppe zahlen.

Wie im Fall der "Justiceiros" von Sao Paulo ist der Staat an den Orten, wo sich das

Comando Vermelho etabliert hat, quasi nicht vorhanden. Also verfolgten das Co­

mando Vermelho und andere gleichgeartete Gruppen die Strategie, sich als oberste

Richter zu gebarden und die Gegend zu "befrieden", was Aufgabe des Staates ware.

Diese Gruppen zielen darauf ab, die Kontrolle Ober ihr EinfluBgebiet zu erhalten, in­

dem sie verhindern, dar.. sich dort andere Kriminelle einnisten und Kontrolle Ober

Teile des Gemeinwesens ausOben. Nach Souza fOhrte diese Situation zur Schaffung

einer Reihe von Enklaven in Rio de Janeiro, die von verschiedenen Gemeinden ge­

bildet werden, untereinander jedoch praktisch nicht mehr miteinander kommunizie­

reno

Wegen dieser Regionen, in denen das organisierte Verbrechen sichtbarer als der

Staatsapparat ist - die sogenannten befreiten Zonen - wurde eine irrige Theorie ent­

wickelt, die der organisierten Kriminalitat den Status eines Parallelstaates zuweist.

Parallel en sind laut eines jeden Lexikons Linien, die sich niemals treffen. Das be­

deutet, daB Staat und organisiertes Verbrechen nebeneinander her laufen wOrden,

ohne dar.. sich ihre Wege jemals kreuzten. Um dies zu widerlegen, genOgt es, die

gror..e Zahl von offentlichen Angestellten jeglichen 'Typus' zu betrachten, die ange­

klagt sind, Beziehungen mit kriminellen Organisationen zu unterhalten. Zu keiner Zeit

konnten diese Organisationen auf die UnterstOtzung einzelner Sektoren des Staates

verzichten.

III SchluBbemerkung

Meine zentrale These ist es, daB Organisierte Kriminalitat (OK) nur existieren kann,

wenn Teile des Staates kooperieren. Hierbei gibt es zwei Formen der Beziehungen:

• finanzielle "Abkommen" mit Mitgliedern der staatlichen Sicherheitsorgane, mit

Verwaltungspersonal und Politikern;

38

Page 45: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

• klientilistische Netzwerke, die von Teilen der O.K. kontrolliert werden und so mit

der Einflur1 auf weitreichendere politische Entscheidungen sichergestellt werden

kann.

Weitere wichtige Faktoren, die das Wachstum von O.K. begOnstigen bzw. seine Be­

kampfung torpedieren, sind die den aktuellen Anforderungen nicht entsprechenden

Gesetze, unqualifizierte Polizisten ohne materielle Ausstattung, ein Bankensystem

ohne Kontrolle und eine Bundespolizei, die lediglich grenzOberschreitende und nicht

die innere O.K. bekampft.

In diesem konkreten Fall verweisen die Beziehungen, die "Justiceiros" und Mitglieder

des Comando Vermelho mit dem Staat unterhalten, auf die antike Figur des Individu­

ums, das gleichzeitig BeschOtzer und BeschOtzter, "Herr" (Patron) und Klient ist.

"Herr" der armen Bevolkerung, die sich an ihn wendet, um Schutz und Hilfe jeder Art

zu bekommen, und die ihm im Gegenzug die notwendige UnterstOtzung gewahrlei­

stet. Klient, weil er sein Gebiet nur unter Kontrolle halten und folglich seine Ge­

schafte nur ausOben kann, wenn er mit dem Schutz der Politiker und/oder hoher

Staatsbeamter rechnen dart, die er im Tausch mit Geld und/oder Stimmen versorgt.

Hierbei vernachlassigen die Autoren jedoch, inwieweit die oben beschriebenen Be­

ziehungsgeflechte vom traditionellen Modell des Klientelismus abweichen: Ais Be­

schOtzer der armen Bevolkerung benutzen die modernen "Herren" in der Regel ihre

eigenen und nicht etwa staatliche Mittel, um die UnterstOtzung der Bewohner zu er­

langen. Vom Staat wollen sie nur eins, einen Freibrief. Beim traditionellen Modell des

Klientelismus ist der Patron in den meisten Fallen nur der Vermittler zwischen seinen

Klienten und dem Staat. Heute ist das immer noch der Fall bei den Politikern, die

versuchen, auf diese Art und Weise Ansehen und Macht zu gewinnen. In den Ge­

bieten, die unter dem Einflur1 der "Justiceiros" und Drogenhandler stehen, sind of­

fentliche Gelder nicht existent.

Und das rechtmar1ige physische Gewaltmonopol? In der Praxis existiert es nicht.

"Justiceiros" und Drogenhandler teilen sich, jeder in seinem betreffenden Gebiet, mit

dem Staat die Vertolgung bestimmter Krimineller, vor allem kleiner Gauner, Verge­

waltiger, etc. In Wirklichkeit sind sie bis zu einem bestimmten Punkt effizienter als

der staatliche Repressionsapparat, denn sie gehoren zur Gemeinde, sprechen die

Sprache der Bevolkerung, sind mit ihr verbunden. Sie haben also einen besseren

Zugang zu Informationen. DarOber hinaus demonstrieren Drogenhandler wie "Ju­

sticeiros" ihre Macht, indem sie zu einer einzigen Strafe verurteilen, zum Tod. Was

die Legitimitat dieser Gestalten betrifft, genOgt es, am Fernsehen die Beerdigung

eines wichtigen Drogenhandlers zu vertolgen. Immer erscheint ein beachtlicher Teil

39

Page 46: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

der Bewohner des von ihm "beschutzten" Gebietes, urn ihm die letzte Ehre zu erwei­

sen.

Der eigentliche Bruch des staatlichen Gewaltmonopols durch diese beiden Gruppen

fand bereits Ende der 70er Anfang der 80er Jahre statt. Entgegen gangiger Vorur­

teile nahmen die Gewaltverbrechen seitdem jedoch exponentiell zu. Ais Beispiel fuh­

ren wir die beiden Verbrechen an - das eine gegen die Person, das andere gegen

das Eigentum - deren Statistiken am zuverlassigsten sind, oder anders gesagt, die

den geringsten Index an fehlerhaften Angaben aufweisen:

Totungsdelikte, Raub und Autodiebstahl

Gror..region Sao Paulo 1983 und 1998

1983

Totungsdelikte 2.837

Raub und Autodiebstahl 33.125

1998

8.434

130.166 ..

QueUe: KoordlnationssteUe fur Analyse und Planung - CAP

Sekretariat fUr Offentliche Sicherheit - Sao Paulo (1999)

Differenz %

5.597 297

97.041 353

Wahrend dieser Periode wuchs die Bevolkerung der Gror..region Sao Paulo in einem

viel geringeren Mar..e als die Zahl der beiden Verbrechen. Es ist offenkundig, dar.. es

ein schwerer Fehler ware, den Anstieg der Kriminalitat nur einem Faktor zuzuschrei­

ben. Allerdings ist es symptomatisch, dar.. solch eine Zunahme der Verbrechen ge­

gen das Eigentum und gegen Personen dem Bruch des legitimen Gewaltmonopols

auf dem Fur..e folgt. Die kontinuierliche Begleitung von Prozessen in diesen Zonen, in

denen der Staat praktisch nicht existent oder zumindest nicht prasent ist, erlaubt eine

praxisnahe Sicht des Gewaltproblems und moglicher Bekampfungsstrategien. Die in

Brasilien vieldiskutierte Alternative, auf staatliche Eingriffe in zwischenmenschliche

Konflikte ganz zu verzichten, erscheint aus dieser Perspektive auf jeden Fall nicht

mehr attraktiv.

Literaturverzeichnis

Amorim, Carlos (1993): Comando Vermelho. A historia secreta do Crime Organizado, Record. Rio de Janeiro

Bicudo, Helio (1976): Meu Depoimento Sobre 0 Esquadrao da Morte, Pontificia Comissao de Justiya e Paz, Sao Paulo

7 Auch wenn wir eine Erscheinung behandeln, die Ende der 70er Jahre begann, ist es uns nicht mOg­lich gewesen, polizeiliche Statistiken dieser Periode zu benutzen. Wir wijhlten das Jahr 1983 aus, weil die vorhergehenden Statistiken bekannterweise von Mitgliedem des Militilrregimes manipuliert worden sind.

40

Page 47: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Coelho, Magda Prates (1992): Crime Organizado e Pobreza: Uma Nova Associar;ao, in: Polfcia Militar, Estado e Sociedade. Fundayao J. Pinheiro. Belo Horizonte, 1992.

Coelho, Edmundo Campos (1987): A Criminalidade Urbana Violenta, IUPERJ, Serie Estudos n. 60, 12/87, Rio de Janeiro

Da Matta, Roberto (1982): As Rafzes da Violencia no Brasil, in: Paoli, Maria Celia: Violencia Brasileira. Sao Paulo, Brasiliense

Fernandes, Valter (1990): Justiceiros, Bandidos Sociais ou Criminosos Comuns, Mi­meo. Sao Paulo

Ferreira, Luis Carlos (1971): 0 Esquadrao da Morte: de Saponga a Pare, Sao Paulo Hobsbawn, Eric J. (1976): Bandidos, Forense, Rio de Janeiro

Maierovitch, Walter Fanganiello(s/d): Crime Organizado, Mafia e Etica Judicial, Escola Paulista de Magistratura. Sao Paulo

Mesa Redonda Sobre 0 Crime Organizado, in:_Revista Brasileira de Ciencias Criminais, Ano 2, no.8 - outldez- 1994

Mingardi, Guaracy (1998): 0 Estado e 0 Crime Organizado, Sao Paulo

Mingardi, Guaracy (1992): Tiras, Gansos e Trutas, Scritta, Sao Paulo

Pinheiro, Paulo Sergio & Sader (1985): 0 Controle da Polfcia no Processo de Transir;ao Democratica no Brasil, Temas IMESC, 2(2):77-95, Sao Paulo

Ribeiro, Octavio (1977): Barra Pesada, Codecri, Rio de Janeiro

Schwartzman, Simon (1982): Bases do Autoritarismo Brasileiro, Rio de Janeiro

Soares, Luis Eduardo, ed., (1996): Violencia e Polffica no Rio de Janeiro, ISERlRelume Dumara. Rio de Janeiro

Souza, Marcelo J. Lopes (Mimeo sId.): 0 Narcotrafico no Rio de Janeiro. Sua Territorialidade e a Dialetica entre "Ordem" e 'Desordem".

Weber, Max (1974): A Etica Protestante e 0 Espfrito do Capitalismo, Sao Paulo

41

Page 48: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Reflexionen zu neuen grenzuberschreitender Kooperationen von

Sicherheitsorganen: Die internationale Drogenbekampfung

Leo Schuster 1

Abstract: New Forms of International Police-Cooperation Fighting Drug­

Trafficking

Currently, the drug industry is probably the largest and most profitable sector of inter­

national crime. The liberalization of cross-border-activities creates new opportunities

for all kinds of illegal activities and actors, too. Law-enforcement agencies try to react

with the creation of a whole set of regional, transnational and international coopera­

tions. Acting at the execution-end of security-politics such co-operations can easily

be overcharged. What kind of forms to combat organized crime could be successful

in the future?

Inhalt

EinfOhrung

I Die internationale Rauschgiftsituation

II Strategien der Drogenbekampfung

III Operative Zusammenarbeit in der Drogenbekampfung

IV Nationale Zustandigkeiten und Kooperationsformen

V Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

1 Kriminologe, 1. Direktor des Bundeskriminalamtesl Wiesbaden, u.a. zustilndig fOr die Bekampfung intemationaler Organisierter Kriminalitat,Tel. 0611-5513405, Fax 5512380.

43

Page 49: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

EinfUhrung

DrogenmiBbrauch und Drogenkriminalitat stellen seit Jahrzehnten in Deutschland,

wie auch in zahlreichen anderen Landern der Welt, ein ernstes Problem dar.

Cannabisprodukte, Heroin und Kokain sowie synthetische Drogen Oberschwemmen

die USA, Westeuropa und - einhergehend mit steigendem wirtschaftlichen Wohl­

stand - in zunehmendem MaBe auch die mittel- und osteuropaischen Staaten. Der

international organisierte Drogenhandel hat Wachstumsraten zu verzeichnen, von

denen die legale Wirtschaft nur traumen kann.

Die im Zusammenhang mit dem Handel und Konsum von Drogen steigenden Krimi­

nalitatszahlen, insbesondere die Beschaffungs- und Gewaltkriminalitat, sowie die von

Organisierter Kriminalitat ausgehenden Gefahren stellen nicht nur die Strafverfol­

gungsbehorden vor schwierige Aufgaben. Die vielfaltigen Begleiterscheinungen und

Foigen von Drogenkonsum und Drogenabhangigkeit gehoren vielmehr zu den aktu­

ellen Herausforderungen fOr Staat und Gesellschaft.

Die Ursachen der sich weltweit verscharfenden Drogenproblematik sind sowohl in

der wirtschaftlichen und sozialen Situation der Anbau- und Erzeugerlander als auch

in der zunehmenden Nachfrage nach illegalen Drogen in den Industrielandern zu

suchen. Denn die Hauptanbaugebiete fOr die Cannabispflanze, den Kokastrauch und

den Schlafmohn als die Rohstofflieferanten fOr die Rauschgiftproduktion liegen bis

auf wenige Ausnahmen in Landern der "Dritten Welt". Haufig ist der auf jahrhunder­

tealten Traditionen beruhende Rauschgiftanbau nicht nur die einzige Erwerbsquelle

fOr die Bauern in den Anbauregionen, sondern auch eine wichtige Devisenquelle fOr

diese Lander.2 Aber auch wenn legale Einnahmequellen verfOgbar sind, wird der

Drogenanbau oftmals vorgezogen, weil das hierbei zu erzielende Einkommen das

von alternativen Anpflanzungen oder die Verdienstmoglichkeiten ungelernter Arbeiter

in den Stadten Obertrifft.

International organisierte kriminelle Gruppierungen fungieren als Vermittler zwischen

dem in den Anbauregionen zu geringen Kosten produzierten Drogenangebot und der

von kaufkraftigen Konsumenten vor allem in Europa und den USA bestimmten

Nachfrage. Die Vereinten Nationen schatzen, daB internationale Drogenkartelle jahr­

lich etwa 400 Mrd. Dollar umsetzen. Dies entspricht einem Anteil von 8 % am Welt­

handel. Der internationale Rauschgifthandel ist aufgrund seiner auBerordentlich ho-

2 Beispielsweise wurde in Bolivien, dem zweitgrc5l3ten Anbaugebiet der Koka-Pflanze, der Koka­Anbau erst nach 1980 stark ausgedehnt als die Weltmarktpreise fOr Zinn, einem der Hauptexportgiiter des Landes, jah flalen. Dadurch waren etwa 200.000 Bauem direkt auf die Kokain-Produktion als Er­werbsquelle angewiesen, weitere 100.000 Personen waren an der Herstellung und dem Transport der produzierten Orogen beteiligl.

44

Page 50: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

hen Gewinnspannen 3 eines der lukrativsten und wichtigsten Betatigungsfelder von

organisiert arbeitenden kriminellen Gruppierungen und verkorpert Organisierte Kri­

minalitat in klassischer Weise.

Die weltumspannenden Handelswege von den traditionellen Drogenanbauregionen

in die Verbraucherregionen der westlichen Hemisphare, die internationalen Ver­

flechtungen von kriminellen Organisationen und deren arbeitsteiliges Zusammenwir­

ken belegen, daB sich Globalisierung nicht nur im legalen Bereich der Wirtschaft

vollzieht. Angesichts der nachfolgend beschriebenen internationalen Rauschgiftsi­

tuation mochte ich einen Schritt weiter gehen und behaupten, daB sich im Bereich

von Drogenanbau, -produktion und -handel Globalisierung bereits vollzogen hat und

insofern von einer "Globalitat" der Rauschgiftkriminalitat gesprochen werden kann.

Die internationale Rauschgiftsituation

Produktion, Handel und Konsum von Heroin

Das Internationale Drogenkontrollprogramm der Vereinten Nationen (UNDCP)

schatzt, daB 1997 weltweit etwa 5.000 t Opium illegal hergestellt wurden. FOr den

dazu notwendigen Anbau von Schlafmohn wurden rund 270.000 ha Anbauflache ge­

nutzt.4 Hauptanbaugebiete von Schlafmohn, die mit den Herkunftsregionen des

halbsynthetischen Endproduktes Heroin gleichzusetzen sind, liegen im "Goldenen

Dreieck" (Myanmar, Laos, Thailand) und in der Region des sogenannten "Goldenen

Halbmondes" (Pakistan, Afghanistan, Iran), das die weltweit groBte Anbauflache dar­

stellt. Weitere Anbaugebiete befinden sich in Zentralasien, Mexiko, Kolumbien und

Peru.

In den letzten Jahren waren Afghanistan und Myanmar die Hauptherkunftslander

von Heroin. Auf diese beiden Staaten entfielen 1996 und 1997 etwa 90 % der ge­

samten ilJegalen Opiumherstellung. Mit zusammen 12.000 ha Mohnanbauflache sind

Kolumbien und Mexiko im weltweiten Vergleich relativ kleine Heroinproduzenten.5

Dort blieb hauptsachlich wegen der energischen MaBnahmen der Politik zur Unter­

bindung des Schlafmohnanbaus der Mohnanbau und die Heroinherstellung Ober Jah­

re stabil.

Haufigster Ausgangspunkt fOr den Schmuggel von Heroin aus der Region um den

"Goldenen Halbmond" nach Europa ist Afghanistan. Nach Schatzungen der IKPO-

3 FOr 200-500 kg Koka-Blalter, die zur Produktion von ca. 1,5 kg Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 50-60% notwendig sind, erhalt der Kokaplanzen-Bauer ZWischen 400 und 1000 OM. Oiese 1,5 Kg Kokain haben in Europa einen Handelswert von 400.000 bis 600.000 OM. 4 Genaue Angaben Ober die tatsachlichen Anbauflachen und Anbaumengen sind weder fOr einzelne Lander noch insgesamt mOglich. Aile verfOgbaren Zahlen beruhen auf Schalzungen. 5 Oas in Mexiko und Kolumbien hergestellte Heroin ist von sehr hoher Qualitat und meist fOr den nord­amerikanischen Markt bestimmt.

45

Page 51: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Interpol werden jahrlich zwischen 60 und 80% des in Europa sichergestellten Heroins

auf der Balkanroute 6 illegal eingefOhrt. Aus diesem Grund wird diese Route auch als

"Hauptschlagader des Heroinschmuggels" bezeichnet. 1998 wurden in den Staaten

entlang der Balkanroute insgesamt 8.112 kg Heroin sichergestellt.

Der Heroinhandel vollzieht sich im Wesentlichen auf drei Ebenen. Der illegale Handel

und Schmuggel von Heroinmengen auf der Balkanroute und in Deutschland wird

durch Angehorige von turkisch/kurdischen GroBfamilien organisiert und kontrolliert.

Den Kern der Organisation bilden verwandtschaftlich miteinander verbundene Mit­

glieder, die unterhalb der FOhrungsebene auch mit Angehorigen anderer Nationali­

taten zusammenarbeiten. Die mittlere Handelsebene organisiert die fOr den

Schmuggel von Rauschgift notwendige Logistik (u.a. Anlegen von Depots, Anwer­

bung von Kurieren, Fertigung von Verstecken, Anmietung von Wohnungen). Erst in

der unteren Hierarchiestufe (Klein- und Zwischen handler) werden verstarkt Nichtan­

gehorige der GroBfamilie eingesetzt. Dieser streng hierarchische Aufbau dient den

Sippen zu einer nahezu perfekten Abschottung nach auBen.

Der weltweite MiBbrauch von Heroin ist in den 80er und 90er Jahren, insbesondere

in den asiatischen Uindern aber auch in Westeuropa und in Teilen Afrikas und La­

teinamerikas, angestiegen. Osteuropa und die Lander der Gemeinschaft una bhang i­

ger Staaten (GUS) erleben einen ahnlichen Trend. Die Gesamtzahl der Heroinkon­

sumenten wurde fOr die 90er Jahre auf weltweit etwa 8 Mio. Menschen geschatzt.

Dies entspricht etwa 0,14 % der Weltbevolkerung.

Anbau, Handel und Konsum von Cannabis

Die Hanfpflanze als dem Grundstoff fOr Cannabisprodukte7 wird vorrangig in Marok­

ko, Pakistan, Afghanistan, Indien, Nepal, den sOdlichen Staaten der GUS, verschie­

denen afrikanischen Staaten, im sogenannten "Goldenen Dreieck" in SOdostasien

(Thailand, Laos, Philippinen), in Amerika (Brasilien, Kolumbien, Mexiko, Jamaica,

USA) und in den Niederlanden kultiviert. Die Hauptproduzenten von Haschisch sind

Marokko, Afghanistan und Pakistan. Nach den zur VerfOgung stehenden Informatio­

nen dOrfte Cannabis weltweit auf einer Flache von insgesamt 670.000 bis

1.800.000 ha angebaut werden oder wild wachsen. Geht man von einer mittleren

Anbauflache von 940.000 ha aus, liegt die weltweite Herstellung von Marihuana und

Haschisch bei rund 500.000 t pro Jahr.

6 Die "klassische" Route fOhrt Ober die TOrkei, Bulgarien, das Gebiet des ehemaligen Jugoslawien und Qsterreich nach Deutschland. Die n6rdliche Route vert~uft Ober verschiedene mittel- und osteurop~i­sche Staaten oder Ober Weillruiliand und die Ukraine. Die sOdliche Route vert~uft Ober Bulgarien, Griechenland, Makedonien, Albanien und Italien. 7 Cannabisprodukte sind Cannabisharz (Haschisch), Cannabiskraut (Marihuana) und Cannabis61.

46

Page 52: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Der Umfang des illegalen Cannabisanbaus ist aufgrund der groBen Zahl von Anbau­

flachen in oft schwer zuganglichen Gebieten sowie dem Fehlen genauer MeBmetho­

den nicht exakt zu bestimmen. Hinzu kommt, daB seitens der in den Anbauregionen

zustandigen Behorden Recherchen Ober Anbau und Gesamtproduktion oft vernach­

lassigt werden, weil die Bekampfung des Mohnanbaus aufgrund der traditionellen

Nutzung der Cannabispflanze in diesen Landern keine politische Prioritat genieBt.

Entsprechende BekampfungsmaBnahmen werden haufig nur aufgrund auBenpoliti­

scher oder wirtschaftlicher Interessen ergriffen.

Die Industrielander, vor allem die Vereinigten Staaten, Australien, Kanada und eine

Reihe von europaischen Landern, stellen ebenfalls betrachtliche Mengen von iIIega­

lem Cannabis, in einigen Fallen in Glashauskulturen oder unter Anwendung neuester

Hydrokultur-Technologien, her. Auch in europaischen Staaten erfreut sich der Innen­

anbau von Cannabispflanzen wachsender Popularitat. Vor allem die Niederlande

sind Vorreiter beim "Indoor-Anbau" und groBter europaischer Produzent. Deutliche

Zuwachse in diesem Segment sind auch in Albanien zu verzeichnen.

FOr den Schmuggel von Cannabisprodukten nach Europa sind Marokko, Afghani­

stan, Pakistan, Kolumbien, Nigeria, Ghana, SOdafrika und die sOdostasiatische Regi­

on von groJ1ter Bedeutung. Haschischlieferungen von Marokko, als dem Hauptur­

sprungsland fOr das in Europa gehandelte Haschisch, verlaufen auf dem Seeweg

nach Spanien, Portugal oder Frankreich und von dort auf dem Landweg in die Obri­

gen Zielstaaten Europas oder auf dem Seeweg direkt zum Bestimmungsort. Ha­

schisch aus Afghanistan und Pakistan wird auf dem Seeweg Ober ostafrikanische

Staaten, arabische Hafen und den Suezkanal oder auf dem Landweg per Lkw oder

Bahn Ober Zentralasien nach West- und Osteuropa verbracht.

Hauptherkunftsland fOr in Europa gehandeltes Marihuana ist Kolumbien. Der interna­

tional organisierte Schmuggel nach Europa erfolgt fast ausschlieBlich auf dem See­

weg in Containern, versteckt in der deklarierten Legalladung. Da weltweit sehr groBe

StOckzahlen von Containern verschifft werden, ist das Entdeckungsrisiko relativ ge­

ring.

Cannabis ist in Europa das am meisten konsumierte Rauschgift; zwischen 1 % und

8% der Gesamtbevolkerung und bis zu 20% der Heranwachsenden haben Cannabis

zumindest probiert. Eine Vielzahl von GroBsicherstellungen in verschiedenen euro­

paischen Staaten zeugt von einem wachsenden Cannabishandel und -schmuggel

und mithin einer immer hoheren VerfOgbarkeit von Cannabisprodukten fOr Konsu­

menten auf dem gesamten Kontinent. Die Organisation des Cannabishandels in Eu­

ropa wird von Europaern dominiert. 1m StraBenhandel hingegen treten meist afrikani­

sche Tatverdachtige in Erscheinung.

47

Page 53: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Anbau, Handel und Konsum von Kokain

Rund 180.000 ha werden derzeit weltweit mit KokabOschen bepflanzt. Die Hauptan­

baugebiete fOr den Kokastrauch liegen in Peru, Kolumbien und Bolivien (38.000 ha).8

Nach zwei Jahrzehnten eines massiven Anstiegs ist der Koka-Anbau seit Beginn der

90er Jahre rOcklaufig. Aktuelle Schatzungen weisen Peru mit 118.000 tim Jahr 1997,

trotz eines starken ROckgangs von 40 % innnerhalb von zwei Jahren, als den immer

noch gror..ten Kokablatterzeuger aus.

Der gror..te Teil des weltweit sichergestellten und nach dem Herkunftsland bestimm­

baren Kokains stammt aus Kolumbien. Dort findet die Organisation der Herstellung,

des Transports und des Handels des sOdamerikanischen Kokains mar..geblich statt.

Nach dem ROckzug der kolumbianischen Aufkaufer aus Bolivien Anfang der 90er

Jahre wird das Kokain Oberwiegend in bolivianischen Familienbetrieben hergestellt

und in gror..en Mengen nach Brasilien exportiert.

Der weltweite Handel in die Hauptverbraucherregionen Nordamerikas und Westeu­

ropas erfolgt durch Organisationen, die aufgrund ihrer Struktur als Kartelle bezeich­

net werden 9. Die bekanntesten kolumbianischen Drogenkartelle waren das Medellin­

Kartell und das Cali-Kartell, deren Macht in Kolumbien Dimensionen annahm, die mit

demokratischen Strukturen und staatlichen Mitteln kaum noch zu kontrollieren waren.

Ende der 80er Jahre verursachte das Medellin-Kartell eine Welle von Gewalt gegen

Politiker, Richter, Staatsanwalte, Polizisten und Vertreter der Presse. Hohepunkt des

Terrors war die offizielle Kriegserklarung des Medellin-Kartells und die Ermordung

der Prasidentschaftskandidatin im Jahre 1989.

Das Medellin-Kartell mit dessen ehemaligen AnfOhrer Pablo Escobar galt bis zu Be­

ginn der 90er Jahre als gror..tes Kartell mit jahrlichen Gewinnen in Milliardenhohe.

Nach der Ermordung von Escobar wurde das Medellin-Kartell durch das Cali-Kartell

abgelost, das in den Jahren 1995/96 jedoch ebenfalls zum Ziel zahlreicher Verhaf­

tungen und Verurteilungen durch kolumbianische und US-amerikanische Strafverfol­

gungsorgane, aber auch von Liquidationen durch konkurrierende Gruppen wurde.

Seitdem haben diese beiden Kartelle erheblich an Bedeutung eingebOr..t.

In den Folgejahren hat sich eine Anzahl neuer ZusammenschlOsse entwickelt, deren

Struktur an die grol1er Wirtschaftsunternehmen mit dezentralisiertem Management

und kleineren, weitgehend autonom, eigenverantwortlich und damit flexibel agieren­

den Einheiten erinnert. Diese Rauschgiftorganisationen unter der FOhrung der soge­

nannten "dritten Generation" zeichnen sich durch gror..ere Diskretion aus, sind

schwer zu infiltrieren und haben sich dem Verfolgungsdruck der Polizei angepar..t.

8 Es gibt Hinweise darauf, daB auch in anderen lateinamerikanischen Uindern, insbesondere in Brasi­lien, Guyana und Venezuela, kleinere Anbaugebiete existieren. 9 Vgl. SCHUSTER, Leopold, Gewalt und Organisierte Kriminalitilt, 1994:256 ff.

48

Page 54: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Die Gruppierungen der "dritten Generation" schlieBen BOndnisse mit Guerillaorgani­

sationen und paramilitarischen Gruppen, sogenannten "Selbstverteidigungsgruppen"

oder der traditionellen FARC (Fuerzas Armadas Revolutionarias Colombianas -

Bewaffnete Kolumbianische Revolutionare Streitkrafte) oder der ELN (Ejercito de

Liberacion Nacional - Nationale Befreiungsarmee), die eine wichtige Rolle im

RauschgiftgescMft einnehmen. Sie fordern nicht nur den Anbau der Pflanzen, son­

dern sie kontrollieren auch Produktion und Transport durch die Erhebung einer "Re­

volutionssteuer" - ein Beitrag zur Sicherung der geheimen Labors, der Vertriebswe­

ge, der Flughafensicherheit auf kleineren Flughafen und der Transporte von Vorstu­

fensubstanzen.10

Ein bedeutender Teil der kolumbianischen Kokainproduktion verlaBt den sOdameri­

kanischen Kontinent in Richtung USA und Europa Ober Venezuela. Aufgrund der

geographischen Lage zwischen den beiden groBten Kokaproduzenten Peru und Ko­

lumbien hat auch Ecuador einen bedeutenden Stellenwert als Transitland fOr Kokai­

nexporte.

Innerhalb Europas spielt die Bundesrepublik Deutschland als Transitstaat eine be­

sondere Rolle. Dies wird durch die groBen Sicherstellungsmengen auf deutschen

Flughafen, insbesondere dem in Frankfurt/Main, bestatigt. DarOber hinaus sind viel­

fach GroBsichersteliungen im Containerschiffverkehr zu verzeichnen. 1998 wurden

etwa drei Viertel des insgesamt in Deutschland sichergestellten Kokains auf Flug­

oder Seehillfen sichergestellt. Der illegale Handel und Schmuggel nach und in

Deutschland wird von Staatsangehorigen verschiedener sOdamerikanischer Staaten

dominiert. In den letzten Jahren wurden mehrheitlich kolumbianische Tatverdachtige

ermittelt.

Der KokainmiBbrauch betrifft weltweit schatzungsweise 13 Mio. Menschen. Der MiB­

brauch von Kokain ist in Nordamerika und Westeuropa weiter verbreitet als der MiB­

brauch von Heroin. Allein in den USA als dem groBten Kokainmarkt betragen die

jahrlichen Ausgaben fOr den illegalen Kokainkonsum rund 30 Milliarden US-Dollar. 1m

Vergleich mit anderen harten Drogen ist Kokainkonsum weniger haufig mit proble­

matischen Symptomen verbunden und findet Oberwiegend polizeilich unauffallig statt.

Aus diesem Grunde ist davon auszugehen, daB ein hohes polizeiliches Dunkelfeld

existiert.

Produktion, Handel und Konsum von synthetischen Orogen

Synthetische Drogen (Amphetamin, Ecstasy, LSD) fOr den europaischen Markt wer­

den in Europa, insbesondere in den Niederlanden, hergestellt. Neben den Niederlan­

den sind vor allem Polen und die Tschechische Republik als Produzenten von Am-

10 Vgl. INTERPOL, World Cocaine Situation Report 1997.

49

Page 55: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

phetamin fOr die europaischen Konsumenten synthetischer Betaubungsmittel von

Bedeutung. Die Amphetaminproduktion in diesen beiden Staaten ist hauptsachlich

fOr die skandinavischen Lander bestimmt. Deutschland fungiert in diesen Fallen nur

als Transitland fOr das Rauschgift. das auf dem Landweg oder Ober die Ostsee in die

Zielstaaten geschmuggelt wird.

Die Produktion von illegalen synthetischen Drogen ist nicht an geographische und

klimatische Voraussetzungen gebunden. sondern wird wesentlich von der VerfOgbar­

keit der fOr die Synthese benotigten chemischen Ausgangsstoffe beeinflu~t. Da die

Grundstoffe und Vorlaufersubstanzen in Europa frei gehandelt werden. konnen syn­

thetische Betaubungsmittel konsumentennah produziert werden. Dies ermoglicht ho­

he Gewinnspannen fOr die Produzenten selbst bei niedrigen Preisen fOr die Konsu­

menten. In Deutschland wird der Handel von synthetischen Betaubungsmitteln durch

deutsche Staatsangehorige dominiert. Der Anteil nichtdeutscher Staatsangehoriger

ist im Vergleich zu anderen Rauschgiftarten relativ gering.

Der Konsum amphetaminartiger Aufputschmittel ist in den gOer Jahren starker als

der anderer iIIegaler Drogen gestiegen. Weltweit mi~brauchen rund 30 Millionen

Menschen diese Art synthetischer Drogen. Auch in Europa gehOren Amphetamin und

Ecstasy nach Cannabis zu den am haufigsten mi~brauchten illegalen Drogen. Etwa

16% der jungen Erwachsenen haben Amphetamine zumindest ausprobiert.

Polizeiliche Einschatzung der Situation

Das Phanomen Rauschgiftkriminalitat wird entscheidend von der Tatsache gepragt.

da~ ein illegaler Markt mit einer Angebots- und einer Nachfrageseite existiert. Das

Spektrum der Delikte auf der Angebotsseite reicht vom Anbau und der Herstellung

von Betaubungsmitteln bis hin zum Rauschgiftschmuggel und -handel. Dem gegen­

Ober stehen auf der Nachfrageseite der Erwerb und Besitz von Betaubungsmitteln

sowie die Beschaffungs- und Folgekriminalitat im Vordergrund.11

Zweifellos konnten die Strafverfolgungsbehorden bei der Bekampfung von Rausch­

giftkriminalitat und Drogenkonsum eine Vielzahl von Einzelerfolgen verbuchen. An­

gesichts der aktuellen Rauschgiftsituation in Deutschland und Europa muB jedoch

resumiert werden. daB die bisher verfolgten Bekampfungsansatze und -strategien

nicht zu einem nachhaltigen Erfolg gefOhrt haben. Hohe Sicherstellungsmengen las­

sen auf einen unverminderten Zufuhrdruck und eine hohe VerfOgbarkeit illegaler

Drogen in Westeuropa schlie~en. Dies la~t sich u.a. an den fallenden Rauschgift­

preisen erkennen. Die Preise fOr Heroin und Kokain sind seit Mitte der BOer Jahre um

11 Die Grenze zwischen Angebols- und Nachfrageseile verlauft auf der unteren Handelsebene aller­dings fliellend. da zahlreiche Abhangige als Kleinhandler in Erscheinung Irelen und ihre Suchl mil dem Verkauf illegaler Drogen finanzieren.

50

Page 56: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

etwa die Halfte gesunken.12 Die Preisentwicklung bei Cannabisprodukten ist weniger

extrem, aber ebenso rOcklaufig. 13 Die Amphetaminpreise sind seit den ersten polizei­

lichen Erhebungen zu Beginn der 90er Jahre (1993: 25.000 DM/kg) ebenfalls deut­

lich gesunken (1998: 9.000 DM/kg).

Trotz aller BemOhungen, Einfuhr, Handel und Konsum von illegalen Drogen zu be­

kampfen, hat sich die Bundesrepublik Deutschland zu einem der groP"ten Absatz­

markte fOr illegale Betaubungsmittel in Europa entwickelt. Dem zunehmenden Ange­

bot steht eine seit Jahren wachsende Nachfrage nach illegalen Drogen gegenOber.

Die Zahl der Erstauffalligen Konsumenten harter Drogen (EKhD) erhohte sich im Jahr

1998 auf 20.943 Personen (+1,7%). 14 Die Entwicklung gestaltet sich bei den einzel­

nen Rauschgiftarten jedoch unterschiedlich: Wahrend hohe Zuwachse bei Ampheta­

min (+20%) und Kokain (+11 %) registriert wurden, waren die Zahlen der EKhD bei

Heroin (-1%), Ecstasy (-26%) und LSD (-20%) rOcklaufig.

Mit 216.682 Delikten im Jahr 199815 hat sich die Anzahl der Rauschgiftdelikte im

Zeitraum von 10 Jahren (1988: 84.998 Delikte) mehr als verdoppelt.16 Weit Ober die

Halfte aller in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfaP.,ten Faile von Rauschgift­

kriminalitat waren sogenannte allgemeine Verstor.,e gegen das Betaubungsmittelge­

setz, wie Erwerb und Besitz von Betaubungsmitteln. Dies laP.,t den SchluP., zu, daP.,

sich der polizeiliche Verfolgungsdruck noch immer stark auf die Konsumentenebene

konzentriert. Auch die Zahl der EKhD spricht fOr diese Einschatzung.

Aufgrund der anhaltenden Zunahme des Drogenkonsums und der damit verbunde­

nen Probleme fOr Staat und Gesellschaft sowie der Tatsache, dar., der international

organisierte Drogenhandel sowohl die wirtschaftliche Macht als auch den EinfluP., von

kriminellen Organisationen auf die internationale Politik starkt, muP., zu einer veran­

derten Schwerpunktsetzung der Strafverfolgungsbehorden fOhren. Die Sicherstel­

lung von groP.,en Mengen Rauschgift oder die Verhaftung und Verurteilung einzelner

Mitglieder beeintrachtigen die kriminellen Aktivitaten der in den Rauschgifthandel

involvierten Organisationen kaum. Selbst gror.,e Sicherstellungsmengen konnen in­

nerhalb kOrzester Zeit kompensiert und Personen im Verteilernetz der Organisatio­

nen reibungslos ersetzt werden. Entscheidend fOr Erfolg oder MiP.,erfolg von Drogen­

bekampfungsmaP.,nahmen wird sein, ob es gelingt, Hinterleute und Drahtzieher zu

12 Derzeit liegt der durchschnittliche Preis pro Kilogramm Heroin bei ca. 45.000 DM, ein Kilogramm Kokain ist im Durchschnitl fOr ca. 74.000 DM zu erhalten. 131998 kosteten ein Kilogramm Marihuana oder Haschisch durchschnitllich 5.000 DM. 14 Die Gesamtzahl der regelm;!!Bigen Konsumenten harter Drogen in Deutschland wird auf 250.000 bis 300.000 Personen gesch;!!tzt. 15 Zu den Zahlenangaben im folgenden vgl. BUNDESKRIMINALAMT, Rauschgiftjahresbericht Bundesre­publik Deutschland 1998. 16 Statistische Tendenzen im Bereich der Drogenkriminalit;!!t sind nicht nur von der tats;!!chlichen Kri­minalit;!!tsentwicklung bestimmt, sondem auch Ausdruck von Intensiti!t und Erfolg von entsprechen den Bek;!!mpfungsmaBnahmen.

51

Page 57: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

identifizieren und die Organisationsstrukturen des internationalen Rauschgifthandels

zu erkennen und zu zerschlagen.

Trotz einer Vielzahl internationaler Kooperationsformen und Zusammenarbeitsinitiati­

ven war die Bekampfung der Rauschgiftkriminalitat in der Vergangenheit zu sehr auf

nationale Problemlagen ausgerichtet. Den Herausforderungen des international or­

ganisierten Drogenhandels kann mit nationalen Bekampfungskonzepten allein jedoch

nicht wirksam begegnet werden. Vielmehr ist ein stetiger Ausbau der internationalen

Zusammenarbeit zwischen allen mit der Bekampfung der Rauschgiftkriminalitat be­

fa~ten Strafverfolgungsbehorden notwendig.

II Strategien der Drogenbekampfung

Die Notwendigkeit einer verbesserten, intensiven Zusammenarbeit zwischen allen

mit der Bekampfung der Rauschgiftkriminalitat befa~ten Institutionen wurde erkannt

und zum Gegenstand von Verhandlungen und Vereinbarungen nicht nur auf natio­

naler, sondern auch auf internationaler Ebene gemacht. Denn dem iIIegalen Anbau,

Handel und Konsum von Rauschgift als einem weltweiten Problem kann mit natio­

nalen Bekampfungskonzepten allein nicht wirksam begegnet werden. Die Bekamp­

fung der weltweiten Drogenproblematik erfordert eine BOndelung der Krafte nicht nur

im Rahmen innerstaatlicher oder europaischer Kooperationen, sondern eine darOber

hinausgehende internationale Zusammenarbeit zwischen den Erzeuger- und den

Konsumregionen illegaler Drogen, um sowohl das Angebot als auch die Nachfrage

nach iIIegalen Drogen zu reduzieren. Diese Einsicht ist unstreitig und keinesfalls neu.

DafOr spricht die Vielzahl der bereits institutionalisierten nationalen und internationa­

len, bilateralen und multilateralen Kooperationsrahmen und Bekampfungsstrategien,

die im folgenden in groben ZOgen vorgestellt werden.

Die Vereinten Nationen Die weltweite Zusammenarbeit bei der Bekampfung der Rauschgiftkriminalitat basiert

im wesentlichen auf politischen Vorgaben in Form von Suchtstoffkonventionen der

Vereinten Nationen (UN). Angestrebt wird eine moglichst umfassende Kontrolle von

Suchtstoffen und ihre Beschrankung auf medizinische und wissenschaftliche Ver­

wendungen. Die Vertragsparteien sind die Verpflichtung eingegangen, Ma~nahmen

gegen den Anbau, die Herstellung und den Konsum von Suchtstoffen zu ergreifen.

Die Konventionen enthalten Regelungen zum rechtlichen Instrumentarium der Straf­

verfolgungsbehOrden einschlie~lich der Bestimmungen Ober die internationale

Rechtshilfe und die Auslieferung in Rauschgiftangelegenheiten. FOr die Aufgaben­

wahrnehmung durch die Polizei ist insbesondere das Obereinkommen gegen den

unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen aus dem Jahr 1988,

52

Page 58: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

das u.a. strategische und taktische Bekampfungsansatze und entsprechende MaB­

nahmen zu deren Umsetzung vorschreibt.

1m Jahr 1991 wurde das Internationale Drogenkontrollprogramm der UN (United Na­

tions International Drug Control Programm = UNDCP) geschaffen, das mit der Koor­

dination aller MaBnahmen auf dem Gebiet der Drogenkontrolle beauftragt ist, Trends

in der Drogenherstellung, im Konsum und Handel verfolgt und die DurchfOhrung aller

einschlagigen internationalen Drogenkontrollvertrage fordert. Das Programm dient

als internationale Kontaktstelle fOr den Informations- und Erfahrungsaustausch Ober

Programme zur Bekampfung des DrogenmiBbrauchs und spielt eine wichtige Rolle

bei der Oberwachung weltweiter Entwicklungen auf diesem Gebiet. Auf Wunsch der

Regierungen empfiehlt das Programm geeignete MaBnahmen und leistet Hilfe bei

der Planung und DurchfOhrung nationaler, regionaler und globaler Programme der

technischen Kooperation, mit dem liel, den illegalen Anbau, Produktion, Handel und

MiBbrauch von Suchtstoffen zu verringern. Trotz des erheblichen Finanzvolumens

von etlichen Millionen US-Dollar jahrlich (1998/99: ca. 165 Mio. US$) sind die Erfolge

dieser Initiative nur begrenzt.

1m organisatorischen Rahmen der Vereinten Nationen befal1t sich die Suchtstoff­

kommission (Commission of Narcotic Drugs = CND) als zentrales politisches Richtli­

nienorgan mit allen Fragen der internationalen Bekampfung des DrogenmiBbrauchs.

Die Kommission analysiert die weltweite Lage des DrogenmiBbrauchs und erstellt

Vorschlage zur Starkung der internationalen Drogenkontrolle. Dieser Kommission

wurde ein polizeilicher lusammenarbeitsmechanismus in Form des Treffens der

Leiter der nationalen Rauschgiftbekampfungsbehorden (Heads of National Law En­

forcement Agencies = HONLEA) nachgeordnet. Durch die Arbeit dieses Gremiums

flief1en polizeiliche Erkenntnisse, Anregungen und Forderungen in weltweite drogen­

und kriminalpolitische Oberlegungen ein. So wird die Beteiligung der Polizei bereits

auf hoher politi scher Ebene gewahrleistet.

Auf der Tagung der CND im Marz 1999 leitete die UN wichtige Schritte zur Umset­

zung verschiedener Aktionsplane ein, die im Juni 1998 von der Sondersitzung der

UN-Vollversammlung (UNGASS) Ober die Drogenbekampfung verabschiedet wur­

den. Die Aktionsplane betreffen die internationale lusammenarbeit bei der Vernich­

tung iIIegaler Kulturen und der Forderung einer alternativen Entwicklung in den An­

baustaaten, Leitlinien fOr die Reduzierung der Drogennachfrage sowie die illegale

Herstellung, den Handel und den MiBbrauch amphetaminhaltiger Aufputschmittel und

ihrer Grundstoffe.

Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation (IKPO-Interpol)

lief der IKPO-Interpol ist es, eine moglichst umfassende gegenseitige UnterstOtzung

aller KriminalpolizeibehOrden im Rahmen der in den einzelnen Uiindern geltenden

53

Page 59: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Gesetze und im Geiste der Erklarung der Menschenrechte sicherzustellen und wei­

terzuentwickeln. Hierzu sind aile Einrichtungen, die zur VerhOtung und Bekampfung

der Straftaten gemeinen Rechts wirksam beitragen kbnnen, zu schaffen und auszu­

bauen.17 Die internationale operative Zusammenarbeit vollzieht sich in mal1gebli­

chem Umfang Ober die Geschaftswege der Organisation, die selbst Ober keinerlei

exekutive Befugnisse verfOgt. Interpol hat eine lange und erfolgreiche Geschichte auf

dem Gebiet der Bekampfung der internationalen Rauschgiftkriminalitat.

Die 177 Mitgliedstaaten sind mit moderner Kommunikationstechnik ausgestattet, die

eine direkte Zusammenarbeit weltweit gewahrleistet. Neben dem Generalsekretariat

in Lyon/Frankreich unterhalt die Organisation insgesamt 4 RegionalbOros in Afrika

bzw. SOdamerika und ein Rauschgift-VerbindungsbOro in BangkokIThailand.

1m Interpol-Generalsekretariat sind derzeit 26 Mitarbeiter aus verschiedenen Landern

in der Unterabteilung Rauschgift eingesetzt. Diese Unterabteilung fungiert als Clea­

ringstelle fOr Sammlung, Vergleich, Analyse und Weitergabe von Informationen mit

Rauschgift-Bezug. Es werden globale Rauschgiftlagebilder erstellt und internationale

Ermittlungen koordiniert. Sie arbeitet eng mit der ebenfalls im Generalsekreteriat von

Interpol eingerichteten Kriminalitatsanalyseeinheit zusammen. DarOber hinaus wer­

den Kontakte zur UN und anderen internationalen und regionalen Organisationen

unterhalten, die mit der Rauschgiftkontrolle befal1t sind.

FOr den Bereich der polizeilichen Rauschgiftbekampfung von besonderer Bedeutung

ist die Zusammenarbeit mit der Unterabteilung Wirtschafts- und Finanzkriminalitat

und deren Spezialeinheit "Abschbpfung illegaler Vermbgenswerte", die fur den Infor­

mationsaustausch und die Informationssammlung und -auswertung bei der interna­

tionalen Bekampfung der Geldwasche zustandig ist.

1m Generalsekreteriat in Lyon und in den Mitgliedstaaten finden regelmal1ig zahlrei­

che internationale, regionale und fallbezogene Arbeitstreffen mit der Zielrichtung

statt, den internationalen Erfahrungsaustausch zu ermbglichen und den Stand der

Umsetzung von Resolutionen der Generalversammlung der Organisation zu beraten.

Drogenbekampfung auf europaischer Ebene

Die Pompidou-Initiative

Ein ursprOnglich europaisch angelegtes Zusammenarbeitsgremium, das heute Ober

den europaischen Rahmen hinausgehend im Verantwortungsbereich des Europara­

tes angesiedelt ist, basiert auf der sogenannten "Pompidou-Initiative", die auf eine

Anregung des damaligen franzbsischen Staatsprasidenten Georges Pompidou zu­

rOckgeht. Dieses Gremium wurde 1972 durch die fur die Drogenbekampfung zustan-

17 Artikel 2 der Statuten der IKPO-Interpol.

54

Page 60: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

digen Minister der Europaischen Wirtschaftsgemeinschaft und Gror..britanniens ins

Leben gerufen. Die Obernahme der Kooperation durch den Europarat im Jahr 1979

bedeutete eine erhebliche Erweiterung des Mitgliederkreises insbesondere um Ver­

treter aus den mittel- und osteuropaischen Staaten.

Die Pompidou-Initiative leistet u.a. die Koordination der Zusammenarbeit bei der Be­

kampfung des Rauschgiftmir..brauchs und -handels auf den Gebieten des Gesund­

heits- und Erziehungswesens, der Repression und der Rechtsangleichung. 1m Rah­

men dieser Zusammenarbeit haben sich zahlreiche Arbeits- und Expertengruppen

gebildet. Sie befassen sich beispielsweise mit der RoUe der Medien bei der Behand­

lung der Drogenproblematik oder leisten UnterstOtzung bei Fragen der Rechtsent­

wicklung. DarOber hinaus werden spezieUe Bekampfungsansatze beispielsweise in

Verbindung mit der Situation auf Gror..flughafen und Seehafen ausgearbeitet und

entsprechende Programme initiiert.

Der Europiiische Drogenbekiimpfungsplan

In dem Bewur..tsein, dar.. Drogenhandel und Drogensucht eine ernste Bedrohung fOr

die GeseUschaft darsteUen, wurde auch im Rahmen der Europaischen Union die

Notwendigkeit gesehen, die BemOhungen zur Losung der Probleme auf ein gemein­

sames Ziel auszurichten und an gemeinsamen strategischen Vorgaben zu orientie­

reno 1m Jahr 1990 wurde der erste Europaische Drogenbekampfungsplan von der

Kommission "Kampf gegen Orogen" (Commission de la lutte anti drogue = CELAD)

als mar..gebliche Leitlinie fOr den Zeitraum von 1995 bis 1999 vorgelegt und vom Eu­

ropaischen Rat beschlossen. Der Plan gliedert sich im wesentlichen in folgende Akti­

onsbereiche: Koordinierungsmar..nahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten, die Ein­

richtung eines Europaischen DrogenOberwachungszentrums (Drug Monitoring Cen­

tre) mit Sitz in Lissabon, Mar..nahmen zur Reduzierung der Nachfrage nach iUegalen

Orogen sowie das Vorgehen zur Verfolgung des iIIegalen Drogenhandels.

Mit dem Inkrafttreten des Vertrages Ober die Europaische Union am 01.11.1993 voU­

zog sich eine Veranderung der europaischen Kooperationsstrukturen auf dem Gebiet

der Inneren Sicherheit. Die "Zusammenarbeit in der Innen- und Rechtspolitik" bildet

die dritte Saule der Zusammenarbeit innerhalb der EU.18 Die Institutionalisierung der

Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Bereich von Justiz und Innenressorts in der

dritte Saule schlier..t an die bis dahin im Rahmen von TREVI (Terrorisme! Radicalis­

me! Extremisme! Violence! Internationale) geleistete Kooperation zur Bekampfung

des Terrorismus und des international organisierten Rauschgifthandels an. Auf der

Grundlage von Artikel K.4 des Vertrages Ober die Europaische Union wurde die

TREVI-Zusammenarbeit unterhalb der Ebene des Rates der Justiz- und Innenmini-

18 Die erste Saule bildet die "Europaische Gemeinschaft" (Wirtschafts- und Wahrungsunion, Binnen­markt u.a.), die zweite Saule bildet die "Gemeinsame Aul1en- und Sicherheitspolitik".

55

Page 61: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

ster unter dem KoordinierungsausschuB eingegliedert. Seit dem Inkrafttreten des

Amsterdamer Vertrages zum 01. Mai 1999 ist der KoordinierungsausschuB K.4 in

Art. 36-AusschuB umbenannt. Dort finden nicht nur die wesentlichen Abstimmungs­

prozesse im Rahmen der Erarbeitung einer gemeinsamen Strategie zur Bekampfung

der Rauschgiftkriminalitat statt, sondern es werden auch Fragen en5rtert, die sich auf

die gesamte Drogenpolitik der Mitgliedstaaten beziehen.

Dem Art. 36-AusschuB sind drei Saulen nachgeordnet: Innerhalb der dritten Saule

wurde eine Arbeitsgruppe "lIlegaler Drogenhandel" angesiedelt. Neben dieser aus­

schlieBlich fOr die repressive Seite der Drogenbekampfung zustandigen Arbeitsgrup­

pe existieren auch in der ersten (AG "Gesundheitsfragen") und zweiten Saule (AG

"CODRO") Arbeitsgruppen, die mit Fragen der Drogenproblematik beschaftigt sind.

Zur saulenObergreifenden Koordinierung der in den verschiedenen Arbeitsgruppen

entwickelten Aktivitaten und ggf. zur Einleitung, DurchfOhrung und Oberwachung von

MaBnahmen zur Bekampfung des Drogenhandels und -miBbrauchs wurde die "Hori­

zontale Gruppe Drogen" (HDG) eingerichtet. Schwerpunkt der Aktivitaten liegt derzeit

auf der PrOfung der Hauptkomponenten einer EU-Drogenstrategie fOr die Zeit nach

1999.

Der zur Zeit laufende, erste Aktionsplan der Europaischen Union zur Drogenbe­

kampfung fOr den Zeitraum von 1995 bis 1999 unterstreicht die Notwendigkeit eines

umfassenden, interdisziplinar ausgerichteten Vorgehens. Seine Hauptziele sind die

Reduzierung der Drogennachfrage durch Erziehungs-, Forschungs- und Ausbil­

dungsmaBnahmen, die Verringerung des Drogenangebotes durch die Kontrolle der

Abzweigung von Grundstoffen und geeignete MaBnahmen zur Bekampfung des iIIe­

galen Drogenhandels. Weitere Ziele sind die Pravention, die Bekampfung der Geld­

wasche, die wirksame Zusammenarbeit von Polizei, Zoll und Justiz und die interna­

tiona Ie Zusammenarbeit mit Drittlandern zur Koordinierung von MaBnahmen der

Drogenbekampfung.

1m Mai 1999 hat die EU-Kommission den Mitgliedstaaten einen Aktionsplan fOr die

Jahre 2000 bis 2004 vorgelegt. Er ist als Rahmendokument zu werten, das Richtlini­

en fOr die Reduzierung der Drogennachfrage durch die Forderung von Bildungs- und

Forschungsprojekten einerseits und das Angebot durch die Bekampfung der Organi­

sierten Kriminalitat und des Drogenschmuggels andererseits vorgibt. Grundlage des

weiteren Vorgehens ist der erste, derzeit noch laufende Aktionsplan. Ein neuer

Schwerpunkt des Aktionsprogramms fOr die Zeit nach 1999 ist die Bewertung der

Erfahrungen mit getroffenen MaBnahmen und die Ermittlung bewahrter Konzepte.

Auf der Grundlage gemeinschaftsweit vergleichbarer Datenerhebungs- und Umfra­

gemethoden soli spatestens im Jahr 2004 bewertet werden, ob eine deutliche Redu­

zierung des iIIegalen Drogenkonsums bei den unter 18jahrigen und der Zahl der

Drogentoten erreicht werden konnte.

56

Page 62: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Um ein umfassendes, integriertes Drogenbekampfungskonzept auf Unionsebene

effizient umsetzen zu konnen, mOssen auf verschiedenen Ebenen Mar1nahmen ge­

troffen und Kooperationen unterschiedlichster Art mit den Ziellandern und - regionen

eingegangen, sowie konkrete Programme entwickelt werden. Beispielhaft sind fol­

gende Programme zu nennen: Das PHARE-Programm umfar1t Ausbildungsmar1-

nahmen und die Entsendung von Beratern mit dem Ziel, den Aufbau der Polizeien in

den Staaten Mittel- und Osteuropas durch finanzielle und technische UnterstOtzung

voranzutreiben. 1m Vordergrund steht dabei die Angleichung der Rechtsvorschriften

und Mar1nahmen sowie der Aufbau der Verwaltungsstrukturen. Seit 1996 werden

Finanzmittel der Europaischen Union fOr Vorhaben im Rahmen von TACIS (Techni­

cal Assistant Common Independant States) zur VerfOgung gestellt. Diese sind auf die

Unterstiitzung der wirtschaftlichen Umgestaltung unter Herausbildung demokrati­

scher Strukturen in den GUS-Staaten ausgerichtet. Das auf den Zeitraum von 1996 bis 2000 begrenzte Austauschprogramm fOr Rechtsberufe GROTIUS mit einem Fi­

nanzvolumen von 8,8 Mio. ECU hat das Ziel, die gegenseitige Kenntnis der Rechts­

ordnungen und der Rechtspfiege zu verbessern. Schlier1lich ist hier das im Jahr 1998 von der Europaischen Union aufgelegte Programm FALCONE zu nennen, das der

Forderung koordinierter Initiativen zur Bekampfung der Organisierten Kriminalitat

dient. Die Laufzeit dieses Programms ist bis zum Jahr 2002 mit einem Haushaltsvo­

lumen von insgesamt 10 Mio. ECU geplant.

Daneben sucht die EU den Dialog zur Erorterung der Drogenproblematik mit unter­

schiedlichen Zielregionen. So will die EU den Dialog mit den nordafrikanischen Lan­

dern und den Landern des Nahen Ostens im Rahmen des Programms EUROMED

intensivieren und die Zusammenarbeit mit den Landern der SADC-Region (sOdli­

ches Afrika) verstarken. 1m asiatischen Raum werden im Rahmen der ASEM­

Zusammenarbeit Austausch- und Schulungsprogramme fOr Zollbeamte vorbereitet.

In der lateinamerikanischen Region wird die EU den Dialog mit den Landern des

Andenpaktes (Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Peru, Venezuela) intensivieren und hat

mit diesen Landern einen Aktionsplan zur Verbesserung der Drogenbekampfungs­

mechanismen entwickelt.

In Erganzung zu diesen EU-Programmen wurden zur Koordinierung von Mar1nah­

men der Bekampfung der grenzOberschreitenden Kriminalitat, insbesondere des

RG-Handels, von den USA die Southeast European Cooperative Initiative (SECI)

initiiert. Angesichts der Vielzahl der bestehenden Kooperationsformen nimmt

Deutschland hier lediglich einen Beobachterstatus ein.

Ein weiteres wichtiges Forum fOr die Erorterung von Drogenfragen ist die Dublin­

Gruppe, die den wichtigsten Industrienationen der Welt Gelegenheit zu informellen

Kontakten bietet. Dieser Gruppe gehoren die Mitgliedstaaten der EU sowie Australi­

en, Norwegen, Kanada, Japan und die USA an. An den zweimal jahrlich stattfinden-

57

Page 63: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

den Treffen nehmen auch Vertreter des Drogenbekampfungsprogramms der Ver­

einten Nationen (UNDCP) teil. Ais Diskussiongrundlage dienen regionale Berichte,

in denen die von den sogenannten "Dublin-Mini-Gruppen" erarbeiteten nationalen

Berichten zusammengefOhrt werden.

Aufgrund einer deutschen Initiative wurde die standige Arbeitsgruppe Rauschgift

(StAR) eingerichtet, an der die Leiter der Rauschgiftdienststellen der Landeskrimi­

nalamter, der Zoll, Vertreter der deutschen Anrainerstaaten, der IKPO und Europol

sowie das Bundeskriminalamt teilnehmen. Die StAR versteht sich vor allem als Bin­

deglied zwischen den Leitern der nationalen Rauschgiftdienststellen und den Leitern

der Rauschgiftdienststellen der deutschen Anrainerstaaten. Ihre Hauptaufgaben sind

die Beobachtung und Bewertung von EU-spezifischen Rechtsvorschriften, Konven­

tionen und kriminalpolitischen Entscheidungen. Auf den zweimal jahrlich stattfinden­

den Tagungen sollen neben dieser Aufgabe aber auch polizeipraktischen Belangen

Rechnung getragen werden.

Neben diesen Programmen und Diskussionsforen erscheinen im europaischen

Rahmen zwei Aus- und Fortbildungseinrichtungen erwahnenswert. In der in Wien

ansassigen Mitteleuropaischen Polizeiakademie (MEPA) und in der in Budapest be­

findlichen International Law Enforcement Academy (ILEA) erfolgen auch Aus- und

Fortbildungsmaf1nahmen zur Verbesserung der Drogenbekampfung. Wahrend die

MEPA starker EU-zentriert ist, richtet sich die ILEA vor allem an amerikanischen

Verhaltnissen aus und wird auch von den USA finanziert. Deutschland sowie andere

europaische Polizeien entsenden zum Teil auf Einladung Referenten an die ILEA.

Europol

Die im Vertrag Ober die Europaische Union vom 07.02.1992 (Maastrichter Vertrag)

institutionalisierte Zusammenarbeit der EU-Staaten im Bereich Justiz und Inneres

fand ihren Niederschlag unter anderem im Aufbau eines Europaischen Polizeiamtes

(Europol).

Das fOr die Einrichtung von Europol als polizeiliche Zentralstelle in der EU erforderli­

che volkerrechtliche Obereinkommen trat am 01.10.1998 in Kraft.

Um jedoch bereits vor Abschluf1 der langwierigen Arbeiten zu diesem Obereinkom­

men mit der Bekampfung besonderer Formen der Organisierten Kriminalitat begin­

nen zu konnen, beschlossen die Justiz- und Innenminister der EU mit Wirkung vom

03.01.1994 die Einrichtung der Europol Drogenstelle (EDU) als Vorlauferorganisation

von Europol.

Ziel dieser Kooperationsform ist die Verbesserung der Leistungsfahigkeit der zustan­

digen nationalen BehOrden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die VerhOtung und

Bekampfung des illegal en Drogenhandels, des illegalen Handels mit radioaktiven

58

Page 64: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

und nuklearen Substanzen, der Schleuserkriminalitat, der Kraftfahrzeugverschie­

bung, des Menschenhandels sowie der damit im Zusammenhang stehenden Geld­

waschehandlungen und kriminellen Organisationen.

Am 01.07.1999 nahm Europol offiziell seine Tatigkeit auf und die bisherigen Zustan­

digkeiten der EDU gingen auf Europol Ober. DarOber hinaus wurde das Europol­

Mandat um die Bekampfung des Terrorismus und der Falschgeldkriminalitat ein­

schliel1lich unbarer Zahlungsmittel erweitert.

Hauptaufgabe von Europol ist die Unterstiitzung nationaler Ermittlungsverfahren

durch den Austausch von Informationen Ober die bei Europol stationierten nationalen

Verbindungsbeamten (Europol Liaison Officers = ELOs), die Erstellung von Krimina­

litatsanalysen sowie die Koordination grenzOberschreitender operativer Mal1nahmen.

DarOber hinaus soli Europol den nationalen Regierungen und Strafverfolgungsbe­

horden Entscheidungshilfen fOr Mal1nahmen im Bereich der Strafverfolgung liefern.

Souveranitatsvorbehalte einzelner EU-Mitgliedstaaten verhinderten, dal1 Europol mit

Exekutivbefugnissen ausgestattet wurde. Der am 01.05.1999 in Kraft getretene "Am­

sterdamer Vertrag", der die Maastrichter Vereinbarungen reformiert, sieht jedoch ei­

ne Erweiterung der Kompetenzen von Europol vor.

Danach soli Europol innerhalb der nachsten fOnf Jahre, unter anderem durch die

Vorbereitung spezifischer Ermittlungsmal1nahmen, die Bildung gemeinsamer Ermitt­

lungsteams und die Initiierung von Ermittlungsverfahren wirksam zur Bekampfung

der Organisierten Kriminalitat beitragen.

Schengen

Beim Schmuggel von Rauschgift stellt die Notwendigkeit der Oberwindung von Lan­

desgrenzen ein Hauptproblem fOr die Tater dar. Aufgrund von Warenkontrollen erfol­

gen Festnahmen und Sicherstellungen sehr haufig im Zusammenhang mit Grenz­

Obertritten innerhalb der Europaischen Gemeinschaft. Nachdem zum 01.01.1993 der

Europaische Binnenmarkt verwirklicht und die Warenkontrollen an den Grenzen zwi­

schen den Mitgliedstaaten abgeschafft wurden, kommt dem Bereich der EU­

Aul1engrenzen eine besondere Bedeutung zu. FOr den Bereich der grenzOber­

schreitenden Rauschgiftkriminalitat sieht das Schengener DurchfOhrungsOberein­

kommen Ausgleichsmal1nahmen vor, um an allen EU-Drittlandsgrenzen effiziente

Kontrollen und Verfahren insbesondere zur Bekampfung der Rauschgiftkriminalitat

sicherzustellen.

Auf der Ebene der Schengen-Mitgliedstaaten ist eine Arbeitsgruppe "Betaubungs­

mittel" mit dem Auftrag installiert worden, Problemstellungen auf dem Gebiet der

Rauschgiftkriminalitat zu behandeln und Vorschlage zur Verbesserung der Zusam-

59

Page 65: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

menarbeit der in diesen Staaten zustandigen Stellen zu unterbreiten.19 lur Errei­

chung dieses liels wurden durch die Arbeitsgruppe u.a. ein Leitfaden Ober nationale

lustandigkeiten und Bestimmungen in Fallen der internationalen Rechtshilfe und

Bilanzen Ober durchgefOhrte Mar..nahmen zur Verhinderung der iIIegalen Ein- und

Ausfuhr von Rauschgift an den Aur..engrenzen des Schengen-Raumes sowie zur

Bekampfung des "Drogentourismus" erstellt.

Seit der Einrichtung der lusammenarbeitsgremien auf der Ebene der Europaischen

Union, insbesondere seit der Installierung des Koordinierungsausschusses KA mit

seinen Arbeitsgruppen hauften sich die Themenstellungen, zu denen gleichgelagerte

Initiativen sowohl aus der Arbeitsgruppe "Betaubungsmittel" im Rahmen des Schen­

gener DurchfOhrungsObereinkommens als auch der damals eingerichteten Arbeits­

gruppe "Drogen und Organisierte Kriminalitaf' hervorgingen. Nach der erfolgten

OberfOhrung des Schengener Besitzstands in den Rahmen der EU werden diese

Aufgaben nun von der neu eingerichteten gemeinsamen Arbeitsgruppe "lIIegaler

Drogenhandel" wahrgenommen.

Nationale Strategien der Drogenbekampfung

Nationaler Rauschgiftbekampfungsplan

1m Dezember 1989 beschlossen die Regierungschefs von Bund und Landern, vor

dem Hintergrund der sich national wie international verscharfenden Entwicklungen

im Rauschgiftbereich, einen nationalen Bekampfungsplan zu entwickeln, welcher der

Suchtvorbeugung einen besonderen Stellenwert einraumt. Dieser wurde in einer na­

tionalen Drogenkonferenz im Juni 1990 verabschiedet. An der Erarbeitung des Na­

tionalen Rauschgiftbekampfungsplanes waren verschiedene staatliche Institutionen

sowie wichtige gesellschaftliche Organisationen und Gruppen beteiligt. Dadurch wur­

de zum Ausdruck gebracht, dar.. staatliche Institutionen allein das Rauschgiftproblem

nicht bewaltigen konnen, sondern die Mar..nahmen zur Losung des nationalen Dro­

genproblems vielmehr als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden mur...

Neben den dichotomen GrundzOgen der Drogenpolitik, welche die international or­

ganisierte Angebotseite einerseits und das individuelle Suchtverhalten der Drogen­

konsumenten andererseits gegenOberstellt, wurden konkrete Mar..nahmen zur Ver­

ringerung der Rauschgiftnachfrage und des Rauschgiftangebotes sowie gesetzgebe­

rische Mar..nahmen festgelegt. Der Plan hat im wesentlichen das liel, "aile fOr die

Rauschgiftbekampfung verfOgbaren Krafte zusammenzufassen, auf gemeinsam

19 Die mit der Aufgabenwahrnehmung in dieser Arbeitsgruppe betraute deutsche Delegation setzt sich aus Beamten der zustandigen Ministerien und Vertretern des Bundeskriminalamtes, des Zollkri­minalamtes, eines landervertreters sowie der Grenzschutzdirektion zusammen.

60

Page 66: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

festgelegte liele auszurichten und zusatzliche Ressourcen zur Rauschgiftbekamp­

fung zu erschlief1en".20

Oberstes liel der Drogenpolitik muf1 es nach dem Nationalen Rauschgiftbekamp­

fungsplan sein, "national und international aile Voraussetzungen zu schaffen, um ein

Leben ohne Drogen zu fOhren". Aus diesem gemeinsamen Oberziel leiten sich die

weiteren lielsetzungen der Drogenpolitik abo lum einen soli die Nachfrage nach

Drogen durch verbesserte Aufklarung und Pravention vermindert, vorhandene Hilts­

angebote sollen ausgebaut und verbessert, neue Ansatze gefordert und generell der

Schaden minimiert werden. Bei Drogenabhangigen ist der Grundsatz "Hilfe vor Stra­

fe" in den Vordergrund zu stellen. lum anderen soli der Handel mit iIIegalen Drogen

verstarkt bekampft werden. lusammenfassend wurden seitens des BMG auf einer

Konferenz der Horizontalen Gruppe "Orogen" am 07.07.1999 In BrOssel Pravention,

Aufklarung, Schadenminimierung und Repression als die vier Saulen der Drogenbe­

kampfung postuliert.

Ausgehend von diesen Leitlinien mOssen aile praventiven Maf1nahmen auf eine .,to­

tale Abstinenz im Hinblick auf iIIegale Orogen, einen selbstkontrollierten Umgang mit

legalen Suchtmitteln mit dem liel weitgehender Abstinenz und auf einen bestim­

mungsgemaf1en Gebrauch von Medikamenten" hinwirken.

Die Polizei gehort nicht zu den vorrangigen Tragern der Drogenpravention, kann

aber einen Beitrag zur Primarpravention des Drogenmif1brauchs leisten. Bei der Be­

kampfung der Rauschgiftkriminalitat hat die Polizei vorwiegend repressive Aufgaben

zu ertOlien. "Schwerpunkt der nationalen Rauschgiftbekampfung durch Polizei und

Justiz mOssen die Verringerung der Rauschgiftproduktion, die moglichst umfangrei­

che Sicherstellung von Rauschgift, die lerschlagung von Handlerorganisationen, das

Ermitteln und Abschopfen von Verbrechensgewinnen und die Erschwerung des lu­

gangs zu Rauschgiften sein". Einen wichtigen Ansatzpunkt bildet dabei die Bekamp­

fung der Rauschgift-Handelsorganisationen. Daneben dart aber auch die Bekamp­

fung des gewerbsmaBigen Straf1en- und Kleinhandels sowie die Erschwerung des

Erwerbs von Rauschgiften zum Eigenverbrauch nicht vernachlassigt werden, weil

auch sie Ursache des Rauschgiftproblems und der damit einhergehenden Beschaf­

fungs- sowie der Folge- und Begleitkriminalitat sind. Insofern ist ein Gesamtstrategie

zur Bekampfung der Rauschgiftkriminalitat erforderlich, welche neben praventiven

Maf1nahmen die verschiedenen Ebenen des Rauschgifthandels berOcksichtigt.

20 Vgl. auch im folgenden DER BUNDESMINISTER FOR JUGEND, FAMILlE, FRAUEN UNO GESUNDHEIT (BMG)

UNO DER BUNDESMINISTER DES INNERN (BMI), Nationaler Rauschgiftbekampfungsplan, Bonn 1990.

61

Page 67: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Bilaterale OK-Vertrage

Die wirtschaftliche und politische Offnung nach Osten hat den Druck von organisier­

ter Kriminalitat aus den Staaten Mittel- und Osteuropas auf den westeuropaischen

Raum verstarkt. Strukturen Organisierter Kriminalitat sind u.a. im Bereich des Hero­

inschmuggels festzustellen. Seit dem Zerfall der Sowjetunion und der wirtschaftlichen

Offnung der MOE-Staaten verlaufen die nordlichen Auslaufer der "Balkanroute" 21,

als der Hauptschlagader des Heroinschmuggels aus dem Gebiet des "Goldenen

Halbmondes" Ober die TOrkei nach Europa, nun auch Ober Transitlander wie Ruma­

nien, Ungarn, Polen oder die Siowakische und die Tschechische Republik. DarOber

hinaus treten insbesondere die Tschechische Republik und Polen vermehrt als Her­

stellungslander synthetischer Betaubungsmittel in Erscheinung. Die Bekampfung des

illegalen Handels und Schmuggel mit Rauschgift kann daher nur in enger Zusam­

menarbeit mit diesen Staaten erfolgen.

Bilaterale Regierungsabkommen sind derzeit wesentliche Grundlage der Zusam­

menarbeit mit den Staaten Mittel- und Osteuropas zur Bekampfung der Organisierten

und der Rauschgiftkriminalitat, des Terrorismus und anderer Straftaten von erhebli­

cher Bedeutung. Sie regeln vor allem den direkten polizeilichen Informationsaus­

tausch sowie die Zusammenarbeit bei konkreten Ermittlungen. Bilaterale Abkommen

bestehen mit Ungarn, Tschechien, Siowakei, Polen, Bulgarien, Estland, Ukraine,

Lettland, Belarus, Kasachstan, Usbekistan, Rumanien, Kirgisistan und der Russi­

schen Foderation 22

Die Mitgliedschaft dieser Staaten bei Europol und in der Schengen-Kooperation

setzt formal ihren Beitritt zur Europaischen Union voraus, was allerdings noch einige

Zeit in Anspruch nehmen wird. Daher mu!1 in Form von Zwischenlosungen

schnellstmoglich ein Weg gefunden werden, der den MOE-Staaten sowohl eine Mit­

wirkung an der Informations- und Analysetatigkeit von Europol durch Einbringen ih­

rer Erkenntnisse und Teilhabe an den Arbeitsergebnissen ermoglicht, als auch ihre

Teilnahme am Fahndungsverbund sicherstellt. 1m Vordergrund einer weiteren Inten­

sivierung der Zusammenarbeit steht daher die HeranfOhrung der mittel- und osteu­

ropaischen EU-Beitrittskanditaten an die Europol- und Schengen-Kooperation.

Vorverlagerungsstrategie

Der Vorverlagerungsstrategie liegt die Idee zugrunde, die Rauschgiftkriminalitat nicht

erst im Inland oder in Westeuropa, sondern bereits in den Anbau-, Herstellungs- oder

Transitlandern zu bekampfen. Diese Strategie besteht im wesentlichen aus drei

Faktoren, der Ausstattungs-und der Ausbildungshilfe sowie einem Netz von Verbin­

dungsbeamten.

21 Vgl. hierzu FuBnote 2. 22 Vgl. hierzu: Regierungsabkommen mit der Russischen FOderation.

62

Page 68: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Die Ausstattungshilfe ist ein Unterstotzungsprogramm der Bundesregierung zur Stei­

gerung der Leistungsfahigkeit auslandischer Polizeien bei der Kriminalitatsbekamp­

fung und der Grenzsicherung sowie zur Forderung von Rechtstaatlichkeit und Demo­

kratie. 1m Rahmen der Ausstattungshilfe wurden im Zeitraum von 1995 bis 1998 Ein­

satzmittel fOr insgesamt 73,4 Millionen OM fOr die zu einem gror..en Teil zur Dritten

Welt zahlenden Herkunfts- und Transitlander zur Verfugung gestellt. In vie len Fallen

werden gleichzeitig Experten zur Beschulung der auslandischen Polizeien in der An­

wendung und Wartung dieser Einsatzmittel entsandt. Die Ausstattung dient in erster

Linie der Verbesserung der Kommunikation und Mobilitat. Ein weiterer Schwerpunkt

sind Laboreinrichtungen, die fOr kriminaltechnische Analysezwecke benotigt werden.

Die Aus- und Fortbildungshilfe umfar..t Ausbildungs-, Austausch- und Kooperations­

programme fOr auslandische Polizeibeamte, die in Form von Stipendiatenausbildun­

gen, Hospitationen oder von Lehrgangen vor Ort durchgefuhrt werden. Neben der

Vermittlung von kriminalistischem Basiswissen sind diese Aus- und Fortbildungs­

mar..nahmen darauf ausgerichtet, den Teilnehmern die Grundlagen und die tatsachli­

che Ausubung polizeilicher Befugnisse als dem Bestandteil eines rechtsstaatlichen

Gefuges naherzubringen. Der dritte wichtige Faktor der Vorverlagerungsstrategie ist

das weltweite Netz von Verbindungsbeamten zur Bekampfung der Organisierten und

der Rauschgiftkriminalitat. Diese Beamten, die durch das Bundeskriminalamt im

Rahmen seiner internationalen Aufgabenstellung entsandt werden, haben den Auf­

trag, Informationen in Angelegenheiten der Bekampfung der Organisierten und

Rauschgiftkriminalitat zu gewinnen und auszutauschen. Dies soli zum einen die Be­

arbeitung von deutschen Ermittlungsverfahren und die AusfOhrung internationaler

Rechtshilfeersuchen erleichtern und unterstutzen, und zum anderen Unterstutzung

bei Ermittlungsverfahren mit Deutschlandbezug von Behorden der Gastlander ge­

wahren. Ebenso entsenden auch andere Staaten Verbindungsbeamte nach

Deutschland, die ihren Dienst uberwiegend im Bundeskriminalamt verrichten.

Derzeit sind 48 Verbindungsbeamte des Bundeskriminalamtes al'" 35 Standorte in 32

Landern entsandt. Unterstotzend hierzu verfugen sowohl der Zoll als auch der Bun­

desgrenzschutz uber eigene Verbindungsbeamtenkonzepte, die in den nachsten

Jahren weiter ausgebaut werden.

Die Vorverlagerungsstrategie und insbesondere die Entsendung von Verbindungs­

beamten in die Rauschgiftherkunfts- und -transitlander haben die internationale Zu­

sammenarbeit entscheidend verbessert. Das steigende Zusammenarbeitsbedurfnis

der StrafverfolgungsbehOrden im In- und Ausland und die positiven Erfahrungen mit

dem Verbindungsbeamtensystem lassen keinen Zweifel daran, dar.. dieses kriminal­

strategische Bekampfungsinstrument auch in Zukunft weiter ausgebaut wird.

63

Page 69: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

III Operative Zusammenarbeit in der Drogenbekampfung

Quadrilaterale Arbeitsgruppe

Die Quadrilaterale Arbeitsgruppe, an der neben dem Bundeskriminalamt Vertreter

der italienischen, spanischen und franzosischen Strafverfolgungsbehorden teilneh­

men, dient dem Informations- und Erkenntnisaustausch zu Personen, die der russi­

schen OK zuzurechnen sind und sich in den beteiligten Staaten aufhalten. Sie wurde

im Rahmen einer konstituierenden Arbeitssitzung im Januar 1999 im Bundeskrimi­

nalamt ins Leben gerufen.

Geplant ist, Erkenntnisse Ober Aufenthaltsorte, Verhaltensweisen, Umfeld und Be­

ziehungen der russischen Organisierten Kriminalitat sowie Informationen Ober Er­

mittlungs- und Strafverfahren auszutauschen, um ErmittlungsmaBnahmen internatio­

nal koordinieren zu konnen. In den Teilnehmerlandern vorliegende Personen- und

Sacherkenntnisse Ober das verdachterregende Investitionsverhalten von Mitgliedern

krimineller Organisationen aus den MOE-Staaten in der Mittelmeerregion werden

analysiert. Hierbei sind auch andere konkrete Straftaten, wie der illegale Handel und

Schmuggel von Rauschgift, einzubeziehen.

Arbeitsgemeinschaft fur polizeiliche Zusammenarbeit in Mittel- und Osteuropa

(AG PoIMOE)

Die AG PolMOE ist ein multilaterales Dialog- und Koordinierungsgremium auf der

Ebene der Polizeichefs der teilnehmenden Staaten (Mitgliedstaaten: Bulgarien, Est­

land, Lettland, Litauen, Csterreich, Polen, Rumanien, Siowakische Republik, Tsche­

chische Republik, Ukraine, Ungarn, Deutschland). liel ist die Verbesserung der

grenzOberschreitenden polizeilichen lusammenarbeit und der Ausbau der multi late­

ralen Kooperation mit den Staaten Mittel- und Osteuropas (MOE) zur Beschleuni­

gung des Integrationsprozesses der MOE-Staaten in die dritte Saule der Europai­

schen Union23. Die AG PolMOE wurde in Umsetzung eines Beschlusses der Innen­

ministerkonferenz bei einem konstituierenden Treffen im Dezember 1996 ins Leben

gerufen und kommt seither halbjahrlich zusammen.

Visby-Kooperation

Die Regierungschefs von Danemark, Deutschland, Estland, Finnland, Island, Lett­

land, Litauen, Norwegen, Polen, der Russische Foderation und von Schweden be­

schlossen anlaBlich der Sitzung des Ostseerates im Mai 1996 die Einrichtung einer

Task Force zur Verbesserung der lusammenarbeit der Ostseeanrainerstaaten bei

23 Die sag. dritle Saule der EU nach dem Vertrag von Maastricht ist die Zusammenarbeit in der In­nen-und Rechtspolitik. Erste Saule ist die Europaische Gemeinschaft (Wirlschafts- und Wahrungsuni­on). zweite Saule ist die Gemeinsame Au~n- und Sicherheitspolitik (GASP).

64

Page 70: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

der Bekampfung der Organisierten Kriminalitat (Task-Force on Organized Crime in

the Baltic Sea Region).

Diese nach dem Veranstaltungsort des Gipfeltreffens in Visby/Schweden benannte

"Visby-Kooperation" hat zum Ziel, die Stabilitat und die Sicherheit der BOrger im Ost­

seeraum, u. a. durch die Verstarkung der Zusammenarbeit von Polizei, Grenzschutz,

Zoll, Einwanderungsbeherden und KOstenwache bei der Bekampfung der Organi­

sierten Kriminalitat zu ferdern. Hauptbetatigungsfelder der Task Force sind die De­

liktsbereiche Rauschgiftkriminalitat, Kfz-Kriminalitat, Illegale Migration und Geld­

wasche, in denen gemeinsame Kontrollmal1nahmen durchgefOhrt werden. 1m Zu­

sammenhang mit der gemeinsamen Bekampfung der Rauschgiftkriminalitat wurden

konkrete Vorschlage zur Verbesserung der operativen Zusammenarbeit im Bereich

der Herstellung und des iIIegalen Handels von Amphetaminen und anderer syntheti­

schen Drogen gemacht.

Regierungsabkommen mit der Russischen Foderation

1m Mai 1999 wurde das Abkommen zwischen den Regierungen der Bundesrepublik

Deutschland und der Russischen Federation Ober die Zusammenarbeit bei der Be­

kampfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung unterzeichnet. Mit Hilfe dieser

Vereinbarung soli die Kooperation bei der Bekampfung von Schleuserkriminalitat und

Menschenhandel, Geldwasche, illegalem Waffenhandel, Kfz-Diebstahl sowie Wirt­

schaftskriminalitat und illegalem Technologietransfer intensiviert werden.

Zudem wurde vereinbart, bei der Bekampfung organisierter krimineller Strukturen

des illegalen Rauschgifthandels zusammenzuarbeiten. Zu diesem Zwecke sollen

gemeinsame Mal1nahmen zur Bekampfung der illegalen Herstellung und des iIIega­

len Handels mit Rauschgift durchgefOhrt werden. Daneben ist geplant, Erfahrungen

Ober die Oberwachung des Handels von chemischen Grundstoffen, die zur Herstel­

lung von Rauschgift verwendet werden (Monitoring), auszutauschen und Mal1nah­

men zur Verhinderung illegaler Abzweigungen zu ergreifen.

IV Nationale Zustiindigkeiten und Kooperationsformen

Arbeitsgemeinschaft der Leiter der LandeskriminaUimter und des Bundeskri­

minalamtes (AG Kripo)

In der Bundesrepublik Deutschland liegt die Polizeihoheit gemal1 der Artikel 30, 73

Nr. 10 und 87 Grundgesetz prinzipiell bei den Landern. Neben den Landern sind

auch das Bundeskriminalamt, der Bundesgrenzschutz, der Zoll und der Bundesnach­

richtendienst mit speziellen Zustandigkeiten und Befugnissen bei der Bekampfung

der Rauschgiftkriminalitat ausgestattet. Dies macht eine Vielzahl von Zusammenar-

65

Page 71: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

beitsmechanismen notwendig, urn die unterschiedlichen strategischen und operati­

ven Ma~nahmen aufeinander abzustimmen.

Die institutionalisierte Zusammenarbeit von Bund und Landern erfolgt in der Arbeits­

gemeinschaft der Leiter der Landeskriminalamter und des Bundeskriminalamtes (AG

Kripo). In diesem Gremium werden u.a. konzeptionelle und operative Fragen der

Kriminalitatsbekampfung behandelt und abgestimmt. Der Notwendigkeit, die Ma~­

nahmen zur Bekampfung der Rauschgiftkriminalitat zwischen den Landeskriminal­

amtern, den Rauschgiftdienststellen ihres jeweiligen Zustandigkeitsbereichs und dem

Bundeskriminalamt zu koordinieren, wurde zunachst mit dem Beschlu~ der AG Kri­

po, die Kommission Rauschgift (KRG) zu grunden, Rechnung getragen. Seit dem

Fruhjahr 1999 werden deren Aufgaben innerhalb der Kommission Organisierte Kri­

minalitat (KOK) wahrgenommen. Bei den Sitzungen dieses Gremiums haben Ver­

treter des Bundesgrenzschutzes und des Zolls Gaststatus. Beschlusse und Empfeh­

lungen finden uber die AG Kripo Eingang in die Diskussion und Entscheidungsfin­

dung bei kriminalpolitischen und kriminalstrategischen Fragestellungen auf der Ebe­

ne des Arbeitskreises der Innenminister und - senatoren der Lander und des Bun­

desministers des Innern (AK II).

Bundesgrenzschutz

Zur Bekampfung der grenzuberschreitenden Rauschgiftkriminalitat fahndet der Bun­

desgrenzschutz im Rahmen der Oberwachung der Grenzen des Bundesgebietes und

der Kontrolle des Personenverkehrs nach illegalen Betaubungsmitteln. Zur DurchfOh­

rung oftener und verdeckter Fahndungsma~nahmen wurden in den Verbrechensbe­

kampfungsinspektionen des Bundesgrenzschutzes "Mobile Fahndungseinheiten

(MFE)" eingerichtet, die an erkannten Brennpunkten flexibel eingesetzt werden sol­

len. Der Bundesgrenzschutz unterstutzt au~erdem die Zollverwaltung bei der Ober­

wachung der Ein-, Durch- und Ausfuhr von Betaubungsmitteln.

Die Bahnpolizei, deren Aufgaben ebenfalls der Bundesgrenzschutz wahrnimmt, wird,

im Rahmen ihrer Zustandigkeit fOr die Sicherheit und den Schutz der Bahnanlagen

und deren Benutzer, ebenfalls zur Bekampfung der Rauschgiftkriminalitat im soge­

nannten "Ersten Angriff' eingesetzt. Bei Sicherstellungen im grenzuberschreitenden

Zugverkehr wird der Zollfahndungsdienst eingeschaltet.

Ermittlungsvorgange des Bundesgrenzschutzes werden dann an die Landerpolizeien

abgegeben, wenn Straftaten aus der originaren Ermittlungszustandigkeit des Bun­

desgrenzschutzes im Zusammenhang mit weiteren Straftaten stehen und das

Schwergewicht der Straftaten insgesamt au~erhalb der Zustandigkeit des Grenz­

schutzes liegt. Zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Bun­

desgrenzschutz setzte die AG Kripo 1997 eine Projektgruppe ein, die bis 1998 Pro­

bleme bei der Zusammenarbeit in der Kriminalitatsbekampfung, insbesondere hin-

66

Page 72: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

sichtlich Zustandigkeitsabgrenzungen und - Oberschneidungen erorterte und Lo­

sungsansatze aufzeigte.

Zoll

Die Bekampfung der Rauschgiftkriminalitat ist seit jeher auch Aufgabe der Zollbehor­

den. Sie haben im praventiven Bereich die ausschlief1liche Zustandigkeit fOr die

Oberwachung und Kontrolle des Warenverkehrs Ober die Grenzen der Bundesrepu­

blik Deutschland. Dabei haben sie vor allem die Einhaltung der bestehenden Ein-,

Aus- und Durchfuhrverbote, u.a. von Rauschgift und von Grundstoffen zur unerlaub­

ten Herstellung von Betaubungsmitteln, sicherzustellen.24

Der Zollfahndungsdienst hat im repressiven Bereich die Aufgabe und die Zustandig­

keit der Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen die bestehenden Ein-, Aus- und

Durchfuhrverbote im grenzOberschreitenden Warenverkehr und somit zur Bekamp­

fung des Rauschgiftschmuggels.25 Zentralstelle fOr den Zollfahndungsdienst und das

Auskunfts- und Nachrichtenwesen der Zollverwaltung ist das Zollkriminalamt (ZKA).

Da die auf dem Drogenmarkt angebotenen Betaubungsmittel, von Ausnahmen abge­

sehen, regelmaf1ig Ober die deutschen Hoheitsgrenzen eingeschmuggelt werden,

ergibt sich bei Verstof1en gegen das Betaubungsmittelgesetz regelmaf1ig eine paral­

lele Zustandigkeit von Polizei- und Zollbehorden. Zur Vermeidung von Informations­

verlusten, Doppelarbeit oder gegenseitigen Beeintrachtigungen bei Ermittlungen ar­

beiten Zoll und Polizei im Interesse einer effizienten Bekampfung der Rauschgiftkri­

minalitat eng zusammen. Bereits 1970 wurde die erste Gemeinsame Ermittlungs­

gruppe Rauschgift (GER) eingerichtet. Zur Zeit gibt es bundesweit 28 Gemeinsame

Ermittlungsgruppen Rauschgift, die sich aus Beamten der jeweiligen Landespolizei

und Zollfahndungsbeamten zusammensetzen. Auf Bundesebene erfolgt die Koordi­

nation zwischen dem Bundeskriminalamt und dem Zollkriminalamt.26

Gemeinsame Operationen von Kriminalpolizei und Zollfahndungsamtern sind heute

durch die institutionalisierte Zusammenarbeit in den Gemeinsamen Ermittlungsgrup­

pen Rauschgift bundesweit und durch die ortliche Kooperation unproblematisch. Per­

sonal, Logistik, Fahndungs- und Ermittlungswissen erganzen sich sinnvoll. Aus poli­

zeilicher Sicht ist die Zusammenarbeit von Polizei- und Zolldienststellen und eine

abgestimmte Fahndungstatigkeit unverzichtbar. Einerseits hat die Zollfahndung in

Teilbereichen weiterreichende gesetzliche Moglichkeiten, z. B. von der Post als Zoll­

gut gestellte Brief- und Postsendungen zu offnen und zu OberprOfen und ggf. an die

Staatsanwaltschaft weiterzuleiten. Andererseits hat die Polizei spezifisches Fachwis-

24 §§ 1,10,14 ZollVG i.V.m. § 21 BtmG. 25 Vgl. §§ 369, 372, 208, 404 Abgabenordnung (AO). 26 Hier wurde die Zusammenarbeit auf den Bereich der Finanzermittlungen ausgedehnt.

67

Page 73: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

sen bei der Bekampfung des Drogenschmuggels auf der Nachfrageseite, wie krimi­

nalgeographische Erkenntnisse oder Daten aus der vorbeugenden Kriminalitatsbe­

kampfung, die der Zoll eigenstandig nicht erheben kann.

1m Zusammenhang mit dem im Juni 1990 verabschiedeten Nationalen Rauschgift­

bekampfungsplan, der die BOndelung der SicherheitsbehOrden zur Intensivierung der

Bekampfung der Rauschgiftkriminalitat vorsieht, findet eine weitgehende Zusam­

menarbeit zwischen Zollfahndungsdienst und Polizeidienststellen auch innerhalb der

Gemeinsamen Finanzermittlungsgruppen27 von Zoll und Polizei statt.

Zur Optimierung der Bekampfung der unerlaubten Herstellung von Betaubungsmit­

teln wurde im Marz 1995 die "Gemeinsame GrundstoffOberwachungsstelle ZKAf BKA

(GOS)" auf Basis des GrundstoffOberwachungsgesetzes (GOG) im Bundeskriminal­

amt eingerichtet. Aufgabe dieser Einrichtung ist es, zu verhindern, daf1 Grundstoffe

und Chemikalien, die zur Rauschgiftherstellung verwandt werden konnen, aus lega­

len Produktions- und Handelsprozessen abgezweigt werden. 1m internationalen Ver­

gleich hat die GrundstoffOberwachungsstelle Vorbildcharakter. Zwischen 1995 und

1998 hat sie in 215 Fallen Sicherstellungen von insgesamt 1.468 Tonnen chemi­

schen Grundstoffen ermoglicht und damit die Produktion von bis zu 680 Tonnen

Rauschgift verhindert.

Da Rauschgiftkriminalitat regelmaf1ig internationale BezOge aufweist, unterhalt

Deutschland mit allen wichtigen Handelspartnern ein dichtes Netz von bilateralen 28

oder multilateralen Abkommen Ober die internationale Zusammenarbeit, die sich auf

wechselseitige Auskunfts-und Ermittlungspflichten beschranken. Die Weltzollorgani­

sation (WCO) hat fOr Westeuropa ein RegionalbOro (Regional Intelligence Liaison

Office, RILO) mit Sitz beim ZKA eingerichtet, dessen Aufgabe im wesentlichen die

regional bezogene Sammlung, Auswertung, Analyse und Weitergabe von Informatio­

nen im gesamten Bereich der Schmuggelbekampfung ist. Hierdurch werden weitere

Erfolge, insbesondere bei der Bekampfung der Rauschgiftkriminalitat erwartet.29

Nachrichtendienste

Der Bundesnachrichtendienst sammelt rauschgift- und geldwascherelevante Infor­

mationen im und Ober das Ausland, die von auf1en- und sicherheitspolitischer Be-

27 Eine personelle Beteiligung der Zollfahndung im Bereich der polizeilichen Finanzennitllungsdienst­stellen besteht in den Landeskriminaliimter von Baden-WOrtlemberg, Bayem, Berlin, Hamburg, Hes­sen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saar1and, Sachsen, Sachsen­Anhalt und Schleswig-Holstein sowie im Bundeskriminalamt. 28 Bilaterale Abkommen hat die Bundesrepublik mit allen westeuropi!lischen Nicht-EU-Staaten sowie mit den USA, Kanada, Ungarn, den Nachfolgestaaten der GUS, Polen und den Nachfolgestaaten des frOheren Jugoslawien geschlossen. 29 Vgl. THIELE, Frank, Zoll als Partner bei der Kriminalitiitsbekiimpfung, in: der kriminalist, 4/99, S. 171.

68

Page 74: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

deutung fOr die Bundesrepublik Deutschland sind.30 Er Obermittelt diesbezOgliche

Informationen dem Bundeskriminalamt oder dem Zollkriminalamt zur Bewertung so­

wie zur Weiterbearbeitung und Steuerung an die zustandigen Stellen. Neben diesen

bereits existenten Aufgaben der Nachrichtendienste auf dem Gebiet der Verbre­

chensbekampfung, gibt es Oberlegungen, diese Kompetenzen, vor allem zur effizi­

enteren OK-Bekampfung zu erweitern.

In Bayern hat das Landesamt fOr Verfassungsschutz seit dem 01.08.1994 die ge­

setzliche Aufgabe, Bestrebungen und Tatigkeiten der Organisierten Kriminalitat zu

beobachten. Die in Bayern gewonnenen positiven Erfahrungen mit der Kompeten­

zerweiterung des Verfassungsschutzes fOhrten dazu, dar.. die Standige Konferenz

der Innenminister und -senatoren der Lander (IMK) 1997 die Arbeitskreise (AK) II

und IV beauftragte, die Moglichkeiten einer Intensivierung der OK-Bekampfung durch

die Einraumung bzw. Obertragung von Befugnissen an die Verfassungsschutzdienst­

stellen im Bereich der Vorfeldermittlungen zu prOfen.

AK II und AK IV richteten daraufhin eine gemeinsame Arbeitsgruppe ein, die der IMK

ihren PrOfbericht vorlegte, der neben der Ausgangslage, rechtliche Rahmenbedin­

gungen, Erfahrungen des Freistaates Bayern und rechtlichen Konsequenzen auch

nationale und internationale Handlungsalternativen aufzeigte. 1m Gegensatz zum AK

II, der die Auffassung vertrat, dar.. eine Obertragung von Vorfeldbefugnissen an den

Verfassungsschutz nicht in Betracht kommt, hielt der AK IV die vorgeschlagenen

Handlungsvarianten fOr verfassungsrechtlich unbedenklich.

Diese unterschiedlichen Auffassungen setzten sich auch bei den Erorterungen auf

der IMK-Konferenz im Juni 1999 in Dresden fort. Wahrend einige Lander aufgrund

der defizitaren Vorfeldaufklarung fOr die Kompetenzerweiterung eintreten, sprechen

der Bund und die Mehrzahl der Lander verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine

solche Erweiterung aus, so dar.. letztlich zu dieser Thematik kein Beschlur.. gefar..t

wurde.

V Fazit und Ausblick

Drogenkonsum und Drogenabhangigkeit sind mit gesamtgesellschaftlichen Auswir­

kungen verbunden. Aus diesem Grunde dOrfen sich strategische Ansatze zur Be­

kampfung des Drogenproblems nicht auf Polizei und Justiz beschranken. Die Straf­

verfolgungsbehorden allein konnen das Drogenproblem nicht losen. Vielmehr gilt es,

"aile fOr die Rauschgiftbekampfung verfOgbaren Krafte zusammenzufassen, auf ge­

meinsam festgelegte Ziele auszurichten und zusatzliche Ressourcen zur Rauschgift-

30 Vgl. § 1 des Gesetzes uber den Bundesnachrichtendienst (BNDG).

69

Page 75: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

bekampfung zu erschlieBen,,31. Daher richten sich die Ziele und MaBnahmen der Be­

kampfungsstrategien auf allen Ebenen grundsatzlich auf die zwei Seiten des Dro­

genproblems: Zum einen gilt es die internationale und hochspezialisierte Angebots­

seite zu bekampfen; zum anderen mOssen praventive MaBnahmen und differenzierte

Hilfsangebote am individuellen Suchtverhalten tatsachlicher und potentieller Drogen­

konsumenten ansetzen, um die Nachfrage nach illegalen Orogen zu reduzieren.

Die Vielzahl der auf internationaler und nationaler Ebene institutionalisierten Koope­

rationsrahmen und Vereinbarungen macht deutlich, daB dem Problem des Rausch­

giftmiBbrauchs und der daraus erwachsenden Bedrohungen fOr Staat und Gesell­

schaft weltweit eine sehr groBe Bedeutung zugemessen wird. In der Praxis ergeben

sich aus der standig anwachsenden Gremienvielfalt jedoch mittlerweile erhebliche

Oberschneidungen von Zustandigkeiten und Aufgaben. Die daraus resultierenden

Koordinations- und Kooperationserfordernisse nehmen nicht nur erhebliche Res­

sourcen in Anspruch, sondern konnen u. U. fOr den Erfolg der einzelnen Bekamp­

fungsstrategien kontraproduktiv sein.

Voraussetzung fOr eine erfolgreiche Drogenpolitik auf nationaler und insbesondere

auf internationaler Ebene wird daher sein, daB es gelingt, die Gremienvielfalt zu ra­

duzieren. Durch eine planvolle Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehorden und

anderer gesellschaftlicher Institutionen die einen effizienten Personal- und Sachmit­

teleinsatz ermoglichen, mOssen Synergie-Effekte erzielt werden. Nur auf diese Weise

wird es langfristig moglich sein, zusatzliche Ressourcen fOr die Rauschgiftbekamp­

fung zu erschlieBen.

Schwierig gestaltet sich die Kontrolle der Rauschgiftkriminalitat auch vor dem Hinter­

grund der Diskussion Ober sozial tolerierte beziehungsweise illegale Orogen, die so­

wohl im nationalen als auch im internationalen Bereich gefOhrt wird.

In der abendlandischen Gesellschaft werden beispielsweise Orogen wie Alkohol

entwicklungshistorisch bedingt eher akzeptiert, beziehungsweise nicht als illegal de­

finiert. Die dem Betaubungsmittelgesetz unterliegenden Rauschgifte gelten nach un­

serer gesellschaftlichen Anschauung als inakzeptabel und sind meist erst im Zuge

der zunehmenden Mobilitat der Menschheit in groBerem Umfang in unseren Kultur­

kreis gelangt. Gleichwohl muB konstatiert werden, daB es auch bei uns zunehmende

Tendenzen zur Legalisierung oder zumindest zur Entponalisierung von sogenannten

weichen Orogen wie Haschisch gibt.

Nachhaltige Erfolge im gemeinsamen Kampf gegen das weltweite Drogenproblem

werden nur dann zu erringen sein, wenn auch im internationalen Bereich zumindest

ein Grundkonsens darOber besteht, daB Drogenhandel und DrogenmiBbrauch mit

31 DER BUNDESMINISTER FOR JUGEND, FAMILlE, FRAUEN UND GESUNDHEIT UND DER BUNDESMINISTER DES INNERN, Nationaler Rauschgiftbeki!impfungsplan, Bonn 1990.

70

Page 76: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

negativen Auswirkungen verbunden sind und aus diesem Grunde eingedammt wer­

den mOssen. In den betroffenen Staaten ist die rechtliche und tatsachliche Bewer­

tung von Phanomenen der Rauschgiftkriminalitat zum Teil jedoch sehr unterschied­

lich. Was im lusammenhang mit Anbau, Handel und Konsum von illegalen Drogen

als Verbrechen gilt, ist, wie oben geschildert, das Produkt der spezifischen gesell­

schaftlichen Entwicklung in ihrem historischen und kulturellen Kontext. Die Verwirkli­

chung gemeinsamer Ma~nahmen zur Bekampfung des Drogenproblems in lusam­

menarbeit mit den Landern, in denen der Anbau und Konsum von Drogen zum Teil

auf eine jahrhundertealte Tradition zurOckblickt oder die wirtschaftliche Situation die

Bereitstellung der notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen nicht zula~t,

gestaltet sich oftmals schwierig, insbesondere dann, wenn die Regierungen von der

Rauschgiftproduktion und dem Handel mit illegalen Drogen profitieren.

Aber auch die drogenpolitische Diskussion in Europa ist durch sehr unterschiedliche

Auffassungen darOber, wie dem steigende Rauschgifthandel und -konsum wirksam

begegnet werden sollte, gepragt. Bei formaler Betrachtung stimmen die Drogenpoliti­

ken der EU-Mitgliedstaaten zwar in den GrundzOgen Oberein. In der praktischen

Handhabung des Drogenproblems gibt es allerdings noch deutliche Unterschiede.

Wahrend die Rauschgiftbekampfung in der Bundesrepublik Deutschland zu einer

moglichst IOckenlosen Unterbindung des iIIegalen Umgangs mit Drogen tendiert,

zeigt die Drogenpolitik beispielsweise in den Niederlanden eher liberale Ansatze,

allerdings in jOngster leit mit einer restriktiven Tendenz.

Langfristig wird ein Einvernehmen Ober gemeinsame Strategien der Drogenpolitik auf

nationaler und internationaler Eben nur zu erzielen sein, wenn diese Strategien an

realisierbaren lielen ausgerichtet sind. Das liel einer drogenfreien Gesellschaft, wie

es im Nationalen Rauschgiftbekampfungsplan festgelegt wurde, ist letztlich unreali­

stisch. Ebensowenig wie es eine Gesellschaft ohne Kriminalitat geben wird, wird es

eine drogenfreie Gesellschaft geben konnen.

Literaturverzeichnis

BKA (1998): Rauschgiftjahresbericht der BRD, Wiesbaden

BMG/BMI (1990): Nationaler Rauschgiftbekampfungsplan, Bonn

Interpol (1997): World Cocaine Report

Schuster, Leopold (1994): Gewalt und Organisierte Kriminalitat, Wiesbaden

Thiele, Frank (1999): loll als Partner bei der Kriminalitatsbekampfung, in: Der Krimi­nalist,4/99:171f

71

Page 77: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Cultural Impact of Prohibition Policies as Consequence of

International Co-operation

Molly Charles 1 & Gabriel Britto2

Abstract: Cultural Impact of Prohibition Policies as Consequence of

International Co-operation

The philosophy of drug abuse-control and combat of drug-trafficking is dominated by

a western perspective. The roots of these approaches can be traced back to early

legal measures that assumed a punitive approach as the main mechanism to control

the dysfunctional drug use in society. The cultural impact of international inspired

law-enforcement policies has been overlooked or even denied.

In India as in certain other Asian countries, cannabis and opium use have been

culturally embedded. Consumption of these drugs occured within a specific social

context and possesses symbolic value. Traditionally, cultural norms restricted the

quantity of consumption. This paper looks at those aspects of drug use in the Asian

settings that have been largely ignored by the present myopic view of drug abuse

management.

Contents

Introduction

The Role of Mind Altering Substances in Society

II The Changed Images in the Indian Drug Situation

III A Broarder Perspective for Relevant Harm Reduction Efforts

IV Conclusion

Bibliography

1 Psychologin, MitbegrOnderin der indischen NGO ,NARC', arbe~et zum Stellenwert des Drogenschmuggels in der Unterwelt von Mumbaillndien, Mitglied des UNESCO/MOST­Drogenforschungsnetzwerkes, [email protected]. 2 Philosoph u. L~eraturwissenschaftler, GrOndungsdirektor der indischen NGO ,NARC', indischer Koordinator des UNESCO/MOST-Drogenforschungsnetzwerkes, [email protected].

73

Page 78: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Introduction

Currently, drug abuse control is largely dominated by the western perspective on the

topic. The roots of this approach can be traced back to early legal measures that

assumed a punitive approach as the main mechanism to control the dysfunctional

drug use in society.

Only a few voices of protest rose against the forceful move to enforce punitive

measures without addressing the shades of grey that grew out of measures of control

of drug consumption and trade. One of the groups that protested and managed to be

heard, to some extent, are those who highlighted the need for harm reduction in the

area of drug demand. This occurred, as HIV became an issue of concern among the

injecting drug users in many parts of the globe. The other group that opposed the

enforcement approach upheld the right of the individual to decide whether or not to

consume drugs. The latter focussed largely on the situation in developed countries.

The role of mind altering substances (MAS), especially cannabis and opium, in

developing countries within the respective cultural context has been overlooked. The

same is true for the use of coca leaves in the Andean countries of Latin America.

This paper looks at those aspects of drug use in the Asian settings that has been

largely ignored by the present myopic view of drug abuse management.

The Role of Mind Altering Substances in Society

In India as in certain other Asian countries, cannabis and opium use has always been

integrated within culture. Traditionally, consumption of these drugs occurs within a

specific context and has a symbolic value. There are many rituals that revolve around

consumption of cannabis/opium, which are as important as the consumption of the

drug itself. Mechanisms of cultural norms restricted the quantity of consumption. The

following paragraphs look briefly at the various functions played by these substances

in certain traditional communities.

Drugs as a Socialising Agent

Celebration of the festival of colour (Hall) is incomplete in India without consumption

of bhanf/. The Holi festival is one of the occasions when the youngsters of

marriageable age get a chance to break free of social norms and mingle freely. In the

process it also becomes a platform to select life partners. All the members in the

community take part in the celebration, except for widows who are not expected to

3 Bhang is a product of cannabis that is drunk. It is made from the tender leaves of cannabis plant. Tender leaves are ground in to a past and then added to milk along with dry fruits & nuts.

74

Page 79: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

have colours on them -widows are expected to wear only white clothes throughout

the year.

The preparation of the drink (bhang) for any celebration is itself ritualised and

strengthens the community bond. To prepare the drink members of a family or caste,

or a circle of friends from the village or the neighbourhood gather in the parlour of

one of them. The process takes an hour or more and this gives time for the members

to share information on friends, family members, price of goods or other issues of

their concern. This group interaction is broadly restricted within certain caste

category, for example, the Shudhra (the untouchable castes) do not join the

preparation process or parties held by the twice born castes (upper caste). The

Shudhra have their own separate parties (Hasan,k, 1975).

Another occasion for use of bhang is during Shivaratd'. It is believed that Lord Shiva

consumed "soma", which is considered to be the "food of the gods". There is a

dispute whether the "soma" referred to in the scriptures means cannabis or

mushrooms ( fly-agaric). Generally, "soma" is considered to be a cannabis product.

During Shivaratri, Bhang is poured on "Shivalinga" a symbol for worshipping Lord

Shiva and the followers of Lord Shiva consume bhang on this day.

Other occasions for consumption of bhang are Durga puja5, Trinath puja and festival

of Kama (Indian cupid). During Durga puja a beverage prepared from the leaves of

the plant is offered to various family members and to guests present on the last day

of the ceremony. Ganja is used as an offering in Tarkeshwar temple on Shivaratri day

and on festivals such as Trinath Puja. In Orissa at Jagnath puri, ganja and bhang

are largely used by the attendants and worshippers of the Lord Shiva. During the

festival of Kama, bhang is drunk by Rajputs of Bandi. In Bombay, the worshippers of

Lord Shiva generally use ganja.

Just as in India, in Nepal, too, cannabis is considered to be the favoured drug of Lord

Shiva. The followers of Lord Shiva use it during the religious festivals and also when

Bhajans6 are sung in the temple area or at pilgrim places. The consumption of

cannabis occurs in group settings and the pipe of cannabis is passed around for

each person to take his turn of the pipe (Fisher,J,1975).

4 Shivaratri is a festival for the celebration of the marriage of Lord Shiva. In the Hindu religion, Lord Shiva is considered to be the destroyer and creator of men. Due to Hindu-mythology, it was Shiva, who swallowed the poison that came out of chuming of the sea, which otherwise would have destroyed the entire mankind. 5 Durga Puja is a religious ceremony for worshipping Goddess Durga. 6 Bhajans are religious functions of the Hindu, where religious hymns(songs) are recited by the group of followers.

75

Page 80: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Cannabis products whether smoked or drunk have always been consumed in a

group. This behaviour persists among many, throughout the country. Almost anybody

can join the group, only in some places the sweeper caste is not allowed to join.

Generally, Ganja/charas is smoked in a chillum, a funnel shaped clay pipe, that has a

small charred fitter at the base. After the pipe is filled with mixture of tobacco and

cannabis, it is ignited using a rope fibre or burnt charcoal piece. The group watches

the entire process of preparation. Each smoker takes a few short puffs to ignite the

fire and then a deep puff and immediately passes on the pipe to the next person. In

this manner, each member of the group gets one or two puffs and several persons

enjoy the substance.

Though a group of persons share a common pipe to smoke tobacco or cannabis,

none of the smokers touch the pipe with their lips. The tubular part of the chillum at

its bottom is held in the right hand with the left hand acting as a support. The

passage between the index finger & the thumb of the right hand is used to cover the

edge of the pipe, while taking the puff. As nobody touches the pipe with his /ips, the

ritual purity of the pipe is maintained (Hasan,K,1975).

The first person to take the puff, offers the smoke to Shankar (Lord Shiva's other

name) by saying "Jai Jai Shiv Shankar, kata /age na kankar'. In doing so, he fortifies

himself as well as others in the smoking party with the knowledge that the great god

creator-destroyer relishes the smoke and prays that the smoke will not give trouble to

their throats.

Discussion of the day-to-day affairs occurs on a continuous basis, while the pipe is

prepared or the members wait for their turn to smoke. The conversation revolves

around social problems, weather, crops, marriage regulations, personal dilemmas

etc. Such gatherings can take place at any time during the day except in the early

morning. After a smoke, one goes back to work, as though after a coffee break. In

Bombay it is also seen that after a day's work cannabis is smoked to relax and

discuss the events of the day. Cannabis is the poor man's alcohol equivalent.

Just as cannabis plays a role in the lives of people in certain communities, in others

opium takes the place of cannabis. In parts of Rajasthan and Gujarat', guests are

offered opium to drink in the cupped palm of the hand by the host as a mark of

respect. It is also used to cement friendship and as a mark of close relationship. At a

time when restrictions on food and drinks were very severe and caste rules forbid a

man from accepting food and water from members of other castes, sharing of opium

was a mark of friendship and trust. This gesture converted enemies into friends

(Masihi,E,et aI, 1994).

7 In Gujarat the drink is called Kaumba Pani, it is a mixture made of opium, water, saffron and cardamon.The opium gum is made into a paste using a wooden pestle made from tree called Kerada. The tree is believed to medicinal qualities which can cure many ailments.

76

Page 81: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

The other occasion for use in Gujarat, among certain castes is during dayaro8. The

host who is usually a landlord (or in the earlier context, ruler) and among those

present would normally be, a Charan9, or servant of the land Lord. The Charan

prepares the liquid and serves it to the assembly. The Charan regales the gathering

with his songs, which contained praise of the host or his ancestors or some warriors

of past or present times. In turn Charan is rewarded by the landlord/ruler for his

songs of praise. On occassions when Charan did not sing the usual songs of praise,

the host got angry but could not punish Charan because of his status in society. Such

get togethers last for hours and so only those who have leisure time can take part in

them. Oayaro is often held by the elite, and the vessels used to distribute the drink

(small metal vessels) reflect the economic and social status of the host. During the

gathering every member of the group has to consume the drink, otherwise it is

considered to be a gesture of insult. After the drink, the members are given tea and

snacks (Masihi,E, et al. 1994).

Opium was also a part of the socialisation process among the royal family. Mothers

took special care to ensure that their sons became used to opium. During those

times, the King married many women, who often conspired to ensure that the throne

belonged to their son. Hence, it was not uncommon for the rival queen to plot for the

death of the nominated heir. In such a situation, the mother of the to be heir, ensured

that her son became so used to opium, so that he would be immune to poisonous

food offered to him (Masihi,E, et ai, 1994).

Drugs for healing and other functions

Products of both cannabis and opium have been used for enhancing health or curing

ailments both for human beings and animals. Various researchers (Fisher,J,1975;

Hasan,K,1975;Chopra,R,N, et al,1965; Khan, et ai, 1975; Masihi, et al 1994 and

Rao,J et a1 ,994) have focused on the use of these products as one of the ingredients

in the preparation of medications in the traditional systems of Medicine such as

Siddha, Unani, Ayurveda and tribal/home remedies. Some of the illnesses for which

opium is used are hydrophobia, delirium tremors, infantile convulsion, asthma,

protracted labour, rheumatism, dysentery, hysteria and gonorrhea. It is also used as

a painkiller, to contain fatigue, strain and general ailments due to ageing. Medical use

8 Dayaro is a assembly of people belonging to the same or similar status. Women do not partiCipate in such gatherings. 9 Charan is a particular caste in Gujarat, who are considered to be sons of Goddess. It is considered a great sin to hurt or kill a Charan. Because of the institutionalised and religiously sanctioned protection they enjoy, they fearlessly tell things to the ruler, however bitter it may appear to the latter.

77

Page 82: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

has been documented in other countries such as Nepal, Pakistan, Srilanka and

China (Charles, M. 1999).

In certain parts of India, opium/cannabis plays an important role in social functions

such as marriage, for sealing a business deal and to facilitate catharsis after the

death of an immediate family member. Psychoactive substances have been used in

India, to deal with harsh life situations, whether man-made or others. Soldiers used it

during times of war, at present the government supplies unlimited quantity of liquor

instead. In order to survive harsh desert climatic conditions, opium is consumed by

man and also given to camels and horses during long journeys through the desert.

(Charles,M, 1999).

The social status of the user

Until recently, a cannabis or opium user was not stigmatised or marginalised. The

present concept of an addict does not fit into the traditional societies understanding

of a cannabis/opium user. The use by and large occurred within the sanctioned

religious/ social/medical context. Consequently, it was rarely a frequent occurrence in

a person's life. Even when an individual used excessive quantity of cannabis, he was

called at the maximum a ganjari, a person who uses cannabis in excess, but it was

not seen as a seriously objectionable behaviour (Fisher,J,1975, Chopra,R,N, et al

1965).

In Nepal and India, excessive use by Sadhus10 is accepted as a part of life. People

grew cannabis plants close to their houses, so that they could pluck and offer it to

any sadhu who passed by. The use of the drug was supposed to facilitate the sadhus

to concentrate and meditate even in harsh environmental conditions (Fisher,J, 1975).

In Rajasthan and in Gujarat opium use always was an accepted behaviour. The

person who could consume large quantities of opium was respected and given high

status in society. Since opium was expensive, only the rich could afford to consume it

in large quantities. Thus, a high consumption and a better social status were directly

linked. A person who consumes large quantity of opium is called a Bandhani (literally

means, a person who consumes opium excessively),; a Bandhani is being respected

by his community whose members seek his advice on important matters and discuss

their problems with him. A Bandhani is supposed to be generous person. (Masihi,

E,et ai, 1994).

10 Holy men.

78

Page 83: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

II The Changed Images of the Indian Drug Situation

Shifts in the drug consumption pattern

In certain parts of India, especially the tourist spots, the shift in use of drugs began in

the sixties as a result of the exposure to hippie sub culture. Initially, the influence was

restricted to the elite youth who intermingled with foreigners. Thus, the sudden

demand for the substances such as cannabis, by a clientele willing to spend in

dollars, stimulated the local sellers to enhance their profit margin in the drug

business. A similar situation could be observed in Nepal, where the prices rose from

US$ 15 per kilogram to US$ 70 per kilogram. Since the cannabis produced in Nepal

is considered to be of good quality, the export of the drug increased and India

became one of its main importers.

Traditionally though, both in India and Nepal, cannabis has been used only at

specific occaisons and held symbolic value, both in the religious and the social

context. This changed with the influx of tourists. Some of the elite youth began to

associate cannabis use with sophistication and expression of rebellion which was

different from their earlier perception of the drug, where boys would sneak a few puffs

in a similar manner as their American collegues used corn silk cigarettes behind the

barn. The western idea of cannabis use had nothing in common with use of cannabis

by sadhus and bhajan singers and the new usage could not be controlled by the

orderly regulatory mechanisms established by tradition (Fisher,J,1975).

From the seventies to the mid eighties the situation changed further. The political

change in the nearby countries (Afghanistan, Pakistan and Iran) made it necessary to

find new trade routes for drug trafficking and India became an important transit route

for heroin. In addition to this shift, the introduction of the 'Narcotics and Psychotropic

Substances Act' (NDPS), in 1985, ensured that the mechanism of regulatory control

evolved by tradition was disturbed, especially in urban settings. The enforcement of

the new legislation that did not consider the existing cultural norms left a negative

scar on the drug scene in many parts of the country.

The petty sellers of cannabis and opium found it difficult to continue their business

and heroin began to be marketed in the streets. In Bombay as a result of the new

legislation, the acceptable trade suddenly was criminalised and many did not want to

be dealt as criminals by the police. Thus, some of them stopped the business and

others shifted their trade to heroin. This shift facilitated them to conduct their

business with higher income thus giving them the capacity to bribe the police. Heroin

had an edge over both cannabis and opium with regard to its increased profit margin.

Besides, heroin is easier to hide and sell, because it is less bulky and odourless. In

79

Page 84: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

many instances, new traders who were willing to do anything for a fast buck came

into the scene (Charles,M, et ai, 1999).

One of the main strategies used by peddlers was to market heroin as a substitute for

cannabis/opium with similar effects. Initially, the drug was given free of charge or at a

minimal price. The police repression had put the peddlers in more powerful position

with regard to the cannabis and opium users. In other instances, heroin was given to

users of cannabis mixed with their regular drug; either they consumed it without even

knowing or on the assumption that it was similar to cannabis, only a bit more

powerful.

For the 'illegal' user the shift to heroin is safer, in case he wants to consume in public

without being caught. Unlike cannabis/opium, heroin could be mixed with tobacco

and smoked as an ordinary cigarette without emitting a strong odour like the other

drugs. Initially, smoking heroin was the common mode of consumption, but soon it

became too expensive to sustain. Users needed an ever increasing dosis and

physical addiction made it difficult to discontinue. At first, this led to using aluminium

foils to consume the drug (Charles.M, et al,1999).

Though the pattern of group-use continued in the case of heroin, it never gained any

foothold within the communities and their rituals of cultural reproduction. The drug

never found any support among traditional cannabis/opium users, who tried to

continue with their earlier drug of choice. Heroin is known as a foreign drug in the

community, among users of other substances and among heroin users themselves.

The consumption of the new drug remained a hidden affair. It is only when the habit

becomes too expensive to continue that the family is confronted with such individual

use. The community only becomes aware about a person's drug use, when the user

reaches the streets.

The impact of cannabis/opium and heroin on the users is quite different: even a daily

use of cannabis/opium does not create major problems, the users live comfortably till

their old age; whereas youth who consume heroin, fall sick faster and become totally

dysfunctional. Users of opium may seek care in their mid fifties or late forties, heroin

users seek care in their twenties. The early disruption of live disturbs the career and

the learning of skills to be productive member of society, whereas this rarely happens

to a cannabis/opium user. The distinction is being reflected by the fact that many

communities ask heroin users to give up heroin and shift to cannabis, as a harm

minimisation strategy (Masihi,E,et ai, 1994; Charles,M, et ai, 1994).

80

Page 85: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

The changing profile of drug sellers and enhanced economic benefit

Although opium cultivation existed in India prior to the British, it was only under their

regime that it was cultivated and sold in a systematic manner in order to ensure a

maximum profit to the crown, either through tax or revenue. Nowadays, the

perception of drug trade/sales as an important source of income is only two decades

old. Subsequently, during the hippie movement and the shift of the drug trade route,

it became a viable business venture. However, the increased and unimaginable profit

margins only came into existence after the total banning of all substances in 1985.

This led to the introduction of completely different types of sellers entering the field of

drug trade. During the earlier times, the sellers were local persons known to the

community and they were not considered to be antisocial elements. With the banning

of all substances, only those who had nothing to loose and wanted to make a better

living at any cost took on the occupation. They evolved different strategies to ensure

that their business was sustained and thrived. Their modus operandi includes the

willingness to bribe the police and to take risks of being arrested. Unlike earlier days,

where cannabis/opium would be given free in certain instances, this became non­

existent in the new manner of business undertaking. Instead, they indirectly

encouraged the users to barter stolen expensive goods for their quota of heroin.

Thus it became a pure matter of economics and no limits existed in expansion other

than the hurdle of being caught and the stiff competition for better and regular clients

(Charles,M, et al,1999). In order to sustain their business, peddlers even inform the

police about competitors, only to gain a small advantage.

The role of gender in the drug business is an important issue, too. Traditionally,

family members sold cannabis and opium besides other goods, it rarely became their

sole means of income. Hence, depending on the convenience, one member or the

other managed the show. This changed, after the substances were banned: initially,

only male members remained in or entered the now illegal business. Later, when the

males realised that one way to contain police-trouble was to apoint female family­

members to assume, more and more women began to enter the trade. Additionally,

the employment of children grew common, since court-charges for minors are less

severe. Great caution is taken in the selection of assisting persons by the peddler, as

the person can easily run away with the drug money or drugs. Frequently, those used

for this purpose are close associates or relatives of the peddler.

81

Page 86: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

The changing status of drug users

The perception of cannabis/opium users began to change with the exposure to the

western understanding of the drug problem. In Nepal, in the sixties, the middle

classes began to feel threatened as they observed the use of cannabis by the youth

in line with the hippie culture. A habit, to which they never gave any importance

became difficult to accept within the new social context. With those new forms of use

of traditional drugs, a slow shift of the status of users began in the eyes of the

professional and subsequently of the urban public. In Pakistan, for example, in spite

of the knowledge that culturally embedded use of cannabis does not lead to harm

(physical or mental), the middle class public began to perceive it as deviant

behaviour; this as a result of exposure to western literature and understanding on the

subject (Khan,M,A,et aI, 1975).

Unlike Bandhani, who used to be respected by his community, the present day opium

user hides his habit. Opium consumption has lost its legitimacy and respectability

with the NDPS Act banning the use of all psychoactive substances. The earlier elitist

behaviour came to be a deviant one in the eyes of the law. Slowly, it became part of

a wider criminal setting. Though consumption of opium did not disappear, there is a

distinct change in the behaviour of drug users. Gone are days of the high social

status enjoyed by bandhani. Nowadays, opium consumption has become a closed

door affair (Masihi,E, et a/1994).

Especially in urban areas, a drug user is a highly stigmatised and marginalised

individual. Since heroin/crude brown sugar is an expensive habit to sustain, its users

reach the streets rapidly. With hardly any family or community support, their need for

drug money pushes them frequently towards deviant and criminal groups. Through

the process of alienation from earlier support structures, they began to live on the

streets with hardly any personal hygiene. In the eyes of the public, a drug user

became a person who is unhealthy, filthy and anti-social. Generally, they are being

chased away by the public and taunted by labelling them "Gardula" (drug addict);

they end up huddling as a group in vacant spaces, often close to garbage bins, open

toilet areas and near railway tracks. This further enforced the stigmatisation of drug

users (Charles,M, et a/,1994).

Increased risks in drug use

With the banning of consumption of psychoactive substances, the risks associated

with drug use increased. Criminalisation of drug use pushed the habit underground

and all the earlier forms of control through cultural mechanisms became irrelevant. At

82

Page 87: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

every stage the user became exposed to far more risks, even for a cannabis and

opium user it became difficult to obtain his drug outside the criminal network. Another

hurdle faced by users of cannabis/opium is that now it is easier to obtain heroin/crude

heroin and pharmaceutical drugs, than the drug of their choice. Since purchasing any

drug bears the dangers to be arrested, middle class users often establish close links

with street level users who would procure the drug for them (Charles,M, et ai, 1999).

Drug users, by and large, continued to consume their drug as a group, and since

they are marginalised, the choice of location for consumption became hard to come

by. This resulted in them choosing unhealthy locations, which led to increased

exposure to diseases, especially in combination with their erratic eating habits. Often,

they choose risky locations, such as railway tracks and suffer accidents, frequently.

Group consumption leads to further dangers with the introduction of injecting

behaviour in certain urban settings. The sharing of injecting equipment is not only a

matter of availability of clean equipment, but becomes inevitable, during the initial

period. More often then not, the first time injector is initiated into injecting behaviour

by another injector demonstrating the ease with which it can be performed. The

experienced user injects the novice for the first few occasions. If the novice belongs

to a group, then chances are very high for the others to become injectors as well. It is

only when the user has learnt the art of injecting himself that he tries to get his own

equipment. Another reason for direct or indirect sharing of equipment is for

economising on drug expenses. The group together pools in the money for the drug

and each person gets his quota of drugs. In addition to this, there is a tendency

among injectors to draw in the blood and then re-inject in order to reconfirm that the

drug is being injected directly into the blood stream. This habit ensures that any

infection can be spread faster, when the equipment is shared (Charles,M, ,et a/

1999).

Another area of risk is being found to be in possession of the banned substance.

During the initial period immediately after the implementation of the NDPS Act in

1985, mainly small-scale users got caught under the Act. The procedure of

disbursement of justice in India ensured that they spent years as 'under-trials' before

being set free or being convicted. Often, by the time the case came for hearing, the

person had already spent four-to-five years in prison, being exposed to criminal

networks and other dangers.

It is a matter of great concern that as a result of the new law, even in areas where

only traditional forms of drug use existed, use of heroin by older opium users has

been noted. This occurs partially due to the greater profit margin of heroin-trade at

the street level. Another factor that indirectly contributed to the harmful effect was the

83

Page 88: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

fact that the drug abuse intervention programmes based their approach on western

models without any adequate adaptations to the local reality. As a result, the cultural

use and cultural norms of control were portrayed as unhealthy deviant behaviour. It is

only when the agencies noted years later that older opium users were consuming

heroin instead of opium that they realised that their programmes had backfired.

III A Broader Perspective for Relevant Harm Reduction Efforts

Since the west has always enjoyed the role of being imperialists in their relationship

towards developing countries, the evolution of drug abuse management policies and

present forms of intervention in that field only reflect more of the same. There was

hardly any debate as to the role of cultural norms in the curtailment of drug use. The

role of culture was by and large viewed as weirdness of alien culture. The west

ignored the similarity between cultural use of cannabis/opium in Asian countries and

alcohol use in western societies. Though cannabis use has a religious and symbolic

value, it was pushed under the carpet and the western viewpoint was pushed down

the throats of the members of other cultures.

The fact that cannabis is and has always been the poor man's liquor has to be

acknowledged nationally. Unfortunately, this is neither in the interest of tax collectors

nor of the liquor lobby. The revenue statistics of liquor taxes of the Government of

Maharashtra can serve as a illustrative example: between 1947 and 1997 it grew

from a mere 30 million Indian Rupees to 120,000 million Indian Rupees (Britto et at,

1998). This occured despite the fact that nearly half the State was separated and

made as Gujarat which opted for total prohibition of alcohol in the name of Mahatma

Gandhi. Though the prohibition policy has been consistently in place in the new State

of Gujarat, 58 % of the patients seeking treatment in thirteen de-addiction centers are

still alcoholics (Masihi,E,1997). In Rajasthan, liquor drinking was never popular. But

opium drinking was. After the major campaigns by honest drug demand experts,

today, every village has a liquor shop and crude heroin has spread widly, much to the

chagrin of the specialised agencies. It is not at all amusing to note that several major

anti-drug-campaigns in India are funded by liquor companies.

One of the clear adverse impacts of the described approach which are to be

observed across India is on the profile of users. Whereas opium addicts are brought

to the treatment centers by their children, heroin addicts are brought by their parents.

While earlier the person got initiated into drug use at the age of mid twenties and

continued to be a functional member of the society till mid fifties (Maishi,E,et ai, 1994),

now the users begin in their teens and become unproductive in a matter of a few

84

Page 89: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

years (Charles,M, et al 1999). Given the fact that the life span of males is not beyond

sixty years in rural India, opium/cannabis had hardly any effect on its life long users.

In Pakistan, it was noted that cannabis use in its different forms did not create

significant abnormalities among its users. The users selected for the study were

males who had been using the SUbstance for over twenty years. The researchers

noted that users of cannabis started using the drug in a similar manner as an

average American consumed alcohol. According to the study, the cannabis use did

not lead to criminal offences nor to social, work-life or family breakdowns (Khan,M,A,

et ai, 1975).

Fortunately, culture cannot easily be wiped out: in many parts of the country, people

have learnt through experience that Bhang/marijuana/opium have nothing in common

with heroin, though the law may club them together. But the anti-drug-Iegislation has

left its scar on the trade of cannabis/opium at the street level: it is very difficult to

obtain good quality marijuana/opium in urban areas, whereas hard drugs are easily

accessible. It has been observed that even religious places that sell bhang (Rs.1 a

ball of bhang) had to discontinue their service because of police interference.

The impact on Traditional Systems of Medicine

While the Single Convention and the national laws permit the use of opium and

cannabis products for medicinal purposes, there are hardly any regional, let alone

rural depots of the Government to supply opium or cannabis to traditional medical

practitioners and senior citizens - especially women who are the main care givers at

home. The process of applying for legal supply of opium and cannabis is so tedious

and requires the filling in of inumerous official forms and travels, that traditional rural

medical practitioners are being excluded from such a legal option. At the same time,

the governmental public health system hardly accounts for 20% of the population,

leaving 80% to the traditional medical practitioners who are the anchors of health

care in most parts of India even in this millenium. Thus, when we discuss harm

minimization, we are talking of damage control to Traditional Systems of Medicine.

This is one of the most harmful outcome of the NDPS Act. There is little public

discussion on such serious ,side-effects' of outwardly induced policies. Obviously, the

NDPS Act suits the pharmaceutical industry.

For the guarantee of public health it is essential that traditional medical practitioners

and their medical systems are not being extincted by an undifferentiated 'war on

drugs' ideology. Since traditional practitioners do not pass their formulae to paper but

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Page 90: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

within an oral culture from the teacher to the student, the current development may

destroy centuries of cultural wealth and knowledge.

The rise of addiction to pharmaceutical drugs

Recently, addiction among women in India presents itself as a hidden affair mainly

because they take pharmaceutical drugs such as calmpose and pain killers

individually. The prohibitionist policy being implemented has forced a large number of

addicts to take buprenorphine in addition to heroin (Shetty, et aI., 1997) to contain the

cost of their addiction. In North East India and in several pockets in Mumbai caugh

syrups have become popular, too.

The needle-exchange-programme

The Indian Council of the Medical Research-World Health Organisation undertook a

pilot project on needle exchange in North-East India where Thai No.4 white heroin is

widely available and where injecting drug use is common. Since there were many

other projects and actors in a small town of 50.000 households, the practical details

of how to run a harm reduction programme could not be properly worked out.

In 1987, ADAMHA (Alcohol, Drug Abuse and Mental; Health Administration of the

USA) and NIMHANS (National Institute of Mental Health and Neuro Sciences,

Bangalore, India) held a major workshop to launch a methadone maintenance

programme in India. The Official Indian position was that since India possesses a

large opium stock, there was no pOint in spending precious foreign exchange in

importing methadone. It was recommended that addicts should be placed on opium

tincture instead of methadone. Even though, the rules under the NDPS Act provides

for the maintenance of addicts on opium and cannabis, this nationally adapted

solution has never been implemented. Instead, a needle exchange programme with

serious limitations was adopted: it waits till the user reaches the last stage of

addictive behaviour to think about harm minimistaion. It is cynical to assume that 60

million cannabis and 10 million opium users will first switch to pure (Thai No.4 heroin)

or crude heroin, then let them start injecting for being able to integrate them to needle

exchange programmes. What is needed is a systematic approach to stabilize

cannabis/opium users as cannabis/opium users despite of their exposure to and the

availability of heroin.

86

Page 91: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

IV Conclusion

There is a serious need to analyse the implications of coercive intrusion by global

legal concepts in the cultural way of life of local communities. Where should state­

intervention end and respect for cultural norms begin? Prevention specialists should

abandon the strategy of criminalisation and stigmatisation and allow for the re-entry

of addicts into the social mainstream. In the Indian context, harm minimisation should

begin with the recognition of the cultural use of psychoactive substances. In places

where cultural use persists, attempts to fight them should be stopped. In the case of

hard drugs, the focus needs to be on the prevention of the shift to the injection of

heroin. Unless the strategy to deal with drugs in India will be changed now, injecting

will become the main method of drug consumption, and the use of heroin by older

opium users will become a common feature. After all, there is no law that could

control pleasurable behaviour, be it drug use or expression of sexuality. Cultural

norms evolved through decades of trial and error that managed to regulate large

scale drug-abuse for centuries; would continue to do if we stopped tinkering with

them.

Bibliography

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87

Page 92: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

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Masihi, E, Desai,D.(1994): Culture and Drugs in Gujarat, NARC, Bombay (unpublished)

Rao, J. (1994): Cannabis and Culture in Karnataka, NARC, Bombay (unpublished)

Shetty, H., Bachhav, R. (1996): The Rise in addiction to pharmaceutical drugs, paper at the National Convention of NGO's University of Pune 12/96, New Delhi

88

Page 93: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Die BlUten des Verbrechens: Das Beispiel Thailand1

Guilhem Fabre2

Abstract: The Prosperity of Crime: The Example of Thailand

The process of money laundering represents the most important interface between

legal and illegal economy. Up to which point money-laundering activities actually

destabilize financial markets and foster all forms of corruption, thereby jeopardizing

democratization-processes, the author discusses at the example of Thailand. Adding

this dark side of globalization, deregulation of financial markets appears in a new

light.

Inhalt

EinfOhrung

I. Krise und Geldwasche in Thailand: Die Paten aus der Provinz beim Sturm auf

Bangkok

II. Geldwasche und deregulierte Finanzmarkte

III. Das thailandische Finanzsystem

IV. Schlur..bemerkung

Literaturverzeichnis

1 Die Lateinamerikanistin Rita Hoppe aus Berlin ubersetzte den Text aus dem Franzosischen. 2 Guilhem Fabre, Sozi06konom und Sinologe, lehrt an der L'Universite du Havre in Paris, forscht in Sudostasien und ist Mitglied des UNESCO/MOST - Drogenforschungsnetzwerkes. [email protected].

89

Page 94: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

EinfUhrung

Diese Studie charakterisiert die Geldwasche in Thailand und ist Teil des Buches

"Les Prosperites du Crime: Trafic de Stupefiants, Blanchiment et Crises Financieres

dans L'Apres-Guerre Froide" (UNESCO/Edition de l'Aube, 1999), "Die BIOten des

Verbrechens: Drogenhandel, Geldwasche und Finanzkrise nach dem Kalten Krieg".

Es handelt sich um eine neue Interpretation der soziookonomischen Wirkungen der

Geldwasche und damit auch des Drogenhandels auf den Globalisierungsprozer.,

nach dem Kalten Krieg.

Um die Dynamik dieses Prozesses verstehen zu konnen, ist es sinnvoli, an den hi­

storischen Hintergrund der inzestuosen Beziehung zwischen Opium und der Koloni­

sierung Asiens im 19. Jahrhundert anzuknOpfen. Es geht um eine Zeit vor dem Dro­

genverbot und wahrend der damaligen "Globalisierung" von Handel und Devisenge­

schaften, die durchaus mit der Ara nach dem Kalten Krieg vergleichbar ist: Mit der

massiven Ausweitung des Opiumhandels seitens der Englander seit 1830 erfuhr das

regionale wie internationale Drogenangebot ein exponentielies Wachstum. Zusam­

men mit der Konkurrenz unter den Handlern trug es zum Preissturz und zur Kon­

sumsteigerung bei. Der "kriminelien" Okonomie gelang es, sich wahrend des Opi­

umkrieges mit Gewalt und schlier.,lich dank der Macht der Korruption durchzusetzen,

bis letztere zu einem wesentlichen und gar unerlar.,lichen Bestandteil der realen

Okonomie wurde, die die Finanzierung des Staates sicherte und gleichzeitig zur Re­

produktion des Systems beitrug.

Die Dynamik der Geldwasche der rechtswidrigen Okonomie, des Drogenhandels

und weiterer Spielarten des organisierten Verbrechens scheint heute vergleichbare

Konflikte hervorzubringen: Konzentrierte sich die Geldwasche bis Ende der 1980er

Jahre vornehmlich in den westlichen Landern und ihren "Offshore"-Zweigstelien,

entwickelte sie spater - mit der Deregulierung des Handels und der Verstarkung des

legalen Rahmens in den Landern des Nordens - die Tendenz, sich auf die postkom­

munistischen und die Lander des SOdens auszudehnen. Aber anders als im

19.Jahrhundert, als die Geookonomie und die Geopolitik der Droge konfliktive zwi­

schenstaatliche oder okonomische Beziehungen bilateraler Art schafften, wie zwi­

schen England und China, verstarkt heute die Integration der Finanzmarkte die

destabilisierenden Wirkungen der Geldwasche auf globaler Ebene.

Elemente, die heute zur fortschreitenden Kriminalisierung der Okonomie auf Weltni­

veau beitragen, sind: die gegenseitige Durchdringung der schwarzen und der grau-

90

Page 95: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

en Wirtschaft im Schmelztiegel der "Offshore"-Markte, die spekulativen Tendenzen,

die die Geldwasche hervorbringt, und die Anziehungskraft, die sie auf den interna­

tiona len Finanzhandel ausObt, der keine anderen Gesetze ken nt, als das der Selbst­

regulierung durch den Markt und dessen periodische Krisen. Die "aufstrebenden

Lander" sind heute am meisten bedroht, insofern als die Politiken der Deregulierung,

der Liberalisierung der Kapitalstrome und der Privatisierung der offentlichen Mono­

pole (z.B. in Thailand u. Mexiko) ideale Bedingungen fOr die Wasche des schmutzi­

gen Geldes in einem Kontext der Entwertung des gesetzlichen Rahmens bieten. In

diesem Sinne verseucht der ,Virus Geldwasche' heute das ausgedehnte Programm

der Handelsglobalisierung, das zum Ende des Kalten Krieges lanciert wurde.

Die Ara nach dem Kalten Krieg scheint das historische Modell des 19. Jahrhunderts

im neuen institutionellen Kontext des post-kommunistischen Obergangs zu reprodu­

zieren, der die Kriminalisierung der Wirtschaft durch das Auftauchen einer bastardi­

sierten Marktwirtschaft begOnstigt. Hier koexistieren herkommliche Begriffe von Pro­

fit mit einem nicht mehr vorhandenen Wettbewerb sowie starken lokalen okonomi­

schen und institutionellen Monopolen - vielgestaltige Gewaltmonopole oft einge­

schlossen.

Der Fall China, der in seinem Obergang zur Marktwirtschaft mit dem restlichen ex­

kommunistischen Block vergleichbar ist, zeigt uns im Detail die sozialen und okono­

mischen Wirkungen der Ausweitung von Drogenhandel und Heroinsucht in den

Neunzigern. Den konservativsten Schatzungen zufolge sind wenigstens 2,5 Millio­

nen Menschen mit einem Jahreskonsum von 40 Tonnen Heroin davon betroffen.

Dieser Fall iIIustriert auch die geopolitische Dimension des Drogenhandels; bei­

spiel haft sei hier die enge Beziehung zwischen China und Burma angefOhrt.

Wenden wir uns der okonomischen Dimension zu, so ist das Ausma(.l, der Geld­

wasche ein guter Indikator fOr die Wirkung des Drogenhandels. Da Schatzungen auf

globaler Ebene (zwischen 120 und 400 Milliarden US$) mit Vorsicht zu genie(.l,en

sind, ist es sinnvoller, die qualitative und quantitative Wirkung des Drogenhandels

und der Geldwasche auf nationaler Ebene genauer zu berechnen.

Quantitativ scheint Geldwasche ausschlie(.l,lich in Verbindung mit Drogenhandel im

allgemeinen von geringer Bedeutung fOr das Bruttosozialprodukt zu sein, so im Fall

von Ru(.l,land, Japan, China und Thailand. Dies gilt nicht fOr Mexiko, wo die Nahe

zum au(.l,erst lukrativen US-Markt die Wasche von Drogengeldern stimuliert.

91

Page 96: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Ein ganz anderes Bild zeigt sich, sobald wir die Profite aus dem Drogenhandel zu­

sammen mit anderen illegalen Aktivitaten betrachten, die von denselben kriminellen

Netzwerken betrieben werden. Wir denken hier an: iIIegales oder legales GIOcks­

spiel, Prostitution und Handel mit Arbeitskraften, Waffenschmuggel etc .. In diesem

Fall reprasentieren die kumulierten Profite aus der Schattenwirtschaft haufig einen

bedeutenden Teil des offiziellen Bruttosozialproduktes. 1m allgemeinen ist dieser

Anteil in den armeren oder in den post-kommunistischen Landern grol1er, was ver­

schiedenen Faktoren geschuldet ist, wie dem Verfall der "terms of trade", der

Schwache der gesetzlichen und institutionellen Rahmenbedingungen, der Tolerie­

rung der informellen Wirtschaft und der weit verbreiteten Korruption. Daher kann die

Schattenwirtschaft eine unleugbare Wirkung auf das legale Wirtschaftsleben aus­

uben.

Auch unter qualitativen Gesichtspunkten wird diese Wirkung im allgemeinen igno­

riert oder unterschatzt. 1m Gegensatz zur herkommlichen Einschatzung, die daran

festhalt, dal1 Geldwasche einen keynesianischen Effekt auf Investition und Konsum

und durch die Repatriierung der externen Profite des Drogenhandels einen positiven

Einflul1 auf die Zahlungsbilanzen hat, zeigen die Fallbeispiele des Buches "Die BIO­

ten des Verbrechens" die negativen Wirkungen von Geldwasche auf Volkswirt­

schaften, die deren Strategien von kurzfristigen und spekulativen Investitionen ge­

schuldet sind. Letztere konnen einen entscheidenden Einflul1 auf die Finanzkrise

haben, indem der Wettbewerb verzerrt und die Spielregeln unmerklich geandert

werden. Dieser Punkt wird im anschliel1enden Artikel am Beispiel Thailand entwik­

kelt, das beispiel haft als Katalysator der Asienkrise vorgestellt wird.

Krise und Geldwasche in Thailand: Die Paten aus der Provinz beim

Sturm auf Bangkok

Nach einer Studie unter der Koordination des thailandischen Experten in Sachen

Korruption, Sungsidh Piriyarangsan von der Universitat Chulalongkorn, erreicht die

Geldwasche in der thailandischen Okonomie grol1ere Dimensionen. Den sechs iIIe­

galen Bereichen: Kuppelei, Waffenhandel, Kohlenwasserstoffschmuggel3, Glucks­

spiel, Handel mit Arbeitskraften und Drogen erbringen den Gegenwert von 11 bis 18

Milliarden US Dollar im Jahr; das sind 8 bis 13% des Bruttosozialprodukts von 1993

bis 1995. Der Bereich mit der grol1ten illegal en Beschaftigung ist das unerlaubte

GIOcksspiel, das 4 Millionen Menschen beschaftigt und urn die 8% des Bruttoinland­

produktes (BIP) reprasentiert. Die Kuppelei betrifft zwischen 150.000 und 200.000

3 Grundstoff zur Herstellung von Kokain

92

Page 97: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Frauen und wirft wenigstens 4 Milliarden US$ pro Jahr oder 2% des BIP abo 1m Ver­

gleich mache der Drogenhandel, aile Produkte zusammengenommen, kaum mehr

als 1 Milliarde US$ (PongpaIchit u.a., 1998:2-8,45) aus. Diese letzte Schatzung ent­

spricht zweifellos nicht der Realitat, da sie den internen Markt (200.000 HeroinsOch­

tige, 250.000 Konsumenten von Amphetaminen, mehr als 300.000 Konsumenten

von Marihuana) sowie die Heroinexporte zu GroBhandelspreisen nicht berOcksich­

tigt. Die auf Feldforschungen im ganzen Land beruhende Studie von Sungsidh Pi­

riyarangsan unterstreicht die beachtlichen Dimensionen des organisierten Verbre­

chens und der lokalen Geldwasche; er stellt die aligemeingOltige Vorstellung in Fra­

ge, nach der der Rauschgifthandel die Hauptquelle des Schwarzgeldes in Thailand

sei und betont stattdessen die vielfaltigen Verflechtungen der unterschiedlichen

Branchen organisierter Kriminalitat. Um die systemischen Bande besser zu verste­

hen, die zwischen den legalen und den rechtswidrigen Spharen geschaffen wurden,

ist es hilfreich, auf die lokalen politischen Institutionen zurOckzukommen.

Die Rolle des Staates und seiner Reprasentanten ist entscheidend fOr das Ver­

standnis organisierter Kriminalitat als gesamtgesellschaftlichem Phanomen. Das

thailandische politische System ist seit 1945 bis Mitte der achtziger Jahre von der

Rivalitat zwischen militarischer und ziviler BOrokratie bestimmt, die sich die Ein­

kOnfte aus der Korruption teilen (Piriyarangsan u. PongpaIchit, 1996). Die Dynamik

dieser kulturell akzeptierten Einkommensbeschaffung dominiert den Komplex der

offentlichen Auftrage und der militarischen Materialkaufe. Die politische Klasse be­

reichert sich bis heute im Stile des Marschall Sarit, Premierminister von 1957 bis

1963, dessen personliches Vermogen sich auf 42% des Staatshaushaltes belief.

Die zivile wie die militarische BOrokratie werden als ausgesprochen thailandische

Organisationen wahrgenommen. 1m Gegensatz dazu ist die Geschaftswelt von

Thailandern chinesischer Herkunft dominiert, deren Mehrzahl aus dem Distrikt

Chaozhou (Teochow) in der Provinz Guangdong stammt. Die ca. 10 Millionen "Sino­

Thais", die ein Sechstel der Bevolkerung ausmachen, beherrschen den GroBhandel,

die wichtigen Banken und die privaten GroBunternehmen der GroBregion Bangkok.

Sie genieBen den zu vergOtenden Schutz der zivilen und militarischen BOrokratie,

mit der sie haufig durch u.a. verwandtschaftliche Allianzen verbunden sind. 1m Nor­

den des Landes werden die "irregularen chinesischen Krafte", die von den nach

1949 vertriebenen Kuomintang-Truppen obriggeblieben sind, gemaB einer still­

schweigenden Obereinkunft toleriert. Demnach schOtzen sie das Land gegen die

kommunistische Expansion und Oben im Gegenzug die Kontrolle Ober den rechts­

widrigen Grenzhandel aus, der von Heroin und Edelsteinen dominiert ist. In den

siebziger Jahren wurden die "irregularen chinesischen Krafte" der direkten Kontrolle

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Page 98: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

des Generalstabs von Bangkok unterstellt. Damit konnte jeder Versuch einer auto­

nomen Einkommensbeschaffung seitens der Minoritaten in den Bergen unterbunden

und die Neuverteilung der Narkoprofite institutionalisiert werden.

Mit der innenpolitischen Stabilisierung und regelmaBigeren Wahlen ab 1979 kann

eine neue Gruppe okonomischer Eliten aus der Provinz, die jao pho - allgemein mit

"Paten" Obersetzt - ihren EinfluB insoweit entfalten, als 90% der Parlamentssitze von

den Regionen beschickt werden. Der sehr ungleichmaBige Demokratisierungspro­

zeB erweist sich so als ein politisches Aufholen der Provinzen, was im Kontrast zu

ihrem okonomischen ROckstand steht: Wah rend letztere nur ein Drittel der Unter­

nehmen auf sich vereinigen, konzentriert sich in der GroBregion Bangkok mit nur 15

% der Bevolkerung die Halfte des Nationaleinkommens. Dieses Ungleichgewicht

begOnstigt in den folgenden zwei Jahrzehnten den Aufstieg der "Paten" zu einer

Gruppe in der thailandischen Politik, die kaum zu umgehen ist. Die meisten jao pho

sind aus der zweiten oder dritten Generation chinesischer Immigranten hervorge­

gangen und stammen, ahnlich den anderen "Sino-Thais", aus dem Distrikt Chaozhou

in Guangdong. Ihre neue politische Rolle ist mit ihrem okonomischen Aufstieg eng

verbunden, der durch die Symbiose von legalen und rechtswidrigen Aktivitaten cha­

rakterisiert ist. UrsprOnglich Lieferanten landwirtschaftlicher Inputs und Vermittler

von Agrarkrediten fOr eine trotz okonomischer Expansion mehrheitlich bauerlich ge­

bliebene Bevolkerung, bauten sie nun ihre Geschafte zu lokalen Monopolen aus. Zu

nennen sind hier der Whiskyvertrieb, der Kraftwagen- und Motorradverkauf, die Im­

mobilien- und GrundstOcksspekulation, der Bausektor (besonders die offentlichen

Auftrage), iIIegale Forstwirtschaft, Schmuggel, Spiel, Massagesalons und Kuppelei,

Waffen- und Drogenhandel.

Der okonomische und politische Aufstieg dieser neuen Paten wurde in bemerkens­

werter Weise in neun Fallstudien von Sungsidh Piriyarangsan und Pasuk Phong­

pa"(chit geschildert (Piriyarangsan u. Pongpa"(chit, 1996). Einige dieser Paten definie­

ren sich offen als "halb Geschaftsmanner, halb Gangster", ein Selbstbild, das von

den meisten jao pho geteilt wird, wahrend andere einfach ihren EinfluB nutzen, um

ihre Geschafte auszubauen und eine politische Karriere zu verfolgen. Haufig verfO­

gen sie Ober Abhangige, genannt "Gerichtsherren", die nak leng4 , und unterhalten

enge Beziehungen zu den Polizei- und Militarhierarchien, die ihnen verpflichtet sind.

Die thailandischen Paten haben in gewisser Weise "den quasi universellen Traum

eines jeden etablierten Unternehmers verwirklicht, namlich die Konkurrenz auszu­

schalten" (Gambetta u. Reuter, 1997: 133), jedoch zum Preis todlicher Auseinander-

4 Getreue. die bis hin zum Auftragsmord zu allem bereit sind.

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Page 99: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

setzungen, die oftmals ihr Leben verkurzen. Wenn sie ihr okonomisches Kapital in

ihrem Einflu~gebiet konsequent einsetzen, haufen sie durch Klientilismus und Wei­

terverteilung in Form gemeinnutziger Investitionen Prestige an. Die Paten versuchen

weniger, sich au~erhalb, sondern vielmehr "uber das Gesetz" zu stellen, gleichsam

als unumgangliche Schiedsrichter, die auf ihre Weise Frieden schaffen. So kann

sich einer von ihnen sogar ruhmen, "seine" Provinz Petchburi, die bekannt ist fUr die

dort herrschende Gewalt und nicht aufgeklarte Bluttaten, ohne Leibwachen durch­

reisen zu konnen: "Ich hatte Feinde", bekennt er, "aber sie sind aile tot." (Pi­

riyarangsan, 1996:78).

Die direkte oder indirekte Eroberung der lokalen und regionalen politischen Macht

erlaubt es den Paten schlie~lich, ihre Position zu institutionalisieren. Ihre lokalen

Netzwerke der Untertanigkeit verschaffen ihnen die Kontrolle uber die "Stimmban­

ken", die fUr einen Wahlsieg unerla~lich sind. Die illegale Praxis des Stimmenkaufs

entwickelt sich nach 1979 wie eine Epidemie. Das Ziel der Politiker ist es seither

nicht mehr, ihre Wahlerschaft zu uberzeugen, sondern sich der Loyalitat dieser neu­

en "Manner von Einflu~" zu versichern, die den Dorfvorstanden und den lokalen

Funktionaren die Stimmversprechen abnehmen. In den von den Paten bevorzugten

Regionen, den Kusten, dem Norden und Nordosten, verbinden sich legale Aktivita­

ten ganz naturlich mit dem Schmuggel und illegalen Einkommen. Wahlen werden in

den land lichen Gebieten zu Momenten der Spannung und Angst, anstatt eine Mog­

lichkeit zur politischen Auseinandersetzung zu sein. Leicht entsteht Gewalt, weil die

Organisatoren der "Stimmbanken" der rivalisierenden Kandidaten bewaffnet umher­

gehen (Maisrikrod u. Mac Cargo, 1997:133-136).

Unter der Regierung des General Prem (1980-1988) gelingt es den militarischen und

politischen Burokratien, die neuen Provinzeliten zu kontrollieren, indem sie ihnen

den Zugang zu den SchlUsselministerien versagen. Diese Taktik kann nicht mehr

durchgehalten werden, als unter dem Kabinett des Generals Chatichai (1988-1991)

und der Regierung Banharn (1995-1996) die Chart Thai - Partei an die Macht ge­

langt. Sinngema~ mit Clausewitz gesprochen, definieren die ParteifUhrer von Chart

Thai Politik als die Fortsetzung der Geschafte mit anderen Mitteln. Banharn, der mit

offentlichen Bauauftragen ein Vermogen gemacht hat, entfahrt es eines Tages, "fUr

einen Politiker sei es gleichbedeutend, in der Opposition zu sein und freiwillig an

Hunger zu sterben" (Phongpa"(chit u. Baker, 1997:31). Die fUnf Jahre der Chart Thai

- Partei an der Macht tragen zur Institutionalisierung der Stellung der Provinzpaten

bei, die ihrerseits enge Beziehungen zu den Gouverneuren, den regionalen Be­

fehlshabern und den Polizeichefs knupfen und die offentlichen Bauauftrage in ihren

95

Page 100: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Einflur..gebieten monopolisieren. Infolge einer Reihe von Korruptionsskandalen wird

die Regierung Chatichai 1991 durch einen Militarputsch gestorzt - das Ergebnis ei­

ner Allianz von Armee und ZivilbOrokratie sowie dem Geschaftsmilieu von Bangkok.

Es werden Untersuchungen gegen 25 Minister eingeleitet, von denen 13 als "unge­

wbhnlich reich" erachtet werden, nachdem sie im Zusammenhang mit bffentlichen

Auftragen zahlreiche Schecks von Geschaftsleuten angenommen hatten. Trotzdem

zogen die Ergebnisse der Untersuchungen keine gerichtlichen Foigen nach sich, da

die Beteiligten beider Seiten in dem instabilen Spiel der Machtkoalitionen rotieren.

Beispielhaft fOr dieses Prinzip ist der Fall von Narong Wongwan mit dem Beinamen

"Pate des Nordens". Nachdem er ein Vermbgen in der Tabakbranche erwirtschaftet

hat, wird er Landwirtschaftsminister unter der Regierung Chatichai und 1992 der

aussichtsreichste Kandidat fOr den Premierministerposten unter der Militarjunta.

Seine Ambitionen werden durch die Nachricht blockiert, die Vereinigten Staaten ver­

dachtigten ihn des Drogenhandels und verweigerten ihm die Einreise auf amerikani­

sches Territorium (Phongpa"ichit u. Baker, 1997:81). Das hindert Narong Wongwan

nicht daran, den strategischen Posten des Innenministers unter der Regierung Ban­

harn zu beanspruchen; ein Ansinnen, das aus den genannten GrOnden scheitert.

Andere Abgeordnete wurden Ziel derselben Anschuldigungen, so etwa Mongkol

Chongsuttamanee, Thanong Siripreechapong, der 1996 aus den Vereinigten Staa­

ten ausgewiesen wurde, und Vatana Asavahame, einer der FOhrer der Chart Thai -

Partei (Pongsudhirak, 1997:226). 1995 bis 1996 wird die Regierung Banharn von

Skandalen erschOttert, da mehrere Minister in Immobilienspekulationen und Geld­

wasche verwickelt sind. Nach bedrohlichen Mahnungen an die Presse und der Ver­

hinderung einer besonders unbequemen Fernsehausstrahlung verliert die zweite

Koalition mit der Chart Thai - Partei, die den Provinzpaten den Zugang zur Macht

ermbglichte, im November 1996 die Wahlen. Das siegreiche Kabinett fOhrt nun Ge­

neral Chavalit an, der auf verheerende Art und Weise die Finanzkrise von 1997 ver­

walten wird.

Ais frOherer Generalstabschef, der fOr seine politische Karriere ins Zivilleben zu­

rOckkehrte, wirkt Chavalit bei der Regierung Chatichai (1988-1991) mit und hofft, die

Nachfolge des amtierenden Premierministers anzutreten. Die GrOndung der New

Action Party (NAP) soli ihm dabei behilflich sein, dieses Ziel nach dem Staatsstreich

von 1991 zu erreichen. Chavalit stOtzt sich in der ersten Zeit auf das Netzwerk der

Paten aus dem Nordosten, um sich eine treue Wahlerschaft zu sichern. Vor den

Wahlen im Marz 1992 legt der Generalsekretar der NAP, Prasong Soonsiri, sein Amt

nieder und kritisiert "die Expansionspolitik der NAP um jeden Preis", die dazu ge-

96

Page 101: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

fOhrt habe, daB die Partei in ihrer Mitte "Manner von EinfluB" akzeptiere (MacCargo,

1997:128-129). Tatsachlich richtet sich die Anklage gegen Sia L., den "Paten des

Nordostens" und Sohn chinesischer Einwanderer aus den dreiBiger Jahren, der sein

Vermogen, auBer mit den traditionellen Monopolen der jao pho, dank der Kontrolle

der geheimen Lotterien gemacht hat. Ais eifriger Kunde der groBen GIOcksspielbos­

se von Bangkok, die enge Bindungen zu der gehobenen Militar- und Polizeihierar­

chie unterhalten, hangt Sia L. auch von deren UnterstOtzung ab, um seine Geschafte

ausbauen zu konnen. "Ich begann arm und ungebildet", bekennt er, "auch muB ich

mich fOr alles, was ich unternehme, auf Freunde und politische Beziehungen stat­

zen." (Piriyarangsan, 1996:75). Oberlebender mehrerer Attentate in Bangkok, wohin

er seine Aktivitaten auszudehnen verstand, empfangt Sia L. 1990 im Krankenhaus

u.a. den Besuch eines zukOnftigen Generalstabschefs, eines GIOcksspielmagnaten

der Hauptstadt und sogar des Generalsekretars der Demokratischen Partei, ein per­

sonlicher Freund von ihm.

Nachdem er anlaBlich der Wahlen 1992 seine Unterstotzung auf vier politische

Parteien verteilt hat, entscheidet sich Sia. L. 1996 fOr die NAP des Generals Chava­

lit, fOr die er als Koordinator der Nordost-Region agiert. Das gibt dem alliierten Paten

von Chavalit eine beachtliche Macht Ober diejenigen, die er als seine Abgeordneten

betrachtet (Piriyarangsan, 1996:75-76). Von den 40 Sitzen, die die NAP damals ge­

wonnen hat, gehen 31 auf den Nordosten zurOck. Der Aufstieg der NAP und ihre

feindliche Haltung gegenOber der Militarjunta bei dem Volksaufstand vom Mai 1992,

der von der Armee unterdrOckt wurde, erlaubt es General Chavalit bereits damals,

den Posten des Innenministers in der Koalition zu besetzen, die von 1992 bis 1995

von der Demokratischen Partei des Chuan Leekpai angefohrt wird. Obwohl die NAP

in ihrer Eigenschaft als Massenpartei an GlaubwOrdigkeit verloren hat, benutzt Cha­

valit seine Position, um seine Klientel der Provinzpolitiker zu stabilisieren, die sich

auf den Stimmenkauf und gar auf den Kauf von Abgeordneten stotzt. Diese Praxis

setzt sich bereits bei den Wahlen vom Juli 1995 durch: FOr einen Lagerwechsel

nehmen bestimmte, gut etablierte Politiker den Gegenwert von 40.000 bis zu

800.000 US Dollar "Transferkosten" an (Maisrikrod u. MacCargo, 1997: 137 -138).

Die Demokratische Partei von Chuan Leekpai wird weniger mit der Politik des Gel­

des identifiziert, was mit ihrer Verwurzelung in den reichsten Gegenden von Bang­

kok und dem SOden des Landes zusammenhangt. Aber weil sie es nicht geschafft

hat, bei den Wahlen 1992 eine absolute Mehrheit zu bekommen, ist sie gezwungen,

sich in der Koalitionsregierung von 1992 bis 1995 mit den neuen Provinzeliten zu

arrangieren. Die Aufrechterhaltung von Koalitionen aus zerbrechlichen und bewegli-

97

Page 102: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

chen Mehrheiten eroffnet den kleineren Parteien einen unverhaltnismaBigen EinfluB.

Mehrere Ministerposten wurden den Dissidenten der Prachakorn Thai - Partei Ober­

lassen, von denen fOhrende Mitglieder eindeutig mit der Kontrolle von geheimen

GIOcksspielen und dem Drogenhandel in Verbindung stehen. Das ist beispielsweise

der Fall von Vatana Asavahame, der von der Presse als einer der "Paten des Nor­

dens" bezeichnet wird und den strategischen Posten des stellvertretenden Innenmi­

nisters einnimmt. Die Vereinigten Staaten haben ihn offentlich des Drogenhandels

und der Geldwasche verdachtigt und ihm 1995 ein Einreisevisum verweigert5.

Die Demokratisierung des thailandischen politischen Systems erscheint so als ein

territorialer ZerreiBprozeB, der mit den tiefen regionalen Ungleichheiten korrespon­

diert und in dessen Verlauf die Geldwasche aus unzulassigen und kriminellen Akti­

vitaten geradezu institutionalisiert wird. Die Praxis des Stimmenkaufs, die ein Viertel

oder ein Drittel der Wahlausgaben eines Kandidaten ausmacht, hat zu exorbitanten

Wahlkosten gefOhrt: Zwischen 800.000 und 1 Million US$ fOr einen Kandidaten des

Nordostens im Jahre 1995, eine Summe, die sich in Einzelfallen bis hin zu 4 Millio­

nen US$ erhohen konnte (Maisrikrod u. MacCargo, 1997:139). Wahrend die Ge­

samtkosten der Wahlkampagne 1995 auf 680 Millionen US$ geschatzt wurden, be­

liefen sie sich 1996 bereits auf 1 - 1,2 Milliarden US$ (Hewison, 1997:2). Zusatzlich

zu den lokalen Finanzierungen durch die Provinz-Paten erhalten die wichtigsten po­

litischen Parteien auch geheime Schenkungen von Banken und groBen Korper­

schaften. Die unsichtbare Kraft der hauptstadtischen Geschaftsmanner und der

Technokraten der zentralen Verwaltungen, die zuweilen mit der Demokratischen

Partei verbunden sind, lastet schwer auf den aufeinanderiolgenden Regierungen. In

den Augen dieser Elite aus Bangkok bedeutet der Aufstieg der Provinzpaten oder

der ihnen verbundenen Politiker die groBte Bedrohung fOr eine effiziente Steuerung

der okonomischen Entwicklung (PhongpaIchit u. Baker, 1997:29). Das thailandische

politische System liegt somit an der Scheidelinie der Neuverteilung der Macht zwi­

schen legaler und illegaler Sphare, und zwar so sehr, daB man von einer Kriminali­

sierung der Institutionen sprechen kann, die sich parallel zum wachsenden EinfluB

der Schattenwirtschaft ausbreitet.

Die Polizei beispielsweise wird als der korrupteste Dienstleistungszweig der Regie­

rung angesehen (Piriyarangsan, 1996, Kap.4). Jeder Polizeibeamte, der schnell Kar­

riere machen will, muB seinen Vorgesetzten entlohnen. Die Geldschenkungen an die

5 Vgl. Far Eastern Economic Review, 16/4/1998: Die Social Action Party (SAP), Mitglied der demo­kratischen Koalition von Chuan Leekpar, wird als die korrupteste politische Kraft nach der Chart Thai -Partei wahrgenommen. Der politische FUhrer der SAP ist Montri Pongpanich, einer der Politiker, die der persbnlichen Bereicherung in der Zeit nach dem Militarputsch von 1991 angeklagt wurden.

98

Page 103: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Polizei sind nicht strafiich, solange sie freiwillig bleiben. Mehr als die Halfte der Pol i­

zeibelegschaft ist in Netzwerken zum "Schutz" von Juwelierladen, Fabriken, Massa­

gesalons, Bars, Bordellen und Spielhollen engagiert. Die Ausbeute dieser organi­

sierten Gangster wird weitgehend innerhalb der Polizei weiterverteilt, wo sie "Wohl­

fahrtsfonds" unterhalten, aber auch innerhalb der militarischen Hierarchie, beim In­

nenministerium und im Justizapparat. Ein Gangster zu sein, ist somit fOr diese

Dienstleistungen zu einer Notwendigkeit geworden, die urn so unabwendbarer ist, je

hoher man in der Hierarchie aufsteigt. Tatsachlich werden die besonders lukrativen

Kommandoposten auf dem Schwarzmarkt gehandelt: Ein thailandischer Polizeigene­

ral hat 1990 angegeben, da~ ein guter Posten in der Provinz 40.000 US Dollar ko­

sten konnte. Die "Tarife" der Kommandoposten in Bangkok sind wenigstens zehnmal

hoher und konnen 1994 nahezu 1 Million Dollar erreichen. Die gleiche Summe wird

in Mexiko fOr einen lukrativen Kommandoposten entlang der Grenze mit den Verei­

nigten Staaten verlangt (Andreas, 1998). Ais Aktionare der Schattenwirtschaft fordert

ein Teil der thailandischen Polizei das Wachstum ihrer Extraprofite, indem sie Ge­

sellschaft und Politik zu Straftaten ermuntert.

II Geldwiische und deregulierte Finanzmiirkte

Diese Obersicht der Institutionen kann einen Einblick in das Ausma~ der politischen

Infiltration durch die Schattenwirtschaft geben. Die Interaktion mit der offiziellen

Okonomie hangt in erster Linie von ihrer Eigendynamik ab: wie in Mexiko ist sie von

der Liberalisierung des Handels und der Investitionen sowie der Privatisierung des

offentlichen Sektors gekennzeichnet. Von 1985 bis 1991 ist Thailand der hauptsach­

liche Nutznie~er der Verlagerung arbeitsintensiver Produktionen der entwickelten

asiatischen Lander. Japan, SOdkorea, Hongkong, Taiwan und Singapur sehen sich

durch die Wahrungsaufwertungen bestraft, die auf die Abkommen von Piazza aus

dem Jahr 1985 fOlgen, sowie durch den Anstieg von Grundstockspreisen und Loh­

nen. In Thailand begOnstigen die Direktinvestitionsstrome in die Textil- und Beklei­

dungsindustrie, die Unterhaltungs-, Automobil- und Elektronikbranchen, die Ent­

wicklung derthailandischen Exporte, die in den Jahren 1985-1995 von 28% auf41%

des BIP steigen. So entwickelt sich die okonomische Anziehungskraft Bangkoks im

Verhaltnis zu seinen Nachbarn Burma, Kambodscha, Laos und Vietnam, deren Ent­

wicklungsrOckstand zunimmt. Diese Praferenz des Oberwiegend asiatischen Kapitals

fOr Thailand hat zur Folge, da~ die lokalen Aktiva wieder hoher bewertet werden:

Von 1987 bis 1990 wachst der Wert von GrundstOcken und Wertpapieren in schwin-

99

Page 104: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

delerregende Hohen, in bestimmten Fallen bis zum zehn- und zwanzigfachen6. Die

Kapitalimporte erlauben die schnelle Bereicherung der Kapitaleigner und begOnsti­

gen den sozialen Aufstieg qualifizierter Arbeiter und Manager, die eine neue stadti­

sche Mittelklasse bilden. Der Konsum steigt in den Stadten sehr stark an, beispiels­

weise mit der Verzehnfachung der Automobilverkaufe in weniger als 10 Jahren

(1985 - 1995).

Das in den Jahren 1987-1988 lancierte Privatisierungsprogramm gestattet, einen

Teil der Vermogen aus dem Anstieg der Immobilienpreise und Gehalter an die Borse

zu ziehen. Die Borsenwerte sind um so attraktiver, als die Haben-Zinsen niedrig

bleiben. Die Staatsunternehmen werden als ineffizient und korrupt angesehen. Zu

lange haben sie als Einkommensquelle der zivilen und militarischen BOrokratie so­

wie der pOlitischen Klasse gedient. Der Verkauf von Konzessionen fOr Teile der of­

fentliche Infrastruktur an den Privatsektor soli nun dazu dienen, jene effizienter zu

gestalten. Die Borse, bis dahin von bescheidenem Umfang, wird seit der Einleitung

des Privatisierungsprogramms zu einem zentralen Ort der Akkumulation. 1m Zuge

dieser Entwicklung mOssen sich sowohl die traditionelle Elite der Prem-Jahre, die

zivilen und militarischen BOrokratien, als auch die sino-thailandischen GroBunter­

nehmen neu plazieren und mit einer neuen Generation von Unternehmern aus der

Provinz, Managern und Finanziers arrangieren, die oft im Ausland ausgebildet sind.

In Abwesenheit einer klaren Regulation begOnstigt die Hausse der Wertpapiere par­

allel zum starken okonomischen Wachstum die spekulativen Veruntreuungen durch

eine neue Generation, die - von Politikern unterstotzt - in diesem Markt eine reellere

und verfeinerte Finanzquelle sehen als in der traditionellen Korruption, die immer

schwieriger zu vertuschen ist.

Gleichzeitig erzeugt die Borseneuphorie eine Verschuldung der Mittelklasse, die

sich fOr Wertpapierkaufe und den personlichen Konsum von dauerhaften Gotern

(Immobilien, Autos, Schmuck) Geld leiht. Das fOhrt dazu, daB die privaten Erspar­

nisse in der Zeit von 1989 bis 1995 von 20% auf 8% der Nettoeinkommen sinken

(Handley, 1997:102). Die Bildung einer Kontrollkommission fOr die Borsenoperatio­

nen im Jahre 1992 kann die offensichtlichsten Veruntreuungen eindammen, darunter

die yom Netzwerk des "Sia" Song organisierten, die Investmentfonds im Umfang von

insgesamt 800 Millionen US$ betreffen. Paul Handley weist darauf hin, daB "die Be­

zeichnung "Sia" im allgemeinen den vermogenden Geschaftsleuten, zumeist chine­

sischer Herkunft, vorbehalten ist. Er gibt zugleich der Vorstellung von Reichtum und

6 Die folgenden Informationen sind in erster Linie der Studie "More of the Same: Politics and Busi­ness, 1987-1996" von Paul Handley entnommen, in: Kevin Hewison, 1997:95-113.

100

Page 105: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Macht Ausdruck und wird oft mit dunklen EinfiOssen (dark influences) in Verbindung

gebracht, d.h. mit Leuten, die ihre Vermogen durch halb-Iegale oder illegale Aktivi­

taten erworben haben." (Handley, 1997:268)

Von der SchlieBung der Syndikate des "Sia" Song, die der Wertpapiermanipulation

dienten, sind 130 Personlichkeiten der stadtischen Elite und der politischen Welt

betroffen: darunter General Chavalit, FOhrer der New Action Party, und, Oberra­

schend fOr viele, zwei alte ParteifOhrer der Demokratischen Partei. Noch aufschluB­

reicher ist die darauf folgende Reaktion: Anstatt sein Unrecht hinsichtlich der Inve­

stitionen mit fragwOrdigem Hintergrund und verschlungenen Verzweigungen einzu­

gestehen, begibt sich "Sia" Song, begleitet von mehreren Abgeordneten, in einen

regionalen Kreuzzug, um eine wahrhafte Konspiration von GroBaktionaren aus Poli­

tik und Geschaftswelt zu denunzieren, an deren Spitze der Finanzminister Tarrin

stehen soli, und die sich gegen die neuen Unternehmer richtet, die aus seiner Sicht

Reprasentanten der Kleinaktionare aus den Mittelklassen sind. Er behauptet, daB

die bOrokratische Elite in einem der Demokratie total entgegengesetzten Geist ver­

sucht, den Wertpapiermarkt zu ihrem eigenen Vorteil zu monopolisieren, indem sie

ungestraft von ihrem Zugang zu sensiblen Informationen profitiert und die neue Ge­

neration daran hindert, reich zu werden.

Paul Handley unterstreicht mit vollem Recht den Stellenwert dieser Verteidigungsli­

nie: Die meisten Bankiers sind wegen ihres privilegierten Zugangs zu vertraulichen

Unternehmensinformationen gewichtige Investoren an der Borse. Auch die Frauen

der FOhrungspersonlichkeiten aus Politik und Geschaftswelt greifen oft in den Fi­

nanzmarkt ein. Konsequenterweise wurde nach dem Song-Skandal kein Mitglied der

Finanzgemeinde vorgeladen oder zur Rechenschaft gezogen. Es ist wenig wahr­

scheinlich, daB "Sia" Song Investmentfonds dieser GroBenordnung ohne die Hilfe

des Banker-, Finanz- und Borsenmilieus hervorgebracht haben konnte. Dieser Ein­

druck scheint von der Privatisierungspolitik vieler staatlicher GroBunternehmen, wie

die Luftfahrtgesellschaft Thai International, PTT, der wichtigste Vertreiber von Mi­

neralolerzeugnissen, die ETA (Expressway and Transit Authority of Thailand) und

die BECL (Bangkok Expressway Corporation Ltd.) bestatigt zu werden. In jedem die­

ser Faile erlebt man die Entwicklung eines grauen unterbewerteten Wertpapier­

marktes, der den GeschaftsfOhrern, der zivilen und der militarischen BOrokratie so­

wie den Politikern vorbehalten ist. Buchhalterische Manipulationen erleichtern die

Hausse der Wertpapiere und sichern den Eingeweihten Extraprofite, ohne daB die

Unternehmensergebnisse verbessert wOrden oder der Staat ihnen ausdrOcklich sei­

ne finanziellen Garantien entzoge (Handley, 1997: 1 09-113). Die Rolle der Borse bei

der finanziellen Ressourcenallokation scheint so zu einer systematischen Praxis von

101

Page 106: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Delikten Eingeweihter verkommen zu sein, die die "Wasche" rechtswidrig erworbe­

ner Gelder mit einschlier..t.

Bei den auslandischen Direktinvestitionen, die sich zu 90% auf die Gror..region

Bangkok konzentrieren, ist das so nicht der Fall. Dies tragt dazu bei, ihre okonomi­

sche und industrielle Bedeutung in bezug auf den Rest des Landes zu erhohen. In

70 % des entwickelten Asien lassen solche Investitionsstrome netto seit 1992 nach,

und zwar wegen Verzogerungen bei der Verbesserung der Infrastruktur, der Erho­

hung der Grundstockspreise und Arbeitskosten sowie wegen des Mangels an quali­

fiziertem Personal, was dem ROckstand in der hoheren Schul- sowie der technischen

Ausbildung geschuldet ist. Seit 1992 entwickelt sich China infolge einer zunehmen­

den wirtschaftlichen Offnung einschlier..lich der Ubernahme marktwirtschaftlicher

Prinzipien zu einem gefOrchteten Konkurrenten fOr ganz SOdostasien. Es profitiert

zugleich von der geographischen und kulturellen Nahe zu Hongkong, Taiwan, Japan

und SOdkorea, seinen im Vergleich mit Thailand zwei bis drei Mal billigeren Arbeits­

kraften und ausreichend vorhandenem, gut geschulten Personal. Dadurch wird Chi­

na schnell zum privilegierten Zentrum der innerasiatischen Verlagerung der arbeits­

intensiven Aktivitaten bei geringer WertschOpfung. Die Dynamik der Auslandsinve­

stitionen in Thailand wird seitdem mehr und mehr von der Durchdringung eines in

voller Expansion befindlichen Binnenmarktes bestimmt, namentlich des Automobil­

sektors, der von japanischen Firmen beherrscht wird. In den anderen Sektoren wie

der Elektronik- oder Textilbranche, die 1995 jeweils 23% und 12% der Exporte aus­

machen, bleibt die lokale Wertschopfung insofern niedrig, als 75% bis 90% der Ein­

zelteile oder der fOr die Produktion notwendigen Rohstoffe importiert werden? Die

sinkende Wettbewerbsfahigkeit der thailandischen Wirtschaft wird ab 1996 durch

zwei Faktoren bestimmt: die Aufwertung des Dollars, die zur Verteuerung der loka­

len Exporte fOhrt, und das Nachlassen der weltweiten Nachfrage nach Elektronik­

und Informatikprodukten, was ganz Asien in Mitleidenschaft zieht. Dies druckt sich

seit 1996 in einer Stagnation der Exporte und einem hoheren Handelsbilanzdefizit

aus, das zwischen 1993-1994 bei 6% liegt und zwischen 1995-1996 auf mehr als 8%

des BIP steigt.

Die Liberalisierung der Kapitalverkehrskontrollen der neunziger Jahre bewirkt eine

gesteigerte Zuflucht zu kurzfristigem Auslandskapital, urn die Schulden zu finanzie­

ren, was bereits seit den achtziger Jahren an Bedeutung gewann. Dies geschieht in

Form von Krediten, Wertpapieraquisitionen auf dem Borsenmarkt und vor allem von

Konten fOr Devisenauslander. Die Zinssatzdifferenz zwischen auslandischen Mark-

7 Vgl. The Far East Australasia, 1998, S. 1075.

102

Page 107: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

ten und dem thailandischen Markt erklart diese Praferenz. 1993 verstarkt die GrOn­

dung einer "Offshore"-Zentrale, der ,Bangok International Banking Facility', die kurz­

fristigen Kapitalstrome, die zu mehr als die Halfte Ober diese Mittlerinstitution laufen.

Diejenigen auslandischen Direktinvestitionen, die die EinfOhrung neuer Technologi­

en und die Verbesserung der Wettbewerbsfahigkeit erlauben wOrden, sinken von

12% auf 1% der Kapitalimporte des privaten Sektors (Tanakra, 1996:11-15). Da die

Motoren investiver auslandischer Kapitalimporte und der Exporte stottern, wird das

Wachstum Thailands mehr und mehr von kurzfristigen Kapitalstromen abhangig.

Diese Investitionen wirken sich aJlein auf die Finanzsphare aus, weil sie spekulativ

orientiert sind und massiv an die Borse und in den Immobilienmarkt drangen.

FOr den FaJl einer Wechselkurskrise und einer Abwertung des Baht, was wie in Me­

xiko ihre Anlagen entwerten wOrde, fOhren die internationalen Spekulanten zu ihrer

eigenen Beruhigung die Unterschiede zwischen den beiden Landern ins Feld. Auch

wenn die thailandische AuBenschuld 1996, die Halfte davon kurzfristig, gemessen

am Prozentsatz des BIP prozentual hoher ist als die Mexikos 1994 (49% zu 35%),

finanziert sie nicht, so wird unterstrichen, die Konsumtion, sondern die Investition

(43,8% des BIP), indem sie eine schon erhohte Sparquote erganzt8. In Wirklichkeit

ist diese Analyse aus zwei GrOnden fehlerhaft. Erstens bleibt die thailandische Er­

sparnis vor aJlem eine offentliche: die Behorden realisieren die HaushaltsOberschOs­

se zugleich durch finanzieJle Orthodoxie und durch Nachlassigkeit der fragmentier­

ten Verwaltungen. Letztere sind den instabilen politischen Koalitionen unterworfen,

die unfahig sind, das groBe Infrastrukturprogramm umzusetzen, das das Land drin­

gend braucht. Die private Ersparnis ist, wie wir gesehen haben, von 20 auf 8% der

Nettoeinkommen zwischen 1989 und 1995 gesunken. Das laBt vermuten, daB die

auf kurzfristige Kapitalimporte basierende AuBenverschuldung, wie in Mexiko, mas­

siv dem zur Schau gestellten Konsum der Mittel- und Oberschicht finanziert hat.

Zweitens spiegelt die thailandische Investitionsrate (43,8% des BIP), die im Ver­

gleich mit Mexiko (23,5%) in 1994 sehr hoch ist, nicht die Effizienz der Ressourcen­

allokation wider, sondern das Verschleudern von Krediten an spekulative Immobili­

enprojekte, die Oberkapazitaten schaffen. Die Summe der Kredite, die dem Immobi­

liensektor Ende 1996 gewahrt wurde, wird auf 800 Milliarden Baht (31 Milliarden

US$) geschatzt, d.h. auf 16% des BIP. Davon ist mehr als die Halfte (17 Milliarden

US$) aus zweifelhaften oder uneinbringlichen Schuldforderungen zusammengesetzt.

Zur gleichen Zeit zahlt man allein in Bangkok 350.000 leerstehende Immobilien und

800.000 im Obrigen Land. AuBerdem wurden 200 Golfplatze gebaut, wahrend 20%

8 Vgl. Financial Times, 9.8.1996.

103

Page 108: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

der 400.000 thailandischen Golfspieler die Mittel fOr eine Clubmitgliedschaft haben9.

Diese spekulative Verschwendung von Investitionen an den Immobiliensektor, die

durch die kurzfristigen Kapitalstrome begOnstigt wird, beschwort eine weitere Paral­

lele zu Mexiko. Jedoch laBt sich die ObermaBig hohe Investitionsrate im Unterschied

zu Mexiko nicht allein auf die Bedeutung der offentlichen Sparquote, den seit 1988

akkumulierten HaushaltsOberschuB oder die kurzfristigen Kapitalstrome zurOckfOh­

ren, die in den neunziger Jahren weniger als 10% des BIP ausmachten1O. Die einzi­

ge Erklarung fOr dieses Phanomen bleibt die massive Verwertung der beachtlichen

Vermogen der Schattenwirtschaft durch das thailandische Finanzsystem. Das wOrde

insbesondere die Anomalie steigender Investitionsraten bei sinkender privater Er­

sparnis und begrenzten Selbstfinanzierungsressourcen der Unternehmen erhellen.

Um diese Hypothese zu vertiefen, mOssen wir auf die Besonderheiten des thailandi­

schen Finanzsystems zurOckkommen.

III Cas thaiUindische Finanzsystem

Die thailandischen Geld- und Finanzkreislaufe werden, in der Provinz wie in Bang­

kok, von Unternehmern chinesischer Herkunft dominiert. Neben dem formalen Netz

offizieller Niederlassungen koexistiert ein informelles System von Darlehen und

Zahlungen an internationale Schnittstellen 11. Dank des huikuan, wortlich "Geldsen­

dung", das im 19. Jahrhundert auf einer assoziativen Grundlage durch Einzahlungen

der chinesischen Emigranten von SOdostasien entstanden ist, ist es moglich, mit

einem Minimum an Dokumenten und einem Maximum an Diskretion unabhangig

von legalen Bankgeschaften Summen von Ober 500.000 US$ von Chieng Mai nach

Bangkok oder von Bangkok nach Honkong und New York zu transferieren. Ein Sy­

stem der Schuldanerkennung und der gegenseitigen Verrechnung erlaubt es, eine

lokal deponierte Summe bei einem nicht offiziellen "Banker" eines anderen Landes

abzuheben. Juweliere, Industrieverbande, ImportlExport-Unternehmen oder Devi­

senhandler dienen als Kanale fOr diese inoffiziellen Tauschgeschafte. Sie gehOren

zumeist zur selben Dialektgemeinschaft der Chaozhou-Chinesen, die aus Shantou

im Norden der Proivnz Guangdong stammen. Diese informellen Netze, die den ha-

9 Vgl. Far Eastem Economic Review, 21.08.1997; Nord-Sud Export Consultants, 22.2.1997 u. 27.4.1997. 10 Der Vorrang der offentlichen vor der privaten Erspamis ist eine der Sesonderheiten der thailandi­schen Okonomie gegenOber den anderen kapitalistischen Okonomien Asiens: z.S. beliefen sich die offentlichen ROcklagen zwischen 1980 und 1985 auf 14,3% des SIP und die privaten lediglich auf 4,7%. Sis zur Krise von 1997 machten die jahrlichen HaushaltsOberschOsse der neunziger Jahre durchschnittlich 3% des SIP aus. 11 Darunter sind z.S. Immigranten-Communities zu verstehen.

104

Page 109: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

wala - Netzwerken in Sudostasien ahnlich sind, werden fur legale wie fOr illegale

Geschafte, z.B. den Drogenhandel, in Anspruch genommen. Das huikuan-System

hat zweifellos einen zu vernachlassigenden Einflur.. auf die Gesamtheit der interna­

tiona len thailandischen Zahlungen. Dasselbe lar..t sich jedoch nicht vom informellen

Kreditsystem sagen, das im Fall des Versagens des formellen Finanzmarktes be­

deutenden Einflur.. auf die interne Okonomie haben kann.

Das formelle Finanzsystem setzt sich aus Handelsbanken, Finanzgesellschaften und

"Offshore"-Banken zusammen. 90% der Aktiva der Banken, die Ende 1996 auf 227

Milliarden US$ veranschlagt wurden, entspringen heimischen Unternehmen, von

denen die ersten sechs 67% der gesamten Aktiva ausmachen (Bangkok Bank,

Krung Thai, Thai Farmers, Siam Commercial, Bank of Ayudhya, Thai Military). Die

91 Finanzgesellschaften entgehen weitgehend der Aufsicht durch die Zentralbank

und reprasentieren Ende 1996 Aktiva in Hohe von 72 Milliarden US$. Finanziert

durch Anleihen oder Schuldscheine, die von Privaten gezeichnet werden konnen,

sind sie in Makler- und Kreditgeschaften vor allem in der Immobilienbranche enga­

giert. Der "Offshore"-Markt (Bangkok International Banking Facility) zahlt 46 Banken,

davon 15 einheimische, und das gesamte Darlehensvolumen wird Ende 1996 auf 51

Milliarden US$ geschatzt, wovon 60% Devisendarlehen fOr Deviseninlander sind

(Lakhona, 1997). Die Bank von Thailand hat nie eine nennenswerte Supervision

uber das Finanzsystem ausgeubt. Die obersten Manager der sechs wichtigsten Ban­

ken konnen von der Zentralbank abgestellt sein oder umgekehrt, was zu einer Ver­

wirrung zwischen den "Bankern" und den Supervisoren fOhrt. Diese Unklarheit der

Rollen wird durch den Verlust der vollstandigen Unabhangigkeit der Bank von Thai­

land gegenuber der politischen Macht nach der Regierung Banharm seit 1995 ver­

starkt. Wenn man zusatzlich bedenkt, dar.. die Politiker oft Aktionare der Finanzge­

sellschaften sind, dar.. zwei der sechs gror..ten Institute, die 'Krung Thai Bank' und

die 'Thai Military Bank', Eigentum der Regierung und der Streitkrafte sind und dar..

die 'Bangkok International Banking Facility' per definitionem nicht der Aufsicht durch

die Zentralbank unterliegt, erhalt man das Gesamtbild eines zugleich spekulativer

und politi scher Macht untergeordneten Finanzsystems. Gemeinsam mit dem durch

die Stagnation der Exporte 1996 bedenklich beeintrachtigten Wachstum begunstigt

die Abhangigkeit den Zustand der fortgesetzten Spekulation aus zwei Grunden: die

nationalen und internationalen Spekulanten sind davon uberzeugt, dar.. das Risiko

eine souverane Gror..e ist und im Fall des Zusammenbruchs der privaten Finanzin­

stitute diese von der Bank von Thailand abgesichert werden; dies urn so mehr als

105

Page 110: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

dal1 letztere Ober einen acht Jahre wahrenden HaushaltsOberschul1 und solide De­

visenreserven verfOgt12 .

Ende 1996 platzt die Immobilienblase nach dem Kurssturz an den Borsen, die be­

reits zu Beginn des Jahres angeschlagen waren. Von den 90 Milliarden US$ Aul1en­

schuld, davon 37 Milliarden US$ kurzfristig, wurde der Gegenwert von ca. 31 Milliar­

den US$ an die eigentlichen Urheber der Krise rOckverliehen. Die Halfte dieser

Gelder wurden Ober die Finanzgesellschaften vermittelt und reprasentieren unein­

bringliche Forderungen. Der Fall von ,Finance One', der wichtigsten von ihnen, ist

ziemlich reprasentativ: Noch 1995 kontrolliert ,Finance One' nahezu 20% der

Borsentransaktionen von Bangkok. Ihre Aktiva belaufen sich zu der Zeit auf 6 Milli­

arden US$, der Teil der Immobiliendarlehen macht 30% und der Teil der Konsum­

kredite bis zu 24% davon aus (Boulestreau, 1998: 115-117). Bei ,Finance One' wie

anderswo schwacht der Borsensturz die Liquiditat der Gesellschaft, die angesichts

der ImmobilienOberkapazitaten und der Zahlungssaumnisse ihrer Schuldner einen

Engpal1 erleidet. Das soli nicht zum Problem der Banken werden: Die Regierung

bildet einen "Entwicklungsfonds" fOr Finanzinstitutionen in Hohe von 19 Milliarden

US$ oder 10 % des BIP, der die sich in Schwierigkeiten befindenden privaten Insti­

tute wah rend des ersten Semesters 1997 wieder flottmacht. Selbst der frOhere Fi­

nanzminister Wiraphong Ramangkun zeigt sich erstaunt Ober die Grol1enordnung

dieser Unterstotzung, wenn er unterstreicht, dal1 die anfangliche Anfrage des Vorsit­

zenden der Bank von Thailand nicht mehr als ein Zehntel dieser Summe betrug.

Aber diese Rettungsmal1nahme, die von der politischen Klasse veranlal1t wurde,

wird nur einen begrenzten Nutzen haben; dies aus folgendem Grunde: Anstatt die

Liquiditatsprobleme der Finanzinstitute zu losen, verleihen die Banken die Mehrzahl

der offentlichen Gelder, die ihnen zu Zinsen von 13% gewahrt wurden, sogleich an

ihre Kunden zu einem Prozentsatz von 20% weiter oder legen sie im Ausland an 13.

Die restlichen Reserven der Bank von Thailand erschopfen sich in der hartnackigen

Verteidigung der Wahrungsparitat gegenOber dem Dollar - besonders auf dem Ter­

minmarkt - mit dem Versprechen, in den nachsten drei, sechs, neun oder zwolf Mo­

naten Baht in Hohe von 23,4 Milliarden US$ zu kaufen. BerOcksichtigt man diese

unklugen Verbindlichkeiten, betragen die realen Devisenreserven im Mai 1997 nur

800 Millionen US$, wahrend die Bank offiziell Reserven von 38 Milliarden US$ an-

12 Vgl. Financial Times, 12.1.1998:6. 13 Vgl. ThaT Rat, Bangkok, 12.8.1997, in SWB BBG Asia Pacific, 15.8.1997, Far Eastern Economic Review, 4.9.1997.

106

Page 111: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

gibt14. Die Diskrepanz zwischen diesen beiden Zahlen offenbart den Umfang der

Wahrungskrise, die entsprechend des Nothilfeplans des IWF Ober 17 Milliarden US$

mit der Entscheidung, den Baht ab Juli '97 f/oaten zu lassen, offensichtlich wird. Die

Schlier!.ung von 56 der 91 zahlungsunfahigen Finanzgesellschaften - eine Forderung

der internationalen stillen Teilhaber - erfolgt erst nach langwierigen Verhandlungs­

monaten. Wahrenddessen versucht die Regierung Chavalit noch vor ihrem Sturz,

unter dem Druck der offentlichen Meinung im November 1997 die Institute Ober of­

fentliche Gelder zu rekapitalisieren. Die Wahrungskrise verwandelt sich in eine Fi­

nanz-, Wirtschafts- und politische Krise und unterstreicht die betrachtliche Verant­

wortung der FOhrungskreise.

Ein Jahr spater werden die Gesamtkosten auf 128 Milliarden US$ oder 100% des

BIP von 1998 geschatzt. BerOcksichtigt man den Sturz des Borsenindexes um 50%

und die Reduzierung des Geldumlaufes um mehr als 70% - in Dollar gerechnet - so

vergror!.ert sich gleichzeitig die ROckzahlungslast der lokalen Darlehensnehmer. Von

den 35 Finanzgesellschaften, die nach Dezember 1997 fortbestehen, bleiben letzt­

endlich nicht mehr als 28 Obrig. Die Kosten der Rekapitalisierung des Bankensy­

stems werden auf mehr als 20 Milliarden US$ geschatzt, eine Zahl, die die Kapitali­

sierung der Bangkoker Borse Obersteiges. Die Arbeitslosigkeit breitet sich aus, und

die Rezession lar!.t das BIP 1998 um wenigstens 4% schrumpfen. Wie tief die Krise

ist, zeigt sich an ihrer Regionalisierung: die reihenweise Abkoppelung anderer Wah­

rungen SOdostasiens und die ROckwirkung der thailandischen Schwache auf die

japanischen Banken, die die Halfte der kurzfristigen Schulden des Landes finanziert

haben; nicht zu sprechen von den koreanischen Investitionen und Darlehen in SOd­

ostasien, die sich auf 15,5 Milliarden US$ erhohen 16. Die Wiederbelebung der thai­

landischen Exporte, die zur Halfte nach Asien gehen, bleibt gleichzeitig durch die

lokalen Rezessionserwartungen behindert.

IV SchluBbemerkung

Die Betrachtung einer lokalen Situation, insbesondere der thailandischen, lar!.t dar­

auf schlier!.en, dar!. es keine Netzwerke gibt, die allein in Funktion des Drogenhan­

dels organisiert sind. Zuweilen macht der Drogenhandel die Masse der kriminellen

14 Vgl. Erklarung des Wirtschaftsberaters von Premierminister Chuan Leekpai, ThaI Rat, Bangkok, 15.4.1998, in SWB BBC Asia Pacific, 22.4.1998. 15 Vgl. Erklarung des Finanzministers Pisit Leeahtam, Financial Times, 19.5.1998; The Economist, 8.8.1998, S. 66. 16 Vgl. Federation of Korean Industries, Yonhap News Agency, Seoul, 17.2.1998, in SWB BBC Asia Pacific, 18.2.1998. 60% der von den Koreanern bereitgesteillen Investitionen und Darlehen, die sich auf 9,3 Milliarden US$ belaufen, gingen nach Indonesien und Thailand.

107

Page 112: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Profite aus (Mexiko), aber in den Transit- (China, Thailand) und Konsumlandern

(Japan) scheint sein okonomisches Gewicht viel eingeschrankter zu sein.

Betrachtet man jedoch die Narko-Profite als Teil eines grauen und schwarzen

Marktes, ergibt sich ein anderes Bild. In Thailand und Japan wie in Mexiko wachst

die "kriminelle Okonomie" auf dem Boden der systematischen Korruption, der tradi­

tionellen Toleranz gegenOber dem organisierten Verbrechen und eines immer kost­

spieligeren politischen Systems, das es immer schwieriger macht, illegale Transak­

tionen von der offiziellen Okonomie und der Macht bestimmter politi scher Parteien

zu unterscheiden.

Die Dynamik der Geldwasche schafft die Bedingungen einer fortschreitenden Insti­

tutionalisierung der kriminellen Sphare und bringt gleichzeitig das Finanzsystem aus

dem Gleichgewicht: Indem die Geldwasche den Wettbewerb verzerrt, raumt sie der

Spekulation ein Vorrecht gegenOber der Produktion ein. Sie verstarkt die Bildung

von Immobilien- und Borsenblasen bis hin zu einer Krisensituation, die zum Effekt

haben kann, daB die zweifelhaften Schulden, von denen ein bedeutender Teil der

rechtswidrigen und der kriminellen Okonomie zuzurechnen ist, auf die Gemeinschaft

abgewalzt werden.

1m Fall Thailand kommt die Krise durch die ROckbildung des formellen Finanzsektors

zugunsten des informellen Sektors zum Vorschein und verstarkt so die Macht der

Geldwasche, die ein beachtliches Niveau erreicht. In Thailand wie auch in Japan

und Mexiko erscheint die Verantwortung bestimmter politischer Umfelder insofern

determinierend, als die exorbitanten Wahlausgaben teilweise durch die Wiederver­

wertung derselben rechtswidrig erlangten Gelder finanziert sind.

Der Verbindungen zwischen organisiertem Verbrechen, Geldwasche und Finanzkri­

sen ergeben sich nicht automatisch, wie die Ausweitung der thailandischen Krise auf

gesamt SOdostasien, Korea und China zeigt. Gemeinsam ist all diesen Landern eine

systemische Korruption, die die Investitionstatigkeit verzerrt und das Vertrauen in

Kreditgeschafte schmalert. Die regionale Ausweitung der Krise beruht weitgehend

auf der Regionalisierung der Investitionen und des Handels, die zur Halfte innerhalb

des Gebietes getatigt werden. Aber Thailand wie auch Japan haben als die neural­

gischen Punkte der Krise einen qualitativen Sprung von der systemischen Korrupti­

on zur progressiven Kriminalisierung der Finanzsphare erfahren. Aus diesem Blick­

winkel ist die Asienkrise nicht auf ein zyklisches Problem der schmerzhaften Anpas­

sung zu reduzieren, die den Weg zu einem gesunden Wachstum bereitet, sondern

108

Page 113: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

stellt ein strukturelles und institutionelles Problem dar, das auf eine Art der Demo­

kratisierung der politischen Regime und deren Unfahigkeit verweist, ein Rechtssy­

stem einzufOhren, daB von unmittelbaren Machtinteressen unabhangig ist. In Kam­

bodscha, den Phillipinen und Taiwan macht sich eine beunruhigende Tendenz be­

merkbar, die man bereits in Thailand am Werke gesehen hat: Der Demokratisie­

rungsprozeB der Regime wird vom organisierten Verbrechen mehr und als Trojani­

sches Pferd benutzt. Der okonomische Aufstieg erlaubt es den "auBerhalb des Ge­

setzes Stehenden", ihren marginalisierten Status zu verlassen und die Achtbarkeit

von Honoratioren zu erlangen: Nun stehen sie "Ober dem Gesetz", indem sie politi­

sche Parteien finanzieren oder ihrerseits von der parlamentarischen Immunitat profi­

tieren. Diese Tendenz ist im Obrigen nicht asienspezifisch: Die gefahrliche Verbin­

dung der Demokratisierung des Regimes mit dem Aufstieg des organisierten Ver­

brechens ist genauso gut in den post-kommunistischen Landern, allen voran RuB­

land, zu beobachten.

So bleiben die strukturellen Wurzeln der thailandischen Finanzkrise jenseits der

Konjunktur Oberlebensfahig. Das thailandische Finanzystem hat die Geldwasche

institutionalisiert: an der Borse, innerhalb der Finanzgesellschaften sowie der regio­

nalen Zweigstellen der Nationalbanken, die unter dem EinfluP.. der lokalen Paten in

deren bevorzugten Provinzen stehen (Vatikiotis, 1998). Diese Institutionalisierung ist

die logische Konsequenz aus der Abwesenheit des Gesetzes gegen die Geld­

wasche, bzw. deren sehr eingeschrankter Definition: z.B. des besonderen Falls des

Drogenhandels, der isoliert betrachtet, lediglich begrenzte Summen betriffi. Das

Bankgeheimnis wird strikt eingehalten, und die thailandischen Behorden haben sich

immer gegen eine Ausweitung des Begriffs der Geldwasche auf die Gesarntheit der

unzulassigen Aktivitaten gestellt, da diese schlieBlich die immer teureren Wahlkam­

pagnen finanzieren. Die Politik, die als "die Fortsetzung der Geschafte mit anderen

Mitteln" begriffen wird, entspricht einem Unternehmen zur Umleitung staatlicher In­

vestitionen in private Taschen: sei es durch die Unterschlagung von Provisionen fOr

Infrastrukturprojekte, sei es durch die unsaubere offentliche Beschaffung von AusrO­

stungen, die durchschnittlich 30% bis 40% des Staatshaushaltes ausmachen (Pi­

riyarangsan, 1996:164), oder durch Wertpapiermanipulationen und spekulative In­

vestitionen. 1m letzten Fall ruft die Plazierung rechtswidrig erwirtschafteter Gelder

einen kOnstlichen Ankurbelungseffekt auf die Wirtschaft aus, indem sie die Immobi­

lien- und Borsenblase und den Konsum alimentieren. Der ZufluP.. von kurzfristigem

Auslandskapital verstarkt diese Dynamik noch, da durch ihn die lokale Wettbe­

werbsfahigkeit bis hin zur offenen Krise geschwacht und die Vergesellschaftung der

Verluste ermoglicht wird.

109

Page 114: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Die Verantwortung der FOhrungselite fOr diese Situation ist so deutlich, dar., eine der

Prioritaten Thailands zur Bewaltigung der Krise die Erarbeitung einer neuen Verfas­

sung ist, die darauf abzielt, die Rolle des Geldes in der Politik zu beschranken. Es

ist noch zu frOh, Aussagen Ober die Wirksamkeit der institutionellen Reform zu ma­

chen, doch bereits jetzt verweisen bestimmte Anzeichen auf die Kontinuitat des Sy­

stems. So betonte der Korruptionsspezialist Sungsidh, dar., auch heute im thailandi­

schen Parlament zwanzig bis dreir.,ig Parlamentarier iIIegalen Aktivitaten nachgin­

gen, um die enormen Summen fOr den Stimmenkauf fOr ihre Wiederwahl aufbringen

zu konnen. Die Gewinne aus rechtswidrigen Aktivitaten sind leicht zu erzielen, be­

trachtlich und nicht steuerpflichtig. Ihre Plazierung in regularen Geschaften schaltet

ehrliche Unternehmer aus und begOnstigt eine kOnstliche Hausse, besonders im

Immobiliensektor, wo die Preise trotz der Krise nicht sinken (Boulestreau, 1998:141).

Dem "Unternehmen Geldwasche" gelingt es so, trotz der Verstaatlichung einiger

Banken oder der Rekapitalisierung der sechs gror.,ten Geldinstitute die Sanierung

des Finanzsystems zu verhindern. Die strengsten Kriterien der Kreditgewahrung, die

von der 'Bank of Thailand' in der Sorge eingefOhrt wurden, die lokalen auf die inter­

nationalen Gepflogenheiten auszurichten, zogen ein Steigen der Zinssatze fOr Dar­

lehen nach sich, die nun zuweilen mehr als 16 % erreichen. Dies wiederum verstarkt

bei den "Bankern" die Neigung, auf die Netze des informellen Kredits des huikuan

zurOckzukommen, die eine wahrhafte Renaissance erfahren, da sie die Plazierung

rechtswidrig erlangter Gelder zulassen und ungleiche Konkurrenzverhaltnisse abfe­

dern (Vatikiotis, 1998). Unter diesen Umstanden besteht die Tendenz, die Sanierung

des Finanzsystems unter dem Einflur., der illegalen Wirtschaftszweige zu verzogern,

da diese die Ressourcenallokation hin zu den am wenigsten wettbewerbsfahigen

Sektoren begOnstigen und so das Schuldenproblem sowie die Aur.,enabhangigkeit

des Landes betont werden.

Logik und Ziele von Deregulierung und Globalisierung des Handels haben die inter­

nationale Agenda in den letzten Jahren dominiert. Die einzige Regel, die von der

Globalisierung der Finanzen anerkannt wird, ist die Selbstregulierung durch den

Markt; sie ist dem politischen Willen aur.,erlich und befindet sich konkret in einem

Raum "aur.,erhalb des Rechts". 1m Rahmen dieser weltumspannenden Dynamik wer­

den der Drogenhandel und - allgemeiner - die okonomische Ausweitung der Grau­

zonen und des organisierten Verbrechens als negative Konsequenzen einer positi­

yen globalen Bewegung betrachtet. Auf einer diffuseren Ebene besteht die Vorstel­

lung fort, dar., die Geldwasche es erlaubt, das rechtswidrig erzielte Kapital funktional

zu integrieren, da mit ihm ein Aufschwungseffekt keynsianischen Typs bewirkt wer­

den kann. Die Rolle, die die Profite aus Drogenhandel und organisiertem Verbre-

110

Page 115: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

chen in den drei gror..eren Finanzkrisen nach dem Kalten Krieg (Japan, Mexiko,

Thailand) gespielt haben, hat jedoch gezeigt, dar.. trotz der betrachtlichen okonomi­

schen, kulturellen und politischen Unterschiede zwischen den Landern die Geld­

wasche in allen Fallen die Bildung von Immobilien- und Borsenspekulation be­

schleunigt, die Spielregeln durch Bedrohung und Gewalt unmerklich verandert, den

Wettbewerb zum eigenen Vorteil verzerrt und mit der Krise die nationale und inter­

nationale Kollektivierung der Verluste und Schulden bewirkt, wovon ein nicht zu ver­

nachlassigender Teil mafiOsen Ursprungs ist.

Trotz seines begrenzten Gewichts kann die Geldwasche das Verhalten der machtig­

sten Marktoperatoren wie etwa die institutionellen Investoren der reichen Lander

(Pensionsfonds und mutual funds) beeinflussen. Die sehr attraktiven Kapitalrenditen

auf den von der Geldwasche gezeichneten Finanzmarkten bringen sie tatsachlich

dazu, ihr Portefeuille in diese Richtung zu diversifizieren und durch ihre Massenwir­

kung die monetare Destabilisierung in den "aufstrebenden Landern" zu verstarken.

Die Anziehungskraft zwischen den "kriminalisierten" Okonomien und dem internatio­

nalen Kapital reproduziert so auf globaler Ebene die Anziehungskraft zwischen

Geldwasche und spekulativen Sektoren auf lokaler Ebene.

Literaturverzeichnis

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112

Page 117: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Drogenhandel im sudlichen Afrika:

Die Hinterlassenschaft von Krieg und Apartheid1

Laurent Laniel2

Trafficking Drugs in Southern Africa: The Legacy of War and Apartheid When

Southern Africa opened up to the world following the end of civil wars and the down­

fall of apartheid in the RSA in the mid-1990s, the region simultaneously became both

an export and transit hub and a market for international flows of illicit substances like

cocaine, heroin, hashish, marijuana and synthetic drugs. Three, macro-level, inter­

connected geopolitical factors are being discussed in order to explain the recent

mutation of the Southern African drug geopolitics: The "ethnic-political factor". Ac­

cording to this explanation, the rampant or open civil and international conflicts aris­

ing from apartheid and the barriers it has erected between ethnic communities and

countries have become a breeding ground for processes fostering the production,

trafficking and consumption of banned drugs. Secondly, the "legacy of conflicts", re­

lating the illegal infrastructure and expertise that were developed in the region during

three decades of conflicts. The third factor is "barter", an age-old tool of traders

around the world. Currently, drugs are well suited to play the part of a "strong cur­

rency" in this business.

Inhalt

EinfOhrung

I SOdafrikanische Scheidewege

II Ethnische und Politische Trennungslinien

III Die Hinterlassenschaft der Konflikte

IV Tauschhandel

V SchluBbemerkung

Literaturverzeichnis

1 Die Lateinamerikanistin Rita Hoppe aus Berlin Obersetzte den Text aus dem Englischen. 2 Soziologe. arbeitet als Forscher am Observatoire Geopolitique des Drogues (000) in Paris. Mitglied des UNESCO/MOST-Drogenforschungsnetzwerkes. [email protected] und [email protected].

113

Page 118: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

EinfUhrung

In our own time, the analogy between war making and state making,

on the one hand, and organized crime, on the other, is becoming

tragically apt. Charles Tilll

Bis in die friihen 90er Jahre spielte das siidliche Afrika4 in der internationalen Dro­

genszene eine eher marginale Rolle. Zumindest zeigten sich lokale und internatio­

nale Beobachter nicht sonderlich besorgt iiber die Drogensituation in der Region.

Oberdies stellte und stellt der AlkoholmiBbrauch - insbesondere von hausgemachten

Bieren und Spirituosen - in den meisten siidafrikanischen Uindern ein viel ernsteres

Problem dar als der Drogenkonsum. Abgesehen von dem in der Region weit ver­

breiteten GenuB von Cannabis, das lokal angebaut wird und haufig gesellschaftlich

akzeptiert und kulturell integriert ist, sowie dem MiBbrauch von legalen Medikamen­

ten, wurden iIIegale Drogen nicht iiberall konsumiert oder gehandelt. Eine wichtige

Ausnahme ist Mandrax, ein Antidepressivum, das in der Republik Siidafrika (RSA)

bereits wahrend der letzten zwanzig Jahre eine breite medizinische Verwendung

fand, jedoch auch miBbrauchlich konsumiert wurde.

Ais das siidliche Afrika sich Mitte der 90er Jahre mit dem Ende der Biirgerkriege und

dem Zusammenbruch der Apartheid in der RSA der Welt otfnete, wurde die Region

zur Drehscheibe fiir den regionalen Export und den legalen Warentransit, aber auch

zugleich fUr die Handelswege illegaler Substanzen wie Kokain, Heroin, Haschisch,

Marihuana und synthetische Drogen (hauptsachlich LSD und Extasy). Zum Teil kann

dieser plotzliche Anstieg mit einer Schwerpunktverlagerung bei den lokalen und in­

ternationalen Strafverfolgungsbehorden erklart werden, die sich, nachdem der Frie­

den in den 90er Jahren in die meisten siidafrikanischen Lander zuriickgekehrt war, in

der Lage sahen, der Drogenproblematik mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Dennoch

gibt es kaum Zweifel daran, daB, in realen Zahlen ausgedriickt, mehr Drogen in der

Region gehandelt und konsumiert wurden als vorher. 1995, ein durchschnittliches

Jahr, fUr das die bislang umfassendsten Statistiken vorliegen, wurde im siidlichen

Afrika nahezu die Halfte des in ganz Afrika aufgebrachten Heroins konfisziert. Dar­

iiber hinaus fingen die Behorden in der Region 9% des weltweit beschlagnahmten

Marihuanas und 48% des Methaqualone5 abo Wahrend 1995 die in Afrika konfiszier-

3 Tilly, C.: "War Making and State Making as Organized Crime", in Evans, P., Ruschmeyer, D. & Skocpol, T.: Bringing the State Back In, Cambridge University Press, Cambridge, 1984, pp. 169-191. 4 In diesem Artikel sind mit "SOdafrika" oder "die Region" folgende Lander gemeint, die aile Mitglieder der Southern African Development Community (SADC) sind: Angola, Botswana, Lesotho, Malawi, Mauritius, MQ9ambique, Namibia, SOdafrika, Swaziland, Tansania, Sambia und Zimbabwe. 5 Grundsubstanz von Mandrax.

114

Page 119: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

ten Mengen Kokain noch gering waren6, entfielen 73% (200 Kilogramm) des auf dem

Kontinent beschlagnahmten Kokains auf das sOdliche Afrika?

1m Sommer 1997 fOhrte die Observatoire Geopolitique des Drogues (OGD) auf An­

frage der Europaischen Kommission8 eine Studie im sOdlichen Afrika durch, die die

GrOnde fOr den drastischen Wandel erhellen sollte. Die OGD-Studie ist die erste ihrer

Art, die jemals in diesem Teil der Erde durchgefOhrt wurde. Ihr Ziel war es u.a., ein

Bild von den regionalen Drogengeopolitiken zu zeichnen. Eine der vorgefundenen

Schwierigkeiten bestand in der Unzuverlassigkeit der drogenbezogenen Polizei- und

Gesundheitsstatistiken9 . Dieses Problem existiert zwar weltweit, ist aber im sOd lichen

Afrika besonders prononciert anzutreffen. Ais die Studie durchgefOhrt wurde, hatten

erst wenige der untersuchten Lander nationale Instrumente zur Oberwachung von

Drogenkonsum, -produktion oder -handel entwickelt. Die Informationen mur..ten aus

einer Vielfalt an Quellen gewonnen werden, darunter auch die Gesundheits- und Po­

lizeibehorden, Sozialarbeiter, Journalisten, Akademiker, NGO-Mitglieder sowie Pro­

duzenten, Handler und Konsumenten von Drogen, urn sie dann verarbeiten, verglei­

chen und analysieren zu konnen.

Der Autor schlagt drei geopolitische Faktoren zur Erklarung der jOngsten Verande­

rung sOdafrikanischer Drogengeopolitiken vor, die auf der Makroebene miteinander

verbunden sind. Es wird nicht der Anspruch erhoben, dar.. diese Faktoren die einzi­

gen sind, sondern lediglich, dar.. sie fOr das Verstandnis der gegenwartigen Drogen­

situation im sOdlichen Afrika von zentraler Bedeutung sind.

Zunachst der "ethnisch-politische Faktor": Diesem Erklarungsansatz zufolge bildeten

die schwelenden oder offenen zivilen und internationalen Konflikte, die aus der

Apartheid entstanden sind, insbesondere die Barrieren, die zwischen den ethnischen

Gemeinschaften und Landern errichtet wurden, einen fruchtbaren Boden fOr Prozes­

se, die die Produktion, den Handel und den Konsum von verbotenen Drogen befor­

derten.

Eine weitere Erklarung ist die "Hinterlassenschaft der Konflikte": sie bezieht sich auf

die illegale Infrastruktur und die Sachkenntnis, die wah rend dreier konfliktbeladener

Jahrzehnte in der Region entwickelt wurden. Tatsachlich betrieben eine Reihe politi­

scher und okonomischer Krafte wahrend des Kalten Krieges und der Apartheid in

grol.?em Umfang illegale Handelsaktivitaten, die nichts mit Drogen zu tun hatten, in-

6 Sie erfuhren seitdem einen signifikanten Anstieg. 7 Die Quellen dieser zahlen stammen aus einer Reihe von Berichten von Interpol und der Weltzollor­ganisation. 8 Die Feldstudie wurde im Sommer 1997 durchgefOhrt. Es mu(1, betont werden, da(1, die in diesem Arti­kel vorgebrachten Argumente in der alleinigen Verantwortung des Autors liegen und da(1, sie nicht notwendigerweise die Meinung der OGD oder der Europaischen Union wiedergeben. FOr mehr In­formation Ober die OGD konsultieren Sie bitte folgende Homepage: http://www.ogd.org. 9 Wichtige Ausnahmen sind Mauritius, Namibia und Tansania.

115

Page 120: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

nerhalb der Region sowie zwischen der Region und dem Rest der Welt. Zum greBten

Teil dienten sie dazu, kriegfOhrende Parteien zu alimentieren und das Embargo zu

umgehen, das die internationale Gemeinschaft gegen SOdafrika errichtet hatte. Jetzt,

und SOdafrika ist hiermit keine Ausnahme in der heutigen Welt, nehmen diese Ver­

bindungen und Netzwerke "neue" Produkte in ihr Sortiment auf, u.a. Drogen. Mit der

Transition vom Krieg zum Frieden haben sich auch der Charakter und der Diskurs

der illegalen Netzwerke, von "politisch" zu "merkantil" gewandelt.

Der dritte Faktor ist der Tauschhandel, ein uraltes Instrument der Handler in der gan­

zen Welt. Drogen wurden Teil der Produktpalette, die von Schmuggelnetzen gehan­

delt werden, weil sie Waren mit einer hohen Gewinnspanne sind. Zudem sind sie auf

dem Weltmarkt leicht erhaltlich und kennen jederzeit gegen Waren, die das sOdliche

Afrika anzubieten hat, getauscht werden. Drogen sind gut geeignet, die Rolle einer

"starken Wahrung" zu spielen: sie haben einen hohen Festpreis und sind der Inflati­

on kaum unterworfen; ihre lIIegalisierung garantiert die Mindestpreise und reguliert

die Oberproduktion. Aufgrund ihres geringen Volumens sind sie recht einfach zu

transportieren und kennen im wachsenden regionalen Konsumentenkreis verauBert,

aber auch zu anderen Transaktionen verwendet werden.

Bevor diese Faktoren detailliert untersucht und in einen Gesamtzusammenhang ge­

stellt werden kennen, ist es notwendig, ein umfassendes Bild der Drogenszene im

sOd lichen Afrika zu zeichnen. Die Republik SOdafrika wird hierbei eine herausragen­

de Rolle spielen.

SOdafrikanische Scheidewege

Die Republik SOdafrika wurde aufgrund ihres ekonomischen, politischen und demo­

graphischen (41,5 Millionen Einwohner) Gewichtes, ihrer Lage auf der Weltkarte und

einer vergleichsweise modernen und effizienten Infrastruktur eben so zum Zentrum

des regionalen Drogenhandels, wie auch zur Drehscheibe legaler Warenstreme des

sOdlichen Afrikas. Beschlagnahmungen und andere Indikatoren zeigen, daB der

Hauptteil des Drogenhandels auf dem Landweg abgewickelt wird. Weil die meisten

StraBen und Eisenbahnstrecken, die im 19. und frOhen 20. Jahrhundert im sOd lichen

Afrika gebaut wurden, um die landwirtschaftlichen und bergbaulichen Ressourcen

der Region zu exportieren, zu den Seehafen der Republik SOdafrika fOhren, treffen

dort auch die meisten regionalen Drogenhandelsrouten zusammen. SOdafrika ist be­

reits heute einer der Dreh- und Angelpunkte der internationalen Drogenhandelswege

und gleichzeitig Exporteur von regional prod uzierten , illegalen Substanzen in den

Rest der Welt. Das heiBt nicht, daB die anderen Lander der Region bloBe Satelliten

der RSA oder SOdafrikas Drogenhandler die "Bosse" waren, die die absolute Kon-

116

Page 121: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

trolle iiber den regionalen Drogenhandel ausiiben. 1m Gegenteil ist im Laufe der Er­

hebungen offensichtlich geworden, dar.. aile Lander, auch diejenigen, die von ihrem

machtigen Nachbarn weitgehend abhangig sind, ihre eigenen Verbindungen im Dro­

gengeschaft aufgebaut haben. Auch verfiigen die benachbarten Lander iiber Netz­

werke, die auf den heimischen, regionalen und internationalen Drogenmarkten ge­

schaftlich aktiv sind.

Dies vorausgeschickt, sollen die in den folgenden Abschnitlen aufgefOhrten Zusam­

menhange die zentrale Rolle der RSA in den regionalen Drogengeopolitiken weiter

verdeutlichen.

Strukturelle Faktoren: Geographie, Ressourcen und Infrastruktur

Strategisch gesehen liegt Siidafrika an den wichtigsten Schiffahrts- und Flugrouten

der siidlichen Hemisphare, namlich zwischen Siidamerika, hier sind besonders Bra­

silien und Argentinien als bedeutende Kokainkorridore10 zu nennen, und Asien, wo­

bei Indien und Pakistan als Heroin- und Haschischexporteure11 einen hervorragen­

den Platz einnehmen. Letztere nutzen haufig die Route iiber die Arabischen Emirate,

einem gror..en internationalen Schmuggelnest. Oberdies hat Siidafrika gute Luftver­

bindungen mit Westeuropa und den Vereinigten Staaten, beides riesige Drogen­

markte und Heimat machtiger, international tatiger krimineller Organisationen. Die

RSA unterhalt besonders enge kulturelle und kommerzielle Bande zu Gror..britannien

und den Niederlanden, deren kriminelle Organisationen "Klubdrogen" (Extasy, LSD

etc.) produzieren und exportieren und Geld waschen12. Die internationale organi­

sierte Kriminalitat ist aber auch dariiber hinaus sehr stark in Siidafrika engagiert, da

viele Kriminelle das Land als einen sicheren Hafen vor der Verfolgung in ihren Hei­

matlandern ansehen bzw. als ein verlockendes "Land der unbegrenzten Moglichkei­

ten" fOr die Organisation iIIegaler Transaktionen, einschlier..lich des Drogenhandels

und der Geldwasche. Amerikanische, britische, chinesische, hollandische, franzosi­

sche, deutsche, indische, irische, israelische und russische kriminelle Organisationen

sind dafiir bekannt, dar.. sie in Siidafrika "Geschafte" mach en 13.

1 0 Gleichwohl exportiert auch Kolumbien Marihuana OOOr die RSA: im DezemOOr 1996 wurden 18 Metertonnen kolumbianisches Marihuana im Hafen von Durban, SOdafrika, OOschlagnahmt. 11 Um nur ein Beispiel zu geben: am 3. Mai 1994 wurden im Hafen von Montreal, Kanada, 26,4 Me­tertonnen pakistanisches Haschisch konfisziert, die sich in drei Containern fOr Kleidung und Tee be­fanden, von denen einer OOOr den Hafen von Durban gekommen war. 12 FOr einen Oberblick OOOr die Drogensituation im Vereinigten KOnigreich siehe "Polydrug Use and Polydrug Trafficking in the U.K.: A Model for Europe?" in OGD: The World Geopolitics of Drugs 199711998, OGD, Paris, Oktober 1998, (http://www.ogd.org). 13 FOr einige Details zum chinesischen und russischen organisierten Verbrechen in der RSA siehe Beresford, D.: "SA crime is getting organized", in The Weekly Mail and Guardian, 13. Februar 1998.

117

Page 122: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Die politische und okonomische Geographie des sOd lichen Afrikas ist ein bedeuten­

der Faktor, der zu der prominenten Stellung der Republik SOdafrika im regionalen wie

internationalen Drogenhandel beigetragen hat. SOd afrika vermittelt die meisten Wa­

ren-, Geld- und Dienstleistungsstrome, die die Region erreichen bzw. verlassen.

Sechs der zwolf Lander in der Region haben keinen Zugang zum Meer und mOssen

daher Seehafen in benachbarten Landern nutzen, um Waren und Rohstoffe importie­

ren und exportieren zu konnen. Dies sind Botswana, Lesotho, Malawi, Swaziland,

Sambia und Zimbabwe, die hauptsachlich Produkte aus der Landwirtschaft (Tabak,

Zucker, Tee etc.) und dem Bergbau (Diamanten, Kupfer, Uran etc.) exportieren.

Wenngleich die Hafen der RSA nicht die einzigen im sOdlichen Afrika sind, die den

Exporteuren zur VerfOgung stehen, so liegen sie vielen Landern doch am nachsten.

Zudem werden potentielle Exporteure legaler Waren von der Unordnung, der Armut

und der heruntergekommenen Infrastruktur abgeschreckt, die z.B. das Nachkriegs­

Mocambique pragen. Dennoch wickeln die Hafen von Nacala, Beira und Maputo in

Moyambique einen Teil von Malawis, Swazilands, Sambias und Zimbabwes Waren­

verkehr abo Vor allem Beira ist ein bedeutendes Schmuggelnest fOr regionale und

zugleich internationale Im- und Exporte von Orogen und Waffen. Gewisse Anteile des

regionalen Warenverkehrs werden vom Hafen von Dar es-Salaam in Tansania Ober­

nommen: es liegt an der nordlichen Spitze der Region und schlagt hauptsachlich die

Importe und Exporte von Sambia und zum Teil von Malawi um. Neben den Seehafen

verfOgt SOdafrika Ober eine strategische Lage am Ende der regionalen Stra~en und

Eisenbahnstrecken. Wegen seiner Industrie ist es zudem selbst ein gro~er Exporteur

von Waren in die Nachbarlander. Zum Beispiel kommen 80% der offiziellen Importe

Botswanas, Lesothos und Namibias aus SOdafrika.

Die RSA ist hinsichtlich der Infrastruktur das bei weitem am besten ausgestattete

Land im sOd lichen Afrika. Es hat eine Vielzahl an Flughafen, die gro~tenteils nicht

polizeilich Oberwacht sind und lange Zeit fOr verschiedene Arten des Schmuggels

mi~braucht wurden. Ihr Verkehrsnetz ist mit Abstand das beste in der Region, und

ihre Seehafen sind modern und liegen an den wichtigen internationalen Schiffahrts­

routen. Mit einer starken und konvertierbaren Wahrung, einer dynamischen Borse,

einem effizienten und computerisierten Bankensystem, modernen Stadten, einem

entwickelten Industriesektor, einem boomenden Immobilienmarkt (besonders in und

um Kapstadt), einer rasch expandierenden Tourismusindustrie und einer machtigen

GIOcksspielindustrie ist SOdafrika nicht nur fOr die Elite der auslandischen Kriminellen

attraktiv; auch sehen Tausende von Menschen aus benachbarten Landern, die keine

Berufskriminelle sind, in der RSA einen lukrativen Markt und Umschlagplatz fOr ge­

schmuggelte Edelsteine, Gold, Elfenbein, NashornhOrner, Waffen oder Orogen. Da­

mit verdienen sie sich ihren Lebensunterhalt und kurbeln gleichzeitig die Schatten­

wirtschaft an. Laut einem Analytiker der internationalen Buchhaltungsfirma KPMG,

gehort SOdafrika fOr Geldwascher zu den vielversprechendsten Landern in der Welt.

118

Page 123: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Bis zum Mai 1997 war Geldwasche in der RSA keine Straftat. Es ist zu bezweifeln,

daB die neue Gesetzgebung der Realitat angepaBt ist und daB es angesichts der

Korruption und der mangelhaften Ausbildung der nationalen Sicherheitsorgane mog­

lich sein wird, sie angemessen umzusetzen.

Weiterhin ist SOd afrika mit vielen natorlichen ReichtOmern gesegnet. Dies fordert die

lukrativen Schmuggelaktivitaten. Das Land ist eines der weltweit groBten Produzen­

ten von Gold und Diamanten, zwei Waren, die die Existenz machtiger und gut mit­

einander vernetzter internationaler Schmuggelringe begrOnden, welche Afrika, Asien,

den Mittleren Osten, Nord- und Lateinamerika sowie Europa (einschlieBlich RuBland)

umfassen. Zudem ist das sOdliche Afrika Heimat der meisten noch lebenden Nas­

hornpopulationen der Welt. Das erweckt die Habgier von Wilddiebbanden: Elefanten

werden wegen ihrer StoBzahne gejagt, und ein Nashornhorn kann auf dem

Schwarzmarkt mehr als 4.000 US$ erzielen.

Die sOdafrikanische Automobilindustrie laBt sich auch zu den Ressourcen des Lan­

des zahlen und bietet weitere Ansatzpunkte fOr kriminelle Aktivitaten. GroBe Auto­

mobilhersteller wie BMW, Mercedes-Benz, Toyota und Volkswagen unterhalten

Montagehallen in der RSA. Allein in SOdafrika werden Hunderttausende von Fahr­

zeugen jahrlich gestohlen, aber auch im Obrigen sOd lichen Afrika stellt Autodiebstahl

ein ernsthaftes Problem dar. Die gestohlenen Fahrzeuge werden sowohl von groBen

kriminellen Organisationen als auch von unabhangigen kleinen Ganoven beiseite

geschafft, als Ersatzteile verkauft oder in andere Lander (im sOd lichen Afrika und

darOber hinaus) exportiert. Die Autoschieberei steht in mehr als einer Beziehung

zum Drogenhandel: Drogendealer akzeptieren von ihren Klienten Autos als Zah­

lungsmittel, und gestohlene Fahrzeuge werden fOr den grenzOberschreitenden Dro­

genschmuggel benutzt.

Konsumentenkreise im sud lichen Afrika

Konsumentenkreise sind ein wichtiger Aspekt der Drogengeopolitiken, auch wenn

dies haufig vernachlassigt wird. Lange war die Beschaftigung mit der Nachfrage nach

Drogen das Ressort der Epidemiologen, Anthropologen oder Soziologen, die sich

bemOhen, die Beziehung zwischen Drogen und Individuen bzw. Drogen und Gesell­

schaft (zumeist nationale Gesellschaften) zu erforschen, wahrend die Angebotsseite

(Produktion und Handel von Drogen) zumeist von Politologen (Internationale Bezie­

hungen), Okonomen oder Geopolitikern studiert wurden 14. Ein besseres Verstandnis

14 Es gibt Ausnahmen von dieser allgemeinen Regel. Eine ist die amerikanische "Anthropologenschu­Ie" fOr Drogenforschung, die einige ausgezeichnete Arbeiten iiber den Drogenhandel auf lokaler Ebe ne hervorgebracht hat, wie Bourgois, P.: In Search of Respect: Selling Crack in EI Barrio, Cambridge University Press, Cambridge, New York and Melbourne, 1995.

119

Page 124: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

des Drogenphanomens kann jedoch nur gewonnen werden, wenn die dynamische

Beziehung zwischen Angebot und Nachfrage untersucht wird, also die Raume be­

leuchtet werden, wo die Drogenproduktion und der Handel mit dem Drogenkonsum

aufeinandertreffen und interagieren 15.

Wegen ihres groBen Konsumentenkreises fOr illegale Drogen zieht die RSA den

Vertrieb von Substanzen an, die im sOd lichen Afrika und jenseits der Region produ­

ziert werden. Es gibt keine Schatzungen zur Anzahl der Drogenkonsumenten in

SOd afrika; der Umfang der stadtischen Bevolkerung und die vergleichsweise breite

Mittelklasse lassen jedoch den ROckschluB zu, daB SOdafrika den groBten Konsu­

mentenkreis fOr iIIegale Drogen im sOd lichen Afrika stellt16. GroBere urbane Zentren

wie Johannesburg, Pretoria, beide in der Gauteng-Provinz gelegen, die fast vollstan­

dig urbanisiert ist, Kapstadt, ein groBeres Touristengebiet, und Durban, Hauptstadt

von KwaZulu-Natal mit Meereshafen, halten groBe, diversifizierte und komplexe Dro­

genkonsummarkte bereit. Der kleinere Anteil des heimischen Marktes wird von der

schwarzen, farbigen, armen drogenkonsumierenden Bevolkerung gebildet, die in den

oft riesigen Townships lebt; hier werden hauptsachlich Marihuana, in SOdafrika "dag­

ga" genannt, Mandrax und zunehmend Crack (besonders in Johannesburg 17) kon­

sumiert. Zwar findet Heroin auch unter den einkommensschwachen Kosumenten

langsam Verbreitung, bislang bleibt der Heroinkonsum jedoch Oberwiegend auf die

bessergestellten Kreise beschrankt. Letztere reprasentieren den Lowenanteil des

Drogenkonsummarktes, der sich aus stadtischen wei Ben wie bessergestellten

schwarzen und farbigen Drogenkonsumenten zusammensetzt. Die vorherrschenden

Substanzen in den reicheren Kreisen sind "dagga", Kokain und Crack, "Club­

Drogen", Heroin (zumeist gerauchtes NO.3 Heroin, auch bekannt als "brauner Zuk­

kern) und Mandrax18. Polydrogengebrauch, d.h., der regelmaBige Konsum von mehr

15 Die OGD hat sich einige Zeit lang bemuht, beides, die Nachfrage und das Angebot von Orogen, als Teile desselben Problems zu berucksichtigen, siehe zum Beispiel "Polydrug Use and Polydrug Traf­ficking in the UK: A Model for Europe?" und "Heroin Networks and Markets in Europe", beide in OGD: The World Geopolitics of Drugs 199711998, op. cit. In diesem Zusammenhang kann auch Chri­stian Geffray's Studie uber den "Kokainboom" im brasilianischen Bundesstaat Rondonia in der Ama­zonasregion erwahnt werden. 16 An dieser Stelle wiederholen wir, daB die quer durch aile Schichten mit Abstand verbreitetste Dro­ge im sudlichen Afrika der Alkohol ist. AlkohollaBt auch den Konsum problematischerer Orogen in der Region entstehen. Gleichwohl sind in diesem Artikel mit dem Wort "Droge(n)", sofern nicht anders angegeben, iIIegale Orogen gemeint. 17 Die sudafrikanischen Behc5rden registrierten den Konsum von Crack, auch bekannt als "rock", zu­erst im Jahre 1993. 1996 schatzte Dr. Sylvain Miranda, Direktor des Behandlungszentrums von Phoe­nix House und der SANCA, daB es allein in der Gauteng-Provinz 150.000 Crack-Konsumenten gibt. Er ging so weit, vorauszusagen, daB es im Jahr 2000 republikweit 500.000 sein wOrden. Obwohl die meisten Crack-Dealer und Konsumenten im Gebiet von Johannesburg anzutreffen sind (besonders in den Distrikten Hillbrow und Berea), scheint der Crack-Konsum sich auf andere grc5Bere stadtische Gebiete wie Kapstadt und Durban auszubreiten. 1B In der ersten Halfte der BOer Jahre war der Konsum von Mandrax auf WeiBe und Farbige aller so­zialer Klassen beschrankt; Schwarze waren normalerweise so arm, daB sie ihn sich nicht leisten konnten.

120

Page 125: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

als einer Substanz durch eine Person, ist unter den wohlhabenden wie den armen

Konsumenten Oblich und wird immer popularer: entsprechend den Daten des South

African National Council on Alcoholism and Drug Dependency (SANCA) hatten in der

Gauteng-Provinz 19957%, 199612% und im Jahre 1997 zwischen 30 und 40% der

zur Behandlung aufgenommenen Menschen mehrere Drogen gleichzeitig konsu­

miert.

Obwohl es schwierig ist, die verschiedenen, in SOdafrika konsumierten Drogen nach

ihrem Verbreitungsgrad zu ordnen, bleibt "dagga" landesweit, und besonders in den

landlichen Gebieten die verbreitetste Droge.

Der Konsum von "dagga" wird momentan in der RSA wie in den meisten sOdafrikani­

schen Staaten und in Westeuropa de facto entkriminalisiert. Konkrete Anhaltspunkte

fOr die Tendenz zur Entkriminalisierung bieten u.a. Statements von Regierungsmini­

stern wie Sipho Mzimela: Der sOdafrikanische Justizminister erklarte, dar.. die Geset­

zesanderung, die zum Ziel hat, den Besitz von "dagga" zu entkriminalisieren, "Millio­

nen Steuergelder sparen konnte". Seit einer Entscheidung im Jahr 1992 berOcksich­

tigen viele sOdafrikanische Gerichte die in der Gesellschaft weit verbreitete Toleranz

gegenOber dem Cannabis-Konsum im Land: ,,'Dagga' ist so leicht zu besorgen und

sein Gebrauch ist so weit verbreitet, dar.. ein gror..er Teil der Bevolkerung den Besitz

nicht als Verbrechen oder gar als ein gesellschaftliches Problem ansieht. ( ... ) Die

gesellschaftliche Ablehnung, die von den schweren Strafen fOr den 'dagga'-Besitz

herrOhrt, kann nicht Obersehen werden." Dennoch ist nicht jeder mit der Entkriminali­

sierung von "dagga" einverstanden; zu den Gegnern gehOrt Dr. Sylvain Miranda, ei­

ner der fOhrenden Epidemiologen SOd afrikas 19. Trotzdem scheint es unter den sOd­

afrikanischen StrafverfolgungsbehOrden Konsens zu sein, dar.. Cannabis weniger

gefahrlich ist als andere verbotene Drogen. Wie ein Journalist es treffend formulierte:

"Die Polizei kOmmert sich nicht urn 'dagga'; sie bekommt ja nicht einmal den Handel

mit den harten Drogen in den Griff."20 Diese Feststellung wird von den Statistiken des

South African Police Service (SAPS) gestotzt, wonach die Zahl der Verhaftungen fOr

den Besitz von "dagga" von 6.511 im Jahr 1992 auf 1.475 im Jahre 1996 fiel. Von

Mocambique bis Mauritius Ober Zimbabwe und Tansania konnen quer durch die Re­

gion dieselben Reaktionen bei den Verwaltungsbeamten beobachtet werden: zwar ist

die Schadlichkeit von Cannabis unstrittig, und sein Status als ein jetzt verbotenes

Produkt wird nicht in Frage gestellt, aber die Probleme, die im Zusammenhang mit

19 Siehe Ryan, T.: "Let the public into the dagga debate", in The Weekly Mail and Guardian (Johan­nesburg), 6.Mi!irz 1998. 20 Fracassi, F. & Evans, L.: "Money can buy immunity", in The Weekly Mail and Guardian (Johannes­burg), 25. Juli 1997.

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Page 126: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Cannabis auftreten, werden besonders im Vergleich mit Alkohol21 als sekundar ein­

gestuft.

Eine wesentliche Erklarung fOr die Toleranz der Geselischaft gegenuber Cannabis in

der RSA und dem sud lichen Afrika insgesamt liegt in der Geschichte: Seit Jahrhun­

derten wird "dagga" von den Einwohnern der Region gepfJanzt und konsumiert. Hi­

storischen Forschungen zufolge ist anzunehmen, dar.) die Volker der San, auch be­

kannt als "Buschmanner" und der Khoikhoi (Hottentotten), die fruhesten Bewohner

des sud lichen Teils von Sudafrika, "dagga" bereits vor 1500 konsumierten22. Auch

existiert in den meisten einheimischen afrikanischen Sprachen ein spezifisches Wort

fOr Cannabis 23. Bis heute wird in vielen land lichen Gebieten Marihuana als eine tra­

ditionelie Medizin angesehen, die Menschen und Tiere heilf4. Seit Ende des 19. Jahrhunderts ist mit der Beschaftigung von Schwarzen in den Minen und auf den

gror.)en Farmen die funktionale Nutzung von Marihuana unter den Arbeitern ublich

gewesen. Da "dagga" den Ruf hat, den Arbeitern Kraft zu verleihen25, ermutigten

weir.l.e Arbeitgeber haufig zum Konsum.

1m ,neuen Sudafrika' argumentieren manche, der Konsum von "dagga" trage dazu

bei, die Kluft zwischen den Bevolkerungsgruppen zu uberwinden. Ob wahr oder

nicht, Cannabis ist Teil der Kultur vieler ethnischer Gruppen, die im sud lichen Afrika

seit Hunderten von Jahren leben.

21 Wie wahr dies auch sein mag, der intemationale Druck und das Bestreben der Regionalregierun­gen, vollwertige Mitglieder der internationalen Gemeinschaft und dadurch fOr IWF und Weltbank kre­ditwordig zu werden, kann zum Verbot von Cannabis-Besitz und -Konsum in Uindern fOhren, in denen er zuvor erlaubt war. Der jungste Fall ist MOQambique, das 1997 Cannabis (dort bekannt als "suruma") erst achtete und dann aile Drogenkonventionen der Vereinten Nationen im Juni 1998 unterzeichnete. Siehe Laniel, L.: The "Drug Summit': New York 8-10 June 1998. "MOST - Drugs Report Series". Number 3. UNESCO's MOST-Drug Program. Paris. Oktober 1998. Annex 1a (http://www.unesco.org/mostllaniel.htm). 22 Du Toit. B.: Cannabis in Africa. veroffentlicht fOr das African Studies Center. University of Florida. Gainesville. A.A. Balkema. Rotterdam 1980. S. 8. stellt fest. daB Cannabis "fast mit Sicherheit in dem sudlichen Teil des Kontinents (Afrika) in vorportugiesischer Zeit. d.h. vor A.D. 1500. genutzt wurde"; w1Ihrenddessen behauptet Gille. J.: A Short History of Lesotho. MOrija Museum & Archives. Morija (Lesotho). 1993. S. 7. daB "dagga" den San vor 1550 bekannt war. 23 Siehe Du Toit. B .. op. cit. 24 Laniel. L.: Cannabis in Lesotho: A Preliminary SUNey. MOST-Diskussionspapier No. 34. UNESCO. Paris. 1999 (http://www.unesco.orglmost·dslaniel.htm). Ii stet einige der traditionellen medizinischen Verwendungen von Marihuana. lokal bekannt als "matekoane". in Lesotho auf. 25 Marihuana hat uberall in Afrika sudlich der Sahara den Ruf. mehrere nutzliche Wirkungen zu ha­ben. Eine der am Mufigsten genannten ist die. daB es seine Konsumenten befahigt. harter zu arbei­ten. Fur Details hierzu und zu anderen berichteten funktionalen Verwendungen siehe Laniel. L.: "au va la production de cannabis: Marche local de la consommation et developpement des cultures iIIicites au Ghana". in OGD: Les drogues en Afrique subsaharienne. KarthalalUNESCO. Paris. 1998; und Laniel. L.: "Violencia y marihuana: usos del 'tabaco del diablo' en el Ghana contemporaneo". in In­chaurraga, S. (comp.): Drogas y Drogadependencias, Teoria, Clinica e Instftuciones, CEAD-SIDA. Universidad Nacional de Rosario, 1997.

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Page 127: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

"Oagga" und der sudafrikanische "Cannabis-Korridor"

1m heutigen SOdafrika, Lesotho, Malawi und Swaziland sind wirtschaftliche Faktoren

fOr die weitverbreitete Toleranz gegenOber Marihuana mitbestimmend. Tatsachlich

kann dort wie in weiten Teilen Afrikas die Cannabis-Ernte die einzige bzw. gror..te

Einkommensquelle ganzer Gemeinden sein. Wahrend der Umfang der Cannabis­

Ertrage allgemein unbekannt ist, zeigen die vorhandenen Daten, dar.. die Marihuana­

Produktion in vielen sOdafrikanischen Regionen Teil der land lichen Okonomie ist.

Das ist besonders in Lesotho26 und Malawi, in einigen Gebieten von Sambia und

Swaziland entlang der Grenze von MOyambique und Zimbabwe der Fall, nicht zu

vergessen das ostliche Kap, KwaZulu-Natal, Mpumalanga und die nordlichen Provin­

zen der RSA27.

1m August 1996 offenbarte ein von Interpol und dem International Narcotic Control

Board der Vereinten Nationen (INCB) verfar..tes Memorandum, welches sich wieder­

urn auf einen Bericht des South African Narcotics Bureau (SANAB) stotzt, dar.. Bilder

der "Luftaufklarung" den Anbau von 80.000 Hektar Cannabis in der frOheren Republik

Transkei (ostliches Kap) bewiesen. Wird die Produktion dieser Region mit der ge­

samten sOdafrikanischen Produktion addiert, zeigt sich, dar.. SOdafrika zur Zeit der

gror..te Cannabis-Produzent der Welt ist.

Konservative westliche Schatzungen (1997) gehen fOr SOdafrika von einer Gesamt­

anbauflache von ca. 35.000 Hektar aus. Bei einer Ertragsschatzung von 100 Kilo­

gramm gebrauchsfertigen Marihuanas pro Hektar und Ernte sowie 1,5 Ernten pro

Jahr (einige Anbaugebiete haben zwei Ernten im Jahr, andere nur eine) bedeutet

dies, dar.. SOdafrika jahrlich urn die 5.250 Metertonnen marktgangiges "dagga" pro­

duziert - in jeder Hinsicht eine aur..erordentlich gror..e Menge.

Zusammengenommen reprasentieren das sOdliche SOdafrika sowie Lesotho und

Swasiland die sOdliche Spitze des regionenweiten "Cannabis-Korridors", der sich

sOdnordlich vom ostlichen Kap bis zum sOd lichen Tansania Ober Teile von Ost­

MOyambique, Ostzimbabwe, Nordostsambia und ganz Malawi erstreckt sowie ost­

westlich von SOdsambia zum ostlichen Namibia und Botswana Ober das nordostliche

Zimbabwe2B.

26 Laniel, L.: Cannabis in Lesotho, op. cit., Iiefert den Beweis, daJ1 Marihuana nahezu 50% des Ge­samteinkommens und fast 100% des Bareinkommens der Bauern in den bergigen Distrikten von Le­sotho erbringt. 27 Koch, E. & Mthembu, E.: "The crop that clothes, feeds and educates .. .is illegal", in The Weekly Mail and Guardian, 25. Juli 1997. 28 FOr Einzelheiten zum Cannabis-Agro-Business in Lesotho siehe Laniel, L.: Cannabis in Lesotho, op. cit.

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Page 128: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Der "Cannabis-Korridor" dehnt sich stetig aus, wobei das Marihuana der neuen "dag­

ga"-Anbaugebiete in erster Linie kommerziell und nicht kulturell genutzt wird.

Obwohl der grol1te Teil des im sOd lichen Afrika produzierten Cannabis lokal konsu­

miert wird, weisen Statistiken Ober Beschlagnahmungen darauf hin, dal1 mit der

Oberschul1produktion der europaische Markt beliefert wird, insbesondere das Verei­

nigte Konigreich und die Niederlande. Dort kann Cannabis gegen "Klubdrogen" ge­

tauscht werden, die wiederum auf dem sOdafrikanischen Markt angeboten werden.

Marihuana aus dem sOdlichen Afrika kommt per Luft oder See nach Europa, vor al­

lem nach Grol1britannien, wie sich anhand von Beschlagnahmungen in den Hafen

Tilbury und Felixstowe in England wie auch in Durban und Kapstadt nachweisen lal1t.

Reprasentativ fOr die Wege des internationalen Drogenschmuggels auf dem Luftweg

ist der Fall "Verster", eines frOheren sOdafrikanischen Geheimdienstoffiziers, der in

den Diamantenschmuggel in Angola und Namibia verwickelt war. 1992 wurde Verster

nach einer Sauberungsaktion der Spezialeinheiten offiziell aus dem Dienst entlassen

und im Februar 1997 am Bournemouth-Flughafen in England bei dem Versuch fest­

genommen, 120 Kilogramm "dagga" an Bord eines Privatjets nach England einzufOh­

reno

II Ethnische und politische Trennungslinien

Ethnische Diversitat und Besonderheiten sowie die Bedeutung von Geschichte und

Kultur sind grundlegend fOr das Verstandnis der Drogensituation im sOd lichen Afrika.

Die meisten sozialen und okonomischen Aktivitaten, die mit Orogen zusammenhan­

gen, knOpfen direkt an formelle wie informelle Traditionen und Aktivitaten an. Seitens

einiger Regionalregierungen besteht die Tendenz, ethnische Unterschiede zu in­

strumentalisieren, um Systeme ungleichen Landbesitzes und ungerechter Ressour­

cenverteilung zum Wohle der jeweiligen hegemonialen ethnischen Gruppe aufrecht­

zuerhalten29. In SOdafrika wurde solch ein System, die Apartheid, institutionalisiert

und bestimmte aile Aspekte des menschlichen Lebens. Apartheid liel1 die Grenze

zwischen "ethnischen" und "politischen" Unterschieden verschwimmen und produ­

zierte eine Spielart des "Clash of Civilization", wie ihn Samuel Huntington fOr das 21.

Jahrhundert voraussagte30. Sowohl Anti- als auch Pro-Apartheidkrafte fanden aul1er­

halb SOdafrikas VerbOndete; und solange die internationale politische Landschaft

vom Ost-West-Konflikt gepragt war, integrierte der Kampf um die Apartheid die Logik

des Kalten Krieges: "Kampfen fOr die Revolution" versus "den Kommunismus be-

29 Die bekanntesten Beispiele sind SOdafrika bis in die frOhen 90er, RhodesienlZimbabwe minde­stens bis 1980 und Namibia bis zur UnabMngigkeij im Jahr 1990. Obwohl nicht von gleicher Intensi­tat, sind auch Angola und Mauritius zu nennen. 30 Huntington, S.: "The Clash of Civilizations", in Foreign Affairs, Vol.72, No.3, Sommer 1993.

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Page 129: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

kampfen". Dieser sOdafrikanische Konflikt dehnte sich auf die Nachbarlander aus und

wurde zu einem strukturellen Faktor regionaler Geopolitiken. In SOdafrika selbst be­

gann die Krise im Dezember 1961 mit der GrOndung eines gemeinsamen bewaffne­

ten FIOgels, Umkhonto we Sizwe ("Speer der Nation"), durch die beiden verbotenen

Parteien der Kommunistischen Partei SOd afrikas (SACP) und des Afrikanischen Na­

tionalkongresses (ANC): 1967-1968 startete die Bewegung von ihrer Basis in Sambia

aus eine Guerilla-Kampagne in Rhodesien, dem heutigen Zimbabwe, wogegen die

sOdafrikanische Polizei intervenierte. Dann begann eine Bewegung mit Namen SOd­

westafrikanische Volksorganisation (SWAPO) fOr die Freiheit Namibias zu kampfen,

das zu jener Zeit eine sOdafrikanische Kolonie namens SOdwestafrika gewesen ist.

Nach 1975 kampfte die SWAPO in Angola weiter, als Moyambique und Angola ihre

Unabhangigkeit von Portugal erlangten. Die Kampfe eskalierten, nachdem sich die

RSA mit der Absicht, die "kommunistische Subversion" so weit wie moglich von ihren

Grenzen fernzuhalten, in die BOrgerkriege der frOheren portugiesischen Kolonien

einmischte. Bis 1989 intervenierte das sOdafrikanische Militar direkt in Angola, dann

indirekt, indem es Jonas Savimbi's Rebellenbewegung UNITA unterstotzte31 . Bis

1992 half SOdafrika zusatzlich der RENAMO in Moyambique. Innerhalb SOdafrikas

fOhrten die "Sekurokraten", die 1978 in Pretoria die Macht ergriffen, einen schmutzi­

gen Krieg gegen die Anti-Apartheidgruppen, bis der ANC schlieBlich die Wahlen yom

April 1994 gewann.

Der lang andauernde, ethnisch Oberlagerte, politische Kampf hat hohe und starke

Barrieren zwischen Landern und Bevolkerungsgruppen errichtet, indem er MiBtrauen,

HaB und Gewalt fOrderte. Haufig fanden die verschiedenen Kriegsparteien entlang

ihrer politischen und ethnischen Trennungslinien in Diasporen UnterstOtzung, bei

Gruppierungen, in denen die Vorstellung herrschte, daB "sie", namlich die Mitglieder

einer anderen ethnischen Gruppe, politischen Organisation oder der Staat ein Hin­

dernis und sogar ein Feind fOr die eigene Entwicklung seien. So leben Bevolke­

rungsgruppen Seite an Seite, ohne sich je zu vermischen.

All jene Faktoren haben unterschiedliche Auswirkungen auf den aktuellen Drogen­

handel. Erstens bewegen sich viele Drogenhandelsnetze in ethnisch-politischen bzw.

innerhalb von Familien- oder Clanbeziehungen. Weil Drogenhandel eine illegale Ak­

tivitat ist, ist Vertrauen ein entscheidendes organisatorisches Element der involvier­

ten Banden: Teilhaber, Partner, Bosse und Beschaftigte mOssen einander vertrauen

konnen, zumal es keine schriftlichen Vertrage gibt, die die Tatigkeit regelt, und keine

Gerichtsbarkeit, um potentielle Streitigkeiten zu schlichten. Ethnische, Familien- und

31 Sis zum heutigen Tage kommt die Versorgung der UNITA aus SOdafrika oder durchquert das Land; siehe" The Angolan Connections", in The Geopolitical Drug Dispatch, No.79, Mai 1998.

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Page 130: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Clanbande vermitteln dieses Vertrauen, so wie es gegenwartige und vergangene

"WaffenbrOderschaften" oder die Zugehorigkeit zu Militareinheiten, Geheimdiensten,

etc. tun. Die ethnische Basis des Drogenhandels stellt sicher, dal1 die Netzwerke

gegenOber Aul1enstehenden verschlossen und fOr Strafverfolgungsbehorden und

Konkurrenten (die identisch sein konnen) undurchdringlich bleiben. So liegt das Mo­

nopol des grol1 angelegten Handels mit Mandrax und Heroin beispielsweise in Zim­

babwe wie in Mauritius bei Angehorigen der indisch-pakistanischen Bevolkerungs­

gruppe, wahrend der Kokainhandel weil1en Drogenhandlern vorbehalten ist, die wei­

l1e Zimbabwer und Touristen versorgen. Historisch gesehen wurden schwarze zim­

babwische Drogenhandler von den Bezugsquellen "harter Drogen" ferngehalten; sie

handeln mit Cannabis, vor allem jedoch mit anderen Waren, wie gestohlenen Autos,

Gold, Diamanten, etc. Dazu nutzen sie ebenfalls Oberkommene Netzwerke aus der

Zeit der BOrgerkriege. Gleiches gilt fOr die meisten ehemaligen Freiheitskampfer von

Namibia.

In Sambia liegen die historischen Wurzeln vieler heutiger Mandrax-Dealerringe in

Gruppen, die die Anti-Apartheid-Krafte des ANC und des Pan-Afrikanischen Kon­

gresses (PAC) bereits seit Mitte der 80er Jahre mit Drogen versorgten. Es scheint,

dal1 der Mandrax-Handel zwischen SOdafrika und Sambia im grol1en Stil anfangs von

indisch-pakistanischen Netzwerken organisiert wurde, denen der internationale

Schmuggel vertraut war. Bevor Methaqualone Mitte der 80er Jahre in Indien verboten

wurde, bestachen Geschaftsleute Beamte in Sambia (und anderen Landern), damit

sie grol1e Mengen Mandrax bestellten, das dann als illegale Substanz an Konsu­

menten in SOdafrika verkauft werden konnte. Es gibt kaum Zweifel darOber, dal1 FOh­

rungspersonen aus der sambischen Regierung und dem Sicherheitsapparat des

ANC und des PAC Drogenhandler deckten und mit ihnen kooperierten. Mit der Wahl

eines neuen Prasidenten im Jahr 1991 scheint sich nicht viel geandert zu haben;

Sambia hat seine Stellung als ein bedeutender, vielleicht der Mittelpunkt des Man­

drax-Handels in der Region behauptet. Der Drogenhandel wird weiterhin in Form ei­

ner Partnerschaft zwischen indisch-pakistanischen Geschaftsleuten mit entspre­

chenden Verbindungen in Mumbay und Dubai sowie afrikanischen Politikern und

leitenden Beamten betrieben, obwohl die frOheren Mandrax-Importeure ihre Ge­

schafte heutzutage auf den Handel mit Heroin ausgedehnt haben. In SOdafrika war

der Vertrieb von Mandrax auf den Stral1en fOr lange Zeit den farbigen Banden vorbe­

halten, insbesondere in Kapstadt, wo einige Gangs im Auftrag der sOdafrikanischen

Polizei tatig waren. Obwohl der Mandrax-Handel jetzt "demokratisiert" wurde und

dank der Offnung der internationalen Grenzen nach der Beendigung des Konflikts ein

grol1erer Kreis von Leuten daran beteiligt ist, spielen die farbigen Banden weiterhin

eine wichtige Rolle im internationalen Mandrax-Handel und haben ihre Aktivitaten um

den Kokainvertrieb und den Autodiebstahl erweitert. Der heimische "dagga"-Handel

126

Page 131: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

hingegen wird in SOdafrika und den meisten anderen Landern von Afrikanern (Zulus,

Xhosas, Basothos, etc.) betrieben. Der internationale Kokain-Handel in SOdafrika

und Namibia scheint zur Zeit in den Handen von Angehorigen der wei Ben (Deutsche

in Namibia) sowie von Bevolkerungsgruppen aus dem Mittleren Osten (Israelis, Liba­

nesen und Syrer) und Westafrika (Nigerianer und Ghanaer) zu liegen.

Das relativ neue Phanomen der Migration hat nun eine neue Dynamik in die Bezie­

hungen zwischen Ethnizitat und Drogenhandel in der Region gebracht. Die Barrieren

zwischen den Bevolkerungsgruppen entstehen mit der extremen Mobilitat der Men­

schen. Die sOdafrikanische Wirtschaft, insbesondere der Bergbau, hat fOr einige Zeit

eine starke Anziehungskraft auf Arbeiter aus den Anrainerstaaten ausgeObt. Laut

dem Innenministerium in Pretoria leben zwischen 2,5 und 4,1 Millionen Auslander

illegal in der Republik SOdafrika; die Weltbank schatzt die Zahl auf rund 5 Millionen;

die sOdafrikanische Polizei spricht von 8 Millionen, wahrend aile darin Obereinstim­

men, daB die Gesamtbevolkerung SOdafrikas 41,5 Millionen betragt. Die Migranten

stammen zumeist aus Lesotho, Moc;;ambique, Swaziland und Zimbabwe. Nachdem

Europa seine Grenzen fOr afrikanische Immigranten praktisch geschlossen hatte,

kam es zu einem zusatzlichen Einwanderungsboom aus anderen afrikanischen Lan­

dern wie Zentral- und Westafrika, insbesondere der Demokratischen Republik Kongo

(DRC, Ex-Zaire), Ghana und Nigeria. Diese Mobilitat bringt ihre eigenen Handelsakti­

vitaten hervor: solche, die die Bewohner begleiten (grenzOberschreitender Schmug­

gel von Menschen und Waren), solche, die ihnen die GrenzOberschreitung erlauben

(offizielle Dokumente, falsche Passe), und solche, die ihre Integration oder ihr Ober­

leben vereinfachen (informeller transnationaler Handel, Drogen- und ambulanter

Handel, etc.).

In den meisten Landern der Region haben sich nigerianische Handler als wichtige

Importeure und Vertreiber von Kokain etabliert. Auch in SOdafrika selbst werden in

weiten Kreisen Nigerianer fOr den jOngsten Anstieg des Crack- und Kokainkonsums

verantwortlich gemacht. Zwar kann nicht bezweifelt werden, daB nigerianische

Handler auf dem sOdafrikanischen und auf anderen regionalen Markten im Vertrieb

von Kokain und Crack aktiv sind, aber sie sind nicht die Einzigen. Ais ,neue' Immi­

granten werden sie allzu schnell zu brauchbaren SOndenbocken fOr das weitaus

umfassendere, sOdafrikanische Drogenproblem32. So erklart es sich auch, daB zwei

Drittel der illegalen Immigranten, die in SOdafrika Haftstrafen absitzen, Nigerianer

sind. 1993 wurden sie beschuldigt, Ober 50% des in SOdafrika beschlagnahmten Ko-

32 The Weekly Mail and Guardian von Johannesburg verOffentlichte die folgenden Worte eines buri­schen SANAB-Beamten, der wah rend einer - eher brutalen - Drogenrazzia in den Distrikten Hillbrow und Berea (Spitzname "Klein Lagos") interviewt wurde: "Wiese sagt, daB Ober 80% der Dealer aus Nigeria kommen. ,Nur sie kOnnen es sein, wer sonst? A1s SOdafrika sich dem Rest der Welt Offnete. begannen die Nigerianer, Orogen einzufOhren'.", in Amupadhi, T. & Commandeur, M.: "Searching for a ,guilty' Nigerian", in The Weekly Mail and Guardian" 18. April 1997.

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Page 132: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

kains zu importieren. Das ist symptomatisch fOr einen anderen Aspekt der Beziehung

zwischen Drogen und Ethnizitat: die Wahrnehmung. Mil1trauen aufgrund einer vor­

urteilsbeladenen Wahrnehmung ethnischer Unterschiede haben spezifische Konse­

quenzen fOr die Strafverfolgung. Frei nach Jean Paul Sartre scheint es so zu sein,

dal1 in SOdafrika " die Droge die anderen sind" (Ia drogue, c'es( les autres). 1m Rah­

men der OGD-Studie konnte erhoben werden, dal1 es Oberall in der Region unter

den Polizeibeamten die Tendenz gibt, die Schuld fOr das Drogenproblem auf die je­

weiligen Auslander zu schieben. Es scheint, dal1 Drogen eine Stellvertreterrolle fOr

die rassische Diskriminierung einnehmen und eine Moglichkeit bieten, Vorurteile in

einer Zeit aufrechtzuerhalten, in der Rassismus als politisch unkorrekt gilt. In vielerlei

Hinsicht, wenn auch (noch?) nicht mit denselben schrecklichen Foigen, erinnert die

regionale Situation, besonders in SOdafrika, an die derzeitigen Verhaltnisse in den

Vereinigten Staaten, wo Schwarze und Latinos die grol1e Mehrheit der wegen Dro­

gendelikten Inhaftierten bilden33. Das fOhrt dazu, dal1 die Polizei ganze Bevolke­

rungsgruppen zur Zielscheibe macht, weil einige Angehorige als Drogenhandler be­

kannt sind oder verdachtigt werden; gleichzeitig haben Drogenhandler, die einer

nicht "verdachtigen" Bevolkerungsgruppe angehoren, erhebliche Freiraume zu agie­

reno Neben Nigerianern und westafrikanischen Immigranten sind Menschen mit in­

disch-pakistanischem und chinesischem Hintergrund die beliebtesten SOndenbocke

der Polizeien im sOd lichen Afrika. Indisch-pakistanische und chinesische Bevolke­

rungsgruppen gibt es Oberall in der Region; sie sind zumeist Handler und Ge­

schaftsleute und werden im allgemeinen von den afrikanischen Bevolkerungsgrup­

pen abgelehnt. In Mauritius, wo die grol1e Mehrheit der Polizeibeamten indischer

Herkunft ist, sind die wegen Drogenkonsums und kleinerer Delikte verhafteten Men­

schen mehrheitlich arme Kreolen (d.h. Schwarze). In einem Interview mit der OGD

ging ein Polizeibeamter aus Lesotho so weit, trotz gegenteiliger Beweise abzustrei­

ten, dal1 seine Landsleute irgend etwas mit Drogenhandel zu tun hatten, der, wie er

sagte, ein Problem sei, das durch die Offnung der Grenzen fOr auslandische Ein­

wanderer nach dem ,Ende der Konflikte' entstanden sei.34

Umgekehrt sehen die Angehorigen der ins Visier geratenen und zumeist okonomisch

benachteiligten Bevolkerungsgruppen die Polizei als eine repressive Kraft an, mit der

sie nicht kooperieren. Viele begreifen die Straftat sogar als einen legitimen Weg, urn

Wohlstandsunterschiede auszugleichen, die, oft zu Recht, als Foige des ungleichen

Zugangs zu R!3ssourcen wahrgenommen werden, der unter der Apartheid erzwun-

33 Mauer, M.: Race to incafC6fClte, The Sentencing Project, Washington D.C., 1999. Die Tendenz, die Schuld fOr Drogenprobl~me a~ "AuBenseiter" oder Auslilnder abzuwillzen, is! weit davon entfemt, auf das sudliche Afrika oder di~ Vereinigten Staaten beschrilnkt zu sein. Es ist in der Tat ein Problem, das die OGD uberali in derWelt, einschlieBlich Europa, vorgefunden hat. 34 Ahnliche AuBerungen wurden von Polizeibeamten aus Swaziland und Zimbabwe gemacht.

128

Page 133: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

gen wurde. In SOdafrika verweisen Nicht-WeiBe oft auf diejenigen, die bereits wah­

rend der Apartheid politische Macht inne hatten und heutzutage als "Buren-Mafia"

erneut Ober erhebliche okonomische und administrative Macht verfOgen. Dieses

Phanomen wird als Kontinuitat von privilegierter Rassenzugehorigkeit, Korruption

und Verbrechen wahrgenommen. Auch unter den Beamten der sOdafrikanischen

Drogenpolizei (SANAB), die als auBerst korrupt gelten, sind die Buren in der Mehr­

heit. Ein schwarzer Diamantenschmuggler, der in SOdafrika interviewt wurde, sagte,

es stelle fOr ihn kein moralisches Problem dar, "groBe Diamantengesellschaften" zu

bestehlen, da "sie reichen WeiBen gehoren, die das Land meinen Vorfahren gestoh­

len haben und die dank der Apartheid florierten, wahrend ich meine Familie zu er­

nahren habe".

In Landern, in denen die Polizeibeamten zumeist aus einer spezifischen Bevolke­

rungsgruppe kommen, ist es schwer, in Banden von Drogenhandlern einzudringen,

die von Angehorigen anderer Ethnien gebildet werden. So hat die OGD Polizisten

aus Zimbabwe, wo die Polizeibeamten zumeist schwarz sind, sich beklagen horen,

daB es keine Moglichkeit gabe, eine ernsthafte Untersuchung in Drogenhandelsnet­

zen durchzufOhren, die von WeiBen und Indern/Pakistani gebildet werden, weil die

Polizisten sofort identifiziert wOrden. In Mauritius sagt die mehrheitlich indische Pol i­

zei, es sei fOr sie unmoglich, unter den tamilischen, weiBen und chinesischen Bevol­

kerungsgruppen zu ermitteln.

So beeinflussen ethnische Unterschiede den Drogenhandel und die Strafverfolgung

von Drogendelikten auf vielfaltige Weise.

III Die Hinterlassenschaft der Konflikte

Die Hauptwirkung der ethnischen und geographischen Grenzen, die frOher die geg­

nerischen Krafte im Kampf urn die Apartheid voneinander trennen sollten, war es, die

regionalen Regierungen, die politischen Organisationen und ganze Bevolkerungsteile

dazu zu treiben, Zuflucht zu illegalen Mitteln zu suchen. 1m sOd lichen Afrika sahen

sich zu der einen oder anderen Zeit die konkurrierenden Krafte, seien es okonomi­

sche, politische oder gesellschaftliche, dazu gezwungen, geheime Versorgungswege

einzurichten, Embargos zu brechen und aile Arten von iIIegalen Aktivitaten als Ein­

kommens- und Spionagequellen zu nutzen, aber auch urn das Oberleben zu sichern.

Wird das Jahr 1961 als der Beginn des Kampfes urn die Apartheid und die Wahl von

Nelson Mandela 1994 zum Prasidenten von SOdafrika als dessen Ende begriffen,

bedeutet das, daB in diesem Land wahrend 33 Jahren BOrgerkrieg herrschte. Das ist

mehr als genug Zeit, damit sich Praktiken einbOrgern konnen, die heute fragwOrdig

erscheinen, damals jedoch als notwendig wahrgenommen wurden, urn den Krieg

fOhren bzw. Oberleben zu konnen.

129

Page 134: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Der BOrgerkrieg in SOdafrika hatte immer auch Auswirkungen auf die Nachbarlander.

Die sOdafrikanischen Polizeikrafte, die in Namibia und Rhodesien engagiert waren,

gingen mit den Berufsschmugglern Allianzen ein und rekrutierten im Inland Kriminel­

Ie, um gegen den EinfluB von ANC und SACP in den Townships vorzugehen. Be­

sonders in Kapstadt wurden die Banden zu eifrigen und sich selbst bedienenden

Hilfstruppen von Polizei- und Geheimdienstkraften aus Pretoria, mit denen sie fast

vollstandige Straffreiheit aushandeln konnten. Bis heute sind sOdafrikanische Poli­

zeibeamte relativ unwissend, was legale Verhortechniken und offizielle Gerichtsver­

fahren anbetrifft, weil sie, wie viele Kollegen in der Region, ausschlieBlich fOr die po­

litische Repression ausgebildet waren. Das mindert heutzutage deutlich ihre Fahig­

keit, der organisierten Kriminalitat und dem Drogenhandel entgegenzutreten. In zahl­

reichen sOdafrikanischen Landern stehen auch die Friedens- bzw. die Schiedsge­

richte vergleichbaren Problemen gegenOber.

Zum Teil haben auch die von den Anti-Apartheid-Kraften angewandten Methoden zur

"Kriminalisierung" der Gesellschaften und der Institutionen des sOdlichen Afrikas bei­

getragen. Indem sie das Volk zur Gewalt ermutigte, wie es ab Mitte der BOer Jahre

bis zu der gewonnenen Wahl 1994 geschehen ist (Morde an Polizisten und stadti­

schen Beamten sowie Verratern), und indem sie Kampagnen zum zivilen Ungehor­

sam (Miet- und Dienstleistungsboykotte) startete, trug die Anti-Apartheid-Bewegung

auch zur Mil1achtung des Gesetzes bei, eine Einstellung, die bei einem Teil der

schwarzen und farbigen, besonders der jungen Bevolkerung immer noch vorherrscht.

Die Mitte der BOer Jahre an die ANC-Miliz in den Townships verteilten Waffen wer­

den jetzt dazu benutzt, Verbrechen zu begehen. Die Milizionare wurden nur halbher­

zig demobilisiert und hatten keine oder wenig Aussichten, einen regularen Arbeits­

platz zu erhalten. Besonders in den groBen Stadten schlossen sich daher viele jun­

gen Leute kriminellen Banden und Drogenringen an. In KwaZulu-Natal sind die Mili­

zen der Inkhata Freedom Party (IFP) ebenfalls eng mit Taxiunternehmen sowie

Cannabis- und Waffenschmuggelnetzen in den Townships verflochten. Das Problem

der Integration der frOheren Freiheitskampfer in die Gesellschaft ist also nicht nur in

SOd afrika akut. In Namibia und Zimbabwe fordern die Zivilgesellschaften entweder

Arbeit oder Pensionen fOr die frOheren Guerrillas als ein Mittel, die Kriminalitat einzu­

dammen.

In der Ara nach den Konflikten ,arbeiten' die intra-regionalen wie die internationalen

Schmuggel- und Schwarzgeldnetze weiter. Nun geht es jedoch darum, fOr ihre Mit­

glieder personliche Profite zu erzielen. Auch die Armut, in der die Mehrheit der SOd­

afrikaner lebt, laBt viele Menschen auf iIIegale Aktivitaten zurOckgreifen, um das

Oberleben zu sichern. In der Vorstellungswelt vieler Menschen aller Klassen ist nach

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Page 135: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Jahrzehnten des Konflikts die Grenze zwischen legal und illegal verschwommen35 .

Die folgenden illegalen Aktivitaten begannen bzw. weiteten sich als Foige des lang

andauernden BOrgerkrieges aus.

Die Herstellung von Extasy

Ende 1996 und Anfang 1997 demontierte die SANAB drei Labore im Gebiet von Jo­

hannesburg, in denen extasyartige Stimulantien hergestellt wurden. Die dritte Polizei­

razzia machte Schlagzeilen, nachdem Wouter Basson, ein Kardiologe, festgenom­

men wurde, als er versuchte, am 17. Januar 1997 1.000 Extasy-Tabletten zu ver­

kaufen. Basson leitete ein streng geheimes, chemisches Forschungsprogramm, das

von der South African Defense Force unter dem Deckmantel einer Scheinfirma mit

dem Namen Delta-G Scientific aufgebaut worden war. Obwohl die Firma zunachst

dem Militar gehorte, wurde sie 1991 privatisiert, und zwar, wie es scheint, vor allem

zum Nutzen von Verwandten und Freunden fOhrender sOdafrikanischer Militaroffizie­

reo Ein anderer Delta-G Angestellter und frOherer Forschungsleiter der Firma, Dr.

Johan Koekemoer, wurde auch im Januar 1997 wegen Extasy-Besitzes festgenom­

men. In einem Interview erklarte Koekemoer, dal,l, er in den frOhen 90er Jahren von

einem seiner Vorgesetzten die Instruktion erhalten habe, ,,1.000 Kilogramm Extasy­

Kristalle herzustellen36" - genug urn Hundertmillionen Extasy-Tabletten zu produzie­

reno Bereits die Mandrax-Produktion seitens des sOdafrikanischen Militars wah rend

der BOer Jahre wurde mit den Namen ,Basson' und ,Koekemoer' in Zusammenhang

gebracht37. In einer Zeugenaussage vor der Wahrheits- und Versohnungskommissi­

on erklarte ein leitender Militaroffizier, die "Drogenvorrate" der sOdafrikanischen MiIi­

tars seien 1993 im Meer versenkt worden. Diese Behauptung ist fOr viele SOdafrika­

ner kaum zu glauben, und sie fragen sich, wo die Lager der Militars wirklich aufhor­

ten. Mit dem Fall vertraute, sOdafrikanische Beamte erklarten 1997, die Ermittlung

wOrden zeigen, dal,l, die Herstellung und der Verkauf von illegalen Drogen die Haupt­

einahmequelle fOr das geheime chemische und biologische KriegsfOhrungsfor­

schungsprogramm der South African Defence Force in den BOer Jahren gewesen

sei. Unterdessen wird vermutet, dal,l, der sOdafrikanische militarische Geheimdienst

einige seiner Drogen auswarts vermarktet haben konnte. Dabei geht inzwischen

niemand mehr davon aus, dal,l, die Fakten jemals vollstandig ans Tageslicht gelan-

35 Siehe obigen Abschnitt Ober Cannabis. 36 Brummer, S.: "Secret chemical war remains secret", in The Weekly Mail and Guardian, 23. August 1996. 37 Koch, E. & Fleming, D.: "Bizarre experiments at SADF research finns", in The Weekly Mail and Guardian, 15. Dezember 1994; und Oppermann, C.: "Prosecutors ecstatic as Basson's buddy talks", in ibid, 27. Juni 1997

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Page 136: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

gen werden. Die Post-Apartheid Regierung fOhrt fOr die ZurOckhaltung bestimmter

Dokumente und Archive Argumente der ,Nationalen Sicherheit' an.38.

Mandrax

Methaqualone, der Wirkstoff der medizinischen Droge, die in SOdafrika unter der

Marke "Mandrax" bis 1974 legal verkauft wurde, ist ein Beruhigungsmittel, das vom

Quinazoline abgeleitet ist. Es wurde 1951 zum ersten Mal kOnstlich hergestellt und

als ein Sedativum und Hypnotikum (in den Vereinigten Staaten unter dem Marken­

namen "Quaalude") auf den Markt gebracht. Nach dem Verbot in SOdafrika produ­

zierte Indien Methaqualone bis 1983 weiter. In dieser Zeit versorgten in der Region

um Bombay errichtete, geheime Labors den jetzt im Untergrund agierenden sOdafri­

kanischen Konsumentenkreis, der sich in den 80er Jahren zum weltweit fOhrenden

Markt fOr i1Jegales Methaqualone entwickelte. In den spaten 80er Jahren bis zu den

frOhen 90er Jahren fOhrte die Strafverfolgung in Indien bei zahlreichen sOdafrikani­

schen Banden zu der Tendenz bei, sich von den Zulieferern in Bombay zu losen.

Moglicherweise hat auch die GrOndung des chemisch-biologischen KriegsfOhrungs­

programms des sOdafrikanischen Militars (siehe oben) zu der Errichtung von Labors

im oder naher am Hauptkonsumland SOdafrika beigetragen. Seit der spektakularen

Beschlagnahmung von 14 Millionen Tabletten in Johannesburg (1987) wurden immer

wieder geheime Laboratorien in SOdafrika, Swaziland, Botswana und Moyambique

entdeckt und zerstort. In der jOngeren Vergangenheit konnte die Herkunft der Vor­

laufersubstanzen immer haufiger nach Westeuropa zurOckverfolgt werden. Ein typi­

scher Fall eines wahrhaft multinationalen Unternehmens war die Demontage eines

Labors in der Nordwest-Provinz Lichtenburg: Die Vorlaufersubstanzen kamen aus

GroBbritannien und Deutschland, der Chemiker war Brite und die Geldgeber waren

Inder.

Wilderei

In den spaten 70er Jahren avancierte SOdafrika mit dem Segen des Militars zum

Dreh- und Angelpunkt des i1Jegalen Handels mit Elfenbein und Nashornhornern.

1975 begann SOd afrika , die groB angelegte Wilderei in Rhodesien zu fordern, um

seine Anti-Guerilla-Einsatze in dem Land finanziell abzusichern. Diese Strategie

wurde dann auf Angola und MOyambique ausgeweitet, um die Waffenlieferungen und

die Versorgung mit anderen Gotern der von Pretoria unterstOtzten Guerrilla­

Bewegungen, UNITA beziehungsweise RENAMO, zu finanzieren. Militareinheiten

wurden eigens dazu abkommandiert, die gewilderte Beute zu transportieren, wah-

38 Brummer, S.: "Secret chemical war remains secret", op.cit.

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Page 137: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

rend sich die mit der Vermarktung in SOdwest- und SOdostasien beauftragten Han­

delsfirmen des vollkommenen Schutzes durch die Regierung erfreuten. Dies ermu­

tigte die Wilderer in benachbarten Landern wie Namibia und Swaziland, die mit

Handlern der zwischen SOdafrika und Angola beziehungsweise Mo~ambique gehan­

delten Waren in BerOhrung kamen.

Gold und Diamanten

Laut der SOdafrikanischen Bergbaukammer werden jahrlich Ober 30 Metertonnen

Gold (6% der Jahresproduktion von etwa 520 Tonnen) gestohlen. Das kostet die In­

dustrie etwa 310 Millionen US$ jahrlich. Der Goldschmuggel ist wahrscheinlich so alt

wie die Goldminen der Region, dementsprechend konnen die Netze aul1erordentlich

komplex organisiert sein. Ein Fall, der im September 1996 bekannt wurde, ist eine

gute Veranschaulichung der Findigkeit dieses Sektors: Ein Schmugglerring hatte bis

zu dem Zeitpunkt seiner Sprengung mehr als 206 Millionen US$ Gewinn erzielt, in­

dem er seit Jahren wochentlich Hunderte von Kilogramm Goldabfall kaufte, der aus

den Minen in der Gegend von Johannesburg gestohlen war. Der Abfall wurde auf

einer Farm in der Mpumalanga-Provinz zwischengelagert, dann auf dem Luftweg

nach Mo~ambique gebracht, wo bestochene Beamte falsche Exportpapiere bereit­

stellten. Das Gold wurde dann zurOck nach SOdafrika transportiert, wo weitere fal­

sche Papiere fOr die Luftfracht in LinienfiOgen nach Genf, London und Frankfurt aus­

gestellt wurden. Schliel1lich wurde das Gold eingeschmolzen und verkauft. Neben

solchen differenzierten Organisationsformen, in die fOr gewohnlich "ehrenwerte" wei­

l1e Investoren und Geldwascher verwickelt sind, dominieren Handler indischer Her­

kunft den Schmuggel in kleinerem Mal1stab.

SOdafrikas Zentrum des Diamantenschmuggels ist Kapstadt, wo die Handelswege

aus den angolanischen, namibischen und sogar kongolesischen (DRe) Diamanten­

feldern zusammenlaufen. In Kapstadt sitzen regulare, aber auch viele iIIegale Dia­

mantenschleifer. Ihre Arbeit ist es, die von Klienten, einschliel1lich den Schmugglern,

zu ihnen gebrachten rohen Edelsteine fOr eine normalerweise festgelegte GebOhr zu

schneiden und zu polieren. Portugiesische und israelische Staatsangehorige, Buren

und Kapstadt-Malaien sind in diesem Handel sehr aktiv. Besonders zu erwahnen ist,

daQ. die riesige Firma De Beers den iIIegalen Handel, dessen Opfer sie ist, indirekt

unterstotzt, indem sie systematisch auf dem Schwarzmarkt Steine aufkauft, um die

Kontrolle zu behalten. Diamantenhandelsnetze konnen hochentwickelt sein und mit

Millionen von Dollars handeln. Abhangig von der Qualitat der Diamanten kann der

Verkaufspreis, sind sie einmal geschnitten und poliert, bis zu fOnfzig Mal so hoch

sein, wie der Einkaufspreis; er betragt mindestens das Dreifache. Bezeichnenderwei­

se werden Diamanten aus den Minen in SOdafrika, Namibia und Angola von Minen-

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Page 138: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

arbeitern gestohlen, die sie an einen Kaufer in den nahegelegenen StMten verkau­

fen. Einigen Arbeitern, die es leicht haben, in den Minen zu stehlen, zahlt der Kaufer,

den sie regelmaBig mit Edelsteinen beliefern, ein festes Monatsgehalt. Andere ar­

beiten auf einer weniger systematischen Basis; sie stehlen nur, wenn sich die Gele­

genheit ergibt, und handeln den Preis der gestohlenen Diamanten mit dem Kaufer

jedesmal neu aus. Die Aufkaufer aus der Kleinstadt verkaufen dann die "Rohlinge"

an auswartige Kaufer (eine Reihe von ihnen ist aus Kapstadt und Johannesburg), die

die Infrastruktur und die Kontakte haben, die notwendig sind, um die Edelsteine zu

schneiden und, zumeist auf dem Luftweg, ins Ausland zu exportieren: nach Europa

(Antwerpen), in den Mittleren Osten (Israel), nach Indien und in die Vereinigten

Staaten (New York). Einige haben mit Sicherheitsbeamten an den groBen Flughafen

in SOdafrika (Kapstadt und Johannesburg) Abmachungen getroffen: sie werden mo­

natsweise bestochen, damit die Schmuggler ungehindert das Land verlassen kbn­

nen. Weil Diamanten klein sind, ist es auch nicht schwer, sie zu verstecken. Eine

weitere Option fOr die Kaufer in den Kleinstadten ist es, das Risiko einzugehen, die

Steine Ober ihre eigenen Kontakte in Kapstadt schneiden und polieren zu lassen und

so einen grbBeren Anteil an den Profiten einzubehalten. Sie verkaufen dann die

Diamanten direkt an die Exporteure in Kapstadt. Einige Minenarbeiter (die OGD traf

einen in Windhoek, der Hauptstadt von Namibia) planen regelrecht ihre Laufbahn als

Diamantenschmuggler: Sie sparen Geld, um zu studieren und dann zur Arbeit in den

Minen zurOckzukehren. Dadurch kbnnen sie einen "besseren" Job erhalten, d.h. ei­

nen, bei dem es einfacher ist, Diamanten zu stehlen und an den Sicherheitsleuten

vorbeizuschmuggeln. In Teilen SOd afrikas und Namibias ist Diamantenschmuggel

eine richtiggehende Industrie, die Kleinstadte und ganze Gemeinden unterhalt. Die

meisten Diamantenkaufer besitzen in den Stadten Laden, Kneipen, Restaurants oder

Hotels, um ihre Anwesenheit zu rechtfertigen und ihr Geld zu waschen. Obwohl diese

Geschafte fOr gewbhnlich Teil eines Geldwaschesystems sind, liefern sie auch ,ech­

te' Dienstleistungen und sind nOtzlich fOr die Gemeinde.

In Stadten wie Ondangwa und Oshakati, in Nordnamibia nahe der Grenze mit Ango­

la, nutzen angolanische Handler, die die Grenze in ihren Lastkraftwagen Oberqueren,

um in den Dutzenden von Supermarkten entlang der HauptstraBe Nahrungsmittel

und andere Waren des taglichen Bedarfs zu kaufen, Diamanten, Dollars, Marihuana

und Kokain als Wahrung. Diamanten werden auch Ober Westsambia aus Angola

heraus geschmuggelt: durch die bOrgerkriegsgeschOttelte Demokratische Republik

Kongo verlauft eine Route geschmuggelter Diamanten, die ihren Weg insbesondere

Ober Nordsambia nimmt. Zusammengenommen ist der Diamantenschmuggel eine

komplexe, viele Millionen Dollar schwere Industrie, die den Lebensunterhalt von

Hunderttausenden, vielleicht sogar Millionen von Menschen im westlichen und mittle­

ren Teil des sOdlichen Afrikas erwirtschaftet.

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Page 139: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Geldwasche

Ais eine direkte Foige der okonomischen Sanktionen hat SOdafrika wahrend vieler

Jahre auslandisches Kapital, auch von zweifelhafter Herkunft, mit offenen Armen

willkommen geheir..en. 1987 gestand ein Direktor des militarischen Geheimdienstes

wahrend eines Besuches in den Vereinigten Staaten ein: "Wir waren immer stark auf

auslandisches Kapital angewiesen. Infolgedessen ist SOd afrika eines der wenigen

Lander, in denen dem Auslandskapital keine wie auch immer geartete Kontrolle auf­

erlegt wird. Jeder Auslander kann ohne Beschrankungen Geld - ob "schmutzig" oder

nicht - nach SOdafrika oder aur..erhalb des Landes bringen,,39. Von der Aussage des

Generals lar..t sich ableiten, dar.. das, was wir jetzt "Geldwasche" nennen, schon eini­

ge Zeitlang in gror..em Mar..stab in SOdafrika praktiziert wurde. Selbst die Bank of

South Africa drOckte zum Wohl des Staates bei Betrug und Devisenschmuggel aile

Augen zu. FOr die fragwOrdigen Geschafte, die am sichtbarsten waren, wurde es zur

Gewohnheit, sich auf Zwischenmanner zu verlassen, denen die Feinheiten des inter­

nationalen Finanzwesens (siehe unten) vertraut waren und die Transaktionen in

"Offshore"-Markten wie den Seychellen und benachbarten Landern durchfOhrten40.

Das Wachstum der Freizeitindustrie (Kasinos und Luxushotels) in den "bantustans",

insbesondere in Bophuthatswana Oetzt Nordwest-Provinz) machte die politische Ent­

scheidung, die Geldwasche zu fordern, offen bar. Wahrend des Apartheid-Systems

konnten in illegale Transaktionen involvierte Geheimdienstler, Banker und Politiker

meistens von Straffreiheit ausgehen; auch nach dem Sturz des rassistischen Regi­

mes wurden in SOdafrika die Verbindungen zwischen organisierter Kriminalitat und

der Regierung nicht vollstandig aufgelost.

In vielen sOdafrikanischen Landern herrschen vergleichbare Zustande, besonders

hinsichtlich der Geldwaschestrukturen, die haufig mit der Finanzierung von BOrger­

kriegen in Verbindung stehen. Auch in der Region tatige, westeuropaische Kriminelle

haben in der Vergangenheit einem oder mehreren Kriegsparteien "Gefalligkeiten"

erwiesen, und es dart vermutet werden, dar.. sie jetzt weiterhin "Spezialdienste" lei­

sten. In diesem Zusammenhang bietet es sich an, das Beispiel des italienischen Ma­

fioso Vito Palazzolo zu erwahnen. Es zeigt, dar.. das "Know-how" des organisierten

Verbrechens, in diesem Fall die "finanzielle Zauberei", sogar nach dem Ende der

Apartheid nOtzlich sein kann. Palazzolo, prominentes Mitglied von Siziliens Cosa No­

stra und frOherer Bankier des internationalen Heroinnetzes "Pizza Connection", wird

von der italienischen Polizei gesucht. Heute lebt Palazzolo in Kapstadt, nennt sich

Robert von Palace Kolbatschenko und beruft sich auf eine deutsche aristokratische

39 "This is an off-the-record conversation tonighf" in Nose Week, April/Mai 1987. 40 Siehe Ellis, S.: "Africa and International Corruption: The Strange Case of the Seychelles", in African Affairs, 1996, pp. 165-196.

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Page 140: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Abstammung. Ihm wurde in SOdafrika 1987 zunachst eine Aufenthaltserlaubnis be­

willigt. Diese Erlaubnis wurde bereits einige Male erneuert. 1993 geschah dies be­

merkenswerterweise anlaBlich einer Kabinettssitzung unter dem Vorsitz von Prasi­

dent F.W. de Klerk, obwohl ein internationaler Haftbefehl gegen Palazzolo anhangig

war. Palazollo soli einer der Hauptfinanziers von De Klerk's National Party gewesen

sein und konnte schlieBlich 1995 die sOdafrikanische StaatsbOrgerschaft erlangen.

Die italienischen BehOrden sagen, daB er das Portefeuille der Auslandsinvestitionen

sizilianischer Top-Mafiosi verwaltet, einschlieBlich von Toto Riina, dem gefangenen

"capo di tutti capi" der Cosa Nostra. Ober eine auf den britischen Jungferninseln regi­

strierte Firma besitzt Palazzolo angeblich Diamantenminen in SOd afrika und Angola,

wahrend seine Kapitalanlagen allein in SOdafrika und Namibia mit 25 Millionen Rand

(Ober 5 Millionen US$) beziffert werden. AuBerdem ist Palazollo dafOr bekannt, daB

er in der ostlichen Kap-Provinz, der frOheren Republik Transkei, Eigentum besitzt und

Geschafte macht. Das ostliche Kap ist eines der drei Hauptproduktionsgebiete von

Marihuana in SOdafrika, und es ist eine ANC Wahlhochburg. Bis heute erfreut sich

Palazzolo hochkaratiger Kontakte in der gegenwartigen sOdafrikanischen Geheim­

dienstgemeinde und ist mit fOhrenden sOdafrikanischen Gestalten aus der Unterwelt,

wie etwa Rashied Staggie, bekannt41 . Der Chef der Presidential Investigation Task

Unit, ein geheimes Polizeikommando mit Basis in Kapstadt, das die organisierte Kri­

minalitat untersucht und deren Mitglieder enge Verbindungen zu hohen Bearnten der

Regierung von Nelson Mandela unterhalten, schrieb am 27. August 1997 einen Brief

an Palazzolo. Darin versichert er ihm, daB die sOdafrikanischen Behorden nichts

Verwerfliches an seinen Aktivitaten finden konnten. Wahrscheinlich ist das der

Grund, warum ihn die sOdafrikanische Polizei nicht behelligte, als ein italienischer

Richter im Februar 1998 um seine sofortige Festnahme und Auslieferung ersuchte42.

Geldwasche ist nicht auf SOd afrika beschrankt. Sie kann wahrhaftig als eine regio­

nale Industrie bezeichnet werden. In Sambia zum Beispiel explodierte mit der Libera­

lisierung des Finanzsektors 1992 die Zahl der dort operierenden Banken und Wech­

selstuben. Viele sambische Banken gehoren Drogenhandlern, wahrend sich andere

darauf spezialisieren, gegen Provision Geld zu waschen. Die meisten Banken stellen

keine Fragen nach der Herkunft der Einlagen. Laut Angaben der sambischen Dro­

genpolizei exportieren Geldinstitute jahrlich Millionen von Dollar, und bei der Mehr­

zahl der Gelder ist die Herkunft unbekannt. Die Existenz einer riesigen Anzahl von

Wechselstuben in Sambia kann nur mit der Geldwasche erklart werden, denn ihre

41 Fur ein joumalistisches Portrait von Rashied Staggie und seine Sande (farbig), die Hard Livings, die die maBgeblichen Drogenverteiler in der GroBregion Kapstadt sind. siehe "Who is ... Rashied Stag­gie", in The Weekly Mail and Guardian, 16. Juni 1998; und Thiel, G.: "Cape drug war heads for the polls", in ibid, 4.ApriI1997. 42 Smith, P.: "Nats were in bed with Mafia boss", in The Weekly Mail and Guardian, 5. Februar 1999; und Daffy, A.: "Top cop backs mafia man", in ibid, 12. Dezember 1997.

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Gewinnspannen sind sehr niedrig oder inexistent. Oberdies sind in diesem Land zahl­

reiche Wahrungshandler auf dem Schwarzmarkt aktiv. Infolge der Liberalisierung des

Finanzmarktes und der fehlenden Kontrolle seines Oberentwickelten Finanzsektors

ist Sambia zu einem regionalen lentrum geworden, das darauf spezialisiert ist, Pro­

fite in das internationale Finanzsystem einzufOhren, die aus dem regionalen (Orogen,

Waffen, gestohlene Autos, etc.) und internationalen illegalen Handel (Orogenein­

kOnfte der asiatischen und europaischen organisierten Kriminalitat) stammen. Oar­

Ober hinaus besitzen die in Sambia ansassigen Handler Geschafte, die sie fOr die

Schieberei und fOr die Wasche der EinkOnfte benutzen. Oie Methoden reichen von zu

hohen Berechnungen bei Importen und zu niedrigen Rechnungen bei Exporten bis

hin zur Bereitstellung von fiktiven Oienstleistungen.

Oas alles sind klassische Methoden, die wahrend Jahrzehnten von Politi kern Oberall

in Afrika und ihren Partnern in der entwickelten Welt und zum Nachteil der afrikani­

schen Staatskassen entwickelt wurden. Wenn auch genaue Angaben fehlen, deutet

die Besorgnis seitens der sambischen Regierung, der Opposition und der auslandi­

schen Botschaften in Lusaka darauf hin, dal1 die sambische Wirtschaft in hohem

Mal1e "geschmiert" ist.

Ein weiteres erwahnenswertes Beispiel ist Mauritius: Obwohl die Insel als ein "Off­

shore"-Finanzzentrum bekannt ist, in dem grol1ere internationale Banken lweigstel­

len eroffnet haben, um aus den eher laxen Bestimmungen, die dem Finanzsektor

auferlegt sind, Vorteile zu ziehen, ist die "Offshore"-Aktivitat wahrscheinlich nicht der

Hauptkanal fOr die Geldwasche auf der Insel. lwar existiert Geldwasche im Banken­

und Finanzsektor sowie im Freihafen und in der Textilindustrie, aber Mauritius

scheint aus anderen GrOnden ein geeignetes liel fOr Orogengelder zu sein. Oie

Kombination aus hoch profitablen wirtschaftlichen Aktivitaten, seinem blOhenden

Handel, der Industrie, den Immobilien und der GIOcksspielindustrie und einer Ober­

komplexen BOrokratie liefert die idealen Rahmenbedingungen, die fOr ein "Inshore"­

Geldwaschesystem notwendig sind. Politische Parteien werden finanziert und Lu­

xusanwesen, aber auch offentliche Wohnprojekte, unter ihrem Schutz gebaut. Oieses

System hat viele Vorteile und funktioniert auch in anderen Teilen der Welt, wie etwa

bei den hollandischen und franzosischen Besitzungen in der Karibik43. Gemeinsam

mit den EinkOnften aus anderen illegalen Transaktionen, wie dem Verkauf gefalsch­

ter Markenwaren (Lacoste, Gucci, etc.) nach SOdafrika und Europa44, hilft das Oro­

gengeld, die Errichtung einer besseren Infrastruktur mit Privatinvestition zu bezahlen

43 Siehe "Saint-Martin Only Gives to the Rich", in The Geopolitical Drug Dispatch, No.8?, Januar 1999. 44 Zum Beispiel erscheint Mauritius in Zolistatistiken an der Seite von Thailand und China als einer der Hauptlieferanten von Billigimitaten fOr Frankreich.

137

Page 142: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

und damit staatliche Gelder zu mobilisieren, um in einem zweiten Schritt Einrichtun­

gen fOr die Tourismusindustrie (Yachthafen, Einkaufszentren, Luxushotels) offentlich

zu finanzieren, was wiederum der Geldwasche dient. Das akkumulierte Kapital wird

hauptsachlich nach Asien (Indien, Pakistan, Malaysia, die Emirate, etc.) transferiert.

Dies geschieht normalerweise Ober informelle Kanale wie "hundi", einem in der in­

disch-pakistanischen Geschaftswelt weit verbreiteten Mittel, Barzahlungen (fOr legale

und illegale Zwecke) zu tatigen. Das Geld kommt dann Ober den formelleren

Banktransfer in Form einer Auslandsinvestition zurOck. Die direkte Auslandsinvestiti­

on geniel1t auf Mauritius bemerkenswerte Steuervorteile. Zum Teil lal1t sich das so

,erwirtschaftete' Kapital aber auch in ahnlichen Investitionen (insbesondere Touris­

mus und Pflanzungen) in benachbarten Landern wie Sansibar, den Seychellen, SOd­

afrika, Moc;:ambique und Simbabwe nieder, anstatt nach Mauritius zurOckzukehren.

Die asiatischen Bevolkerungsgruppen in den Landern der Region (SOdafrika, Tansa­

nia, Zimbabwe, etc.) greifen ebenfalls auf dieses System zurOck und nutzen Mauriti­

us als ein Etappenposten fOr andere Bestimmungsorte, vornehmlich die "emerging

markets" SOdostasiens und China.

IV Tauschhandel

Neben den "klassischen" Geldwaschemethoden, die hauptsachlich Kapitalbewegun­

gen zur Foige haben und im sOd lichen Afrika weit verbreitet sind, wirkt der Tausch­

handel als eine strukturierende Kraft und ist eine der Besonderheiten der regionalen

Schmuggel- und Geldwascheszene. Der Tauschhandel, die Methode der informellen

Handelstransaktionen, erzeugt Geldwaschemechanismen auf verschiedenen Ebe­

nen. Die unterste Ebene, auf der Profite unter aile Bevtilkerungsteile verteilt werden,

die in dem Drogenhandel verwickelt sind, betrifft nur selten Geldinstitute, ist aber al­

lein wegen der Zahl der beteiligten Personen von Bedeutung. Sie berOhrt die einzige

lokal produzierte Drogenpflanze, die bedeutende Profite erzeugt, Cannabis. In einer

Region der Welt, die reich an illegalem Handel in fremder Wahrung, jedoch arm an

Bargeld ist und die mit wilikOrlichen Wechselkursen und endemisch inflationaren

Tendenzen zu tun hat, kann Cannabis manchmal als eine "harte Wahrung" fOr alltag­

liche Transaktionen dienen, die Ober die Grenzen hinweg getatigt werden und Basis­

konsumgOter betreffen. Gleichzeitig kann Cannabis aber auch gegen illegale Waren

wie Waffen und gestohlene Fahrzeuge eingetauscht werden. Eine Praxis, die zuerst

in den spaten 8Dern auftauchte, gewinnt jetzt an Boden - namlich gestohlene sOd­

afrikanische Fahrzeuge in benachbarten Landern (Lesotho, Namibia, Moc;:ambique,

Swaziland, Sambia, Zimbabwe) gegen Drogen (Mandrax und Marihuana) oder Waf­

fen einzutauschen, die haufig in einem weiteren gestohlenen Fahrzeug importiert

werden.

138

Page 143: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Diese Art des Handels scheint ursprOnglich von Teilen der Anti-Apartheid-Bewegung

in Gang gesetzt worden zu sein; inzwischen haben sich ihre Akteure diversifiziert.

Wie Stephen Ellis es fOr den Fall SOdafrika erklart: "Auf einer lokalen Ebene versu­

chen bewaffnete Milizen und Banden einen Teil des Gebietes zu kontrollieren, um

daraus Profit zu ziehen. Einige von ihnen [ ... ] schmieden Allianzen mit Parteien oder

einzelnen Politi kern und mit Geschaftsleuten, die wissen, wie man Dinge importiert,

die sie am meisten benbtigen, Waffen und Munition, und diese GOter gegen das

eintauschen, was sie zu exportieren haben, insbesondere Marihuana und gestohlene

Automobile,,45. In Lesotho kann Vieh, das ein wesentliches Element in der Basotho­

Kultur darstellt, in SOdafrika gestohlen sein und gegen Marihuana getauscht werden,

das in Lesotho produziert wurde. Umgekehrt werden in Lesotho gestohlene KOhe

gegen "dagga" getauscht, das in SOdafrika hergestellt wurde. Oberall in der Region

ist es mbglich, Drogen oder Diamanten gegen fast alles, insbesondere gegen andere

gestohlene Waren wie Schiffsladungen mit Bier, Videoapparate, Stereoanlagen, etc.

einzutauschen. In einer Cannabis produzierenden Region in SOdsambia, so erzahl­

ten Informationsquellen der OGD, wurde die Cannabis-Industrie von Stadtbewohnern

angekurbelt. Sie kamen in das landliche Gebiet, um lokal produziertes Marihuana

gegen BasiskonsumgOter wie Radios, Bekleidung, Fahrrader, etc. zu tauschen, die

die Bauern brauchten, aber in den Geschaften dort nicht finden konnten oder die fOr

sie zu teuer waren. DarOber hinaus kommt es im sOd lichen Afrika immer haufiger vor,

da~ Marihuana gegen in Europa hergestellte synthetische Drogen wie LSD und Ex­

tasy getauscht wird.

Gelegentlich kbnnen die Profite, die aus den Transaktionen entstehen, bei denen

Cannabis verkauft oder getauscht wird, von Bedeutung sein. In den meisten Fallen

sind sie es jedoch nicht, da sie kleine Netzwerke betreffen, die von lokalen Akteuren

(arme Bauern, lokale Geschaftsleute oder Verwaltungsbeamte, etc.) gebildet werden

und die Banken kaum erreichen. Nichtsdestotrotz wird Geld von Produzenten, ille­

galen Handlern und Stra~endealern gewaschen. Soweit es diese Akteure betrifft,

bedeutet "Geldwasche" die Verbesserung des alltaglichen Lebens; zum Teil mOnden

sie in kleine Investitionen, wie den Kauf eines Fahrrads, eines Autos oder von Bau­

material. Wah rend die Geldwasche im kleinen Stil aus der Produktion und dem

Cannabis-Verkauf auf Kleinhandelsebene stammt und charakteristisch fOr lokale

Oberlebensstrategien ist, existiert eine bedeutsamere Tauschhandelsvariante, die

sich ahnlicher Methoden wie die der Geldwasche von Drogengeldern bedient. GOter

mit hohen Gewinnspannen werden mit Drogengeldern aufgekauft, die im nachsten

Schritt zu ,Wahrungen' werden. Waren wie Gold, Diamanten, nicht-eisenhaltige Me-

45 Ellis, S., op. cit.

139

Page 144: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

talle sowie Exportprodukte wie Kaffee und Tee waren fOr lange Zeit an solchen

Transaktionen mit hoher Wertschtipfung beteiligt.

Ihre gut funktionierenden Netzwerke werden haufig von Staatsinteressen, hochste­

henden Perstinlichkeiten und manchmal von Interessen aus anderen Kontinenten

wie Europa und Amerika geschOtzt. Um nur ein Beispiel zu geben: einige afrikani­

sche Lander erscheinen als Diamantenexporteure, obwohl sie keine Produzenten

sind. In anderen Landern kommt es zu einer Differenz zwischen der Karatmenge, die

sie zu exportieren behaupten und den Karat, die auf dem Diamantenmarkt von Ant­

werpen tatsachlich als Import registriert sind. Die internationale Gemeinschaft der

Diamantenbranche scheint diesen Zustand der Geschafte als eine Tatsache zu ak­

zeptieren. ZurOck in SOdafrika kaufen Drogenhandler Diamanten auf dem Schwarz­

markt ein und verkaufen sie dann an Lizensinhaber weiter, die ihre Steine von unab­

hangigen Produzenten und SchOrfern erwerben. Beide Praktiken nutzen den

Tauschhandel, jedoch auf vollkommen verschiedenen Ebenen, und sie haben eine

unendliche Bandbreite an Variationen, wobei Waren mit hohen Gewinnspannen (w.g.

lIIegalitat) oder hoher Wertschtipfung die Rolle einer Wahrung spielen, besonders,

wenn sie Teil eines Netzes oder einer Industrie sind, die einen relativ guten "Schutz"

genier..t.

V SchluBbemerkung

Die ethnischen Schranken, die "kriminelle" Infrastruktur und die Tauschhandelsge­

wohnheiten, die aus den Jahrzehnten des Konflikts ererbt sind, der die Region zer­

rissen hat, spielen eine bedeutsame Rolle in der heutigen Drogenhandelsszene des

sOd lichen Afrikas. Diese drei Faktoren interagieren auf vielfaltige Art miteinander und

pragen die Drogenszene in der Region, insbesondere was den internationalen Han­

del und den lokalen Konsum anbetrifft, in erheblichen Mar..e. Wahrend regional pro­

duziertes Cannabis vor allem dem intraregionalen Austausch und der Geldwasche

auf niedrigem Niveau dient, werden Kokain, Heroin und Mandrax zunehmend inner­

halb der gror.. angelegten Geldwascheprogramme oder als Bezahlung fOr Waren, wie

Gold, Diamanten, Elfenbein, Nashornhtirner und sogar Tabak und Tee aus dem sOd­

lichen Afrika benutzt46. Die Geographie der illegalen Handelsaktivitaten, die sich der

OGD auf der Grundlage der in diesem Beitrag z.T. erlauterten Studien erschlossen

hat, zeigt deutlich, dar.. Drogenhandelsnetze altere, informelle wie illegale Kanale und

Routen aufgegriffen haben.

46 Der Wohlstand der innerhalb SOdafrikas durch Cannabis-Exporte in den Rest der Welt hervorge­bracht wurde, wird im Vergleich mit den Profilen, die aus den Diamanten, dem Gold, Elfenbein und den NashornhCirnern erwachsen, als marginal angesehen.

140

Page 145: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Die Handels- und Konsumszene des sudlichen Afrikas kann in drei breite "Drogen­

gegen-regionale-Waren"-Einflur..gebiete eingeteilt werden: die ,Ostkuste', an der

uberwiegend Mandrax oder Heroin gegen Gold getauscht wird (Mauritius, Mo~ambi­

que und Tansania); die ,Westkuste' als das "Kokain-gegen-Diamanten"-Gebiet (An­

gola, Botswana, Namibia und Zimbabwe); und die ,gemischten' Lander (Lesotho,

Malawi, Sudafrika, Swaziland und Sambia), die aufgrund einer Kombination ver­

schiedener Faktoren einschlier..lich ihrer geographischen Lage, der verfugbaren Res­

sourcen und ihrer ethnischen Konflikte, Gold und Diamanten im Tausch gegen Ko­

kain und Heroin exportieren.

An der Ostkuste des sud lichen Afrika scheinen die Handelskontakte aus der Heroin­

szene in den Gold- und Methaqualone-Schmuggelnetzen aufzugehen, die Afrika mit

dem indischen Subkontinent verbinden. Von Sansibar bis Durban ziehen die Dro­

genhandler aus dem traditionellen ,Afrika der Handelsposten und der Hafen' am indi­

schen Ozean ihren Vorteil. Sie nutzen die im sudlichen Afrika verfugbaren Dienstlei­

stungen und profitieren von seinen Freihafen, die den Export legaler wie illegaler Wa­

ren aus der Ostkustenregion des sudlichen Afrikas und den landumschlossenen

Landern erleichtern. Diese Handelswege reichen zuruck in die Zeit, als die Araber im

15. Jahrhundert erste Handelsposten im heutigen Tansania und Kenia errichteten.

Daher ist es nicht uberraschend, dar.. Tansania, Mo~ambique, Mauritius47 und in ge­

ringerem Mar..e SOdafrika heute als Transitlander fOr Haschisch und Heroin aus dem

indischen Subkontinent agieren.

DemgegenOber scheinen die das Kokain betreffenden Handelsaktivitaten mehr mit

Marschrouten, Netzen und illegalen Handelsstrukturen verbunden zu sein, die in La­

teinamerika (insbesondere Brasilien) und Europa entstanden sind. So hat es den

Anschein, dar.. Angola, Namibia, und SOdafrika in den internationalen Kokainhandel

ebenso sehr verstrickt sind, wie in den Handel mit Diamanten, Waffen, Nashornhor­

nern und Elfenbein. Daher sind an der WestkOste des sOdlichen Afrikas die Gror..­

handels- und Strar..enpreise fOr Kokain viel geringer als an der OstkOste und nahern

sich den Preisen an, die in einigen westafrikanischen Landern wie Ghana, Nigeria,

Senegal, etc. Oblich sind.

Drogen sind flexible geopolitische Waren, die auf viele Arten von einer Menge an

Institutionen, Organisationen und Individuen genutzt werden, urn vielfaltige BedOrf­

nisse zu befriedigen und sich den Anforderungen der standig verandernden Bedin-

47 Inzwischen wurde in diesen drei erwilhnten Uindem Heroin zur verbreitetsten und am haufigsten miBbrauchte Droge, die zu einem sehr niedrigen StraBenpreis verkauft wird - vgl. hierzu den indi­schen Beitrag (CharleS/Britto) in diesem Band.

141

Page 146: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

gungen anzupassen48. Die Ergebnisse der OGD-Studie Ober das sOdliche Afrika die­

nen als eine perfekte Veranschaulichung dieser allgemeinen Regel. Tatsachlich sieht

es so aus, als ob die aus dem Drogenhandel stammenden Profite die Verluste, die

mit dem Ende der meisten regionalen Konflikte aus der Normalisierung eines gror..en

Teils der geheimen Tauschgeschafte entstanden sind, ausgleichen wOrden. Um im

Geschaft zu bleiben, haben sich die uralten Schmuggelnetze der neuen geopoliti­

schen Situation angepar..t. Nun werden Drogen als ,Wahrungen' im Tauschhandel

benutzt, da sie dank ihres Verbots zu Gotern mit hohen und sicheren Gewinnspan­

nen geworden sind. Die Tatsache, dar.. viele der gror..eren Netzwerke in Partner­

schaft mit bedeutenden politischen und okonomischen Kraften, sowohl aus der Regi­

on, als auch weltweit, betrieben werden, deutet darauf hin, dar.. die neue Rolle des

sOd lichen Afrikas als eine Transit- und Konsumregion fOr Drogen und als ein Geld­

waschezentrum mehr als nur eine vorObergehende Phase ist. Wahrscheinlicher ist

es, dar.. sich der Drogenhandel mit den dazugehorigen Extraprofiten neben Diaman­

ten, Gold und landwirtschaftlichen GOtern fest etabliert hat und die Integration SOd­

afrikas in die "globalisierte" Okonomie erleichtert.

Literaturverzeichnis

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48 Laniel, L.: "Drugs and Globalisation: An Equivocal Relationship", in International Social Science Journal, No. 160-Globalisation, Juni 1999.

142

Page 147: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

The International Drug Complex - The Interwined Dynamics of

International Crime, Law Enforcement and the Flourishing

Drug Economy

Hans T. van der Veen 1

Abstract:The International Drug Complex

The War on Drugs' is lost, but the struggle continues. In spite of ever increasing

resources dedicated to the reduction of supply and demand of illicit drugs,

consumption levels are still rising all over the world. The prohibition regime is, in a

rapid pace, extended with the coercive powers of states to intervene in national and

international drug markets, but therewith also in the sovereignty of individuals,

peoples and countries. Just as individuals might get addicted to the use of drugs, so

the societies in which they live are becoming addicted to the money that is generated in

the drug business. The latter seems to be equally true for the agencies that are

assigned the task to control it.

Contents

Introduction

Crime and law enforcement in the 'new world order'

II The drug industry

III The political economy of drug law enforcement

IV The International Drug Complex

V Conclusion

Bibliography

1 Politologe, schreibt seine Doktorarbeit am Robert Schuman Centre am European University Institute/Schuman Center in Florenz; u.a. betreibt er Feldforschung zur Drogenproblematik in Marokko. [email protected].

143

Page 148: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Introduction

The 'War on Drugs' is lost, but the struggle continues. In spite of ever increasing

resources dedicated to the reduction of supply and demand of illicit drugs, consumption

levels are still rising all over the world. The drug industry is probably the largest and

most profitable sector of international crime. The perceived threats of drug consumption

and organized crime provide the main justifications for important impulses given in

recent years to the development of legislation and the organization of law enforcement.

Drug repression thereby increasingly acquires an international character. Unilateral,

bilateral and multilateral forms of pressure, intervention and collaboration are prolife­

rating between states in the name of suffocating the ever swelling drug economy. The

prohibition regime is thereby, in a rapid pace, extended with the coercive powers of

states to intervene in national and international drug markets, but therewith also in the

sovereignty of individuals, peoples and countries.

Just as individuals might get addicted to the use of drugs, so the societies in which they

live are becoming addicted to the money that is generated in the drug business (OGD

1995:xiii). This seems to be equally true for the agencies that are assigned the task to

control it.

The drug war can not be won, at least not by the state, as long as demand for illicit

drugs exists. Instead of keeping drug trafficking and organized crime in check, supply

repression is likely to increase the profits of illegal entrepreneurs and to give incentives

to the professionalization of their organizations. Repression induced scarcity inflates

the price of the merchandise; consequently more people will be attracted to take the

risk and enter the business. When governments enhance their efforts to repress the

drug industry, remaining drug entrepreneurs will reorganize their activities so as to limit

the risk of detection and prosecution.

Supply reduction therefore seems a dead end strategy, as it is likely to produce little but

counterproductive effects on the supply of illicit drugs and on the organizational

strength of the trafficker networks it attacks. There are, nevertheless, many other

regulative functions for the police and other state agencies that might merit their inter­

vention in controlling the problems related to drug traffickingl distribution and drug use.

Such problems are basicly related to issues of public health and public order. Ultimate­

ly, policies aimed at supply reduction must -at least in accordance with official policy

goals- be judged by how they affect consumer demand; through the decreased availa­

bility of drugs, through an increase in price or through the deterrent effect of the

criminal law (UNDCP 1997:237). This picture is rather bleak. Over the last decade

worldwide production of illicit drugs has expanded dramatically. Opium and marijuana

144

Page 149: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

production has roughly doubled, and coca production tripled (Perl 1994:ix). New

synthetic drugs find a burgeoning demand in countries all over the world. Nonetheless,

what is discussed in the relevant international fora is not so much if drug policies are

one the right track, but how more powers and resources can be assigned to law

enforcement agencies to suppress the drug trade. Thereby the prohibition regime is

extending its scope towards the financial sector (money laundering), new drugs, the

chemical precursor industry and the disruption of organized crime. Moreover, it is

increasingly extending its scope across borders.

In public policy debates, human rights and anti-war on drugs perspectives stand

opposed to the belief that only by the strengthening of domestic and international legal

instruments the necessary conditions for the democratisation of society can be brought

about (Dorn, Jepsen, and Savona 1996:4). As proponents of legalization and those of

intensified law enforcement vie with one another in the media and political arenas, the

two worlds of crime and law enforcement are increasing their grip on society. Both are

extending the scope of their activities, professionalize and internationalize their opera­

tions. Moreover, they seem to find support in the existence of one another.

To understand the perverse dynamics of both the booming drug industry and of

proliferating state powers to control it, it is my contention that more attention should be

given to the political and economic interests related to both the drug economy and its

control. Equally, the intertwined symbiotic and systemic interactions of the upper and

the underworld, which take shape in the international political economy, need to be

more closely scrutinized.

Why people produce, traffic and consume drugs are very complex issues. Money and

the power (poverty and marginalization) that goes with it account for trafficking and

much production. But other answers that explain the flourishing of the drug economy

must be found in society. These relate to how a society is structured, how political

power is accrued and wielded within it, how economic policy is applied, how the

economy performs, and how resistant the cultural fabric is to the use of public office for

private gain (Tullis 1991 :2). To understand the policy options and policy choices of go­

vernments we have to consider these factors as well.

Dealing with these drug related interests, and the multifarious and interdependent

dimensions of the drug problem, poses governments with very complex policy choices.

Difficult as the management of these interests in the domestic domain may be, with the

internationalization of both the drug economy and drug law enforcement this task

places governments for far greater difficulties. No matter how good the intentions of

drug law enforcement may be, no matter how valuable their outcomes are, they are

unlikely to curb the expansion of the drug industry. 145

Page 150: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

It is to this spiralling escalation between two power contenders on different sides of the

law that I want to draw attention in this article. My quest is to understand how this

failure is produced, why this policy is continued and what its consequences are.

Thereby I mainly try to explain the escalation of the drug war and understand its

underlying dynamics as deriving from structural changes in the global political

economy. I thus look at the drug war as a response to the problems states face in

dealing with the loss of their authority in a globalizing world. Thereby I focus on the

political and economic stakes of drug trafficking and drug control, and analyse the

f10rishing of both the drug industry and the crime control industry as forms of projecting

power and imposing social discipline, and as mechanisms of wealth accumulation,

more addepted to the exigencies of the pursuit of power and plenty in the 'new world

order'. My core point is that both misguided assumptions and the instrumentalization of

the War on Drugs - both in the domestic and the international domain - subvert the

goals of the prohibition regime and produce not only unintended, but also intended

consequences, that explain for its escalation.

By what I label an -as yet incipient- theory of the International Drugs Complex, I hope to

offer a deeper understanding of the mutual dynamics of the expanding drug industry

and the extension of repressive state powers, and provide further insights in the loom­

ing and actual dangers posed by these forces for the democratization of societies.

The theoretical concept of the International Drug Complex is chosen in analogy with the

theory of the Military-Industrial Complex (MIG), that was broadly used to explain for the

longevity of the Cold War, the spiralling arms race, the persistence of ideological

antagonisms, 'perverted' priorities in state budgets and interventionist proclivities of big

power's foreign policies (Rosen 1973:1). To explain the dynamics underlying these

societal events and tendencies, the theory of the MIC focused specifically on relations

between the military establishment and the weapons industry, that -within the social,

economic and institutional fabric of specific countries- together formed a community of

interest powerful enough to lead to such outcomes. Apart from analyzing such

symbiotic relations between different actors with common and interrelated interests

(special interest groups seeking special attention from the government), the theory of

the MIC also focused on more systemic factors that lead to the growth of both the arms

industry and the military services. Such systemic factors, the theory asserted, exist

both within a specific society and in the international arena. In the domestic domain,

even where there was no structure of interest mediation between a confederation of

business firms and military services, and where the goals of the MIC were merely

achieved through innumerable and basically unrelated decisions, still the outcomes of

146

Page 151: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

these decisions taken in the pursuit of perceived self-interests lead to the growth of

both sectors. In the international arena, the theorists of the MIC perceived different,

nationally bound, Military-Industrial Complexes to mutually support each other, as the

alleged achievements of one party in the Cold War urged the other on to greater heigh­

ts.

In a similar way, in this paper, I try to understand the underlying dynamics of the War

on Drugs, by focusing on the symbiotic and systemic relations between the drug

industry and states' drug control efforts, and from there develop a theory of the Interna­

tional Drug Complex. This theory should help to explain for the continuation -if not

escalation- of the War on Drugs, explain the predominant place the drug issue has

attained in domestic and international policies of many states, and provide a deeper

understanding of the very dynamics of the drug industry and of the state powers put in

place to control it.

I depart from the assumption that by focusing on the political and economic dimensions

of the drug industry and drug law enforcement, a more profound understanding can be

achieved of the dynamics underlying their mutual expansion. I place the drug industry

and law enforcement within the context of both the societies and the international

political-economy in which they take shape, and thereby try to delineate their interacti­

ons and mutual dynamics. To assess the outcomes of their mutual interactions I focus

on the distributional consequences of these interactions within and between societies;

stating these - intended and unintended -consequences in terms of the distribution of

power, wealth and security in both the domestic and the international realm.

Below I develop three closely related themes, through which I aim to illuminate the

intertwined dynamics of the drug industry and law enforcement practices, and so

provide the building blocks for a theory of the International Drug Complex:

1. The global drug industry; in which I focus on the international division of labour in the

drugs business, and on how states' laws and drug control practices might impinge on

the industries organizational structures and the distribution of reward;

2. The political-economy of drug law enforcement; in which I focus on the trade-ofts

between drug repression and broader policy goals of states in domestic and interna­

tional arenas, and on the mechanisms through which the intertwined dynamics of the

forces of crime and punishment influence the distribution of power, wealth and security

within and between societies;

3. The International Drug Complex; in which I assess the underlying dynamics of the

interactions between the drug industry and drug enforcement practices, and argue that

the War on Drugs is driven by similar collusive and systemic mechanisms as those that

spurred the Cold War, with possibly no less detrimental consequences for the relations

between states and their societies.

147

Page 152: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

As my focus is specifically on the international dimension of the interactions between

the drug industry and law enforcement practices, in the next section I first clarify some

of the dominant changes in the international political economy that I see as the neces­

sary background for understanding the escalation of their mutual dynamics.

Crime and law enforcement in the 'new world order'

The internationalization of both crime and law enforcement and therefore also their

mutual dynamics are closely related to the changes in the world system, brought about

by the end of the Cold War, globalization, regional integration and neo-liberal reforms.

The transformations these developments and processes gave rise to are manifold.

They produced new patterns of hierarchy and dominance in the international system

and changed the role of the state in this system. Therewith we see new forms of sover­

eignty (e.g. economic, multilateral, multinational) and changes in the relations between

economic and political systems (e.g. deregulation, informalization, corruption). These

changes in the world political and economic system also lead to a diminished

separation between the domestic and the international frameworks for policy making

and the management of economic affairs (Cherny 1995, Rosenau 1992). With these

developments the very basis of the accumulation of power and wealth, and the use of

these resources for their protection take unprecedented shapes. This is equally true for

the forces that try to redistribute these political and economic resources.

Globalization leads thus to a much more fragmented competition for the sources of

power and wealth, in which non-state actors play an increasingly important role. In this

context the internationalization of crime and law enforcement takes place. In this

context their interactions take shape. It is also in this context that they influence the

international political economy, and therewith the distribution of power, wealth and

security in the international system.

Globalization, defined as the intensification of economic, political, social and cultural

relations across borders, has to a large extent been facilitated by technological

developments, and has further been sustained by economic and political decisions to

give international exchanges free-way. Together with the partial liberalization of global

markets, globalization has offered increasing opportunities for the unfettered flow of

capital, goods, people and information over the globe. The concomitant increase in the

power of market forces and the impact of neo-liberal reforms have debilitated states'

capabilities or willingness to regulate and control these flows. With the fall of the Berlin

wall, this globalization, uneven as it may be, is gaining truly global dimensions.

148

Page 153: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Paradoxically, together with the further integration of the world society, these

developments have also brought about disintegrative forces, which, combined with new

technological capabilities, offer unprecedented opportunities for the expansion of trans­

national criminal enterprises. The political turmoil and poverty that came with these

changes in the international political economy offer a virulent breeding ground for the

drug industry, as increasingly people seek and find in it a way to alleviate economic dis­

tress andl or fund their nationalist struggle through criminal enterprise (e.g. Kurdistan,

Chechenia, Kosovo).

Globalization has also fostered the expansion of networks and illegal transactions over

the globe. Migratory diasporas link relatively poor drug producing countries to

consumer markets with far greater spending power. Financial technology makes it

easier to hide the proceeds of crime, and increasing trade in general is likely to

enhance the opportunities for smuggling and fraud.

Some criminal entrepreneurs, in more organized forms, like transnational enterprises,

extent their transnational operations; and the degree to which their authority in world

society and in the world economy rivals and encroaches upon that of governments

(Strange 1996:110). "Mafias", like the Italian Ndragheta and Camorra, the American

Cosa Nostra, Colombian drug "cartels", Chinese and Hong Kong Triads, the Japanese

Yakuza and, more recently, many -more or less nationally or ethnically based­

organizations from former Eastern bloc countries, are only the most commonly known

examples of criminal networks extending their activities over the globe. Amongst each

other they either compete for markets or establish ways to cooperate in their activities.

Drugs mayor may not be their most rentable product, as they engage in many other

legal and illegal activities (arms trafficking, prostitution, extortion etc.) that often have a

much longer record of proven profitability. These activities not only offer them fast

profits, but also the means to exert political power.

Organizing their resources helps some drug entrepreneurs to establish a power struc­

ture to protect themselves, to challenge the authority of states in specific areas, or even

to supplant or penetrate the power of elites controlling a state. Such developments

ultimately also may endanger other sectors of society and the social body in general,

where progressively the rule of law and formally regulated relations between states,

markets and societies give way to informal arrangements, corruption, violence, and inti­

midation. Such consequences might, however, be brought about more by the fact that

their activities are illegal, than that their organizations are criminal. More than the

leverage power that organized crime can attain, it is the their untouchability -that comes

with the internationalization of their activities- that makes them such a threat to a state's

authority. It is my assertion that where drug entrepreneurial networks cannot be

149

Page 154: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

incorporated in local or national political and economic arrangements, their impact on

society becomes much more detrimental; a situation that is only worsened as the state

increasingly resorts to criminalization and repressive means to control their activities.

In this context we can see a seemingly contradictory increase in both the importance of

specific criminal or criminalized activities and in the coercive powers of states (police,

military, custom agencies, fiscal and intelligence apparatuses).

Since the end of the Cold War, the 'peace dividend' has to a large extend been

absorbed by assigning new tasks to coercive state agencies. In many countries this

was given shape by a raise in expenditure for internal coercion, whereas the cost of

defense are increasingly legitimized by the proclaimed need to counter new external

threats. In this process, especially police forces have increased their size, their

resources and their legal powers. In many countries also the military has been given

tasks in drug repression. The United States in the 1980s and 1990s suffiCiently amen­

ded the Posse Comitatus Act, that since 1878 had prevented military involvement in

civil law enforcement, to engage in drug law enforcement at home and abroad (Bagley

1992:130, Drug war facts). But also the Dutch, Brittish and French navies are patrolling

the Caribbean to interdict drug shipments.

Globalization and liberalization, thus, go hand in hand with new efforts directed at the

control and regulation of markets, institutions and societies, notably those related to ille­

gal drugs and migration, and to a lesser extent those controlling capital flows (Andreas

1995). Some of these control mechanisms lay in the remit of state agencies. There is

however also a tendency to hive off part of control responsibilities to other levels of

political authority as well as to the private sector (Johnston 1992). Most striking may be

a shift from the use of administrative law to criminal law for the maintenance of order in

society and the preservation of national security in general. Internal and external

security concerns, so, become increasingly blurred, and therewith the tasks assigned to

coercive state agencies to protect the sovereignty of the state. The challenges to

national sovereignty, posed by the consequences of globalization, have led many

governments to believe that the traditional system for the organization of criminal

justice policy - the system of individual states - no longer suffices to deal with new

problems of international crime (Anderson et al 1995:40).

Extending and internationalizing state powers, political pressures and foreign

interventions in a state's sovereignty, and a growing share of populations jailed on drug

related charges, however, lead many people to perceive law enforcement itself as a

threat to liberal society. Out of the roughly one million people serving jail terms in the

United States [State 1 Prisons, about 59,9% are casual and non-violent drug offenders

150

Page 155: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

(Akida 1997:607).2 In the United States of every 100.000 inhabitants 641 are in jail, in

the Netherlands, to date, this is 'only' 65 (Belenko 1998). The 'americanization' of the

war on drugs is, however, also taking shape in Europe and other countries.

International Conventions, Mutual Assistance Treaties, and institutional mechanisms

set up under the three pillars of the European integration process, combine with fastly

expanding informal networks among police agencies, intended to intensify the

suppression of the drug scourge (Sheptycki 1996). Important changes in the

international political and economic system, that accelerated in the last decade or two,

have offered unprecedented opportunities for legal and illegal trade, and for the

redistribution of power and wealth. These developments incite states, or the elites

controlling a state, to look for new ways to accumulate such resources, to control their

societies, and manage the interface with the outside world. Liberalizing some activities

thereby seems to go in par with the criminalization of others. The 'War on Drugs' is

becoming one of the main legitimation venues for states to enhance their capacity to

intervene, both in the national and in the international domain.

In the next sections I turn to how political and economic interests, and interactions

between the illegal drug industry and state drug control practices shape the dynamics

and outcomes of the 'War on Drugs'.

II The Drug Industry

Drug trafficking is to a large extent a transnational business. The drug industry consists

of various stages; cultivation, refining, transport, distribution, money laundering and

investment of proceeds. In every stage of this drug trajectory, from production to dis­

tribution, profits are made that are consumed or invested but often demand some form

of laundering to conceal their illegal origins.

From the marihuana, coca and poppy fields to the refining laboratories and further on to

the consumers, the drugs pass through many different routes of transport and

distribution. They thereby cross many territorial frontiers, formal and informal

jurisdictions. More sophisticated laundering techniques, use an elaborate international

network of financial institutions, trade and investment firms to hide and invest the drug

profits. The various stages of the drug trajectory and the linking of these stages involve

the participation and sometimes organization of a great many different people, to see to

2 My greatest thanks are due to Yasemin Soysal, Marnix Croes, Gianfranco Poggi and Anne Wegner for reading and critizicing an earlier draft of this article. In a more morphological sense I may be indebted to Peter Andreas whom I find sharing similar approches and concerns towards the underlying dynamics and consequences of the War on Drugs'.

151

Page 156: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

the proper execution of activities, including the protection against the encroachment of

law enforcement agencies and competitors.

The transnational dimension of the drug industry therefore is not only a function of the

territorial distance between major production and consumption regions. It also consists

of the links that are made through networks and organizations with diverse homebases

that sometimes develop transnational operations. Thereby differences in countries'

legislations, and law enforcement capabilities shape the opportunities for drug

entrepreneurs to evade the risks of interdiction and prosecution and prop the flourishing

of their business.

The variety of laws and systems of control and criminalization throughout the world,

and the disparities in ability and determination to control the drug problem displayed

by various countries, enable major drug traffickers to take advantage of the weak

points in such a patchwork' (Van der Vaeren 1995:350).

We might, however, as well reverse this perspective, which than would suggest that a

state's political andl or economic interests demand it to create 'weak points' or shield

niches in which one or more of the stages of the drug trajectory can flourish (like coffee

shops, bank secrecy, self regulating stock markets etcf

Such features explain for the existence of a very dynamic international division of

labour in the drug industry. Production centres for 'natural' drugs (marihuana, coca,

opium) and their derivatives) can particularly be found in the 'Golden Triangle' of South

East Asia, the 'Golden Crescent' in West Asia, some Middle East and Maghreb

countries and in Latin America. These regions compete increasingly with each other,

with emerging production areas in former Eastern bloc countries and with producers in

the western world, where synthetic drugs (XTC, amphetamines) are produced. To this

list can be added many other countries where drug entrepreneurs try to conquer a

niche in national and international drug markets. Some of these have an important

transit function for drugs heading to the most lucrative consumer markets in the United

States and Europe. Others find a gainful role in the laundering and investment of drug

profits, thanks to 'liberal' banking regulations (secrecy, confidentiality and financial

investment tools). We thus deal with a very heterogeneous competition, where different

drugs, different drug entrepreneursl trafficking groups and diverse jurisdictions compete

for market shares in many if not all ofthe subsequent stages of the drug trajectory.

3 Naylor (1987) describes extensively how governments and financial institutions compete IlVith one another to attract intemational flCMIS of hot and/or dirty money to shore up bank liquidity or foreign. exchange reserves. 152

Page 157: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

According to a recent estimate of the UNDCP, the global illegal drug industry

comprises about 8% of international trade (UNDCP 1997). Its estimated annual

turnover of $400 billion constitutes a large share of the income from illegal activities

worldwide, which the UN believes to be $1000 billion. But how to assess such data?

Reminiscent of very distinct calculations like the global accumulated production of

raizorblades; when laid next to each other, said to be enough to cover the surface of

the earth, we see that what matters more than aggregate numbers is the distribution of

such profits and their rents in terms of power and wealth and their overall impact on

societies.

The drug industry does constitute the backbone of many national and local economies,

directly and indirectly offering income and employment opportunities for millions of

people around the globe. They serve the demand of many more. Countries like Bolivia,

Morocco, Mexico, and Afghanistan derive incomes from this industry that pairs with

their formal export income. Morocco earns an estimated $5,75 billion, 20% of its GNP

from the production and export of cannabis and hashish (Ouazzani 1996:122),

supplying the lions share of Europe's demand for these products. The Mexican drug

economy, based chiefly on the export of homegrown marihuana and poppy derivatives,

and the transit of Colombian cocaine to the United States, is valued at more than $20

billion. Important as contributions of this illicit enterprise may be to overall income and

employment levels, the real impact should be measured from its effect on the economy

at large, the distribution of its proceeds, and the social costs in terms of health, safety,

political transparency etc. 4

Such aggregate data for developing countries, estimative and fluctuating as they are,

as an indication of the wealth and power that might be derived from criminal sources,

pail by the late-1980s consumer expenditures on illicit drugs in the United States alone.

These likely exceeded the total gross domestic product of eighty-eight different

countries (cited in Tullis 1995:2; 80 countries in Akida 1997). This tells us that probably

the greater part of drug turnovers never leaves the main consumption countries, as

they are likely to offer the most lucrative investment opportunities.

To assess the economic power and political influence of drug entrepreneurs, and

therewith the strategies that states adopt to intervene in drug markets, it is paramount

to know how these criminal markets are organized, how drug entrepreneurs confront or

collide with the legislation and political economy of their countries of origin, and what is

the scope of activities of actors involved.

4 The literature embarking on such assessments is extensive, especially for producing countries. See for example the Studies on the Impact of the Illegal Drug Trade, 6 Volumes, undertaken by UNRISD and the United Nations University.

153

Page 158: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

The organization of the drug trajectory involves the linking of the different stages of the

drug industry. In spite of much police rethoric, common wisdom, however, is not very

conclusive about the extend of horizontal or vertical integration of the drug trajectory.

Are we dealing with organized crime or with disorganized crime?5

Such organizational characteristics to a large extent determine the distribution and

accumulation of wealth derived from the industry. As the lions share of for instance

cocaine profits is made in American cities, it makes an enormous difference to

Colombian traffickers if they can control the upstream gold mine of the retail part of the

drug trajectory, or if they have to content themselves with wholesale profits they can

make through transactions in Colombia, Mexico or in the United States. Wholesale

profits may still be considerable but rather insignificant compared to the turnover made

at the retail end.6 It is clear that law enforcement can playa role in disrupting the drug

trajectory, and doing so, can bring about important shifts in the distribution of drug

profits. This not only by taking people out, and so creating market space for new

entrants (which can be individual entrepreneurs, institutions or whole regions), but also

by increasing the cost of maintaining links in the drug trajectory.7.

Drug repression drives up the prices and so gives an enormous impulse to the

profitability of the product and the services rendered to the drug industry. Drug

entrepreneurs, be they poppy growing farmers in Pakistan, transport companies in

Turkey, or laundering exchange offices in the Netherlands, have to protect themselves

against prosecution by investigation services, and against competitors. The costs to

decentralize production, bribe state officials, hire protection, create well camouflaged

transport facilities, or convince bankers to take a certain risk, increase with the intensity

of repression. Repression of the drug trade thus not only contributes to the growth of

the drug economy, but also incites a redistribution of the income from the trade.

5 For a discussion of 'models' of the criminal firm see e.g. Peter Reuter (1983), and Joseph Albini in Thomas Mieczkowski (ed.) (1992). Thomas Naylor (1995) points at the important distiction to be made between forms of organization to participate in the market and organization to control the market. 6 An example of one of the few studies that analyze cocaine as a transnational commodity chain can be found in Wilson and Zambrano (1994). They assess that most profits (87 percent) remain in drug consuming countries. They also note the selective nature of US drug policy, that distributes the risk of participation in the trade unequally throughout the cocaine commodity chain, as it overlookS or under­funds investigation into the formal sectors (provision of key components like chemicals, airplanes, arms and communication equipment) and core countries' roles in the drug trade (money laundering, distribution networks). 7 For example, the US Drug Enforcement Agency estimates that in 1993 the Colombian drug cartels spent 23% of their profits on laundering the hard earned drug money, up from 6% in the late 1980s (FOUst and DeGeorge 1993).

154

Page 159: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Taking this competition in the drug business and the effects of state intervention on the

division of labour in the drug industry as a starting point, I now focus on the mecha­

nisms through which the interactions between states' drug enforcement practices and

the drug industry become part of more general efforts in the national and international

domain to redistribute power, wealth and security.

III The Political Economy of Drug Law Enforcement

The growth of the drug industry and concomitant real or perceived threats to states'

authority gave an important impulse to the development of law and the organization of

crime control. Since the beginning of this century, starting with the Shanghai

Conference in 1909, step by step a global prohibition regime was created, sanctioning

the production, dealing, and trafficking of psychotropic substances.a. Almost every

country in the world, by ratifying international treaties, obliged itself to adapt its national

laws in accordance with these treaties, and thereby to suppress the now illegal drug

business. The responsibility for control and furthering the design of the regime came to

fall on the United Nations in 1946B This regime is still under construction, targeting new

drugs and expanding its organizational structure. It encompasses multinational

organizations, state bureaucracies, banks, medical institutions and morality. Thereby

an unprecedented regulatory framework is established, comparable to the non­

proliferation regime for nuclear weaponry. In the evolution of this international regime,

individual states attained a high degree of world-wide uniformity and mutual tuning in

the regulation of one category of intoxicating, mind bending, substances (Gerritsen

1993:75).

There exists a formal global prohibition regime, but to date there is no global criminal

justice system to meet the challenge of drug trafficking and globalized crime. Although

formal regime control and design are with the United Nations, execution and dedication

of control efforts are in the hand of governments and state agencies of individual

nation-states.

In spite of formal compliance to the predispositions of the prohibition regime, in

practice, the strategies and tactics for its enforcement are broadly disputed. Historically

the conception of the 'drug problem' has been subject to dramatic transformations.

Fiscal, balance of payments, civic security, public health, social welfare and moral

8 The substances covered by this regime are expanding with technological developments in phannaco­logy, new 'designer' drugs are rapidly proliferating and incorporated in the prohibition regime. The principal target for control are opiates, followed by coca and cannabis derivatives. Other substances with prohibitive marking are denominated by their active substances. 9 For an oversight and analysis of the development of this global prohibition regime see for instance Stein (1985), Gerritsen (1993) and Silvis (1993).

155

Page 160: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

considerations can be found as determining the main diagnosis of the problem. Within

and between societies the conception of the problem and the discourses guiding

government intervention in the drug industry vary widely, over time and in geographic

space. The multi-dimensionality of the drug problem makes it a very complex policy

field. With prohibition in place, repression still is no panacea.

It was only after their dependencies gained independence that the major european

powers dissolved their colonial monopolies on the opium trade. Prohibition also met

with fierce resistance from the pharmaceutical industries in Germany, Japan and

Switzerland. These were often shielded by state interests in the preparation for war, in

which the secured supply of anaesthetics plays an important role. Coaxing govern­

ments into compliance with prohibition has been, and still is, an arduous process.

From the beginning it has been the United States to take the lead in building the

prohibition regime. Especially since the 1980s, unilateral, bilateral and multilateral

forms of pressure, intervention and collaboration are proliferating to force governments

to comply with prohibition and to stifle the growth of the drug economy. Conditional

development aid, extradition treaties (so called International Mutual Legal Assistance

Treaties), new types of financial policing to 'chase the money' around the international

banking system, financing and advising foreign military and police, political pressure

and even outright military intervention count among the plethora of instruments applied

in the relations between states in this war on drugs. In the process, institutional

structures (e.g. Interpol, Europol, UNDCP) are strengthened to intensify international

cooperation. Besides that, many informal structures have developed between police,

military and intelligence agencies (see Anderson et al 1995, Anderson and den Boer

1994, Benyon et al 1994, Fijnout 1993, Marshall 1991). Many of these are not new.

Before the end of the Cold War, countries like France and the United States had

extensive programmes for the assistance of foreign military and police forces (Fijnout

1993, Marshall 1991). Nowadays, however, such programmes are legitimized by the

supposed need to strengthen other state's capabilities to fight the drug industry. Since

the mid 1980s, through the process of European integration, also the European Union

is asserting itself as a major player in the field.

The internationalizing powers to enforce the prohibition regime are largely legitimized

and rationalized by interdependencies that derive from the global division of labour in

the illegal drug industry and the concomitant problems this presents to individual states

to control the drug industry. But forthcoming interdependency does not necessarily

mean greater integration (collaboration and harmonization). Interdependency can

possibly also mean 'dependency', 'exploitation', 'free riding' and 'conflict' (BOhl

1995:123). International law enforcement instruments, are unevenly distributed, and

156

Page 161: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

include the exchange of information between law enforcers, international pressures on

countries to shape their legislative body (for example, the closure of coffee shops and

the lifting of bank secrecy), the provision of military aid and advisors (an important

element of the American efforts in Latin America), or the extension of 'intelligence'

gathering by foreign stationed liaison officers. The control over these instruments

ultimately touches on the control that countries have over their economies and political

system, and on the control people have over their privacy and sovereignty.

The strategies and tactic applied by governments in their drug policies do not only

touch upon very different conceptions of 'the drug problem', they also affect the dis­

tribution of income within and between societies, and the level of protection that citizens

can attain.

Interventions in drug markets influence the direction, composition and volume of drug

streams over the world, and of the flows of money that are generated in this interna­

tional business. They thereby touch upon the distribution of wealth that can be accumu­

lated in the drug business, and on the relative power of actors within and between

societies.

Drug interests are strong enough to create powers that can playa major role in political

life and in economic activities. Where many people depend on the drug industry for

their income, and where the overall economy is dependent on the influx of foreign

currencies from the drug trade, such drug interests, and concrete efforts of drug

entrepreneurs to protect their trade, severely limit the margins for governments to deal

with the drug industry. Moreover, enhanced drug repression also strengthens coercive

and other powers within state apparatuses relative to each other and the society at

large. Drug policies therefore also have an impact on the distribution of power and

security in and between countries. On the one hand, they can limit the destabilizing

effect of the drug industry on society. On the other hand, enhanCing the resources and

legal powers of a state's security forces possibly also limits the sovereignty of

individuals, peoples and countries, and therewith the level of freedom, democracy and

human rights they can enjoy.

Drug repression therewith also attains an important political dimension. From the per­

spective of the ruling elites, it is of concern to prevent power contending ethnic, political

or clan associations to use the drug proceeds for building their own power structure. In

such a situation, they may have little choice but to gain control over the business

themselves, or at least find a way of incorporating such new dynamic sectors into the

existing power structure. Drug repression WOUld, in many cases, only strengthen the

opposition, as it would leave a good share of the population without means of support.

157

Page 162: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Domestic and foreign drug policies thus touch upon the distribution of power, wealth

and security, both within a country and between societies. These interests are

informing if not imposing a specific logic on many a state's policies and practices, and

lead to systemic interactions between the upper and the underworld, that playa (deci­

sive) role in deepening their perverse impact on the relations among states and be­

tween states and their societies. The phenomenon of 'protected trafficking' here enters

the picture (Scott and Marshall 1991:vii), where selective suppression and protection of

the drug industry becomes a more likely outcome of drug policies.

Criminal groups and criminally obtained resources often are a deviant element in

national and international dynamics of politics. Illegal violence and authorized force

used illegitimately to serve the purpose of one class, clan, ethnic group region or

country against the other is no new phenomenon. It is however strongly related to the

dynamics and consequences of the growth of drugs markets and state policies to

control them. In many countries it is exactly the association of criminal groups with

power elites that produces and prolongs such perverse consequences (Hess

1986:128). In recent history of both industrialized (e.g. France, the United States and

Italy) and developing countries (e.g. Turkey, South Africa, Colombia, Mexico) many

examples can be found of cooperation between secret services, political parties and

other elite power groups with -drug trafficking- criminal groups in the repression of

domestic opposition, the destabilization of foreign governments, and the support a­

gainst (geo)-political foes (see for example Block, Hess 1986, Kruger 1980, McCoy

1972, Scott and Marshall 1991). Equally, many opposition groups have discovered how

important drug income can be to withstand (foreign) control over their territories (e.g.

PKK in Turkey, Shining Path in Peru, and the Afghan mudjaheddin).

Such symbiotic relations between drug entrepreneurs and local, national or foreign

power elites are often amended by forms of corruption of a more or less institutional

nature. The price increase effect of prohibition works effectively as a tax, that however

does not flow straight into the coffins of the state treasury, but is collected by the produ­

cers, traffickers and other services in the trade. In many countries, a prohibition tax is

however equally levied by 'corrupt' enforcement officers and other protectors of the

trade within the politico-administrative system. Such state induced extortion, or bribing,

of the trade is however not only an activity for private gain (supplementing salaries). In

fact, various systems exists that provide for the distribution of such rents within

hierarchical networks, through which such money flows. In return they facilitate

exchange in prohibited markets. Bribery can be a primary method of public finance,

alongside taxation, borrowing and inflation (Thornton 1991 :137). From that perspective,

it should be less of a surprise to find police officials actively involved in the

158

Page 163: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

management and maintenance of the black-market monopolies. Through their relations

with drug entrepreneurs, police officers (and other state protectors) become responsive

to the monopolist. This may lead them to act against new entrants or third parties in the

pursuit of maintaining the monopoly and its profits.

Such symbiotic relations are often an outcome of law enforcement tactics, where drug

enforcement agencies infiltrate trafficking rings, and set up front stores to provide

services to the drug industry. The 'War on Drugs' is in many countries literally running

out of control. A severe crisis upset the Dutch police and juridical system, as it turned

out that the methods used by police agencies in their criminal investigations on drug

traffickers had to a large extent devolved beyond the juridical boundaries and

parliamentary control. The Dutch parliamentary commission that investigated these

methods in 1996 found for example that 285 tons of drugs had been imported by the

Dutch police, of which 100 tons had disappeared on the market (Zwaap 1996).10

The opportunities for bribery and outright extortion, facilitated by the outlaw position of

drug entrepreneurs, constitute an important incentive for the escalation of the drug war.

In a more formalized way, asset seizure laws have had the same result (Benson,

Rasmussen, Solars 1995, Benson and Rasmussen 1996). In fact, the self-financing of

police forces is now also actively propagated by Pino Arlacci, director of the United

Nations Office for Drug Control and Crime Prevention (AFP 31/03/99).

The narcotics industry has, to a greater or lesser extent, become economically and

socially entrenched in almost every country in the world. Drug related interests have

permeated many sectors of society, sectors that often function in the formal economy,

but derive part of their income from activities connected to the drug trade. Few sectors

remain untouched by the drug industry, as drug proceeds are consumed and invested

in other enterprises, or as for example banks and transport companies provide services

to the drug industry, and so become part of the drug industry themselves. The drug

industry is to varying degrees also socially embedded in many countries. Drug

consumption is culturally rooted in certainly not only the most marginalized sectors of

the population. Furthermore, drug entrepreneurs increasingly establish themselves as

a social force that seeks integration in the formal institutions of the societies in which

they live and operate. They thereby often gain if not the respectability than at least

some leverage to protect their interests. The income and employment the industry

generates, for a multiplicity of actors and societies at large, also does not fail to provide

10 In June 1999 a new Dutch Parliamentary Commission (Kalsbeek-commission) concluded that double-informants, with the help of drug officers had managed to import and market an additional 15.000 kilos of cocaine (NRC June 10 1999).

159

Page 164: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

political clout to drug related interests, especially when threatened by foreign or

domestic repression efforts. Prohibition, however, severely hampers the formal

incorporation of the drug industry through taxation, interest mediation and forms of

market, labor and product regulation. From consequential partial, informal, or denied

integration, it is my contention, derive many of the most harmful consequences of the

industries operations, much more so since police and military institutions are ill equiped

to pervorm these regulatory roles 11.

As both the drug industry and drug law enforcement are internationalizing, they put

severe strains on the possibilities of the state to incorporate the drug industry in local

and domestic arrangements, that could limit their destabilizing effects on society. Such

a strategy, if applied, and many countries can not escape such a choice, either by infor­

mal arrangements or through 'corruption', is however becoming less feasible where the

power of organized crime and pressures for intensified law enforcement upset such

symbiotic relations.

The drug industry and drug repression, certainly where they cross the border of other

states, can therefore have very disruptive effects on domestic political-economic insti­

tutions and arrangements. This can come about merely as an unintended

consequence of conscientious cross border supply reduction efforts. However, in many

instances, drug policies are merely part of other foreign policy goals, and are to a large

extent shaped by the institutional logic of agencies called in to implement them.

Recent history has shown that, rightly, much more calculation tends to playa role in

supply side policies than zealous supply reduction. Such policies also take into account

the interests involved in drug trafficking, and the capabilities of governments to offset

the pressure put on these interest by efforts to stifle the drug economy (for example

crop substitution projects carried out by the United Nations that aim to provide drug

farmers with an alternative source of income, or the provision of arms to the Colombian

military). As soon as drug policies become part of broader policy goals towards other

countries they are however likely to be subordinated to other priorities that states

pursue to protect their national interests.

Just as war is the continuation of politics by other means, so the 'War on Drugs' has

become an extension of foreign policy by other means (Marshall 1991 :ii). International

11 Like in many other black market sectors such as illegal gambling and prostitution, exchanges in the drug industry are of a consensual nature. The criminalization of personal vice, as opposed to some of the consequential social harm it inflicts on society, thus leads to what some authors call 'victim less crime'. Both this consensual nature and the fact that prohibition pushes all exchanges underground has far reaching implications for the tactics of law enforcement agenCies in the process of evidence gathering, as partiCipants are unlikely to issue complains or invoke arbitrage from formal institutions, even when disputes arrise. Moreover, many of the negative consequences associated with illegal drugs derive from the prohibition rather than the consumption of the prohibited good (Miron and Zwiebel: 1995). 160

Page 165: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

drug policies almost inescapably become enmeshed with geo-political and economic

considerations (LaBrousse and Koutouzis 1996). So also, enhancing powers of specific

law enforcers, like, in an extreme case, the military in Peru or Colombia, is likely to

serve interest quite different from convincing coca growers to limit their output. In the

most brutal form, international drug law enforcement can legitimize outright military

intervention, as the Panamanians experienced in the late 1980s.

In the foregoing paragraphs I have built an analytical framework to study the underlying

dynamics, outcomes and consequences of the War on Drugs. Thereby I tried to show

how the growth of global networks of crime and the internationalization of law enforce­

ment are shaped by some fundamental changes in the global political and economic

system. I also focused on how the 'War on Drugs' is likely to be subverted by interests

of both drug entrepreneurs and of the powers that are called in to control the drug

industry. Through their symbiotic and systemic interactions they are the most likely

beneficiaries of this war.

As their interactions take place in a competitive world, with unevenly distributed resour­

ces, the outcomes of their interactions are also likely to impinge unevenly on different

societies and groups within them. The criminal system permeates the political and

economic system, undermining the functioning of legal industries and the role and

functioning of the state. The extension of states' coercive powers to 'control' the drug

industry also impinges heavily on the distribution of power, wealth and security within

and between societies, often through practices that escape democratic control. The

destructive force of the intertwined dynamics of the drug industry and state repression

is thereby likely to demolish the existing relations between states, markets, and

societies. Therewith, the underlying dynamics and outcomes of the drug war are not

only shaped by, but also reshaping the fundamental structures of the worlds' political­

economy.

In the next section I argue that interests in the drug industry and in drug law

enforcement collide, in both the domestic and the international domain, to form the

International Drug Complex.

IV The International Drug Complex

In analogy with the theory of the Military Industrial Complex, developed since the

1960's to explain the longevity of the Cold War, arms racing, the perSistence of anti­

communist ideology and political interventions in peoples lives and societies, I have

tried in this paper to assemble and understand the mechanisms and dynamiCS that

might explaining for the flourishing of both drug economies and new regulatory

161

Page 166: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

frameworks for 'state' control.

Therewith I hope to elaborate a theory of the International Drug Complex. This theory

tries to explain for both the prolongation of the 'War on Drugs' and the flourishing of the

drug economy, by focusing on political and economic interests that shape relations

between drug markets and state interventions in these markets.

The basic hypotheses I try to further are that: the dynamics within and between the

social forces at both sides of the law do not tend to keep each other in check, but rather

reinforce each other, either by acting in concert or through more systemic interactions.

Through this a 'community of interest' -a coalition of groups with vested psychological,

moral, and material interests- develops between drug entrepreneurs and coercive state

agencies or the power elites that control them. This mutual support takes many shapes

and has many levels, changing over time and location. However, the consequence of

this collusion is that the interests of both groups are advanced, to the detriment of third

parties and great parts of the societies they flourish in. The drug industry and drug law

enforcement, in this approach, are not necessarily opposite to each other, but develop

a more or less intertwined and interdependent dynamic, a sort of countervailing but

also mutually reinforcing 'coalition', that serves the interests of both, independent of

democratic control by citizens and sometimes even the government.

Globalization, neo-liberal reforms and the end of the Cold War have strongly affected

the regulation of relations among states and the relation between states and societies.

The Cold War system imposed relative stability in the international state system, as

well as order and discipline within both camps and a more general foundation for

stability in the world economy. The Cold war did not lead to a major conflict between

the superpowers and diminished the possibilities for war between states. But, it also

charged a heavy toll on peoples squeezed between the antagonistic claims to maintain

political and ideological unity within the superpowers', self-proclaimed, spheres of

influence.

With globalization and the end of the Cold War system, state's legitimation and

capacities to maintain internal order and protection against external threats have

quickly diminished. Neo-liberal reforms and regional integration, there above, have

accelerated the incapaCitation of individual states to manage the interface between

their society and the rest of the world, and to intervene in the distribution of

opportunities within society.

In the protection of the state, internal and external security are closely related. For half

a century, military-industrial elites have nearly always prevailed over domestic rivals

162

Page 167: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

without much difficulty. Fear of the foreign foe persuaded political managers and the

population at large to acquiesce in new efforts to match and overtake the other side's

armament. The escalating arms race, in turn, helped to maintain conformity and

obedience at home, since an evident outside threat was, as always, the most powerful

social cement to human kind (McNeil 1982:382).

The vast armed establishments that protected the NATO and Warsaw Pact powers

against one another, their ideological strife and the legitimation for domestic control and

foreign interventions are nowadays being supplanted by an extension of the strong arm

of the law in private, domestic and foreign domains.

Today, a qualitative and quantitative shift has been brought about in the constitution

and dedication of the coercive apparatuses of states. In public discourse, governments'

budgets and in the daily lives of many of us we are witnessing important

transformations. Transformations, in the dominance of acclaimed threats (from

communism to drugs, crime and foreigners), in the priority given to the financing for the

preservation of internal order instead of external security arrangements (from the

military to policing institutions), and in the demand of states on citizens to acquiesce to

restrictions on spending power, consumer freedom, personal privacy, sovereignty and

liberty, in order to comply with international demands to 'harmonize' efforts in

countering the scourge of drug trafficking and other forms of criminalized activities.

The discourse and state activities supporting this transformation are to a large extent

based on new foes, basicly the drug industry and its alleged connections with

organized crime, terrorism and migration. The 'red scare' is so substituted by the fear of

drugs and organized crime. The fight against this 'white scare', however, poses

societies and states for many the same opportunities, dilemma's and systemic con­

tradictions as they were faCing during the Cold War era.

Different from the Cold War era, which was dominated by external security concerns,

coercive powers are nowadays basicly set up for the safeguarding of internal security.

However, such divisions are progressively blurred by the internationalization of non­

military treats to internal security. Thereby the traditional divisions of labour between

police, military, secret services and other coercive state powers tend to loose their

significance. Such developments can be seen in the militarization of the 'War on

Drugs', in the policing of external frontiers and in cooperative or interventionist activities

of law enforcement agencies across boarders.

The 'War on Drugs' is so in many respects taking over the functions of the Cold War, in

legitimizing the coercive use of state powers to foster internal order and discipline, but

also in setting up control mechanisms to defend the state and society against external

163

Page 168: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

threats, at home and abroad. The internationalization of police cooperation and the

concomitant proliferation of tools to intervene in the sovereignty of individuals, peoples

and foreign countries is, however, highly liable to decrease the prospect of a world

order in which peace, justice and freedom could develop.

This is mainly due to the uneven distribution of the powers unleashed by the Inter­

national Drug Complex. One the one hand, the globalizing forces of for instance crime,

monetary volatility, and migration decrease the possibilities to protect the state and the

social arrangements that support it. The increasing overlap this brings about between

internal and external security concerns, are likely to lead the formal goals of the drug

war to be overruled by geo-political and economic concerns. The coercive powers of

states that are called in to maintain internal order and external security, to a large

extent, tend to escape democratic control, as their 'operational information' needs to be

shielded from the outside world. Diminishing accountability goes hand in hand with the

increased powers assigned to coercive state agencies.

More than this threat of free floating state power, it is however the subversive impact of

international criminal organizations that undermines the very basis of the state and the

societies they preside over. If indeed also law enforcement directed against the drug

industry is counterproductive, and there above serves quite different political goals, this

leaves us with a less than gloomy perspective for the future development and

democratization of our societies.

V Conclusion

Since the end of the Cold War, the 'New World Order', established under conditions of

increased globalization and underwritten by neo-liberal reforms, is to a large extent

shaped by two forces: the visible hand of criminal forms of market control and the

extension of the strong arm of the law in the national and international domain.

These two forces of repression and subversion increasingly show the tendency to

squeeze the populations of entire societies into a spiralling anarchy, endangering the

constitutional state, and the living conditions of its citizens. Both sides of the law,

although formally opposed to each other, in fact enhance each others growth and

therewith their impact on the rest of society. In their mutual (systemic) interactions they

permeate societies with a logic reminiscent of the way in which, during the Cold War,

the two antagonistic superpowers and their military-industrial complexes on the one

hand fostered the control over their spheres of influence, and on the other hand

incapacitated their populations to counter the pressures of vested interests in a

spiralling arms race that enhanced the income, prestige and power of military establish­

ments and the profits of weapons industries that fed the threat of war.

164

Page 169: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

The two worlds of criminal entrepreneurs and of the coercive agencies of states are

however not separated by geographical boundaries, nor are they separated from the

societies in which they function. As both increasingly attain transnational dimensions

they become more disposed to prevent themselves from being incorporated into

society and, thereby, from being subordinated to democratic control. At the same time

they increase their powers to penetrate in the sovereignty of individuals and that of

entire societies over the globe.

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168

Page 173: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

Anhang

"Management of Social Transformation Programme"

(MOST/UNESCO)

Das UNESCO-Programm, Management Sozialer Transformation (MOST) ist ein

Netzwerk internationaler Kooperation und hat das Ziel, politische Entscheidungsfin­

dung und politikrelevante Sozialforschung in Beziehung zu setzen. Dies geschieht in

den folgenden Politikfeldern: a) Multikulturalismus und Multi-Ethnizitat; b) Stadtpolitik

und -entwicklung und c) lokale und regionale Strategien im Umgang mit globalen

okonomischen und okologischen Entwicklungstendenzen. Das Programm unterstotzt

international angelegte, komparative Sozialforschung und ihren Eingang in die For­

mulierung offentlicher Politiken. Zudem werden im Rahmen des MOST-Programms,

Aktivitaten im Rahmen der UN-Nachfolgekonferenzen entwickelt.

1m Programmteil, ,Lokale und regionale Strategien im Umgang mit globalen okono­

mischen und okologischen Entwicklungstendenzen', wurde eine Eingrenzung des

Forschungsfeldes vorgenommen. Die zentrale Idee war hierbei, den Fokus so auszu­

richten, dar! MOST einen komparativen Vorteil bei der Bearbeitung anzubieten hat.

Bei der Analyse der Auswirkungen von Globalisierungsprozessen auf lokaler und

regionaler Ebene konnte bereits festgestellt werden, dar! wirtschaftliche und okologi­

sche Prozesse lokale und globale Akteure in weitverzweigten Systemen vernetzen.

Mit Sicherheit sind diese lokal-globalen Prozesse von grol!er Wichtigkeit, aber zu

ihrem Verstandnis tragen die genaue Kenntnis regionaler und nationaler ROckwir­

kungen mar!geblich bei. Aile Seiten des Gesamtprozesses der Globalisierung be­

stimmen unser tagliches Leben, insofern sollten auch aile Seiten als relevant fOr so­

zialraumliche Transformationsprozesse anerkannt werden.

Der Charakter von MOST-Forschung unterscheidet sich klar von traditioneller aka­

demischer Forschung. Das MOST Programm ist dadurch bestimmt, dar! die erzielten

Forschungsergebnisse hilfreich zur Orientierung politi scher Entscheidungsfindung

und dem Management politischer Prozesse sein sollen. Insofern stehen globale Pro­

zesse natOrlich ganz oben auf der MOST Forschungs-Agenda; die Restrukturierung

politi scher Prozesse geht jedoch in der Regel von der nationalen Ebene aus und von

dort weiter zu Oberstaatlichen und internationalen Foren, von wo sie erneut auf loka­

Ie, regionale und urbane Konfigurationen rOckwirken.

Auf der Basis von Primar- und Sekundardaten haben bereits mehrere MOST­

Netzwerke internationale, komparative Forschungsberichte Ober die Auswirkungen

okonomischer und okologischer Globalisierungstendenzen auf lokaler und nationaler

Ebene vorgelegt. Die Netzwerke versuchen Instrumente und Strategien zu identifizie­

ren, wie den durch Globalisierung der Weltokonomie ausgelosten Prozessen fort-

169

Page 174: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

schreitender Marginalisierung und Unterentwicklung entgegengewirkt werden kann.

Durch diese Vorgehensweise hat MOST den Einflul1 der Sozialwissenschaften auf

Entscheidungen im Politikfeld der nachhaltigen menschlichen Entwicklung ausge­

weitet. Zudem hat das Programm das Bewul1tsein von Forschern fOr die Wichtigkeit

von Kontakten zwischen Wissenschaft und Politik erhOht.

Bei der Auswahl von globalen okonomischen oder okologischen Phanomenen stan­

den die Klimaproblematik, die Krise der Finanzmarkte und die sozialen Auswirkungen

von Desertifikation zur Auswahl. MOST hat versucht Themenbereiche zu identifizie­

ren, die noch nicht ausreichend beforscht sind und damit diese Forschungsaktivitaten

wertzuschatzen.

Das Projekt, "Zusammenhang zwischen okonomischen und sozialen Transformatio­

nen und internationalem Drogenhandel" ist die Antwort des Programmes auf die fOr

notwendig befundene Analyse lokaler und regionaler Auswirkung globaler Transfor­

mationsprozesse. Dieses Projekt sollte die Grundlagen legen fOr das Verstandnis

lokaler Desintegration und mogliche Strategien gegen die unerwOnschten Konse­

quenzen von Globalisierung und Modernisierung identifizieren. "Umgang" mit diesen

Faktoren soli heil1en, Widerstand zu mobilisieren gegen alles, was die Integritat der

zahlreichen "beings and doings" einer Gesellschaft bedroht. Die ursachlichen Fakto­

ren solcher Prozesse sind haufig schwer erkennbar; gleichzeitig ist es schwierig den

Involvierten ihre Rolle in diesen Prozessen bewul1t zu machen. Lokale Feldforschung

kann auf diesem Weg sehr weiterhelfen, da nur sie Aufschlul1 darOber geben kann,

wie bestimmte Prozesse zusammenhangen und welche offentlichen Politiken ange­

messen darauf reagieren konnen.

In Zusammenarbeit mit dem Internationalen Drogenkontrollprogramm der Vereinten

Nationen (UNDCP) in Wien, betreibt das MOST-Drogenforschungsnetzwerk kompa­

rative Forschung in verschiedenen Landern und Regionen. Historische, kulturelle,

soziale, okonomische, legale und politische Aspekte der Ausweitung des Drogen­

handels und seiner Zusammenhange mit sozialer Transformation werden erforscht

und analysiert. Der Forschungsansatz besteht in der Generierung neuen Wissens auf

der Grundlage von Feldforschung vor Ort, seiner Zusammenstellung und Analyse.

Da das Phanomen ,Drogenhandel' in den meisten Regionen relativ neu ist, fehlt es

an Basiswissen - auch urn darauf angemessen reagieren zu konnen. Lander wie die

Vereinigten Staaten und die Andenlander stellen hier Ausnahmen dar. Ein besseres

und fundierteres Verstandnis der Bedingungen, die den vielfaltigen Verbindungen

von Drogenproduktion und -handel und Prozessen sozialer Transformation zugrunde

liegen, ist notwendig. Dieser Notwendigkeit versucht MOST mit seinem Engagement

in Brasilien, Mexico, China und Indien nachzukommen.

Detailliertere Informationen finden Sie auf unserer website:

www.unesco.org/mosUdrugs.htm

170

Page 175: Internationaler Drogenhandel und gesellschaftliche Transformation

II Websites

www.ogd.org (Observatoire geopolitique des drogues)

www.worldcom.nlltni (Transnational Institute)

www.unesco.org/mostldrugs.htm

www.undcp.org (UN Drugs Control Programme)

www.emcdda.org (European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction)

www.ifs.univie.ac.atl~unciin/uncjin.html(UN-Crime and Justice Information Network)

www.alternatives.comlcrime/MAFIA-EE.html

www.cvc.nic.in (aktuelle website zum Stand der indischen Korruption)

www.cx.unibe.ch/krimlforschung.html

www.nds.gruene.de/ltflthemen/demre/fachOIOOOObeac.html

www.datenschutz-berlin.de/ueberlrechtleorgkg.html

www.cducsu.bundestag.de/texte/geis4r.html

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