Interprofessionelle Ethik hält gesund€¦ · Entscheidungskompetenz Ethische Sensibilität...

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Interprofessionelle Ethik hält gesund – Ethik als Element der betrieblichen Gesundheitsförderung? Stadt Zürich Pflegezentren Mattenhof, Irchelpark Monika Eigler Dr. Marcel Maier Monika Püschel

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Interprofessionelle Ethik hält gesund – Ethik als Element der betrieblichen Gesundheitsförderung?

Stadt Zürich Pflegezentren Mattenhof, Irchelpark Monika Eigler Dr. Marcel Maier Monika Püschel

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Inhalt

Teil I: Bedeutung des Themas für die Geriatriepflege - Psychosozialen Belastungen - Ursachen und Konsequenzen - Moralischer Stress im Pflegeheim - Ethische Interventionen - Zwischenfazit Teil II: Empirische Untersuchung - Fragestellung - Methodik - Messinstrumente Teil III: Ergebnisse aus der Gesamtstudie Teil IV: Synthese, Diskussion & weitere Ausblicke - Die wichtigsten Erkenntnisse - Kritik & Verbesserungspotential - Implikation für die Praxis

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Teil I: Psychosoziale Belastungen - Ursachen und Konsequenzen

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Teil I: Psychosoziale Belastungen - Ursachen und Konsequenzen

Durch Umgang mit Bewohnern und der pflegerischen Tätigkeit auf der Beziehungsebene: •hohe Erwartungen und schwer zu erfüllende Bedürfnisse •hohes persönliches Engagement: Gefahr, sich nicht abgrenzen zu können •Diskrepanzen zwischen persönlichem Berufsbild und Umsetzung in der Praxis auf der Handlungsebene: •Umgang mit demenzbetroffenen und verhaltensauffälligen Bewohnern •aggressives oder gewalttätiges Verhalten, physischen Übergriffe •Ekel, z.B. Kontakt mit üblen Gerüchen, Intimpflege

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Teil I: Psychosoziale Belastungen - Ursachen und Konsequenzen

Belastungen durch Umgang mit Angehörigen Grundproblematik Angehörige und Pflegeinstitutionen haben unterschiedlichen Fokus: Für Pflegenden: einzelner Bewohner als Teil eines komplexen und umfangreichen Aufgabenspektrums Für Angehörige: steht ein ganz spezieller, einzigartiger Mensch mit seinen eigenen, individuellen Wünschen im Mittelpunkt Bei geringeren Ressourcen tritt die einzelne Person mit ihren individuellen Ansprüchen und Bedürfnissen vermehrt in den Hintergrund Ressourcen müssen so disponiert und priorisiert werden, damit alle Bewohner bestmöglich versorgt werden ►die daraus resultierenden Handlungen, können zu Missverständnissen auf beiden Seiten führen (Ugolini, 2006)

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Teil I: Psychosoziale Belastungen - Ursachen und Konsequenzen

Belastungen durch Umgang mit Angehörigen •unrealistische Ziele, die das Personal in erheblichen Zugzwang bringen

•unterschiedliche Meinungen unter den Angehörigen

•Ungeduld der Angehörigen, die auf das Pflegepersonal projiziert werden

•Desinteresse

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Teil I: Psychosoziale Belastungen – Ursachen & Konsequenzen

Belastungen im Team •Gestaltung des Dienstplans oder der Arbeitszeiteinteilung

•gehäufte Absenzen, Verspätungen und überzogene Pausen

•individuelle Überforderung und Überbelastung

•unterschiedlichen Vorstellungen zu „angemessener“ oder „bestmöglicher“ Versorgung

•unklare Rollenverteilung / Unverständnis für die Tätigkeiten der Anderen

•Kontroversen mit anderen Berufsgruppen oder Unkenntnis der anderen Sichtweise

•persönliche Aversionen

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Teil I: Psychosoziale Belastungen – Ursachen & Konsequenzen

Aufgrund der „Palliative Care“ Definition ► Behandlungsform bei chronischen Erkrankungen, die unweigerlich zum Tod führen Ziele nicht die Heilung um jeden Preis (kurativer Ansatz) und dem Patienten dabei therapiebedingte Einschränkungen durch Nebenwirkungen zuzumuten sondern größtmögliche Lebensqualität durch: Symptomlinderung, Aufrechterhaltung der Autonomie, Selbstbestimmung und Wohlbefinden ► Neben medizinischer Behandlung und Pflege muss auch psychische, soziale und spirituelle Unterstützung angeboten werden ► Wünsche der Betroffenen stehen im Fokus

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Teil I: Psychosoziale Belastungen – Ursachen & Konsequenzen

Besonderheit „Palliative Care“ - Psychische Belastungen •anspruchsvolle Aufgabe mit hohe Anforderungen an die Persönlichkeit der beteiligten Fachpersonen

•dauerhafte Konfrontation mit Krankheit, Leiden und der eigenen Hilflosigkeit •eigenen Sterblichkeit wird permanent bewusst •Heilungserfolge (Genesung) bleiben aus. „Erfolg“ der Arbeit kann nicht mit den gesellschaftlich üblichen Maßstäben gemessen werden. Personal ist - anstatt Erfolge zu verzeichnen – ständig Ohnmachtserfahrung ausgesetzt

•Fordernde, uneinsichtige, überforderte Angehörige

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Teil I: Psychosoziale Belastungen – Ursachen und Konsequenzen

Konsequenzen •44.3% erhöhte Inzidenzrate von psychosomatischen Beschwerden im Vergleich zum Durchschnitt der Arbeitnehmer (Berger, et al., 2003)

•Lebenzeitprävalenz von 25 bis 30% für Burnoutsymptomen (Wolf-Ostermann & Gräske,

2008)

•Schweiz: 20% mit einer kritischen Ausprägung der emotionalen Erschöpfung

(Prey, et al., 2004)

•Hohe Stressbelastung und Anwendung von maladaptiven Copingstrategien

(Servodidio, 2011)

•Überdurchschnittlich hohe Depressivitätswerte (Prey, et al., 2004)

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Lösungsmöglichkeiten? Betriebliche Gesundheitsförderung!? Nicht alle Belastungsmomente können mit fachlichen oder organisatorischer

Argumentation begründet und somit mit Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung eliminiert werden.

Denn häufig liegt eine moralische Problemstellung zu Grunde

• Personal muss gegen eigene moralische Überzeugung handeln • Personal befindet sich in einem Dilemma

Teil I: Psychosoziale Belastungen – Ursachen und Konsequenzen

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Teil I: Moralischer Stress im Pflegeheim

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«Darf man eine demente Bewohnerin mit „Du“

und Vorname anreden, wenn sie nur noch

darauf reagiert?»

Teil I: Moralischer Stress im Pflegeheim

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«Dürfen (notwendige) Medikamente in das

Essen „geschmuggelt“ werden, wenn der

Bewohner sie nicht freiwillig einnimmt?»

Teil I: Moralischer Stress im Pflegeheim

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«Ist es ethisch vertretbar, Bewohner aus

Gründen der Sicherheit im Rollstuhl zu

fixieren und dabei in Kauf zu nehmen, dass

die Freiheit eingeschränkt wird»

Teil I: Moralischer Stress im Pflegeheim

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«Darf ein sterbender Bewohner Besuch

erhalten, obwohl die Abteilung wegen Noro-

Virus isoliert ist?»

Teil I: Moralischer Stress im Pflegeheim

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Angehörige fordern für ihre terminale, nicht-

urteilsfähige Mutter subcutane Infusionen.

Es besteht keinerlei Aussicht auf

therapeutischen Erfolg. Muss das Team

diesem Wunsch trotzdem nachkommen?

Teil I: Moralischer Stress im Pflegeheim

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«Darf einer dementen, muslimischen

Bewohnerin in der Cafeteria ein

Schinkensandwich verkauft werden - wenn

sie es wünscht?»

Teil I: Moralischer Stress im Pflegeheim

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„Die Ethik ist in Wahrheit die leichteste aller Wissenschaften.“ Arthur Schopenhauer

Teil I: Moralischer Stress im Pflegeheim

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• In den wenigsten Fälle Fragen um «Leben oder Tod»

• nichts «elitäres»

• nicht nur auf pflegerisch-medizinische Fragen beschränkt

• betreffen alle Berufsgruppen

• alltagsrelevant

• Falls ungelöst: belastend für alle Beteiligten

Teil I: Moralischer Stress im Pflegeheim

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Negative Emotionen Ärger, Frustration, Schuldgefühl, Verringerung des Selbstwertgefühls, Sorgen, Scham, Hilflosigkeit, Traurigkeit, Kraftlosigkeit, Furcht, Aversion gegenüber dem Patienten, etc. (z.B. Corley 2002; Webster und Baylis (2000)

Krankheitssymptome vermindertes Wohlbefinden, Angst, Schlafstörungen, Depressivität, Burnout, etc. (z.B. Elpern, et al., 2005; Severinsson, 2003)

Fluktuation Unzufriedenheit am Arbeitsplatz, Wechsel der Institution Branchenwechsel (► Ausstieg aus der Pflege) (z.B. Redman & Fry, 2000)

auch nicht-pflegerisches Personal kann davon betroffen sein (Maier, Eigler, Püschel, & Koller, 2012; Schiattone, 2011)

Teil I: Moralischer Stress im Pflegeheim

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(Corley, 2002)

Teil I: Moralischer Stress im Pflegeheim

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Teil I: Ethische Interventionen

Zwei Ansätze / Kategorien Ethische Intervention als… (1) Entscheidungsfindung z.B. •Ethische Fallbesprechungen •Ethikkomitees •Ethikkonsildienste

(2) Weiterbildungsmassnahme z.B. •Ethik-Cafés

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Teil I: Zwischenfazit

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Personal in geriatrischer Langzeitpflege ist starken psychischen Belastungen ausgesetzt

Auslöser sind nicht selten Konfrontationen mit moralischen Fragestellungen ►“moralischer Stress“

Mögliche Konsequenzen: emotionale Erschöpfung (Burnout), Depressivität,

sinkende Motivation, sinkendes Wohlbefinden, Arbeitsunzufriedenheit, etc. auch das nicht-pflegerische Personal in der Geriatrie kann betroffen sein Ethik-Cafés sind eine gut beschriebene Interventionsform für Pflegeheime

Teil I: Zwischenfazit

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Aber: In Strategien zur betrieblichen Gesundheitsförderung spielen moralischer

Stress und ethische Interventionen kaum eine Rolle Eigenschaften der Ethik-Cafés bisher nicht empirisch untersucht -

theoriegeleitete Modelle / Erfahrungsberichte

Es bot sich deshalb an, die Ethik-Cafés hinsichtlich ihrer

gesundheitsfördernden Wirkung zu untersuchen

Teil I: Zwischenfazit

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Teil II: Fragestellung

Wenn moralische Probleme die Gesundheit beeinträchtigen – kann dann eine ethische Intervention in Form von Ethik-Cafés einen Beitrag zur betrieblichen Gesundheitsförderung leisten?

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Teil II: Fragestellung

Teil einer umfassenden Dissertationsstudie

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Teil II: Methodik

Evaluation der Ethik-Cafés in den Pflegezentren Mattenhof, Irchelpark

•Geriatrische Pflegeheime •gehören zu den Pflegezentren der Stadt Zürich (PZZ) •zwei Standorten «Mattenhof» und «Irchelpark» •über 300 Bewohnerinnen und Bewohner •über 450 Mitarbeitende aus unterschiedlichsten Berufsgruppen •PZZ selbst bieten über 1'600 Betten in zehn Betrieben •Mit ca. 2‚200 Voll- und Teilzeitangestellten das grösste Unternehmen dieser Art in der Schweiz

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Teil II: Methodik

Standort Irchelpark

Standort Mattenhof

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Ethik-Cafés

Interventionsgruppe

Ethikforum

Teil II: Methodik – Ethikorganisation der PZ Mattenhof, Irchelpark

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Kernstück der Ethikorganisation • interdisziplinäre Diskussionsplattform • konkrete Fälle und Fragestellungen bearbeiten

• Empfehlungen für ethische Richtlinien entwerfen • Entscheidungen und mögliche Verhaltensweisen beurteilen

• 12 Mitgliedern aus allen Unternehmensbereichen

Ethik-Cafés

Interventionsgruppe

Ethikforum

Ethik-CafésEthik-Cafés

InterventionsgruppeInterventionsgruppe

EthikforumEthikforum

Teil II: Methodik - Ethikforum

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Aufgabe • Bearbeitung akuter Situationen in denen schnelle Entscheidungen

gefordert sind • gezielte Fallbearbeitung • Beschlusskraft Mitglieder • Beteiligte der aktuellen Situation • Betriebsleiter • Leitender Arzt • mind. 1 Mitglied Ethikforum

Ethik-Cafés

Interventionsgruppe

Ethikforum

Ethik-CafésEthik-Cafés

InterventionsgruppeInterventionsgruppe

EthikforumEthikforum

Teil II: Methodik – Ethik-Interventionsgruppe

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Weiterbildungsmassnahme

• Austausch zu ethischen Fragen

• offen für alle interessierten Mitarbeitenden

• interprofessionelle Vernetzung

• Perspektivenwechsel

• Steigerung der «ethischen Sensibilität u. Kompetenz»

• Orientierungshilfen und Verhaltenshinweise

Ethik-Cafés

Interventionsgruppe

Ethikforum

Ethik-CafésEthik-Cafés

InterventionsgruppeInterventionsgruppe

EthikforumEthikforum

Teil II: Methodik – Ethik-Cafés

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Struktur/Organisation

• Teilnahme ist freiwillig

• geleitet von externen Ethikexperten

• 4 mal pro Jahr / 20 Teilnehmende

• keine Beschlusskraft

Ethik-Cafés

Interventionsgruppe

Ethikforum

Ethik-CafésEthik-Cafés

InterventionsgruppeInterventionsgruppe

EthikforumEthikforum

Teil II: Methodik – Ethik-Cafés

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Teil II: Methodik - Erhebung/Stichprobe

Fragebogenbefragung Basiserhebung (Baseline) alle Mitarbeitende zwischen Dezember 2011 und Januar 2012 Outcome-Messung Teilnehmer/-innen der Ethik-Cafés (sieben Cafés) nach Abschluss der Basiserhebung zwischen Januar 2012 und Januar 2013 jeweils zwei Wochen nach der Intervention

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Teil II: Methodik - Erhebung/Stichprobe

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Teil II: Messinstrumente (Auswahl)

Operationalisierung «Gesundheit / Belastung» • Emotionale Erschöpfung (12 Items) • Intrinsische Motivation (8 Items) • Arbeitszufriedenheit (7 Items) • Aversion gegen Klienten (5 Items) • Reaktives Abschirmen (6 Items)

• Problemlösen (4 Items) • Qualifizierungsmöglichkeiten (6 Items) • Soziale Stressoren: Patienten/-innen (6 Items) • Aufgabenspezifische Überforderung (9 Items)

• Depressivität (20 Items)

FB zur Beanspruchung durch Humandienstleistungen (FBH) (Hacker, et al., 1995) 7-stufigen Likert-Skala von “völlig zutreffend” (1) bis “völlig unzutreffend” (7) Tätigkeits- und Arbeits-analyseverfahren für das Krankenhaus (TAA-KH-S) (Büssing & Glaser, 2002) 5-stufige Likert-Skala von „nein, gar nicht“ (1) bis „ja genau)“ (5) Allgemeine Depressions-Skala (ADS) (Hautzinger & Bailer, 1993) 4-stufiger Likert-Skala von “selten” (0) bis “meistens” (3)

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Teil II: Messinstrumente (Auswahl)

Fragebogen zu den Eigenschaften der Ethik-Cafés 16 Aussagen zu 11 Ziele / Eigenschaften ethischer Weiterbildung Beispiel ► Analysefähigkeit Die Teilnahme am Ethik-Café……wird mir dabei helfen, komplexe oder schwierige Situationen mit Bewohner/-innen oder Angehörigen, besser zu verstehen. Bewertung dahingehend wie stark sie für die Teilnehmenden zutreffend sind 5-stufige Likert-Skala, von „Nein, gar nicht“ (1) bis „Ja, genau“ (5) ► Argumentationsfähigkeit ► Ethisches Verhalten ► Entscheidungskompetenz ► Ethische Sensibilität ► Kommunikation ► Praxisbezug ► Enttabuisierung ► Wohlbefinden ► Konfliktbewältigung ► Stressreduktion

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Teil III: Ergebnisse aus der Gesamtstudie

Charakteristika Basiserhebung Outcome-Messung

n (%) n (%)

Berufsgruppe Pflegedienst 142 (61.2) 51 (49.0) Nicht-Pflege 89 (38.4) 52 (50.0) k.A 1 (0.4) 1 (1.0) Gesamt 232 (58.9) 104 (81.3)

Geschlecht Frauen 181 (78.0) 77 (74.0) Männer 43 (18.5) 23 (22.1) k.A. 8 (3.4) 4 (3.8)

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Teil III: Ergebnisse aus der Gesamtstudie

Café Ausgabe Rücklauf

n n (%)

t1 18 15 83.3% t2 18 13 72.2% t3 18 15 83.3% t4 20 17 85.0% t5 18 16 88.9% t6 18 12 66.7% t7 18 16 88.9%

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Teil III: Ergebnisse aus der Gesamtstudie

Emotionale Erschöpfung (between-subject) Outcome vs. Baseline: p=.043

Stichprobe M SD N

Baseline 2.30 .77 223

Outcome 2.09 .84 99

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Teil III: Ergebnisse aus der Gesamtstudie

Depressivität (between-subject) Outcome vs. Baseline: p=.047

Stichprobe M SD N

Baseline 5.62 5.19 211

Outcome 4.41 4.46 99

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Teil III: Ergebnisse aus der Gesamtstudie

Positive Veränderungen Baseline vs. Interventionsgruppe jedoch nicht signifikant •Intrinsische Motivation •Arbeitszufriedenheit •Aversion gegen Klienten •Reaktives Abschirmen •Problemlösekompetenz •Qualifizierungsmöglichkeit •Sozialer Stressor Patient •Aufgabenspezifische Überforderung

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Fragebogen zu Eigenschaften der Ethik-Cafés Mittelwerte der einzelnen Konstrukte (0 bis 5)

Eigenschaft/Konstrukt N M SD Analysefähigkeit 104 4.11 .88 Ethisches Verhalten 104 4.08 .92 Ethische Sensibilität 104 4.07 .88 Entscheidungskompetenz 104 4.06 .94 Kommunikation 104 4.00 .88 Praxisbezug (Items 13-14) 104 3.97 .99 Argumentationsfähigkeit (Items 4-7) 103 3.89 .90 Wohlbefinden 103 3.67 1.11 Stressreduktion 104 3.63 1.13 Konfliktbewältigung (Items 10-11) 104 3.59 1.00 Enttabuisierung 104 3.34 1.27

Teil III: Ergebnisse aus der Gesamtstudie

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Fragebogen zu Eigenschaften der Ethik-Cafés Wohlbefinden

3.9% 8.7%

33.0%

25.2% 29.1%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

nein, gar nicht eher nein Teils, teils eher ja ja, genau

Teil III: Ergebnisse aus der Gesamtstudie

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Fragebogen zu Eigenschaften der Ethik-Cafés Stressreduktion

4.8%

10.6%

28.8% 28.8% 26.8%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

nein, gar nicht eher nein Teils, teils eher ja ja, genau

Teil III: Ergebnisse aus der Gesamtstudie

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Teil IV: Die wichtigsten Erkenntnisse

Starke Effekte v.a. bei Depressivität und emotionale Erschöpfung • Die in der Interventionsgruppe gemessenen Werte der Depressivität und

emotionaler Erschöpfung sind im Vergleich zur Baseline deutlich günstiger

• Bedeutender wird diese Erkenntnis durch den Umstand, dass auch innerhalb der gleichen Stichprobe eine nachweisliche Verbesserung entstanden ist (within-subject)

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Teil IV: Die wichtigsten Erkenntnisse

hohe Werte im Fragebogen zu den Eigenschaften der Ethik-Cafés

• theoriegeleitete Eigenschaften konnten empirisch bestätigt werden • auch gesundheitsfördernde Effekte wurden subjektiv wahrgenommen Ethik-Cafés… …wirken sich positiv auf das Wohlbefinden aus

…tragen dazu bei, dass das Stressempfinden in schwierigen Situationen zukünftig reduziert wird

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Teil IV: Kritik & Verbesserungspotential

Methodik - „Feldstudie“, die nicht unter Laborbedingungen stattfindet • mehrere unterschiedliche, teilweise parallel ablaufende Massnahmen in

der Gesundheitsförderung

• keine Standardisierung der Intervention (unterschiedliche Themen und Zusammensetzungen in Ethik-Cafés)

• keine randomisierte, sondern „natürliche“ Stichprobe

• keine „echte“ Kontrollgruppe

• ein einzelner Betrieb (Generalisierbarkeit?; hohe Werte in der Baseline?)

• kleine Stichproben (Ergebnisse trotz klarer Tendenz nicht signifikant)

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Verbesserungspotential «Untersuchungsgegenstand» Evaluation auf einer breiteren, möglichst multizentrischen Ebene durchzuführen: • Effekte würden eher eine statistische Signifikanz aufweisen

• Möglichkeit der Randomisierung und die Bildung einer „echten“

Kontrollgruppe • Wirkung anderer ethischer Interventionen?

Teil IV: Kritik & Verbesserungspotential

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Verbesserungspotential «Messinstrumente» Unberücksichtigt blieb das tatsächlich präsente Ausmaß des moralischen Stresses ►interessant, diesen als zusätzliche Variable mit einzubeziehen, um mögliche Wechselwirkungen noch genauer nachvollziehen zu können

Zusätzliche Variationen bestünden in der Auswahl der zu untersuchenden Variablen bzw. Determinanten der Gesundheit: ►z.B. „Ärger“, „Angst“, „Sorgen“ „Schuldgefühl“, „Traurigkeit“ oder „Schlafstörungen“

Teil IV: Kritik & Verbesserungspotential

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Teil IV: Implikation für die Praxis

wichtiger Baustein im Portfolio der BGF Personal entwickelt Verständnis für die Sichtweisen und Argumentationen

anderer Bereiche enormer Gewinn für die gesamte Betriebskultur

Massnahme zur Personalerhaltung oder Personalgewinnung

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Teil IV: Implikation für die Praxis

Mit den ausgeschöpften methodischen Mitteln leistet diese Studie Pionierarbeit Erstmalig wurde versucht, die gesundheitsfördernde Wirkung einer ethischen Intervention im empirisch nachzuweisen und damit einhergehend die postulierten Eigenschaften von Ethik-Cafés zu bestätigen Die zentrale Frage der lautete, ob Ethik-Cafés einen Beitrag zur proaktiven Gesundheitsförderung leisten… Diese Frage kann mit einem „Ja“ beantwortet werden

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit Ihre Fragen?