Interview mit Jens Bohlen zu „Einfluss der Fusion mit Compaq auf das Outsourcingangebot“

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Zur Person Nach dem Studium der Elektrotechnik an der Universita ¨t Dortmund arbeitete Jens Bohlen, Jahrgang 1962, ab 1991 als Di- plom-Ingenieur bei Hewlett-Packard (HP) im Bereich Support von Unix-Systemen, zuletzt als Account-System-Ingenieur fu ¨r gro ¨ßere Installationen. Vor 8ȡ Jahren wechselte er zuna ¨chst als Berater in den damals gerade gegru ¨ndeten Bereich Outsourcing. șber die Stufen Project Manager , Account Manager und Business Manager wurde er vor drei Jahren zum direkt dem Vice President HP Services unterstellten Direktor fu ¨r Managed Services berufen und verantwortet das Out- sourcinggescha ¨ft in Deutschland. WI: Welchen Weg hat das Outsourcing- gescha ¨ ft in Ihrem Haus in den vergange- nen acht Jahren genommen? Bohlen: Unser Markteinstieg damals war sehr schwierig, weil ein paar große Anbie- ter in Megavertra ¨gen komplette DV-Berei- che ihrer Kunden u ¨ bernommen hatten, mit Personal- wie auch Maschinen- und Sys- temu ¨ bernahmen. Aber zu diesem Zeit- punkt standen gerade viele Anwendungs- unternehmen vor einem Technolo- giewechsel, na ¨mlich weg von eigen erstellter Software hin zum Einsatz von SAP R/3. Diese Systeme waren damals fu ¨r viele Unternehmen technologisch noch nicht beherrschbar. Sie hatten kein Know- how, auch keine umfangreichen Ressour- cen, aber immensen Projektzeitdruck, weil die Altsysteme dringend abgelo ¨ st werden mussten. șber dieses Themenfeld haben wir das selektive Outsourcing etabliert. Das heißt, wir haben den angehenden Kun- den gesagt: Uns interessiert nicht der ge- samte IT-Bereich, sondern wir betrachten nur Anpassung und Betrieb von R/3, wo- bei Kostenreduzierung nicht das zentrale Ziel war, sondern die schnelle Einfu ¨ hrung einer neuen Technologie. In der zweiten Ha ¨lfte der neunziger Jahre wurde dieser Antritt noch durch die zunehmend in Sicht kommende Jahr-2000-Problematik ver- sta ¨rkt und wir erlebten ein absolut aufstei- gendes Gescha ¨ft. Die großen Out- sourcingunternehmen haben sich dann ir- gendwann auch in Richtung selektives Outsourcing bewegt, allerdings hatten wir da einen Erfahrungsvorsprung von viel- leicht zwei Jahren, den wir auch verteidi- gen konnten. WI: Wie entwickelte sich der Markt nach dem Einmalereignis „Jahr 2000“? Bohlen: Ja, um das Jahr 2000 herum haben wir einen Outsourcingboom erlebt, der nicht mehr alleine auf R/3- oder Komplett- Outsourcing basierte. Ein Beispiel ist das Desktop-Outsourcing, also die Vergabe der Verfu ¨ gbarmachung von Endbenutzer- systemen an Spezialisten. Zum Teil wird auch etwa nur die Wartung dieser Systeme ausgelagert, also outtasking betrieben. Fu ¨r meinen Geschmack experimentieren die Firmen in diesem Bereich noch viel zu viel, weil sie aus psychologischen Gru ¨ nden tat- sa ¨chlich eigentlich noch zu wenig Prozesse aus der eigenen Hand geben wollen. WIRTSCHAFTSINFORMATIK 45 (2003) 2, S. 158 160 Jens Bohlen Hewlett-Packard GmbH, Pempelfurtstraße 1, 40880 Ratingen, E-Mail: [email protected] Interviewt von Wolfgang Ko ¨nig Prof. Dr. Wolfgang Ko ¨nig, Universita ¨t Frankfurt, Institut fu ¨r Wirtschaftsinformatik, Mertonstr. 17, 60054 Frankfurt am Main, E-Mail: [email protected] Interview mit Jens Bohlen zu „Einfluss der Fusion mit Compaq auf das Outsourcingangebot“ WI – Interview

Transcript of Interview mit Jens Bohlen zu „Einfluss der Fusion mit Compaq auf das Outsourcingangebot“

Zur Person

Nach dem Studium der Elektrotechnik ander Universitat Dortmund arbeitete JensBohlen, Jahrgang 1962, ab 1991 als Di-plom-Ingenieur bei Hewlett-Packard (HP) imBereich Support von Unix-Systemen, zuletztals Account-System-Ingenieur fur großereInstallationen. Vor 8� Jahren wechselte erzunachst als Berater in den damals geradegegrundeten Bereich Outsourcing. �ber dieStufen Project Manager, Account Managerund Business Manager wurde er vor dreiJahren zum direkt dem Vice President HPServices unterstellten Direktor fur ManagedServices berufen und verantwortet das Out-sourcinggeschaft in Deutschland.

WI: Welchen Weg hat das Outsourcing-geschaft in Ihrem Haus in den vergange-nen acht Jahren genommen?

Bohlen: Unser Markteinstieg damals warsehr schwierig, weil ein paar große Anbie-ter in Megavertragen komplette DV-Berei-che ihrer Kunden ubernommen hatten, mitPersonal- wie auch Maschinen- und Sys-temubernahmen. Aber zu diesem Zeit-punkt standen gerade viele Anwendungs-unternehmen vor einem Technolo-giewechsel, namlich weg von eigenerstellter Software hin zum Einsatz vonSAP R/3. Diese Systeme waren damals furviele Unternehmen technologisch nochnicht beherrschbar. Sie hatten kein Know-

how, auch keine umfangreichen Ressour-cen, aber immensen Projektzeitdruck, weildie Altsysteme dringend abgelost werdenmussten. �ber dieses Themenfeld habenwir das selektive Outsourcing etabliert.Das heißt, wir haben den angehenden Kun-den gesagt: Uns interessiert nicht der ge-samte IT-Bereich, sondern wir betrachtennur Anpassung und Betrieb von R/3, wo-bei Kostenreduzierung nicht das zentraleZiel war, sondern die schnelle Einfuhrungeiner neuen Technologie. In der zweitenHalfte der neunziger Jahre wurde dieserAntritt noch durch die zunehmend in Sichtkommende Jahr-2000-Problematik ver-starkt und wir erlebten ein absolut aufstei-gendes Geschaft. Die großen Out-sourcingunternehmen haben sich dann ir-gendwann auch in Richtung selektivesOutsourcing bewegt, allerdings hatten wirda einen Erfahrungsvorsprung von viel-leicht zwei Jahren, den wir auch verteidi-gen konnten.

WI: Wie entwickelte sich der Markt nachdem Einmalereignis „Jahr 2000“?

Bohlen: Ja, um das Jahr 2000 herum habenwir einen Outsourcingboom erlebt, dernicht mehr alleine auf R/3- oder Komplett-Outsourcing basierte. Ein Beispiel ist dasDesktop-Outsourcing, also die Vergabeder Verfugbarmachung von Endbenutzer-systemen an Spezialisten. Zum Teil wirdauch etwa nur die Wartung dieser Systemeausgelagert, also outtasking betrieben. Furmeinen Geschmack experimentieren dieFirmen in diesem Bereich noch viel zu viel,weil sie aus psychologischen Grunden tat-sachlich eigentlich noch zu wenig Prozesseaus der eigenen Hand geben wollen.

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Jens Bohlen

Hewlett-Packard GmbH,Pempelfurtstraße 1,40880 Ratingen,E-Mail: [email protected]

Interviewt von

Wolfgang Konig

Prof. Dr. Wolfgang Konig,Universitat Frankfurt,Institut fur Wirtschaftsinformatik,Mertonstr. 17,60054 Frankfurt am Main,E-Mail: [email protected]

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WI – Interview

Aber im Prinzip haben viele kleine Kon-zerne von den großen Konzernen, dieOutsourcing erfolgreich durchgefuhrt ha-ben, gelernt, ebenso kleine Firmen von dengroßen: Outsourcing muss Bestandteil derIT-Strategie sein, aber nicht ausschließlichin dem Komplett-Ansatz wie fruher, son-dern man geht heute differenziert an dieseFrage heran.

WI: In welcher Form differenzieren IhreKunden?

Bohlen: Unter der derzeit uberall gultigenKostensenkungsprioritat lautet deren Kern-frage immer: Welche spezifischen IT-Kom-petenzen muss ich im eigenen Haus erhal-ten, um nachhaltig mein eigenes Geschaft –etwa, um ein Beispiel herauszugreifen, Au-tomobilentwicklung und -montage – sofortentwickeln zu konnen, dass ich immeran der Spitze meines Wettbewerbs stehe?Hier mag es sein, dass riesige Konzerne beieinem Komplett-Outsourcing andere Mit-tel und Wege einsetzen konnen, um sich dienotwendige IT-Kompetenz zu besorgen.Aber die mit uns in enger Diskussion be-findlichen Unternehmen – große und tiefgegliederte Unternehmen bis hinunter zumgehobenen Mittelstand, also Unternehmenmit 1.000 und mehr DV-Arbeitsplatzen –suchen nach gezielten Teil-Outsourcings –wir nennen dies Comprehensive Outsour-cing. Komponenten der ITwerden zu viel-leicht 50 oder 60% ausgelagert und es ver-bleiben substanzielle Kernmannschaftenbeim Kunden. An dieser Stelle ist ubrigensauch interessant, dass die gangigen Indus-trieanalysten die Unternehmen nunmehrauch mit interessanten Ansatzen beraten,welche Kernkompetenzen diese in Handenbehalten sollen, d. h., wo Grenzen des Out-sourcings liegen.

WI: Welche Rolle spielt die Internationali-tat bei Ihren Kunden?

Bohlen: Firmen mit 1.000 und mehr DV-Arbeitsplatzen sind normalerweise mit Be-triebsstellen, teilweise auch mit Produkti-onsstatten irgendwo im Ausland vertreten.Ein typisches Szenario am unteren Endedieser Großenskala ist eine Firma mit viel-leicht 60 IT-Mitarbeitern, davon funfzehnin Nordamerika und zehn in Singapur – esist schon beeindruckend, wie viele dieserdeutschen Mittelstandler wirklich interna-tional aufgestellt sind. Diese Kunden wol-len nicht nur Rechenzentrumsleistungen,sondern beispielsweise eine auch auf die je-weilige Kultur des Standorts abgestimmte

Beratung – technisch, wirtschaftlich undrechtlich.

WI: Welche Einflusse auf das Outsourcing-geschaft entstehen aus Ihrer Fusion mitCompaq?

Bohlen: Wesentlich ist zunachst einmal,dass wir unsere Fusionsziele erreicht ha-ben, z. B., dass wir nicht nur im Verbundtrotz aller Zusatzbelastungen aus dem Mer-ger das von beiden Partnern eingebrachteUmsatzvolumen gehalten haben, sondernzurzeit mit 30–40% wachsen.

Zum Zweiten bringt die Fusion neueund sehr interessante Kunden, die wir vor-her nicht vernunftig adressieren konnten.Ein dritter wertvoller Aspekt – aber bit-

te betrachten Sie dies nicht als eine Ran-greihung, alle Einflusse sind wichtig – sindneue Erfahrungen, da die Compaq-Kolle-gen nicht wie wir einen Schwerpunkt aufdas Rechenzentrum, sondern mehr auf diedezentralen IT-Services gelegt haben. Wirhaben unser Service-Portfolio um Diensteim Bereich der Desktops und der helpdesks erweitern konnen, da sich die Kolle-gen noch ausgepragter als wir mit diesenFragen beschaftigten und auch andere An-satze, die von den Kosten her sehr interes-sant sind, einbringen. Und was vielleichtnoch wichtiger ist, ist jetzt die Wahrneh-mung am Markt als fuhrender Technolo-gie- und Service-Lieferant nunmehr auchim mittleren Feld, mit klassischen Servern,aber auch einem leistungsstarken Angebotim Windows-Umfeld.

WI: Inwiefern passen die Unternehmens-kulturen der beiden Partner zusammen?Wie viel Anpassungsarbeit entsteht in die-sem Bereich?

Bohlen: Naturlich entsteht Anpassungs-arbeit. Aber grundsatzlich ist Vielfalt docherwunscht und tatsachlich insgesamt sehrforderlich. Beispielsweise haben wir unterdem Eindruck der Compaq-Kultur unserUnternehmensbild durch zwei Aspekte er-weitert. Einmal betrifft dies die Geschwin-digkeit, mit welcher wir eine Losung bereit-stellen. Fur HP war oberstes Ziel,technologisch die beste Losung zu haben,ohne allzu sehr auf die Durchlaufzeit zuachten. Nunmehr wollen wir technisch sehrgute Losungen dem Kunden schnell bereit-stellen, schneller als andere. Die zweiteVeranderung betrifft den Kundenfokus.Dieses Ziel haben wir vorher als HP auchverfolgt. Aber ich glaube, wir waren sehrstark fokussiert auf unsere eigene Einschat-

zung, dass wir schon ungefahr wissen, wasder Markt braucht. Nach dem Merger mitCompaq werden wir noch enger am Markt,an den Kunden und Partnern sowie demWettbewerb orientiert agieren. Wir wollenalso den Kunden genau verstehen und ihmdas Gewunschte liefern. Grundsatzlich gilt,dass wir keinen Kunden verlieren durfen,denn wegen des harten Wettbewerbs mus-sen wir zur Kompensation an zehn bis funf-zehn prospektiven neuen Kunden arbeiten.

WI: Wie organisieren Sie das Wissensmana-gement in Ihrem Haus? Welche Einflussesind hier aus der Fusion zu beobachten?

Bohlen: Wir haben fur alle weltweitenStandorte die gleiche Matrixorganisationmit einer regionalen Bundelung auf der ei-nen und einer fachlichen Zusammenfassungauf der anderen Achse, sodass wir schnellverantwortliche Personen zu Kunden undKompetenzen identifizieren und auf diesezugehen konnen. Ebenso betreiben wir einweltweites Dokumentenmanagement undandere gemeinsame Werkzeuge und habendamit wichtige Informationen praktisch so-fort im Zugriff. Die Anpassung dieserStrukturen ist ubrigens ein erheblicher Be-standteil der eben erwahnten Anpassungs-arbeit.

Durch unsere internationale Aufstellungkonnen wir – auch zum Nutzen unsererKunden – das Lernen von den Besten un-terstutzen. Deutschland ist zwar in vielenThemen fuhrend, weil unser Markt ein sehrspezieller und hart umkampfter ist. Aberbezuglich Outsourcing sind manche Mark-te einfach ein bisschen reifer, z. B. Englandund vielleicht auch Amerika. Von denAsiaten konnen wir etwa viel in Bezug aufDienstleistungsmentalitat lernen.

Die Fusion vergroßert die sowieso schonzugreifbare installierte Basis, wenn ich diesso nennen darf. Das heißt, die Wahrschein-lichkeit, dass ein bestimmtes Thema imHaus schon einmal irgendwo adressiertwurde, ist groß. Das ist fur die tagliche Ar-beit ein Riesenvorteil.

Und wir wissen, dass es Kunden mit ver-schiedenen kulturellen Bedurfnissen gibt.Weil die meisten Kunden international auf-gestellt sind, mussen und konnen wir mul-tinationale Projekte sehr schnell aus derTaufe heben. Mit einem rein deutschenTeam konnen Sie beispielsweise in Amerikakeinen Auftrag gewinnen, Sie brauchenhierbei Amerikaner.

WI: Damit Mitarbeiterinnen und Mitarbei-ter ihr lokales Wissen in der Organisation

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preisgeben, bedarf es besonderer Motivati-on. Wie erreichen Sie diese?

Bohlen: Die wichtigste Grundlage hierfursind unsere Firmenwerte wie Teamwork,Vertrauen und Respekt voreinander. InVerbindung mit einer Fuhrung durch wal-king around sowie der Politik der offenenTuren bei den Vorgesetzten, die jederzeitangesprochen und auch konstruktiv kriti-siert werden konnen, werden die Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter ermutigt, sich fasttaglich wie ein eigener Unternehmer imUnternehmen zu bewegen – eigenverant-wortliches Agieren und aktive Hilfestel-lung fur Kollegen sind auch Auswahlkrite-rien bei der Einstellung. Das heißtnaturlich nicht, dass die Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter ihre eigenen Strategienentwickeln konnen – hierzu gibt es natur-lich Regeln. Und wir haben auch finanziel-le Vorgaben, die erfullt werden mussen.Aber wir vereinbaren mit den MitarbeiternZiele und versuchen zu vermeiden, vor-zuschreiben, wie der Einzelne seine Ergeb-nisse realisieren soll.

WI: �bernehmen Sie Personal von denjeni-gen, die Ihre Outsourcing-Dienstleistungenin Anspruch nehmen?

Bohlen: Ja, das tun wir seit drei Jahren ineiner Reihe von Projekten, und zwar inso-fern in einer einzigartigen Art und Weise,weil wir diese so hinzugewonnenen Leutevon Anfang an komplett gleichstellen mitvergleichbar lange beschaftigten HP-Mit-arbeitern. In diesem Fall treffen wir keineAuswahl, bitten dann aber auch den Kun-den, seinerseits so zu verfahren.

WI: Wie integrieren und produktivieren Siediese Mitarbeiter?

Bohlen: Erste Aufgabe ist, dass wir siewirklich mental integrieren. Das geht nichtvon heute auf morgen, sondern ist ein Pro-zess, der uber ein oder zwei Jahre gehenkann. Das heißt, man muss die Mitarbeiterin dieser Situation, in welche sie sich janicht freiwillig begeben haben, sondern siewurde ihnen aufgezwungen, da abholen,wo sie sind, sie begleiten, ihnen Hilfe ge-ben, z. B. bei Fragen uber HP, dem neuenArbeitgeber. Wir investieren zusatzlicheRessourcen in die Projekt- und Personal-arbeit, um den Leuten zu helfen.Ein weiterer Aspekt ist, dass wir sehr

schnell anfangen, die Prozesse qualitativ

und quantitativ – z. B. mit Blick auf die Fi-nanzkennzahlen – zu bemessen und zu be-werten, etwa im monatlichen Vergleich.Das heißt, den Mitarbeitern klar zu ma-chen, dass wir etwas messen und im Zeit-ablauf kontinuierlich Istzahlen den Zielengegenuber stellen, um es zu verbessern.Fur uns ist das Messen dieser Werte wichti-ger als irgendeine Philosophie, ob wirTechnologie A oder B lieber mogen.

WI: Die erwunschte Produktivierung kannaber nicht nur durch Personal- und Pro-jektmaßnahmen erreicht werden, oder?

Bohlen: Ja, ein wichtiger Baustein der inne-ren Infrastruktur, wenn ich dies einmal sonennen darf, ist das andauernde Bestrebenzur Schaffung einer integrierten Liefer-organisation fur letztlich weltweit nutzbareProzessdienstleistungen. Ziel ist, aus einemKompetenzzentrum – wo immer dies auchangesiedelt ist – einen Großteil unsererAbnehmer zu bedienen – etwa die Kundeneiner zusammenhangenden Landergruppe.Das ist relativ schnell bei 10 oder 20% derThemen moglich, mit weiteren Methoden-und Kompetenzinvestitionen spater viel-leicht bei 30 und 40%. Die hier zu bewal-tigenden Aufgaben lauten also Wieder-holbarmachen und Zentralisieren. AlsNebenbedingung wird versucht, zu jedemZeitpunkt in irgendeinem Erdteil im Rah-men der normalen Arbeitszeit auf Expertenzugreifen zu konnen.

WI: Wie lauft dies konkret ab?

Bohlen: Nehmen Sie das Beispiel SAP R/3.Bei weltweit Hunderten von Outsourcing-Kunden – ubrigens auch HP intern – be-treiben wir ca. 300.000 produktive User.Die werden aus sog. Operation Manage-ment Centers bedient. Das sind weltweitausgesuchte Standorte. In Europa, wo wirin diesem Feld 300 Mitarbeiter haben, istBoblingen der großte. In diesen großenOrganisationen versuchen wir, spezialisier-te Teams etwa nach Landern oder einemstarkeren Kundenfokus aufzustellen. Undwenn wirklich Not am Mann ist, konnenwir schnell umdisponieren und z. B. amWochenende eine dringende �nderungdurchfuhren.

WI: Wenn wir nun auf Ihre eigenen Be-schaffungsprozesse schauen: Wie organisie-ren Sie die Zusammenarbeit mit dem Soft-warehersteller?

Bohlen: Wir haben einen engen Schulter-schluss mit SAP. Dort gibt es ein eigenesHP-SAP-Kompetenzzentrum, mit demwir von Anfang eines Projektes an im Kon-takt stehen, z. B. bezuglich Konfigurie-rung. Auch unsere Kollegen in den zentra-len Liefereinheiten treffen sich regelmaßigmit den dortigen Leuten, um zu verstehen,welche neuen Technologien geplant sind,welche Produktpolitik SAP verfolgt undauch, um gemeinsame Projekte anzugehen.Im Support gibt es gemeinsame Strukturenund teilweise integrierte Systeme. Dasheißt, Problemmeldungen konnen von HPSupport direkt an den SAP Support gege-ben werden und umgekehrt. Und wir ha-ben naturlich besondere Teams bei HP, diebestimmte Leistungen SAP-zertifiziertdurchfuhren konnen.

WI: In welchen anderen Bereichen ist eineso elaborierte Struktur denkbar oder bereitsrealisiert?

Bohlen: Ich sagte bereits, dass das Desk-topmanagement fur uns und auch fur unse-re Kunden ein enormes Potenzial aufweist.Daruber hinaus haben wir erste Elementeeiner ahnlichen Struktur im Bahnumfeldaufgebaut. Des Weiteren investieren wir inderartige Organisationskonzepte im Be-reich der Web-Services, also Losungen umdas Internet herum. Hier zielen wir daraufab, die kompliziertesten Geschafts-umgebungen, die mit dem Internet agieren,von den Kunden zu ubernehmen. Daskonnen z. B. Marktplatze sein, aber auchAnwendungen wie etwa das Payback-Sys-tem.Im Automobilsektor, der beim Outsour-

cing eine Vorreiterrolle spielt, haben wir aneinzelnen Beispielen, etwa dem Betrieb ei-nes 200 TeraByte großen Speichers, gelernt,wie man On-Demand-Losungen aufbauenkann, also die einzelne Abrechenbarkeitvon Geschaftsvorfallen moglichst 100%skalierbar und ohne Mindestabnahmemen-gen. In derartigen Fallen zeigt sich auch,dass es von großem Vorteil ist, selbst alsTechnologielieferant zu wirken und auchhier zu Synergieeffekten zu kommen. �hn-lich erwarten wir, dass das Messaging-on-Demand, also die Abrechnung des Betriebseiner Mail-Umgebung nach umgesetztenTransaktionen, Platz greifen wird.

WI: Herzlichen Dank fur dieses Gesprach.

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